Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06
Transcription
Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06
Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Antagonisten Design in Games „I‘m going to kill you, and all the cake is gone.“ Bachelor Arbeit .02 Verfasserin: Marion Kapferer Vorgelegt am: Begutachtet durch: Bachelorstudiengang MultiMediaArt, Fachhochschule Salzburg Puch bei Hallein, den 30.04.2009 MSc. Josef Schinwald Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Widmung für BRUNHILDE Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Eidesstattliche Erklärung Hiermit versichere ich, Marion Kapferer, geboren am 09.11.1987 in Traunstein, dass ich die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens nach bestem Wissen und Gewissen eingehalten habe und die vorliegende Bachelorarbeit von mir selbstständig verfasst wurde. Zur Erstellung wurden von mir keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet. Ich versichere, dass ich die Bachelorarbeit weder im In- noch Ausland bisher in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe und dass diese Arbeit mit der den BegutachterInnen vorgelegten Arbeit übereinstimmt. Puch, am 30.04.2009 ________________________________________________ _______________________ Vorname, Familienname Matrikelnummer Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Kurzfassung Vor- und Zuname: Institution: Studiengang: Titel der Bachelorarbeit: BegutachterIn: Schlagwörter: 1.Schlagwort: .Antagonisten 2.Schlagwort: .Characterdesign 3.Schlagwort: .Game Design Marion Kapferer FH Salzburg Bachelor MultiMediaArt Antagonisten Design in Games Josef Schinwald Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Konstitution von Charakteren in Games, die die Rollen von WidersacherInnen, in Relation zum Protagonisten besetzen. Solche Antagonistenfiguren konnten im Laufe der Game-Geschichte immer wieder außerordentlich hohe Beliebtheitsgrade erreichen, dank gezielt methodischen Konzepten im konzeptionellen und visuellen Design. Eine essenzielle Aufgabe des Game Designs ist es, das Spiel in solcher Weise zu gestalten, dass der SpielerIn eine plausible Motivation geliefert wird, sich auf ihre Reise zu begeben und mit der Spielfigur, dem Protagonisten, die wartenden Aufgaben zu bestehen. Dieser Impuls wird durch Antagonisten offeriert. Deshalb ist die Auseinandersetzung der DesignerIn mit den spielintegrierten GegnerInnen des Protagonisten von obligatorischer Wichtigkeit. Die differenzierte Entwicklung der Persönlichkeit, der Ziele, Beweggründe, Fähigkeiten und des Nexus zu anderen Spielfiguren, insbesondere zum Player Character, verleiht dem Spieluniversum eine weitere wichtige Ebene von Glaubwürdigkeit, die es der SpielerIn erlaubt, eine überzeugende, durchdachte Gameplay Welt zu erfahren. Diese Arbeit beleuchtet die Komponenten des Characterdesigns, die bei der Gestaltung von authentischen und glaubwürdigen Antagonisten zu beachten sind. .01 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Abstract The following paper deals with the constitution of characters in games that occupy the role of adversaries, in relation to the protagonist. In the history of gaming, antagonists have achieved extraordinary high popularity ratings, due to purposefully methodic designs in conceptual and visual composition. An essential task of gamedesign is to create a game that delivers plausible motivation for the player, so she would like go on her journey and overcome obstacles with the player character. This impulse is offered by the antagonist. This is why the designer’s reflexion of the game-integrated opponents is of mandatory significance. The sophisticated development of personality, aims, motivation, skills and connection to other characters, especially to the player character, provides an important layer of authenticity to the game-universe. It allows the player to experience a convincing, elaborate gameplay world. This paper illuminates the components of characterdesign that are to be considered for the constitution of authentic and believable antagonists. .02 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Inhaltsverzeichnis .04 Abkürzungsverzeichnis .05 Einleitung .07 .07 .08 .09 .11 .12 .13 1. Grundaufgaben des Characterdesigns 1.1 Überzeugungskraft der Charaktere und deren Wichtigkeit 1.2 Konzeptionelles Design .15 .15 .16 .18 .21 2. Konzeptionelles Antagonistendesign 2.1 GegnerInnen in Videogames und ihre Aufgaben .26 .26 .27 .27 .28 .29 .30 .30 .30 .32 .33 .34 .35 .37 3. Visuelles Antagonistendesign 3.1 Entwerfen eines Antagonistencharacters .38 Conclusio .40 Quellenverzeichnis .43 Abbildungsverzeichnis 2.1.1 2.1.2 Soziale Rollen in Games: Gegnerfeindliche Charaktere Archetypen 2.2 Verhältnis von Antagonist und Protagonist Player Characters Non-Player-Characters Fokus auf die SpielerIn 1.3 Visuelles Design 1.2.1 1.2.2 1.2.3 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 Der erste Eindruck Gesicht Körper Silhouette Bewegung Stimme 3.2 Rollenbezogenes Design 3.3 Typenbezogenes Design 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 Geister und Untote Monster und Bestien Menschliche GegnerInnen Andere .03 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Abkürzungsverzeichnis Auflage Band Bande Brothers das heißt Nintendo Game Boy Double Screen ebendort erweiterte Auflage First Encounter Assault Recon Genetic Lifeform and Disk Operating System Herausgeber korrigierte Auflage MultiMedia Art Name unbekannt Non-Player Character ohne Jahresangabe ohne Ortsangabe Player Character PlayStation Playstation Portable Role Play Game Seite uberarbeitete Auflage und andere und folgende Seite und folgende Seiten vergleiche zitiert nach Aufl. Bd. Bde. Bros. d.h. DS ebd. erw. Aufl. F.E.A.R. GlaDOS Hg. korrig. Aufl. MMA o. V. NPC o. J. o. O. PC PS PSP RPG S. uberarb. Aufl. u.a. oder et al. f ff vgl. zit. n. .04 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Einleitung In meiner Bachelor Arbeit II setze ich es mir zum Ziel, eine bestimmte Fachrichtung des Characterdesigns wissenschaftlich zu erforschen. Jede gute Geschichte stützt sich zu einem großen Teil auf ihre Charaktere, wie überzeugend diese wirken, und wie gut sie sich in das Gesamtbild einfügen. Eine besonders tragende Rolle spielen dabei Antagonisten, also GegnerInnencharaktere, die als WidersacherInnen ein Gegengewicht zum Protagonisten, der HeldIn der Geschichte, bieten. Forschungsfrage Was zeichnet ein überzeugendes Antagonisten-Characterdesign für Games aus? Hierbei bezieht sich der Terminus, wie er oft interpretiert wird, nicht allein auf die äußerlichen Gestaltungsmittel von Spielfiguren, sondern auf alle Ebenen des Characterdesigns. Die folgende Arbeit bezieht ihre Inhalte demnach sowohl auf das konzeptionelle Design, also die Verfeinerung der Psychologie, Persönlichkeitszüge, Beweggründe, Ziele, Fähigkeiten und Interaktionen mit anderen Spielfiguren, als auch auf die visuellen Gestaltungsmerkmale. Viele Begriffe und Bezeichnungen, wie Antagonist oder Protagonist, oder die Titel der sozialen Rollen sind als Definitionen wie Eigennamen zu verstehen, und beziehen sich evident sowohl auf weibliche als auch männliche, oder auch ungeschlechtliche Figuren. Zunächst werden die Grundaufgaben und Obliegenheiten des Characterdesigns aufgearbeitet und es wird erläutert, warum überzeugende Charaktere wichtig sind, sowohl im Game-, als auch Roman- und Filmbereich. Hierfür werden einige anerkannte Möglichkeiten vorgestellt, wie zu gutem Characterdesign gelangt werden kann, wobei ein besonderer Fokus auf die Chancen von Herangehensweisen aus der Psychologie und Soziologie gelegt wird. Es werden in den Kapiteln zum konzeptionellen und visuellen Design gängige, aktuelle Mittel zur allgemeinen Gestaltung von Charakteren dargelegt und die verschiedenen Arten von Spielfiguren aufgezeigt. Im zweiten Kapitel wird nun darauf aufbauend speziell auf die Gruppe der Antagonisten in Spielen eingegangen. Die diversen Arten und Typen von GegnerInnen werden veranschaulicht und ihre Aufgaben analysiert und erklärt. Dies beinhaltet auch einen Vergleich zwischen Protagonist und Antagonist, um zu zeigen, inwiefern sich diese ergänzen und widersprechen müssen, um plausibel zu wirken. Im Detail werden die Dimensionen von sozialen Rollen in Spielen, wissenschaftlich-psychologisch betrachtet, erörtert, und deren Schemata auf die Rollen der Antagonisten appliziert. Im dritten Teil der Arbeit werden detailliert visuelle Gestaltungsmöglichkeiten für Antagonisten aufgezeigt und konkretisiert. Hierbei werden vielseitige Betrachtungsweisen angewendet: Sowohl rollenbezogenes und typenbezogenes Design, als auch die Gestaltung der einzelnen Komponenten der Figur sind Thema dieses Kapitels. .05 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Characterdesign allgemein ist ein sehr relevantes und wichtiges Thema im Game Design Bereich. Oft ist es der Fall, dass man sich bei gespielten Spielen nach einiger Zeit weniger an den Inhalt oder Plot erinnert, sehr wohl jedoch aber an prägnante Figuren und sehr oft bleibt einem gerade ein ‚Endkampf‘ mit einem besonders starken Antagonisten im Gedächtnis. Um dies zu erzielen, muss sehr viel Überlegung in die Gestaltung solcher Charaktere gesteckt werden. Es gibt bereits Antagonisten aus Videospielen, die so gut gestaltet sind, dass sie sogar beliebter sind als der ‚gute‘ Hauptcharakter, mit dem sich die SpielerIn eigentlich identifizieren sollte. All dies hat selbstverständlich einen wesentlichen Einfluss auf das Gameplay und auch auf den Wiederspielwert des Games. Für mich persönlich ist dieses Thema sehr relevant, da ich mich nicht nur für alle Arten von Characterdesign interessiere und auch selbst im Berufspraktikum einige Konzepte sowohl für Protagonisten als auch vielschichtige Antagonisten liefern durfte, sondern auch, weil meine persönliche Affinität zu Computerspielen mich dazu animiert, homogene und überzeugende Characterdesigns zu analysieren und aus ihnen zu lernen. In der vorliegenden Bachelor Arbeit werde ich die Mittel erörtern, mit denen erfolgreiche Characterdesigns von Antagonisten erzielt werden und Merkmale dieser herausfiltern. Das Ziel der Arbeit ist es, Denkanstöße für visuelles und konzeptionelles Characterdesign zu liefern und vorhandene Arbeiten zu analysieren. Nicht-Ziel ist es, ein Mustermodell für perfektes Characterdesign zu schreiben, da dies nicht möglich ist. .06 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Grundaufgaben des Characterdesigns Im folgenden Kapitel sollen zunächst die Grundaufgaben des Characterdesigns geklärt und definiert werden. Bevor sich die Arbeit ganz auf die Gestaltung von Antagonisten konzentriert, sollen Erörterungen zur Aufgabe der allgemeinen Charakterentwicklung eine Grundlage und Vorarbeit leisten. 