Vollständiger Artikel aus der März
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Vollständiger Artikel aus der März
Niemand kann voraussehen, ob die Eltern später auf Pflege angewiesen sein werden. Wer rechtzeitig vorsorgt, weiß sie dann ... In guten Händen VON KIRSTIN VON ELM D ie diagnose lautete Darmkrebs. „Operation, künstlicher Darmausgang – das war der Punkt, an dem meine Mutter nicht mehr alleine konnte“, erinnert sich Dorothea Kochanowski aus Kiel. Auf die plötzliche Krise war die Familie kaum vorbereitet. „Obwohl sie fast 90 war, haben wir nie darüber gesprochen, was geschehen sollte, wenn sie einmal zum Pflegefall würde“, erklärt die Tochter. Die Folge: Über Nacht mussten die Kochanowskis eine ambulante Pflegekraft organisieren, zahlreiche Rechts- und Finanzfragen klären. NACH EINEM ARTIKEL VON MARY TERESA BITTI FOTO: © GETTY IMAGES 121 RD I MÄRZ 2004 Schon heute planen Wer nicht wie Familie Kochanowski plötzlich in Zugzwang geraten will, macht sich besser frühzeitig Gedanken. Sprechen Sie mit Ihren Eltern über deren Wünsche und Vorstellungen, solange sie fit und gesund sind. „Es ist naiv zu glauben, die Kinder würden schon alles richtig machen, Vertrauensperson ernennen. Wer Bedenken hat, derart umfangreiche Vollmachten zu erteilen, kann per Betreuungsverfügung vorgeben, wen er im Bedarfsfall als Betreuer wünscht, aber auch, welches Pflegeheim er bevorzugt. „Wenigstens eines dieser Dokumente sollte jeder haben“, empfiehlt VdK-Rechtsberaterin Hedderich. Ihr Am besten schon heute eine Person bestimmen, die später Vollmacht haben soll wenn man selbst nicht mehr dazu in der Lage ist“, warnt Riccarda Hedderich, Rechtsexpertin beim Sozialverband VdK in Dortmund. Zudem dürfen ohne entsprechende Vollmacht selbst die engsten Angehörigen nicht automatisch bestimmen, was geschehen soll. Fehlen klare Anweisungen, bestellt das Vormundschaftsgericht einen Betreuer. In Österreich werden so genannte Sachverwalter von den zuständigen Bezirksgerichten ernannt. Vollmacht geben Wer möchte schon, dass plötzlich ein Fremder über wichtige persönliche, finanzielle und rechtliche Angelegenheiten entscheidet? Um das zu verhindern, sollten Ihre Eltern mit der so genannten General- und Vorsorgevollmacht, in Österreich mit einer General- oder Gattungsvollmacht, eine 122 Tipp: „Orientieren Sie sich an Mustern und Vorlagen, die Sie etwa im Buchhandel, im Internet oder bei der örtlichen Sozialstation erhalten.“ Die Vollmachten müssen beglaubigt oder notariell beurkundet sein. Alle Angehörigen einbeziehen Allerdings: Nicht nur Kinder, sondern auch Eltern machen meist lieber einen großen Bogen um das heiße Eisen Pflegefall. „In vielen Familien herrscht hier das große Schweigen“, beobachtet Christel Boßbach, die einen Ratgeber für pflegende Angehörige mitverfasst hat. Sprechen Sie das Thema sachlich an. Wichtig ist, die Geschwister mit an den Tisch zu holen, weiß Christel Boßbach aus eigener Erfahrung: „Die Betreuung der Eltern darf nicht wie selbstverständlich nur die Aufgabe der IN GUTEN HÄNDEN Tochter oder Schwiegertochter sein.“ Im Ernstfall sollten sich Pflichten und Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. „Dass die Familie so gut zusammenhält, war für mich eine bereichernde Erfahrung“, bestätigt Maria Dietz, Landwirtin aus Rheinland-Pfalz. Nachdem ihre Schwiegermutter Paula 1987 einen Schlaganfall erlitten hatte, beschlossen die Familien von Sohn und Tochter, sich die Pflege zu teilen. „Meine Kinder haben sich liebevoll um die Oma gekümmert“, erzählt Maria Dietz. Fünf Jahre lang lebte Schwiegermutter Paula je sechs Wochen abwechselnd bei ihren Kindern und Enkeln und starb schließlich behütet im Familienkreis. Unabhängigkeit bewahren Selbst wenn es dafür keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, vieles