Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06

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Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06
Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg
Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg
Antagonisten Design in Games
„I‘m going to kill you, and all the cake is gone.“
Bachelor Arbeit .02
Verfasserin:
Marion Kapferer
Vorgelegt am:
Begutachtet durch: Bachelorstudiengang MultiMediaArt,
Fachhochschule Salzburg
Puch bei Hallein, den 30.04.2009
MSc. Josef Schinwald
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.Widmung
für BRUNHILDE
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.Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, Marion Kapferer, geboren am 09.11.1987 in Traunstein, dass ich die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens nach bestem Wissen und Gewissen eingehalten habe und die
vorliegende Bachelorarbeit von mir selbstständig verfasst wurde. Zur Erstellung wurden von mir
keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet.
Ich versichere, dass ich die Bachelorarbeit weder im In- noch Ausland bisher in irgendeiner Form
als Prüfungsarbeit vorgelegt habe und dass diese Arbeit mit der den BegutachterInnen vorgelegten Arbeit übereinstimmt.
Puch, am 30.04.2009
________________________________________________ _______________________
Vorname, Familienname
Matrikelnummer
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.Kurzfassung
Vor- und Zuname: Institution: Studiengang: Titel der Bachelorarbeit: BegutachterIn: Schlagwörter:
1.Schlagwort: .Antagonisten
2.Schlagwort: .Characterdesign
3.Schlagwort: .Game Design
Marion Kapferer
FH Salzburg
Bachelor MultiMediaArt
Antagonisten Design in Games
Josef Schinwald
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Konstitution von Charakteren in Games, die die Rollen
von WidersacherInnen, in Relation zum Protagonisten besetzen. Solche Antagonistenfiguren
konnten im Laufe der Game-Geschichte immer wieder außerordentlich hohe Beliebtheitsgrade
erreichen, dank gezielt methodischen Konzepten im konzeptionellen und visuellen Design.
Eine essenzielle Aufgabe des Game Designs ist es, das Spiel in solcher Weise zu gestalten, dass
der SpielerIn eine plausible Motivation geliefert wird, sich auf ihre Reise zu begeben und mit
der Spielfigur, dem Protagonisten, die wartenden Aufgaben zu bestehen. Dieser Impuls wird
durch Antagonisten offeriert. Deshalb ist die Auseinandersetzung der DesignerIn mit den spielintegrierten GegnerInnen des Protagonisten von obligatorischer Wichtigkeit. Die differenzierte
Entwicklung der Persönlichkeit, der Ziele, Beweggründe, Fähigkeiten und des Nexus zu anderen
Spielfiguren, insbesondere zum Player Character, verleiht dem Spieluniversum eine weitere wichtige Ebene von Glaubwürdigkeit, die es der SpielerIn erlaubt, eine überzeugende, durchdachte
Gameplay Welt zu erfahren.
Diese Arbeit beleuchtet die Komponenten des Characterdesigns, die bei der Gestaltung von authentischen und glaubwürdigen Antagonisten zu beachten sind.
.01
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.Abstract
The following paper deals with the constitution of characters in games that occupy the role of
adversaries, in relation to the protagonist. In the history of gaming, antagonists have achieved
extraordinary high popularity ratings, due to purposefully methodic designs in conceptual and
visual composition.
An essential task of gamedesign is to create a game that delivers plausible motivation for the
player, so she would like go on her journey and overcome obstacles with the player character.
This impulse is offered by the antagonist. This is why the designer’s reflexion of the game-integrated opponents is of mandatory significance. The sophisticated development of personality,
aims, motivation, skills and connection to other characters, especially to the player character,
provides an important layer of authenticity to the game-universe. It allows the player to experience a convincing, elaborate gameplay world.
This paper illuminates the components of characterdesign that are to be considered for the constitution of authentic and believable antagonists.
.02
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.Inhaltsverzeichnis
.04
Abkürzungsverzeichnis
.05
Einleitung
.07
.07
.08
.09
.11
.12
.13
1. Grundaufgaben des Characterdesigns
1.1 Überzeugungskraft der Charaktere und deren Wichtigkeit
1.2 Konzeptionelles Design
.15
.15
.16
.18
.21
2. Konzeptionelles Antagonistendesign
2.1 GegnerInnen in Videogames und ihre Aufgaben
.26
.26
.27
.27
.28
.29
.30
.30
.30
.32
.33
.34
.35
.37
3. Visuelles Antagonistendesign
3.1 Entwerfen eines Antagonistencharacters
.38
Conclusio
.40
Quellenverzeichnis
.43
Abbildungsverzeichnis
2.1.1
2.1.2
Soziale Rollen in Games: Gegnerfeindliche Charaktere
Archetypen
2.2 Verhältnis von Antagonist und Protagonist
Player Characters
Non-Player-Characters
Fokus auf die SpielerIn
1.3 Visuelles Design
1.2.1
1.2.2
1.2.3
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
3.1.6
Der erste Eindruck
Gesicht
Körper
Silhouette
Bewegung
Stimme
3.2 Rollenbezogenes Design
3.3 Typenbezogenes Design
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
Geister und Untote
Monster und Bestien
Menschliche GegnerInnen
Andere
.03
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.Abkürzungsverzeichnis
Auflage Band Bande Brothers das heißt Nintendo Game Boy Double Screen
ebendort erweiterte Auflage First Encounter Assault Recon Genetic Lifeform and Disk Operating System
Herausgeber
korrigierte Auflage
MultiMedia Art Name unbekannt
Non-Player Character
ohne Jahresangabe
ohne Ortsangabe
Player Character
PlayStation
Playstation Portable
Role Play Game
Seite
uberarbeitete Auflage
und andere
und folgende Seite
und folgende Seiten
vergleiche
zitiert nach
Aufl.
Bd.
Bde.
Bros.
d.h.
DS
ebd.
erw. Aufl.
F.E.A.R.
GlaDOS
Hg.
korrig. Aufl.
MMA
o. V.
NPC
o. J.
o. O.
PC
PS
PSP
RPG
S.
uberarb. Aufl.
u.a. oder et al.
f
ff
vgl.
zit. n.
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.Einleitung
In meiner Bachelor Arbeit II setze ich es mir zum Ziel, eine bestimmte Fachrichtung des Characterdesigns wissenschaftlich zu erforschen. Jede gute Geschichte stützt sich zu einem großen Teil auf
ihre Charaktere, wie überzeugend diese wirken, und wie gut sie sich in das Gesamtbild einfügen.
Eine besonders tragende Rolle spielen dabei Antagonisten, also GegnerInnencharaktere, die als
WidersacherInnen ein Gegengewicht zum Protagonisten, der HeldIn der Geschichte, bieten.
Forschungsfrage
Was zeichnet ein überzeugendes Antagonisten-Characterdesign für Games aus?
Hierbei bezieht sich der Terminus, wie er oft interpretiert wird, nicht allein auf die äußerlichen
Gestaltungsmittel von Spielfiguren, sondern auf alle Ebenen des Characterdesigns. Die folgende
Arbeit bezieht ihre Inhalte demnach sowohl auf das konzeptionelle Design, also die Verfeinerung
der Psychologie, Persönlichkeitszüge, Beweggründe, Ziele, Fähigkeiten und Interaktionen mit anderen Spielfiguren, als auch auf die visuellen Gestaltungsmerkmale.
Viele Begriffe und Bezeichnungen, wie Antagonist oder Protagonist, oder die Titel der sozialen
Rollen sind als Definitionen wie Eigennamen zu verstehen, und beziehen sich evident sowohl auf
weibliche als auch männliche, oder auch ungeschlechtliche Figuren.
Zunächst werden die Grundaufgaben und Obliegenheiten des Characterdesigns aufgearbeitet und
es wird erläutert, warum überzeugende Charaktere wichtig sind, sowohl im Game-, als auch Roman- und Filmbereich. Hierfür werden einige anerkannte Möglichkeiten vorgestellt, wie zu gutem
Characterdesign gelangt werden kann, wobei ein besonderer Fokus auf die Chancen von Herangehensweisen aus der Psychologie und Soziologie gelegt wird. Es werden in den Kapiteln zum konzeptionellen und visuellen Design gängige, aktuelle Mittel zur allgemeinen Gestaltung von Charakteren dargelegt und die verschiedenen Arten von Spielfiguren aufgezeigt.
Im zweiten Kapitel wird nun darauf aufbauend speziell auf die Gruppe der Antagonisten in Spielen
eingegangen. Die diversen Arten und Typen von GegnerInnen werden veranschaulicht und ihre
Aufgaben analysiert und erklärt. Dies beinhaltet auch einen Vergleich zwischen Protagonist und
Antagonist, um zu zeigen, inwiefern sich diese ergänzen und widersprechen müssen, um plausibel
zu wirken. Im Detail werden die Dimensionen von sozialen Rollen in Spielen, wissenschaftlich-psychologisch betrachtet, erörtert, und deren Schemata auf die Rollen der Antagonisten appliziert.
Im dritten Teil der Arbeit werden detailliert visuelle Gestaltungsmöglichkeiten für Antagonisten
aufgezeigt und konkretisiert. Hierbei werden vielseitige Betrachtungsweisen angewendet: Sowohl
rollenbezogenes und typenbezogenes Design, als auch die Gestaltung der einzelnen Komponenten der Figur sind Thema dieses Kapitels.
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Characterdesign allgemein ist ein sehr relevantes und wichtiges Thema im Game Design Bereich.
Oft ist es der Fall, dass man sich bei gespielten Spielen nach einiger Zeit weniger an den Inhalt oder
Plot erinnert, sehr wohl jedoch aber an prägnante Figuren und sehr oft bleibt einem gerade ein
‚Endkampf‘ mit einem besonders starken Antagonisten im Gedächtnis. Um dies zu erzielen, muss
sehr viel Überlegung in die Gestaltung solcher Charaktere gesteckt werden. Es gibt bereits Antagonisten aus Videospielen, die so gut gestaltet sind, dass sie sogar beliebter sind als der ‚gute‘ Hauptcharakter, mit dem sich die SpielerIn eigentlich identifizieren sollte. All dies hat selbstverständlich
einen wesentlichen Einfluss auf das Gameplay und auch auf den Wiederspielwert des Games.
Für mich persönlich ist dieses Thema sehr relevant, da ich mich nicht nur für alle Arten von Characterdesign interessiere und auch selbst im Berufspraktikum einige Konzepte sowohl für Protagonisten als auch vielschichtige Antagonisten liefern durfte, sondern auch, weil meine persönliche
Affinität zu Computerspielen mich dazu animiert, homogene und überzeugende Characterdesigns
zu analysieren und aus ihnen zu lernen.
In der vorliegenden Bachelor Arbeit werde ich die Mittel erörtern, mit denen erfolgreiche Characterdesigns von Antagonisten erzielt werden und Merkmale dieser herausfiltern. Das Ziel der Arbeit
ist es, Denkanstöße für visuelles und konzeptionelles Characterdesign zu liefern und vorhandene
Arbeiten zu analysieren. Nicht-Ziel ist es, ein Mustermodell für perfektes Characterdesign zu schreiben, da dies nicht möglich ist.
.06
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.Grundaufgaben des Characterdesigns
Im folgenden Kapitel sollen zunächst die Grundaufgaben des Characterdesigns geklärt und definiert werden. Bevor sich die Arbeit ganz auf die Gestaltung von Antagonisten konzentriert, sollen
Erörterungen zur Aufgabe der allgemeinen Charakterentwicklung eine Grundlage und Vorarbeit
leisten.
1.1 Überzeugungskraft der Charaktere und deren Wichtigkeit
Bei der Entwicklung eines Spiels ist die Zeit knapp bemessen. Viele Entwicklerstudios stehen durch
sehr eng gesetzte Deadlines durch den Publisher unter Druck – eine wirklich lange Entwicklungszeit von mehreren Jahren kann sich nicht jedes Studio leisten. Unter dieser Ressourcenknappheit
leidet in vielen Fällen auch das Produkt, das Spiel, wenn es auch teilweise nicht auf den ersten
Blick ersichtlich ist. Characterdesign ist ein Teilbereich der Spieleentwicklung, der zeitintensiv ist,
in dem jedoch oft Zeit gespart wird, was sich erheblich auf das Gameplayerlebnis auswirken kann.
