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Lizentiatsarbeit der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich
Fürchtest du dich schon?
Eine experimentelle Studie zum
emotionalen Erleben der Angst in
Horror-Spielen
eingereicht von:
Patricia Brandao
Langgasse 50
9008 St. Gallen
Tel: 079 817 90 71
Email: patricia.brandao@uzh.ch
Matrikel-Nr. 03-725-132
betreut von:
lic. phil. Matthias Hofer
Referent:
Prof. Dr. Werner Wirth
IPMZ-Institut für Publizistikwissenschaft und
Medienforschung der Universität Zürich
Andreasstr. 15
8050 Zürich
Zürich, 30. September 2013
Abstract
Die vorliegende Arbeit untersucht das subjektive und emotionale Spielerlebnis von
Horror-Spielen. Im Fokus der Untersuchung sind das emotionale Erlebnis der Angst
und die Erforschung von Faktoren, welche verantwortlich sind für ein unheimliches
Spielerlebnis.
Im theoretischen Teil werden hierfür Studien und Theorien vorgestellt, welche das
emotionale Erlebnis in der Medienrezeption sowie den Prozess der Identifikation mit
Medien- und Videospielcharakteren erklären. Ferner werden Theorien und Studien in
Zusammenhang mit Horrorfilmen und Horror-Spielen präsentiert.
In einem Laborexperiment (N = 130) wird der Einfluss der Faktoren des
Kontrollverlusts und der Charaktergeräusche auf die Angst untersucht (2 x 2 BetweenSubjects-Design). Die Identifikation mit Videospielcharakteren als mehrdimensionales
Konstrukt wird mit Hilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse getestet und als
Mediator der Zusammenhänge zwischen Kontrollverlust, Charaktergeräuschen und
Angst untersucht.
Die Resultate der vorliegenden Studie deuten darauf, dass die Identifikation mit dem
Videospielcharakter bestehend aus fünf Dimensionen als selektiver, flüchtiger und
unbewusster Prozess die kognitive Bewertung von Angst beeinflusst. Kontrollverlust als
zeitlicher Verlust über die Steuerungskontrolle des Spielcharakters wird vermehrt als
ablenkend empfunden. Die Soundeffekte des Charakters hingegen scheinen auf einer
bewussten und unbewussten Ebene über die Identifikation mit dem Charakter einen
Einfluss auf die Angst auszuüben. Zur Rolle von Persönlichkeitsmerkmalen und der
unterschiedlichen Bewertung von Horror durch Männer und Frauen werden bereits
bekannte Zusammenhänge in Bezug auf Horrorfilme bestätigt.
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ........................................................................ III
1. Einleitung .....................................................................................................................1
2. Hinführung auf den Gegenstand ...............................................................................4
2.1. Videospiele.............................................................................................................4
2.2. Horror-Spiele..........................................................................................................5
3. Theorie..........................................................................................................................7
3.1. Emotionen ..............................................................................................................7
3.1.1. Emotionen in der Medienrezeption .................................................................8
3.1.2. Emotionen in Videospielen ...........................................................................11
3.1.3. Emotionen und Identifikation........................................................................16
3.2. Identifikation ........................................................................................................17
3.2.1. Identifikation in den Medien .........................................................................17
3.2.2. Identifikation in Videospielen .......................................................................20
3.3. Forschungsstand zu Horror ..................................................................................34
3.3.1. Forschungsstand zu Horrorfilmen .................................................................34
3.3.2. Forschungsstand zu Horror-Spielen ..............................................................39
4. Fragestellung und Hypothesen.................................................................................41
5. Methoden....................................................................................................................47
5.1. Versuchspersonen.................................................................................................47
5.2. Design...................................................................................................................47
5.3. Stimulus................................................................................................................48
5.3.1. Stimulusbeschreibung ...................................................................................48
5.3.2. Spielszenarium ..............................................................................................50
5.3.3. Spielzeit.........................................................................................................51
5.3.4. Stimulus-Manipulation..................................................................................52
5.3.5. Nachträgliche Veränderungen am Stimulus..................................................53
5.4. Versuchsablauf .....................................................................................................53
5.5. Messung ...............................................................................................................54
5.6. Videoaufnahme des Spielverlaufs ........................................................................60
5.7. Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt..................................................61
5.8. Deskriptive Statistik zur Spielerfahrung der Probanden ......................................64
I
6. Ergebnisse ..................................................................................................................66
6.1. Manipulationscheck .............................................................................................66
6.2. Hypothesen über den direkten Einfluss von Kontrollverlust und
Charaktergeräuschen auf die Angst.............................................................................67
6.3. Hypothesen über den direkten Einfluss von Kontrollverlust und
Charaktergeräuschen auf die Identifikation und ihr Einfluss auf die Angst ...............70
6.4. Hypothesen über Identifikation als Mediator.......................................................73
6.4.1. Hypothesen über Identifikation als Mediator der Beziehung zwischen
Kontrollverlust und Angst.......................................................................................75
6.4.2. Hypothesen über Identifikation als Mediator der Beziehung zwischen
Charaktergeräuschen und Angst..............................................................................78
6.5. Explorative Tests..................................................................................................83
6.5.1. Identifikation .................................................................................................83
6.5.2. Geschlecht .....................................................................................................84
6.5.3. Empathie........................................................................................................85
6.5.4. Kontrollverlust ..............................................................................................86
7. Diskussion ..................................................................................................................87
7.1. Diskussion der Resultate ......................................................................................87
7.2. Fazit......................................................................................................................99
8. Ausblick....................................................................................................................102
9. Literaturverzeichnis................................................................................................106
10. Anhang ...................................................................................................................115
10.1. Papierversion des Online-Fragebogens ............................................................115
10.2. Checkliste für die Inhaltsanalyse der Videoaufnahmen ...................................134
11. Eidesstattliche Erklärung .....................................................................................136
12. Lebenslauf ..............................................................................................................137
II
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Graphisches Modell der Hypothesen .......................................................46
Abbildung 2: Graphische Darstellung der konfirmatorischen Faktorenanalyse ...........63
Abbildung 3: Graphische Darstellung der Varianzanalyse: Einfluss der
Charaktergeräusche und des Kontrollverlusts auf die Angst (N = 130)..........................68
Abbildung 4: Graphische Darstellung der Varianzanalyse: Einfluss der
Charaktergeräusche und des Kontrollverlusts auf die Identifikation (N = 130) .............72
Abbildung 5: Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Kontrollverlust und Angst
mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet sind die
unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130).................................................76
Abbildung 6: Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Kontrollverlust und
Angst mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet sind
die unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130)...........................................77
Abbildung 7: Zusammenhang zwischen den tatsächlichen Charaktergeräuschen und
Angst mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet sind
die unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130)...........................................80
Abbildung 8: Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Charaktergeräuschen
und Angst mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet
sind die unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130) ...................................82
Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Angst und Unterhaltung mediiert über die
Identifikation mit dem Charakter. Berichtet sind die unstandardisierten
Regressionskoeffizienten. (N = 130)...............................................................................84
Tabelle 1: Korrelationen zwischen den Dimensionen von Identifikation (N = 130) .....62
Tabelle 2:Faktoren von Identifikation mit den dazugehörigen Items, den
Faktorladungen und dem Cronbach Alpha Koeffizienten (N = 130) ..............................64
Tabelle 3: Korrelationen zwischen den wahrgenommenen Charaktergeräuschen, dem
wahrgenommenem Kontrollverlust und der Angst (N = 130).........................................70
III
1. Einleitung
Videospiele können gemäss der Entertainment Software Association bereits als
Massenmedium bezeichnet werden. Laut ihrer Erhebungen wird in 51% aller
amerikanischen
Haushalte
Computer-
und
Videospiele
gespielt.
Der
Durchschnittsspieler in Amerika ist 30 Jahre alt und spielt bereits seit 13 Jahren. Des
Weiteren sind 68% der Spieler über 18 Jahre alt, wovon wiederum 36 % älter als 36
sind. Mit 45% sind fast die Hälfte der Spieler weiblich. Die Anzahl Frauen, welche
Videospiele spielen und über 18 Jahre alt sind, ist grösser als die Anzahl männlicher
Jugendlicher unter 17 (Entertainment Software Association, 2013).
In Deutschland hat die Spiele-Industrie im Jahr 2013 nach Angaben des
Bundesverbands
Interaktive
Unterhaltungssoftware
insgesamt
73,7
Millionen
Computer- und Konsolenspiele verkauft. Bereits in drei von vier Haushalten ist
mindestens eine Spielkonsole vorhanden und jeder dritte Deutsche ist ein sogenannter
„Gamer“. Gespielt wird in jedem Alter und über alle sozialen Schichten und
Bildungsniveaus hinweg. Mit 31 Jahren ist das Durchschnittsalter der deutschen Gamer
fast gleich hoch wie das der amerikanischen Gamer und spricht dafür, dass Videospiele
nicht mehr als „kindische Spielerei“, sondern als Teil der modernen Kultur betrachtet
werden (Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware, 2013).
Die Videospiel-Forschung der letzten Jahre fokussierte hauptsächlich auf die
Problematik der negativen Einflüsse von Gewalt, besonders in Bezug auf Kinder und
Jugendliche (Fang & Zhao, 2010; Jansz, 2005). Nach Klimmt (2009) ist dies der am
besten erforschte Teil der empirischen Medienforschung über Computerspiele, da das
öffentliche Interesse an den Auswirkungen von Spielen, die Gewalt beinhalten, grösser
ist als bei anderen Fragestellungen. Die Problematik sorgt immer wieder für negative
Schlagzeilen und hitzige Auseinandersetzungen in den Medien. Der bisher
nachgewiesene minimale aggressionsfördernde Effekt von gewalthaltigen Videospielen
(Anderson, 2004) beschreibt Klimmt (2009) metaphorisch als ein Zahnrädchen im
Getriebe von Persönlichkeitsentwicklung, welches seinen Beitrag leistet, aber erst in
Interaktion mit anderen psychischen und sozialen Faktoren zum Problem wird.
Keinesfalls sollte man den aggressionsfördernden Effekt als einzige wichtige
Wirkungsdimension
von
Computerspielen
missverstehen.
Weitere
wichtige
Forschungszweige stellen zum Beispiel das Unterhaltungs- und Motivationspotenzial
von Videospielen, deren steigende Bedeutung als Werbeträger oder als leistungsfähige
1
Plattformen für das Lehren und Lernen dar (S.71).
Insbesondere in Bezug auf die Unterhaltung durch Computerspiele werden oft die
starken Emotionen genannt, die durch das Spielen ausgelöst werden. Videospiele sind
durch ihre speziellen Mechanismen in der Lage, die verschiedensten Emotionen zu
erwecken (Pietschmann, 2009). Nach Freeman (2004) sind die Emotionen der
Schlüssel, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Videospiele sollen Erlebnisse
liefern, die nicht nur unterhalten, sondern auch emotional bewegen (S. 11).
Ausserdem machen die oben genannten Zahlen deutlich, dass ein Grossteil der Spieler
erwachsenen Alters ist. In dieser Arbeit wird deshalb von der Thematik der Gewalt in
Videospielen Distanz genommen und der Fokus wird auf das emotionale Erleben von
Videospielen
bei
einem
volljährigen
Publikum
gelegt.
Im
Zentrum
des
Forschungsinteresses dieser Studie liegen dabei die so genannten Horror-Spiele. Die
japanischen Spiele Resident Evil (Capcom, 1996) und Silent Hill (Konami, 1999) haben
Horror-Spiele salonfähig gemacht und sind wohl die bekanntesten Vertreter des Genres.
Diese Spiele liefern dank unheimlicher Atmosphäre ein emotionales Spielerlebnis von
Angst und Unbehagen. Sie leihen Aspekte aus dem Horrorfilm-Genre und richten sich
durch Thematik und Handlung an ältere Spieler. So soll der Videospiel-Designer von
Resident Evil (Capcom, 1996), Shinji Mikami, welcher genug hatte „putzige DisneyVideospiele“
zu
programmieren,
gesagt
haben:
„Ich
wollte
ein
wirklich
furchterregendes Spiel machen, nichts mit Gespenstern und solchem Schmarren,
sondern mit echten Monstern, die man sehen kann, wenn sie angreifen“ (zit. n. Bodmer,
2009) und Spieldesigner Yoshiki Okamoto erwähnte Spielfilme wie The Evil Dead
(New Line Cinema, 1981) sowie die Zombie-Filme von George A. Romero als
filmische Vorbilder für Resident Evil (Capcom, 1996). Weitere Horror-Spiele wie Siren
(Optical Disc, 2003) oder die Fatal-Frame Spielreihe (Tecmo, 2001) wurden durch
jüngere japanische Horrorfilme wie Ringu (Toho Company Ltd., 1998) oder Juon (Toei
Video Company, 2000) inspiriert (Nagenborg, 2009, S. 276).
Rückblickend betrachtet, entsprangen Horror-Spiele wie Resident Evil (Capcom, 1996)
der Strategie vom Grosskonzern Sony, Videospiele in den Kontext von Populär- und
Jugendkultur einzubetten und neue Märkte zu erschliessen (Nagenborg, 2009, S. 276).
Eine Strategie, die durchaus Erfolg brachte. Mit mehr als 2.7 Millionen verkauften
Kopien des Spiels Resident Evil (Capcom, 1996) wurde der Grundstein für eine bis
heute erfolgreiche Franchise gelegt. Der vierte Teil, Resident Evil 4 (Capcom, 2005),
welcher als aufwühlend und beklemmend beschrieben wurde, erzielte einen Umsatz von
2
über 500 Millionen Franken. Er wird bis anhin mit weltweit 7.03 Millionen verkauften
Kopien als das erfolgreichste Horror-Spiel betrachtet (Reeves, 2011). Der fünfte Teil
der Serie, Resident Evil 5 (Capcom, 2009), sorgte gemäss Fachzeitschriften für über
27% des Branchenumsatzes in der Startwoche im Jahr 2009 und besetze in Deutschland,
der Schweiz und Österreich sowie in den USA Platz eins der Verkaufshitparaden
(Bodmer, 2009).
In der Zwischenzeit wurde die Franchise auch auf die Leinwand adaptiert. Bereits fünf
Filme wurden mit der Schauspielerin Milla Jovovich in der kämpferischen Hauptrolle
veröffentlicht und weitere Adaptionen sind geplant. Mit weltweit mehr als 600
Millionen Dollar Einnahmen ist die Resident Evil Film-Franchise die erfolgreichste
Spielfilm-Serie, welche auf Videospiele basiert (Bodmer, 2009; Reeves, 2011).
Angesichts dieser Zahlen, welche die Popularität des Genres festigen, stellt sich die
Frage inwiefern Medien, die hauptsächlich negative Gefühle erwecken, gleichwohl als
unterhaltsam empfunden werden und ein solch breites Publikum begeistern können. Ziel
dieser Arbeit ist es somit erstmals zu ergründen, wie Menschen solche Horror-Spiele
auf kognitiver und emotionaler Ebene erleben. Im Fokus der Untersuchung liegt
insbesondere das emotionale Erlebnis der Angst. Was führt zu den Gefühlen der Angst
und welche Faktoren machen Horror-Spiele so unheimlich?
Als Hinführung an den Forschungsgegenstand werden im folgenden Kapitel einige
Eigenschaften von Videospielen und insbesondere Horror-Spielen zusammengefasst.
Danach werden Theorien zum Erleben von Emotionen in den Medien allgemein sowie
in Videospielen präsentiert. Es wird zusätzlich auf das Konzept der Identifikation mit
Mediencharakteren eingegangen mit der Annahme, dass die Identifikation mit dem
Videospielcharakter
das
emotionale
Erlebnis
beeinflusst.
Im
Kapitel
zum
Forschungsstand werden ferner einige Studien zu Horrorfilmen und Horror-Spielen
präsentiert. Basierend auf den theoretischen Grundlagen werden im weiteren Teil der
Arbeit einzelne Hypothesen formuliert, welche insbesondere die Zusammenhänge
zwischen Spielfaktoren und der Emotion der Angst betreffen. Anschliessend werden das
experimentelle Vorgehen und die Resultate vorgestellt. Im letzten Teil der Arbeit folgt
die Diskussion, in der die Ergebnisse in Bezug auf die formulierten Hypothesen in
zusammengefasster Form und in Bezug auf die theoretischen Annahmen vorgestellt
werden. Im Ausblick wird die Arbeit mit Anregungen für weitere Untersuchungen
abgeschlossen.
3
2. Hinführung auf den Gegenstand
2.1. Videospiele
Jesper Juul (2005) definiert den Begriff “Videospiel” als: „rule based system with a
variable and quantifiable outcome, where different outcomes are assigned different
values, the player exerts effort in order to influence the outcome, the player feels
emotionally attached to the outcome, and the consequences of the activity are
negotiable.“ und fasst zugleich die wichtigen Eigenschaften von Videospielen
zusammen (Juul, 2005, S. 36).
Im Vergleich mit dem Medium Film werden weitere Besonderheiten sichtbar. Grodal
(2003) beschreibt, dass Spiele persönliche Erfahrungen liefern, im Gegenteil zu Filmen,
welche nur einen Handlungsstrang und eine Geschichte bieten. Das subjektive Erleben
in den Spielen wird durch die nichtlinearen Entscheidungen und die wiederholende
Natur
des
Spiels
verstärkt,
welche
unterschiedliche
Handlungsstränge
in
unterschiedlichen Durchgängen des selben Spiels erlaubt (S. 153).
King und Krzywinska (2002) betonen, dass Videospiele kein „interaktives Kino“ sind.
Der Gebrauch von filmischen Szenen, ist zwar bei Videospielen gängig, um den Spieler
mit der Hintergrundgeschichte und dem Szenario des Spiels bekannt zu machen oder
eine Entwicklung in der Handlung prächtiger darzustellen und den Spieler somit wieder
an die Handlung zu binden. Dem ungeachtet unterscheidet sich das Medium Videospiel
vom Film durch Eigenschaften wie dem Betrachtungswinkel, welcher bei Spielen oft
die Ich-Person-Perspektive ist, der zeitlichen Spanne, welche, je nachdem ob der Spieler
zielstrebig dem Ende entgegenspielt oder lieber die Zeit mit Erkunden verbringt,
variieren kann, sowie der Interaktivität und Handlung (S. 142–152).
Dabei ist die Interaktivität nicht als blosses „Drucken der Maus“ oder „Das Bewegen
eines Joysticks“ zu verstehen, im Spiel soll eine Situation den Spieler zum Denken
anregen und tiefe Emotionen erwecken (Juul, 1999, zit. n. Tosca, 2003, S. 214).
Die Interaktivität fordert, dass der Spieler im Spiel auf Ereignisse reagiert, diese
Reaktion hat wiederum einen Einfluss auf das weitere Geschehen im Spiel. Dafür sind
Fähigkeiten notwendig wie eine gute Auge-Hand-Koordination, eine schnelle Reaktion
und das Erlernen der Steuerung. Dies geht weit über die kinetischen und emotionalen
Antworten, die man beim Filmschauen erlebt, wie zum Beispiel Gelächter, Schock und
erhöhtes Herzklopfen (King & Krzywinska, 2002, S. 146–147).
4
2.2. Horror-Spiele
Das Genre des Horror-Spiels wird nicht durch die Spielart definiert sondern vielmehr
durch die Thematik. Zur Gattung gehören Spiele mit der Ich- und Dritt-PersonPerspektive, Action-orientierte Spiele, Puzzle und sogar Text-basierte Spiele (Pruett,
2010, S. 2).
Horror-Spiele zeichnen sich durch eine deutliche Nähe zum Genre des Horrorfilms aus.
Sie leihen Motive aus den Zombie-Filmen von Romero, dem Konzept des „alten
dunklen Hauses“ aus den Filmen der 20er Jahren, Themen der traditionellen gotischen
Novellen und von Lovecraft (Krzywinska, 2002b, S. 14) sowie moderne actionorientierte Horrorszenarien und Figuren aus moderneren Spielfilmen wie Alien (20th
Century Fox, 1979) aus (Nagenborg, 2009, S. 276).
Horror-Spiele sollten Unbehagen, Angst und Beklemmung verursachen (Carr, 2009, S.
5) und das Gefühl der Hilflosigkeit und Anspannung vermitteln, ein masochistischer
Anreiz der typisch für das Horror Genre im Allgemeinen ist (Krzywinska, 2002b, S.
21–22).
Ähnlich zu der Beziehung zwischen den Protagonisten in Action- und Horrorfilmen,
steht in Horror-Spielen nicht die physische oder technische Überlegenheit des
Protagonisten im Vordergrund, sondern dessen Verletzlichkeit und der Kampf ums
Überleben (Nagenborg, 2009, S. 277).
Das Spiel, welches das Bild des Horror-Spiels markant gewandelt hat, ist Resident Evil
(Capcom, 1996) (Pruett, 2010, S. 2). Aus den Ladefenstern, welche den Spruch „the
world of survival horror.“ zeigen, wurde der Begriff des „Survival Horrors“, des
„Überlebens-Horrors“ entnommen. Survival-Horror wird heute als ein Sub-Genre der
Horror-Spiele verstanden (Kirkland, 2005, S. 172; Krzywinska, 2002b, S. 12).
Nach Perron (2004) folgen die meisten Survival-Horror-Spiele einem ähnlichen Muster
und dieses fasst die meisten Aspekte des Genres zusammen:
At the plot level, the hero/heroine investigates a hostile environment where he/she will be
trapped (a building or a town) in order either to uncover the causes of strange and horrible
events (Alone in the Dark, Resident Evil, Siren) or to find and rescue a loved one from an
evil force, be it a daughter (Silent Hill, Fear Effect), a mother (Clock Tower3), a wife
(Silent Hill 2) or a brother (Resident Evil 2, Fatal Frame). At the action level, in a thirdperson perspective, the gamer has to find clues, gather objects (you cannot do without
keys) and solve puzzles. In order to survive with the weapons he has (or will come
across), the gamer has to face numerous impure, disgusting, creepy and threatening
monsters (zombies, demons, mutated beasts, abnormal creatures, spirits, vampires, etc.).
The conflict between the avatar and those monsters is the dominant element of horror.
(Perron, 2004, S. 2)
5
Kirkland (2005) erfasst das Sub-Genre in ähnlicher Weise als ein Action-AbenteuerSpiel in der Dritt-Person-Perspektive. Das Spiel leiht Aspekte aus dem HorrorfilmGenre und die Charaktere müssen labyrinthähnliche Landschaften durchwandern, Rätsel
lösen und mit begrenzten Mitteln Monster abwehren und überleben (S. 172).
Der Spieler übernimmt meistens die Rolle eines normalen Menschen und findet sich an
einem Ort wieder, der überrannt ist von Zombies, Dämonen oder Geistern. Dabei steht
insbesondere die Angst aus der relativen Ohnmacht des Protagonisten im Vordergrund.
Die Spieler sehen sich Gefahren gegenüber gestellt, die übermächtig sind und vor denen
sie oft bloss fliehen oder sie umgehen können. Die Gewaltanwendung ist in diesen
Spielen selten die beste Lösungsstrategie. Denn auch wenn es Mittel zur Gegenwehr
gibt, wie zum Beispiel Schusswaffen, ist in der Regel die Munition rar. Es gilt sparsam
damit umzugehen um in gefährlicheren Situationen nicht ohne da zu stehen. Auf diese
Weise beziehen Survival-Horror-Spiele ihre Spannung hauptsächlich aus der relativen
Wehrlosigkeit der Hauptcharaktere und setzen selten auf unmittelbare physische Gewalt
an (Nagenborg, 2009, S. 277).
Eine ähnliche Meinung teilt Arsenault (2010), für ihn sind drei Bedingungen
ausschlaggebend für das Genre des Survival-Horrors. Es präsentiert den Hauptcharakter
als verletzliche Figur. Das Überleben oder der Erhalt des Status quo ist die wichtigste
Aufgabe. Das ungleichmässige Verhältnis der Mächte als zweites Merkmal, stellt den
Charakter einer meist zahlenmässig überlegenen Horde von Feinden und unfairen
Hindernissen entgegen. Als dritte Bedingung wäre das Vermeiden von direkter
Konfrontation, denn das Töten der Gegner wird im Gegensatz zu anderen Genres, selten
belohnt. Es ist wichtiger die spärlichen Ressourcen wie Munition und Heilmittel zu
erhalten (S. 6).
Die Schauplätze von Horror-Spielen sind sowohl unheimlich als auch verwirrend,
beliebt sind zum Beispiel Geisterhäuser oder gotische Villen. Mit Fallen gespickte
Räume und Korridore, Sackgassen und verschlossene Türen sollen dem Spieler das
Gefühl geben verloren zu sein. Die Kamerasicht erinnert an voyeuristische Aufnahmen,
die von versteckten Kameras von Winkeln und Rissen aus gefilmt werden (Kirkland,
2005, S. 232; Kirkland, 2009a, S. 2).
Zu der Verwirrung und dem Unbehagen streben Horror-Spiele zusätzlich an ein Gefühl
des Ekels zu erwecken. Denn der blosse Gedanke an ekelerregende Sachen, wie
verdorbenes Essen, Schlangen oder Spinnen wirkt bei den meisten Menschen
abstossend und wird zwangsläufig furchtsam gemieden. Die klebrig wirkenden,
6
schmutzigen und schauderhaften Körper der Gegner, die all zu oft an Insekten erinnern
oder die halbverwesten, modrigen Körper von Zombies sind nicht bloss bedrohlich,
sondern erwecken im Spieler Ekel und Abscheu und spornen die Angst zusätzlich mit
dem Gefühl der Kontaminierung oder Verunreinigung an. Das Töten dieser
abscheulichen Kreaturen erreicht oft den ekelhaften Kulminationspunkt (Nagenborg,
2009, S. 277; Lankoski, 2007, S. 6).
Zum Schluss muss hinzugefügt werden, dass die Unterscheidung zwischen Horror- und
Survival-Horror-Spielen in den Medien etwas ungenau zu sein scheint. Elemente des
Survival-Horror finden sich inzwischen auch in Ego-Shootern und weit verbreiteten
Action-Spielen. So werden auch Horror-Spiele in der Ich-Person-Perspektive und
Action
Spiele,
mit
Horror-Elementen
als
Survival-Horror-Spiele
bezeichnet
(Nagenborg, 2009). In dieser Arbeit bezieht sich der Begriff Horror-Spiel allgemein auf
Spiele, welche die oben genannten Merkmale besitzen.