deutet darauf hin: Eine familiäre Umgebung wirkt sich positiv auf den Lebensmut alter Menschen aus. „Die Leute wollen zu Hause bleiben“, bestätigt die Psychologin Dr. Susanne Zank von der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie in Berlin. Ins Pflegeheim gehen in der Regel fast nur sehr alte oder kranke Menschen, das Durchschnittsalter liegt über 80. „Die Privatsphäre der eigenen vier Wände schätzen die meisten höher als die Kontaktchancen und Freizeitangebote, die ein Heimplatz bietet“, erklärt Zank. RD I MÄRZ 2004 Den Alltag organisieren Professionelle Pflege gibt es zudem nicht nur im Heim. Das Spektrum an ambulanten Hilfsdiensten ist mittlerweile breit gefächert. Den ersten Überblick verschaffen Sie sich am besten bei der Gemeindeverwaltung oder der örtlichen Sozialstation. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre El- Sicherheit Bei Nachbarn können Sie für den Notfall wichtige Rufnummern und einen Wohnungsschlüssel hinterlegen. Kirchengemeinden organisieren vielerorts Telefonketten mit täglichen Anrufen zu einer festen Uhrzeit. Pflegedienste bieten Haus-Notruf-Systeme. Neben diesen Alltagshilfen übernehmen ambulante Pflegedienste bei Hilfe bei der Betreuung in den eigenen vier Wänden geben ambulante Pflegedienste tern Unterstützung benötigen, besprechen Sie mit ihnen die Möglichkeiten: Kochen Private Anbieter wie Kantinen und Wohlfahrtsverbände liefern warme Mahlzeiten ins Haus. In vielen Seniorenheimen und Altenzentren gibt es Mittagstische, bei denen man in Gesellschaft essen kann. Haushalt Zuverlässige Putz- oder Einkaufshilfen vermitteln Sozial- und Diakoniestationen, die Caritas und Vereine zur Nachbarschaftshilfe. Freizeit Kirchengemeinden, Altenzentren, Sportvereine oder Volkshochschulen halten ein vielfältiges Programm für Ältere bereit. Mobilität Wohlfahrtsverbände und private Pflegedienste bieten Fahrservice für gehbehinderte Menschen. Oder handeln Sie für regelmäßige Touren einen Festpreis mit einem Taxiunternehmer aus. 124 Bedarf auch die persönliche Pflege wie Waschen und Ankleiden. Die Finanzierung regeln Ist ein gewisser Grad an Hilfsbedürftigkeit erreicht, beteiligt sich Vater Staat an den Kosten für die Pflege. In Österreich gibt es dafür das Bundespflegegeld, das aus Steuermitteln finanziert wird. In Deutschland ist die Pflegeversicherung zuständig. Leistungen beantragen Versicherte bei ihrer Pflegekasse, also dort, wo sie auch krankenversichert sind. Österreicher stellen den Antrag beim Rententräger. Ein ärztlicher Gutachter prüft daraufhin bei einer Untersuchung in seiner Praxis oder einem Hausbesuch, ob und in welchem Umfang ein Leistungsanspruch besteht. In Österreich gibt es sieben Pflegestufen, in Deutschland drei. IN GUTEN HÄNDEN Bereits für die Anerkennung in Pflegestufe I gelten in Deutschland minutiöse Vorschriften. Erst wer mindestens 90 Minuten täglich Hilfe benötigt, hat Anspruch auf Versicherungsleistungen. Aber nur, wenn mehr als die Hälfte der Zeit auf die so genannte Grundpflege entfällt. Dazu zählen Du- schen, Ankleiden, Essen, nicht aber Putzen, Kochen oder Einkaufen. „Halten Sie über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen die Zeiten fest, die Sie für alle Pflegetätigkeiten brauchen“, rät Heike Nordmann von der Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen. RD I MÄRZ 2004 Das richtige Pflegeheim Ist Hilfe rund um die Uhr erforderlich, übersteigt die Pflege zu Hause oft die Kräfte der Angehörigen. „Ich war körperlich und seelisch völlig erschöpft“, sagt Lore Großhans, die ihre Mutter vier Jahre pflegte und aufgrund dieser persönlichen Erfahrungen einen Ratgeber für Pflegende geschrieben hat. In diesem Fall ist der Umzug ins Heim oft die beste Lösung. Allerdings auch die teuerste: Für schwerst Pflegebedürftige kostet ein Heimplatz in