1.1 Überzeugungskraft der Charaktere und deren Wichtigkeit Bei der Entwicklung eines Spiels ist die Zeit knapp bemessen. Viele Entwicklerstudios stehen durch sehr eng gesetzte Deadlines durch den Publisher unter Druck – eine wirklich lange Entwicklungszeit von mehreren Jahren kann sich nicht jedes Studio leisten. Unter dieser Ressourcenknappheit leidet in vielen Fällen auch das Produkt, das Spiel, wenn es auch teilweise nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Characterdesign ist ein Teilbereich der Spieleentwicklung, der zeitintensiv ist, in dem jedoch oft Zeit gespart wird, was sich erheblich auf das Gameplayerlebnis auswirken kann. Der Grad der benötigten Komplexität eines Characters ist in erster Linie abhängig von der Art des Spiels; nicht immer sind vielschichtige Persönlichkeiten mit einer komplizierten Hintergrundgeschichte von Vorteil für das Gameplay. Characterdesign bedeutet, Spielfiguren zu schaffen, die innerhalb ihrer Welt eine außerordentliche Überzeugungskraft besitzen, die die SpielerIn nicht in Frage stellen muss. Als DesignerIn hat man die Aufgabe, die Charaktere in die Welt fließend einzubinden, um ein glaubwürdiges Ganzes zu vermitteln. So funktioniert beispielsweise Bowser Koopa als Boss Monster in den Super Mario Games ganz hervorragend, obwohl man nichts weiter über ihn weiß, als die Tatsache, dass er böse ist und es liebt, Prinzessinnen zu kidnappen. „I‘m the biggest, baddest brute around, and don‘t you forget it.“1 Er braucht keine ausgearbeiteten Charaktereigenschaften oder eine komplexe Vergangenheitsgeschichte, um die SpielerIn zu animieren, loszuziehen und ihn zu bekämpfen. Jedoch fügt er sich durchaus nahtlos in seine Welt ein, der Grad der Integration und Verwurzelung im Spiel macht ihn auf seine Art zu einem guten und vor allem überzeugenden Character, der als solcher nicht hinterfragt wird. Ähnlich wirkungsvoll sind aber auch Charaktere, die weit schwer verständlichere Beweggründe Abb. 01 - Bowser Koopa haben, den Protagonist zu bekämpfen, wie beispielsweise Alma Wade aus dem Spiel F.E.A.R. Im Laufe des Spiels erfährt die SpielerIn immer mehr über dieses geheimnisvolle Mädchen, und ihre tragische Vergangenheit 1 Super Mario RPG, Developer: Nintendo K.K. Japan, 1996. .07 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg wird Stück für Stück aufgedeckt. Alma stellt somit auf ihre Art eine überzeugende Antagonistin da, die ähnlich oder genauso gut funktioniert wie Bowser aus Super Mario Bros. Diese genannten Beispiele dienen dazu, aufzuzeigen, dass die Tiefe eines Characters immer abhängig ist von der Art des Spiels, ob nun Protagonist oder Antagonist, Player Character oder NonPlayer Character. Um welche Art es sich auch handeln mag, entscheidend ist, dass die SpielerIn unbewusst wahrnimmt, ob beim Characterdesign zweckvoll und zielführend gearbeitet wurde oder nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten, die für ein überzeugendes Characterdesign sprechen, welches nicht zwingend sehr zeitintensiv, jedoch aktiv, bewusst und methodisch geschehen muss. Die Qualität des Spiels verhält sich direkt proportional zur Ausarbeitung der Charaktere, deren verfeinerte Identitäten die SpielerIn meist nicht wirklich wissentlich, sondern auf eine subjektive Art und Weise durch ihr Unterbewusstsein wahrnimmt. Ein Spiel mit gut durchdachten Charakteren bietet außerdem einen größeren Anreiz für eine breite SpielerInnenschaft. Während einige SpielerInnen mehr auf die Grafiken oder Physics eines Spiels achten, interessieren sich andere mehr für die Backgroundstories der Figuren, mit denen sie interagieren. Doch nicht nur die Interessen der SpielerInnen werden durch optimiertes Characterdesign besser abgedeckt, auch die des Entwicklerstudios und des Publishers selbst. Denn wirkungsvollere, einnehmendere Spielfiguren in einem Spiel erleichtern das Marketing und erhöhen die Chancen des Games, ein längerfristiges Publikum anzuziehen, beispielsweise für spätere Sequels.2 1.2 Konzeptionelles Design Als konzeptioneller Part im Characterdesign gelten alle Ausarbeitungen, die sich auf die nichtäußerliche Gestaltung der Figur konzentrieren, wie z. B. die Beschreibung seiner oder ihrer Vergangenheit oder die Konstruktion der Beziehungen zu anderen Charakteren im Spiel. Dies kann Elemente beinhalten, die der SpielerIn während des Spielverlaufs nicht aktiv mitgeteilt werden, die jedoch einer Figur die nötige Tiefe verleihen, um überzeugend zu fungieren. „Denn zu einer gelungenen Figur gehört mehr als Muskeln und originelle Kleidung. Die Bewohner einer Fantasiewelt brauchen einen Lebenszweck und eine Aufgabe. Sie haben Stärken, Schwächen und individuelle Charakterzüge.“3 Dieser Teil der Ausformung ist ein sehr komplexer, fließender Prozess, der nicht immer vollständig gesteuert werden kann. 2 vgl. Isbister, Katherine (2006): Better Game Characters by Design. A psychological approach. Elsevier: Amsterdam. S. 255f. 3 Patmore, Chris (2006): Character Design. Knaur: München. S. 6. .08 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg 1.2.1 Player Characters Player Characters (kurz: PCs) sind die zentralen Charaktere in den meisten Spielen. Um einen guten Antagonisten als Non-Player Characters zu konstituieren, ist es nötig, durchdachte und überzeugende Player Characters, zu denen in den meisten Fällen Protagonisten zählen, zu haben. In diesem Teil der Arbeit wird kurz auf die Arten von PCs und ihre Rollen im Spiel eingegangen und wie diese von der SpielerIn erfahren werden. Identifikation mit dem PC Der Grad der Identifikation der SpielerIn mit dem Player Character ist immer abhängig von der Art des Spiels, von dem Genre, dem Gameplay und der Erzählperspektive und selbstverständlich auch dem Plot bzw. der Story. Es wäre nicht richtig zu sagen, dass ein PC immer so konzipiert sein muss, dass sich die SpielerIn mit ihm identifizieren kann, aber Identifikation hilft dabei, der Interaktion des Gameplays eine weitere psychologische Ebene hinzuzufügen, die die SpielerIn mehr in die Spielwelt hineinzieht und integriert. “When identifying with a character or role offered by the game, players change their self-concept by adopting relevant attributes of the character, for instance, they perceive themselves as more courageous, heroic, and powerful during identification with a soldier.”4 Indem eine SpielerIn diverse Facetten der Charaktere bei sich selbst erkennt, kann sie sich mit den Figuren eines gelungenen Spieles identifizieren.5 „Taken to its furthest extreme, players are even allowed to become a legendary version of themselves in the most sold game of all time, ‘The Sims.’”6 Die drei Arten von PCs Dieses Kapitel behandelt die drei Stilrichtungen von In-Game Player-Repräsentationen/ Player Characters. Diese lassen sich am besten an Spielbeispielen erläutern. Tools: Es gibt Spiele, die fast keine bis gar keine soziale Persönlichkeitsidentifikation für ein erfolg4 Hefner, Dorothée (2007): Identification with the Player Character as Determinant of Video Game Enjoyment. In: Ma, Lizhuang (Hg.): Entertainment Computing – ICEC 2007 . Berlin/Heidelberg: Springer. 5 Patmore, Chris (2006): ebd. S. 18. 6 Kelman, Nic (2005): Video Game Art. Assouline Publishing: New York. S. 61. .09 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg reiches Gameplay benötigen. Beispiele für solche Games wären zum Beispiel Warcraft III oder Dance Dance Revolution. In beiden Fällen sind das Spiel und insbesondere das Interface so gestaltet, dass eine starke Spielfigur das Game nicht aufwerten, sondern eher abträglich sein würde. In den genannten Beispielen sind die Steuerelemente griffbereit und behindern nicht die kognitive Herangehensweise der SpielerIn.7 Das Game liefert ein Tool für die SpielerIn, statt einem realistischen PC. Puppen: Spiele mit relativ kurzen Spielzyklen, die hauptsächlich auf physischem Können des Characters beruhen, benötigen nicht unbedingt ausdrücklich ausgearbeitete psychologisch-soziale Qualitäten im Characterdesign.8 Stattdessen kann die Persönlichkeit der Figur über die Arten der Bewegung und visuelle Charakteristiken sehr gut vermittelt werden, die Identität des PCs wird klar durch nonverbale Kommunikation und Interaktion mit den NPCs. Diese Art von Character ist eine Puppe für die SpielerIn, mit der sie sich, trotz ihrer meist übermenschlichen Fähigkeiten, durch die Manipulation, die die SpielerIn mit ihr durchführt, gut identifizieren kann. Sehr gute Beispiele für diese Art von Spiel sind Super Street Fighter II, oder diverse Sportgames, wie FIFA 2009. Abb. 02 - Street Fighter 4 Masken: Masken sind Player Characters, die in Spielen mit großer sozialer Komponente vorkommen. Ein Hauptaspekt des Gameplays in solchen Spielen ist die Interaktion mit anderen SpielerInnen, repräsentiert durch die eigene Maske, auch genannt Avatar. Sich im Spiel, meist in Massive Multiplayer Online Role Play Games, durch eine Spielfigur sozial auszutauschen, ist ein hoher Grad der Identifikation und gibt der SpielerIn die Möglichkeit, wechselnde soziale Persönlichkeiten auszuleben – neue Versionen von sich selbst – die sich von dem alltäglichen Ich stark unterscheiden können.9 Beträchtlicher Gestaltungsaufwand wird oft in die Tools zum personalisierten Customizing im Aussehen des Avatars/der Maske gesteckt. 7 8 9 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 213 f. vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 214. vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 215. .10 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg 1.2.3 Non Player Characters Nach den Ausführungen über die PCs werden in diesem Kapitel die Non Player Characters (kurz NPCs) erklärt, zu denen auch die Antagonisten zählen. Es gibt zwar durchaus Spiele, in denen die Möglichkeit besteht, die Rolle derjenigen Charaktere zu übernehmen, die im Normalfall die Bösewichte sind, wie z. B. Left4Dead aus dem Jahr 2008. Doch natürlich dreht sich in solch einer Situation die Rollenbesetzung um, die ursprüngliche HeldIn wird zur GegenspielerIn, sobald die SpielerIn die Rolle des Feindes übernimmt. Im Folgenden werden verschiedene Beispiele von NPCs beschrieben, soziale Rollen in Games erläutert und die Wichtigkeit der Interaktionsmomente der Charaktere (NPCs und PCs) untereinander verdeutlicht. Soziale Rollen in Games Genau wie die sozialen Rollen, die sich in jeder täglichen zwischenmenschlichen Interaktion herauskristallisieren, um sich gewöhnlichen Situationen und Beziehungen anzupassen, finden ähnliche Rollenschablonen auch in Games Anwendung, um Beziehungen zwischen Figuren zu verdeutlichen.10 Soziale Rollen können von verschiedenen Charakteren zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Spiel übernommen werden, sie können sich verlagern und an Bedeutung verlieren oder gewinnen. Da im zweiten Kapitel noch intensiv auf die, der SpielerIn unfreundlich gesinnten NPCs eingegangen wird, werden im Folgenden nur die spielerInnenfreundlichen sozialen Rollen genauer aufgezeigt, aufsteigend von den, am wenigsten zu den am meisten dominanten Rollen. Lakai: Lakaien sind wenig sozial-dominante Charaktere, die selten die Autorität des Player Characters in Frage stellen. Sie haben meist kein eigenes Ziel, außer dem Protagonisten bei der Erreichung seiner Ziels zu helfen. Hilfesuchender: Diese Art von Character benötigt die Hilfe des Protagonisten. In manchen Fällen dient diese Rolle nur dazu, um die SpielerIn für ihr Ziel zu motivieren, in anderen kann sich der Hilfe suchende Character von seiner passiven Rolle lösen und im Spielverlauf eine aktivere Rolle übernehmen. Pet/Haustier: Ein Haustier hat eine sehr wenig dominante Rolle, jedoch kann es sich auch gegen die SpielerIn wenden, oder ein wenig Widerstand leisten und aufmüpfig sein, wie ein echtes Haustier es auch tun würde. Sidekick: Ein Sidekick-Character, oder Kumpane, hat typischerweise mehr soziale Stärke und Autonomie als ein Pet oder Laikai, ist aber weniger dominant als der PC. Seine oder ihre Rolle besteht darin, dem Protagonisten zur Seite zu stehen und ihm zu helfen, wenn nötig. Verbündeter: Verbündete Charaktere sind auf der Seite des PCs, mit ähnlichen oder gleichen Fä10 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 229. .11 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg higkeiten in der Spielwelt. Führer: Führer sind immer auf der Seite des PCs und haben mindestens genau so viel soziale Stärke, sie können eine Art Hilfesystem im Spiel darstellen. Mentor: Mentoren haben oft weit mehr Macht als der PC, er oder sie begleitet die SpielerIn nicht auf Quests oder zu Auseinandersetzungen, sondern unterstützt diese mit anfänglichem Training oder Rat. Als spielerInnenfeindliche NPC-Rollen gelten: Hindernis, Feind, Rivale, Boss Monster und Erzfeind. (Siehe Kapitel 2.1.1) Interaktionsmomente Um NPCs und daraus resultierend auch PCs, richtig wirken zu lassen, sind überzeugende Interaktionsmomente von entscheidender Wichtigkeit. Die emotionale Wechselwirkung der Figuren, basierend auf ihren sozialen Rollen im Spiel, müssen definiert und strukturiert werden. Cutscenes oder Dialoge sind eine gute Möglichkeit, die Konnexionen der einzelnen Characters zu übermitteln, jedoch sollte die SpielerIn auch während des Gameplays immer daran erinnert werden, dass die NPCs, besonders die Antagonisten, präsent sind und mit ihr in Interaktion stehen. 