3. Theorie
Nachdem der Gegenstand der Horror-Spiele im vorherigen Kapitel vorgestellt wurde,
werden in den nächsten Abschnitten theoretische Ansätze dargelegt, welche das Erleben
von Emotionen erklären. Es wird kurz das Konzept der Emotion beschrieben, danach
werden Theorien zum Erleben von Emotionen in der Medienrezeption allgemein und
anschliessend Theorien zu Emotionen in Videospielen erläutert. Als möglicher
Einflussfaktor für ein stärkeres emotionales Erlebnis, wird ferner im Kapitel auf das
Konzept der Identifikation mit Charakteren in den Medien und in Videospielen
eingegangen.
3.1. Emotionen
Emotionen kann man als ein komplex hormonal vermitteltes Interaktionsgefüge von
subjektiven und objektiven Faktoren begreifen. Das Gefüge kann Veränderungen auf
einer oder mehreren Ebenen durchgehen. Auf der affektiv-subjektiven Ebene ist das
subjektive Erleben von Gefühlen der Erregung, der Ruhe, der Lust oder Unlust. Auf der
kognitiven Ebene werden emotionsrelevante Situationen wahrgenommen und bewertet.
Die konative Ebene spricht das Ausdrucksverhalten an, namentlich das expressive
Verhalten des Menschen, wie unter anderem sein Gesichtsausdruck, seine Stimmlage,
seine Körperhaltung oder Gestik, sowie jegliche handlungsvorbereitende Funktion.
Periphere körperliche Reaktionen sind auf der physiologischen Ebene anzusiedeln. Es
7
sind Reaktionen die vom vegetativen Nervensystem vermittelt werden, so zum Beispiel
Veränderungen der Herzfrequenz, der Atmung und der Schweissbildung sowie das
Erröten (Wirth, Schramm & Böcking, 2006, S. 222–224).
Was das Gefühl der Angst betrifft, so wird es als aktivierter, aversiver emotionaler
Zustand beschrieben, der bei bedrohlichen Situationen aufkommt. Stimuli der Angst
können laute Geräusche und Raubtiere, Donner, Blitz, Höhen, enge oder zu weite
Räume sowie Dunkelheit sein. Bei Angst verspürt der Mensch konativ den Drang sich
vom Angst einflössenden Objekt zu entfernen und es kommt zum typischen ängstlichen
Gesichtsausdruck mit gehobenen Augenbrauen, weit geöffneten Augen und mit
entweder zusammengedrücktem oder leicht geöffnetem Mund. Die anfänglichen
Stadien der Angst sind gekennzeichnet durch die erhöhte Aufmerksamkeit, welche
gemessen werden kann durch die Verzögerung der Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit.
Die aktiven Bewältigungsstrategien werden durch eine Erhöhung der Herzfrequenz oder
des Blutdrucks begleitet (Öhman, 2007).
3.1.1. Emotionen in der Medienrezeption
In Zusammenhang mit Emotionen bei der Mediennutzung sind besonders AppraisalTheorien interessant und wurden bereits auf die Medienrezeption übertragen.
Diese Theorien basieren hauptsächlich auf der Annahme, dass diskrete Emotionen wie
Stolz, Ärger und Freude aktualgenetisch auf der Basis von situationsspezifischen
Bewertungen entstehen. Der Mensch evaluiert seine Situation konstant anhand von
„Appraisals“. Die Appraisals finden sowohl bewusst als auch unbewusst und
automatisch statt (Wirth & Schramm, 2007, S. 155–156).
Bei der Medienrezeption verlaufen diese Prozesse etwas anders ab, da es sich bei den
Ereignissen und Situationen nicht um reale Geschehnisse der Rezipienten handelt. Der
Nutzer hat jederzeit die Möglichkeit die Rezeption zu unterbrechen und der
Bewertungsprozess kann auf die eigene Person oder auf die Medienperson gerichtet
sein. Deshalb unterscheidet man zwischen Mit-Emotionen und Ego-Emotionen (Wirth
et al., 2006, S. 230).
Wirth, Schramm und Böcking (2006) unterscheiden dabei zwischen vier situationalen
Referenzen welche bei der Medienrezeption die interpretative Basis für die Appraisals
und die erlebte Emotion bilden: Den Medieninhalt, die Rezeptionssituation, den
Werkcharakter und den Ich-Bezug (S. 230–235).
Um solche Momente zu erklären, in denen ein Mensch mehrere Gefühle empfindet,
8
führen (Jäger & Bartsch, 2006) das Konzept der Meta-Emotionen ein. Sie betrachten
Meta-Emotionen als richtige Affekte, mit dem einzigen Unterschied, dass ihre
intentionalen Objekte nicht Situationen sind, sondern interpersonelle Emotionen. MetaEmotionen würden entstehen wenn eine Person ihre eigenen Emotionen nach AppraisalProzessen bewertet. Solche ambivalente Gefühle, wie sich schuldig zu fühlen beim
Lachen über das Unglück eines anderen oder Angst als angenehm zu empfinden beim
Betrachten eines Horrorfilmes, entstehen, weil wir anfängliche Gefühle hinterfragen
und dabei andere Gefühle aufkommen, welche die vorherigen bewerten.
Man würde die Emotion unter anderem nach ihrer Neuheit oder Veränderung, nach
(hedonistischer) Valenz, nach Relevanz in Bezug auf Ziele und Hoffnungen sowie nach
ihrer Beherrschbarkeit untersuchen (S. 179–188).
Als ein Entwurf für Meta-Emotionen wird Olivers (1993) Erklärung betrachtet, warum
traurige Filme trotz ihrer grundsätzlichen negativen Grundstimmung dennoch als
unterhaltsam erlebt werden. Menschen welche mit Vorliebe traurige Filme schauen,
geniessen das „Sich traurig fühlen“ und nutzen deshalb traurige Medienangebote. In
Olivers Versuch entsprach das angegebene Mass an Traurigkeit während der Rezeption
trauriger Filme dem angegebenen Mass an Unterhaltung. Oliver erklärt, dass durch die
distanzierte Bewertung der primären Stimmung (Trauer, Angst) ein positives Erleben
ausgelöst wird, welche sie Meta-Stimmung nennt (Oliver, 1993, zit. n. Jäger & Bartsch,
2006, S. 194–195; Bartsch, Mangold, Viehoff & Vorderer, 2006, S. 265–266).
Wirth
und
Schramm
(2007)
argumentieren
auch,
dass
Meta-Emotionen
appraisalabhängig sind. Im Unterschied zu Appraisal-Prozessen, beziehen sich MetaEmotionsprozesse vorwiegend auf die eigene Emotionsgenese und deren unmittelbar
physischen und sozialen Umständen. Sie erklären, dass Meta-Appraisals als
Reappraisals zu verstehen wären, in der die situationale Referenz bei der Rezeption der
eigene emotionale Zustand ist. Beim Appraisal-Check werde geklärt, wie neuartig (vs.
vertraut), wie angenehm (oder akzeptabel), wie zielkongruent, wie bewältigbar oder
tolerierbar und normverträglich die eigene Emotion in der aktuellen psychischen und
sozialen Situation ist und daraus entsteht dann die Meta-Emotion. Mit dem MetaAppraisal wäre eine Valenztransformation möglich und Meta-Emotionen mit negativer
Valenz würden tendenziell vermieden (Avoidance-Prinzip) während diejenigen mit
positiver Valenz gewünscht werden (Approach-Prinzip) (S. 167–171).
Mit der Emotionsregulationstheorie wird ein weiterer Ansatz vorgestellt, wie Menschen
versuchen
Emotionen
zu
beeinflussen.
James
Gross
(1998)
definiert
die
9
Emotionsregulation als Versuch mental oder verhaltensbezogen zu kontrollieren welche
Emotionen man empfindet, wo man sie empfindet und wie man sie erlebt oder zum
Ausdruck bringt. Diese Prozesse können sowohl bewusst als auch unbewusst stattfinden
und kontrolliert werden (S.185–275). Gross (1998) unterscheidet zwischen fünf
Regulationsprozessen. Die ersten vier sind Antezedenten und versuchen die Emotion zu
regulieren,
bevor
eine
Reaktionstendenz
einsetzt.
Der
letzte
Prozess
ist
reaktionszentriert. Der erste Prozess ist die situation selection: eine Situation von der
bekannt ist, dass sie unerwünschte Emotionen verursacht, wird gezielt vermieden. In der
situation modification wir die Situation verändert. Mit dem attention deployement wird
die Aufmerksamkeit von dem Emotionen auslösenden Ereignis abgelenkt und bei der
cognitive change wird die Situation neu bewertet. Der fünfte Prozess stellt response
modulation dar. Hier wird durch Kontrolle des Verhaltens oder des Ausdrucks eine
bereits entfaltete Emotion reguliert, indem man versucht die eigene Emotion zum
Beispiel zu unterdrücken (S. 283–284).
Die Konzepte der Emotionen, der Metaemotionen und der Regulationsstrategie sind in
der
kommunikationswissenschaftlichen
Forschung
bisher
meist
unverbunden
existierende Theorien. Wirth und Schramm (2007) haben sie erstmalig in einem Modell
aufeinander
bezogen
und
integriert.
Das
Emotions-
und
Meta-Emotions-
Regulierungsmodell, kurz EMR-Modell, zeigt nicht nur, dass Emotionen in den Medien
abbildmässig Emotionen beim Publikum hervorrufen, sondern es geht davon aus, dass
durch die Modelkonzeption die Rezipienten vielfältige Möglichkeiten haben die
Wirkung der Medienemotionen entweder abzuschwächen, zu re-interpretieren oder zu
regulieren (S. 177).
Bei der Medienrezeption entsteht durch ein Appraisal der situationalen Referenz eine
Emotion. Zu erwähnen wäre noch, dass das Modell um die situationalen Referenzen der
Erinnerung des Rezipienten sowie der bestimmten Rezeptionssituation erweitert wurde
(S. 160–161). Folgend wird ein Meta-Appraisal über die empfundene Emotion in
Abhängigkeit der Rezeptionssituation sowie Medien- und Personenmerkmalen
durchgeführt und Meta-Emotionen entstehen. Nun können sich Handlungstendenzen je
nach der Valenz der Meta-Emotion entfalten. Durch Regulierungsmechanismen wird
der Rezipient wohl versuchen negative Einflüsse zu minimieren oder bei positiven
Meta-Emotionen die positiven Merkmale zu maximieren. Bei der Regulation werden
Mechanismen zwischen medienzuweisend und –abweisend und zwischen kognitiv und
nicht-kognitiv unterschieden (S. 172–173).
10
Zum Schluss schliesst sich der Kreis und der Zyklus beginnt von vorne mit dem
Unterschied, dass neue Stimuli der Medienrezeption im Kontext der bereits
entstandenen Emotionen, Meta-Emotionen, situationalen Referenzen und der eventuell
erfolgten Regulationsstrategie bewertet werden. Diese einzelnen Teilprozesse des
Modells laufen während der Medienrezeption parallel ab (S. 174–176).
3.1.2. Emotionen in Videospielen
In einer Befragung zur Rolle von Emotionen in Videospielen mit 535 Teilnehmer gaben
über ein Drittel an, dass Spiele für sie emotionale Erfahrungen darstellen, 8%
beschreiben diese sogar als sehr starke emotionale Erlebnisse (Bowen, 2005; zit. n.
Pietschmann, 2009, S. 85).
Zu den emotionalen Spielgenres zählen Rollenspiele, Action-Spiele sowie First-PersonShooter und als emotionale Spiele wurden unter anderem das Rollenspiel Final Fantasy
(Square Enix, 1987) und das Horror-Spiel Resident Evil (Capcom, 1996) erwähnt. In
diesen gaben mehr als die Hälfte der Teilnehmer an, besonders emotionale Momente
erlebt zu haben. Da die Valenz und die Art der Emotionen nicht miterfasst wurden, ist
es schwer vorherzusagen, welche Emotionen in welchem Genre tendenziell vorkamen.
Durch die unterschiedlichen Spielkonzepte und der visuellen Präsentation der einzelnen
Genres liegt die Vermutung jedoch nahe, so Pietschmann (2009), dass stark auf
Narration basierende Spiele wie Rollenspiele den Nutzer durch emotionale Involvierung
bewegen, während die Emotionen beim gemeinsamen Spielen eines Actionspieles nicht
auf Empathie zu den Spielfiguren oder der Handlung beruhen, sondern eher auf
Konzepte des sozialen Kontextes und des Wettkampfs. Nach dem Autor führen die
spezifischen Eigenschaften des Mediums Computerspiel zu unterschiedliche Formen
von Emotionen. Diese Meinung wird vielfach geteilt, einige Kategorisierungen von
Emotionen in Bezug auf Videospiele folgen in den nächsten Abschnitten (S. 87).
Grodal (2003) bezeichnet Videospiele und andere virtuelle Realitäten als „simulations
of basic modes of real-life experience“. Ganz besonders 3-D Spiele mit der Ich-PersonPerspektive seien unserem Bewusstsein sehr nah und ermöglichen ein tiefes geistiges
Eintauchen in die virtuelle Welt. Im Vergleich zu Filmen seien wir nicht bloss fähig zu
sehen, sondern wir können uns in Spielen Objekten der Neugierde nähern oder Dinge
abschiessen, die uns ängstigen (S. 129–132).
Er unterscheidet somit zwischen den Emotionen, welche bei Videospielen und Filmen
aufkommen. Weil der Spieler Kontrolle über die Handlung hat, sind die Emotionen, die
11
während
des
Spielens
aufkommen,
auf
das
sympathische
Nervensystem
zurückzuführen, welches für Flieh- und Kampfemotionen zuständig ist. Das Erleben
von Emotionen in Filmen bezeichnet er als passives Erlebnis.
Trifft der Spieler im Spiel auf ein Monster, evaluiert er inwiefern er fähig ist die
Situation zu meistern. Je nachdem ob er gut ausgerüstet ist, empfindet er Triumph, oder
Angst und Panik sollte er sich dem Kampf nicht gewachsen fühlen (S. 150–151).
Bernard Perron (2005a) liefert das Konzept der „Gameplay Emotionen“. Er baut dabei
auf die Theorie von Ed Tan (1996) auf, welche zwei unterschiedliche Emotionen bei der
Rezeption von Filmen unterscheidet. Die fictional emotions (F-Emotionen) entstehen
als emotionale Reaktion zu der Handlung, wenn der Rezipient emphatisch mit den
Charakteren mitfühlt. Artefact emotions (A-Emotionen) wie Bewunderung und
Erstaunen kommen auf, wenn der Zuschauer Elemente der Machart zum Beispiel die
schöne Szenerie oder die attraktive Schauspieler bewundert.
In Videospielen entstehen F-Emotionen wenn die Kontrolle dem Spieler entzogen wird
und er, zum Beispiel während einer Zwischensequenz, als blosser Beobachter der
Spielhandlung zuschaut und die Gefühle der Spielfiguren nachempfindet (Perron,
2005a, S. 2).
A-Emotionen erlebt der Spieler, wenn er sich seiner Rolle als Beobachter bewusst ist
und die einzelnen Aspekte des Spieles, wie die schöne 3D Welt, die Rätselkonstruktion
und das Spiel-Design bewundert oder sich darüber aufregt (S. 2–3).
Diese beiden Emotionen sind beim Videospielen jedoch nur zweitrangig, die wichtigen
Emotionen seien die, welche beim Spielen durch die eigene Handlung entstehen. Diese
Emotionen nennt Perron (2005a) gameplay emotions (G-Emotionen) und differenziert
sieben typische solche Emotionen, welche entstehen, wenn der Spieler unterschiedliche
Spielsituationen
kognitiv
bewertet:
Interesse,
Unterhaltung,
Sorge,
Angst,
Überraschung, Wut und Frustration (S. 7–8).
Jonathan Frome (2007) unterscheidet zwischen vier verschiedenen Arten von
Emotionen und zwei Spieler-Rollen, actor-participant wenn der Spieler aktiv spielt und
observer-participant,
wenn
der
Spieler
die
Musik,
Bilder
und
die
nicht
handlungsbasierten Story-Elemente des Spiels geniesst. Er unterscheidet narrative
emotion., welche durch die Handlung des Spiels entsteht, ähnlich wie beim Betrachten
eines Films und artifact emotion, gleich nach dem Konzept von Ed Tan (1996).
Emotionen des Konkurrenzkampfs, die durch Gewinnen, Verlieren, Erfolg und
Frustration entstehen bezeichnet Frome als game emotion. Darüber hinaus führt er das
12
Konzept der ecological emotion ein, welche die Emotionen sind, die der Spieler
empfindet, wenn er in einem Videospiel auf eine ähnliche Weise reagiert wie in der
realen Welt.
Wenn der Spieler ein Horror-Spiel spielt, so weiss er, dass der Geist auf dem
Bildschirm ihm nichts anhaben kann, dennoch kann dessen Erscheinen den Spieler
erschrecken. Dieser Schreck bezeichnet Frome (2007) als ecological emotion. Weitere
Bespiele wären zum Beispiel das verspüren von Höhenangst beim Überqueren einer
Schlucht in einem Spiel oder Angst bei der Konfrontation mit einem gruseligen
Monster. Angst kann auch game emotion sein, wenn man Angst hat, dass man das Spiel
verliert, sollte man das Monster nicht besiegen. Dennoch argumentiert Frome (2007),
dass der Spieler sicherlich nicht die gleiche Angst verspüren würde, wenn der Gegner
ein herziger Teddybär wäre, anstatt eines Monsters mit scharfen Zähnen. Die
zusätzliche Angst vor den scharfen Zähnen ist als ecological emotion zu verstehen (S.
832–833).
Järvinen (2009) baut auf das kognitiv-orientierte Emotionsmodell von Ortony, Clore
und Collins (1990) und unterscheidet fünf Arten von Emotionen in Videospielen.
Emotionen wie Angst, Spannung oder Hoffnung, welche aufkommen, wenn der Spieler
sich auf den möglichen Ausgang eines Ereignisses konzentriert, zum Beispiel vor dem
Kampf gegen einen Endgegner, bezeichnet er als prospect-based emotions. Diese
Emotionen sind abhängig von den Zielsetzungen des Spielers und bauen auf der
Ungewissheit des Ausgangs auf, welcher wiederum abhängig ist von den Fähigkeiten
des Spielers. Järvinen (2009) bezeichnet diese Emotionen als die Schlüsselemotionen in
spielerischen Begegnungen (S. 214).
Emotionen, welche auf das Schicksal anderer Personen gerichtet sind, wie
Schadenfreude, Freude oder Trauer nennt Järvinen (2009) fortunes-of-others emotions.
Solche Emotionen können sowohl in Mehrspieler-Spiele in Bezug auf andere Spieler,
als auch in Bezug auf das Schicksal von Spielcharakteren aufkommen (S. 215).
Well being emotions beziehen sich auf wünschenswerte und unerwünschte
Spielereignisse. Der erfolgreiche Abschluss eines Schlachtzugs erweckt Freude und
Zufriedenheit, während negative Ereignisse Gefühle des Kummers und der Depression
erwecken. Wie stark die Emotionen erlebt werden, hängt davon ab, wie erwünscht oder
unerwünscht das Ereignis wahrgenommen wird. In Bezug auf Videospiele wäre zum
Beispiel das unerwartete Verlieren eines Kampfes eine solche unerwünschte Situation.
Emotionen wie Frustration, die sich direkt auf den Spieler selbst, auf Spielfiguren im
13
Spiel oder auf das Verhalten anderer Spieler im Spiel richten, bezeichnet Järvinen
(2009) als attribution emotion. Die Valenz dieser Emotionen ist dabei abhängig von der
Löblichkeit oder dem Schuldgefühl der vollführten Handlungen. In einem Einzelspiel
kann sich der Spieler unfair behandelt fühlen, wenn die Schwierigkeit des Spiels zu
hoch ist. Er fühlt Geringschätzung in Bezug auf sich selber oder ärgert sich über sich
selbst (S. 216).
Zuletzt wären die attraction emotions zu nennen, welche auf Anziehung sowie
Attraktivität in Bezug auf Objekte oder Spielfiguren und auf Basis der allgemeinen
Atmosphäre basieren. Die Grafik, der Soundtrack, die Steuerung, das Design des Spiel
können alles Faktoren sein, welche das Erlebnis des Spiels als Gesamtes beeinflussen.
Horror-Spiele haben zum Beispiel das Ziel durch das Design ein Gefühl der Ablehnung
und des Ekels zu erwecken, während andere Spiele durch die Musik und der
graphischen Darstellung den Spieler erfreuen (S. 216).
Diese fünf Emotionsarten kategorisiert der Autor zusätzlich in zwei Gruppen. Die
Emotionen auf Basis der Empathie, die ähnlich wie die Emotionen im Film erlebt
werden, fasst der Autor als „Third-Person-Emotionen“ zusammen. In dieser Gruppe
wären fortune-of-others-Emotionen und attribution-Emotionen. Die zweite Gruppe der
„First-Person-Emotionen“ beinhaltet die Emotionen, welche durch die verschiedenen
Spielsituationen vom Spieler erlebt werden und auf Ihn selbst gerichtet sind. Dies wären
die Emotionen welche auf Anziehung basieren (attraction emotions) und die prospectbased-Emotionen. Die well-being-Emotionen können mit beiden Gruppen assoziiert
werden, je nachdem auf welches Bezugsobjekt sie gerichtet sind (Järvinen 2009 zit. n.
Pietschmann, 2009, S. 91–92).
In Bezug auf Third-Person-Emotionen meint Pietschmann (2009), dass diese
hauptsächlich in Spielen vorkommen, die in ihrer Narration ähnlich zu Filmen sind und
in der die Empathie mit den Charakteren im Vordergrund steht. First-Person-Emotionen
dagegen
sind
hauptsächlich
Leistungsemotionen,
wie
Frustration
bei
hoher
Schwierigkeit oder Feindseligkeit gegenüber einem Spielgegner. Der Spieler erlebt
diese aufgrund der expliziten Interaktivität mit dem Spiel (S. 92–93).
In Videospielen werden durch die Verantwortung des Spielers über das Wohlergehen
seiner Spielfigur, nicht nur Third-Person-Emotionen erweckt, sondern es wird eine
emotionale Bindung erschaffen, welche die emotionale Involvierung zusätzlich steigert.
Hat der Spieler die Möglichkeit seinen eigenen Charakter zu erstellen, so führt das nach
dem Autor zu einer stärkeren Identifikation und die Dimensionen von Spielfigur und
14
Spieler überschneiden sich. Dies sei besonders deutlich in Onlinespielen, in denen der
Spielcharakter nicht bloss als Werkzeug zur Navigation in der Onlinewelt dient sondern
die Identität des Spielers verkörpert (S. 94–100).
Dreissig verschiedene Emotionen, welche durch den Spielprozess entstehen ohne dabei
die Handlung mit einzubeziehen, ermittelte Nicole Lazzaro (2004) in ihrer Studie. Sie
ist der Meinung, dass Menschen Videospiele nutzen um „moment-to-moment“
Erlebnisse zu erfahren, welche entstehen, wenn sie eine Herausforderung bezwingen,
einfach dem Alltag entfliehen wollen oder die Freude des Erkundens geniessen (S. 1).
Während des Spielens entstehen Emotionen durch vier Schlüsselpunkte: Hard Fun,
Easy Fun, Altered States und The People Factor. Während bei Hard Fun
Herausforderung, Strategie und Problemlösung im Mittelpunkt stehen und der Spieler
Computerspiele nutzt, um die eigenen Fähigkeiten zu testen, Leistung zu bringen und
dabei Gefühle wie Stolz, Triumph oder Frustration erlebt, fordert Easy Fun Neugierde
und Faszination durch das das Explorieren der virtuellen Welt. Der Spieler versinkt im
Spiel, wenn es seine gesamte Aufmerksamkeit gewinnen kann und dabei kommt es zu
Gefühlen wie Verwunderung, Ehrfurcht und Mysterium. Bei der Dimension Altered
States nutzen Spieler das Medium um innere Zustände wie Spannung, Aufregung sowie
Entlastung vor den eigenen Gedanken und Gefühlen zu erleben. The People Factor ist
ein Weg für den Spieler soziale Erlebnisse durchs Spielen zu erleben. Gefühle wie
Schadenfreude entstehen durch den Konkurrenzkampf, andererseits sehen Spieler im
Medium eine Gelegenheit um soziale Bindungen zu schliessen und persönliche
Anerkennung zu gewinnen (S. 3–7).
Zu der physiologischen Ebene der Emotionen in Videospielen konnten Wainess et al.
(2010) aufzeigen, dass bereits in einfachen Messungs-Szenarien physiologische
Messungen erfolgreich eingesetzt werden können. Sie testeten das Spielerlebnis bei 16
Spielern anhand von Herzschlagfrequenz und elektrodermaler Reaktion. Beim Versuch
wurde eine hohe Herzschlagrate bei Frustration und Anspannung gemessen während
eine tiefe Herzschlagrate mit positiven Emotionen korrelierte. Die elektrodermale
Aktivität korrelierte vor allem mit der negativen Emotion der Frustration (S. 49–53).
Dass Spieler trotz negativen Emotionen Spass haben, zeigen Ravaja, Saari, Salminen,
Laarni und Kallinens (2006) in ihrem Versuch. In einer Spielsituation, in der die Spieler
versagten, deuteten die physiologischen Anzeigen dennoch auf eine Emotion mit
positiver Valenz und hoher Erregung (Freude). Wurde den Spielern die Wiederholung
der Situation gezeigt, so kam es zu Emotionen mit negativer Valenz. Je nachdem ob der
15
Spieler die Situation aktiv durch das Spielen oder durch das Zuschauen verfolgte,
bewertete er die Situation unterschiedlich (S. 362).
3.1.3. Emotionen und Identifikation
In Bezug auf die obengenannten Theorien zu Emotionen in Videospielen scheinen sich
die Autoren in einem Aspekt einig zu sein: durch die Interaktivität unterscheidet sich
das Erleben der Emotionen in Videospielen vom Erleben der Emotionen im Medium
Film, welche hauptsächlich passiv empathisch miterlebt werden (Grodal, 2003; Perron,
2005a; Frome, 2007; Järvinen, 2009, Pietschmann, 2009).