Deutschland über 3000 Euro monatlich. Reichen die eigenen Mittel und die Zuschüsse der Kassen nicht aus, springt das Sozialamt ein. Ratgeber zum Weiterlesen: • Alten- und Pflegeheime in Deutschland & Lieferantenverzeichnis 2002. Neuer Merkur Verlag, 39,00 Euro • Christel Boßbach, Marjanne Meeuwsen: Dich pflegen – und für mich sorgen. Den Alltag mit pflegebedürftigen Eltern bewältigen. Kösel-Verlag, 2000, 15,95 Euro • Dörte Fuchs, Jutta Orth: Umzug in ein neues Leben. Wohnalternativen für die zweite Lebenshälfte. Kösel-Verlag, 2003, 15,95 Euro • Lore Großhans: Und wo bleibt mein eigenes Leben? Hilfe für pflegende Angehörige. Kreuz Verlag, 2003, 16,90 Euro • Karl-Dieter Pardey: Betreuung. Aus der Reihe ARD-Ratgeber Recht, dtv, 2002, 8,50 Euro 126 Erwachsene Kinder müssen damit rechnen, in gewissen Grenzen zum Unterhalt herangezogen zu werden. Die Auswahl des Pflegeheims – des zukünftigen Zuhauses von Vater oder Mutter – sollten Sie möglichst gemeinsam und sehr sorgfältig treffen. Die teuersten Heime sind nicht automatisch die besten, warnen Verbraucherschützer. Erstellen Sie eine Liste mit den persönlichen Wünschen zum Beispiel zu Lage, Erreichbarkeit, Ausstattung, Zimmergröße, und verschaffen Sie sich einen persönlichen Eindruck vor Ort. Erkundigen Sie sich unbedingt nach der Warteliste für einen Heimplatz, oft ist diese sehr lang. Ist ein Platz gefunden, sollten Sie vor allem in der Eingewöhnungsphase möglichst viel Zeit für Ihre Eltern einplanen. Doch auch wenn sich der Heimalltag eingespielt hat, bleiben Sie eine wichtige Bezugsperson. Durch regelmäßige Besuche lassen Sie Ihre Eltern weiter an Ihrem Leben teilhaben, können gemeinsame Erinnerungen pflegen und Probleme oder Sorgen beseitigen. Auch an sich selbst denken Viele Kinder haben ein schlechtes Gewissen, Mutter oder Vater ins Heim „abzuschieben“. Doch nicht immer ist die Aufnahme im eigenen Haushalt die beste Alternative: „Wenn Kinder die Elternrolle übernehmen, sind Konflikte programmiert“, weiß Edith Albrecht. Die Wiener Psychotherapeutin betreut viele alte Menschen und ihre Angehörigen. „Alter und Demenz % IN GUTEN HÄNDEN Wo möchten Sie mal wohnen? Agile Senioren beim Golf, altengerechte Einrichtungen und nirgends lärmende Kinder oder Jugendliche: Mit diesem Bild werben in den USA so genannte „Sun Cities“, zu Deutsch „Sonnenstädte“ – Kommunen, die für Menschen über 55 gedacht sind. für sich selbst wählen. Beim Begriff „Sun Cities“ erscheint vor dem inneren Auge der Befragten wohl doch das Schreckensbild eines Altengettos – unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand. % Träumen auch die Menschen in Deutschland davon, ihren Lebensabend so zu verbringen? Im Auftrag von Reader´s Digest befragte das Meinungsforschungsinstitut EMNID 1000 Personen ab 14 Jahren dazu, wie sie im Alter wohnen möchten. Ergebnis: Ein gutes Viertel der Bevölkerung ist der Ansicht, dass es spezielle Städte für Ältere geben sollte. Dabei antworten die Befragten bis 39 und über 60 deutlich positiver als die Altersgruppen dazwischen. 31 Prozent der Befragten bis 29 Jahre und 30 Prozent der 30- bis 39Jährigen sagen „Ja“. Von den über 60Jährigen halten noch 27 Prozent „Sun Cities“ für wünschenswert. Auf wenig Gegenliebe stößt diese Lebensform dagegen bei den 40- bis 49-Jährigen. In dieser Gruppe befürworten nur 15 Prozent die Seniorenstädte. Auch von den Befragten zwischen 50 und 59 können sich nur 24 Prozent dafür erwärmen. Mit steigendem Bildungsgrad sinkt die Zustimmung ebenfalls. Während 37 Prozent der Volksschulabgänger ohne Berufsausbildung „Sun Cities“ für eine wünschenswerte Einrichtung halten, meinen das nur 17 Prozent der Personen mit einem Hochschulabschluss. Theorie und Praxis So weit die Theorie. Tatsächlich in einer reinen Seniorenstadt leben möchte aber kaum jemand. Gerade einmal 1 Prozent der Bevölkerung würde diese Wohnform Bloß nicht ins Heim Schon eher können sich die Befragten vorstellen, in einem Wohngebiet zu leben, das speziell auf die Bedürfnisse von Senioren zugeschnitten ist. 15 Prozent würden im Alter gerne so wohnen. Allerdings nimmt die Zustimmung ab, wenn der Ruhestand näher rückt. 