Der Grad der benötigten Komplexität eines Characters ist in erster Linie abhängig von der Art des
Spiels; nicht immer sind vielschichtige Persönlichkeiten mit einer komplizierten Hintergrundgeschichte von Vorteil für das Gameplay. Characterdesign bedeutet, Spielfiguren zu schaffen, die
innerhalb ihrer Welt eine außerordentliche Überzeugungskraft besitzen, die die SpielerIn nicht
in Frage stellen muss. Als DesignerIn hat man die Aufgabe, die Charaktere in die Welt fließend
einzubinden, um ein glaubwürdiges Ganzes zu vermitteln. So funktioniert beispielsweise Bowser
Koopa als Boss Monster in den Super Mario Games ganz hervorragend, obwohl man nichts weiter
über ihn weiß, als die Tatsache, dass er böse ist und es liebt, Prinzessinnen zu kidnappen. „I‘m the
biggest, baddest brute around, and don‘t you forget it.“1
Er braucht keine ausgearbeiteten Charaktereigenschaften
oder eine komplexe Vergangenheitsgeschichte, um die
SpielerIn zu animieren, loszuziehen und ihn zu bekämpfen.
Jedoch fügt er sich durchaus nahtlos in seine Welt ein,
der Grad der Integration und Verwurzelung im Spiel macht
ihn auf seine Art zu einem guten und vor allem
überzeugenden Character, der als solcher nicht
hinterfragt wird. Ähnlich wirkungsvoll sind aber auch
Charaktere, die weit schwer verständlichere Beweggründe
Abb. 01 - Bowser Koopa
haben, den Protagonist zu bekämpfen, wie beispielsweise
Alma Wade aus dem Spiel F.E.A.R. Im Laufe des Spiels erfährt
die SpielerIn immer mehr über dieses geheimnisvolle Mädchen, und ihre tragische Vergangenheit
1
Super Mario RPG, Developer: Nintendo K.K. Japan, 1996.
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wird Stück für Stück aufgedeckt. Alma stellt somit auf ihre Art eine überzeugende Antagonistin da,
die ähnlich oder genauso gut funktioniert wie Bowser aus Super Mario Bros.
Diese genannten Beispiele dienen dazu, aufzuzeigen, dass die Tiefe eines Characters immer abhängig ist von der Art des Spiels, ob nun Protagonist oder Antagonist, Player Character oder NonPlayer Character. Um welche Art es sich auch handeln mag, entscheidend ist, dass die SpielerIn
unbewusst wahrnimmt, ob beim Characterdesign zweckvoll und zielführend gearbeitet wurde
oder nicht.
Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten, die für ein überzeugendes Characterdesign sprechen,
welches nicht zwingend sehr zeitintensiv, jedoch aktiv, bewusst und methodisch geschehen muss.
Die Qualität des Spiels verhält sich direkt proportional zur Ausarbeitung der Charaktere, deren
verfeinerte Identitäten die SpielerIn meist nicht wirklich wissentlich, sondern auf eine subjektive
Art und Weise durch ihr Unterbewusstsein wahrnimmt.
Ein Spiel mit gut durchdachten Charakteren bietet außerdem einen größeren Anreiz für eine breite
SpielerInnenschaft. Während einige SpielerInnen mehr auf die Grafiken oder Physics eines Spiels
achten, interessieren sich andere mehr für die Backgroundstories der Figuren, mit denen sie interagieren. Doch nicht nur die Interessen der SpielerInnen werden durch optimiertes Characterdesign besser abgedeckt, auch die des Entwicklerstudios und des Publishers selbst. Denn wirkungsvollere, einnehmendere Spielfiguren in einem Spiel erleichtern das Marketing und erhöhen die
Chancen des Games, ein längerfristiges Publikum anzuziehen, beispielsweise für spätere Sequels.2
1.2 Konzeptionelles Design
Als konzeptioneller Part im Characterdesign gelten alle Ausarbeitungen, die sich auf die nichtäußerliche Gestaltung der Figur konzentrieren, wie z. B. die Beschreibung seiner oder ihrer Vergangenheit oder die Konstruktion der Beziehungen zu anderen Charakteren im Spiel. Dies kann
Elemente beinhalten, die der SpielerIn während des Spielverlaufs nicht aktiv mitgeteilt werden,
die jedoch einer Figur die nötige Tiefe verleihen, um überzeugend zu fungieren.
„Denn zu einer gelungenen Figur gehört mehr als Muskeln und originelle Kleidung. Die Bewohner
einer Fantasiewelt brauchen einen Lebenszweck und eine Aufgabe. Sie haben Stärken, Schwächen
und individuelle Charakterzüge.“3
Dieser Teil der Ausformung ist ein sehr komplexer, fließender Prozess, der nicht immer vollständig
gesteuert werden kann.
2
vgl. Isbister, Katherine (2006): Better Game Characters by Design. A psychological approach. Elsevier: Amsterdam. S. 255f.
3
Patmore, Chris (2006): Character Design. Knaur: München. S. 6.
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1.2.1
Player Characters
Player Characters (kurz: PCs) sind die zentralen Charaktere in den meisten Spielen. Um einen guten Antagonisten als Non-Player Characters zu konstituieren, ist es nötig, durchdachte und überzeugende Player Characters, zu denen in den meisten Fällen Protagonisten zählen, zu haben.
In diesem Teil der Arbeit wird kurz auf die Arten von PCs und ihre Rollen im Spiel eingegangen und
wie diese von der SpielerIn erfahren werden.
Identifikation mit dem PC
Der Grad der Identifikation der SpielerIn mit dem Player Character ist immer abhängig von der Art
des Spiels, von dem Genre, dem Gameplay und der Erzählperspektive und selbstverständlich auch
dem Plot bzw. der Story.
Es wäre nicht richtig zu sagen, dass ein PC immer so konzipiert sein muss, dass sich die SpielerIn
mit ihm identifizieren kann, aber Identifikation hilft dabei, der Interaktion des Gameplays eine
weitere psychologische Ebene hinzuzufügen, die die SpielerIn mehr in die Spielwelt hineinzieht
und integriert.
“When identifying with a character or role offered by the game, players change their
self-concept by adopting relevant attributes of the character, for instance, they perceive themselves as more courageous, heroic, and powerful during identification with a soldier.”4
Indem eine SpielerIn diverse Facetten der Charaktere bei sich selbst erkennt, kann sie sich mit
den Figuren eines gelungenen Spieles identifizieren.5 „Taken to its furthest extreme, players are
even allowed to become a legendary version of themselves in the most sold game of all time, ‘The
Sims.’”6
Die drei Arten von PCs
Dieses Kapitel behandelt die drei Stilrichtungen von In-Game Player-Repräsentationen/ Player
Characters. Diese lassen sich am besten an Spielbeispielen erläutern.
Tools: Es gibt Spiele, die fast keine bis gar keine soziale Persönlichkeitsidentifikation für ein erfolg4
Hefner, Dorothée (2007): Identification with the Player Character as Determinant of Video Game Enjoyment. In: Ma, Lizhuang (Hg.): Entertainment Computing – ICEC 2007 . Berlin/Heidelberg: Springer.
5
Patmore, Chris (2006): ebd. S. 18.
6
Kelman, Nic (2005): Video Game Art. Assouline Publishing: New York. S. 61.
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reiches Gameplay benötigen. Beispiele für solche Games wären zum Beispiel Warcraft III oder
Dance Dance Revolution. In beiden Fällen sind das Spiel und insbesondere das Interface so gestaltet, dass eine starke Spielfigur das Game nicht aufwerten, sondern eher abträglich sein würde. In
den genannten Beispielen sind die Steuerelemente griffbereit und behindern nicht die kognitive
Herangehensweise der SpielerIn.7 Das Game liefert ein Tool für die SpielerIn, statt einem realistischen PC.
Puppen: Spiele mit relativ kurzen Spielzyklen, die hauptsächlich auf physischem Können des Characters beruhen, benötigen nicht unbedingt ausdrücklich ausgearbeitete psychologisch-soziale
Qualitäten im Characterdesign.8
Stattdessen kann die Persönlichkeit der Figur über die Arten der Bewegung und visuelle Charakteristiken sehr gut vermittelt werden, die Identität des PCs wird klar durch nonverbale Kommunikation und Interaktion mit den NPCs. Diese Art von Character ist eine Puppe für die SpielerIn, mit der
sie sich, trotz ihrer meist übermenschlichen Fähigkeiten, durch die Manipulation, die die SpielerIn
mit ihr durchführt, gut identifizieren kann. Sehr gute Beispiele für diese Art von Spiel sind Super
Street Fighter II, oder diverse Sportgames, wie FIFA 2009.
Abb. 02 - Street Fighter 4
Masken: Masken sind Player Characters, die in Spielen mit großer sozialer Komponente vorkommen. Ein Hauptaspekt des Gameplays in solchen Spielen ist die Interaktion mit anderen SpielerInnen, repräsentiert durch die eigene Maske, auch genannt Avatar. Sich im Spiel, meist in Massive
Multiplayer Online Role Play Games, durch eine Spielfigur sozial auszutauschen, ist ein hoher Grad
der Identifikation und gibt der SpielerIn die Möglichkeit, wechselnde soziale Persönlichkeiten auszuleben – neue Versionen von sich selbst – die sich von dem alltäglichen Ich stark unterscheiden
können.9 Beträchtlicher Gestaltungsaufwand wird oft in die Tools zum personalisierten Customizing im Aussehen des Avatars/der Maske gesteckt.
7
8
9
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 213 f.
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 214.
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 215.
.10
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1.2.3 Non Player Characters
Nach den Ausführungen über die PCs werden in diesem Kapitel die Non Player Characters (kurz
NPCs) erklärt, zu denen auch die Antagonisten zählen. Es gibt zwar durchaus Spiele, in denen
die Möglichkeit besteht, die Rolle derjenigen Charaktere zu übernehmen, die im Normalfall die
Bösewichte sind, wie z. B. Left4Dead aus dem Jahr 2008. Doch natürlich dreht sich in solch einer
Situation die Rollenbesetzung um, die ursprüngliche HeldIn wird zur GegenspielerIn, sobald die
SpielerIn die Rolle des Feindes übernimmt.
Im Folgenden werden verschiedene Beispiele von NPCs beschrieben, soziale Rollen in Games erläutert und die Wichtigkeit der Interaktionsmomente der Charaktere (NPCs und PCs) untereinander verdeutlicht.
Soziale Rollen in Games
Genau wie die sozialen Rollen, die sich in jeder täglichen zwischenmenschlichen Interaktion herauskristallisieren, um sich gewöhnlichen Situationen und Beziehungen anzupassen, finden ähnliche Rollenschablonen auch in Games Anwendung, um Beziehungen zwischen Figuren zu verdeutlichen.10
Soziale Rollen können von verschiedenen Charakteren zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Spiel
übernommen werden, sie können sich verlagern und an Bedeutung verlieren oder gewinnen.
Da im zweiten Kapitel noch intensiv auf die, der SpielerIn unfreundlich gesinnten NPCs eingegangen wird, werden im Folgenden nur die spielerInnenfreundlichen sozialen Rollen genauer aufgezeigt, aufsteigend von den, am wenigsten zu den am meisten dominanten Rollen.
Lakai: Lakaien sind wenig sozial-dominante Charaktere, die selten die Autorität des Player Characters in Frage stellen. Sie haben meist kein eigenes Ziel, außer dem Protagonisten bei der Erreichung seiner Ziels zu helfen.
Hilfesuchender: Diese Art von Character benötigt die Hilfe des Protagonisten. In manchen Fällen
dient diese Rolle nur dazu, um die SpielerIn für ihr Ziel zu motivieren, in anderen kann sich der
Hilfe suchende Character von seiner passiven Rolle lösen und im Spielverlauf eine aktivere Rolle
übernehmen.
Pet/Haustier: Ein Haustier hat eine sehr wenig dominante Rolle, jedoch kann es sich auch gegen
die SpielerIn wenden, oder ein wenig Widerstand leisten und aufmüpfig sein, wie ein echtes Haustier es auch tun würde.
Sidekick: Ein Sidekick-Character, oder Kumpane, hat typischerweise mehr soziale Stärke und Autonomie als ein Pet oder Laikai, ist aber weniger dominant als der PC. Seine oder ihre Rolle besteht
darin, dem Protagonisten zur Seite zu stehen und ihm zu helfen, wenn nötig.