Zwar kann der Spieler in Videospielen Emotionen ähnlich wie im Film empathisch
miterleben (Beispiel: Third-Person-Emotionen: Pietschmann, 2009; fictional emotions:
Perron, 2005a; narrative emotion: Frome, 2007) oder Emotionen erleben, die auf die
ästhetische Natur des Spiels gerichtet sind (Beispiel: attraction emotions: Järvinen,
2009; artifact emotion: Perron, 2005; Frome, 2007). Im Vordergrund stehen jedoch die
Emotionen, welche beim Spielen durch die eigene Handlung entstehen und auf einem
selbst gerichtet sind.
Videospiele als „simulations of basic modes of real-life experience“ (Grodal, 2003, S.
129) erlauben dem Spieler durch die Interaktivität, sich selbst als Bestandteil der
Handlung zu erfahren (Pietschmann, 2009, S. 101). Durch die Kontrolle über die
Handlung sind die Emotionen, die während des Spielens aufkommen, auf das
sympathische
Nervensystem
zurückzuführen
(Grodal,
2003,
S.
129).
Die
Spielsituationen werden kognitiv bewertet und der Spieler reagiert auf ähnliche Weise,
wie in der realen Welt (ecological emotion: Frome, 2007; gameplay emotions: Perron,
2005). So verspüren Spieler Höhenangst beim Überqueren einer Schlucht in einem
Spiel oder Angst bei der Konfrontation mit einem Monster (Frome, 2007).
Pietschmann (2009) argumentiert dabei, dass durch die Verantwortung des Spielers über
das Wohlergehen seiner Spielfigur (und damit sich selbst) eine emotionale Bindung
erschaffen wird. Mit einer starken Bindung folgt auch eine starke Identifikation, welche
dazu führt, dass sich Dimensionen von Spielfigur und Spieler überschneiden (S. 94–98).
Es scheint wahrscheinlich, dass diese emotionale Bindung zum Charakter, welche zu
einer stärkeren Identifikation sowie einer Überschneidung von Spieler und Spielfigur
führt, einen Einfluss auf die Emotionen ausübt. Diese Verschmelzung mit dem
Spielcharakter wird als unterschiedliche situationale Referenz das Gefühl verstärken
Bestandteil der Spielwelt zu sein, was zum Erleben von „realistischeren“ Emotionen
16
führen sollte, indem Spielsituationen auf ähnliche Weise, wie in der realen Welt
kognitiv bewertet werden.
Im nächsten Kapitel wird deshalb auf das Konzept der Identifikation in den Medien und
insbesondere in den Videospielen eingegangen, denn es kann vermutet werden, dass die
Identifikation mit dem Spielcharakter das emotionale Erlebnis merklich beeinflusst.
3.2. Identifikation
3.2.1. Identifikation in den Medien
Cohen (2001) fasst die Theorien zur Identifikation von Freud (1949, 1989), Wollheim
(1974) und Bettelheim (1943; 1976) zusammen und beschreibt „Identifikation“ als ein
imaginatives Erlebnis in dem eine Person das Bewusstsein ihrer eigenen Identität
aufgibt und die Welt durch die Sicht eines anderen erlebt. Sie führt zur (temporären)
Aneignung eines fremden Blickpunktes, um die Welt durch eine alternative soziale
Realität zu betrachten (zit. n. Cohen, 2001, S. 248). Dieser Prozess ist entscheidend für
die Sozialisation der Kinder und der Entwicklung von sozialen und persönlichen
Identitäten im Verlauf des Lebens. Durch die Identifikation, als Fähigkeit die Rolle von
anderen einzunehmen, wird das Individuum in die Gesellschaft integriert, indem es die
eigene Natur zu lernen versteht und sich bewusst wird, inwieweit die eigenen
Handlungen auf andere einwirken (Mead, 1934, zit. n. McDonald & Kim, 2001, S. 248).
Man entwickelt die Fähigkeit sich mit anderen zu identifizieren früh im Leben. Bereits
beim Spielen mit anderen antizipiert das Kind wie die Spielgefährten auf das eigene
Handeln reagieren. Dadurch übt es die Fähigkeit, die Perspektive der anderen Kinder
einzunehmen und identifiziert sich mit der Gruppe oder Gemeinschaft (Mead, 1934, zit.
n. Cohen, 2001, S. 248).
Die Kommunikation ist dabei der Prozess, welcher die Identifikation als Prozess
ermöglicht. Sie erlaubt Fähigkeiten wie Empathie und Sympathie zu entwickeln, welche
notwendig sind um in die Rolle von anderen Menschen zu schlüpfen. In der
Vergangenheit fand diese Kommunikation hauptsächlich interpersonell statt, doch in
unserer Gesellschaft ist sie auch durch Medien gegeben (Mead, 1934). Nach Caughey
(1986) ist der Gebrauch von fast allen Medien, wie dem Fernsehen, Filme schauen oder
Bücher lesen eine soziale Interaktion. Der Gebrauch von Medien stellt ein Wechselspiel
mit Charakteren und Menschen dar und folgt nach Reeves und Nass (1996) viele der
sozialen Regeln, wie die zwischenmenschliche Interaktion in Bezug auf Höflichkeit,
Schmeichelei und Wertung. Zuschauer würden den Medien und den Mediencharakteren
17
eine Persönlichkeit zuschreiben und diese mit ihrer eigenen Persönlichkeit explizit
vergleichen. Durch die Interaktion mit Charakteren in Bücher oder in Filmen erweitern
die Menschen folglich ihre emotionalen Horizonte und soziale Perspektiven (zit. n.
McDonald & Kim, 2001, S. 248).
Cohen (2001) beschreibt ferner die Identifikation in den Medien als Prozess, in der die
Eigenwahrnehmung stark zurück geht und anstatt dieser eine temporäre gesteigerte
emotionale und kognitive Bindung mit dem Charakter stattfindet. Der Mediennutzer
stellt sich vor, für eine kurze Zeit der Charakter im Buch oder im Film zu sein. (S. 251–
252). Eine Szene, die den Zuschauer dazu bringt die Perspektive des Charakters
anzunehmen (Wilson, 1993), die Vorliebe für ein bestimmter Charakter (Cohen, 1999)
oder eine Gemeinsamkeit zwischen Zuschauer und Charakter können zu einer
psychologischen Verschmelzung oder Bindung führen, die dazu führt, dass der
Zuschauer die Ziele des Charakters verinnerlicht, anfängt mit dem Charakter
mitzufühlen und sich mit zu identifizieren (zit. n. Cohen, 2001, S.248).
Wenn
der
Zuschauer
in
einem
kognitiven
und
emotionalen
Zustand
der
Selbstvergessenheit ist, kann der Identifikationsprozess beendet oder unterbrochen
werden, wenn er sich seiner selbst wieder bewusst wird, sei es durch einen externen
Stimulus, wie ein Telefonanruf oder einen internen Stimulus, zum Beispiel ein
Szenenwechsel im Film oder durch das Ende der Geschichte (Cohen, 2001). Eine
Messung der Identifikation, stellt sich als schwierig heraus, gerade weil diese ein
imaginativer Prozess ist, charakterisiert durch einen veränderten Bewusstseinszustand.
Die Zuschauer sind sich der Identifikation im Moment, in der sie stattfindet nicht
bewusst. Sie sind dennoch in der Lage sich rückwirkend daran zu erinnern, wie vertieft
sie von der Handlung waren und wie sie die Ziele, die Gefühle und die Perspektive der
Charaktere nachempfanden und einnahmen (S. 252).
Cohen (2001) geht von vier Dimensionen aus um die Identifikation in den Medien zu
messen. An erster Stelle wäre die Empathie oder die Fähigkeit die Gefühle der
Charaktere zu teilen, gefolgt vom kognitiven Aspekt die Perspektive des Charakters
einzunehmen. Beide Dimensionen können gemessen werden anhand von Angaben der
Zuschauer, inwiefern diese den Charakter und dessen Motivationen verstanden haben.
Die Motivation wäre die dritte Dimension und bezieht sich auf das Ausmass des
Zuschauers, die Ziele der Charaktere zu teilen und für sich einzunehmen. Als letzte
Dimension
nennt
Cohen
(2001)
die
Absorption
oder
der
Ausmass
der
Selbstvergessenheit. Weil Identifikation als temporärer und flüchtiger Prozess
18
angesehen wird, sollten sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit solcher Momente
der Selbstvergessenheit festgehalten werden, in denen der Zuschauer zum Beispiel
gänzlich von einem Text eingenommen wird und die Zeit vergisst.
Ferner meint der Autor zu den Faktoren, welche die Identifikation beeinflussen, dass die
bisherige Forschung mit verschiedenen Definitionen von Identifikation arbeitete, was
eine Operationalisierung von Faktoren erschwert. Er erklärt, dass viele Faktoren im
Zusammenhang mit der Identifikation in den Medien beobachtet wurden. Ähnlichkeit
scheint die Identifikation positiv zu beeinflussen, sei es demographische Gleichheit im
Alter, dem Geschlecht oder der Rasse, eine ähnliche Persönlichkeit oder gleiche
Weltansichten sowie persönliche wahrgenommene Ähnlichkeiten zwischen einem
Charakter und dem Zuschauer. Vertrautheit ist auch entscheidend, genau wie bei
interpersonellen Beziehungen identifiziert man sich eher mit einem Charakter in den
Medien, dem man länger ausgesetzt wird und besser kennt. Weiterhin scheinen
Faktoren, wie das Selbstwertgefühl oder Attribute von Charakteren, wie Attraktivität
einen Einfluss auf die Identifikation auszuüben. Nach ihm sollte auch das Genre eines
Mediums berücksichtigt werden, denn Drama und Komödien sollten mit ihrer
erzählerischen Natur mehr Identifikation fördern als Nachrichtensendungen, welche den
Zuschauer als solcher ansprechen und ihn stets an seine Rolle als Zuhörer erinnern (S.
256–258).
Zum Schluss definiert Cohen (2001) zusammenfassend die Identifikation in den Medien
als einen imaginativen Prozess, in dem die Identität, Ziele und Perspektiven eines
Charakters zeitweilig eingenommen werden (S. 261).
In Zusammenhang mit Fernseh-Serien wurde das Konzept der Identifikation von Cohen
(2001) in der Studie von Chory-Assad und Cicchirillo (2005) untersucht. Die Beziehung
von Fernsehzuschauern und deren Lieblingsfernsehfigur wurde unter anderem in Bezug
auf Empathie und der Identifikation mit dem Charakter erforscht. Die Daten von 211
Teilnehmer deuteten darauf, dass die Fähigkeit die Gefühle der Charaktere zu teilen,
gefolgt vom kognitiven Aspekt die Perspektive des Charakters einzunehmen in
Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsmerkmal der Empathie standen, als Fähigkeit
die Perspektive von anderen einnehmen zu können. Zuschauer, welche eine starke
Tendenz zeigten, die Welt durch die Perspektive anderer wahrzunehmen, hatten auch
eine stärkere Tendenz sich mit den Fernsehcharakteren zu identifizieren (S. 156–157).
Tian und Hoffner (2010) untersuchten ebenfalls die Beziehung von Fernsehcharakteren
und Fernsehzuschauern anhand der Identifikation nach Cohen (2001), der Vorliebe zum
19
Charakter, der parasozialen Interaktion und der wahrgenommenen Ähnlichkeit. In der
Onlinebefragung mit 174 Teilnehmern zeigte sich, dass die wahrgenommene
Ähnlichkeit zum Charakter in positiver Verbindung zur Identifikation und der
parasozialen Beziehung stand. Die Daten suggerieren, dass wahrgenommene
Ähnlichkeit die Tendenz positiv beeinflusst die Perspektive des Charakters
einzunehmen und mit diesem parasoziale Beziehungen zu formen (Tian & Hoffner,
2010, S. 263).
3.2.2. Identifikation in Videospielen
Mit der Interaktivität führen Videospiele einen Faktor ein, der wesentlich zum Prozess
der Identifikation beiträgt und das Konzept erweitert. McDonald und Kim (2001)
weisen auf frühe Resultate von Selnow (1987) hin, welche darauf deuten, dass das
interaktive Handeln in Videospielen den Spielern ein neues Gefühl der „Zugehörigkeit“
gibt, welches beim Fernsehen nicht möglich ist. Die Fähigkeit den Charakter zu steuern
sowie weitere Rückmeldungen im Spiel sollen ein verstärktes Identifizieren mit
Charakteren ermöglichen als das blosse Zuschauen beim Fernsehen (zit. n. McDonald
und Kim, 2001, S. 241).
Videospiele
gewähren
im
Gegensatz
zu
nicht
interaktiven
Medien
dem
Mediennutzenden nicht bloss ein Umfeld mit handelnden Charakteren, sondern sie
laden zusätzlich ein, selber im gegebenen Umfeld zu handeln und sich als Teil der Welt
zu fühlen. Darüber hinaus ermöglichen einige Spiele mit ihrer voluminösen Geschichte
dem Spieler eine epische Rolle einzunehmen. Als Abenteurer, militärischer
Kommandant oder Sportler erleben sie die Geschichte in erster Hand und haben einen
Einfluss auf das Geschehen. Computerspiele bieten somit besonders eindrückliche und
faszinierende Handlungsrollen (Hartmann, 2006, S. 121).
Im Versuch von Hefner, Klimmt und Vorderer (2007) zeigte sich dieser positive
Zusammenhang
zwischen
Interaktivität
und
Identifikation.
Die
interaktive
Spielsituation erlaubte eine intensivere, „authentischere“ Erfahrung „of „being“ a
Soldier“ als die Situation in der man bloss eine Aufnahme der gleichen Spielsituation zu
sehen bekam. Gleichzeitig wurde die Identifikation mit höherem Spielspass assoziiert
(S. 45–46).
Die Identifikation mit Videospielcharakteren kann nach Klimmt, Hefner und Vorderer
(2009) als zeitliche Verschmelzung der Eigenwahrnehmung mit der Wahrnehmung des
Mediencharakters betrachtet werden und teilt viele Merkmale zu der Identifikation in
20
den Medien nach Cohen (2001). Die Autoren bauen auf Theorien der SozialPsychologie (Higgins, 1987), die zeigen, dass die Eigenwahrnehmung von Personen
sich verändert, wenn diese aufgefordert werden, die Perspektive eines Anderen
einzunehmen. Die eigene Wahrnehmung des Selbst verschmilzt dann mit der
Wahrnehmung des Anderen und die Person betrachtet sich ähnlicher zu der
eingenommenen Person (zit. n. Klimmt et al., 2009, S. 355).
Sie beschreiben die Identifikation während dem Spielen als zeitliche erhöhte
Aktivierung der Assoziationen zwischen dem Konzept des Spielers „Selbst“ und den
Konzepten, welche den anvisierten Mediencharakter beschreiben. Zum Beispiel sollte
die Assoziation „Ich – schön“ unbewusst und unwissentlich aktiviert werden, wenn der
Spieler sich mit dem attraktiven Spielcharakter identifiziert (Klimmt et al., 2009, S.
357).
Diese Art der Identifikation ist nach den Autoren speziell in interaktiven Medien
gegeben und lässt sich in vier Merkmalen abgrenzen: So sei die Identifikation in
Videospielen ein höchst selektiver Prozess. Auch wenn die Verschmelzung der Identität
des Nutzers und des Mediencharakters theoretisch unbewusst und schnell stattfindet,
deckt die Identifikation nur einzelne Persönlichkeitsdimensionen und ist keineswegs
eine Übernahme der gesamten Identität. Der Spieler vergisst nicht sein reales Ich, wenn
er
sich
mit
einem
Spielcharakter
identifiziert.
Gleichzeitig
sind
diese
Identifikationsprozesse an symbolische und nicht an physikalische Merkmale gebunden.
Schmerz, Hunger und Müdigkeit stellen keine Dimensionen der Verschmelzung dar,
dagegen
sind
Attraktivität,
Erfolg
und
Respekt
als
Dimensionen
der
Selbstwahrnehmung Schlüsselfaktoren bei der Identifikationsbildung. Bei einer
Identifikation können sich ferner die Emotionen des Spielers wie Zorn, Anspannung
und Angst sich den Emotionen des Spielcharakters annähern, physikalische Aspekte wie
Atemlosigkeit oder Schmerz sollten dem ungeachtet nicht beeinflusst werden.
Identifikation in Videospielen ist somit ein selektives Phänomen, welches die
Selbstwahrnehmung des Spielers zum Spielcharakter nicht in jeder Beziehung
angleicht. So kann auch eine Identifikation mit einem Fantasiecharakter, zum Beispiel
einem Zwerg oder Elf stattfinden, da beim selektiven Prozess symbolische Dimensionen
wie
beispielsweise
unglaubwürdige,
Macht
oder
unrealistische
Ehre
eingenommen
Charaktere
aufweisen
werden,
und
sogar
welche
auch
beabsichtigt
hervorheben (S. 358–359).
Als zweites heben Klimmt et al. (2009) hervor, dass die Identifikation in Videospielen
21
über die Zeit instabil ist. So kann auf ein Moment der starken Identifikation ein Moment
der Distanz folgen, in dem der Spieler sich dem Spielcharakter nicht mehr verbunden
fühlt. Als Beispiel nennen sie den Tod des Spielcharakters beim Spielen, in diesem Fall
wird das Ziel des Identifikationprozesses für eine kurze Zeit nicht verfügbar und dies
führt dazu, dass der Spieler sich wieder der realen Welt und der eigenen SelbstWahrnehmung bewusst wird. Die eigene ungenügende Leistung, die zum Tod des
Charakters geführt hat, wird sich auf die Selbst-Wahrnehmung auswirken und negativ
beeinflussen. Wird weitergespielt kann eine starke Identifikation wieder aufkommen (S.
360).
Die Autoren erklären, dass die Identifikation in Videospielen durch intensive Phasen
von zeitlichen Identitätsübernahmen charakterisiert wird, die Intensität aber in keiner
Weise über die gesamte Spielzeit stabil bleibt und abhängig ist davon, wie der Spieler
die Distanz zum Medium handhabt. Sie erkennen eine Konvergenz mit dem Konzept
der Präsenz nach Wirth et al. (2007), welches auch durch zeitliche Dynamik und
Schwankungen der Intensität kennzeichnet wird (zit. n. Klimmt et al., 2009, S. 360).
Die Motivation des Spielers ist nach Klimmt et al. (2009) ein drittes Merkmal, welche
die Identifikation beeinflusst. Es ist die Motivation andere Erfahrungen mitzuerleben,
die
den
Spieler
dazu
führt
auf
bestimmte
Persönlichkeitsmerkmale
von
Mediencharakteren zu fokussieren. Es kann auch vorkommen, dass der Spieler den
Identifikationsprozess bewusst auf einige wenige Eigenschaften beschränkt um
unangenehme Erlebnisse zu vermeiden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der
Charakter im Spiel moralisch fragwürdige Aktionen durchführen muss. In einem
solchen Fall wird der Spieler sich auf andere Dimensionen des Charakters
konzentrieren, mit Ausnahme der Moralität. Dies bedeutet nicht, dass negative
Erfahrungen gänzlich vermieden werden können, denn wie bereits erwähnt findet der
Identifikationsprozess mehrfach schnell und unbewusst statt. Wie stark eine
Identifikation erlebt wird und die möglichen negativen Erfahrungen die damit
einhergehen,
hängen
hauptsächlich
von
der
Medienkundigkeit
und
der
Entwicklungsstufe des Nutzers ab. Das Alter spielt eine wichtige Rolle und erwachsene
Spieler sollten im Gegensatz zu Kindern den Identifikationsprozess besser unter
Kontrolle haben (S. 360).
Als viertes vergleichen sie die Identifikation in Videospielen mit dem allgemeinen
Verständnis von Rollenspielen. Zum einem gestattet die Interaktivität in Videospielen
dem Spieler gewisse Freiheiten in Bezug, wie er den Charakter oder die ihm
22
zugewiesenen Rolle ausspielt. Der Spielcharakter ist durch vorgegebene Regeln,
Zielvorgaben und Normen vordefiniert aber Attribute wie Präzision, taktische
Intelligenz und Selbstbehauptung sind spielerabhängig und bestimmen entscheidend
den Fortgang eines Kriegsspiels. Zum anderen liefert das Spiel unmittelbare
Rückmeldungen auf die eigenen Handlungen und spornt somit den Spieler an, sich an
die Spielwelt zu adaptieren und rollengemäss zu handeln, andernfalls bekommt er
negatives Feedback in Form von Misserfolg oder Langeweile (S. 361).
Nach den Autoren stellt die Identifikation in Videospielen in Bezug auf das Ausmass
des Rollenspielens einen Mittelweg zwischen der Identifikation in passiven Medien, wie
dem Lesen, oder Fernsehen, in dem der Mediennutzende keine Kontrolle über Attribute
oder Handlungen des Charakters hat, und der Identifikation im freien Rollenspiel, in
dem der Spieler die volle Kontrolle über beides verfügt. Der vollen Identifikation am
nächsten kommt dabei das Computerspielgenre der „Rollenspiele“, welches dem Spieler
Charakterattribute und zum Teil auch das Aussehen des Spielcharakters bestimmen lässt
und somit eine starke Identifikation mit den Charakteren und Rollen erlaubt (S. 362).
Das Genre eines Spiels sollte demnach in Bezug auf den Identifikationsprozess
berücksichtigt werden. Adrienne Shaw (2011) betont ebenfalls, dass unterschiedliche
Arten von Spielen die Beziehung zwischen dem Spieler und den Charakteren auf
verschiedene Weise prägen. Die Ansicht, dass die Interaktivität selbstverständlich dazu
führt, dass der Spieler die Rolle des Hauptcharakters einnimmt, sollte mit Vorsicht
betrachtet werden. Die interaktiven spielerischen, körperlichen und sozialen Aspekte
von Videospielen führen nicht automatisch zu einer Identifikation mit den gegebenen
Charakteren. Im Gegenteil: nach der Autorin können diese Aspekte je nach Spiel sogar
eher zur Selbstreflexion führen (S. 1–2). Sie geht von einem Selbstbezug in der
Interaktivität aus: Ein Spieler wird während des Spiels oft über die eigene Handlung
nachdenken und weniger über die Handlung des Charakters oder wie er als Charakter
handelt. Die spielerischen Aspekte von Videospielen würden somit oft einen zu starken
Selbst-Bezug hervorrufen, welcher es erschwert die Rolle des Charakters im Spiel
einzunehmen. Der Spieler wird sich seiner Beziehung zum Charakter nicht bewusst,
sondern ist beschäftigt mit den eigenen Aktionen sowie der eigenen Leistungen. Eine
einnehmende Geschichte und gut ausgestaltete Charaktere und Rollen, die der Spieler
von sich aus gerne einnimmt sind die Faktoren, welche einen zu starken Selbst-Bezug
verhindern. In solchen Spielen wird der Spieler eher Fokus darauf legen sich in den
gesteuerten Charakter zu versetzen als eine blosse Aktion auszuführen (S. 6).
23
Wie intensiv die Beziehung zum Charakter ist, ist nach Shaw (2011) abhängig von
dessen Form, denn die Identifikation mit einem „unbeschriebenen“ Charakter wird
anders verlaufen als die Identifikation mit einem gut ausgearbeiteten Charakter mit
Hintergrundgeschichte. Ersteres erfordert zum Beispiel mehr Input im Sinne von
Vorstellungskraft auf Seiten des Spielers. Eine Differenzierung der verschiedenen
Beziehungen zwischen dem Spieler und den verschiedenen Sorten von Spielcharakteren
scheint sinnvoll und folgt in den weiteren Abschnitten (S. 8).
Virtuelle Figuren, welche die Spieler im Spiel verkörpern nennt man auch Avatare.
Sabina Misoch (2010) erklärt, dass sich der Begriff vom sanskritischen Wort avatâra
ableitet. Er hat die Bedeutung vom Herabstieg oder Herabsteigenden und bezieht sich
auf den hinduistischen Glauben der Verkörperung, die ein Gott annimmt, wenn er zur
Erde herabsteigt. Avatare werden als virtuelle Stellvertreter der Spielenden innerhalb
des Spiels betrachtet. Sie sind im Spiel Mittel der Fortbewegung und Interaktion und
stellen somit die Verkörperung des Spielers im Spiel dar.
Die meisten Spiele haben vorgegebene Charaktere, die der Spieler nicht verändern
kann. Der Spieler spielt einen Charakter, welcher vom Spielentwickler erstellt wurde.
Diese Charaktere haben je nach Spiel mehr oder weniger Tiefe. Deren Identität ist
mehrfach nur in den Zwischensequenzen deutlich und ist selten während dem
eigentlichen Spielen bemerkbar (S. 174).
Aufgrund der Antworten aus ihren qualitativen Interviews, ist Andrienne Shaw (2011)
der Meinung, dass der Mangel an Details in einem Charakter dazu führt, dass die
Spieler an die eigenen Handlungen denken und es seltener zur Identifikation kommt.
Wenig ausgebaute Charaktere sind, so die Autorin, wie Puppen oder Schachfiguren,
man kann damit spielen, aber man identifiziert sich nicht unbedingt mit ihnen (S. 9).
Diese Annahme bekräftigen die Ergebnisse von Schneiders Studie (2004). Es wurde
festgestellt, dass sich Spieler wesentlich höher mit Charakteren aus Spielen mit einer
Handlung identifizierten als in solchen ohne Handlung. Die Spieler fühlten sich in der
Spielsituation mit Handlung mehr als wären sie der Spielcharakter im Spiel selbst und
die narrativen Spielepisoden wurden intensiver und unterhaltsamer empfunden (S. 371).
Adrienne Shaw (2011) merkt allerdings an, dass ein Mangel an Tiefe nicht zwangsweise
zur Nicht-Identifikation führt, es erfordert bloss mehr Arbeit auf der Seite des Spielers.