28 Prozent der Befragten bis 29 Jahre würden es bevorzugen, später in einem solchen speziellen Wohngebiet unterzukommen, aber nur 11 Prozent der über 60-Jährigen. Denn die wollen lieber im Alter in der eigenen, normalen Wohnung bleiben. Und nicht nur sie. Diesen Wunsch hegen alle Altersstufen, Bildungsgrade und Einkommensgruppen. Für 54 Prozent der Bevölkerung sind die eigenen, vertrauten vier Wände die bevorzugte Wohnform für den Lebensabend. Mit 16 Prozent folgt betreutes Wohnen, spezielle Seniorenwohnungen, die wahlweise Putz-, Wasch- oder auch Essensdienste anbieten. 15 Prozent sähen sich im Alter am liebsten unter einem Dach mit Kindern oder Verwandten; bei den ganz Jungen und den Ältesten ist diese Wohnform sogar beliebter als die spezielle Seniorenwohnung. Und mit 8 Prozent möchten immer noch doppelt so viele Befragte lieber in einer Senioren-Wohngemeinschaft leben als in ein Seniorenwohnheim ziehen. Absolutes Schlusslicht: die „Sun Cities“, für die sich nur 1 Prozent entscheidet. Fazit: Auch beim Wohnen sollte im Alter am besten RD alles beim Alten bleiben. 127 RD I MÄRZ 2004 Adressen zum Nachfragen: Österreich: • Beratungs-Hotline des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz: 0800/20 16 22, www.pflegevorsorge.bmsg.gv.at • Seniorenheime in Österreich. Unter www.seniorenheim.at findet sich eine Übersicht über mehr als 860 Heime Deutschland: • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Unter www.bmfsfj.de können Sie den kostenlosen Ratgeber Auf der Suche nach einem Heim. Leitfaden zur Wahl eines Pflegeplatzes bestellen (oder unter 01805/32 93 29) • Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. Unter www.bagso.de finden Sie ein Verzeichnis von Verbänden und SelbsthilfeOrganisationen sowie eine Checkliste zur Auswahl eines Pflegeheims • Bundesministerium für Gesundheit. Unter www.bmgs.bund.de finden Sie einen kostenlosen Ratgeber zur Pflegeversicherung (oder unter 01805/15 15 10 bestellen) bringen oft Verhaltensweisen mit sich, denen die Kinder hilflos gegenüberstehen“, sagt sie. Bevor Sie sich also dafür entscheiden, sollten Sie sich eine Reihe von Fragen stellen. Die wichtigsten Fragen lauten: Können Sie in Ihrer Wohnung überhaupt einen pflegebedürftigen Menschen aufnehmen, und haben Sie genug Zeit? Wer kann als Pflegeperson einspringen, wenn Sie krank werden oder Urlaub brauchen? „Denken Sie auch an sich“, mahnt Edith Albrecht: „Planen Sie feste Auszeiten ein, um Ihre Partnerschaft, Ihre Freundschaften und Interessen zu pflegen.“ An der Pflege eines Angehörigen dürfen Familien nicht zerbrechen. Positive Beispiele wie das der Landwirtin Maria Dietz zeigen, dass es lohnt, einen Versuch zu wagen. Doch man braucht auch den Mut, sich einzugestehen, wenn es nicht mehr weiter geht. Das weiß Buchautorin Lore Großhans aus eigener Erfahrung: „Das Beste, was ein Kind seinen Eltern geben kann, ist Liebe und Respekt. Dazu gehört auch zu sagen: Ich habe mein eigenes Leben. Nur dann kann ich wirklich für dich da sein.“ NACH GUSTO Pilze, grüne Paprikaschoten und Tomaten sind den Mitgliedern meiner Familie teils willkommen, teils verhasst. Deshalb richtete ich diese Gemüse getrennt in Schüsseln an, als ich neulich Salat fürs Abendessen machte. Meine Tochter erschien als Erste am Tisch. Als mein Sohn dazukam, fragte er: „Was gibt es zum Abendbrot?“ Die Antwort meiner Tochter: „Spagetti und Salat zum selbst Zusammenstellen.“ ROBIN L. MCDONALD, Rocky Mountain House, Kanada 128