1.2.3 Fokus auf die SpielerIn CharacterdesignerInnen stehen beim Prozess der Spielentwicklung dem gleichen Problem gegenüber, mit dem sich auch MarketingforscherInnen und Research-ExpertInnen auseinandersetzen – sie müssen Entscheidungen treffen in dem Wissen, dass sich ihre Zielgruppe aus vielen verschiedenen heterogenen Gruppierungen unterschiedlicher Geschlechter und Kulturen zusammensetzt, die sich in ihrer Reaktion auf ein Produkt, ob nun Videospiel oder Werbespot, jeweils unterscheiden. Um einen überzeugenden Character zu erschaffen, ist es nötig, ein umfangreiches Verständnis dafür zu haben, dass diese differenzierten Dimensionen von Erfahrungen die Erwartungen und Empfindungen einer Person beeinflussen können.11 Das Zielpublikum zu segmentieren, löst nicht alle Schwierigkeiten, die das Ziel, ein gutes Game, bzw. überzeugende Charaktere für ein breit gefächertes Publikum aus verschiedensten ethnischen Gruppen zu designen, mit sich bringt. Jedoch hilft das Analysieren der Verhaltensweisen, Normen, Durchschnittswerte und selbstverständlich auch Klischees von Kulturen und Geschlechtern dabei, die eigene Sichtweise als DesignerIn zu erweitern, und den eigenen Characters, sollte es nötig sein, eine weitere konzeptionelle Ebene hinzuzufügen, die seine oder ihre Überzeugungskraft erhöht, oder sogar Characterdesigns an demografische Gegebenheiten anzupassen. Hierbei geht es nicht darum, es allen Audienzen recht zu machen, sondern um das Ziel, ein, für die SpielerIn bestmöglichstes Spielerlebnis zu erschaffen. 11 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 41. .12 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Um Charaktere zu erschaffen, die einen Anreiz jenseits der eigenen Kultur und Subkultur besitzen, ist es entscheidend, über bestehende verbreitete Stereotypen von nationalen Absatzgebieten hinwegzusehen und ein tieferes Verständnis zu entwickeln, für die Komplexitäten von Kulturen, die die Reaktionen der SpielerIn auf Design beeinflussen können.12 Generalisierungen über bestimmte ethnische Gruppen können irreführend sein, da jede Kultur sich aus Ansammlungen von diversen Subkulturen bildet. GamerInnen aus jeder nationalen Kultur sind in ihrer Spielweise, ihren Vorlieben und Empfindungen nicht identisch. Desweiteren verschieben sich Verhältnisse von Games und Kulturen permanent. „What may have been true even five years ago may be quite different now.“13 Diese Tatsachen gilt es bei jeglichen Konstitutionsentscheidungen zu beachten. Wenn ein Characterdesign es verlangt, auf kulturelle Faktoren hin überprüft zu werden, gibt es mehrere wichtige Punkte, die zu beachten sind und zu denen Research betrieben werden sollte: Es bestehen soziale Normen über Ausdrucksweisen und physische Charakteristika, über Rollen und Erwartungen und auch der Einfluss der lokalen Medien auf Erwartungen und Interaktion sollte nicht unterschätzt werden.14 „Die Entscheidung über die vorherrschende geschlechtliche Zielgruppe ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, welcher das Charakterdesign beeinflusst. Die spezifischen Unterschiede, was Spieler und Spielerinnen bevorzugen, muss hier berücksichtigt wer den. Charaktere, die Spieler und Spielerinnen gleichermaßen ansprechen sollen, müssen authentische geschlechtsspezifische Verhaltensmuster aufweisen.“15 1.3 Visuelles Design Evolutionsbedingt stehen beim Menschen visuelle Eindrücke über allen anderen Sinneswahrnehmungen.16 Deshalb ist das optische Design von Game Figuren sehr wichtig für das Gameplay und für die Integration der SpielerIn in das Game. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es kein universelles Rezept für einen optisch gut gestalteten Charakter gibt. Die visuelle Aufmachung ist immer von der Art des Spiels abhängig, vom Genre, von den technischen Einschränkungen und selbstverständlich von dem persönlichen Geschmack der GestalterIn. Generell gilt, bei der äußeren Umsetzung darauf zu achten, die innere Gestaltung, sprich Charakterzüge, Stärken, Schwächen usw. zu 12 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 49. 13 Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 49. 14 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 60 f. 15 Maier, Stephan (2009): Silhouetten im Computerspiel. Wie ist die Silhouette für das Medium Computerspiel zu verstehen? Diplomarbeit, Fachhochschule/Salzburg. S. 66. 16 cgl. Hooks, Ed (2000): Acting for Animators. A Complete Guide to Performance Animation. Heinemann: Portsmouth. S. 61. .13 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg manifestieren. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, eine homogene Figur zu schaffen, es muss nur das Ziel im Auge behalten werden, ein, für die SpielerIn optimal verständliches Game Universum zu schaffen, wo die Charaktere ein großer Teil dieses Universums sind. Fügen sie sich optisch nahtlos in die Spielwelt ein, helfen sie der SpielerIn, sich in das Game hineinzuversetzen und tragen zum erfolgreichen Gameplay bei. Nicht in jedem Fall ist eine Ausarbeitung mit einem maximalen Grad an Detail von Vorteil: Das Spiel Katamari Damacy hat ein optisch durchgehend homogenes Design, dessen Charaktere recht einfach wirken, aber für den Zweck des Gameplays optimal durchdacht sind. Abb. 03 - Katamary Damacy In Games wie Resident Evil 5 bestechen diese durch einen detailreichen Naturalismus, der bei den Spielen des Horror Survival Genres oft angebracht ist, um die erschreckenden Bilder noch intensiver zu machen. Die visuelle Charactergestaltung ist immer direkt proportional zum Stil des gesamten Spieles, sowohl zum Environment, als auch zur Art der Geschichte, die erzählt wird. .14 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Konzeptionelles Antagonistendesign In diesem zweiten Teil der Arbeit wird nun detailliert auf das konzeptionelle Design von Antagonisten-Charakteren eingegangen, aufbauend auf den vorhergehenden Erkenntnissen. Zunächst werden die allgemeinen Aufgaben von GegnerInnen in Spielen expliziert, und warum diese wichtig für das Gameplay sind. Weiterführend aus Kapitel 1.2.2 werden die sozialen Rollenverteilungen von playerfeindlichen NPCs besprochen und erläutert. Anschließend wird das Konzept der Archetypen von C.G. Jung kurz erklärt, Parallelen zum modernen Game Design gezogen und die Bedeutung seiner Thesen für Antagonisten im Speziellen dargestellt. In einem abschließenden Kapitel wird es um die Relation von Protagonist und Antagonist gehen, und deren Wichtigkeit für die Spiel- und Charactergestaltung. Im zweiten Kapitel geht es um die Charaktergestaltung im nicht-visuellen Sinn. Der Designvorgang bezieht sich hier ausschließlich auf Ausarbeitung von Charakterzügen, Stärken, Schwächen, Zielen und so weiter. Der Zusammenhang mit dem visuellen Teil der Gestaltung wird im dritten Kapitel der Arbeit behandelt und vervollständigt. 2.1 GegnerInnen in Games und ihre Aufgaben Eine Geschichte ist nur so gut wie ihr Bösewicht. Egal wie gutaussehend oder stark die HauptheldIn ist, ohne eine sehr effektive SchurkIn wirkt die Geschichte oft flach und in vielen Fällen uninteressant. „Ein Schurke oder Bösewicht muss also entsprechend ausgefeilt sein, um der HeldIn ebenbürtig zu wirken. Schließlich wäre es fatal, wenn der Spieler nach drei Minuten merkt, dass das Gegenüber nicht den Hauch einer Chance hat.“17 In einigen Fällen sind die Antagonisten aus Spielen so bekannt, dass sie sogar große Fankreise haben und sie, trotz ihrer bösen Absichten, in der SpielerInnenschaft einen hohen Beliebtheitsgrad erlangen. Bei Online-Umfragen nach den beliebtesten Videospielcharakteren finden sich immer auch GegnerInnenfiguren, die die SpielerInnen durch ihren konzeptionellen und/oder visuellen Stil stark beeindrucken konnten, wie z. B. Psycho Mantis aus Metal Gear Solid, oder auch Sephiroth aus der Final Fantasy VII Compilation. Abb. 04 - Psycho Mantis 17 Link, Andreas (2009): Die coolsten Schurken der Videospielgeschichte. In: http://www.pcgameshardware.de/aid,678087/Die-coolsten-Schurken-der-Videospiel-Geschichte/Spiele/Wissen/, aufgerufen am 27.04.2009. .15 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg 2.1.1 Soziale Rollen in Games: Spielerfeindliche Charaktere Im ersten Kapitel wurden soziale Rollen in Spielen präzisiert und die gängigsten spielerInnenfreundlichen Rollen vorgestellt. Um die einzelnen Typen von GegnerInnen zu verstehen, ist es nötig, diese, bezogen auf den Gameplay-Verlauf zu kategorisieren und je nach Rolle individuell zu gestalten. Im Folgenden sind diese Rollen geordnet von der, am wenigsten sozial dominanten zur stärksten Rolle. Die Rollenbezeichnungen sind wie Eigennamen zu verstehen, sie sind fest definierte Kategorisierungen. Selbstverständlich kann jede Rolle von sowohl weiblichen als auch männlichen Charakteren übernommen werden. Hindernis: Hindernisse sind nicht im eigentlichen Sinne Charaktere in Reinform, jedoch sollen sie als GegenspielerInnen des Protagonisten aufgeführt werden. Sie haben in den meisten Fällen kein Interesse daran, der HeldIn zu helfen und müssen überwunden werden, um ans Ziel zu gelangen. Sie haben in der Regel keine große physische oder soziale Macht innerhalb des Spiels und sind eher Ärgernisse (im positiven Sinne) als wirkliche Bedrohungen. Feind: Feinde sind eine der beliebtesten und ausdauerndsten Arten von Antagonisten in Spielen und waren die ursprünglichste Form von NPCs (zum Beispiel die Aliens aus Space Invaders).18 „Enemies can, in many ways, be defined as the minor, nonenvironmental obstacles, faced by players as they move through a game.”19 Abb. 05 - Resident Evil Zombies Das Ziel von Feinden in einem Spiel ist es, den PC zu zerstören, sie haben aber normalerweise weder die strategische Stärke noch die Intelligenz, um unüberwindbar für die SpielerIn zu sein, sprich sie sind gefährlich, aber nicht zu gefährlich.20 Als Konsequenz ihrer mangelnden Menschlichkeit 18 19 20 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 241. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 207. vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 242. .16 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg (siehe Kapitel 3), haben sie oft nicht die Intention, überhaupt intelligent zu wirken; Feinde sind die Handlanger des Spieluniversums, beabsichtigt als ein Test der Skills des PCs, aber nicht zwingend stark mit der narrativen Geschichte des Games verknüpft.21 Somit ergibt sich mit Feinden auch meistens kein tiefgehender Dialog. Rivale: Rivalen sind definiert als GegnerInnen in Sport-Spielen, wie FIFA 2009, oder sportähnlichen Spielen, wie Mortal Kombat. Diese NPCs haben normalerweise Skills die ungefähr denen des PCs entsprechen und ihre Fähigkeiten sind außerdem auf die diversen Schwierigkeits-Level abgestimmt, um unterschiedlich starken SpielerInnen eine angemessene Challenge zu bieten. Ihr Ziel ist es, den Wettkampf zu gewinnen. Ein interessanter Aspekt der Rivalen-NPCs ist, dass sie oft in diversen Multiplayer-Modi auch als Player-Characters verwendet werden können.22 Abb. 06 - Vega Boss Monster: Boss Monster sind, im Gegensatz zu den Standard-Feinden, eine Form von sehr starken GegnerInnen, die in den meisten Fällen ein wenig mehr Stärke besitzen als der PlayerCharacter und die durch Ausdauer und Cleverness besiegt werden müssen. Sie bilden das größte Hindernis am Ende eines Levels. „ (…) just as in ‘The Odyssey’, the protagonist must defeat the nemesis at the end of each level, or chapter, before the narrative can continue.”23 21 22 23 vgl. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 213. vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 244. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 228. .17 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Ein Boss Monster besitzt eine starke soziale Dominanz, der Kampf mit ihm oder ihr ist etwas, was den Protagonist persönlich anspricht, ihn dadurch aber auch in seiner eigenen Entwicklung stärker weiterbringt als die Auseinandersetzung mit Massen von Feinden oder Hindernissen. Abb. 07 - Golem Erzfeind: Erzfeinde werden teilweise in Kategorisierungen von Rollen in Games zu den Boss Monstern gezählt, obwohl sie sich von ihnen in mehreren Punkten stark unterscheiden. Ein Erzfeind besitzt im Spieluniversum eine weit größere soziale und physische Macht als der PC, was den Sieg des Protagonisten über ihn, zu einer bedeutsamen Errungenschaft für die SpielerIn macht. „In classical narrative, the nemesis is the single living creature that embodies and presents the greatest obstacle to the protagonist.”24 Erzfeinde haben im Grunde ein weltveränderndes, oft „böses“ Ziel, das den Protagonist zu seiner Reise überhaupt erst motiviert, und wegen dem er loszieht, um es zu verhindern. Im Verlauf des Spiels richtet sich somit der Zorn des Erzfeindes auf den Player-Character. Zunächst kämpft der Erzfeind nicht selbst; meist schickt er Massen von Hindernissen, Feinden und Boss Monstern los, um den Protagonist aufzuhalten und taucht eventuell nur in Cutscenes auf, die den Antagonismus zwischen den beiden aufdecken und klarer werden lassen. Die SpielerIn erfährt somit nach und nach mehr über ihren Erzfeind, dem sie am Ende des Spiels letztendlich gegenüber treten muss. „The dynamic between the two characters defines what face the conflicts between them will wear, what tone the story has, and even who the viewer or reader initially roots for.”25 24 25 Kelman, Nic (2005): ebd. S. 227. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): World of Darkness: Antagonists. White Wolf: Stone .18 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Bezogen auf das Gameplay ist die eigentliche Aufgabe der Erzfeind-Rolle die Motivation der SpielerIn anzufachen. Isbister schreibt hierzu in ihrem Buch, dass die Einbettung von mehreren Spuren des Erzfeindes während des Spiels (zum Beispiel Beleidigungen, die von Feinden überbracht werden, oder Hindernisse, die klar auf den Erzfeind hinweisen), die Emotionen der SpielerIn erhöhen und den letztendlichen Sieg befriedigender wirken lassen können.26 2.1.2 Archetypen Der Psychologe Carl Gustav Jung begründete mit seinen Thesen zu den Archetypen und zum kollektiven Unbewussten nicht nur einen wichtigen Aspekt der Analytischen Psychologie, sondern auch eine Orientierungshilfe für die DesignerInnen moderner Game-Characters. „Das kollektive Unbewusste ist ein Teil der Psyche, der von einem persönlichen Unbewussten dadurch negativ unterschieden werden kann, dass er seine Existenz nicht persönlicher Erfahrung verdankt und daher keine persönliche Erwerbung ist. Während das persönliche Unbewusste wesentlich aus Inhalten besteht, die zu einer Zeit bewusst waren, aus dem Bewusstsein jedoch entschwunden sind, indem sie entweder vergessen oder verdrängt wurden, waren die Inhalte des kollektiven Unbewussten nie im Bewusstsein und wurden somit nie individuell erworben, sondern verdanken ihr Dasein ausschließlich der Vererbung.“27 Der Archetypus, der stark mit der Idee des kollektiven Unbewussten verbunden ist, ist das Vorhandensein von gewissen Formen in der Psyche, die allgegenwärtig, bzw. unabhängig von Kultur, Vergangenheit oder ethnischen Merkmalen überall verbreitet sind. Jungs These dazu lautet wie folgt: „Im Unterschied zur persönlichen Natur der bewussten Psyche gibt es ein zweites psychisches System, von kollektivem, nicht-persönlichem Charakter. (…) Es besteht aus präexistenten Formen, Archetypen. (…)“28 Er definiert also Grundpersönlichkeiten oder Grundmuster, denen sich alle Menschen zuordnen lassen. Jung bezog dieses Konzept nicht nur auf Verhalten oder Charakterzüge, sondern auch auf Erzähltraditionen, religiöse Mythen und Legenden.29 Jeder Archetyp füllt eine bestimmte Rolle aus, welche sich durch seinen Nexus zur HeldIn (Protagonisten) der Geschichte definiert. Archetypen können bei der Gestaltung von Charakteren als sehr gute Basis dienen, da sie sich zu einem auf unsere mythologische Vergangenheit beziehen und uns als ewiger Teil unseres kollektiven Unbewussten bereits als Rollentypen bekannt sind. Es gibt laut Jung so viele Archetypen, als es typische Situationen im Leben gibt.30 In Hinsicht auf die Gestaltung Mountain. S. 14. 26 vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 246. 27 Jung, Carl Gustav (2001): Archetypen. Dtv: München. S. 45. 28 Jung, Carl Gustav (2001): ebd. S. 46. 29 vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 18. 30 vgl. Jung, Carl Gustav (2001): ebd. S. 51. .19 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg von überzeugenden Antagonisten in Games sind besonders drei Arten von definierten Archetypen interessant: Der Schwellenwächter, Das Wechselwesen und Der Schatten. Die Bezeichnungen der Archetypen sind wie Eigennamen zu verstehen, und können selbstverständlich sowohl von weiblichen als auch männlichen Charakteren ausgefüllt werden. Der Schwellenwächter: Der Wächter der Schwelle ist eine HüterIn, die einen Bereich gegen Unbefugte verteidigt. Er oder sie ist ein Wesen, dem man sich stellen, oder als Verbündeten gewinnen kann. „An ihm entscheidet sich, ob die Figur soviel gelernt hat, dass sie würdig ist, voranzuschreiten. Hat der Held einen solchen Schwellenwächter überwunden, dann hat er üblicherweise etwas dazugelernt.“31 Sofort fällt natürlich die Parallele zu der, im vorherigen Kapitel beschriebenen Rolle des Boss Monsters auf. „Dazu gehören beispielsweise Torwärter, die dem Held in den Weg treten und seine Entschlossenheit auf die Probe stellen.“32 Das Wechselwesen: Dieser Archetyp ist auch bekannt als Gestaltenwandler und wie der Name schon sagt, besteht seine oder ihre auffälligste Eigenschaft darin, sich vom Blickwinkel der HeldIn aus gesehen, ständig zu verändern zu scheinen. Ein Wechselwesen kann eine andere Erscheinung annehmen oder einfach seine Launen von einem Augenblick auf den nächsten ändern. Dieser Archetyp beruht auf Carl Gustav Jungs Konzept von Anima und Animus, mit dem er den femininen Teil im männlichen Unbewussten und den maskulinen Teil im weiblichen Unbewussten bezeichnet.33 Auf dem Konzept des Wechselwesens beruht der hervorragend ausgearbeitete Antagonisten-Charakter der Edea aus Final Fantasy VIII. Abb. 08 - Edea 31 Bogun, Anatol (2004): RALPH. Handbuch zur Story- und Charakterenentwicklung mit einem Leitfaden für die Umsetzung als Animation. Diplomarbeit, Fachhochschule/Dornbirn. S. 87. 32 Patmore, Chris (2006): ebd. S. 56. 33 vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 80. .20 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Sie ist für den Haupthelden Squall in vieler Hinsicht von archetypischer Bedeutung; So bildet sie beispielsweise für ihn die Projektion eines Mutter-Archetypus, aber auch die des Wechselwesens in Form einer wunderschönen Femme Fatale, die im Verlauf des Spiels ihre Loyalitäten und die Relation zum Protagonisten mehrmals neu orientiert. Für die CharacterdesignerIn ist dieses Konzept ein wirkungsvolles Hilfsmittel, um Konflikte zwischen Figuren zu entwickeln.34 Abb. 09 - Allessa/God Der Schatten: Dieser Archetyp tritt nach Jung in Träumen, Mythen und Erzählungen meist als eine, dem Protagonisten negativ gesinnte Person auf. Er bildet das Gegenstück zum Archetyp der Persona, und steht für die sozial unterwünschten und daher unterdrückten Züge der Persönlichkeit. Hierbei lassen sich auch Parallelen zum Freud‘schen Begriff des Es ziehen. Im übertragenden Sinne ist in Videospielen die Verkörperung des Schattens durch die Rolle des Erzfeindes besetzt, an dessen Konfrontation der Protagonist am stärksten wächst.35 Eine typische, gut funktionierende Verkörperung dieses Archetypus ist Alessa aus Silent Hill 3. Sie tritt am Ende des Spiels gegen die Protagonistin Heather in Form eines Gottes an und schlüpft somit in die Rolle des Erzfeindes. Jedoch ist die Relation der beiden Frauen noch viel tiefgehender: Der Gott Alessa ist ein Teil von Heather, ein Resultat ihres Hasses und ihrer Angst, der aus ihrem eigenen Körper geboren wird. Alessa ist damit ein archetypischer Schatten: Sie ist ein verdrängter negativer Teil des Ichs aus der Vergangenheit, der zunächst negiert und auf Personen und Objekte außerhalb des eigenen Ichs projiziert wird. Durch die Auseinandersetzung Heathers mit ihrem eigenen Schatten, seine Integration in die Gesamtpersönlichkeit, konnte sie Alessa besiegen. Nach Jung zählt dieser Vorgang zu den zentralen Aufgaben des menschlichen Reifeprozesses und stellt einen unabdingbaren Schritt auf dem Weg zur Ganzwerdung dar, was im Grunde einen typischen Spielverlauf, bzw. eine HeldInnenreise, beschreibt. „The thing that is scariest is the recognition of the villain in each of us.“36 34 35 36 vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 80. vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 92. vgl. Hooks, Ed (2000): ebd. S. 59. .21 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Das Konzept der Archetypen von Jung muss bei dem Design von Charakteren nicht zwingend immer nur von einer Rolle ausgefüllt werden. Verschiedene Archetypen können sich in einer Rolle manifestieren, bzw. eine Rolle kann mehrere Archetypen beinhalten. So kann beispielsweise der Erzfeind zunächst in Form eines Wechselwesens ins Leben der HeldIn treten und sich später zum Schatten heraus formen. 