Durch die Vorstellungskraft wird der Figur eine Identität zugesprochen. Als Beispiel
nennt sie das Spiel Space Invaders (Taito, 1978), ein einfaches Spiel, das über keine
Charakterentwicklung verfügt. Ein befragter Spieler in ihrer Untersuchung war fähig
24
sich in den Charakter hineinzuversetzen, und beschrieb, wie er sich vorstellte wie alles
auf ihn zählt, und er die Welt von den ausserirdischen Invasoren retten muss.
Es gibt auch Spiele, welche die Möglichkeit bieten zwischen mehreren vorgegebenen
Charakteren zu wählen. In solchen Spielen sucht sich der Spieler einen Charakter in
Abhängigkeit von strategischen oder identifikationsbezogenen Kriterien aus (Shaw,
2011, S.9). In Kampfspielen wie Marvel vs. Capcom (Capcom, 1994) oder Soul Calibur
(Namco, 1998) zum Beispiel, werden Charaktere hauptsächlich wegen ihren
Kampffähigkeiten ausgewählt. Der Spieler sucht sich einen Charakter aus mit den
Fähigkeiten, die am besten zu seiner Strategie im Spiel passen (Shaw, 2011, S. 10). Im
Aktionspiel Left 4 Dead (Valve Corporation & Turtle Rock Studios, 2008) dagegen sind
die Fähigkeiten der vorgegebenen Charaktere gleich. In diesem Fall, erklärt Shaw
(2011), findet eine identifikationsspezifische Wahl statt und die Spieler wählen
Charaktere aufgrund ihres Aussehens sowie aus ästhetischen Gründen. Sie spielen zum
Beispiel lieber mit weiblichen Charakteren. Wahrgenommene Ähnlichkeit zum
Charakter im Sinne von Rolle, Status oder Aussehen sowie Affinität zu dessen
Persönlichkeit sind weitere Merkmale, die eine identifikationsspezifische Wahl
ausmachen (S. 10).
Dass der Effekt den eigenen Charakter wählen zu können, sich verstärkend auf die
Beziehung zwischen Spieler und Charakter ausübt, wird von den Resultaten der Studie
von Lim und Reeves (2009) unterstützt. Hatten die Teilnehmer die Möglichkeit den
Spielcharakter im getesteten Spiel zu wählen, führte das zu erhöhtem Arousal. Das
Spielen
mit
dem
selbst
erwählten
Charakter
führte
zu
einer
erhöhten
Herzschlagfrequenz und beeinflusste die elektrodermale Reaktion. Dieser Effekt wurde
ferner von der Perspektive beeinflusst, was nachkommend im Kapitel ebenfalls
thematisiert wird (S. 364).
Im Sinne der Identifikation mit Charakteren stellte Adrienne Shaw (2011) allerdings
keinen grossen Unterschied zwischen den Spielen mit einem oder mehreren
vorgegebenen Charakteren. Die stärkste Identifikation erlebten die interviewten Spieler
in Spielen, welche die Möglichkeit baten den eigenen Charakter zu erstellen. Ähnlich
wie in der Studie von Waggoner (2009), beschrieben die Spieler eine tiefere
Verbundenheit zu Charakteren, die sie selbst erschaffen hatten, selbst dann wenn diese
Charaktere keine Nachbildung des Spielers und keine realistischen, menschliche
Figuren waren (zit. n. Shaw, 2011, S. 10).
Die Teilnehmer in Shaws Studie (2011) gaben zum Beispiel an in Rennspielen ein
25
stärkeres Gefühl von Besitz über Autos zu haben, die sie selbst individuell anpassen
konnten. In anderen Spielen führte das Erstellen eines Charakters nicht zwangsweise zu
einer intensiveren emotionalen Bindung und stärkeren Identifikation, die Spieler
beschrieben aber ein Gefühl von Verantwortung oder Sorge in Bezug auf die
erschaffene Figur (S. 10–11).
Dass das Gestalten der eigenen Figur tatsächlich einen Unterschied macht, konnte in der
Studie von Bailey, Wise und Bolls (2009) beobachtet werden. Die Kinder welche die
Möglichkeit hatten den eigenen Charakter anzupassen, berichteten über ein stärkeres
Gefühl von Präsenz und zeigten höhere Werte von Arousal während dem Spielen.
Auch Sabina Misoch (2010) unterscheidet zwischen vom Spiel vorgegebenen
Charakteren, so genannte „geschlossene Avatare“, welche durch das Spiel äusserlich
und konstitutionell sowie hinsichtlich ihrer Eigenschaften prädeterminiert sind, und
zwischen „offenen Avatare“, die relativ individuell vom Nutzer selbst gestaltet werden
können. Bei der Identifikation mit den geschlossenen Avataren identifiziert sich der
Spieler mit den Eigenschaften und äusseren Merkmalen des vorgegebenen Charakters,
dessen Verhalten durch die Handlung vorgegeben ist. Die Identifikation mit offenen
Avataren ist nach der Autorin ein sogenannter offener Identifikationsprozess. Der
Spieler gestaltet den Charakter nach den eigenen Bedürfnissen, Fantasien oder
Zielsetzungen individuell (S. 178–179).
Adrienne Shaw (2001) geht davon aus, dass beim Erstellen eines Charakters sich
Spieler die Hintergrundgeschichte, die Persönlichkeit und Gesinnung ausdenken. Man
hilft somit nicht bloss bei der Handlung eines vorgegebenen Charakters, sondern man
spielt die eigene Geschichte. Viele Spieler kreieren Figuren die das eigene Selbst oder
das Wunschselbst abbilden, andere erstellen gegensätzliche Figuren zum eigenen
Charakter, inspirieren sich an Personen die sie kennen oder bilden berühmte
Persönlichkeiten nach. Charaktererstellung in Spielen stellt oft einen Ausgleich
zwischen Selbstdarstellung und Kontext. Spieler versuchen einen Charakter zu erstellen,
welcher zum Kontext des Spiels passt, verpassen dem Charakter aber etwas
Persönliches und Eigenes. Ein Abbild des eigenen Ichs, erstellten die Spieler, da dies
ihnen leichter scheint als einen komplett neuen Charakter zu kreieren (S. 11).
Misoch (2010) erklärt, dass die bewusste und detaillierte Gestaltung des Avatars eine
intensive Identifikation des Spielers mit seiner Spielfigur zur Folge hat. Die Erstellung
des Avatars würde die soziale Präsenz innerhalb der virtuellen Umgebung erhöhen und
die Identifikation würde umso intensiver ausfallen je individueller die Gestaltung (S.
26
179). Einen Charakter oder Avatar zu erstellen der einem gleicht, so Adrienne Shaw
(2011), hat oft zur Folge, dass man sich intensiv mit dem Charakter identifiziert und
gerade dieses Phänomen wird oft in Onlinespielern beobachtet. Die Autorin hält fest,
dass Charaktere in Onlinespielen als Abbild des Spielers fungieren, während Charaktere
in Spielen, die der Spieler alleine spielt öfters als eigenständige Figuren betrachtet
werden. Die unterschiedlichen Spielumgebungen des Online- und Offlinespielens haben
somit ebenfalls einen Einfluss wie intensiv sich der Spieler mit seinem Charakter
identifiziert. Das Onlinespielen baut auf komplexe Interaktionen und Beziehungen
zwischen Spielern aus aller Welt. Der Spieler in einem Onlinespiel ist eher dazu
geneigt, sich im eigenen Charakter zu repräsentieren und als dieser zu agieren als in
einem Einzelspieler-Spiel, in der er nicht mit anderen Menschen interagieren kann. Der
Spielcharakter ist im Netz folglich eine Repräsentation des eigenen Selbst in
verschiedenen Wesen, Geschlechtern oder Rollen (S. 7–12).
Gerade im Hinblick auf das Onlinespielen zeigt sich ein weiteres Merkmal der
Identifikation in Videospielen. Die enge Beziehung zwischen dem Spieler mit seinen
Spielfiguren führt dazu, dass diese zu Elementen der eigenen Identität werden. Wenn
Spieler von ihrem Avatar sprechen verwenden sie zum Beispiel oft die Ich-Form
(Misoch, 2010, S. 182). Ein Avatar in einem Onlinespiel ist nicht bloss ein fiktionaler
Charakter, er ist die Persona des Spielers in der virtuellen Welt sowie eine Form der
Selbstdarstellung und Online-Identität (Wolfendale, 2007, S. 116).
Die Intensität der Identifikation geht so weit, dass Handlungen gegen die Spielfigur
innerhalb des Spiels als Handlungen gegen das eigene Selbst empfunden werden
(Misoch, 2010, S. 182). Wird dem Charakter in Onlinespielen virtuell Schaden
zugefügt, kann sich das emotional auf den Spieler auswirken. Jessica Wolfendale (2007)
erklärt, dass dies nichts Abnormales ist, sondern ein häufiges Phänomen, welches oft im
Onlinespielen beobachtet wird. Sich emotional auf ein Spiel einzulassen, erlaubt ein
intensiveres Erlebnis der Handlung, es bedeutet aber gleichzeitig, dass man verletzlicher
ist gegenüber schädigenden Handlungen von anderen Spielern. Der emotionale Schaden
ist abhängig von der Stärke der Bindung und Identifikation mit dem Onlinecharakter (S.
112–113). Wenn die eigene Spielfigur getötet wird, Ablehnung oder Beleidigungen
durch andere innerhalb des Spiels erfährt, kann das starke negative emotionale
Reaktionen hervorrufen wie Wut, Scham, Bestürzung und sogar zu Tränen führen
(Misoch, 2010, S. 182; Wolfendale, 2007, S. 112).
Der emotionale Schaden geht soweit, dass es juristische Konsequenzen mit sich zieht.
27
So wurde in Japan eine Frau verhaftet, weil sie den Avatar ihres Online-Spielpartners
nach einer eiligen Scheidung löschte. Ihr drohten bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine
4000 Euro Strafe (Knocke, 2008).
Es steht fest, dass die Beziehungsbildung zwischen dem Spielcharakter und dem Spieler
ein komplexer Vorgang ist. Zurück zur Aussage von Adrienne Shaw (2011) am Anfang
des Abschnitts, dass unterschiedliche Arten von Spielen genau diese Beziehung
zwischen dem Spieler und den Charakteren prägen, sollte zusätzlich zu all den
Faktoren, so die Autorin, das Genre des Spiels berücksichtigt werden. Es besteht stets
die Gefahr, dass das Spielerische einen zu starken Selbstbezug hervorruft und eine
Identifikation erschwert. Ein gutes Beispiel sind Geschicklichkeitsspiele wie Rock Band
(Harmonix Music Systems, 2007). Obwohl Geschicklichkeitsspiele zum Teil die
Möglichkeit geben den eigenen Charakter zu erstellen und mit anderen Spielern
gemeinsam oder gegeneinander zu spielen, beides Aspekte welche in Theorie ein
Identifikationsprozess erleichtern, identifizieren sich die Spieler während dem Spiel
nicht unbedingt mit dem kreierten Charakter. Im Spiel Rock Band (Harmonix Music
Systems, 2007) zum Beispiel beobachtete Shaw (2011), dass die Spieler die Steuerung
des eigenen Charakters einem anderem Spieler überliessen, der Spielkontroller wurde
zwischen den Spielern hin und her gewechselt. Was zählte, war die individuelle
Performance. Die Charaktere auf dem Bildschirm waren blosse Gestalten, denen man
zuschaute, die man aber nicht „bewohnte“ (S. 7).
Als zusätzliche Besonderheit der Identifikation in Videospielen, steht gerade dieses
Gefühl des „bewohnen“, in der sich der Spieler als Charakter des Spieles fühlt und
welche Hefner et al. (2007) beschreiben als „das Gefühl oder Illusion eine
Schlüsselrolle innerhalb des Spieluniversums zu spielen“ (S. 40). Es deutet auf den
starken einnehmenden Charakter von Videospielen hin (Schneider, 2004, S. 372) und
erinnert nach Klimmt et al. (2009) stark an das Konzept der Präsenz.
The way players ‘‘fill in’’ the role offered to them shapes the properties and course of the
game, which implies that players are not merely observers of the media environment (and
of the media characters in it) as they are in television settings, but that they actively
participate in the story unfolding on screen (Vorderer, 2000). Through interactivity, then,
video games (partly) override the distance between media users and media characters:
Players either directly control one specific character or take on a social role represented in
the game world (Klimmt, 2003). In both cases, players do not observe autonomous social
entities performing on screen, but they make characters perform or actually perform
themselves. The concept of presence (e.g., Wirth et al., 2007), the perceived spatial
immersion into a mediated environment, has been applied to video games (Tamborini &
Skalski, 2006) and has been linked to players’ interactive connection with the game
elements as well as the multimodal (visual, auditory, tactile) presentation of the game
world (Klimmt et al., 2009, S. 353–354)
28
In der Forschung konnte bereits ein Zusammenhang zwischen dem Gefühl in einer
medienvermittelten Umgebung zu sein oder handeln zu können (Immersion) und der
Identifikation beobachtet werden. In ihrem Versuch zu unrealistischen, gewalttätigen
Videospielen stellten Arriaga, Esteves, Carneiro und Monteiro (2008) eine positive
Verbindung zwischen Immersion („I felt absorbed/immersed inside the game“) und der
Identifikation mit dem Spielcharakter fest (S. 534).
Konijn, Nije Bijvank und Bushman (2007) untersuchten wishful identification in
Videospielen. In ihrem Versuch war der Wunsch des Spielers so zu sein wie der
Charakter am stärksten in Situationen in der Immersion, unter anderem erfasst mit dem
Item „ While playing, I completely forgot my surroundings“, auch hoch war (S. 1042).
Przybylski, Weinstein, Murayama, Lynch und Ryan (2012) untersuchten inwiefern
Videospiele eine Umgebung liefern, in der ein Spieler durch den Spielcharakter sein
Idealselbst ausleben kann. In ihrem Versuch stellte sich heraus, dass Immersion die
Beziehung
moderierte
zwischen
der
game-self-ideal-self-
Konvergenz,
die
Überschneidung zwischen dem Idealbild des Spielers oder wie er gerne wäre, dem
game-self, wie er sich beim Spielen erlebt und dem actual-self, wie sich der Spieler im
Alttag erlebt. Die Autoren hielten fest, dass gemäss ihren Ergebnissen Immersion eine
wichtige Rolle bei der Identifikation mit Charakteren in virtuellen Umgebungen spielt
(S. 73–74).
Insbesondere Spiele mit der Ich-Person-Perspektive werden mit hoher Immersion und
Identifikation assoziiert (Eastin & Griffiths, 2006, S. 450; Lankoski, 2007, S. 292). In
dieser
Perspektive
verschmilzt
der
Blickpunkt
des
Betrachters
mit
dem
Handlungspunkt. Der Spieler visualisiert keinen Avatar, sondern sieht lediglich eine
Hand oder Waffe an der Unterseite des Bildschirms. Durch diese visuelle Technik der
Involvierung wird eine körperliche Anbindung ans Spiel hergestellt. Der Spieler soll das
Gefühl bekommen, dass die sichtbare Hand zum eigenen Körper vor dem Bildschirm in
der realen Welt gehört (Neitzel, 2008, S. 105–106).
The intention is that the player identifies with the game character whose hands, the
player’s virtual prostheses, are seen receding into the game environment (Grimshaw,
2008). This identification with the character, and the use of hands only, provides a firstperson perspective with which it is proposed that, visually, player immersion in the game
world derives from the player becoming the game character, in the sense of the player
having the experience of acting within the game world. (Grimshaw, Lindley & Nacke,
2008, S. 10)
Jürgen Fritz (1997) spricht dabei von einer sensumotorischen Synchronisierung. In
Spielen mit elektronischen Stellvertretern, wie Spiele mit der Dritt-Person-Perspektive,
29
schlüpft man in die Spielfiguren „wie in einen Handschuh“ und spielt mit ihnen, wie mit
einer Marionette. In Spielen ohne eine sichtbare Identifikationsfigur, wie im Falle von
Spielen mit der Ich-Person-Perspektive dagegen, bewege man sich wie in einer „neuen
Haut“ und das Spiel wird zu einer taktilen Körpererweiterung. Diese körperliche
Verbindung macht sich während des Spielens, speziell bei ungeübten Spielern, als
Synchronisierungsbewegungen sichtbar, in dem der Körper des Spielers synchron zu
Bewegungen der Spielfigur mitreagiert. So legt sich ein Spieler beispielsweise mit
seinen ganzen Körper in die Kurve, wenn er in einem Rennspiel die Kurve scharf
nehmen will oder springt mit hoch, wenn die Spielfigur über einen Hindernis springen
soll (S. 23).
Wiemer (2006) beschreibt diese „mimetische Körperreaktionen“ als Distanzverlust
zwischen Körper und Bild. Die Reaktionen sind nach ihr ein Element der Erfahrung von
Immersion. Das Verhältnis von Körper und Bild in der sensomotorischen
Synchronisierung lässt sich nach der Autorin gleichzeitig als Realismus-Effekt
verstehen, welcher durch die unmittelbare Wirksamkeit über die Möglichkeit von
Körpererfahrungen in einer elektronischen Feedback-Anordnung erreicht wird. In
Videospielen vermischen sich somit Präsenzeffekte mit der körperlichen Handlungsund Wahrnehmungsdimension (S. 250).
Dass die Perspektive einen Einfluss hat auf das Gefühl in der medial vermittelten Welt
präsent zu sein, konnte bereits in Studien beobachtet werden. Stärkere Gefühle von
Präsenz wurden in der Studie von Kallinen, Salminen, Kedzior, Sääksjärvi und Ravaja
(2007) in der Spielsituation mit der Ich-Person-Perspektive beobachtet. Hinzu wurde in
der Studie von Lim und Reeves (2009) beobachtet, dass das Gefühl in der Spielwelt
präsent zu sein in der Spielsituation mit der Ich-Person-Perspektive nur höher war,
wenn der Spieler keine Möglichkeit hatte, den eigenen Charakter selbst zu wählen und
stark vom Geschlecht abhängig war. Dies wiederum deutet auf komplexere
Zusammenhänge, welche den Einfluss der Perspektive als Mittel zur Identifikation
beeinflussen (S. 365).
Das Gefühl in der medienvermittelten Umgebung in Spielen der Ich-Person-Perspektive
wird zusätzlich durch den Sound unterstützt. Grimshaw (2007) erklärt, dass
insbesondere, wenn Kopfhörer getragen werden, welche den Spieler von den
Geräuschen seiner Umwelt abschirmt, der diegetische Sound im Spiel den Spieler
physisch ans Spiel bindet (S. 122).
30
If the diegetic, sonic world of the film exists solely for the characters on screen, then the
diegetic sonic world of the FPS game extends from the screen to physically encapsulate
the player in the acoustic ecology's real resonating space. This is particularly the case
where the player is using headphones because they serve as an extension to the player's
proprioceptive auditory system greatly attenuating, and in some cases entirely blocking
out, sounds external to the game world such that, for example, the sounds of the character
breathing become the sounds of the player breathing.[a form of sensory immersion] Thus,
FPS game diegetic sounds extend the game environment from a flat, 2-dimensional
screen to the 3-dimensionality of the external world. The player's proprioceptive sounds
are replaced by the character's proprioceptive sounds and all other game world sounds
envelop the player as part of the game's real resonating space. These sounds form part of
not only the real resonating space but also the virtual resonating space of the game and
thus help to immerse the player, both physically and mentally, in the FPS game acoustic
ecology. (Grimshaw, 2007, S. 122).”
Dieser Effekt konnte Grimshaw, Lindley und Nacke (2008) in einer Studie mit 36
Teilnehmern aufzeigen. Die Spielsituation mit diegetischen Sound (Charaktergeräusche
und Schrittgeräusche des Spielcharakters) wurde von den Probanden in Bezug auf
sensorische Immersion, als Gefühl die Spielwelt erforschen zu können und ebenso in
Bezug auf Flow, als Gefühl in der Spielwelt absorbiert zu sein und das Zeitgefühl zu
verlieren, höher bewertet als die Spielsituationen ohne diegetischen Sound (S.4–5).
Von einem Zusammenhang zwischen Präsenz und Identifikation gehen ferner Abeele et
al. (2010) aus. Das Gefühl der Präsenz in Videospielen beschreiben sie als embodied
presence: „embodiment being a notion that has been used in virtual reality theory to
refer to the embodied nature of an experience […], the fact that one experiences one’s
environment through one’s body “ (Abeele et al., 2010, S. 127). Es ist nach ihnen ein
Faktor für das Erfassen der Identifikation mit dem eigenen Avatar in Onlinespielen.
Weitere Faktoren in ihrer Identifikationsskala für die Erfassung von AvatarIdentifikation in Onlinespielen sind perceived similarity, die wahrgenommene
Ähnlichkeit zwischen dem Spieler und dem Charakter sowie wishful identification,
welche ähnlich wie in Konijn, Nije Bijvank und Bushman (2007) erfasst, inwiefern der
Spieler seinem Charakter ähneln möchte (Abeele et al., 2010, S. 132; van Looy,
Courtois, Vocht & Marez, 2012).
Mit diesen Faktoren beziehen sich die Autoren auf die Theorie der Selbst-Diskrepanz
(Higgins, 1987), welche (wahrgenommene) Ähnlichkeit und Wunsch-Identifikation als
Mechanismen der Identifikation betrachten. Die Identifikation durch Ähnlichkeit findet
statt wenn der Zuschauer glaubt sich physisch, geistig oder in Beziehung auf den
Gesellschaftsstatus einem fiktionalen Charakter zu ähneln.
Dagegen bezieht sich die Identifikation durch Wunschdenken auf den Wunsch des
Zuschauers einem Charakter ähneln zu wollen, ihn als Vorbild für zukünftige
Handlungen und der Identitätsentwicklung nachzuahmen, und gezielt Verhaltensmuster
31
zu imitieren (zit. n. Abeele et al., 2010, S. 132).
Eine Verminderung der Selbst-Diskrepanz zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung
und der Wunsch-Identifikation, die während der Mediennutzung stattfinden kann, stellt
nach Hefner et al. (2007) das Vergnügen der Identifikation in Videospielen dar. So
erlaubt die Identifikation mit einer gegebenen Rolle im Spiel neue Erfahrungen, welche
eng mit dem eigenem Ich verknüpf werden. Indem der Spieler Eigenschaften des
Spielcharakters übernimmt, welche er als attraktiv betrachtet, nimmt er sich selbst als
die Person war, die er gerne sein möchte.
Die Identifikation als Mittel, um sich selbst näher zu der idealisierten Identität zu sehen
ist folglich ein Weg um vorübergehend die Selbst-Diskrepanz zu vermindern und
Unterhaltung zu erleben. Für junge männliche Spieler zum Beispiel sollte die
Identifikation mit Spielcharakteren wie Soldaten, Krieger oder Gangster die
Möglichkeit geben, sich dem eigenen Idealbild zu ähneln und sich dementsprechend
mutiger, maskuliner und dominanter zu fühlen. Auch das Leistungserleben wird mit
Unterhaltungserleben in Computerspielen assoziiert und bestärkt nach den Autoren den
Identifikationsprozess. Ist ein Spieler im Spiel erfolgreich, wird das Gefühl vermittelt
die Rolle des Spielcharakters gut zu erfüllen (S. 44–45).
Der Prozess der Identifikation als Mittel sich dem Idealbild näher zu fühlen ist nach
Hefner et al. (2007) eines der wichtigsten Faktoren für Vergnügen in Videospielen und
könnte eine mögliche Erklärung liefern warum komplexe Interaktionsmöglichkeiten
und prächtige audiovisuelle Darstellungen der Spielwelten mit Spielvergnügen
assoziiert werden. Denn technische Verbesserungen, wie das Erschaffen einer
überzeugenden räumlichen und sozialen Umgebung ermöglichen das Präsenzerleben zu
verstärken und gute narrative Elemente, wie eine spannende Hintergrundgeschichte,
welche die einzunehmende Rolle interessant vermittelt, führen zu einer stärkeren
Identifikation und steuern somit indirekt zum Unterhaltungserleben bei (S. 46).
Abschliessend steht fest, dass die Identifikation in Videospielen einen vielseitigen
Prozess darstellt, welcher ansatzweise in der Forschung untersucht wurde aber in Bezug
auf Definition noch relativ offen ist. Zusammenfassend werden nun die wichtigsten
Merkmale der Identifikation in Videospielen genannt und das Konzept für die Arbeit
eingegrenzt.
Identifikation
in
Videospielen
kann
als
zeitliche
Verschmelzung
der
Eigenwahrnehmung mit der Wahrnehmung des Mediencharakters betrachtet werden. Es
ist ein höchst selektiver Prozess, welcher unbewusst und flüchtig stattfindet und über
32
die Zeit instabil ist. Der Prozess ist abhängig von der Motivation des Spielers, sich auf
die Handlung einzulassen und ist vergleichbar mit einem Rollenspiel (Klimmt et al.,
2009).
Die Beziehung zum Charakter oder Avatar beeinflusst den Identifikationsprozess und
ist abhängig vom Spiel, vom Genre und von der Gegebenheit, ob das Spiel offline im
Einzelspielermodus oder online mit anderen gespielt wird (Misoch, 2010; Shaw, 2011).
Man unterscheidet dabei grob zwischen der Identifikation mit geschlossenen Avataren,
Charakteren, welche durch das Spiel äusserlich, konstitutionell und hinsichtlich ihrer
Eigenschaften vom Spiel vorbestimmt sind, und offenen Avataren, Charakteren, die der
Spieler selbst relativ individuell erstellen kann. Mit offenen Avataren findet ein
sogenannter offener Identifikationsprozess statt. Der Spieler gestaltet den eigenen
Charakter nach den eigenen Bedürfnissen, Fantasien oder Zielsetzungen (Misoch, 2010;
Shaw, 2011).
Die Identifikation baut ferner auf die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen dem
Charakter und dem Spieler. Eigenschaften, Merkmale oder Verhaltensweise eines
Charakters, die der Spieler glaubt zu teilen, erleichtern ihm die Identifikation. Sie kann
auch auf dem Wunsch des Spielers aufbauen, dem Charakter ähneln zu wollen. Der
Charakter wird als Vorbild und für die Identitätsentwicklung nachgeahmt, was als
Wunsch-Identifikation bezeichnet wird (Abeele et al., 2010; van Looy et al., 2012).