Verbündeter: Verbündete Charaktere sind auf der Seite des PCs, mit ähnlichen oder gleichen Fä10
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 229.
.11
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higkeiten in der Spielwelt.
Führer: Führer sind immer auf der Seite des PCs und haben mindestens genau so viel soziale Stärke, sie können eine Art Hilfesystem im Spiel darstellen.
Mentor: Mentoren haben oft weit mehr Macht als der PC, er oder sie begleitet die SpielerIn nicht
auf Quests oder zu Auseinandersetzungen, sondern unterstützt diese mit anfänglichem Training
oder Rat.
Als spielerInnenfeindliche NPC-Rollen gelten: Hindernis, Feind, Rivale, Boss Monster und Erzfeind.
(Siehe Kapitel 2.1.1)
Interaktionsmomente
Um NPCs und daraus resultierend auch PCs, richtig wirken zu lassen, sind überzeugende Interaktionsmomente von entscheidender Wichtigkeit. Die emotionale Wechselwirkung der Figuren,
basierend auf ihren sozialen Rollen im Spiel, müssen definiert und strukturiert werden. Cutscenes
oder Dialoge sind eine gute Möglichkeit, die Konnexionen der einzelnen Characters zu übermitteln, jedoch sollte die SpielerIn auch während des Gameplays immer daran erinnert werden, dass
die NPCs, besonders die Antagonisten, präsent sind und mit ihr in Interaktion stehen.
1.2.3
Fokus auf die SpielerIn
CharacterdesignerInnen stehen beim Prozess der Spielentwicklung dem gleichen Problem gegenüber, mit dem sich auch MarketingforscherInnen und Research-ExpertInnen auseinandersetzen
– sie müssen Entscheidungen treffen in dem Wissen, dass sich ihre Zielgruppe aus vielen verschiedenen heterogenen Gruppierungen unterschiedlicher Geschlechter und Kulturen zusammensetzt,
die sich in ihrer Reaktion auf ein Produkt, ob nun Videospiel oder Werbespot, jeweils unterscheiden. Um einen überzeugenden Character zu erschaffen, ist es nötig, ein umfangreiches Verständnis dafür zu haben, dass diese differenzierten Dimensionen von Erfahrungen die Erwartungen und
Empfindungen einer Person beeinflussen können.11 Das Zielpublikum zu segmentieren, löst nicht
alle Schwierigkeiten, die das Ziel, ein gutes Game, bzw. überzeugende Charaktere für ein breit gefächertes Publikum aus verschiedensten ethnischen Gruppen zu designen, mit sich bringt. Jedoch
hilft das Analysieren der Verhaltensweisen, Normen, Durchschnittswerte und selbstverständlich
auch Klischees von Kulturen und Geschlechtern dabei, die eigene Sichtweise als DesignerIn zu
erweitern, und den eigenen Characters, sollte es nötig sein, eine weitere konzeptionelle Ebene
hinzuzufügen, die seine oder ihre Überzeugungskraft erhöht, oder sogar Characterdesigns an demografische Gegebenheiten anzupassen. Hierbei geht es nicht darum, es allen Audienzen recht zu
machen, sondern um das Ziel, ein, für die SpielerIn bestmöglichstes Spielerlebnis zu erschaffen.
11
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 41.
.12
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Um Charaktere zu erschaffen, die einen Anreiz jenseits der eigenen Kultur und Subkultur besitzen,
ist es entscheidend, über bestehende verbreitete Stereotypen von nationalen Absatzgebieten hinwegzusehen und ein tieferes Verständnis zu entwickeln, für die Komplexitäten von Kulturen, die
die Reaktionen der SpielerIn auf Design beeinflussen können.12
Generalisierungen über bestimmte ethnische Gruppen können irreführend sein, da jede Kultur
sich aus Ansammlungen von diversen Subkulturen bildet. GamerInnen aus jeder nationalen Kultur
sind in ihrer Spielweise, ihren Vorlieben und Empfindungen nicht identisch.
Desweiteren verschieben sich Verhältnisse von Games und Kulturen permanent. „What may have
been true even five years ago may be quite different now.“13
Diese Tatsachen gilt es bei jeglichen Konstitutionsentscheidungen zu beachten.
Wenn ein Characterdesign es verlangt, auf kulturelle Faktoren hin überprüft zu werden, gibt es
mehrere wichtige Punkte, die zu beachten sind und zu denen Research betrieben werden sollte: Es
bestehen soziale Normen über Ausdrucksweisen und physische Charakteristika, über Rollen und
Erwartungen und auch der Einfluss der lokalen Medien auf Erwartungen und Interaktion sollte
nicht unterschätzt werden.14
„Die Entscheidung über die vorherrschende geschlechtliche Zielgruppe ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, welcher das Charakterdesign beeinflusst. Die spezifischen
Unterschiede, was Spieler und Spielerinnen bevorzugen, muss hier berücksichtigt wer
den. Charaktere, die Spieler und Spielerinnen gleichermaßen ansprechen sollen, müssen authentische geschlechtsspezifische Verhaltensmuster aufweisen.“15
1.3 Visuelles Design
Evolutionsbedingt stehen beim Menschen visuelle Eindrücke über allen anderen Sinneswahrnehmungen.16 Deshalb ist das optische Design von Game Figuren sehr wichtig für das Gameplay und
für die Integration der SpielerIn in das Game. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es kein universelles Rezept für einen optisch gut gestalteten Charakter gibt. Die visuelle Aufmachung ist immer
von der Art des Spiels abhängig, vom Genre, von den technischen Einschränkungen und selbstverständlich von dem persönlichen Geschmack der GestalterIn. Generell gilt, bei der äußeren Umsetzung darauf zu achten, die innere Gestaltung, sprich Charakterzüge, Stärken, Schwächen usw. zu
12
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 49.
13
Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 49.
14
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 60 f.
15
Maier, Stephan (2009): Silhouetten im Computerspiel. Wie ist die Silhouette für das Medium Computerspiel zu verstehen? Diplomarbeit, Fachhochschule/Salzburg. S. 66.
16
cgl. Hooks, Ed (2000): Acting for Animators. A Complete Guide to Performance Animation. Heinemann: Portsmouth. S. 61.
.13
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manifestieren. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, eine homogene Figur zu schaffen, es muss
nur das Ziel im Auge behalten werden, ein, für die SpielerIn optimal verständliches Game Universum zu schaffen, wo die Charaktere ein großer Teil dieses Universums sind. Fügen sie sich optisch
nahtlos in die Spielwelt ein, helfen sie der SpielerIn, sich in das Game hineinzuversetzen und tragen zum erfolgreichen Gameplay bei.
Nicht in jedem Fall ist eine Ausarbeitung mit einem maximalen Grad an Detail von Vorteil: Das
Spiel Katamari Damacy hat ein optisch durchgehend homogenes Design, dessen Charaktere recht
einfach wirken, aber für den Zweck des Gameplays optimal durchdacht sind.
Abb. 03 - Katamary Damacy
In Games wie Resident Evil 5 bestechen diese durch einen detailreichen Naturalismus, der bei
den Spielen des Horror Survival Genres oft angebracht ist, um die erschreckenden Bilder noch
intensiver zu machen.
Die visuelle Charactergestaltung ist immer direkt proportional zum Stil des gesamten Spieles, sowohl zum Environment, als auch zur Art der Geschichte, die erzählt wird.
.14
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.Konzeptionelles Antagonistendesign
In diesem zweiten Teil der Arbeit wird nun detailliert auf das konzeptionelle Design von Antagonisten-Charakteren eingegangen, aufbauend auf den vorhergehenden Erkenntnissen. Zunächst werden die allgemeinen Aufgaben von GegnerInnen in Spielen expliziert, und warum diese wichtig für
das Gameplay sind. Weiterführend aus Kapitel 1.2.2 werden die sozialen Rollenverteilungen von
playerfeindlichen NPCs besprochen und erläutert. Anschließend wird das Konzept der Archetypen
von C.G. Jung kurz erklärt, Parallelen zum modernen Game Design gezogen und die Bedeutung
seiner Thesen für Antagonisten im Speziellen dargestellt. In einem abschließenden Kapitel wird es
um die Relation von Protagonist und Antagonist gehen, und deren Wichtigkeit für die Spiel- und
Charactergestaltung.
Im zweiten Kapitel geht es um die Charaktergestaltung im nicht-visuellen Sinn. Der Designvorgang
bezieht sich hier ausschließlich auf Ausarbeitung von Charakterzügen, Stärken, Schwächen, Zielen
und so weiter. Der Zusammenhang mit dem visuellen Teil der Gestaltung wird im dritten Kapitel
der Arbeit behandelt und vervollständigt.
2.1 GegnerInnen in Games und ihre Aufgaben
Eine Geschichte ist nur so gut wie ihr Bösewicht. Egal wie gutaussehend oder stark die HauptheldIn ist, ohne eine sehr effektive SchurkIn wirkt die Geschichte oft
flach und in vielen Fällen uninteressant. „Ein Schurke oder Bösewicht
muss also entsprechend ausgefeilt sein, um der HeldIn ebenbürtig
zu wirken. Schließlich wäre es fatal, wenn der Spieler nach drei
Minuten merkt, dass das Gegenüber nicht den Hauch einer
Chance hat.“17
In einigen Fällen sind die Antagonisten aus Spielen so bekannt,
dass sie sogar große Fankreise haben und sie, trotz ihrer
bösen Absichten, in der SpielerInnenschaft einen hohen
Beliebtheitsgrad erlangen. Bei Online-Umfragen nach den
beliebtesten Videospielcharakteren finden sich immer auch
GegnerInnenfiguren, die die SpielerInnen durch ihren
konzeptionellen und/oder visuellen Stil stark beeindrucken konnten,
wie z. B. Psycho Mantis aus Metal Gear Solid, oder auch Sephiroth
aus der Final Fantasy VII Compilation.
Abb. 04 - Psycho Mantis
17
Link, Andreas (2009): Die coolsten Schurken der Videospielgeschichte. In: http://www.pcgameshardware.de/aid,678087/Die-coolsten-Schurken-der-Videospiel-Geschichte/Spiele/Wissen/, aufgerufen am 27.04.2009.
.15
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2.1.1 Soziale Rollen in Games: Spielerfeindliche Charaktere
Im ersten Kapitel wurden soziale Rollen in Spielen präzisiert und die gängigsten spielerInnenfreundlichen Rollen vorgestellt. Um die einzelnen Typen von GegnerInnen zu verstehen, ist es
nötig, diese, bezogen auf den Gameplay-Verlauf zu kategorisieren und je nach Rolle individuell zu
gestalten. Im Folgenden sind diese Rollen geordnet von der, am wenigsten sozial dominanten zur
stärksten Rolle.
Die Rollenbezeichnungen sind wie Eigennamen zu verstehen, sie sind fest definierte Kategorisierungen. Selbstverständlich kann jede Rolle von sowohl weiblichen als auch männlichen Charakteren übernommen werden.
Hindernis: Hindernisse sind nicht im eigentlichen Sinne Charaktere in Reinform, jedoch sollen sie
als GegenspielerInnen des Protagonisten aufgeführt werden. Sie haben in den meisten Fällen kein
Interesse daran, der HeldIn zu helfen und müssen überwunden werden, um ans Ziel zu gelangen.
Sie haben in der Regel keine große physische oder soziale Macht innerhalb des Spiels und sind
eher Ärgernisse (im positiven Sinne) als wirkliche Bedrohungen.
Feind: Feinde sind eine der beliebtesten und ausdauerndsten Arten von Antagonisten in Spielen
und waren die ursprünglichste Form von NPCs (zum Beispiel die Aliens aus Space Invaders).18
„Enemies can, in many ways, be defined as the minor, nonenvironmental obstacles, faced by players as they move through a game.”19
Abb. 05 - Resident Evil Zombies
Das Ziel von Feinden in einem Spiel ist es, den PC zu zerstören, sie haben aber normalerweise weder die strategische Stärke noch die Intelligenz, um unüberwindbar für die SpielerIn zu sein, sprich
sie sind gefährlich, aber nicht zu gefährlich.20 Als Konsequenz ihrer mangelnden Menschlichkeit
18
19
20
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 241.
Kelman, Nic (2005): ebd. S. 207.
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 242.