2.2 Verhältnis von Antagonist und Protagonist Die Rolle eines Antagonisten in einem Buch, Film oder natürlich auch Videospiel ist es, den benötigten Konflikt zu liefern, entweder dadurch, dass er dem Held oder der Heldin die Möglichkeit gibt, in seiner oder ihrer Rolle richtig aufzugehen und zu erstrahlen, oder indem er dem Plot die nötige Tiefe und Erweiterung leiht. Der Protagonist erblüht in der Not und der Antagonist liefert diese Not. Woher kommt der Antagonist? Was ist ihre oder seine Beziehung zur HeldIn? Die Dynamik zwischen den beiden Charakteren definiert die Art von Konflikt in der die beiden zueinander stehen, die Energie der Geschichte und deren Schattierungen und natürlich, wen die LeserIn, ZuschauerIn oder SpielerIn zunächst anfeuert, auf wessen Seite sie steht. Der Bezug zwischen Antagonist und Protagonist mag der, einer freundschaftlichen Rivalität sein, oder der, einer Erzfeindschaft. Vielleicht war der Antagonist ein Kindheitsfreund des Helden oder der Heldin, oder ihre/seine erste Liebe, und irgendetwas zerstörte diese Verbindung und dieses Ereignis kann automatisch zum Bestandteil und Fixpunkt der Geschichte werden. Vielleicht kämpften die Charaktere zunächst in einem professionellen oder politischen Umfeld und einer der beiden transferierte diesen Konflikt auf eine persönliche, feindschaftliche Ebene. Vielleicht trafen sie sich nie von Angesicht zu Angesicht. Einer von beiden, oder beide können sich hinter einer großen Organisation, oder religiösen Gemeinschaft verbergen und andere als Schachfiguren für ihre Schlacht benutzen. Die HeldIn ist sich vielleicht nicht einmal der Tatsache bewusst, dass sie den Unmut ihrer GegnerIn weckte (oder vice versa) und kann mit ihrem alltäglichen Leben so lange fortfahren, bis sich ihr ungekannter, potenziell tödlicher Feind ihr offenbart.37 Während manche Filme, Bücher oder Videogames eine klare Linie zwischen der HeldIn und dem Bösewicht schildern, stellen sich doch viele Konflikte nicht so hundertprozentig schwarz/weiß dar. In manchen Fällen ist die HeldIn alles andere als heroisch, die Motivation des Bösewichts nicht vollkommen böse und die Charakterzüge, die die beiden voneinander unterscheiden, verschwimmen ineinander. Oft scheint es sogar so, als wären Protagonist und Antagonist zwei Seiten einer Medaille. Sie können ähnliche Vergangenheiten, Eigenschaften und Hintergründe teilen, und ihre Art, an Dinge heranzugehen kann sich gleichen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handeln beide nach ihrem eigenen besten Ermessen, oder für das Wohl ihrer Freunde oder Familien. Beide wollen ihre eigenen Ziele und Ideale verwirklichen, entweder um erfolgreich zu sein auf ihrem Karriereweg, oder um die zu beschützen, die sie lieben. Dennoch, trotz dieser Gemeinsamkeiten, ist einer von ihnen der ‚Gute‘ und einer der ‚Böse‘. 37 vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 14. .22 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Manchmal liefert die Motivation für die Taten eines Charakters den einzigen Unterschiedsfaktor zwischen Antagonist und Protagonist. Was bewegt sie oder ihn zu handeln? Die gerechte KillerIn und die MassenmörderIn töten beide ohne jede Art von legalem Recht; aber während die eine durch ein Gerechtigkeitsgefühl motiviert wird, handelt die andere durch ihre eigenen, verdorbenen, gewalttätigen Triebe. Abb. 10 - Vergil Die archetypische „über dem Gesetz stehende“ HeldIn besitzt die Sympathien der ZuschauerInnen, LeserInnen oder SpielerInnen, aber keine solche Sympathie wird für den Antagonisten aufgebracht, sogar wenn der Protagonist der Verursacher von mehr Toden ist, als der wirkliche Bösewicht. Die OrdnungshüterIn wird als heroisch angesehen, da sie diejenigen bekämpft, die in ihren Augen falsch handeln, auch wenn ihre Taten genauso grausam sind, wie die der MöderIn. Selbstverständlich sind nicht alle Antagonisten Wahnsinnige oder MörderInnen. Manche würden nicht einmal, vom Standpunkt vieler aus, als Bösewichte angesehen werden, wie zum Beispiel jene, die im Namen Gottes oder eines bestimmten Landes Gewalttaten verüben. Sie erfahren natürlich Unterstützung von Angehörigen ihrer Nationalität oder ihres Glaubens (siehe auch Kapitel 1.2.1, Fokus auf die SpielerIn). In einem solchen Fall kann der Antagonist die Beweggründe oder Taten der HeldIn als Gefahr und Bedrohung für etwas sehen, dass ihm selbst wichtig ist, beispielsweise ein System von Glauben und Moral. Der Antagonist kann die Rolle spielen, andere auf das Verhalten oder die Taten des Protagonisten, bzw. der HeldIn hinzuweisen; Wenn dieses Verhalten oder die Taten den sozial-akzeptierten Verhaltenscode verletzen, kann sich die HeldIn plötzlich selbst in der Rolle des Antagonisten finden. Jetzt muss die HeldIn nicht nur eine andere Person bekämpfen, sondern deren Gefolgsleute und wird plötzlich verfolgt und verleumdet für das Ent- .23 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg gegensetzen von Gesetzen oder Glaubensgrundsätzen, die vielleicht schädlich und mangelhaft erscheinen mögen, aber die vom Rest der Gesellschaft akzeptiert und verteidigt werden. Wer ist nun der Bösewicht? Die GegnerIn bekämpft den Protagonist, weil er für sie die wahre Gefahr darstellt.38 Jeder Antagonist muss unter Beachtung des Protagonisten gestaltet werden, oder umgekehrt. Wie reagiert die HeldIn auf die Taten des Antagonisten? In welchen Bereichen sind sie sich einig, in welchen widersprechen sie sich? Wie kann die HeldIn ihren Opponenten besiegen, ist es überhaupt nötig, dass sie ihn besiegt und übertrumpft und was wird passieren, wenn dies der HeldIn gelingt? Die Festlegung der Natur des Konflikts ist essenziell: Ist es ein einfacher Krieg zwischen Gut und Böse, Richtig gegen Falsch, oder ist die Feindschaft zwischen den beiden Charakteren tiefer verankert, gestaltet sie sich auf vielen verschiedenen Ebenen und Nuancen? Wird der finale Triumpf der HeldIn Ruhm und Ehre bringen, oder Schande und Ehrlosigkeit? Und, die vielleicht wichtigste Frage, die zu klären ist: Inwiefern ändert das Lösen des Konflikts das Leben des Protagonisten, was bewegt das Ende des Kampfes oder Krieges in ihm? Ein gut durchdachter und überzeugender Antagonist hinterlässt ein Zeichen auf der Heldin oder dem Helden. Welches Zeichen wird das sein? In nicht abstrakten Videogames wird der Konflikt durch die Antagonisten, die GegnerInnen oder Bösewichte, etabliert, gegen die die SpielerIn kämpfen muss, um das Spiel zu gewinnen. In RolePlay-Games und vielen Action-Adventures ist dieses Kontrahenten-System in eine Hierarchie mit vielen Gefolgsleuten der im Hintergrund lauernden HauptgegnerIn und einigen wenigen End-Level-Bosses aufgeteilt. Dies verlangt nach einer Typologie von Antagonisten in Videospielen. Gutes Charakterdesign verlangt jedoch mehr als eine penible Konstruktion nach etablierten, vorgegebenen Direktiven, denn die GegnerInnen in verschiedenen Videospiel-Welten haben, wenn sie durchdacht konstituiert sind, durchaus ihre eigene Essenz, im Sinne einer Seele und ihren eigenen Stil. Natürlich besteht von einem strikt strukturorientierten Punkt aus gesehen, kein Unterschied zwischen Space-Aliens, Nazis oder Orks als Antagonisten. Die Mechanismen des Spiels und die narrative Struktur könnten genau identisch sein; die Antagonisten mögen der Grund für die Spannung in einer kognitiven Wahrnehmung sein, aber sogar aus diesem Blickwinkel ist es schwierig, zwischen der Spannung zu unterscheiden, die die Alienmutter, der Nazi-Leutnant oder der Führer des Ork-Stamms verursacht. Dennoch ist die Story im Game natürlich stark davon abhängig, gegen welchen Typ von Antagonisten die SpielerIn antreten muss und von diesem Gesichtspunkt aus, gibt es überhaupt keine Ähnlichkeiten. Das Wagnis, die Reise in eine Weltall-Kolonie anzutreten, im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen, oder sich in einer epischen Fantasy-Welt zu behaupten, ist keinesfalls das Gleiche. Diese Arbeit soll die Strukturen und Modelle von Gestaltungsmöglichkeiten für Widersacher in Games aufzeigen, in dem Wissen, dass diese abhängig von vielerlei Faktoren sind, wie der Realität des Spiels und dem Protagonisten, um nur zwei zu nennen, und wie andere Normen und Muster, oft gebrochen werden müssen, um das volle Potenzial eines Charakters auszuschöpfen. 38 vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 15. .24 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg In vielen Fällen/Spielen ist es die GegnerIn des Protagonisten, die die Kontrolle über die Situation hat, in der sich die HeldIn/SpielerIn befindet und die es zu bekämpfen gilt, ob es sich nun um eine böse, machtsüchtige HerrscherIn oder eine epidemische Seuche handelt. Die HeldIn ist wie eine Maus und wird mit haushohen Katzen konfrontiert, deren wahre Identität sie oft anfangs noch gar nicht kennt. Selten sieht man einen Protagonist mit einem ausgeklügelten Plan in die Schlacht ziehen, um seine GegnerIn zu besiegen. Jedoch erwartet die SpielerIn (trainiert und konditioniert von SpielentwicklerInnen) selbstverständlich, dass sie entweder die Fähigkeiten, mit denen sie ihren GegnerInnen besiegen kann, im Laufe des Spiels erlernt, oder dass sie die nötigen Waffen/Tools dafür erhält. Diese Tatsache macht es für Character- und Game-DesignerInnen zu einer Hauptaufgabe, die Balance zwischen Kontrolle und Angst für die SpielerIn zu finden und diese durch die Aktionen und Taten der Antagonisten immer am Rande einer unterschwelligen Nervosität zu halten. .25 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Visuelles Antagonistendesign In den folgenden Kapiteln wird intensiv auf die optischen Gestaltungsmerkmale von GegnerInnencharakteren eingegangen. Zunächst wird erläutert, worauf bei den einzelnen Teilen der Gestaltung, namentlich Gesicht, Körper, Silhouette, Stimme und Bewegung, geachtet werden sollte. Darauf aufbauend, werden gestalterische Möglichkeiten vorgestellt, die auf den sozialen Rollen von Antagonisten (siehe Kapitel 2.1.1) beruhen. Zuletzt werden fünf verschiedene Typen bzw. Arten von Antagonisten porträtiert, analysiert und auf die wesentlichen Gestaltungsmerkmale herunter gebrochen. Für jeden Typen gibt es diverse Beispiele aus aktuellen oder älteren Spielen, die das Besprochene verdeutlichen. Oftmals werden im folgenden Kapitel Fragen gestellt, die als nützliche Tools für CharacterdesignerInnen dienen, die jedoch nicht pauschal beantwortet werden können, denn das erklärte Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nicht, eine Anleitung für perfektes Antagonistendesign zu liefern, sondern mehrere Ebenen der Gestaltung zu hinterfragen und Anregungen zu geben. 3.1 Entwerfen eines Antagonistencharacters „While the design of protagonists in games must always feature at least some humanizing elements a player can identify with, and environments are often restricted by the requirements of providing interactivity and exploration, the living inhabitants of game universes who are not heroes are often free of limitations. Consequently, they are among some of the most imaginative components of a game design.”39 Der große Spielraum für Interpretationen bewirkt, dass Kreaturen in Spielen ein bemerkenswertes Spektrum an Formen annehmen können. Wie im Kapitel 1.3 bereits veranschaulicht, gibt es kein universelles Rezept für Characterdesign. Dies gilt natürlich auch für Antagonisten, hier muss ebenso auf das homogene Gesamtbild der SpielerIn bei der Gestaltung geachtet werden, wie bei jedem anderen Character. Und dennoch gibt es einige Richtlinien, die bei der optischen Stilfindung hilfreich sein können, welche sich durch die Analyse von bisherigen erfolgreichen Spieltiteln herauskristallisieren. Als Analysemethode dient die Betrachtung von diversen Hindernissen, Feinden, Rivalen, Boss Monstern und Erzfeinden von verschiedenen Standpunkten aus: Aus Sicht der Rolle, die sie erfüllen, unter Beachtung des Konzepts der Archetypen, aus der Sicht des Typus/der Art des Antagonisten und durch Betrachtung des jeweiligen Genres, in dem das Spiel sich ansiedelt. 