Die Identifikation in Videospielen steht in positiver Verbindung zur Immersion als
Gefühl in der medienvermittelten Umgebung zu sein und seine Aussenwelt zu
vergessen und wird mit Präsenz assoziiert (Arriaga et al., 2008; Klimmt et al., 2009;
Konijn et al., 2007; Przybylski et al., 2012).
Das Vergnügen bei der Identifikation in Videospielen entsteht vermutlich in der
Verminderung der Selbst-Diskrepanz zwischen dem Spieler und der eigenen WunschIdentifikation, welche der Charakter im Spiel darstellt. Das Identifizieren mit den
Spielcharakteren ist ein Mittel um sich selbst näher zu der idealisierten Identität zu
fühlen und die Selbst-Diskrepanz zu vermindern (Hefner et al., 2007; Klimmt et al.,
2009).
33
3.3. Forschungsstand zu Horror
Im vorherigen Kapitel wurden Theorien zu Emotionen in den Medien und Videospielen
sowie dem Konzept der Identifikation vorgestellt mit dem Ziel das komplexe
Interaktionsgefüge des emotionalen Erlebens in der Medienrezeption zu erklären. In
dem folgenden Kapitel wird ferner auf das Genre des Horrors eingegangen. Es werden
Studien und theoretische Darlegungen präsentiert, welche unter anderem die Vorliebe
nach Horror und das Erleben der Angst in Horrorfilmen zu erklären versuchen. Auch in
diesem Abschnitt wird zuerst auf den Horror in den klassischen Medien, als Horrorfilm
und anschliessend in Horror-Spielen eingegangen.
3.3.1. Forschungsstand zu Horrorfilmen
Nach Marvin Zuckerman (1996) ist die Vorliebe für morbide, Horror und Angst
einflössende Stimuli nichts Aussergewöhnliches oder Neues, bloss hat sich das Medium
im Laufe der Zeit geändert. Bereits die Römer erfreuten sich an blutige
Gladiatorenkämpfe oder an öffentlichen Hinrichtungen. Es schien nichts Abnormales zu
sein, kein Römer hinterfragte warum Menschen sich an dem grausigen Schauspiel
erfreuten. In unserer Zeit wird diese Vorliebe durch das Medium Film, Fernsehen und
eben den Horror-Spielen ausgelebt. Die Mythen um Monster und Geister, welche in
früheren Zeiten für gruselige Stunden um das Lagerfeuer sorgten, wurden auf die neuen
Technologien adaptiert und werden dank Spezialeffekte und Farbfilm Blut umso
eindringlicher und gruseliger wiedergegeben. Das Faible fürs Schauderhafte und
Horrende wurde unter anderem von Psychoanalytikern mit unterdrückten Aggressionen
und Angstbewältigung in Verbindung gebracht und Soziologen sehen es als ein
Anzeichen für den Verfall der Gesellschaft (S. 147). Nach Zuckerman (1996) ist es aber
wichtig zu erkennen, dass das Phänomen des Faibles für das Gruselige schon immer
existiert hat und es nicht ausschliesslich als Psychopathologie des Einzelnen oder der
Gesellschaft abgeschrieben werden sollte. Vielmehr sollte man dem Phänomen offen
entgegentreten und sich zum Beispiel der wichtigeren Fragen widmen wo die Ursprünge
der individuellen Unterschiede in Bezug auf das Interesse zum Morbiden liegen (S.
147). Eine mögliche Erklärung für die Vorliebe von Horror liefert nach Zuckerman
(1996) das Persönlichkeitsmerkmal der Sensationssuche (sensation seeking), welche die
Tendenz eines Individuen beschreibt, immer neue und intensivere Reizen und
Erfahrungen zu suchen. Menschen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal sind
34
unterstimuliert und versuchen durch äussere Stimuli das optimale Erregungsniveau zu
erreichen. Sie suchen stets abwechslungsreiche, neuartige, komplexe und intensive
Sensationen und Erfahrungen und sind auch bereit dafür physische, soziale, rechtliche
und finanzielle Risiken in Kauf zu nehmen. Er geht davon aus, dass Personen mit
ausgeprägter Sensationssuche die starken negativen Emotionen, wie Angst und
Schrecken, positiv bewerten, während Personen die dieses Merkmal nicht besitzen die
negative Emotionen bloss als unangenehm empfinden und meiden (S. 148).
In ihrer Studie zu Horror-Filmen und Sensationssuche konnte Edwards (1991) eine
ausgeprägte Korrelation zwischen Interesse für das Subgenre des Gothic-Horrorfilms
und diesem Persönlichkeitsmerkmal vorweisen. Weniger starke Korrelationen waren
zwischen dem Subgenre des Science-Fiction-Horrors wie Alien (20th Century Fox,
1979) und Filmen wie Halloween (Compass International Pictures, 1978) und Psycho
(Paramount Pictures, 1960) zu beobachten.
Lawrence und Palmgreen (1996) stellten einen Zusammenhang fest zwischen dem
Erregungsbedarf von Individuen und der Vorliebe nach Horrorfilmen. Faktoren von
Sensationssuche
wie
Intoleranz
gegenüber
Langeweile,
Enthemmung
und
Risikobereitschaft korrelierten positiv mit der Vorliebe nach Horror. Die Autoren
schliessen daraus, dass Individuen, welche ein Faible für Horror haben, einen
überdurchschnittlichen Bedarf nach emotionalen und sozialen Stimuli haben, welchen
sie mit dem Konsum von Horrorfilmen abdecken. Im Kino können Horrorfans ihre
Bedürfnisse nach starken und ungewöhnlichen Emotionen befriedigen indem sie sich
während der Vorführung mit den Charakteren im Film identifizieren, sie entfliehen der
Langeweile und engagieren sich in enthemmendes soziales Verhalten (S. 175–176).
Einen weniger ausgeprägten Zusammenhang fanden Ron Tamborini und James Stiff
(1987). Sie untersuchten in einer Umfrage die Motive und die Anziehung in Bezug auf
Horrorfilmkonsum und befragten 155 Kinobesucher nach einer Vorführung von
Halloween II (Universal Pictures, 1981) nach der Vorliebe und Motivation für
Horrorkonsum sowie für das Persönlichkeitsmerkmal der Sensationssuche. Beim
weiblichen Publikum war besonders das Bedürfnis nach einem Happy End wichtig,
während Männer in Horrorfilmen sich an der Darstellung von Macht und Destruktion
erfreuten. Sensationssuche hatte nur wenig Einfluss. Zusätzlich zeigten die Daten der
Umfrage, dass speziell Männer und junge Zuschauer sich an Horrorfilmen erfreuen (S.
431).
Ein weiteres Persönlichkeitsmerkmal, welches in Zusammenhang mit Horror betrachtet
35
wurde, ist Empathie, welche einfach erklärt als Fähigkeit, sich durch das
Vorstellungsvermögen in die Lage anderer hineinzuversetzen oder als die Reaktion
eines Individuums zu den Erlebnissen eines anderen, beschrieben werden kann (Davis
1983; zit. n. Tamborini, Stiff & Heidel, 1990, S. 617).
Empathie wird als multidimensionales Konstrukt verstanden, bestehend sowohl aus
kognitiven und affektiven Komponenten. Es umfasst die Dimensionen Fantasiefähigkeit
(wandering emagination), fiktive Beteiligung (fictional involvement), humanistische
Orientierung (humanistic orientation) und emotionale Ansteckbarkeit (empathic
concern) (Davis, 1980; Stiff; Dillard, Somera, Kim & Sleight, 1988; zit. n. Tamborini et
al., 1990, S. 617).
Tamborini, Stiff und Heidel (1990) gehen davon aus, dass Empathie eine zentrale Rolle
spielt beim Erleben von Horror. Die Dimensionen der Empathie, insbesondere die
Dimension der Fantasiefähigkeit, die sich durch Tagträumen oder Fantasieren über
fiktionale Situationen beschreiben lässt, ermöglicht die Emotionen und Handlungen von
fiktionalen
Charakteren
durch
die
Vorstellungskraft
nachzuvollziehen
und
nachzuempfinden. Betrachtet ein Individuum, das hoch empathisch ist einen
Horrorfilm, ist er empfindsam und mitfühlend gegenüber dem dargestellten Erlebnis der
Angst und des Leidens der Charaktere. Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass
Personen die hoch empathisch sind Horrorfilme eher negativ erleben, da sie
überwiegend mit negativen Emotionen konfrontiert werden und diese auch
mitempfinden. In ihrer Studie, in der Studenten einen Empathiefragebogen ausfüllten
und kurze Horrorclips bewerteten, zeigte sich in der Tat, dass hohe Empathie mit
geringerem Unterhaltungserleben einherging (S. 629–631).
In einer Studie zu den Bewältigungsmechanismen von Jugendlichen in furchterregenden
Massenmedien (Hoffner, 1995) zeigte sich ebenfalls ein negativer Zusammenhang
zwischen Empathie und der Vorliebe für Horror. Cynthia Hoffner (1995) konnte
beobachten, dass Jugendliche, die hoch empathisch sind öfters zu Regulationsstrategien
greifen, wie Rationalisierung („Es ist nur ein Film.“), Abwendung durch Wegschauen,
Ablenkung durch andere Gedanken und Trost, indem man sich näher zu anderen
Zuschauern rückt. Die Jugendlichen kommen auf diese Weise mit den negativen
Emotionen, die während dem Filmschauen aufkommen, besser zurecht. Analysen des
Zusammenhangs zwischen Empathie und der Vorliebe nach furchterregenden Filmen
zeigten ferner, dass erfolgreiche Regulationsstrategien das Unterhaltungserleben bei
emphatischen Zuschauern steigern können (S. 341–342).
36
Eine andere Annäherung schlägt Dolf Zillman (1996) mit der Excitation-TransferTheorie vor. Der empathische Stress, welcher der Zuschauer empfindet, wenn er sieht
wie geliebte Figuren im Film gequält werden und leiden, führt dazu, dass die
Erleichterung, bei einem Happy End intensiver erlebt wird. Die erhöhte Erregung, die
Angst und die bedrückenden Gefühle während eines Horrorfilms, welche durch
Spannung kontinuierlich aufgebaut werden, werden durch eine befriedigende Auflösung
am Ende des Films in ein euphorisches, positives, belohnendes emotionales Erlebnis
umgewandelt. Sollte der Zuschauer dagegen vom Ende des Films enttäuscht und
unglücklich sein, kommt die verbleibende Erregung zu den negativen Gefühlen von
Enttäuschung und Traurigkeit hinzu und das intensiviert das Gefühl von Dysphorie.
Nach Zillmann (1996) würde dieser Vorgang erklären, warum Horrorfilme, welche
hauptsächlich negative Emotionen hervorrufen, letztendlich als unterhaltend empfunden
werden. Umso höher die negative Erregung während des Films, umso intensiver wird
das Gefühl der Euphorie erlebt bei einem Happy End am Ende des Films (Zillmann
1996, zit. n. Hoffner & Levine, 2005, S. 209–210). Diese Annahme konnte jedoch in
der Praxis nicht nachgewiesen werden. Zwar konnte in Studien beobachtet werden, dass
mit dem Mass an negativen Gefühlen auch ein höheres Unterhaltungserleben verbunden
war, dieser Zusammenhang war aber unabhängig davon, ob es ein Happy End gab oder
nicht (Hoffner & Cantor, 1991a; Sparks, 1991; Zillmann,Weaver, Mundorf & Aust,
1986; zit. n. Hoffner & Levine, 2005, S. 210)
Dieses positive Erleben von negativen Emotionen in Horrorfilmen erklären Bartsch,
Appel und Storch (2010) mit der Vermutung, dass alle Emotionen, auch negative und
ambivalente, positiv erlebt werden insofern sie auf dem Level der Meta-Emotionen mit
positiven Gedanken oder Gefühlen einhergehen. Das Konzept der Meta-Emotionen
wirkt auf mehreren Ebenen. Eine Emotion kann in Bezug auf die eigene Einstellung zu
einer spezifischen Emotion, eine Einstellung zu Emotionen im Allgemeinen oder
situationsabhängig bewertet werden. So wird eine Person, die eine Abneigung gegen die
Emotion Angst hat, diese stets als negativ empfinden, egal in welcher Situation,
während ein Anderer das Gefühl der Angst während eines Horrorfilms dagegen als
positives Erlebnis empfindet (S. 195). Bartsch et al. untersuchten dabei die allgemeine
Stellung zu Emotionen. In ihrer Untersuchung nutzen sie die Need for Affect-Skala von
Maio und Esses (2001), welche Affekt mit Stimmung, Emotionen, Vorlieben und
spezifische Bewertungen konzeptualisiert und die allgemeine Motivation von Personen
erfasst, Situationen, die emotional sein können, zu suchen oder zu meiden. Die Need for
37
Affect-Skala wurde in Zusammenhang mit einem Horror/Thriller und einem
Geschichtsdrama untersucht. Es bestand ein Zusammenhang zwischen einer hohen
Punktezahl auf der Skala, einem höheren Level an emotionaler Beteiligung und
positiveren Meta-Emotionen von Männern und Frauen im Drama sowie im Horrorfilm.
Individuen, welche auf der Skala hoch punkteten, waren motivierter negative und
ambivalente Gefühle stärker auszuleben, bewerteten diese positiver auf dem Level der
Meta-Emotionen und empfanden die Emotionen als normativ angemessener als
Individuen mit tiefer Punktzahl auf der Skala (Bartsch et al., 2010, S. 195).
Ein
Zusammenwirken
der
Persönlichkeitsmerkmale
von
Empathie
und
der
Sensationssuche in Bezug auf Horror konnte Johnston (1995) feststellen. Er befragte
220 Schüler in Bezug auf ihren Horrorfilmkonsum, sogenannter Slasher-Filme, die zu
der Zeit sehr populär waren und Horror und Gewalt explizit graphisch darstellen und
erfasste zusätzlich Faktoren wie Ängstlichkeit, Identifikation mit dem Täter und dem
Opfer, Empathie sowie Sensationssuche. In Bezug auf die Motivation sowie hinsichtlich
kognitiver und affektiver Gründe Horrorfilme zu schauen zeichneten sich vier Gruppen
ab (S. 546–547).
Der gore-watcher war durch tiefe Empathie, tiefe Furchtsamkeit und hohes adventure
seeking (eine der zwei erfassten Dimensionen von Sensationssuche) gekennzeichnet. Er
identifizierte sich beim Betrachten eines Horror-Filmes hauptsächlich mit dem Killer
und erfreute sich vor allem an der Darstellung von Gewalt, dem Spritzen vom Blut, dem
Quälen und Tod der Charaktere. Diese Gruppe schaute sehr häufig Horrorfilme.
Der thrill-watcher hatte hohe Empathiewerte, hohes adventure seeking und erfreute sich
beim Schauen von Horror an der Spannung und der Ungewissheit. Das Gefühl
erschreckt zu werden und Angst zu haben empfand er als unterhaltsam.
Keine Präferenz für Gewalt oder Suspense kennzeichnete die dritte Gruppe, der
independent watcher. Diese Gruppe erlebte Horrorfilme in der Regel positiv und nutzte
die Filme als Möglichkeit zum Rollenspiel. Sie testeten mit dem Schauen der Filme
ihren Mut und Reife.
Die vierte Gruppe, problem watcher, setzte sich von den anderen Gruppen ab, durch die
Angabe, bei Horrorfilmen Gefühle der Einsamkeit und Wut zu empfinden. Sie ist
gekennzeichnet durch tiefe Empathiewerte und die Sensationssuche-Eigenschaft des
Missbrauchs von Genussmitteln und Drogen. Beim Schauen von Horror identifizierte
sich die Gruppe mit den Opfern, was nach dem Autor, die wahrgenommene
Hilflosigkeit der Individuen verdeutlicht (S. 546–547).
38
Dieser Abschnitt zur Forschung in Horrorfilmen wird mit Resultaten der Meta-Analyse
zur Unterhaltung durch medienvermittelte Angst und Aggression von Hoffner und
Levine (2005) abgeschlossen. Die Autoren untersuchten die Daten von 35 Artikeln in
Bezug auf negative Emotionen und Erregung, Empathie, Sensationssuche, Aggression
sowie Geschlecht und Alter. Was Empathie betrifft, so stellten sie fest, dass empathic
concern (emotional empathy, humanistic orientation) und personal distress (personal
distress, emotional contagion) in den meisten untersuchten Studien negativ mit
Unterhaltung
durch
Horror
und
Gewalt
korrelierten.
In
Bezug
auf
das
Persönlichkeitsmerkmal der Sensationssuche waren die Resultate deutlicher. Es bestand
ein homogener signifikanter positiver Zusammenhang über alle untersuchten Studien
hinweg. Negative Emotionen während des Schauens waren assoziiert mit einer
grösseren Unterhaltung von Angst und Gewalt, es konnte aber kein Zusammenhang
beobachtet werden zu der Art, wie der Film endete, entgegen der Excitation-TransferTheorie nach Zillman (1996). Männer fühlten sich im Allgemeinen mehr unterhalten
durch medienvermittelte Angst und Aggression als Frauen und insbesondere die
Unterhaltung durch Horror war bei Männern deutlich höher und zeigte dass die
Genrevorliebe bei Männern stärker vertreten ist.
3.3.2. Forschungsstand zu Horror-Spielen
Horror in Videospielen wurde bisher wenig experimentell untersucht. Forschung zu den
Horror-Spielen bezieht sich oft auf die Handlung und den Inhalt. Die Spiele werden als
„spielbare Texte“ betrachtet und mit Methoden der Inhaltsanalyse untersucht (Carr,
2009).
So werden die Räume und Charaktere von Horror-Spielen mit dem Konzept des
„unheimlichen“ oder „Oedipus“ nach Freud ergründet (Kirkland, 2009a, 2009a, 2010a)
oder die Geschichte von Resident Evil 4 (Capcom, 2005) als reaktionärer Text, welcher
den Wunsch nach sozialer Ordnung widerspiegelt beschrieben (Carr, 2009). In
ähnlicher Weise wurde die Geschichte von Fatal Frame II (Tecmo, 2003) anhand von
psychoanalytischen Modellen interpretiert (Hoeger & Huber, 2007) und die Rolle der
analogen Medien in den Horror-Spielen untersucht, wie zum Beispiel das Radio in
Silent Hill (Konami, 1999), das als Warnsystem dient oder dem Fotoapparat in Fatal
Frame II (Tecmo, 2003), das dem Spieler als einzige Waffe gegen Geister dient
(Kirkland, 2009b, 2010b). Ferner wurde nach dem Konzept des „unheimlichen“ nach
Freud
das
Zusammenspiel
von
wahrgenommener
Fremdartigkeit
und
der
39
Menschenähnlichkeit von Attributen wie Sprachausgabe und Bewegung der virtuellen
Charaktere in Horror-Spiele experimentell untersucht (Tinwell, Grimshaw & Williams,
2010). Zugleich versuchen Forscher zu definieren, welche Faktoren Horror-Spiele
unheimlich machen. Tanya Krzywinska (2002b) argumentiert, dass die Gefühle der
Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts wichtig sind, beim Erleben des Horrors in
Videospielen. Durch das Abwechseln von Momenten der vollkommenen Kontrolle der
Spielfigur zu Momenten des Kontrollverlusts während einer Zwischensequenz, erlebt
der Spieler den Horror intensiver als beim Betrachten eines Horrorfilms (S. 21-22).
Perron (2004) erklärt, dass die Vorwarnung ein wichtiger Aspekt beim Erleben des
Horrors ist. Sie verstärkt emotionale Reaktionen in Bezug auf anstehende
furchterregende Momente und verstärkt die Anspannung, wenn der Spieler unsicher ist,
ob er der kommenden Situation gewachsen ist (S.9). Solche Vorwarnsysteme sind je
nach Spiel verschieden, so vibriert der Controller und es erscheint ein Zeichen auf dem
Bildschirm, wenn ein Geist im Spiel Fatal Frame II (Tecmo, 2003) in der Nähe ist. Im
Spiel Silent Hill (Konami, 1999) sendet ein Radio, das die Spielfigur bei sich trägt,
statisches Rauschen, wenn übernatürliche Wesen in der Näher sind und beim Spiel
Resident Evil (Konami, 1999) hört man die Zombies aufstöhnen bevor sie ins Blickfeld
kommen. Es ist zu bemerken, dass die Sicht des Spielers in den meisten Spielen
eingeschränkt ist, sei es durch Dunkelheit, unheimlichen Nebel oder verwirrende
Kamerawinkel (Perron, 2004, S. 5–6). Die Tatsache, dass der Spieler nicht genau weiss,
wo die Gefahr ist und was es ist, beflügelt seine Fantasie und lässt ihn das Schlimmste
erwarten (Perron, 2005b, S. 11). Dieser Effekt der Unsicherheit und Ungewissheit wird
auch durch den Sound unterstützt. Die Soundkulissen haben oft eine unmelodische
Atmosphäre und Geräusche sind schwierig zu identifizieren (Kromand, 2008, S. 18–
19).
Allgemein spielt der Sound bei Horror-Spielen eine wichtige Rolle. Im Versuch von
Andrew Dekker und Champion (2007) das „Horror-Erlebnis“ in einem Videospiel zu
verstärken anhand der biometrischen Informationen der Spieler, welche laufend das
Spiel automatisch modifizierten, weckten die Soundmodifikationen die stärksten
Reaktionen. Die zusätzlichen Soundeffekte steigerten das Spielerlebnis. Die Teilnehmer
gaben nachträglich in Interviews an, dass ganz besonders der Soundeffekt des
Herzklopfens der Spielfigur verängstigte und den Band zwischen Spieler und
Spielcharakter verstärkte (S. 557).
40
4. Fragestellung und Hypothesen
Wie in der Einleitung erwähnt, ist es Ziel dieser Arbeit das emotionale Erlebnis in
Horror-Spielen in Bezug auf die Angst zu untersuchen und zu ergründen welche
Faktoren Horror-Spiele so unheimlich machen. Im theoretischen Teil wurden hierfür
Ansätze, Studien und Theorien dargelegt, welche das emotionale Erlebnis sowie den
Einfluss der Identifikation in der Medienrezeption erklären und ebenfalls Theorien und
Studien in Zusammenhang mit Horrorfilmen und Horror-Spielen erläutert. Im
Folgenden werden nun Hypothesen aufgestellt, welche einzelne Aspekte der
Forschungsfrage klären sollen.
Zu den Faktoren, welche Horror-Spiele unheimlich machen, vermutet Krzywinska
(2002b), dass insbesondere die Gefühle der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts
wichtig sind beim Erleben des Horrors in Videospielen. Momente des Kontrollverlusts,
zum Beispiel während einer Zwischensequenz, welche Momente der vollkommenen
Kontrolle der Spielfigur folgen, führen dazu, dass man den Horror intensiver erlebt. Als
weiterer Faktor betrachtet Perron (2004) die Vorwarnung. Vorwarnsysteme, welche je
nach Spiel verschieden sind, verunsichern den Spieler und verstärken emotionale
Reaktionen in Bezug auf anstehende furchterregende Momente. Dieser Effekt der
Unsicherheit und der Ungewissheit wird besonders durch den Sound unterstützt und
zusätzliche Soundeffekte steigern das Spielerlebnis. Es kann angenommen werden, dass
Soundeffekte des Charakters als Vorwarnsysteme wahrgenommen werden. Der Spieler
assoziiert Geräusche des Charakters, wie das Herzklopfen, mit anstehenden
furchterregenden Momenten, wie in der Studie von Dekker und Champion (2007) zu
beobachten war. Geräusche wie das Herzklopfen und die panische Atmung als
Vorwarnsysteme sowie Momente von Kontrollverlust über den Spielcharakter, sollten
sich folglich, beim Spielen verstärkend auf die Angst auswirken.
H1: In einem Horror-Spiel wirkt sich Kontrollverlust über den Spielcharakter positiv
auf die Angst aus.
H2: In einem Horror-Spiel wirken sich Soundeffekte des Charakters, wie Geräusche des
Herzklopfens und der Atmung positiv auf die Angst aus.
Basierend auf den Aussagen von Grodal (2003) sowie King und Krzywinska (2002)
ermöglicht die Interaktivität in Videospielen ein intensiveres Erleben der Angst, denn
41
der Spieler wird die Emotion nicht nur empathisch als sogenannte F-Emotionen (Perron,
2005a) miterleben, sondern ist durch die eigene Handlung aktiv dabei und erlebt die
Emotion „realistischer“ als so genannte G-Emotion (Perron, 2005b) oder ecological
emotion (Frome, 2007).
Wie im vorherigen Kapitel ersichtlich, weist das Erleben der Geschichte in einem
Computerspiel durch die Interaktivität einen starken Selbstbezug auf, so dass sich
Spieler (phasenweise) als Teil der Geschichte, als fiktionale Person in der Spielwelt
erfahren (McDonald & Kim, 2001). Die Identifikation mit dem Videospielcharakter, in
der es zur Verschmelzung der Eigenwahrnehmung mit der Wahrnehmung des
Mediencharakters
kommt
und
welche
das
Gefühl
vermittelt,
Teil
der
medienvermittelten Umgebung zu sein, gestattet als veränderte situationale Referenz
dieses „realistischere“ Erleben der Emotionen in Videospielen von dem die Autoren
Grodal (2003), Perron (2005a) und Frome (2007) ausgehen. Wenn sich ein Spieler mit
der Spielfigur identifiziert und sich als Teil der Spielwelt erlebt, wird die Spielfigur zum
Element der eigenen Identität und Handlungen gegen die Spielfigur im Spiel werden als
Handlungen gegen das eigene Selbst wahrgenommen (Misoch, 2010). Unheimliche
Situationen werden dann nicht bloss wie im Film empathisch miterlebt, sondern als
eigentliche Gefahr wahrgenommen und ähnlich wie in der realen Welt kognitiv als
Gefahr interpretiert, was folglich zu intensiveren Gefühlen der Angst führen sollte.