.16
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(siehe Kapitel 3), haben sie oft nicht die Intention, überhaupt intelligent zu wirken; Feinde sind die
Handlanger des Spieluniversums, beabsichtigt als ein Test der Skills des PCs, aber nicht zwingend
stark mit der narrativen Geschichte des Games verknüpft.21 Somit ergibt sich mit Feinden auch
meistens kein tiefgehender Dialog.
Rivale: Rivalen sind definiert als GegnerInnen in Sport-Spielen, wie FIFA 2009, oder sportähnlichen Spielen, wie Mortal Kombat. Diese NPCs haben normalerweise Skills die ungefähr denen des
PCs entsprechen und ihre Fähigkeiten sind außerdem auf die diversen Schwierigkeits-Level abgestimmt, um unterschiedlich starken SpielerInnen eine angemessene Challenge zu bieten.
Ihr Ziel ist es, den Wettkampf zu gewinnen. Ein interessanter Aspekt der Rivalen-NPCs ist, dass sie
oft in diversen Multiplayer-Modi auch als Player-Characters verwendet werden können.22
Abb. 06 - Vega
Boss Monster: Boss Monster sind, im Gegensatz zu den Standard-Feinden, eine Form von sehr
starken GegnerInnen, die in den meisten Fällen ein wenig mehr Stärke besitzen als der PlayerCharacter und die durch Ausdauer und Cleverness besiegt werden müssen. Sie bilden das größte
Hindernis am Ende eines Levels. „ (…) just as in ‘The Odyssey’, the protagonist must defeat the
nemesis at the end of each level, or chapter, before the narrative can continue.”23
21
22
23
vgl. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 213.
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 244.
Kelman, Nic (2005): ebd. S. 228.
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Ein Boss Monster besitzt eine starke soziale Dominanz, der Kampf mit ihm oder ihr ist etwas, was
den Protagonist persönlich anspricht, ihn dadurch aber auch in seiner eigenen Entwicklung stärker
weiterbringt als die Auseinandersetzung mit Massen von Feinden oder Hindernissen.
Abb. 07 - Golem
Erzfeind: Erzfeinde werden teilweise in Kategorisierungen von Rollen in Games zu den Boss Monstern gezählt, obwohl sie sich von ihnen in mehreren Punkten stark unterscheiden. Ein Erzfeind
besitzt im Spieluniversum eine weit größere soziale und physische Macht als der PC, was den Sieg
des Protagonisten über ihn, zu einer bedeutsamen Errungenschaft für die SpielerIn macht. „In
classical narrative, the nemesis is the single living creature that embodies and presents the greatest obstacle to the protagonist.”24
Erzfeinde haben im Grunde ein weltveränderndes, oft „böses“ Ziel, das den Protagonist zu seiner
Reise überhaupt erst motiviert, und wegen dem er loszieht, um es zu verhindern. Im Verlauf des
Spiels richtet sich somit der Zorn des Erzfeindes auf den Player-Character. Zunächst kämpft der
Erzfeind nicht selbst; meist schickt er Massen von Hindernissen, Feinden und Boss Monstern los,
um den Protagonist aufzuhalten und taucht eventuell nur in Cutscenes auf, die den Antagonismus
zwischen den beiden aufdecken und klarer werden lassen. Die SpielerIn erfährt somit nach und
nach mehr über ihren Erzfeind, dem sie am Ende des Spiels letztendlich gegenüber treten muss.
„The dynamic between the two characters defines what face the conflicts between them will wear,
what tone the story has, and even who the viewer or reader initially roots for.”25
24
25
Kelman, Nic (2005): ebd. S. 227.
Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): World of Darkness: Antagonists. White Wolf: Stone
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Bezogen auf das Gameplay ist die eigentliche Aufgabe der Erzfeind-Rolle die Motivation der SpielerIn anzufachen. Isbister schreibt hierzu in ihrem Buch, dass die Einbettung von mehreren Spuren
des Erzfeindes während des Spiels (zum Beispiel Beleidigungen, die von Feinden überbracht werden, oder Hindernisse, die klar auf den Erzfeind hinweisen), die Emotionen der SpielerIn erhöhen
und den letztendlichen Sieg befriedigender wirken lassen können.26
2.1.2 Archetypen
Der Psychologe Carl Gustav Jung begründete mit seinen Thesen zu den Archetypen und zum kollektiven Unbewussten nicht nur einen wichtigen Aspekt der Analytischen Psychologie, sondern
auch eine Orientierungshilfe für die DesignerInnen moderner Game-Characters.
„Das kollektive Unbewusste ist ein Teil der Psyche, der von einem persönlichen
Unbewussten dadurch negativ unterschieden werden kann, dass er seine Existenz nicht persönlicher Erfahrung verdankt und daher keine persönliche Erwerbung ist. Während das persönliche Unbewusste wesentlich aus Inhalten besteht, die zu einer Zeit
bewusst waren, aus dem Bewusstsein jedoch entschwunden sind, indem sie entweder vergessen oder
verdrängt wurden, waren die Inhalte des kollektiven Unbewussten nie im Bewusstsein und wurden somit nie individuell erworben, sondern verdanken ihr Dasein ausschließlich der Vererbung.“27
Der Archetypus, der stark mit der Idee des kollektiven Unbewussten verbunden ist, ist das Vorhandensein von gewissen Formen in der Psyche, die allgegenwärtig, bzw. unabhängig von Kultur,
Vergangenheit oder ethnischen Merkmalen überall verbreitet sind. Jungs These dazu lautet wie
folgt: „Im Unterschied zur persönlichen Natur der bewussten Psyche gibt es ein zweites psychisches System, von kollektivem, nicht-persönlichem Charakter. (…) Es besteht aus präexistenten
Formen, Archetypen. (…)“28 Er definiert also Grundpersönlichkeiten oder Grundmuster, denen sich
alle Menschen zuordnen lassen. Jung bezog dieses Konzept nicht nur auf Verhalten oder Charakterzüge, sondern auch auf Erzähltraditionen, religiöse Mythen und Legenden.29 Jeder Archetyp
füllt eine bestimmte Rolle aus, welche sich durch seinen Nexus zur HeldIn (Protagonisten) der
Geschichte definiert. Archetypen können bei der Gestaltung von Charakteren als sehr gute Basis
dienen, da sie sich zu einem auf unsere mythologische Vergangenheit beziehen und uns als ewiger Teil unseres kollektiven Unbewussten bereits als Rollentypen bekannt sind. Es gibt laut Jung
so viele Archetypen, als es typische Situationen im Leben gibt.30 In Hinsicht auf die Gestaltung
Mountain. S. 14.
26
vgl. Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 246.
27
Jung, Carl Gustav (2001): Archetypen. Dtv: München. S. 45.
28
Jung, Carl Gustav (2001): ebd. S. 46.
29
vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 18.
30
vgl. Jung, Carl Gustav (2001): ebd. S. 51.
.19
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von überzeugenden Antagonisten in Games sind besonders drei Arten von definierten Archetypen
interessant: Der Schwellenwächter, Das Wechselwesen und Der Schatten. Die Bezeichnungen der
Archetypen sind wie Eigennamen zu verstehen, und können selbstverständlich sowohl von weiblichen als auch männlichen Charakteren ausgefüllt werden.
Der Schwellenwächter: Der Wächter der Schwelle ist eine HüterIn, die einen Bereich gegen Unbefugte verteidigt. Er oder sie ist ein Wesen, dem man sich stellen, oder als Verbündeten gewinnen
kann. „An ihm entscheidet sich, ob die Figur soviel gelernt hat, dass sie würdig ist, voranzuschreiten. Hat der Held einen solchen Schwellenwächter überwunden, dann hat er üblicherweise etwas
dazugelernt.“31 Sofort fällt natürlich die Parallele zu der, im vorherigen Kapitel beschriebenen Rolle
des Boss Monsters auf. „Dazu gehören beispielsweise Torwärter, die dem Held in den Weg treten
und seine Entschlossenheit auf die Probe stellen.“32
Das Wechselwesen: Dieser Archetyp ist auch bekannt als Gestaltenwandler und wie der Name
schon sagt, besteht seine oder ihre auffälligste Eigenschaft darin, sich vom Blickwinkel
der HeldIn aus gesehen, ständig zu verändern zu scheinen. Ein Wechselwesen kann eine andere Erscheinung annehmen oder einfach seine Launen von einem Augenblick auf den nächsten
ändern. Dieser Archetyp beruht auf Carl Gustav Jungs Konzept von Anima und Animus, mit dem
er den femininen Teil im männlichen Unbewussten und den maskulinen Teil im weiblichen Unbewussten bezeichnet.33 Auf dem Konzept des Wechselwesens beruht der hervorragend ausgearbeitete Antagonisten-Charakter der Edea aus Final Fantasy VIII.
Abb. 08 - Edea
31
Bogun, Anatol (2004): RALPH. Handbuch zur Story- und Charakterenentwicklung mit einem Leitfaden für die Umsetzung als Animation. Diplomarbeit, Fachhochschule/Dornbirn. S. 87.
32
Patmore, Chris (2006): ebd. S. 56.
33
vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 80.
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Sie ist für den Haupthelden Squall in vieler Hinsicht von archetypischer Bedeutung; So bildet sie
beispielsweise für ihn die Projektion eines Mutter-Archetypus, aber auch die des Wechselwesens
in Form einer wunderschönen Femme Fatale, die im Verlauf des Spiels ihre Loyalitäten und die
Relation zum Protagonisten mehrmals neu orientiert.
Für die CharacterdesignerIn ist dieses Konzept ein wirkungsvolles Hilfsmittel, um Konflikte zwischen Figuren zu entwickeln.34
Abb. 09 - Allessa/God
Der Schatten: Dieser Archetyp tritt nach Jung in Träumen, Mythen und Erzählungen meist als eine,
dem Protagonisten negativ gesinnte Person auf. Er bildet das Gegenstück zum Archetyp der Persona, und steht für die sozial unterwünschten und daher unterdrückten Züge der Persönlichkeit.
Hierbei lassen sich auch Parallelen zum Freud‘schen Begriff des Es ziehen. Im übertragenden Sinne ist in Videospielen die Verkörperung des Schattens durch die Rolle des Erzfeindes besetzt, an
dessen Konfrontation der Protagonist am stärksten wächst.35 Eine typische, gut funktionierende
Verkörperung dieses Archetypus ist Alessa aus Silent Hill 3. Sie tritt am Ende des Spiels gegen
die Protagonistin Heather in Form eines Gottes an und schlüpft somit in die Rolle des Erzfeindes.
Jedoch ist die Relation der beiden Frauen noch viel tiefgehender: Der Gott Alessa ist ein Teil von
Heather, ein Resultat ihres Hasses und ihrer Angst, der aus ihrem eigenen Körper geboren wird.
Alessa ist damit ein archetypischer Schatten: Sie ist ein verdrängter negativer Teil des Ichs aus der
Vergangenheit, der zunächst negiert und auf Personen und Objekte außerhalb des eigenen Ichs
projiziert wird. Durch die Auseinandersetzung Heathers mit ihrem eigenen Schatten, seine Integration in die Gesamtpersönlichkeit, konnte sie Alessa besiegen. Nach Jung zählt dieser Vorgang zu
den zentralen Aufgaben des menschlichen Reifeprozesses und stellt einen unabdingbaren Schritt
auf dem Weg zur Ganzwerdung dar, was im Grunde einen typischen Spielverlauf, bzw. eine HeldInnenreise, beschreibt.
„The thing that is scariest is the recognition of the villain in each of us.“36
34
35
36
vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 80.
vgl. Patmore, Chris (2006): ebd. S. 92.
vgl. Hooks, Ed (2000): ebd. S. 59.
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Das Konzept der Archetypen von Jung muss bei dem Design von Charakteren nicht zwingend immer nur von einer Rolle ausgefüllt werden. Verschiedene Archetypen können sich in einer Rolle
manifestieren, bzw. eine Rolle kann mehrere Archetypen beinhalten. So kann beispielsweise der
Erzfeind zunächst in Form eines Wechselwesens ins Leben der HeldIn treten und sich später zum
Schatten heraus formen.