39 Kelman, Nic (2005): ebd. S. 202. .26 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Der erste Eindruck Wie bei Interaktionen im täglichen Leben, ist der erste Eindruck im Spiel, der die SpielerIn von einem Charakter erhält, ein sehr wichtiger Teil des Spielerlebnisses, der, wie andere Interaktionsmomente, soweit möglich, ins Detail durchgestaltet werden sollte. (Siehe Kapitel 1.2.3, Interaktionsmomente) Wie Kelman bereits in seinen Ausführungen zum Antagonistendesign vergegenständlicht, sind bei GegnerInnen im Spiel einige wichtige Richtlinien, die für die Gestaltung des PCs gelten, außer acht zu lassen, wie die Regeln zur Attraktivität oder Sympathie. All dies ist nicht wichtig für einen Antagonisten, jedoch gelten hier andere Bedingungen, die den ersten Eindruck beeinflussen können. Je nach Rolle der GegnerIn und natürlich je nach Spiel, um das es sich handelt, ist der erste Eindruck des Antagonisten anders zu gestalten. Jedoch sollten diese in den meisten Fällen für die SpielerIn klar als solche erkennbar sein. Es gibt Antagonistenrollen, die im Verlauf des Spiels zunächst andere Rollen (teilweise dem Player-Character freundlich gesinnte) übernehmen und dem Protagonisten als Verkörperung eines anderen Archetyps erscheinen können, um sich erst später beispielsweise zum Erzfeind zu entwickeln. Jedoch sollte im Moment des Kampfes kein Zweifel für die SpielerIn bestehen, dass diese GegnerIn ihr Böses will und nur der Sieg über sie ein Weiterkommen im Spiel ermöglicht. Ein solcher Charakter kann durch gezielten Einsatz von Interaktionsmomenten der SpielerIn bereits vor dem Kampf „suspekt“ erscheinen. Wirkungsvolle Mittel für den ersten Eindruck sind Überraschung, Schock und Plötzlichkeit, wie das Auftauchen von diversen Feinden bei Horror Survival Games wie Silent Hill beweist. Hier wirkt die GegnerIn bereits beim ersten Eindruck repulsiv auf die SpielerIn. Ein Antagonist hat, im Gegensatz zu anderen NPCs, nicht die Aufgabe, in irgendeiner Weise attraktiv auf die SpielerIn zu wirken, jedoch ist natürlich nicht zu unterschätzen, dass sich ein schreckliches Monster auch unter einer schönen Maske verstecken kann. Gesicht Wie bereits exemplifiziert, ist Attraktivität kein must-have Attribut für Antagonisten. Bezogen auf das Gesicht gilt dies besonders, denn gerade unsere Gesichtszüge lassen unsere Menschlichkeit erkennen. Die Schädelform des heutigen Homo Sapiens ist ein deutliches Erkennungsmerkmal und sobald die charakteristischen Gesichtszüge verändert sind, sei es durch Verstümmelung, eine unnatürliche oder tierähnliche Schädelform oder andere Abweichungen, wird die Figur nicht mehr als rein menschlich angesehen, was der DesignerIn sehr dienlich sein kann. Auch die Augen sind ein wichtiger Teil der Aufmachung, denn selbst wenn das ganze Gesicht sehr menschlich wirkt, kann dank der hohen Realtime-Auflösungen heutzutage, nur durch die Augen ausgedrückt werden, dass diese Figur böse ist, oder dem Protagonisten Böses will. Der Mund kann ebenso ausdrucksstark sein. Zurückgezogene Lippen mit mehreren Reihen scharfen Zähnen können für einen monsterartigen Feind sehr gut wirken, jedoch kann ein dünnes, verbittertes Lächeln einer schönen Frau ebenso erschreckend wirken, wenn es richtig in Szene gesetzt ist. Vampire offenbaren sich meist durch das Hervorblitzen ihrer spitzen Reißzähne. Auch Teil des Gesichts ist das Haar der Figur, es kann bei einem Antagonisten sogar zum charakteristischsten Wiedererkennungsmerkmal werden, wie bei Sephiroth aus der Final Fantasy Reihe. Haare können als Waffe dienen, wie bei .27 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Medusa aus der antiken Mythologie, oder das Gesicht des Charakters verdecken und ihn oder sie so noch geheimnisvoller oder erschreckender machen, ein beliebtes Stilmittel in japanischen Horrorgeschichten. Eine besonders aggressive Frisur und Haarfarbe können die GegnerIn als solche für die SpielerIn erkennbar machen. Abb. 11 - Blanka Desweiteren kann auffälliger Kopfschmuck ein gutes Erkennungsmerkmal bilden, wie beispielsweise bei der Hexe Edea aus Final Fantasy VIII. (siehe auch Kapitel 3.1, Silhouette) Ein letzter Punkt für die Gestaltung des Gesichts ist die Haut. Hat jemand im Gesicht eine unnatürliche Hautfarbe, offensichtliche Hautkrankheiten oder Verletzungen, ist dies ein Zeichen von Anomalität, Übel oder Tod und wirkt auf uns repulsiv. Diese Gestaltungsmöglichkeit wird beispielsweise bei unterschiedlichen Arten von Zombies und Untoten, oder auch Dunkelelfen benutzt. Körper und Kleidung Der Körperbau eines Antagonisten kann, muss aber nicht, an menschliche Vorlagen angelehnt werden. Es gibt durchaus viele Hindernisse, Feinde und andere Antagonisten, die nicht im Geringsten an einen Menschen erinnern, so wie die Piranha Plant aus Super Mario Reihe. Der Körper eines Antagonisten kann filigran und zerbrechlich oder plump und muskelbepackt gestaltet sein – wichtig ist hierbei nur, dass sich dieser in Farb- oder Formensprache vom Körper des PCs unterscheidet. Der SpielerIn muss klar sein: Das ist mein Antagonist, den ich zu bekämpfen habe. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Körper zu gestalten, jedoch soll als besonders wirksame Methode die der „fremden Formen“ angeführt werden. Als Paradebeispiel hierfür sind die Körperformen aus der Silent Hill Reihe zu nennen, die hervorragend mit der Furcht des Menschen vor dem, uns Unähnlichen, bzw. uns fremd Erscheinenden, spielen. Körperbautypen wie die von Spinnen, Schlangen, Insekten oder Fledermäusen lösen im Menschen der westlichen Zivilisation ein Gefühl von Unnatürlichkeit und oft auch Ekel aus und diese Tatsache bietet die Grundlage für eine große Spannweite an Gestaltungsmöglichkeiten für Antagonisten. .28 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Abb. 12 - Splitworm Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Körper der GegnerIn oft auch auf die Art der Attacke schließen lässt, jedoch ist dies kein Muss, wenn ihre Stärke, bzw. Schwäche auf andere Art deutlich gemacht wird. Ein wichtiger Teil des Körpers ist auch die Kleidung und auch bei ihr gibt es mannigfaltige Möglichkeiten der Gestaltung. Kleidung kann Zugehörigkeit zu einer Klasse oder einer bestimmten Gruppe von GegnerInnen ausdrücken, oder den Grad der Schwierigkeit. Jedoch müssen besonders schwere GegnerInnen, wie Boss Monster, nicht zwingend stark gepanzert sein, um ihre Macht auszudrücken. Gerade die Archetypen des Schwellenwächters oder des Wechselwesens werden gerne als schöne, verführerische Frauen dargestellt. (Siehe Kapitel 2.1.2, Archetypen) Sie diese können trotz recht knapper Bekleidung eine große Herausforderung für den Protagonisten sein. Auch für Antagonistendesign gilt die bekannte Regel „Sex Sells!“. Silhouette „Bei der Auseinandersetzung mit den Aspekten der Charakterentwicklung in Bezug auf das Charakterdesign, zeigte sich, dass insbesondere für die Thematik der Persönlichkeitsentwicklung einer Spielfigur die Silhouette als Informationsquelle fungieren kann. (…) Körperhaltungen stellen insofern Posen dar, die Informationen über die Persönlichkeit eines Charakters gespeichert haben. Kann die ‚Aussage‘ dieser Posen schon anhand der Silhouette des Charakters eindeutig interpretiert werden, so wird dem Spielenden es erleichtert, die Spielfigur als ‚real‘ und glaubwürdig zu akzeptieren.“40 Maier behandelt in seiner Diplomarbeit ausführlich den Gegenstand der Silhouetten und erläutert, dass diese für die SpielerIn eine essenzielle Rolle beim Zurechtfinden in der Spielwelt tragen. 40 Maier, Stephan (2009): ebd. S. 66. .29 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Diese Erkenntnis weitet sich natürlich auch auf die Gestaltung von Antagonisten aus, die von der SpielerIn nicht nur gut erkannt werden, sondern auch durch einzigartige Charakteristika eine individuelle Silhouette erhalten sollten. Bewegung Eng verbunden mit der Gestaltung des Körpers und der Silhouette, ist auch das Bewegungsdesign des Antagonisten. Generell ist die Bewegung im Game Aufgabe der AnimatorInnen, jedoch fällt ihnen ihre Arbeit leichter, wenn die CharacterdesignerIn auch dazu präzise Angaben macht. Gerade bei Fantasiefiguren mit drei oder mehr Beinen ist der Bewegungsablauf nicht immer sofort logisch ersichtlich, weswegen die ErfinderIn des Charakters sich zur Art und Weise der Bewegung einige Überlegungen machen sollte. „A character’s body language is going to transmit a more powerful message than his dialogue. “41 Hooks verdeutlicht, dass interne Impulse, sprich das Denken, extern durch den Körper, also durch Bewegung ausgedrückt werden. Die physische Bewegung eines Characters sollte immer eine Spiegelung dessen, oder bzw. eine Reaktion auf das sein, was auch immer physisch oder psychisch in ihm vorgeht.42 Oft ist die Bewegung von Rivalen oder Feinden nur in der Attacke aktiv erkennbar, jedoch offenbaren sie der SpielerIn Rückschlüsse auf die Stärke, bzw. Schwäche, die Art der Attacke und die Schnelligkeit/Langsamkeit. Eine GegnerIn, die sich in sehr hoher Geschwindigkeit und sehr hektisch bewegt, hat im Angriff höchstwahrscheinlich weniger physische Kraft. Stimme Obwohl die Stimme und das Sounddesign eines Charakters nicht zum visuellen Teil der Gestaltung gehören, sollten auch diese Elemente als Teil des Characterdesigns erwähnt werden, denn auch darüber muss sich eine DesignerIn bei der Gestaltung von Figuren Gedanken machen. Der Sound ist in Spielen allgemein ein sehr wichtiges Element, welches das Gameplay-Erlebnis sehr positiv verstärkt, jedoch auch die SpielerIn durch unpassende Musik oder Sounds abschrecken kann. Der Sound, den ein Antagonist macht, sollte mit dem visuellen Äußeren ein homogenes Bild schaffen. Die richtigen SynchronsprecherInnen auszuwählen, ist eine wichtige Aufgabe der Audio-SupervisorIn. Wenn die Stimme passend zum Charakter eingearbeitet wurde, wirkt sie als Verstärker der optischen Elemente. So kann ein helles Kinderlachen in der richtigen Situation ebenso erschreckend sein, wie das tiefe Grollen eines Orks. 3.2 Rollenbezogenes Design Neben den konzeptionellen Charakteristika, die eine Figur erfüllen muss, um eine bestimmte soziale Rolle im Spiel einzunehmen (siehe Kapitel 2.1.1), können auch einige Aussagen getroffen werden, die allgemein gültig für das visuelle Erscheinungsbild solcher Rollen sind. 41 42 Hooks, Ed (2000): ebd. S. 61. vgl. Hooks, Ed (2000): ebd. S. 64. .30 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Feinde beispielsweise, sind bekannt dafür, in Schüben, größeren Anzahlen und in speziesbezogenen Zugehörigkeiten gesammelt auf den PC zuzukommen. Die CharacterdesignerIn hat sich die Frage zu stellen: Was zeichnet einen Organismus aus, der ein überzeugender und plausibler Teil einer Gruppe von GegnerInnen ist und nicht einer anderen Gruppe, oder ein einzigartiges Lebewesen? Die physischen Charakteristika von Feinden weisen oft außerdem auf den Schwierigkeitsgrad hin, das heißt, es gibt in dieser Hinsicht Einflüsse auf visuelle Konstitutionen. Wenn eine bestimmte Spezies von Feinden stärker und schwieriger zu besiegen ist als eine andere, sollte sie auch optisch stärker dargestellt werden, durch Rüstungen, erhöhte Geschwindigkeit, oder andere Features wie Flügel oder zusätzliche Beine. Desweiteres entwickeln sich Feinde innerhalb des Spielverlaufes oft weiter, sie divergieren in Sub-Spezies, die sich optisch leicht voneinander unterscheiden, aber trotzdem noch als verwandt identifiziert werden können.43 Es ist auch zu beobachten, dass Feinde in den seltensten Fällen wirklich menschlich sind – und wenn sie es sind, werden ihre Gesichter von Visieren, Helmen oder anderen Kopfbedeckungen versteckt, um ihnen die Menschlichkeit zu nehmen. Abb. 13 - Soldier Hindernisse sind ihrerseits immer abhängig von dem Environment, in dem sie sich befinden. In einem Fantasy-basierten Spiel würde ein Hindernis eher durch einen Troll, der unter einer Brücke haust und dem Protagonisten drei Fragen stellt, dargestellt, während in einem Science-Fiction Actiongame das selbe Hindernis mit dem gleichen Zweck eher durch ein Schloss mit futuristischem Zahlencode ausgefüllt werden würde. 