Von den Annahmen von Cohen (2001) und Klimmt et al. (2009) ausgehend, kann man
ferner Identifikation als multidimensionales Konstrukt betrachten, welches eine
kognitive und empathische Dimension aufweist, die abhängig ist von der Fähigkeit, die
Gefühle und die Perspektive des Charakters zu verstehen und einzunehmen. Des
Weiteren ist Identifikation nach Cohen (2001) von der Bereitschaft des Zuschauers die
Ziele der Charaktere zu teilen und von der Intensität der Absorption oder
Selbstvergessenheit während der Medienrezeption abhängig. Anlehnend an Abeele et al.
(2010) und van Looy et al. (2012) wird zusätzlich verkörperte Präsenz, als das Gefühl
im Spiel präsent zu sein und die wahrgenommene Ähnlichkeit zum Charakter als
weitere Dimensionen der Identifikation in Videospielen betrachtet.
H3: Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt („kognitives Verständnis“,
„Empathie mit dem Charakter“, „verinnerlichte Ziele“, „verkörperte Präsenz“,
„wahrgenommene Ähnlichkeit“ und „Selbstvergessenheit“) übt einen positiven Einfluss
auf das Erleben der Angst aus.
42
In Bezug auf die Faktoren der Charaktergeräusche und des Kontrollverlusts, welche
Horror-Spiele unheimlich machen, wird demzufolge von einer mediierenden Rolle von
Identifikation ausgegangen. Es ist somit wichtig zu definieren, wie Kontrollverlust die
Dimensionen von Identifikation beeinflusst. Klimmt et al. (2009) definierten die
Identifikation als flüchtig und instabil über die Zeit. Bereits der Tod des Spielcharakters
beim Spielen führt dazu, dass der Spieler sich wieder der realen Welt und der eigenen
Selbst-Wahrnehmung
bewusst
wird.
Der
Identifikations-Prozess
wird
dabei
unterbrochen. Einen Verlust der Kontrolle über den Charakter sollte auf ähnliche Weise
entfremden. Der permanente Fluss der Bilder und die Rückmeldung des Spiels werden
unterbrochen und die Illusion von gleichzeitiger Bewegung, welche das Gefühl der
Körpererweiterung vermittelt erlischt und bricht das Gefühl im Spiel präsent zu sein
(Wiemer, 2006). Betrachtet man zugleich Kontrollverlust als Verminderung der
Interaktivität, welche nach Hefner et al. (2007) sich positiv auf die Identifikation
auswirkt, würde das bedeuten, dass Kontrollverlust sich negativ auf die Identifikation
als Gefühl in der Medienwelt präsent zu sein auswirkt, welche sich als verkörperte
Präsenz oder Selbstvergessenheit manifestieren.
H4: „In einem Horror-Spiel wirkt sich Kontrollverlust über den Spielcharakter negativ
auf die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt („kognitives Verständnis“,
„Empathie mit dem Charakter“, „verinnerlichte Ziele“, „verkörperte Präsenz“,
„wahrgenommene Ähnlichkeit“ und „Selbstvergessenheit“) aus.“
H5: Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt („kognitives Verständnis“,
„Empathie mit dem Charakter“, „verinnerlichte Ziele“, „verkörperte Präsenz“,
„wahrgenommene
Ähnlichkeit“
und
„Selbstvergessenheit“)
mediiert
den
Zusammenhang zwischen Kontrollverlust und Angst.
H5.1: „Verkörperte Präsenz“ mediiert den Zusammenhang zwischen Kontrollverlust
und Angst, und zwar so, dass Kontrollverlust sich negativ auf „verkörperte Präsenz“
auswirkt und „verkörperte Präsenz“ sich wiederum positiv auf die Angst auswirkt.
H5.2: „Selbstvergessenheit“ mediiert den Zusammenhang zwischen Kontrollverlust und
Angst, und zwar so, dass Kontrollverlust sich negativ auf „Selbstvergessenheit“
auswirkt und „Selbstvergessenheit“ sich wiederum positiv auf die Angst auswirkt.
43
Was den Einfluss von Charaktergeräuschen auf die Dimensionen von Identifikation
betrifft, werden mehrere Aspekte betrachtet. Nach Grimshaw (2007) und Grimshaw et
al. (2008) wird das Gefühl in der medienvermittelten Umgebung zu sein in Spielen mit
der Ich-Person-Perspektive vom diegetischen Sound unterstützt. Der Sound erweitert
die zweidimensionale Spielwelt in die Dreidimensionalität der Aussenwelt. Beim
Spielen erlebt der Spieler die Geräusche des Charakters als seine eigenen, so werden
zum Beispiel die Atemgeräusche der Spielfigur als die eigenen Atemgeräuschen
wahrgenommen. Über den Sound wird eine physische und mentale Immersion in die
Spielwelt ermöglicht und folglich eine Identifikation über die Dimension der
verkörperten Präsenz erleichtert.
Weiterhin führte insbesondere das Geräusch des Herzklopfens der Spielfigur im
Experiment von Dekker und Champion (2007) nach Angaben der Spieler zu einem
gefühlten stärkeren Band zwischen Spieler und Spielcharakter. Geräusche des
Charakters, wie das Atmen oder das Herzklopfen, sollten ferner eine empathische
Verbindung zum Charakter und das kognitive Verständnis erleichtern, denn der Spieler
nimmt durch die Geräusche den körperlichen und psychischen Zustand des Charakters
wahr. Dieser Effekt könnte sich ausserdem auf die wahrgenommene Ähnlichkeit
zwischen dem Spieler und dem Charakter auswirken. In einer unheimlichen Situation
im Spiel, in dem es dem Spieler etwas unbehaglich ist, führen Geräusche wie das
Herzklopfen oder das panische Schnaufen des Spielcharakters zu Gefühlen der
Wiedererkennung. Der Spieler fühlt sich dem Charakter verbunden, weil dieser die
gleiche Reaktion zeigt.
Es wird demnach davon ausgegangen, dass Charaktergeräusche einen positiven Einfluss
auf die Dimensionen der Selbstvergessenheit, die empathische Verbindung, das
kognitive Verständnis und die wahrgenommene Ähnlichkeit haben und die
Identifikation mit dem Charakter erleichtern.
H6: „In einem Horror-Spiel wirken sich Soundeffekte des Charakters, wie Geräusche
des Herzklopfens und der Atmung positiv auf die Identifikation als mehrdimensionales
Konstrukt („kognitives Verständnis“, „Empathie mit dem Charakter“, „verinnerlichte
Ziele“,
„verkörperte
Präsenz“,
„wahrgenommene
Ähnlichkeit“
und
„Selbstvergessenheit“) aus.“
44
H7: Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt („kognitives Verständnis“,
„Empathie mit dem Charakter“, „verinnerlichte Ziele“, „verkörperte Präsenz“,
„wahrgenommene
Ähnlichkeit“
und
„Selbstvergessenheit“)
mediiert
den
Zusammenhang zwischen Charaktergeräuschen und Angst.
H7.1: „Empathie mit dem Charakter“ mediiert den Zusammenhang zwischen
Charaktergeräuschen und Angst, und zwar so, dass Charaktergeräusche sich positiv auf
die „Empathie mit dem Charakter“ auswirken und „Empathie mit dem Charakter“ sich
wiederum positiv auf die Angst auswirkt.
H7.2:
„Kognitives
Verständnis“
mediiert
den
Zusammenhang
zwischen
Charaktergeräuschen und Angst, und zwar so, dass Charaktergeräusche sich positiv auf
das „kognitive Verständnis“ auswirken und „kognitives Verständnis“ sich wiederum
positiv auf die Angst auswirkt.
H7.3: „Wahrgenommene Ähnlichkeit“ mediiert den Zusammenhang zwischen
Charaktergeräuschen und Angst, und zwar so, dass Charaktergeräusche sich positiv auf
die „wahrgenommene Ähnlichkeit“ auswirken und „wahrgenommene Ähnlichkeit“ sich
wiederum positiv auf die Angst auswirkt.
H7.4:
„Verkörperte
Präsenz“
mediiert
den
Zusammenhang
zwischen
Charaktergeräuschen und Angst, und zwar so, dass Charaktergeräusche sich positiv auf
die „verkörperte Präsenz“ auswirken und „verkörperte Präsenz“ sich wiederum positiv
auf Angst auswirkt.
Zusammenfassend
wird
die
Identifikation
mit
Videospielcharakteren
als
mehrdimensionales Konstrukt sowie als Mediator der Zusammenhänge zwischen
Kontrollverlust, Charaktergeräuschen und der Angst betrachtet.
Das Modell, welches aus diesen Überlegungen resultiert und die Hypothesen graphisch
zusammenfasst ist in Abbildung 1 dargestellt.
45
Abbildung 1: Graphisches Modell der Hypothesen
In Zusammenhang mit Horrorfilmen wurde zusätzlich das unterschiedliche Erleben von
Horror von Männer und Frauen beobachtet (Hoffner & Levine, 2005). Frauen
bewerteten Horrorfilme tendenziell negativ, während Männern sich durch Horror
vermehrt unterhalten fühlten. Ebenfalls in der Forschung zu Horrorfilmen zeigte sich,
dass ein negativer Zusammenhang zwischen der Vorliebe nach Horror und dem
Persönlichkeitsmerkmal der Empathie besteht (Hoffner, 1995; Hoffner & Levine, 2005;
Tamborini et al., 1990). Individuen, die hoch empathisch sind, erlebten Horrorfilme
eher negativ, da sie überwiegend mit negativen Emotionen konfrontiert wurden und
diese auch mitempfanden. Ob diese Effekte ebenfalls bei Horror-Spielen zu beobachten
sind, wird in dieser Studie explorativ getestet.
46
5. Methoden
Nachdem nun versucht wurde das emotionale Erlebnis der Angst in Horror-Spielen mit
einigen Hypothesen zu erklären, wird in diesem Kapitel das methodische Vorgehen der
Untersuchung erläutert.
5.1. Versuchspersonen
Das Experiment zur vorliegenden Studie wurde am Institut für Publizistikwissenschaft
und Medienforschung an der Universität Zürich durchgeführt. Insgesamt haben 142
Studenten der Universität teilgenommen. Das Alter der Probanden variierte zwischen 17
und 33 Jahren (M = 20.91 Jahre, SD = 1.95). Durch die Thematik des Experiments,
welche eine Induktion von negativen Emotionen mit sich bringt, musste die
Freiwilligkeit der Teilnahme anhand einer Einverständniserklärung gewährleistet
werden.
Die
Studenten
wurden
vor
der
Teilnahme
gebeten,
eine
Einverständniserklärung durchzulesen und zu unterschreiben, in der erklärt wurde, dass
die Teilnahme freiwillig ist und jederzeit abgebrochen werden kann ohne mit negativen
Konsequenzen zu rechnen. Die Studenten erhielten für die Teilnahme 20
Studienteilnahmepunkte, unabhängig davon, ob sie die Untersuchung vorzeitig
abbrachen oder rechtmässig beendeten. Vier Probanden brachen das Experiment
vorzeitig ab und wurden für die Analyse nicht berücksichtigt. Durch technische Pannen
während des Versuches, welche das Spielerlebnis beeinflussten (einige Spieler sind im
Spiel stecken geblieben, der Projektor stoppte während des Spielens und der Absturz
des Computers), mussten zusätzlich sechs Teilnehmer ausgeschlossen werden. Weitere
zwei Teilnehmer wurden ausgeschlossen, weil sie in der Kontrollfrage in Bezug auf die
Ernsthaftigkeit ihrer Teilnahme angaben, nicht ernsthaft teilgenommen und die Fragen
nicht aufrichtig beantwortet zu haben. Die folgenden Analysen dieser Studie wurden
somit mit 130 Teilnehmern durchgeführt (männlich = 51, weiblich = 79, Alter: 17-33
Jahren, Durchschnittsalter: 20.98, SD = 2.00).
5.2. Design
Um den Einfluss der Faktoren Kontrollverlust und Charaktergeräusche in einem HorrorSpiel auf die Angst zu prüfen, wurde ein Laborexperiment in einem 2 x 2 BetweenSubjects-Design durchgeführt. Ein Abschnitt eines Horror-Spiels wurde in Bezug auf
die zwei unabhängigen Variablen Kontrollverlust und Charaktergeräusche systematisch
47
modifiziert. Die abhängige Variable Angst, der Mediator Identifikation als
mehrdimensionales Konstrukt, sowie Kovariablen wie Spielerfahrung und Involvement
in Computerspielen und demographische Angaben wurden in einem standardisierten
Fragebogen erhoben. Die Versuchspersonen, welche für die Analyse berücksichtigt
wurden (N = 130), wurden zufällig einer der vier experimentellen Gruppen zugeteilt.
Die erste Gruppe spielte die Spielversion mit Kontrollverlust über den Spielcharakter
und mit Spielcharaktergeräuschen (n = 32). Die zweite Gruppe bekam die gleiche
Spielversion mit Kontrollverlust aber ohne Charaktergeräusche (n = 32). Die dritte
Gruppe (n
= 34) spielte die Spielversion
ohne Kontrollverlust
und
mit
Charaktergeräuschen. Die vierte Gruppe mit der Spielversion ohne Kontrollverlust und
ohne Charaktergeräusche enthielt 32 Teilnehmer.
5.3. Stimulus
5.3.1. Stimulusbeschreibung
Als Stimulus diente die Demoversion des Spiels Amnesia: The Dark Descent des
unabhängigen schwedischen Spielentwicklers Frictional Games aus dem Jahre 2010.
Amnesia: The Dark Descent ist ein Horror-Adventure-Spiel in der Ich-PersonPerspektive und gilt als eines der unheimlichsten Horror-Spiele der letzen Jahre, so
gewann es 2010 einen Preis für bestes Horror-Spiel (Frictional Games, 2010) und wurde
mit 85 von 100 Punkten auf Metacritic vorwiegend mit positiven Rezensionen beurteilt
(Metacritic). Die Demoversion ist inhaltlich sowie spielerisch fast identisch mit dem
Anfang der vollen Version des Spiels. Sie ist im Internet auf der Homepage des
Entwicklers frei zugänglich und soll als Kostprobe zum Kauf des eigentlichen Spiels
motivieren. Im Spiel schlüpft der Spieler in die Rolle von einem Mann namens Daniel,
der in einer dunklen, gruseligen Burg aufwacht, in welcher unheimliche und groteske
Kreaturen hausen. Daniel kann sich nicht erinnern, wie er in die Burg gelangt ist. Er
weiss nur, dass er von einem dunklen Schatten gejagt wird und vor ihm fliehen muss. In
einem Brief an sich selbst, erfährt Daniel, dass er sich den Gedächtnisverlust mit einem
Trank selbst zugefügt hat. In weiteren Notizen, Briefen und Tagebucheinträgen, welche
zerstreut im Schloss herumliegen, erfährt der Spieler als Daniel Stück für Stück, was es
mit dem unheimlichen Ort auf sich hat, und was Daniels eigentliche selbst auferlegte
Aufgabe ist. Mit dieser vorgegebenen Rolle liefert das Spiel einen geschlossenen
Avatar, bei welchem das Verhalten und Eigenschaften mehrheitlich bestimmt sind.
Zum Durchführungszeitpunkt dieser Studie konnte man die Grafik des Spiels als bereits
48
veraltet beschreiben, dies wurde auch von einigen Probanden bemängelt, es gäbe
Horror-Spiele
auf
dem
Markt,
welche
mit
realistischerer
Grafik
punkten.
Nichtsdestotrotz besticht das Spiel mit einer detaillierten 3D Grafik, einer dynamischen
Soundkulisse und einem Spielkonzept, das trotz des Genres nicht bloss auf
Schockeffekte beruht, sondern vielmehr auf eine unheimliche, düstere Atmosphäre
setzt.
Da man davon ausgehen musste, dass nicht alle Probanden geübt sind im Umgang mit
Videospielen, wurde die Demoversion vereinfacht, es wurde jedoch versucht für externe
Validität das spielerische des Mediums beizubehalten (Trepte & Wirth, 2004).
Gleichzeitig wurden die Lösungsmöglichkeiten berücksichtigt, welche Klimmt,
Vorderer und Ritterfeld (2004) vorschlagen, um das experimentelle Design in einem
interaktiven Stimulus zu kontrollieren. Durch die Interaktivität ergibt sich eine
Offenheit des Spielverlaufs und es ist schwer zu erkennen, welche Elemente in einem
gegebenen interaktiven Stimulus von der Versuchsperson im Spiel tatsächlich
wahrgenommen werden und welche nicht (S. 143–144).
Spielerische Elemente, welche die interne Validität erschwerten und für die
Untersuchung nicht nötig waren, wurden somit entfernt. So leidet der Charakter, wenn
er zu lange im Dunkeln ist und seine Gesundheit sowie sein Verstand nehmen ab.
Erreichen sie einen tiefen Stand, sieht der Charakter zufällig generierte Halluzinationen
und kann im schlimmsten Fall sterben. Um dies zu verhindern muss der Spieler stets das
Licht suchen, denn das Licht regeneriert und heilt. Öl für die Laterne, die der Charakter
bei sich trägt und Zünder, um Kerzen und Laternen im Schloss anzuzünden, kann man
in kleiner Anzahl in Schränke und Truhen finden.
Dieses spielerische Element des Lichts wurde aus dem Stimulusspiel entfernt. Die
Gesundheit und der Verstand des Charakters sind stets stabil, damit der Spieler keine
zufälligen Halluzinationen zu sehen bekommt. Die Laterne und die versteckten
Ölkanister und Zünder wurden ebenfalls entfernt, damit alle Probanden dasselbe
Lichtverhältnis im Spiel erleben. Zusätzlich wurden die Notizen und Briefe entfernt,
welche zerstreut im Spiel verteilt waren und die Hintergrundgeschichte vertieften. Alle
Probanden sollten bloss die gleiche Hintergrundinformation aus der kurzen
Zwischensequenz am Anfang des Spiels zur Kenntnis nehmen können.
Die Demoversion enthielt drei Sektoren, davon wurden zwei beibehalten. Das dritte
Gebiet, in der ein Monster den Spieler angreift und töten kann, wurde ausgelassen, weil
befürchtet wurde, dass insbesondere ungeübte Spieler diese Situation als zu
49
überfordernd erfahren und dies das subjektive Spielerlebnis zu stark beeinflussen
würde.
5.3.2. Spielszenarium
Das Stimulusspiel fängt im ersten Gebiet mit einer kurzen Zwischensequenz an. Aus der
Ich-Person-Perspektive erlebt der Spieler, wie er als Daniel schwankend durch die
Hallen der Burg hinkt und zusammenhangslose Sätze von sich gibt: „Nicht vergessen...
einige Dinge dürfen nicht vergessen werden. Der Schatten jagt mich... Ich muss mich
beeilen. Mein Name ist Daniel, ich lebe in London…Mayfair…[…]“ (Amnesia: The
Dark Descent, Frictional Games, 2010). Daniel fällt anschliessend in Ohnmacht, der
Bildschirm wird kurz schwarz und der Spieler übernimmt die Kontrolle über den am
Boden liegenden Charakter. Ziel des Spiels ist es nun einen Weg aus der Burg zu
finden. Im ersten Sektor befindet sich der Spieler in einer verwahrlosten aber harmlos
wirkenden Burg. Lichtstrahlen durchdringen die Fenster der Räume, welche teilweise
von Laternen und Kerzen beleuchtet sind. Es gewittert draussen, zwischendurch hört
man Donnergeräusche und es blitzt. Der Spieler muss durch einen langen Gang, in der
beängstigende Geräusche zu hören sind, wie ein heulender Wind und das Knarren des
alten Gehölzes. Unheimliche Windstösse wehen Türen auf und löschen Kerzen. Findet
der Spieler den Weg zur Tür, welche in den zweiten Teil des Levels mit dem Ausgang
führt, ändert sich die Szenerie schlagartig. Der zweite Sektor befindet sich in einem
feuchten, moderigen Weinkeller. Bis auf einzelne Lichtquellen ist es vollkommen
dunkel. Man hört immerfort unheimliche Geräusche, heulende Hunde, schreiende
Kleinkinder und unheimliche Grollgeräusche. Der Spieler muss weiter durch einen
dunklen Korridor gehen. Für einen kurzen Moment ist eine unheimliche Kreatur zu
sehen, sie läuft an dem Spieler vorbei, greift diesen jedoch nicht an, sondern löst sich
schlagartig in Staub auf, wenn der Spieler ihr zu nahe tritt.
Im Weinkeller sind die Räume im Kreis angeordnet, sie sehen alle ähnlich aus, was die
Orientierung erschwert. Der Ausgang befindet sich in einem Zimmer, bei dem die Tür
von der anderen Seite blockiert ist. Interagiert der Spieler mit der Tür, heisst es diese sei
blockiert, es müsse einen anderen Weg geben um in das Zimmer zu gelangen. Rechts
von der Tür sind Kisten aufgestapelt, welche einen Seiteneingang verstecken. Ein
Lichtstrahl, welcher zwischen den Kisten scheint, macht darauf aufmerksam. Der
Spieler kann die Kisten zur Seite schieben und entdeckt ein Loch in der Wand, welches
ins blockierte Zimmer führt. Er kann hindurch kriechen und befindet sich anschliessend
50
im Zimmer mit der blockierten Tür. In diesem Zimmer ist eine Falltür mit einem Seil
(der Ausgang). Untersucht man die Falltür, heisst es, diese könne mit einer Kurbel
geöffnet werden. Die Holzkurbel ist an einer Wand, das Seil der Kurbel steckt jedoch
fest. An der Decke des Raumes sieht man, dass ein Holzkeil im Seil steckt. Der Spieler
muss auf eine Kiste klettern und den Keil rausziehen, danach ist es möglich die
Holzkurbel an der Wand zu drehen und die Falltür hebt sich. Geht der Spieler hindurch,
findet er sich in einem weiteren gruseligen Gang wieder. Er ist noch immer in der Burg.
Eine Nachricht erscheint abrupt, in der der Proband aufgefordert wird die
Versuchsleiterin zu rufen (Ende des Spiels).
5.3.3. Spielzeit
Um die Gefahr zu verhindern, dass ein Proband im ersten Gebiet festsitzt, weil er zum
Beispiel die Tür zum zweiten Sektor nicht finden kann, und um gleichzeitig die
Spielzeit des Versuchs zu beschränken, wurden Timer einprogrammiert. Im ersten
Sektor wird in 7,5 Minuten die Ladesequenz eingeführt und der Charakter wird dann
automatisch in den zweiten Level, den Weinkeller transportiert. Der Spieler kann von
da an weiterspielen. Im Weinkeller wird der Timer nach 7,5 Minuten die gleiche
Nachricht aktivieren, die aufkommt, wenn der Spieler durch die Falltür (Ausgang) geht,
welche auffordert die Versuchsleiterin zu rufen und das Spiel beendet. Die Spielzeit
sollte auf diese Weise auf höchstens 15 Minuten beschränkt werden.
Insofern können erfahrene Spieler das Spiel in ihrem eigenen Tempo etwas schneller
beenden, sofern sie die Tür zum Weinkeller finden und das kleine Rätsel mit der Falltür
meistern, während ungeübte Spieler dank dem Timer nicht endlos spielen müssen, weil
sie den Ausgang nicht finden. In beiden Situationen endet das Spiel abrupt mit der
gleichen Nachricht, die Versuchsleiterin soll gerufen werden und das gleiche Gefühl,
dem unheimlichen Ort nicht entflohen zu sein, besteht in beiden Situationen. Die
Spielzeit wurde bei jedem Probanden erfasst, die durchschnittliche Spielzeit betrug
12.52 Minuten (SD= 1.88), der schnellste Spieler beendete das Spiel in 7.52 Minuten,
während bei einem Proband, der etwas Schwierigkeiten mit der Steuerung hatte, die
Spielzeit durch die Timer auf 16.21 Minuten beschränkt wurde. Die zusätzlichen 1.21
Minuten entstanden durch die Ladezeiten des Spiels, welche der Timer nicht mit
einberechnete.
51
5.3.4. Stimulus-Manipulation
Die Manipulation der beiden unabhängigen Variablen wurde durch Modifikationen am
Spiel erzeugt. Charaktergeräusche, wie Herzklopfen, Atemgeräusche, Keuchen und
Seufzen kann man über das gesamte Spiel hinweg hören. Befindet sich der Charakter im
Dunkeln, hört man sein Herz klopfen. In mehreren gescripteten unheimlichen
Situationen hört man, wie der Charakter Daniel in Panik etwas schneller atmet, keucht,
seufzt und schlussendlich erschrickt. Diese Soundeffekte wurden für die Version ohne
Charaktergeräusche entfernt. Der Charakter ist stumm, man hört weder Atemgeräusche
noch sein Herzklopfen oder wie er in unheimlichen Situationen erschrickt.
Was den Kontrollverlust betrifft, so rühmt sich das Spiel, keine klassischen Momente
des Kontrollverlusts zu haben, in der die Kontrolle über den Charakter mit einer
Zwischensequenz unterbrochen wird. „Once the game starts, you will be in control from
the beginning to the end. There are no cut-scenes or time-jumps, whatever happens will
happen to you first hand. “(Frictional Games, 2010). Trotzdem gibt es im Spiel eine Art
von Kontrollverlust. Der geschwächte Zustand von Daniel führt dazu, dass er in
unheimlichen Situationen in Ohnmacht fällt. Der Spieler kann nichts dagegen
unternehmen, verliert für eine kurze Zeit die Steuerungskontrolle und muss abwarten,
bis der Spielcharakter wieder von alleine aufsteht.
Solche Momente des Kontrollverlusts geschehen, wenn der Spieler einen bestimmten
Ort im Spiel erreicht, zum Beispiel im langen Gang am Anfang des Spiels, als ein
unheimliches Heulen und Schrittgeräusche in der Ferne zu hören sind oder als plötzlich
die unheimliche Kreatur im Weinkeller am Spieler vorbei läuft. Zusätzlich wurden
Momente des Kontrollverlust mit Timer aktiviert (jeweils nach drei Minuten in jedem
Sektor). Die Sicht des Charakters im Spiel schwankt zusätzlich über die gesamte
Spielzeit, was das Gefühl vermittelt, man habe keine Kontrolle über den benommenen
Daniel. Diese Momente des Kontrollverlusts und das „Kopfschwanken“ wurden mittels
Modifikationen am Spiel-Skript jeweils entfernt oder hinzugefügt. Auf diese Weise
wurden sogenannte „invariante Inseln“ geschaffen, in denen der Spieler trotz
interaktivem Stimulus auf jeden Fall die systematische Manipulation erfährt (Klimmt et
al., 2004, S. 149). Es ergaben sich vier experimentelle Bedingungen mit den
Kombinationen der Ausprägungen von Charaktergeräuschen und Kontrollverlust.