2.2 Verhältnis von Antagonist und Protagonist
Die Rolle eines Antagonisten in einem Buch, Film oder natürlich auch Videospiel ist es, den benötigten Konflikt zu liefern, entweder dadurch, dass er dem Held oder der Heldin die Möglichkeit
gibt, in seiner oder ihrer Rolle richtig aufzugehen und zu erstrahlen, oder indem er dem Plot die
nötige Tiefe und Erweiterung leiht. Der Protagonist erblüht in der Not und der Antagonist liefert
diese Not. Woher kommt der Antagonist? Was ist ihre oder seine Beziehung zur HeldIn? Die Dynamik zwischen den beiden Charakteren definiert die Art von Konflikt in der die beiden zueinander stehen, die Energie der Geschichte und deren Schattierungen und natürlich, wen die LeserIn,
ZuschauerIn oder SpielerIn zunächst anfeuert, auf wessen Seite sie steht. Der Bezug zwischen
Antagonist und Protagonist mag der, einer freundschaftlichen Rivalität sein, oder der, einer Erzfeindschaft. Vielleicht war der Antagonist ein Kindheitsfreund des Helden oder der Heldin, oder
ihre/seine erste Liebe, und irgendetwas zerstörte diese Verbindung und dieses Ereignis kann automatisch zum Bestandteil und Fixpunkt der Geschichte werden. Vielleicht kämpften die Charaktere zunächst in einem professionellen oder politischen Umfeld und einer der beiden transferierte
diesen Konflikt auf eine persönliche, feindschaftliche Ebene. Vielleicht trafen sie sich nie von Angesicht zu Angesicht. Einer von beiden, oder beide können sich hinter einer großen Organisation,
oder religiösen Gemeinschaft verbergen und andere als Schachfiguren für ihre Schlacht benutzen.
Die HeldIn ist sich vielleicht nicht einmal der Tatsache bewusst, dass sie den Unmut ihrer GegnerIn
weckte (oder vice versa) und kann mit ihrem alltäglichen Leben so lange fortfahren, bis sich ihr
ungekannter, potenziell tödlicher Feind ihr offenbart.37
Während manche Filme, Bücher oder Videogames eine klare Linie zwischen der HeldIn und dem
Bösewicht schildern, stellen sich doch viele Konflikte nicht so hundertprozentig schwarz/weiß dar.
In manchen Fällen ist die HeldIn alles andere als heroisch, die Motivation des Bösewichts nicht
vollkommen böse und die Charakterzüge, die die beiden voneinander unterscheiden, verschwimmen ineinander. Oft scheint es sogar so, als wären Protagonist und Antagonist zwei Seiten einer
Medaille. Sie können ähnliche Vergangenheiten, Eigenschaften und Hintergründe teilen, und ihre
Art, an Dinge heranzugehen kann sich gleichen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handeln beide nach
ihrem eigenen besten Ermessen, oder für das Wohl ihrer Freunde oder Familien. Beide wollen ihre
eigenen Ziele und Ideale verwirklichen, entweder um erfolgreich zu sein auf ihrem Karriereweg,
oder um die zu beschützen, die sie lieben. Dennoch, trotz dieser Gemeinsamkeiten, ist einer von
ihnen der ‚Gute‘ und einer der ‚Böse‘.
37
vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 14.
.22
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Manchmal liefert die Motivation für die Taten eines Charakters den einzigen Unterschiedsfaktor
zwischen Antagonist und Protagonist. Was bewegt sie oder ihn zu handeln? Die gerechte KillerIn
und die MassenmörderIn töten beide ohne jede Art von legalem Recht; aber während die eine
durch ein Gerechtigkeitsgefühl motiviert wird, handelt die andere durch ihre eigenen, verdorbenen, gewalttätigen Triebe.
Abb. 10 - Vergil
Die archetypische „über dem Gesetz stehende“ HeldIn besitzt die Sympathien der ZuschauerInnen, LeserInnen oder SpielerInnen, aber keine solche Sympathie wird für den Antagonisten aufgebracht, sogar wenn der Protagonist der Verursacher von mehr Toden ist, als der wirkliche Bösewicht. Die OrdnungshüterIn wird als heroisch angesehen, da sie diejenigen bekämpft, die in ihren
Augen falsch handeln, auch wenn ihre Taten genauso grausam sind, wie die der MöderIn.
Selbstverständlich sind nicht alle Antagonisten Wahnsinnige oder MörderInnen. Manche würden
nicht einmal, vom Standpunkt vieler aus, als Bösewichte angesehen werden, wie zum Beispiel
jene, die im Namen Gottes oder eines bestimmten Landes Gewalttaten verüben. Sie erfahren natürlich Unterstützung von Angehörigen ihrer Nationalität oder ihres Glaubens (siehe auch Kapitel
1.2.1, Fokus auf die SpielerIn). In einem solchen Fall kann der Antagonist die Beweggründe oder
Taten der HeldIn als Gefahr und Bedrohung für etwas sehen, dass ihm selbst wichtig ist, beispielsweise ein System von Glauben und Moral. Der Antagonist kann die Rolle spielen, andere auf das
Verhalten oder die Taten des Protagonisten, bzw. der HeldIn hinzuweisen; Wenn dieses Verhalten
oder die Taten den sozial-akzeptierten Verhaltenscode verletzen, kann sich die HeldIn plötzlich
selbst in der Rolle des Antagonisten finden. Jetzt muss die HeldIn nicht nur eine andere Person
bekämpfen, sondern deren Gefolgsleute und wird plötzlich verfolgt und verleumdet für das Ent-
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gegensetzen von Gesetzen oder Glaubensgrundsätzen, die vielleicht schädlich und mangelhaft
erscheinen mögen, aber die vom Rest der Gesellschaft akzeptiert und verteidigt werden. Wer ist
nun der Bösewicht?
Die GegnerIn bekämpft den Protagonist, weil er für sie die wahre Gefahr darstellt.38
Jeder Antagonist muss unter Beachtung des Protagonisten gestaltet werden, oder umgekehrt. Wie
reagiert die HeldIn auf die Taten des Antagonisten? In welchen Bereichen sind sie sich einig, in welchen widersprechen sie sich? Wie kann die HeldIn ihren Opponenten besiegen, ist es überhaupt
nötig, dass sie ihn besiegt und übertrumpft und was wird passieren, wenn dies der HeldIn gelingt?
Die Festlegung der Natur des Konflikts ist essenziell: Ist es ein einfacher Krieg zwischen Gut und
Böse, Richtig gegen Falsch, oder ist die Feindschaft zwischen den beiden Charakteren tiefer verankert, gestaltet sie sich auf vielen verschiedenen Ebenen und Nuancen? Wird der finale Triumpf
der HeldIn Ruhm und Ehre bringen, oder Schande und Ehrlosigkeit? Und, die vielleicht wichtigste
Frage, die zu klären ist: Inwiefern ändert das Lösen des Konflikts das Leben des Protagonisten, was
bewegt das Ende des Kampfes oder Krieges in ihm? Ein gut durchdachter und überzeugender Antagonist hinterlässt ein Zeichen auf der Heldin oder dem Helden. Welches Zeichen wird das sein?
In nicht abstrakten Videogames wird der Konflikt durch die Antagonisten, die GegnerInnen oder
Bösewichte, etabliert, gegen die die SpielerIn kämpfen muss, um das Spiel zu gewinnen. In RolePlay-Games und vielen Action-Adventures ist dieses Kontrahenten-System in eine Hierarchie mit
vielen Gefolgsleuten der im Hintergrund lauernden HauptgegnerIn und einigen wenigen End-Level-Bosses aufgeteilt. Dies verlangt nach einer Typologie von Antagonisten in Videospielen. Gutes
Charakterdesign verlangt jedoch mehr als eine penible Konstruktion nach etablierten, vorgegebenen Direktiven, denn die GegnerInnen in verschiedenen Videospiel-Welten haben, wenn sie
durchdacht konstituiert sind, durchaus ihre eigene Essenz, im Sinne einer Seele und ihren eigenen
Stil. Natürlich besteht von einem strikt strukturorientierten Punkt aus gesehen, kein Unterschied
zwischen Space-Aliens, Nazis oder Orks als Antagonisten.
Die Mechanismen des Spiels und die narrative Struktur könnten genau identisch sein; die Antagonisten mögen der Grund für die Spannung in einer kognitiven Wahrnehmung sein, aber sogar aus
diesem Blickwinkel ist es schwierig, zwischen der Spannung zu unterscheiden, die die Alienmutter,
der Nazi-Leutnant oder der Führer des Ork-Stamms verursacht. Dennoch ist die Story im Game
natürlich stark davon abhängig, gegen welchen Typ von Antagonisten die SpielerIn antreten muss
und von diesem Gesichtspunkt aus, gibt es überhaupt keine Ähnlichkeiten. Das Wagnis, die Reise
in eine Weltall-Kolonie anzutreten, im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen, oder sich in einer epischen
Fantasy-Welt zu behaupten, ist keinesfalls das Gleiche. Diese Arbeit soll die Strukturen und Modelle von Gestaltungsmöglichkeiten für Widersacher in Games aufzeigen, in dem Wissen, dass diese
abhängig von vielerlei Faktoren sind, wie der Realität des Spiels und dem Protagonisten, um nur
zwei zu nennen, und wie andere Normen und Muster, oft gebrochen werden müssen, um das volle
Potenzial eines Charakters auszuschöpfen.
38
vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 15.
.24
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In vielen Fällen/Spielen ist es die GegnerIn des Protagonisten, die die Kontrolle über die Situation
hat, in der sich die HeldIn/SpielerIn befindet und die es zu bekämpfen gilt, ob es sich nun um eine
böse, machtsüchtige HerrscherIn oder eine epidemische Seuche handelt. Die HeldIn ist wie eine
Maus und wird mit haushohen Katzen konfrontiert, deren wahre Identität sie oft anfangs noch gar
nicht kennt. Selten sieht man einen Protagonist mit einem ausgeklügelten Plan in die Schlacht ziehen, um seine GegnerIn zu besiegen. Jedoch erwartet die SpielerIn (trainiert und konditioniert von
SpielentwicklerInnen) selbstverständlich, dass sie entweder die Fähigkeiten, mit denen sie ihren
GegnerInnen besiegen kann, im Laufe des Spiels erlernt, oder dass sie die nötigen Waffen/Tools
dafür erhält. Diese Tatsache macht es für Character- und Game-DesignerInnen zu einer Hauptaufgabe, die Balance zwischen Kontrolle und Angst für die SpielerIn zu finden und diese durch die Aktionen und Taten der Antagonisten immer am Rande einer unterschwelligen Nervosität zu halten.
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.Visuelles Antagonistendesign
In den folgenden Kapiteln wird intensiv auf die optischen Gestaltungsmerkmale von GegnerInnencharakteren eingegangen. Zunächst wird erläutert, worauf bei den einzelnen Teilen der Gestaltung, namentlich Gesicht, Körper, Silhouette, Stimme und Bewegung, geachtet werden sollte. Darauf aufbauend, werden gestalterische Möglichkeiten vorgestellt, die auf den sozialen Rollen von
Antagonisten (siehe Kapitel 2.1.1) beruhen. Zuletzt werden fünf verschiedene Typen bzw. Arten
von Antagonisten porträtiert, analysiert und auf die wesentlichen Gestaltungsmerkmale herunter
gebrochen. Für jeden Typen gibt es diverse Beispiele aus aktuellen oder älteren Spielen, die das
Besprochene verdeutlichen. Oftmals werden im folgenden Kapitel Fragen gestellt, die als nützliche
Tools für CharacterdesignerInnen dienen, die jedoch nicht pauschal beantwortet werden können,
denn das erklärte Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nicht, eine Anleitung für perfektes Antagonistendesign zu liefern, sondern mehrere Ebenen der Gestaltung zu hinterfragen und Anregungen zu
geben.
3.1 Entwerfen eines Antagonistencharacters
„While the design of protagonists in games must always feature at least some
humanizing elements a player can identify with, and environments are often restricted
by the requirements of providing interactivity and exploration, the living inhabitants of game universes who are not heroes are often free of limitations. Consequently, they are among some of the most imaginative components of a game design.”39
Der große Spielraum für Interpretationen bewirkt, dass Kreaturen in Spielen ein bemerkenswertes Spektrum an Formen annehmen können. Wie im Kapitel 1.3 bereits veranschaulicht, gibt es
kein universelles Rezept für Characterdesign. Dies gilt natürlich auch für Antagonisten, hier muss
ebenso auf das homogene Gesamtbild der SpielerIn bei der Gestaltung geachtet werden, wie bei
jedem anderen Character. Und dennoch gibt es einige Richtlinien, die bei der optischen Stilfindung
hilfreich sein können, welche sich durch die Analyse von bisherigen erfolgreichen Spieltiteln herauskristallisieren.