43 vgl. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 207. .31 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Im Gegensatz zu den Feinden ist das Boss Monster, wie im konzeptionellen Teil, auch optisch eine einzigartige, einsame Kreatur, die das größte Hindernis am Ende eines Levels verkörpert. Es muss also individuell konzipiert werden, sich jedoch genau wie alle anderen Antagonisten in sein Environment eingliedern und ein homogenes Ganzes mit anderen Elementen im Spiel bilden. Gerade die Boss Monster können von Spiel zu Spiel stark in ihrer visuellen Gestaltung variieren, sodass es schwer ist, allgemein gültige Aussagen für das Design solcher Antagonisten zu treffen. Bei der Gestaltung ist jedoch zu beachten, dass zwei Dinge für die SpielerIn während des Kampfes deutlich zu erkennen sind: Welche Art von Attacke das Boss Monster anwendet und gleichsam auch dessen Achillesferse, also die Möglichkeit, es zu besiegen.44 Die Rolle des Erzfeindes in einem Spiel ist am wenigsten mit allgemeinen Visual-Design Regeln zu besetzen. Oft ergibt sich der Erzfeind aus dem Sinn der Narration, denn er ist der Grund, wegen dem sich die HeldIn auf ihre Reise begibt. Seine Form kann durch die Betrachtung der Relation zum Protagonist am besten gefunden werden. In manchen Fällen entsteht überhaupt zuerst der Haupt-Antagonist, um den herum dann die Geschichte und die anderen Charaktere aufgebaut werden. Um für eine SpielerIn ein optimales Spielerlebnis zu generieren, sollten diese wenigen Grundregeln der rollenbezogenen Gestaltung beachtet werden. 3.3 Typenbezogenes Design Ebenso wie in Rollen können Antagonisten auch in Typen klassifiziert werden, deren Termini im Verlauf dieser Arbeit bereits benutzt wurden, da sie umgangssprachlich bekannt sind. Diese Typen-Einteilungen umfassen grob die Arten von Antagonisten, die in Spielen nachweislich oft vorkommen und beliebt sind. Diese Gruppierungen sind jedoch keinesfalls als vollständig oder universell anzusehen, denn täglich werden neue Antagonisten geschaffen, die teilweise in den Zwischenräumen dieser Typen, oder auch in ganz neuen Klassifizierungen einzuteilen sind. Das folgende Kapitel umfasst die vier Typen Geister und Untote, Monster und Bestien, Menschliche GegnerInnen und Andere. Belegt und exemplifiziert werden diese Typen durch Beispiele aus verschiedensten Games, weswegen auch die hervorgehobenen Charaktere sich stark voneinander unterscheiden. Viele Typen lassen sich zurückführen auf antike Mythologie aus Ägypten, Griechenland oder Indien, keltische Sagen, germanische Legenden, religiöse Überlieferungen und europäische Märchen. Dieselben Charaktertypen tauchen im Lauf der Geschichte in den Erzählungen verschiedenster Völker und Kulturen auf.45 Deshalb bieten diese von Generationen immer weiter entwickelten Figuren eine große Inspiration für das heutige Antagonistendesign, und viele GegnerInnen aus Videospielen sind visuell angelehnt an solche Erzählungen. 44 vgl. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 237. 45 vgl. Cowan, Finlay (2004): Intensivkurs Fantasy-Figuren zeichnen und malen: Von der Idee zur fertigen Szene. Knaur: München. S. 6. .32 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg 3.3.1 Geister und Untote Geister und Untote sind durchaus recht bekannt, durch Verfilmungen, Bücher und auch zahlreiche Spiele, die diese Figuren als zentrales Motiv benutzen. Dieser Typ teilt sich in mehrere Unterklassifikationen auf: Zombies beispielsweise, sind geistlose Leichen, die normalerweise auferweckt wurden, um einem stärkeren Meister zu dienen. Auch Viren, Krankheiten oder Verseuchungen können Zombies hervorrufen, deren einziger Lebensinhalt es ist, zu fressen. Abb. 14 - Zombie Zombies sind sehr beliebt als Feinde in Videospielen, wie z. B. in Dead Rising, Left4Dead oder Resident Evil. Inspiriert von haitianischen Voodoo-Kulten und frühen Filmen mit dieser Materie, sind auch die äußeren Gestaltungsmerkmale oft an diese Vorlagen angelehnt. Eine weitere große Klasse bilden die Vampire, deren Ursprung auf Aberglauben im osteuropäischen Raum zurückgeht. Vampir sind meist intelligenter als andere untote Antagonisten und haben eine feiner nuancierte, soziale Struktur untereinander. Sie können visuell als grausame Monster, aber auch als wunderschöne Wesen ewiger Jugend dargestellt werden, wie zum Beispiel der Vampir Alucard aus der Castlevania Reihe. Vampire eignen sich sehr gut für die Rolle des Erzfeindes. Eine weitere Klassifizierung bilden die Wiedergänger, umgangssprachlich als Gespenster oder Geister bekannt, die sich ihrerseits wieder in vielfache Unterklassifizierungen aufteilen. Auftreten können Wiedergänger in Spielen auf viele Arten, wie zum Beispiel das junge Mädchen Alma Wade aus der F.E.A.R. Reihe, die, längst verstorben, als Geist Rache nimmt. Ein beliebtes .33 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Motiv wurde, um ein stark kontrastierendes Beispiel zu nennen, auch in den Buu-Huu Geistern aus Super Mario Bros. 3 verarbeitet, die sich nur bewegen, sobald der PC ihnen den Rücken zukehrt. Abb. 15 - Buu-Huu 3.3.2 Monster und Bestien Dieser Typ ist der, von allen am wenigsten visuell definierbar, da ein Monster oder eine Bestie in den verschiedensten Formen auftreten kann. Gerade bei diesem Typ finden sich oft mythologischinspirierte Darstellungen, beispielsweise durch Wesen wie den Minotaurus oder Behemoth, der in der Bibel als übergroßer Elefant beschrieben wird.46 Unterklassifizierungen bilden beispielsweise Aliens, Werwölfe, Drachen und viele andere. Die Beliebtheit von Monstern zieht sich durch alle Genres von Spielen und sie begründet sich durch die bereits in Kapitel 3.1.3 beschriebene Furcht vor dem Unbekannten.47 In American McGee’s Alice unternimmt das junge Mädchen eine Reise in ein verdorbenes Wunderland, das von einem besonderen Monster, The Red Queen, regiert wird. Dieses Monster fügt sich perfekt in die Formensprache des Spiels ein und ist ein gutes Beispiel für ein literarisch inspiriertes Monster, in diesem Falle einer Figur aus Lewis Carrolls Alice behind the Looking Glass. Ein anderes Monster ist Pyramid Head, der in der Silent Hill Reihe mehrmals auftaucht. Als einer der beliebtesten Antagonisten aller Zeiten, ist er ein hervorragendes Beispiel für gutes Monsterdesign: An Menschlichkeit erinnernde Merkmale verbinden sich hier mit dem verstörenden Einsatz eines Fremdkörpers, namentlich eines Pyramidenkopfes. 46 47 Abb. 16 - Pyramid Head vgl. Hiob 40,15 vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 108. .34 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Dazu völlig kontrastierende Monster sind beispielsweise der Purpur-Tentakel aus Maniac Mansion, oder der berühmte Bowser aus der Super Mario Reihe. Beide Monster funktionieren sehr gut innerhalb ihres Spieluniversums. Monster und Bestien können sich auch zu Gruppen zusammen schließen, wie es oft bei Science Fiction Spielen mit Alien-Antagonisten der Fall ist, oder wie in den vorigen Beispielen als EinzelgängerInnen unterwegs sein.48 Cowan nennt in seinen Ausführungen über Fantasy-Monster noch expressis verbis die Klassifizierung der Mega Monster, die das Format von Häusern, Bergen, Inseln oder sogar Planeten haben können.49 „Letztlich gewinnen diese Monster aber ihre Wirkung durch die Umgebung, in der sie platziert werden. Der Zeichner muss genau überlegen, womit er sein Ungeheuer umgibt, um dessen extreme Größe zur Geltung zu bringen.“50 3.3.3 Menschliche GegnerInnen Antagonisten müssen nicht grundsätzlich nicht-menschlich sein. Auch Menschen, oder gerade sie, haben ihre Schattenseiten und diese in Interaktion mit dem Protagonisten herauszuarbeiten, kann die Grundlage für einen hervorragenden Antagonisten bilden. „Humans are evolved animals, long since grown into the ethos of using attack as the best defense. “51 Menschliche GegnerInnen können im Spiel durchaus übermenschliche Fähigkeiten haben, um dem PC ebenbürtig oder überlegen zu sein; Bestes Beispiel hierfür ist Psycho Mantis aus Metal Gear Solid, einer der berühmtesten menschlichen Antagonisten, dessen psychokinetische Fähigkeiten tausende von SpielerInnen faszinieren. Psycho Mantis ist trotz seiner menschlichen Abstammung eine unnatürliche Erscheinung, denn er kann sich unsichtbar machen, fliegen und trägt außerdem eine Maske, die sein menschliches Gesicht verdeckt. Auch der Kämpfer M. Bison aus der Street Fighter Reihe lässt sich hierzu klassifizieren, er ist sowohl physisch als auch psychisch ein übermächtiger Rivale. Durch sein militärisches Äußeres wirkt er wie ein menschlicher Offizier, doch im Kampf beweist er übermenschliche Fähigkeiten. Die zweite Unterklassifizierung wird von menschlichen GegnerInnen, die keine übermenschlichen Fähigkeiten besitzen, gebildet. Ihr Antagonismus wird demnach aus sehr menschlichen Umständen, wie Sucht nach Macht, Geldgier, Geltungsdrang oder Eifersucht gebildet. Vladimir Lem aus Max Payne ist ein solcher Charakter, der zunächst sogar Max hilft, aber ultimativ zum Erzfeind wird. Um einen Menschen überzeugend böse wirken zu lassen, braucht er oder sie oft tiefgehendere Beweggründe, als sie ein Monster oder ein Vampir braucht, deren Motivation einfach in der Nahrungsaufnahme bestehen kann. 48 49 50 51 vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 111. vgl. Cowan, Finlay (2004): ebd. S. 60. vgl. Cowan, Finlay (2004): ebd. S. 60. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 46. .35 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Oft erlebt ein Mensch, der die Rolle eines Antagonisten besetzt, in der Vergangenheit oder im Verlauf des Spiels etwas, das ihm einen Teil seiner Menschlichkeit raubte, wie es beispielsweise bei dem, bereits oft erwähnten Sephiroth aus Final Fantasy der Fall ist. Abb. 17 - Sephiroth Ein völlig anderes Beispiel aus dieser Klassifizierung sind die Rivalen aus der Guitar Hero Reihe; In Guitar Hero III muss die SpielerIn im Gitarrenbattle gegen Tom Morello und andere bekannte Gitarristen bestehen. Diese sind, da sie auf existierenden Menschen beruhen, passende Beispiele für diesen Typ von Antagonisten und optisch stilisiert fügen sie sich sehr gut in die Guitar Hero Welt ein. Abb. 18 - Tom Morello .36 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg 3.3.4 Andere Dieser Typ besteht, wie der Name schon sagt, aus denjenigen Antagonisten, die nicht zu den anderen drei Typen zählen. Unterklassifizierungen sind Supercomputer, Viren oder auch rivalisierende Fahrzeuge aus Rennspielen. GlaDOS, das nicht immer völlig rationale Betriebssystem und die Hauptantagonistin aus Portal, ist diesem Typ zugehörig, oder auch Mother Brain, das Supercomputer-artige Boss Monster aus Metroid. Auch genannt sei SHODAN, die als künstliche Intelligenz die Erzfeindin in dem Cyberpunk-inspirierten Spiel System Shock darstellt. Solche Antagonisten visuell darzustellen ist für jede CharacterdesignerIn eine Herausforderung. SHODAN wird verkörpert durch ein weibliches, menschenähnliches Wesen, das in einer Art Datenstrom lebt, während Mother Brain durch ein riesengroßes, monsterartiges Gehirn in Szene gesetzt wird. GlaDOS ist ebenfalls durch eine weibliche Form verkörpert, die eine Art Ansammlung von Kernen/Augen an sich hat und kopfüber von der Decke hängt. Ihre Verhaltensweise scheint teilweise sehr menschlich, was sie zu einem vielschichtigen und äußerst überzeugenden Antagonisten macht. Abb. 19 - GlaDOS .37 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Conclusio „The more successful the villain, the more successful the picture.