52
5.3.5. Nachträgliche Veränderungen am Stimulus
Nach einer anfänglichen Pretest-Phase mit 60 Teilnehmern (männlich = 23, weiblich =
37, Alter: 19-25 Jahren, Durchschnittsalter: 20.77, SD = 1.44) wurden die
Untersuchungsinstrumente besprochen und angepasst. Ein Soundeffekt wurde entfernt,
welcher dem spielerischen Element des Lichts zugeordnet war und den Spieler warnen
sollte, wenn dieser im Dunkeln ist und das Licht suchen soll. Er erschwerte die
Wahrnehmung des Geräusches des Herzklopfens. Zusätzlich wurde die Methode der
Zielvorgaben (zum Beispiel die Zielvorgabe, der Spieler müsse einen Weg aus der Burg
finden) im Spiel geändert. Anstatt dass die Probanden durch einen Knopfdruck die Ziele
des Spiels zu sehen bekamen, wurden die Ziele durch Timer im Spiel eingeblendet. Die
Anleitung, durch Knopfdruck die Ziele des Spiels aufzurufen, wurde in der
Anfangsphase nicht von allen Teilnehmern korrekt befolgt. Durch die automatische
Einblendung der Ziele wurde dieses Problem behoben. Eine kleine ästhetische
Veränderung wurde auch in einem der Räume im Spiel durchgeführt, in der vier
Probanden beim Spielen stecken geblieben waren und nicht mehr weiterspielen konnten
(wurden bei der Analyse ausgeschlossen).
5.4. Versuchsablauf
Der Versuch wurde in einem Labor am Institut für Publizistikwissenschaft und
Medienforschung an der Universität Zürich durchgeführt, welches mit einer Leinwand
(1.65 x 2.20) und einem Videoprojektor ausgerüstet ist. Die Probanden wurden zum
Raum geführt und als erstes gebeten die Einverständniserklärung zu lesen und ihre
Teilnahmeeinwilligung zu geben. Folgend wurden sie gebeten an einem Computer den
ersten Teil des Online-Fragebogens auszufüllen, welches Persönlichkeitsmerkmale
erfragte, die einen Einfluss auf das Erleben der Angst haben können. Der erste Teil des
Fragebogens ermittelte Zustandsangst, Ängstlichkeit, Absorption und Empathie.
Währenddessen zog sich die Versuchsleiterin in eine abgeschirmte Ecke des Raumes
zurück, um die Versuchsperson nicht zu stören. Nach dem ersten Fragebogenteil
wurden die Versuchspersonen gebeten vor der Leinwand auf einen bequemen Sessel
Platz zu nehmen, wo ihnen die Bedienung des Spiels erläutert wurde. Dafür spielte jeder
Proband ein Level, das für die Anweisung der Steuerung erstellt wurde, in der alle
nötigen Bedienungselemente eingeübt werden konnten. Die Versuchsleiterin war
während der Übung anwesend und erklärte dem Teilnehmer die nötigen Knopfdrucke
53
und Vorgehensweisen. Der kurze Parcours wurde bei jedem Probanden in der gleichen
Reihenfolge und mit den gleichen Anweisungen durchgeführt. Die Versuchsperson
erhielt zusätzlich ein Blatt, das die Steuerung erklärte und ihr während der gesamten
Spielzeit zur Verfügung stand.
Am Ende des Parcours hatte der Proband die Möglichkeit allfällige Fragen zu stellen.
Anschliessend wurde er aufgefordert die Kopfhörer aufzusetzen, die Versuchsleiterin
löschte das Licht im Zimmer, zog sich wieder in die abgeschirmte Ecke zurück und
startete die zufällig zugewiesene Spielphase.
War die Spielphase zu Ende (der Proband wurde vom Spiel aufgefordert die
Versuchsleiterin zu rufen), schaltete die Leiterin das Licht im Zimmer wieder an, wies
den Probanden auf den zweiten Teil des Online-Fragebogens am Computer auszufüllen
und zog sich zurück. Der zweite Teil des Fragebogens erfasste Variablen zum
Spielerlebnis, Angaben zu der Spielerfahrung des Probanden und Demografien. Nach
Beenden des Fragebogens wurde die Versuchsperson verabschiedet, nachdem sie in
Bezug auf die Studie kurz aufgeklärt und für die Teilnahme bedankt wurde.
5.5. Messung
Die Variablen vom Online-Fragebogen, welche die Probanden vor der Spielphase und
im Anschluss ausfüllten, werden in den folgenden Abschnitten angegeben.
Zustandsangst und Ängstlichkeit wurden als mögliche Kovariablen anhand des
deutschsprachigen State-Trait Angst Inventars erfasst (Laux, Glanzmann, Schaffner &
Spielberger, 1981). Die Skala der Zustandsangst, welche den aktuellen Zustand erfasst,
enthält 20 Items aus kurzen Selbstaussagen (Beispiel: „Ich bin nervös.“) und war auf
einer 5-Stufigen Skala von 1= „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 =“ Trifft voll und ganz
zu“ zu beantworten (α = .91), während Ängstlichkeit mit Aussagen wie „ Mir fehlt es an
Selbstvertrauen.“ das situationsunabhängige Selbstbefinden der Angst als Eigenschaft
erfasst und als fünf-stufigen Likert-Skala von 1 = „Fast nie“ bis 5 = “ Fast immer“
reichte (α = .89). Beide Items wurden zu einem Mittelwertindex zusammengefasst
(Zustandsangst: M = 2.04, SD = 0.56; Ängstlichkeit: M = 2.43, SD = 0.43).
Absorption als Persönlichkeitseigenschaft zur Absorptionsfähigkeit wurde anhand von
elf Items der validierten Subskala von Ritz und Dahme (1995) gemessen. Die
Probanden antworteten Fragen wie „Wenn ich mir kraftvolle Musik anhöre, fühle ich
54
mich manchmal wie in die Luft gehoben.“ und „Ich beobachte gerne, wie Wolken ihre
Form verändern.“ auf einer fünf-stufigen Skala mit den Abstufungen 1 = „Trifft
überhaupt nicht zu“ bis 5 =“ Trifft voll und ganz zu“ (α = .75). Die Antworten wurden
ebenfalls zu einem Mittelwert-Index verdichtet (M = 3.37, SD = 0.59).
Empathie
als
Persönlichkeitsmerkmal
wurde
mittels
dem
Saarbrücker
Persönlichkeitsfragebogen (SPF) (Paulus, 2009) erfasst, welcher eine übersetzte und
überarbeitete Fassung des Interpersonal Reactivity Index (IRI) nach Davis (1983)
darstellt. In 16 Items werden die affektiven und kognitiven Komponenten von Empathie
in vier Subskalen erfasst: perspective taking als Fähigkeit die Perspektive eines Anderen
sehen zu können (Beispiel: „Ich versuche, bei einem Streit zuerst beide Seiten zu
verstehen, bevor ich eine Entscheidung treffe.“; α = .75, M = 3.47, SD = 0.78), fantasy
als Fähigkeit sich in die Rolle und Handlungsweise von Figuren in Büchern und Filmen
zu versetzen (Beispiel: „Die Gefühle einer Person in einem Roman kann ich mir sehr
gut vorstellen.“; α = .75, M = 3.73, SD = 0.73), empathic concern als Mitleid oder Sorge
um Personen in Not (Beispiel: „Ich empfinde warmherzige Gefühle für Leute, denen es
weniger gut geht als mir.“; α = .58, M = 3.76, SD = 0.58) und personal distress, zur
Erfassung der persönlichen Betroffenheit, inwieweit man Unruhe und Unwohlsein
verspürt, wenn andere Personen in Not sind (Beispiel: „In Notfallsituationen fühle ich
mich ängstlich und unbehaglich.“; α = .72, M = 2.55, SD = 0.76). Die
Antwortmöglichkeiten reichten auf einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Trifft überhaupt
nicht zu“ bis 5 = “ Trifft voll und ganz zu“.
Die Subskalen wurden abzüglich der Werte der Subskala personal distress zu einem
Gesamtwert als Empathiefähigkeit zusammengefasst (Empathie: α = .74, M = 3.65, SD
= 0.49).
Angst als die abhängige Variable wurde mittels der modifizierten Version der
Differentiellen Affekt Skala zur Erfassung von Emotionen bei der Mediennutzung (MDAS) von Renaud und Unz (2006) erfasst. Die drei Items „erschreckt“, „Angst“ und
„Furcht“ wurden hinsichtlich der erfahrenen Emotionen während dem Spiel von den
Probanden auf einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Gar nicht“ bist 5 = „Sehr stark“
bewertet (α = .91, M = 3.22, SD = 1.13).
55
Weitere negative Emotionen wie Ekel (α = .84, M = 2.17, SD = 1.00), Wut (α = .90, M =
1.76, SD = 0.89), Verachtung (α = .75, M = 1.64, SD = 0.77) und Scham (α = .78, M =
1.54, SD = 0.63) wurden mit dem gleichen System miterfasst.
Identifikation. Identifikation wurde, anlehnend an Cohen (2001) und Klimmt et al.
(2009) als mehrdimensionales Konstrukt in mehreren Skalen erfasst. Die Dimension der
Empathie als Fähigkeit, die Gefühle der Charaktere zu teilen, erfasst als Empathie mit
dem Charakter, und die Dimension des kognitiven Aspekts die Perspektive des
Charakters einzunehmen, als kognitives Verständnis, wurden jeweils mittels drei Items
abgefragt, welche aus der theoretischen Identifikations-Skala Cohens (2001)
entnommen und auf die Nutzung von Videospielen umformuliert wurden. Die Skala
wurde bereits in empirischen Studien verwendet und wies eine hohe Reliabilität auf
(Tian & Hoffner, 2010; Peng, 2008).
Die Items wie „Ich war fähig die Ereignisse im Spiel so zu verstehen, wie es der
Charakter tat.“ und „Während des Spielens erlebte ich dieselben Emotionen, wie der
Charakter im Spiel“ waren auf einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Trifft überhaupt nicht
zu“ bis 5 =“ Trifft voll und
ganz zu“ zu beantworten. Die interne Konsistenz war sowohl bei Empathie mit dem
Charakter mit α = .78 (M = 2.99, SD = 0.99) als auch bei kognitives Verständnis mit α =
.78 (M = 3.02, SD = 0.92) ausreichend.
Das Ausmass des Zuschauers die Ziele der Charaktere zu teilen und für sich
einzunehmen als verinnerlichte Ziele (Cohen 2001) wurde mit zwei Items aus der
Identifikations-Skala von Cohen (2001) erfasst („Während des Spielens wollte ich, dass
der Charakter seine Ziele erreicht.“, „Wenn der Charakter im Spiel erfolgreich war, war
ich froh, wenn er scheiterte war ich traurig.“) und ein weiteres Item, welches aus der
Studie von Hefner et al. (2007) entnommen wurde („Während des Spielens wurden die
Ziele des Charakters meine eigenen.)“. Auch hier antworteten die Probanden anhand
einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = “ Trifft voll und
ganz zu. Der Wert für Cronbachs Alpha war mit α = .68 (M = 3.89, SD = 0.78) knapp
ausreichend.
Wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen dem Spieler und dem Charakter wurde mittels
sechs Items aus der Player Identification Skala von van Looy et al. (2012) entnommen.
Die Items wie „Ich gleiche dem Charakter im Spiel.“ oder „Der Charakter im Spiel ist
in vieler Hinsicht so wie ich.“ waren auf einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Trifft
56
überhaupt nicht zu“ bis 5 = “ Trifft voll und ganz zu“ zu beantworten (α = .90, M =
1.94, SD = 0.79).
Ebenfalls aus der Player Identification Skala (van Looy et al., 2012) waren die sechs
Items zu verkörperter Präsenz. Auf Aussagen wie „Während des Spielens hatte ich das
Gefühl, als wäre ich der Charakter.“ und „Im Spiel war es so, als würde ich direkt durch
den Charakter handeln.“ antworteten die Probanden ebenso mit der gleichen fünfstufigen Antwortskala (α = .90, M = 3.07, SD = 0.99).
Als weitere Dimension der Identifikation betrachtet Cohen (2001) die Absorption oder
Selbstvergessenheit, die während der Mediennutzung vorkommen kann. Das Gefühl
gänzlich vom Spiel eingenommen zu sein wurde anhand fünf Items aus dem Game
Experience Questionaire (GEQ) nach IJsselsteijn, de Kort, Y. A. W. und Poels (2008)
erfasst. Auf Aussagen wie „Ich habe alles um mich herum vergessen.“, „Ich habe mein
Zeitgefühl verloren.“ oder „Ich habe die Verbindung zur Aussenwelt verloren.“
antworteten die Versuchspersonen mittels einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Gar nicht“
bis 5 = “ Sehr stark“ (α = .74, M = 3.53, SD = 0.71).
Presence. Das räumliche Präsenzerleben wurde mit dem Measurement Effects,
Conditions of Spatial Presence-Questionaire (MEC-SPQ) (Vorderer et al., 2004) erfasst.
Die sechs-Items Subskalen Self-Location und Possible Actions erfassten die zwei
Dimensionen
des
räumlichen
Präsenzerlebens
(Selbstlokation
und
Handlungsmöglichkeiten in der medienvermittelten Umgebung) mit Aussagen wie „Ich
habe mich selbst als Teil der dargestellten Umgebung empfunden“ und „ Ich hatte das
Gefühl, um die dargestellten Objekte herumgehen zu können“. Die Aussagen waren auf
einer fünf-stufigen Skala von 1 = „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = “ Trifft voll und
ganz zu“ zu beantworten (Self-Location: α = .92, M = 2.81, SD = 0.99; Possible
Actions: α = .83, M = 2.92, SD = 0.81; Presence: α = .91, M = 2.86, SD = 0.81).
Cognitive Involvement, Attention Allocation und Domain-specific Interest. Ebenfalls aus
dem MEC-SP-Fragebogen (Vorderer et al., 2004) wurden die Subskalen entnommen,
welche das kognitive Involvement, das bereichsspezifische Interesse und die
Aufmerksamkeit des Mediennutzers erfassen. Diese werden als erforderliche Faktoren
betrachtet, die das Erleben von räumlicher Präsenz ermöglichen und wurden als
mögliche Kovariablen in diese Studie einbezogen. Cognitive Involvement wurde mit der
vier-Items-Skala erfasst (Beispiel: Ich habe meist Dinge gedacht, die mit dem Spiel
57
etwas zu tun hatten.“; α = .57, M = 3.36, SD = 0.76). Attention Allocation erfasste die
Aufmerksamkeit des Mediennutzers auf das Spiel, gleichfalls anhand von vier Aussagen
wie „Ich habe meine Aufmerksamkeit auf das Spiel gerichtet.“ (α = .78, M = 4.32, SD =
0.61). Das bereichsspezifische Interesse des Nutzers als Domain-specific Interest,
wurde mittels vier Aussagen (Beispiel: Am Thema „Videospiele“ bin ich generell
interessiert.“; α = .94, M = 2.19, SD = 1.20) ermittelt.
Unterhaltung oder Interesse/Vergnügen wurde mittels sieben Items des Intrinsic
Motivation Inventory (IMI) von Ryan et al. (Plant & Ryan, 1985; Ryan, 1982; Ryan,
Connell & Plant, 1990; Ryan, Koestner & Deci, 1991) abgefragt. Die Versuchspersonen
antworteten auf Aussagen wie „Ich habe das Spielen als ziemlich unterhaltsam
empfunden.“ oder „Das Spielen hat mir Freude bereitet.“ auf einer fünf-stufigen Skala
von von 1 = „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = “ Trifft voll und ganz zu“ (α = .90, M =
2.79, SD = 0.94).
Spielerlebnis. Weitere videospielrelevante Faktoren, welche einen Einfluss auf das
emotionale Erlebnis ausüben können, wurden mittels der deutschen Übersetzung des
Game Experience Questionaire (GEQ) von IJsselsteijn, de Kort, Y. A. W. und Poels
(2008) ermittelt. Sensory and Imaginative Immersion zählte sechs Items (Beispiel: „Das
Spiel war ästhetisch ansprechend.“; α = .79, M = 2.67, SD = 0.82). Competence erfasste
mittels fünf Items wie „Ich habe mich erfolgreich gefühlt.“ die Kompetenz und das
Erfolgsgefühl des Spielers (α = .84, M = 2.43, SD = 0.86). Tension dagegen erfragte die
Frustration und Anspannung während des Spiels (5 Items; Beispiel: „Ich war
angespannt.“; α = .73, M = 2.85, SD = 0.79). Challenge fasste fünf Items wie „Ich
musste mich beim Spielen sehr anstrengen.“ und erfragte inwiefern sich der Spieler
beim Spielen fähig fühlte. Die interne Konsistenz der fünf ursprünglichen Items war mit
einem Wert von α = 0.27 zu niedrig. Aus diesem Grund wurden zwei Items ausgelassen,
die resultierende Skala mit drei Items erreichte knapp ausreichende Werte (α = .56, M =
3.05, SD = 0.76). Positiv und negativ Affekt enthielten jeweils fünf Items (Beispiel für
positiver Affekt:“ Ich fand es beeindruckend.“, α = .83, M = 2.34, SD = 0.80; negativer
Affekt: “Ich war von der Geschichte gelangweilt.“, α = .67, M = 2.19, SD = 0.71) und
ermittelten ob das Spielerlebnis als positiv oder negativ bewertet wurde. Die Aussagen
der Subskalen waren allesamt auf einer fünf-stufigen Likert-Skala von 1 = „Gar nicht“
bis 5 = “ Sehr stark“ zu beantworten.
58
Die Spielerfahrung als mögliche Kovariable, wurde mittels mehreren Faktoren ermittelt.
Die durchschnittliche Spielzeit pro Woche wurde anhand einer Skala ermittelt, in der die
Probanden die durchschnittliche Anzahl Stunden pro Woche angeben sollten, die sie mit
Spielen verbringen. Die 12-stufige Skala reichte von 1 = “Weniger als 1h“, zu 2 = „1
Stunde“, 3 = „2 Stunden“ bis 12 = „Mehr als 10 h“. Um zu erfassen, wie oft Probanden
mit bekannten Spielkonsolen, dem Computer oder auf tragbaren Geräte wie Handys
spielen, wurde anhand einer Liste mit den sechs gängigsten Spielgeräten (unter anderem
Nintendo Wii, XBox, PS3, PC) mit den Antwort-Optionen von 1 = „Nie“ bis 5 = “Sehr
oft“ die Spielhäufigkeit abgefragt.
Die Vorliebe für ein bestimmtes Spielgenre und die Häufigkeit in der es gespielt wird,
wurde mittels einer Liste mit sieben bekannten Spielgenres abgefragt (Rennspiele, EgoShooter / Action-Adventure, Rollenspiele / Adventure-Spiele, Geschicklichkeitsspiele /
Jump n’ Run, Mannschaftssport-Spiele, Aufbau-Strategiespiele, Survival-HorrorSpiele). Zu den einzelnen Genres wurden bekannte Spielvertreter angegeben. Die
Probanden gaben zur Frage zur Spielhäufigkeit von Genres anhand einer Skala von 1=
„Nie“ bis 5 = “Sehr oft“ wie häufig sie die Spiele auf der Liste spielten. Um die
Genrevorliebe zu erfassen, antworteten die Probanden anhand derselben Liste mit den
Abstufungen 1 = „Mag ich gar nicht“ bis 5 = “Mag ich sehr“. Deskriptive Ergebnisse zu
den einzelnen Faktoren können aus dem Kapitel 5.8 entnommen werden.
Vorkenntnisse Spiel. In Bezug auf vorherige Erfahrung mit dem Stimulus-Spiel, wurden
Teilnehmer gefragt, ob sie bereits das Spiel Amnesia: The Dark Descent (Frictional
Games, 2010) vor dem Experiment gespielt hatten.
Die Überforderung mit der Steuerung wurde ebenfalls als mögliche Kovariable in den
Fragebogen einbezogen. Die Probanden gaben zu Items wie „Ich war mit der Steuerung
überfordert.“ anhand einer Skala von 1 = „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = “Trifft voll
und ganz zu“ inwiefern die Steuerung des Spiels ein Problem darstellte (α = .77, M =
2.28, SD = 0.95).
Manipulationscheck.
Um
zu
testen,
ob
die
Stimulus-Manipulationen
des
Kontrollverlusts und der Charaktergeräusche von den Teilnehmern tatsächlich
wahrgenommen wurden, wurde die Wahrnehmung von Charaktergeräuschen und
Kontrollverlust
anhand
je
vier
Items
abgefragt.
Die
wahrgenommenen
59
Charaktergeräusche wurden mit vier Items wie „Beim Spielen konnte ich hören wie der
Charakter erschrak und in Panik schneller atmete.“ oder „Ich konnte dauernd das
Herzklopfen und die Atemgeräusche des Charakters hören.“ erfragt (α = .89, M = 2.96,
SD = 1.17).
Wahrgenommener Kontrollverlust wurde mit vier Items abgefragt wie: „Ich hatte das
Gefühl, zeitweilig keine Kontrolle über den Charakter im Spiel zu haben“ oder „Ich
hatte den Charakter im Spiel jederzeit unter Kontrolle.“ (α = .86, M = 3.66, SD = 1.09).
Die Items der beiden Faktoren waren auf einer fünf-stufigen Skala mit den Abstufungen
1 = „Trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 = “Trifft voll und ganz zu“ zu beantworten.
Demographie. Um auf mögliche Einflüsse des Geschlechts und des Alters zu
kontrollieren wurden beide Faktoren anhand je eines Items im Fragebogen erfasst.
Kontrollfrage. Zuletzt wurden die Probanden auf die Ernsthaftigkeit ihrer Teilnahme
befragt, einem Faktor, welcher die Resultate verfälschen kann. Auf einer fünfstufigen
Skala gaben die Probanden an, ob sie jeweils ernsthaft mitgemacht haben (5 = „Ja, ich
habe die Studie ernsthaft mitgemacht und die Fragen aufrichtig beantwortet.“) oder
bloss der Punkte wegen teilgenommen haben (1 = „ Nein, ich habe die Studie nicht
wirklich ernsthaft mitgemacht und auch nicht alle Fragen aufrichtig beantwortet.“).
5.6. Videoaufnahme des Spielverlaufs
Anlehnend an Klimmt et al. (2004), welche bei interaktiven Stimuli empfehlen den
Ausgabebildschirm abzufilmen, um auf diese Weise nachträglich die Verlaufsdaten mit
direktem Bezug zur Problemstellung, beziehungsweise zu den manipulierten Variablen
auszuwerten, wurde der Spielverlauf jedes Probanden anhand des Programms MSI
Afterburner Version 2.3.1 (MSI & Rivaturner) aufgenommen und nachträglich
inhaltlich
protokolliert.
Unter
anderem
wurden
die
tatsächlich
erlebten
Charaktergeräusche (M = 4.63, SD = 4.66) und der tatsächlich erlebte Kontrollverlust
(M = 2.39, SD = 2.45) jeder Testperson erfasst und zu einem Index aufsummiert.
Der Fortschritt jedes Probanden wurde ebenfalls festgehalten. Es wurde erfasst ob die
Testpersonen das Rätsel im Spiel gelöst haben (Ja: 13.8 %; Nein: 86.2 %) und das Spiel
beendet haben, indem sie den Ausgang fanden (Ja: 13.1 %; Nein: 86.9 %). Die dazu
verwendete Checkliste ist im Anhang unter Kapitel 10.2 ersichtlich.
60
5.7. Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt
Die Items und Skalen der Subkonstrukte, welche die Identifikation erfassen sollten,
wurden aus der Literatur zusammengetragen und waren hinsichtlich der Reliabilität und
der Validität bereits untersucht. Viele lagen jedoch nur in der englischen
Originalversion vor. Eine Übersetzung der Items wurde für die Untersuchung
vorgenommen.
Um die Qualität der übersetzten Items und um die Skalen aus den verschiedenen
Studien als einheitliches Konstrukt zu testen wurde eine explorative Faktorenanalyse
(EFA) durchgeführt. Die 26 Items zur Erfassung der Dimensionen von Identifikation
wurden mittels einer Hauptachsen-Faktoranalyse mit schiefwinkliger Rotation (Promax
κ = 4) mit Kaiser-Normalisierung ausgewertet. Entgegen der erwarteten Struktur liessen
sich über das Kaiserkriterium nur fünf anstelle von sechs Faktoren extrahieren. Die
jeweils drei Items der Subskalen von kognitives Verständnis und Empathie mit dem
Charakter luden alle sechs auf einen robusten Faktor. Die weiteren vermuteten
Dimensionen verinnerlichte Ziele, verkörperte Präsenz, wahrgenommene Ähnlichkeit
und Selbstvergessenheit wurden von den Faktoren wiedergegeben.
Ein Item wies eine Ladung geringer als 0.3 auf und wurde ausgeschlossen. Zwei Items,
welche am stärksten auf den falschen Faktor luden (nicht theoriegeleitet) und ein Item,
welches eine identische Doppelladung aufwies wurden ausgeschlossen. Es gab weitere
vier Items, welche eine Doppelladung mit einer Differenz der Ladung < 0.3 aufwiesen,
diese luden jedoch theoriegeleitet am stärksten auf den erwarteten Faktor und wurden
für die weitere Analyse vorerst beibehalten, denn der Ausschluss der Items hätte
insbesondere dazu geführt, dass der Faktor verinnerlichte Ziele bloss auf einem Item
basieren würde. Die restlichen 22 Items verteilt über den fünf Faktoren mit den
Eigenwerten 8.29, 1.97, 1.31, 0.82 und 0.77 klärten 59.88 % der Gesamtvarianz auf.
Eine konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) mit AMOS 21 mit MaximumLikelihood-Schätzung wurde anschliessend durchgeführt um das von der EFA
vorgeschlagene Modell mit fünf Faktoren zu testen, wobei die Dimensionen kognitives
Verständnis und Empathie mit dem Charakter zur Dimension „kognitive Empathie“
zusammengefasst wurden.