Als Analysemethode dient die Betrachtung von diversen Hindernissen, Feinden, Rivalen, Boss
Monstern und Erzfeinden von verschiedenen Standpunkten aus: Aus Sicht der Rolle, die sie erfüllen, unter Beachtung des Konzepts der Archetypen, aus der Sicht des Typus/der Art des Antagonisten und durch Betrachtung des jeweiligen Genres, in dem das Spiel sich ansiedelt.
39
Kelman, Nic (2005): ebd. S. 202.
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Der erste Eindruck
Wie bei Interaktionen im täglichen Leben, ist der erste Eindruck im Spiel, der die SpielerIn von
einem Charakter erhält, ein sehr wichtiger Teil des Spielerlebnisses, der, wie andere Interaktionsmomente, soweit möglich, ins Detail durchgestaltet werden sollte. (Siehe Kapitel 1.2.3, Interaktionsmomente) Wie Kelman bereits in seinen Ausführungen zum Antagonistendesign vergegenständlicht, sind bei GegnerInnen im Spiel einige wichtige Richtlinien, die für die Gestaltung des
PCs gelten, außer acht zu lassen, wie die Regeln zur Attraktivität oder Sympathie. All dies ist nicht
wichtig für einen Antagonisten, jedoch gelten hier andere Bedingungen, die den ersten Eindruck
beeinflussen können.
Je nach Rolle der GegnerIn und natürlich je nach Spiel, um das es sich handelt, ist der erste Eindruck des Antagonisten anders zu gestalten. Jedoch sollten diese in den meisten Fällen für die
SpielerIn klar als solche erkennbar sein. Es gibt Antagonistenrollen, die im Verlauf des Spiels zunächst andere Rollen (teilweise dem Player-Character freundlich gesinnte) übernehmen und dem
Protagonisten als Verkörperung eines anderen Archetyps erscheinen können, um sich erst später
beispielsweise zum Erzfeind zu entwickeln. Jedoch sollte im Moment des Kampfes kein Zweifel für
die SpielerIn bestehen, dass diese GegnerIn ihr Böses will und nur der Sieg über sie ein Weiterkommen im Spiel ermöglicht. Ein solcher Charakter kann durch gezielten Einsatz von Interaktionsmomenten der SpielerIn bereits vor dem Kampf „suspekt“ erscheinen.
Wirkungsvolle Mittel für den ersten Eindruck sind Überraschung, Schock und Plötzlichkeit, wie das
Auftauchen von diversen Feinden bei Horror Survival Games wie Silent Hill beweist. Hier wirkt die
GegnerIn bereits beim ersten Eindruck repulsiv auf die SpielerIn. Ein Antagonist hat, im Gegensatz
zu anderen NPCs, nicht die Aufgabe, in irgendeiner Weise attraktiv auf die SpielerIn zu wirken,
jedoch ist natürlich nicht zu unterschätzen, dass sich ein schreckliches Monster auch unter einer
schönen Maske verstecken kann.
Gesicht
Wie bereits exemplifiziert, ist Attraktivität kein must-have Attribut für Antagonisten. Bezogen auf
das Gesicht gilt dies besonders, denn gerade unsere Gesichtszüge lassen unsere Menschlichkeit
erkennen. Die Schädelform des heutigen Homo Sapiens ist ein deutliches Erkennungsmerkmal
und sobald die charakteristischen Gesichtszüge verändert sind, sei es durch Verstümmelung, eine
unnatürliche oder tierähnliche Schädelform oder andere Abweichungen, wird die Figur nicht mehr
als rein menschlich angesehen, was der DesignerIn sehr dienlich sein kann. Auch die Augen sind
ein wichtiger Teil der Aufmachung, denn selbst wenn das ganze Gesicht sehr menschlich wirkt,
kann dank der hohen Realtime-Auflösungen heutzutage, nur durch die Augen ausgedrückt werden, dass diese Figur böse ist, oder dem Protagonisten Böses will. Der Mund kann ebenso ausdrucksstark sein. Zurückgezogene Lippen mit mehreren Reihen scharfen Zähnen können für einen
monsterartigen Feind sehr gut wirken, jedoch kann ein dünnes, verbittertes Lächeln einer schönen
Frau ebenso erschreckend wirken, wenn es richtig in Szene gesetzt ist. Vampire offenbaren sich
meist durch das Hervorblitzen ihrer spitzen Reißzähne. Auch Teil des Gesichts ist das Haar der Figur, es kann bei einem Antagonisten sogar zum charakteristischsten Wiedererkennungsmerkmal
werden, wie bei Sephiroth aus der Final Fantasy Reihe. Haare können als Waffe dienen, wie bei
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Medusa aus der antiken Mythologie, oder das Gesicht des Charakters verdecken und ihn oder sie
so noch geheimnisvoller oder erschreckender machen, ein beliebtes Stilmittel in japanischen Horrorgeschichten. Eine besonders aggressive Frisur und Haarfarbe können die GegnerIn als solche
für die SpielerIn erkennbar machen.
Abb. 11 - Blanka
Desweiteren kann auffälliger Kopfschmuck ein gutes Erkennungsmerkmal bilden, wie beispielsweise bei der Hexe Edea aus Final Fantasy VIII. (siehe auch Kapitel 3.1, Silhouette) Ein letzter Punkt
für die Gestaltung des Gesichts ist die Haut. Hat jemand im Gesicht eine unnatürliche Hautfarbe,
offensichtliche Hautkrankheiten oder Verletzungen, ist dies ein Zeichen von Anomalität, Übel oder
Tod und wirkt auf uns repulsiv. Diese Gestaltungsmöglichkeit wird beispielsweise bei unterschiedlichen Arten von Zombies und Untoten, oder auch Dunkelelfen benutzt.
Körper und Kleidung
Der Körperbau eines Antagonisten kann, muss aber nicht, an menschliche Vorlagen angelehnt
werden. Es gibt durchaus viele Hindernisse, Feinde und andere Antagonisten, die nicht im Geringsten an einen Menschen erinnern, so wie die Piranha Plant aus Super Mario Reihe. Der Körper
eines Antagonisten kann filigran und zerbrechlich oder plump und muskelbepackt gestaltet sein
– wichtig ist hierbei nur, dass sich dieser in Farb- oder Formensprache vom Körper des PCs unterscheidet. Der SpielerIn muss klar sein: Das ist mein Antagonist, den ich zu bekämpfen habe.
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Körper zu gestalten, jedoch soll als besonders wirksame Methode die der „fremden Formen“ angeführt werden. Als Paradebeispiel hierfür sind die Körperformen aus der Silent Hill Reihe zu nennen, die hervorragend mit der Furcht des Menschen vor dem,
uns Unähnlichen, bzw. uns fremd Erscheinenden, spielen. Körperbautypen wie die von Spinnen,
Schlangen, Insekten oder Fledermäusen lösen im Menschen der westlichen Zivilisation ein Gefühl
von Unnatürlichkeit und oft auch Ekel aus und diese Tatsache bietet die Grundlage für eine große
Spannweite an Gestaltungsmöglichkeiten für Antagonisten.
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Abb. 12 - Splitworm
Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Körper der GegnerIn oft auch auf die Art der Attacke schließen
lässt, jedoch ist dies kein Muss, wenn ihre Stärke, bzw. Schwäche auf andere Art deutlich gemacht
wird.
Ein wichtiger Teil des Körpers ist auch die Kleidung und auch bei ihr gibt es mannigfaltige Möglichkeiten der Gestaltung. Kleidung kann Zugehörigkeit zu einer Klasse oder einer bestimmten Gruppe
von GegnerInnen ausdrücken, oder den Grad der Schwierigkeit. Jedoch müssen besonders schwere GegnerInnen, wie Boss Monster, nicht zwingend stark gepanzert sein, um ihre Macht auszudrücken. Gerade die Archetypen des Schwellenwächters oder des Wechselwesens werden gerne
als schöne, verführerische Frauen dargestellt. (Siehe Kapitel 2.1.2, Archetypen) Sie diese können
trotz recht knapper Bekleidung eine große Herausforderung für den Protagonisten sein. Auch für
Antagonistendesign gilt die bekannte Regel „Sex Sells!“.
Silhouette
„Bei der Auseinandersetzung mit den Aspekten der Charakterentwicklung in
Bezug auf das Charakterdesign, zeigte sich, dass insbesondere für die Thematik der
Persönlichkeitsentwicklung einer Spielfigur die Silhouette als Informationsquelle
fungieren kann. (…) Körperhaltungen stellen insofern Posen dar, die Informationen
über die Persönlichkeit eines Charakters gespeichert haben. Kann die ‚Aussage‘ dieser Posen schon anhand der Silhouette des Charakters eindeutig interpretiert werden, so
wird dem Spielenden es erleichtert, die Spielfigur als ‚real‘ und glaubwürdig zu akzeptieren.“40
Maier behandelt in seiner Diplomarbeit ausführlich den Gegenstand der Silhouetten und erläutert, dass diese für die SpielerIn eine essenzielle Rolle beim Zurechtfinden in der Spielwelt tragen.
40
Maier, Stephan (2009): ebd. S. 66.
.29
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Diese Erkenntnis weitet sich natürlich auch auf die Gestaltung von Antagonisten aus, die von der
SpielerIn nicht nur gut erkannt werden, sondern auch durch einzigartige Charakteristika eine individuelle Silhouette erhalten sollten.
Bewegung
Eng verbunden mit der Gestaltung des Körpers und der Silhouette, ist auch das Bewegungsdesign
des Antagonisten. Generell ist die Bewegung im Game Aufgabe der AnimatorInnen, jedoch fällt ihnen ihre Arbeit leichter, wenn die CharacterdesignerIn auch dazu präzise Angaben macht. Gerade
bei Fantasiefiguren mit drei oder mehr Beinen ist der Bewegungsablauf nicht immer sofort logisch
ersichtlich, weswegen die ErfinderIn des Charakters sich zur Art und Weise der Bewegung einige
Überlegungen machen sollte. „A character’s body language is going to transmit a more powerful
message than his dialogue. “41
Hooks verdeutlicht, dass interne Impulse, sprich das Denken, extern durch den Körper, also durch
Bewegung ausgedrückt werden. Die physische Bewegung eines Characters sollte immer eine Spiegelung dessen, oder bzw. eine Reaktion auf das sein, was auch immer physisch oder psychisch in
ihm vorgeht.42 Oft ist die Bewegung von Rivalen oder Feinden nur in der Attacke aktiv erkennbar,
jedoch offenbaren sie der SpielerIn Rückschlüsse auf die Stärke, bzw. Schwäche, die Art der Attacke und die Schnelligkeit/Langsamkeit. Eine GegnerIn, die sich in sehr hoher Geschwindigkeit und
sehr hektisch bewegt, hat im Angriff höchstwahrscheinlich weniger physische Kraft.
Stimme
Obwohl die Stimme und das Sounddesign eines Charakters nicht zum visuellen Teil der Gestaltung
gehören, sollten auch diese Elemente als Teil des Characterdesigns erwähnt werden, denn auch
darüber muss sich eine DesignerIn bei der Gestaltung von Figuren Gedanken machen. Der Sound
ist in Spielen allgemein ein sehr wichtiges Element, welches das Gameplay-Erlebnis sehr positiv
verstärkt, jedoch auch die SpielerIn durch unpassende Musik oder Sounds abschrecken kann.
Der Sound, den ein Antagonist macht, sollte mit dem visuellen Äußeren ein homogenes Bild schaffen. Die richtigen SynchronsprecherInnen auszuwählen, ist eine wichtige Aufgabe der Audio-SupervisorIn. Wenn die Stimme passend zum Charakter eingearbeitet wurde, wirkt sie als Verstärker der optischen Elemente. So kann ein helles Kinderlachen in der richtigen Situation ebenso
erschreckend sein, wie das tiefe Grollen eines Orks.
3.2 Rollenbezogenes Design
Neben den konzeptionellen Charakteristika, die eine Figur erfüllen muss, um eine bestimmte soziale Rolle im Spiel einzunehmen (siehe Kapitel 2.1.1), können auch einige Aussagen getroffen
werden, die allgemein gültig für das visuelle Erscheinungsbild solcher Rollen sind.