“ Dieses bekannte Zitat von Alfred Hitchcock lässt sich nicht nur auf die Bösewichte aus Filmen beziehen, sondern in extenso auf Videospiel-Antagonisten übertragen. Um die Forschungsfrage dieser Arbeit, was ein überzeugendes Antagonisten-Characterdesign für Games auszeichnet, zu beantworten, bezieht sich das nun folgende Conclusio auf die Erkenntnisse aus den bisherigen Kapiteln. Die wichtigste und gleichzeitig offensichtlichste Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass der Zusammenhang zwischen Antagonistendesign und Gameplay-Erlebnis sehr eng miteinander verknüpft ist. Die detailgetreue Ausarbeitung von Antagonisten in Games und damit auch die Herausarbeitung und Klarstellung der Herausforderung der HeldIn und dem Grund weshalb er oder sie sich überhaupt auf die Reise begibt, gibt dem Spiel eine sehr wichtige Dimension von Tiefe, die es der SpielerIn erlaubt, sich noch weiter in die Welt des Games einzuleben und sorgt für ein deutlich besseres Spielergebnis. Hierbei geht es nicht darum, jeden Antagonisten so komplex und vielschichtig wie möglich zu machen, oder seine Persönlichkeit künstlich zu vertiefen, sondern um das Ziel, welches dem Characterdesign auch allgemein zugeschrieben werden kann: ein homogenes Ganzes mit dem Spiel zu schaffen. Einige Games verlangen aufgrund ihrer Natur nach einfach gestrickten, simplen Feinden, Hindernissen und Boss Monstern und können deshalb ebenso gut funktionieren wie tiefgehende, storylastige Spiele, die ihrerseits nach komplexen Antagonisten verlangen. Die CharacterdesignerIn hat die Aufgabe herauszufinden, welche Persönlichkeitstiefe bei den Charakteren herauszuarbeiten ist, diese konzeptionell und visuell umzusetzen und damit der SpielerIn ein optimales Spielergebnis zu liefern. Oft unbeachtet bei der Gestaltung der Charaktere, unter anderem der Antagonisten, ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Entwicklung eines Spiels: die Zielgruppe, bzw. die SpielerInnen. In Kapitel 1.2.4 wurde der Fokus auf die SpielerIn gelegt und aus den Ergebnissen dieser Vorarbeit kann deutlich geschlossen werden, dass eine Zielgruppenevaluierung unentbehrlich für die Gestaltung von Charakteren ist. Die Gruppe von SpielerInnen die das Spiel schließlich kaufen wird, besteht immer, egal um welche Art von Spiel es sich handelt, aus einer heterogenen Gruppe, zusammengesetzt aus verschiedenen Kulturen, ethnischen Zugehörigkeiten, Geschlechtern und Wertvorstellungen. All diese Faktoren sind bei der Konzeptionierung von Antagonisten zu beachten. Hierfür ist es essenziell, die eigenen Charaktere, ob böse oder gut, einem ständigen Testkreislauf zu unterziehen. Während die Quality Assurance von Spielfiguren in der Vergangenheit oft stiefmütterlich behandelt wurde, ist dieses Glied der QA heute ein großer Teil und wird verstärkt durchgeführt. „Game Characters are a very important part of the player experience and require special attention during testing. “52 52 Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 281. .38 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Schon während des Gestaltungsprozesses sollte eine zweite professionelle Meinung hinzugezogen werden. Wie bei jeder anderen Aufgabe im Bereich der Gestaltung, sind Sichtweisen außer der der Hauptverantwortlichen sehr wichtig und zielführend für den Erfolg der Arbeit. Der Antagonist, an dem eine CharacterdesignerIn arbeitet, sollte also schon während der Entstehung mehrmals KollegInnen vorgelegt und offen besprochen werden, nicht weniger als andere Elemente der Produktion. Abschließend ist zu sagen, dass es einen erstaunlich großen Mangel an seriöser, professioneller Fachliteratur im Bereich Game Characterdesign gibt. Standardwerke aus dem Film- und Romanbereich erörtern partiell analoge Inhalte, jedoch werden dort nicht die, den Spielcharakteren immanenten, substanziellen Spezifika behandelt. Während es zum Gegenstand des Antagonistendesigns in Games keine Fachliteratur (die auch als solche etikettiert werden darf) gibt, sind die Werke zur Charaktergestaltung oft unprofessionell und laienhaft gestaltet und für eine entsprechende Leserschaft gedacht. Daher bietet dieser Bereich noch ein breites, fast unberührtes Forschungsfeld, welches gerade im Bereich der Antagonisten nun nach und nach aus wissenschaftlichen Perspektiven erschlossen werden kann. Charaktere sind ein besonders wichtiger Teil eines Spiels, aber ein gut durchdachter Antagonist garantiert nicht augenblicklich ein gutes Game. Die Gesamtkomposition muss immer im Auge observiert werden, um für die SpielerIn ein Maximum an positivem Spielerlebnis zu gewährleisten. .39 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Quellenverzeichnis .Literatur Bancroft, Tom (2006): Creating Characters with Personality. For Film, TV, Animation, Video Games, and Graphic Novels. Watson-Guptill: New York. Bogun, Anatol (2004): RALPH. Handbuch zur Story- und Charakterenentwicklung mit einem Leitfaden für die Umsetzung als Animation. Diplomarbeit, Fachhochschule/Dornbirn Brittnacher, Hans R. (1994): Ästhetik des Horrors. Gespenster, Vampire, Monster, Teufel und künstliche Menschen in der phantastischen Literatur. Suhrkamp: Frankfurt/Main Brittnacher, Hans R. (1999): Vom Zauber des Schreckens. Studien zur Phantastik und zum Horror. Wetzlar (Schriftenreihe und Materialien der Phantastischen Bibliothek Wetzlar Bd. 48). Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): World of Darkness: Antagonists. White Wolf: Stone Mountain Cormack, Ben/ Fabry, Glenn (2005): Anatomie für Fantasy-Zeichner: Vom Basiswissen zu perspektivisch richtigen Bewegungsabläufen in Schritt-für-Schritt-Bildern. Knaur: München Cowan, Finlay (2004): Intensivkurs Fantasy-Figuren zeichnen und malen: Von der Idee zur fertigen Szene. Knaur: München Die Bibel: Einheitsübersetzung. Altes und Neues Testament. Herder: Freiburg, 200911 . Elam, Kimberly (2001): Geometry of Design. Princeton Architectural Press: New York Hefner, Dorothée (2007): Identification with the Player Character as Determinant of Video Game Enjoyment. In: Ma, Lizhuang (Hg.): Entertainment Computing – ICEC 2007 . Berlin/Heidelberg: Springer Hooks, Ed (2000): Acting for Animators. A Complete Guide to Performance Animation. Heinemann: Portsmouth Isbister, Katherine (2006): Better Game Characters by Design. A psychological approach. Elsevier: Amsterdam Jung, Carl Gustav (2001): Archetypen. Dtv: München. .40 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg Kelman, Nic (2005): Video Game Art. Assouline Publishing: New York Kent, Steven L. (2001): The Ultimate History of Video Games. Three Rivers Press: New York Konzack, Lars (2007): More than Endlevel Bosses. In: http://www.uta.fi/laitokset/tiedotus/nordmedia2007/arbetsgrupper/datorspel.php, aufgerufen am 06.02.2009 ‚Spitfire‘ (2009): Controlling Fear in Game Design. In: http://www.gamasutra.com/php-bin/news_ index.php?story=21925, aufgerufen am 06.02.2009 Link, Andreas (2009): Die coolsten Schurken der Videospielgeschichte. In: http://www.pcgameshardware.de/aid,678087/Die-coolsten-Schurken-der-Videospiel-Geschichte/Spiele/Wissen/, aufgerufen am 27.04.2009. Maier, Stephan (2009): Silhouetten im Computerspiel. Wie ist die Silhouette für das Medium Computerspiel zu verstehen? Diplomarbeit, Fachhochschule/Salzburg Marriott, James/ Newman, Kim (2007): Horror: Alle Meisterwerke des Grauens von Alien bis Zombie. Tosa Verlagsgesellschaft: Wien Neubauer, Claudia (2008): Feindbild Computerspiele: Wie elektronisch vermittelte Spiele für Kinder auch pädagogisch wertvoll sein können. Vdm Verlag Dr. Müller: Saarbrücken Patmore, Chris (2006): Character Design. Knaur: München Walker, Kevin (2007): Fantasy Beasts zeichnen und malen: Gefräßige Trolle, unheimliche Meeresbewohner und blutrünstige Drachen; Mit zahlreichen Schritt-für-Schritt-Abbildungen. Knaur: München Verzeichnis der erwähnten Spiele American McGee’s Alice, Developer: Rogue Entertainment, USA 2000. Castlevania, Developer: Konami, Japan 1986. Crisis Core: Final Fantasy VII, Developer: Square Enix, Japan 2007. Dance Dance Revolution, Developer: Konami, Japan 1998. Dead Rising, Developer: Capcom, Japan 2006. Devil May Cry 3, Developer: Capcom, Japan 2003. F.E.A.R. 2: Project Origin, Developer: Monolith Productions, USA 2009. F.E.A.R., Developer: Monolith Productions, USA 2005. .41 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg FIFA 2009, Developer: EA, Kanada 2008. Final Fantasy VII, Developer: Square Enix, Japan 1997. Final Fantasy VIII, Developer: Square Enix, Japan 1999. Guitar Hero III: Legends of Rock, Developer: Neversoft, USA 2007. Half Life 2, Developer: Valve Corporation, USA 2004. Katamari Damacy, Developer: Namco, Japan 2004. Left4Dead, Developer: Valve Corporation, USA 2008. Max Payne, Developer: Remedy Entertainment, Finland 2001. Max Payne: The Fall of Max Payne, Developer: Remedy Entertainment, Finland 2003. Metal Gear Solid, Developer: Konami, Japan 1998. Metroid, Developer: Nintendo K.K., Japan 1988. Mortal Kombat, Developer: Midway, USA 1992. Portal, Developer: Valve Corporation, USA 2007. Resident Evil 4, Developer: Capcom Production Studio 5, Japan 2005. Resident Evil 5, Developer: Capcom, Japan 2009. Shin Megami Tensei, Developer: Atlus, Japan 1992. Silent Hill 2, Developer: Konami Team Silent, Japan 2001. Silent Hill 3, Developer: Konami Team Silent, Japan 2003. Silent Hill, Developer: Konami Team Silent, Japan 1999. Silent Hill: Homecoming, Developer: Double Helix Games, Japan 2008. Space Invaders, Developer: Taito, Japan 1978. Street Fighter IV, Developer: Capcom, Japan 2009. Super Mario Bros. 3, Developer: Nintendo K.K., Japan 1988. Super Mario Bros., Developer: Nintendo K.K., Japan 1985. Super Mario RPG, Developer: Nintendo K.K., Japan 1996. Super Street Fighter II, Developer: Capcom, Japan 1993. System Shock, Developer: Looking Glass Technologies, USA 1994. Warcraft III, Developer: Blizzard Entertainment, USA 2002. .42 Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg .Abbildungsverzeichnis Abb. 01 Nintendo (1996): Bowser Koopa. Super Mario RPG. S. 07. Abb. 02 Capcom (2009): Street Fighter IV Screenshot. S. 10. Abb. 03 Namco (2004): Katamari Damacy. S. 14. Abb. 04 Konami (1998): Psycho Mantis. Metal Gear Solid. S. 15. Abb. 05 Capcom Production Studio 5 (2005): Zombies. Resident Evil 4. S. 16. Abb. 06 Capcom (2009): Vega. Street Fighter IV. S. 17. Abb. 07 Atlus (1992): Golem. Shin Megami Tensei. S. 18. Abb. 08 Square Enix (1999): Edea. Final Fantasy VIII. S. 20. Abb. 09 Konami Silent Team (2003): Alessa/God. Silent Hill 3. S. 21. Abb. 10 Capcom (2003): Vergil. Devil May Cry. S. 23. Abb. 11 Capcom (2009): Blanka. Street Fighter IV. S. 28. Abb. 12 Konami Silent Team (2003): Splitworm. Silent Hill 3. S. 29. Abb. 13 Valve Corporation (2004): Soldier. Half Life 2. S. 31. Abb. 14 Valve Corporation (2008): Zombie. Left4Dead. S. 33. Abb. 15 Nintendo K.K. (1988): Buu-Huu. Super Mario Bros. 3. S. 34. Abb. 16 Konami Silent Team (2003): Pyramid Head. Silent Hill 3. S. 34. Abb. 17 Square Enix (1997): Sephiroth. Final Fantasy VII. S. 36. Abb. 18 Neversoft (2007): Tom Morello. Guitar Hero III. S. 36. Abb. 19 Valve Corporation (2007): GlaDOS. Portal. S. 37. .43