41
42
Hooks, Ed (2000): ebd. S. 61.
vgl. Hooks, Ed (2000): ebd. S. 64.
.30
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Feinde beispielsweise, sind bekannt dafür, in Schüben, größeren Anzahlen und in speziesbezogenen Zugehörigkeiten gesammelt auf den PC zuzukommen. Die CharacterdesignerIn hat sich die
Frage zu stellen: Was zeichnet einen Organismus aus, der ein überzeugender und plausibler Teil
einer Gruppe von GegnerInnen ist und nicht einer anderen Gruppe, oder ein einzigartiges Lebewesen?
Die physischen Charakteristika von Feinden weisen oft außerdem auf den Schwierigkeitsgrad hin,
das heißt, es gibt in dieser Hinsicht Einflüsse auf visuelle Konstitutionen. Wenn eine bestimmte
Spezies von Feinden stärker und schwieriger zu besiegen ist als eine andere, sollte sie auch optisch
stärker dargestellt werden, durch Rüstungen, erhöhte Geschwindigkeit, oder andere Features wie
Flügel oder zusätzliche Beine. Desweiteres entwickeln sich Feinde innerhalb des Spielverlaufes
oft weiter, sie divergieren in Sub-Spezies, die sich optisch leicht voneinander unterscheiden, aber
trotzdem noch als verwandt identifiziert werden können.43
Es ist auch zu beobachten, dass Feinde in den seltensten Fällen wirklich menschlich sind – und
wenn sie es sind, werden ihre Gesichter von Visieren, Helmen oder anderen Kopfbedeckungen
versteckt, um ihnen die Menschlichkeit zu nehmen.
Abb. 13 - Soldier
Hindernisse sind ihrerseits immer abhängig von dem Environment, in dem sie sich befinden. In
einem Fantasy-basierten Spiel würde ein Hindernis eher durch einen Troll, der unter einer Brücke
haust und dem Protagonisten drei Fragen stellt, dargestellt, während in einem Science-Fiction Actiongame das selbe Hindernis mit dem gleichen Zweck eher durch ein Schloss mit futuristischem
Zahlencode ausgefüllt werden würde.
43
vgl. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 207.
.31
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Im Gegensatz zu den Feinden ist das Boss Monster, wie im konzeptionellen Teil, auch optisch eine
einzigartige, einsame Kreatur, die das größte Hindernis am Ende eines Levels verkörpert. Es muss
also individuell konzipiert werden, sich jedoch genau wie alle anderen Antagonisten in sein Environment eingliedern und ein homogenes Ganzes mit anderen Elementen im Spiel bilden. Gerade
die Boss Monster können von Spiel zu Spiel stark in ihrer visuellen Gestaltung variieren, sodass
es schwer ist, allgemein gültige Aussagen für das Design solcher Antagonisten zu treffen. Bei der
Gestaltung ist jedoch zu beachten, dass zwei Dinge für die SpielerIn während des Kampfes deutlich
zu erkennen sind: Welche Art von Attacke das Boss Monster anwendet und gleichsam auch dessen
Achillesferse, also die Möglichkeit, es zu besiegen.44
Die Rolle des Erzfeindes in einem Spiel ist am wenigsten mit allgemeinen Visual-Design Regeln zu
besetzen. Oft ergibt sich der Erzfeind aus dem Sinn der Narration, denn er ist der Grund, wegen
dem sich die HeldIn auf ihre Reise begibt. Seine Form kann durch die Betrachtung der Relation
zum Protagonist am besten gefunden werden. In manchen Fällen entsteht überhaupt zuerst der
Haupt-Antagonist, um den herum dann die Geschichte und die anderen Charaktere aufgebaut
werden.
Um für eine SpielerIn ein optimales Spielerlebnis zu generieren, sollten diese wenigen Grundregeln der rollenbezogenen Gestaltung beachtet werden.
3.3 Typenbezogenes Design
Ebenso wie in Rollen können Antagonisten auch in Typen klassifiziert werden, deren Termini
im Verlauf dieser Arbeit bereits benutzt wurden, da sie umgangssprachlich bekannt sind. Diese
Typen-Einteilungen umfassen grob die Arten von Antagonisten, die in Spielen nachweislich oft
vorkommen und beliebt sind. Diese Gruppierungen sind jedoch keinesfalls als vollständig oder
universell anzusehen, denn täglich werden neue Antagonisten geschaffen, die teilweise in den
Zwischenräumen dieser Typen, oder auch in ganz neuen Klassifizierungen einzuteilen sind. Das
folgende Kapitel umfasst die vier Typen Geister und Untote, Monster und Bestien, Menschliche
GegnerInnen und Andere. Belegt und exemplifiziert werden diese Typen durch Beispiele aus verschiedensten Games, weswegen auch die hervorgehobenen Charaktere sich stark voneinander
unterscheiden.
Viele Typen lassen sich zurückführen auf antike Mythologie aus Ägypten, Griechenland oder Indien, keltische Sagen, germanische Legenden, religiöse Überlieferungen und europäische Märchen.
Dieselben Charaktertypen tauchen im Lauf der Geschichte in den Erzählungen verschiedenster
Völker und Kulturen auf.45 Deshalb bieten diese von Generationen immer weiter entwickelten Figuren eine große Inspiration für das heutige Antagonistendesign, und viele GegnerInnen aus Videospielen sind visuell angelehnt an solche Erzählungen.
44
vgl. Kelman, Nic (2005): ebd. S. 237.
45
vgl. Cowan, Finlay (2004): Intensivkurs Fantasy-Figuren zeichnen und malen: Von der Idee zur
fertigen Szene. Knaur: München. S. 6.
.32
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3.3.1 Geister und Untote
Geister und Untote sind durchaus recht bekannt, durch Verfilmungen, Bücher und auch zahlreiche
Spiele, die diese Figuren als zentrales Motiv benutzen.
Dieser Typ teilt sich in mehrere Unterklassifikationen auf: Zombies beispielsweise, sind geistlose
Leichen, die normalerweise auferweckt wurden, um einem stärkeren Meister zu dienen. Auch Viren, Krankheiten oder Verseuchungen können Zombies hervorrufen, deren einziger Lebensinhalt
es ist, zu fressen.
Abb. 14 - Zombie
Zombies sind sehr beliebt als Feinde in Videospielen, wie z. B. in Dead Rising, Left4Dead oder Resident Evil. Inspiriert von haitianischen Voodoo-Kulten und frühen Filmen mit dieser Materie, sind
auch die äußeren Gestaltungsmerkmale oft an diese Vorlagen angelehnt.
Eine weitere große Klasse bilden die Vampire, deren Ursprung auf Aberglauben im osteuropäischen
Raum zurückgeht. Vampir sind meist intelligenter als andere untote Antagonisten und haben eine
feiner nuancierte, soziale Struktur untereinander. Sie können visuell als grausame Monster, aber
auch als wunderschöne Wesen ewiger Jugend dargestellt werden, wie zum Beispiel der Vampir
Alucard aus der Castlevania Reihe. Vampire eignen sich sehr gut für die Rolle des Erzfeindes.
Eine weitere Klassifizierung bilden die Wiedergänger, umgangssprachlich als Gespenster oder
Geister bekannt, die sich ihrerseits wieder in vielfache Unterklassifizierungen aufteilen.
Auftreten können Wiedergänger in Spielen auf viele Arten, wie zum Beispiel das junge Mädchen
Alma Wade aus der F.E.A.R. Reihe, die, längst verstorben, als Geist Rache nimmt. Ein beliebtes
.33
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Motiv wurde, um ein stark kontrastierendes Beispiel zu nennen, auch in den Buu-Huu Geistern aus
Super Mario Bros. 3 verarbeitet, die sich nur bewegen, sobald der PC ihnen den Rücken zukehrt.
Abb. 15 - Buu-Huu
3.3.2 Monster und Bestien
Dieser Typ ist der, von allen am wenigsten visuell definierbar, da ein Monster oder eine Bestie in
den verschiedensten Formen auftreten kann. Gerade bei diesem Typ finden sich oft mythologischinspirierte Darstellungen, beispielsweise durch Wesen wie den Minotaurus oder Behemoth, der in
der Bibel als übergroßer Elefant beschrieben wird.46
Unterklassifizierungen bilden beispielsweise Aliens, Werwölfe, Drachen und viele andere. Die Beliebtheit von Monstern zieht sich durch alle Genres von Spielen und sie begründet sich durch die
bereits in Kapitel 3.1.3 beschriebene Furcht vor dem Unbekannten.47 In American McGee’s Alice
unternimmt das junge Mädchen eine Reise in ein verdorbenes
Wunderland, das von einem besonderen Monster,
The Red Queen, regiert wird. Dieses Monster fügt sich
perfekt in die Formensprache des Spiels ein und ist ein
gutes Beispiel für ein literarisch inspiriertes Monster,
in diesem Falle einer Figur aus Lewis Carrolls Alice
behind the Looking Glass. Ein anderes Monster ist
Pyramid Head, der in der Silent Hill Reihe mehrmals
auftaucht. Als einer der beliebtesten Antagonisten
aller Zeiten, ist er ein hervorragendes Beispiel für
gutes Monsterdesign: An Menschlichkeit
erinnernde Merkmale verbinden sich hier mit dem
verstörenden Einsatz eines Fremdkörpers,
namentlich eines Pyramidenkopfes.
46
47
Abb. 16 - Pyramid Head
vgl. Hiob 40,15
vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 108.
.34
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Dazu völlig kontrastierende Monster sind beispielsweise der Purpur-Tentakel aus Maniac Mansion, oder der berühmte Bowser aus der Super Mario Reihe. Beide Monster funktionieren sehr gut
innerhalb ihres Spieluniversums.
Monster und Bestien können sich auch zu Gruppen zusammen schließen, wie es oft bei Science
Fiction Spielen mit Alien-Antagonisten der Fall ist, oder wie in den vorigen Beispielen als EinzelgängerInnen unterwegs sein.48
Cowan nennt in seinen Ausführungen über Fantasy-Monster noch expressis verbis die Klassifizierung der Mega Monster, die das Format von Häusern, Bergen, Inseln oder sogar Planeten haben
können.49 „Letztlich gewinnen diese Monster aber ihre Wirkung durch die Umgebung, in der sie
platziert werden. Der Zeichner muss genau überlegen, womit er sein Ungeheuer umgibt, um dessen extreme Größe zur Geltung zu bringen.“50
3.3.3 Menschliche GegnerInnen
Antagonisten müssen nicht grundsätzlich nicht-menschlich sein. Auch Menschen, oder gerade sie,
haben ihre Schattenseiten und diese in Interaktion mit dem Protagonisten herauszuarbeiten, kann
die Grundlage für einen hervorragenden Antagonisten bilden. „Humans are evolved animals, long
since grown into the ethos of using attack as the best defense. “51
Menschliche GegnerInnen können im Spiel durchaus übermenschliche Fähigkeiten haben, um
dem PC ebenbürtig oder überlegen zu sein; Bestes Beispiel hierfür ist Psycho Mantis aus Metal
Gear Solid, einer der berühmtesten menschlichen Antagonisten, dessen psychokinetische Fähigkeiten tausende von SpielerInnen faszinieren. Psycho Mantis ist trotz seiner menschlichen Abstammung eine unnatürliche Erscheinung, denn er kann sich unsichtbar machen, fliegen und trägt
außerdem eine Maske, die sein menschliches Gesicht verdeckt. Auch der Kämpfer M. Bison aus
der Street Fighter Reihe lässt sich hierzu klassifizieren, er ist sowohl physisch als auch psychisch
ein übermächtiger Rivale. Durch sein militärisches Äußeres wirkt er wie ein menschlicher Offizier,
doch im Kampf beweist er übermenschliche Fähigkeiten.
Die zweite Unterklassifizierung wird von menschlichen GegnerInnen, die keine übermenschlichen
Fähigkeiten besitzen, gebildet. Ihr Antagonismus wird demnach aus sehr menschlichen Umständen, wie Sucht nach Macht, Geldgier, Geltungsdrang oder Eifersucht gebildet. Vladimir Lem aus
Max Payne ist ein solcher Charakter, der zunächst sogar Max hilft, aber ultimativ zum Erzfeind
wird. Um einen Menschen überzeugend böse wirken zu lassen, braucht er oder sie oft tiefgehendere Beweggründe, als sie ein Monster oder ein Vampir braucht, deren Motivation einfach in der
Nahrungsaufnahme bestehen kann.
48
49
50
51
vgl. Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 111.
vgl. Cowan, Finlay (2004): ebd. S. 60.
vgl. Cowan, Finlay (2004): ebd. S. 60.
Collins, Pamela/ McFarland, Jonathan (2004): ebd. S. 46.
.35
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Oft erlebt ein Mensch, der die Rolle eines Antagonisten besetzt, in der Vergangenheit oder im
Verlauf des Spiels etwas, das ihm einen Teil seiner Menschlichkeit raubte, wie es beispielsweise
bei dem, bereits oft erwähnten Sephiroth aus Final Fantasy der Fall ist.
Abb. 17 - Sephiroth
Ein völlig anderes Beispiel aus dieser Klassifizierung sind die Rivalen aus der Guitar Hero Reihe;
In Guitar Hero III muss die SpielerIn im Gitarrenbattle gegen Tom Morello und andere bekannte
Gitarristen bestehen. Diese sind, da sie auf existierenden Menschen beruhen, passende Beispiele
für diesen Typ von Antagonisten und optisch stilisiert fügen sie sich sehr gut in die Guitar Hero
Welt ein.
Abb. 18 - Tom Morello
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3.3.4 Andere
Dieser Typ besteht, wie der Name schon sagt, aus denjenigen Antagonisten, die nicht zu den anderen drei Typen zählen. Unterklassifizierungen sind Supercomputer, Viren oder auch rivalisierende
Fahrzeuge aus Rennspielen.
GlaDOS, das nicht immer völlig rationale Betriebssystem und die Hauptantagonistin aus Portal,
ist diesem Typ zugehörig, oder auch Mother Brain, das Supercomputer-artige Boss Monster aus
Metroid. Auch genannt sei SHODAN, die als künstliche Intelligenz die Erzfeindin in dem Cyberpunk-inspirierten Spiel System Shock darstellt. Solche Antagonisten visuell darzustellen ist für jede
CharacterdesignerIn eine Herausforderung. SHODAN wird verkörpert durch ein weibliches, menschenähnliches Wesen, das in einer Art Datenstrom lebt, während Mother Brain durch ein riesengroßes, monsterartiges Gehirn in Szene gesetzt wird. GlaDOS ist ebenfalls durch eine weibliche
Form verkörpert, die eine Art Ansammlung von Kernen/Augen an sich hat und kopfüber von der
Decke hängt. Ihre Verhaltensweise scheint teilweise sehr menschlich, was sie zu einem vielschichtigen und äußerst überzeugenden Antagonisten macht.
Abb. 19 - GlaDOS
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.Conclusio
„The more successful the villain, the more successful the picture.“ Dieses bekannte Zitat von Alfred Hitchcock lässt sich nicht nur auf die Bösewichte aus Filmen beziehen, sondern in extenso auf
Videospiel-Antagonisten übertragen. Um die Forschungsfrage dieser Arbeit, was ein überzeugendes Antagonisten-Characterdesign für Games auszeichnet, zu beantworten, bezieht sich das nun
folgende Conclusio auf die Erkenntnisse aus den bisherigen Kapiteln.
Die wichtigste und gleichzeitig offensichtlichste Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass der Zusammenhang zwischen Antagonistendesign und Gameplay-Erlebnis sehr eng miteinander verknüpft ist.
Die detailgetreue Ausarbeitung von Antagonisten in Games und damit auch die Herausarbeitung
und Klarstellung der Herausforderung der HeldIn und dem Grund weshalb er oder sie sich überhaupt auf die Reise begibt, gibt dem Spiel eine sehr wichtige Dimension von Tiefe, die es der
SpielerIn erlaubt, sich noch weiter in die Welt des Games einzuleben und sorgt für ein deutlich
besseres Spielergebnis. Hierbei geht es nicht darum, jeden Antagonisten so komplex und vielschichtig wie möglich zu machen, oder seine Persönlichkeit künstlich zu vertiefen, sondern um das
Ziel, welches dem Characterdesign auch allgemein zugeschrieben werden kann: ein homogenes
Ganzes mit dem Spiel zu schaffen. Einige Games verlangen aufgrund ihrer Natur nach einfach
gestrickten, simplen Feinden, Hindernissen und Boss Monstern und können deshalb ebenso gut
funktionieren wie tiefgehende, storylastige Spiele, die ihrerseits nach komplexen Antagonisten
verlangen. Die CharacterdesignerIn hat die Aufgabe herauszufinden, welche Persönlichkeitstiefe
bei den Charakteren herauszuarbeiten ist, diese konzeptionell und visuell umzusetzen und damit
der SpielerIn ein optimales Spielergebnis zu liefern.
Oft unbeachtet bei der Gestaltung der Charaktere, unter anderem der Antagonisten, ist einer der
wichtigsten Faktoren bei der Entwicklung eines Spiels: die Zielgruppe, bzw. die SpielerInnen. In Kapitel 1.2.4 wurde der Fokus auf die SpielerIn gelegt und aus den Ergebnissen dieser Vorarbeit kann
deutlich geschlossen werden, dass eine Zielgruppenevaluierung unentbehrlich für die Gestaltung
von Charakteren ist. Die Gruppe von SpielerInnen die das Spiel schließlich kaufen wird, besteht
immer, egal um welche Art von Spiel es sich handelt, aus einer heterogenen Gruppe, zusammengesetzt aus verschiedenen Kulturen, ethnischen Zugehörigkeiten, Geschlechtern und Wertvorstellungen. All diese Faktoren sind bei der Konzeptionierung von Antagonisten zu beachten.
Hierfür ist es essenziell, die eigenen Charaktere, ob böse oder gut, einem ständigen Testkreislauf zu unterziehen. Während die Quality Assurance von Spielfiguren in der Vergangenheit oft
stiefmütterlich behandelt wurde, ist dieses Glied der QA heute ein großer Teil und wird verstärkt
durchgeführt. „Game Characters are a very important part of the player experience and require
special attention during testing. “52
52
Isbister, Katherine (2006): ebd. S. 281.
.38
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Schon während des Gestaltungsprozesses sollte eine zweite professionelle Meinung hinzugezogen
werden. Wie bei jeder anderen Aufgabe im Bereich der Gestaltung, sind Sichtweisen außer der
der Hauptverantwortlichen sehr wichtig und zielführend für den Erfolg der Arbeit. Der Antagonist,
an dem eine CharacterdesignerIn arbeitet, sollte also schon während der Entstehung mehrmals
KollegInnen vorgelegt und offen besprochen werden, nicht weniger als andere Elemente der Produktion.
Abschließend ist zu sagen, dass es einen erstaunlich großen Mangel an seriöser, professioneller
Fachliteratur im Bereich Game Characterdesign gibt. Standardwerke aus dem Film- und Romanbereich erörtern partiell analoge Inhalte, jedoch werden dort nicht die, den Spielcharakteren immanenten, substanziellen Spezifika behandelt. Während es zum Gegenstand des Antagonistendesigns
in Games keine Fachliteratur (die auch als solche etikettiert werden darf) gibt, sind die Werke zur
Charaktergestaltung oft unprofessionell und laienhaft gestaltet und für eine entsprechende Leserschaft gedacht. Daher bietet dieser Bereich noch ein breites, fast unberührtes Forschungsfeld,
welches gerade im Bereich der Antagonisten nun nach und nach aus wissenschaftlichen Perspektiven erschlossen werden kann.
Charaktere sind ein besonders wichtiger Teil eines Spiels, aber ein gut durchdachter Antagonist
garantiert nicht augenblicklich ein gutes Game. Die Gesamtkomposition muss immer im Auge observiert werden, um für die SpielerIn ein Maximum an positivem Spielerlebnis zu gewährleisten.
.39
Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg
.Quellenverzeichnis
.Literatur
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München
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Castlevania, Developer: Konami, Japan 1986.
Crisis Core: Final Fantasy VII, Developer: Square Enix, Japan 2007.
Dance Dance Revolution, Developer: Konami, Japan 1998.
Dead Rising, Developer: Capcom, Japan 2006.
Devil May Cry 3, Developer: Capcom, Japan 2003.
F.E.A.R. 2: Project Origin, Developer: Monolith Productions, USA 2009.
F.E.A.R., Developer: Monolith Productions, USA 2005.
.41
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FIFA 2009, Developer: EA, Kanada 2008.
Final Fantasy VII, Developer: Square Enix, Japan 1997.
Final Fantasy VIII, Developer: Square Enix, Japan 1999.
Guitar Hero III: Legends of Rock, Developer: Neversoft, USA 2007.
Half Life 2, Developer: Valve Corporation, USA 2004.
Katamari Damacy, Developer: Namco, Japan 2004.
Left4Dead, Developer: Valve Corporation, USA 2008.
Max Payne, Developer: Remedy Entertainment, Finland 2001.
Max Payne: The Fall of Max Payne, Developer: Remedy Entertainment, Finland 2003.
Metal Gear Solid, Developer: Konami, Japan 1998.
Metroid, Developer: Nintendo K.K., Japan 1988.
Mortal Kombat, Developer: Midway, USA 1992.
Portal, Developer: Valve Corporation, USA 2007.
Resident Evil 4, Developer: Capcom Production Studio 5, Japan 2005.
Resident Evil 5, Developer: Capcom, Japan 2009.
Shin Megami Tensei, Developer: Atlus, Japan 1992.
Silent Hill 2, Developer: Konami Team Silent, Japan 2001.
Silent Hill 3, Developer: Konami Team Silent, Japan 2003.
Silent Hill, Developer: Konami Team Silent, Japan 1999.
Silent Hill: Homecoming, Developer: Double Helix Games, Japan 2008.
Space Invaders, Developer: Taito, Japan 1978.
Street Fighter IV, Developer: Capcom, Japan 2009.
Super Mario Bros. 3, Developer: Nintendo K.K., Japan 1988.
Super Mario Bros., Developer: Nintendo K.K., Japan 1985.
Super Mario RPG, Developer: Nintendo K.K., Japan 1996.
Super Street Fighter II, Developer: Capcom, Japan 1993.
System Shock, Developer: Looking Glass Technologies, USA 1994.
Warcraft III, Developer: Blizzard Entertainment, USA 2002.
.42
Bachelor Arbeit .02 | Marion Kapferer | MMA 06 | University of Applied Sciences Salzburg
.Abbildungsverzeichnis
Abb. 01
Nintendo (1996): Bowser Koopa. Super Mario RPG. S. 07.
Abb. 02
Capcom (2009): Street Fighter IV Screenshot. S. 10.
Abb. 03
Namco (2004): Katamari Damacy. S. 14.
Abb. 04
Konami (1998): Psycho Mantis. Metal Gear Solid. S. 15.
Abb. 05
Capcom Production Studio 5 (2005): Zombies. Resident Evil 4. S. 16.
Abb. 06
Capcom (2009): Vega. Street Fighter IV. S. 17.
Abb. 07
Atlus (1992): Golem. Shin Megami Tensei. S. 18.
Abb. 08
Square Enix (1999): Edea. Final Fantasy VIII. S. 20.
Abb. 09
Konami Silent Team (2003): Alessa/God. Silent Hill 3. S. 21.
Abb. 10
Capcom (2003): Vergil. Devil May Cry. S. 23.
Abb. 11
Capcom (2009): Blanka. Street Fighter IV. S. 28.
Abb. 12
Konami Silent Team (2003): Splitworm. Silent Hill 3. S. 29.
Abb. 13
Valve Corporation (2004): Soldier. Half Life 2. S. 31.
Abb. 14
Valve Corporation (2008): Zombie. Left4Dead. S. 33.
Abb. 15
Nintendo K.K. (1988): Buu-Huu. Super Mario Bros. 3. S. 34.
Abb. 16
Konami Silent Team (2003): Pyramid Head. Silent Hill 3. S. 34.
Abb. 17
Square Enix (1997): Sephiroth. Final Fantasy VII. S. 36.
Abb. 18
Neversoft (2007): Tom Morello. Guitar Hero III. S. 36.
Abb. 19
Valve Corporation (2007): GlaDOS. Portal. S. 37.
.43