Das resultierende Modell hatte ausgehend von den Kriterien vorgeschlagen von
Schermelleh-Engel, Moosbrugger und Müller (2003) mässige bis schlechte Fit-Indizes.
Der χ2 –Test fiel signifikant aus (p < .001, x2/df = 1.48). Die Fit-Indizes GFI (Goodness
of Fit) mit einem Wert von .85 (akzeptabel wäre ≥ .90) und der AGFI (Adjusted
61
Goodness of Fit) mit .80 (akzeptabel wäre ≥ .85) genügten den Anspruchsniveau nicht.
Der CFI-Wert (Comparative Fit Index) von .94 (akzeptabel ≥ .95) und der RMSEAWert (Root Mean Squared Error of Approximation) mit .06 [CI .04, .07] (erst ab ≤ .05
guter Fit) erreichten ebenfalls keine guten Werte (Hu & Bentler, 1999; SchermellehEngel et al., 2003).
Im
Rahmen
einer
Modellverbesserung
wurden
vier
Items
entfernt,
als
Ausschlusskriterium waren standardisierte Residuen einzelner Variablen grösser als 2
und zu starke Kovarianz der Messfehler (Schermelleh-Engel et al., 2003; Matthes &
Kohring, 2003).
Das verbesserte Modell (siehe Abbildung 2) hatte gute Fit-Indizes und der χ2 –Test fiel
nicht mehr signifikant aus (p = .114, x2/df = 1.15). Der GFI betrug .90, der Adjusted
Goodness of Fit-Index, welche die Freiheitsgrade berücksichtigt betrug .87. Beide
Werte genügten den im oberen Abschnitt erwähnten Anspruchsniveaus und deuten auf
ein akzeptables Model-Fit. Der RMSEA-Wert genügte mit .035 [CI .00, .06] ebenfalls
dem Anspruchsniveau und deutet mit einem Wert ≤ .05 und 0 in den
Konfidenzintervallen auf eine gute Anpassungsgüte. Der CFI-Wert war mit .98
ebenfalls über der Gütekriterie von ≤ .97 und deutet ebenfalls auf gute Fit-Werte (Hu &
Bentler, 1999; Schermelleh-Engel et al., 2003).
Die hochsignifikanten Korrelationen nach Pearson zwischen den fünf Faktoren, welche
aus der Tabelle 1 zu entnehmen sind, deuten ebenfalls auf eine Unabhängigkeit hin und
sprechen für ein Konstrukt (Matthes & Kohring, 2003).
Tabelle 1: Korrelationen zwischen den Dimensionen von Identifikation (N = 130)
kognitive
verinnerlichte
wahrgenommene
verkörperte
Empathie
Ziele
Ähnlichkeit
Präsenz
kognitive Empathie
-
.44**
.52**
.59**
.28**
verinnerlichte Ziele
.44**
-
.39**
.52**
.37**
wahrgenommene
Ähnlichkeit
.52**
.39**
-
.49**
.27**
verkörperte Präsenz
.59**
.52**
.49**
-
.46**
Selbstvergessenheit
.28**
.37**
.27**
.46**
-
Selbstvergessenheit
** p < .01
62
Abbildung 2: Graphische Darstellung der konfirmatorischen Faktorenanalyse
Die Annahme, dass die Identifikation mit Videospielcharakteren als mehrstrukturelles
Konstrukt wahrgenommen wird kann somit vorläufig angenommen werden. Sie wird
jedoch, nicht wie vermutet in sechs Dimensionen unterschieden, sondern die Fähigkeit
die Gefühle der Charaktere zu teilen und der kognitive Aspekt die Perspektive des
Charakters einzunehmen, wurden von den Befragten als ein Faktor wahrgenommen.
Die fünf Faktoren mit den dazugehörigen Items, den jeweiligen Faktorladungen und
dem Cronbach-Alpha-Koeffizienten in Klammern können aus der Tabelle 2 entnommen
werden.
63
Tabelle 2:Faktoren von Identifikation mit den dazugehörigen Items, den
Faktorladungen und dem Cronbach-Alpha Koeffizienten (N = 130)
kognitive Empathie (α = .83)
λ
Während des Spielens hatte ich regelrecht das Gefühl zu wissen, was dem Charakter durch den Kopf geht.
.77
In Schlüsselmomenten im Spiel hatte ich das Gefühl genau zu wissen, was der Charakter gerade durchmacht.
.78
Ich war fähig die Ereignisse im Spiel so zu verstehen, wie es der Charakter tat.
.75
Ich glaube den Charakter im Spiel gut zu verstehen.
.66
verinnerlichte Ziele (α = .69)
Während des Spielens wollte ich, dass der Charakter seine Ziele erreicht.
.56
Wenn der Charakter im Spiel erfolgreich war, war ich froh, wenn er scheiterte war ich traurig.
.57
Während des Spielens wurden die Ziele des Charakters meine eigenen.
.81
wahrgenommene Ähnlichkeit (α = .94 )
Der Charakter im Spiel gleicht mir.
.93
Ich gleiche dem Charakter im Spiel.
.95
Der Charakter im Spiel ähnelt mir.
.91
Der Charakter im Spiel ist in vieler Hinsicht so wie ich.
.77
verkörperte Präsenz (α = .88)
Während des Spielens hatte ich das Gefühl, als wäre ich der Charakter.
.85
Während des Spielens hatte ich das Gefühl im Charakter drin zu sein.
.81
Im Spiel hatte ich das Gefühl, als wäre ich eins mit dem Charakter.
.84
Während des Spielens hatte ich das Gefühl, als wäre der Körper des Charakters mein eigener.
.72
Selbstvergessenheit (α = .71)
Ich habe alles um mich herum vergessen.
.58
Ich habe mein Zeitgefühl vergessen.
.50
Ich habe die Verbindung zur Aussenwelt verloren.
.89
5.8. Deskriptive Statistik zur Spielerfahrung der Probanden
Der letzte Teil des Fragebogens hatte zum Ziel, die Spielerfahrung der Probanden zu
erfassen. Die Daten deuten darauf hin, dass die meisten Probanden eher wenig mit
Videospiele zu tun haben. Zu der Frage über die durchschnittliche Spielzeit pro Woche
gaben 56.9 % der 130 Teilnehmer an weniger als eine Stunden zu spielen (männlich =
18, weiblich = 56). 46 Teilnehmer (33.8 %), davon 22 Männer und 24 Frauen, spielten
zwischen eine bis vier Stunden in der Woche. Acht männliche Probanden (6.9 %)
zwischen fünf bis zehn Stunden. Nur drei männliche Probanden gaben an mehr als zehn
Stunden in der Woche mit Videospielen zu verbringen.
An meisten spielten die Teilnehmer mit dem Handy oder tragbaren Geräten, wie dem
Nintendo DS. Nur 15 Probanden (11.5 %), davon acht männliche und sieben weibliche,
gaben an nie auf dem Handy oder tragbaren Geräten gespielt zu haben, die restlichen
64
88.5 % (männlich = 43, weiblich = 72) dagegen schon, davon 1.5 % sehr oft (männlich
= 4, weiblich = 4). Am PC spielen immerhin 59 Probanden (45.4 %), davon 35
weibliche und 24 männliche.
Was Spielkonsolen betrifft, so spielten die Versuchsteilnehmer mit 41.5% noch am
ehesten mit der PlayStation von Sony (männlich = 26, weiblich = 28). Bei der
Spielkonsole von Nintendo gaben 70,8 % der Teilnehmer (männlich = 40, weiblich =
52) an, nie damit gespielt zu haben. Ähnlich sah es mit der Xbox von Microsoft aus, bei
dem 75,4 % angaben keine Spielerfahrung damit zu haben (männlich = 29, weiblich =
69) und bei älteren Konsolen hatten mit 78,5% der Teilnehmer (männlich = 15, weiblich
= 66) keine Spielerfahrung.
Das beliebteste Genre war die Kategorie der Geschicklichkeitsspiele und Jump’n’ Run.
83.1 % der Probanden (männlich =37, weiblich = 71) spielen Spiele wie Tetris
(Pajitnov, 1984) und Super Mario (Nintendo, 1985) und mehr als die Hälfte (58.1%) der
Spieler gab an das Genre zu mögen (männlich = 25, weiblich = 50). Beliebt waren
ebenfalls Rennspiele, 62.3 % spielen sie mindestens selten (männlich = 35, weiblich
=46) und 40 % der Teilnehmer gaben an sie zu mögen (männlich = 24, weiblich = 28).
Ebenso beliebt waren Sportspiele mit 58 Teilnehmern die diese spielen (44.6 %,
männlich = 36, weiblich = 22) und 31.5 % die angaben diese zu mögen (männlich =31,
weiblich =10).
Ein Grossteil der Teilnehmer gab dagegen an Strategie- und Aufbauspiele (63.1%,
männlich = 28, weiblich = 54), Rollenspiele und Adventure-Spiele (70.8%, männlich =
32, weiblich = 60), Ego-Shooter und Action-Adventure (62.3%, männlich = 15,
weiblich = 62) und Survival-Horror-Spiele (89.2%, männlich = 40, weiblich = 76) nie
gespielt zu haben. 32.3 % der Teilnehmer gab an Ego-Shooter und Action-AdventureSpiele zu mögen, davon waren 34 männliche Teilnehmer und acht weibliche. Die
restlichen Genres waren deutlich unbeliebt, nur 27.7 % bestehend aus 18 Männern und
18 Frauen gaben an Strategie- und Aufbauspiele zu mögen und blosse 21.6 % mit 16
Männern und zwölf Frauen spielten gerne Rollenspiele und Adventure-Spiele. Bei
Weiten am wenigsten beliebt war das Genre des Survival-Horrors. Nur 6.1% (männlich
= 6, weiblich = 2) der Teilnehmer gab an das Genre zu mögen, auf der Skala von eins
bis fünf beantworteten 89 Teilnehmer (68.5 %), davon 67 weibliche und 22 männliche,
mit 1 = „Mag ich gar nicht“.
65
6. Ergebnisse
6.1. Manipulationscheck
Um die experimentelle Manipulation von Kontrollverlust zu testen wurde eine
zweifaktorielle ANOVA durchgeführt mit den experimentellen Faktoren Kontrollverlust
(Hoch /Tief) und Charaktergeräuschen (Hoch /Tief) als unabhängige Faktoren und dem
wahrgenommenem Kontrollverlust als abhängige Variable. Die Versuchspersonen in
der experimentellen Gruppe mit Kontrollverlust nahmen Kontrollverlust signifikanter
wahr (M = 3.58, SD = 1.02) als die Versuchspersonen in der Gruppe ohne (M = 2.37,
SD = 0.99, F(1, 126) = 48.12, p <.001, η2 = .28). Der Haupteffekt von
Charaktergeräuschen auf Kontrollverlust (F(1, 126) = 2.92, p = .09, η2 = .02) war
statistisch nicht signifikant, es zeichnete sich aber eine leichte Tendenz ab.
Kontrollverlust wurde von den Probanden in der Spielversion ohne Charaktergeräusche
tendenziell stärker eingeschätzt. Die Interaktion zwischen Charaktergeräuschen und
Kontrollverlust (F(1, 126) = 0.11, p = ns, η2 = .00) war statistisch nicht signifikant.
Die
Manipulation
von
Charaktergeräuschen
wurde
ebenfalls
anhand
einer
zweifaktoriellen ANOVA getestet mit den experimentellen Faktoren Kontrollverlust
und Charaktergeräusche als unabhängige Faktoren und den wahrgenommenen
Charaktergeräuschen als abhängige Variable. Die Resultate zeigen, dass die
Spielversionen in Bezug auf die Charaktergeräusche tatsächlich unterschiedlich
wahrgenommen wurden. Die Testpersonen nahmen Charaktergeräusche in der
experimentellen Gruppe mit Charaktergeräuschen (M = 4.34, SD = 0.62) signifikanter
wahr als die Testpersonen, welche die Spielversion ohne Charaktergeräusche spielten
(M = 2.96, SD = 1.04, F(1, 126) = 82.89, p < .001, η2 = .39). Es lag eine semidisordinale Interaktion vor, welche nur die Interpretation des Haupteffekts von
Charaktergeräuschen
ermöglicht.
Ohnedies
war
die
Interaktion
zwischen
Charaktergeräuschen und Kontrollverlust (F(1, 126) = 0.05, p =ns, η2 =.00) sowie der
Haupteffekt von Kontrollverlust (F(1, 126) = 0.00, p = ns, η2 = .00) in Bezug auf
Charaktergeräusche beide statistisch nicht signifikant.
Der Levene-Test auf Varianzhomogenität war in Bezug auf Charaktergeräusche (p <
.01) und Kontrollverlust (p < .001) signifikant. Die Varianzen in den Gruppen waren
nicht homogen. Aufgrund der Verletzung der Normalverteilungsannahme wurde
66
zusätzlich der Krustal-Wallis-H-Test als nonparametrischer Test durchgeführt. Es
zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich dem
wahrgenommenen Kontrollverlust (χ2 = 35.61, df = 1, p < .001) und den
wahrgenommenen Charaktergeräuschen (χ2 = 51.97, df = 1, p < .001). Es kann deshalb
davon ausgegangen werden, dass beide Stimulus-Manipulationen erfolgreich waren.
6.2. Hypothesen über den direkten Einfluss von Kontrollverlust und
Charaktergeräuschen auf die Angst
Hypothesen 1 und 2 prognostizierten dass Kontrollverlust und Charaktergeräusche das
Empfinden der Angst intensivieren. Die Spielversion mit Charaktergeräuschen und
Kontrollverlust sollte demnach die höchste Angst hervorrufen. Um dies zu testen wurde
eine zweifaktorielle Varianzanalyse (ANOVA) durchgeführt mit Angst als abhängige
Variable und mit den experimentellen Faktoren Charaktergeräusche und Kontrollverlust
als unabhängige Faktoren. Entgegen den Erwartungen zeigte der Vergleich der
Mittelwerte, dass die Spielsituation mit Charaktergeräuschen und Kontrollverlust die
tiefsten Angstwerte (M = 2.90, SD = 1.26) erweckte. Am meisten Angst erfuhren die
Versuchspersonen in der Gruppe mit der Spielversion mit Kontrollverlust und ohne
Charaktergeräusche (M = 3.41, SD = 1.06).
Eine semi-disordinalen Interaktion lag vor (siehe Abbildung 3), welche nur den
Haupteffekt von Charaktergeräuschen auf die Angst interpretieren lässt (Der
Haupteffekt von Kontrollverlust war ohnehin nicht signifikant, F(1, 126) = 0.59, p = ns,
η2 = .005). So erweckte die Spielversion ohne Charaktergeräusche (M = 3.36, SD =
1.06) mehr Angst als die Spielversion mit Geräuschen (M = 3.09, SD = 1.19), der
Haupteffekt war jedoch statistisch nicht signifikant (F(1, 126) = 1.91, p = ns, η2 = .02).
Die Interaktion von Kontrollverlust und Charaktergeräuschen zeigt, dass Kontrollverlust
nur in Zusammenhang mit der Spielsituation ohne Charaktergeräusche unheimlicher
wahrgenommen wird, andernfalls ist die Spielversion ohne Kontrollverslust tendenziell
erschreckender. Allerdings ist dieser Effekt ebenfalls statistisch nicht signifikant (F(1,
126) = 1.29, p = ns, η2 = .01).
Eine Kovarianzanalyse (ANCOVA) wurde durchgeführt, um mögliche Einflüsse von
Kovariaten zu testen. Es zeigte sich ein signifikanter Einfluss von Geschlecht auf die
Angst (F(1, 125) = 15.83, p <.001, η2 = .11). Die erlebte Angst wurde stark durch das
Geschlecht mitbestimmt und Frauen erlebten die Angst intensiver (siehe Kapitel 6.5.2.).
67
Die Erklärungsleistung von Kontrollverlust (F(1, 125) = 1.15, p = ns, η2 = .01) und der
Interaktion (F(1, 125) = 2.14, p = ns, η2 = .02) stieg bei der Aufnahme der Kovariate
Geschlecht an und verbesserte das ursprüngliche Analysemodell ohne Kovariate. So
stieg das korrigierte R-Quadrat von .006 auf .011. Jedoch führte die Einnahme der
Kovariate Geschlecht zu einer disordinalen Interaktion, welche nur die Interaktion
interpretieren lässt.
Abbildung 3: Graphische Darstellung der Varianzanalyse: Einfluss der
Charaktergeräusche und des Kontrollverlusts auf die Angst (N = 130)
Es gab diverse Variablen, wie tension (F(1, 125) = 44.79, p < .001, η2 = .26), die
Dimension empathic concern des Persönlichkeitsmerkmals Empathie (F(1, 125) =
68
24.44, p < .001, η2 = .16) oder Ekel (F(1, 125) = 34.44, p < .001, η2 = .22), welche einen
signifikanten Einfluss auf die Angst ausübten, diese reduzierten jedoch die
Erklärungskraft der einzelnen Faktoren und wurden deshalb nicht als Kovariate für
weitere Analysen in Betracht gezogen. Das Ausmass, zu dem sich die Spieler während
des Spielens kompetent und erfolgreich fühlten als competence erfasst, übte ebenfalls
einen signifikanten Einfluss auf die erlebte Angst aus (F(1, 125) = 15.80, p < .001, η2 =
.11). Durch die Einnahme der Kovariate stieg die Erklärungskraft des Haupteffekts von
Charaktergeräuschen und zeigte sich als tendenziell signifikant (F(1, 125) = 3.53, p =
.063, η2 = .03). Die verschiedenen Faktoren zur Spielerfahrung waren entgegen den
Erwartungen keine signifikanten Kovariaten.
Die Beziehung von Charaktergeräuschen, Kontrollverlust und Angst wurde zusätzlich
anhand des Kontrollverlusts, welche die Probanden als Manipulationscheck angaben
wahrzunehmen und den wahrgenommenen Charaktergeräuschen, ebenfalls als
Manipulationscheck erfasst, über eine einseitige Korrelation nach Pearson untersucht
(siehe Tabelle 3).
Der Zusammenhang vom Kontrollverlust, welche die Probanden wahrgenommen haben
und die erlebte Angst war signifikant (r = - .15, p = < .05). Die negative Korrelation
deutet auf einen negativen Einfluss von Kontrollverlust auf die Angst. Mit steigendem
wahrgenommenen Kontrollverlust sank die erlebte Angst. Die Hypothese 1, welche
einen positiven Einfluss von Kontrollverlust auf die Angst voraussagte, muss somit
verworfen werden. Weder die Manipulation des Kontrollverlusts in den experimentellen
Gruppen noch der wahrgenommene Kontrollverlust der einzelnen Probanden wirkte
sich verstärkend auf die Angst aus.
Der teilweise signifikante negative Einfluss von Charaktergeräuschen auf den
Kontrollverlust, welcher in der vorherigen ANOVA Analyse zu beobachten war, konnte
auch in dieser Analyse festgestellt werden. Mit der Anzahl der wahrgenommen
Charaktergeräuschen stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Versuchsteilnehmer
weniger Kontrollverlust wahrnahmen (r = - .22, p = < .01). Kontrollverlust wurde somit
von den Teilnehmern in der Spielversion ohne Charaktergeräusche tendenziell stärker
eingeschätzt. Die Korrelation zwischen den wahrgenommenen Charaktergeräuschen
und
der
Angst
zeigt
einen
signifikanten
positiven
Zusammenhang.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass die Versuchsteilnehmer mehr Angst erlebten, stieg mit den
zunehmend wahrgenommenen Charaktergeräuschen (r = .19, p < .05). Die Hypothese 2,
69
welche voraussagte, dass Charaktergeräusche sich positiv auf die Angst auswirken, wird
in Bezug auf die wahrgenommenen Charaktergeräusche gestützt. Die experimentelle
Manipulation der Charaktergeräusche, folglich die tatsächlichen Charaktergeräusche im
Spiel haben dagegen einen negativen Einfluss auf die Angst, welcher jedoch nicht
signifikant war.
Tabelle 3: Korrelationen zwischen den wahrgenommenen Charaktergeräuschen, dem
wahrgenommenem Kontrollverlust und der Angst (N = 130)
wahrgenommene
wahrgenommener
Charaktergeräusche
Kontrollverlust
-.22**
.19*
-.22**
- .15*
wahrgenommene Charaktergeräusche
wahrgenommener Kontrollverlust
Angst
Angst
.19*
- .15*
-
** p < .01; * p < .05
6.3. Hypothesen über den direkten Einfluss von Kontrollverlust und
Charaktergeräuschen auf die Identifikation und ihr Einfluss auf die Angst
Mit der Hypothese 3 wurde vermutet, dass Identifikation erfasst als sechsdimensionales
Konstrukt, bestehend aus den interdependenten Faktoren kognitives Verständnis,
Empathie
mit
dem
Charakter,
verinnerlichte
Ziele,
verkörperte
Präsenz,
wahrgenommene Ähnlichkeit und Selbstvergessenheit, einen positiven Einfluss auf die
Angst ausübt. Hypothesen 4 und 6 prognostizierten den direkten Effekt der
unabhängigen Variablen Kontrollverlust und Charaktergeräusche auf die Identifikation
als Konstrukt. Es wurde vermutet, dass Kontrollverlust sich negativ auf den
Identifikationsprozess auswirkt während Charaktergeräusche einen positiven Einfluss
haben.
Die Annahme, dass die Identifikation mit Videospielcharakteren als mehrstrukturelles
Konstrukt wahrgenommen wird, wurde mit den Analysen im Kapitel 5.7 mehrheitlich
bestätigt. Es zeigte sich, dass Identifikation nicht wie angenommen aus sechs
Dimensionen sondern aus fünf Dimensionen besteht, denn die Fähigkeit, die Gefühle
der Charaktere zu teilen und der kognitive Aspekt die Perspektive des Charakters
einzunehmen, wurden von den Befragten als ein Faktor wahrgenommen. Für die
70
Analysen in diesem Kapitel wurden die 18 Items der fünf Faktoren aus Kapitel 5.7 zu
einem Mittelwertsindex zusammengefasst (α = .90, M = 2.92, SD = 0.68).
Um den direkten Einfluss von Charaktergeräuschen und Kontrollverlust auf die
Identifikation zu testen wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse (ANOVA)
durchgeführt mit Identifikation als abhängige Variable und mit den experimentellen
Faktoren Charaktergeräusche und Kontrollverlust als unabhängige Faktoren (siehe
Abbildung 4).
Der Vergleich der Mittelwerte zeigte, dass die Spielsituation mit Charaktergeräuschen
und Kontrollverlust die tiefsten Identifikationswerte (M = 2.70, SD = 0.65) aufwies. Die
höchste Identifikation mit dem Charakter erlebten die Versuchspersonen, welche die
Spielversion ohne Kontrollverlust und ohne Charaktergeräusche spielten (M = 3.15, SD
= 0.72). Der Haupteffekt von Charaktergeräusche war statistisch signifikant (F(1, 126)
= 7.41, p < .01, η2 = .06). Die Spielversion ohne Charaktergeräusche (M = 3.09, SD =
0.68) führte zu einer stärkeren Identifikation als die Spielversion mit Geräuschen (M =
2.77, SD = 0.65).
Was Kontrollverlust betrifft, so gaben die Probanden, welche die Spielversion ohne
Kontrollverlust spielten (M = 2.98, SD = 0.67) an mehr Identifikation erlebt zu haben
als die Versuchspersonen, welche die Version mit Kontrollverlust (M = 2.82, SD = 0.65)
spielten. Der Haupteffekt von Kontrollverlust war jedoch statistisch nicht signifikant
(F(1, 126) = 1.16, p = ns, η2 = .01).
Die Beziehung von Charaktergeräuschen, Kontrollverlust und Identifikation wurde
ebenfalls mit den wahrgenommenen Charaktergeräuschen und dem wahrgenommenen
Kontrollverlust über eine einseitige Korrelation nach Pearson untersucht.
Der Zusammenhang vom Kontrollverlust, welche die Probanden wahrgenommen haben
und die Identifikation mit dem Charakter war negativ jedoch nicht signifikant (r = -.06,
p = ns). Hypothese 4, welche einen negativen Zusammenhang zwischen der
Identifikation mit dem Charakter und Kontrollverlust prognostizierte, kann nicht
gänzlich bestätigt werden. Zwar konnte ein negativer Zusammenhang zwischen dem
tatsächlichen Kontrollverlust in der Varianzanalyse sowie dem wahrgenommenen
Kontrollverlust mittels Korrelation beobachtet werden, dieser war allerdings in beiden
Fällen statistisch nicht signifikant.
71
Abbildung 4: Graphische Darstellung der Varianzanalyse: Einfluss der
Charaktergeräusche und des Kontrollverlusts auf die Identifikation (N = 130)
Die Korrelation zwischen den wahrgenommenen Charaktergeräuschen und der
Identifikation mit dem Charakter zeigte einen tendenziell signifikanten positiven
Zusammenhang. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Versuchsteilnehmer sich mehr mit
dem
Charakter
identifizierten,
stieg
mit
den
zunehmend
wahrgenommenen
Charaktergeräuschen (r = .13, p = .07). Die Hypothese 6, welche einen positiven
Zusammenhang zwischen den Charaktergeräuschen und der Identifikation mit dem
Charakter voraussagte, wird in Bezug auf die wahrgenommenen Charaktergeräusche
72
teilweise gestützt. Die tatsächlichen Charaktergeräuschen (wie in der Varianzanalyse zu
beobachten) dagegen übten einen statistisch signifikanten negativen Einfluss auf die
Identifikation aus. Die Hypothese 6 kann in Bezug auf die tatsächlichen
Charaktergeräuschen nicht angenommen werden.
Ob sich die Identifikation mit dem Charakter positiv auf das Erleben der Angst
auswirkt, wie in Hypothese 3 vermutet, wurde zuerst ebenfalls mit einer Korrelation
nach
Pearson
überprüft.
Die
Identifikation
mit
dem
Charakter
korrelierte
hochsignifikant mit der erlebten Angst (r = .52, p < .001). Zwischen Identifikation und
Angst bestand ein positiver linearer Zusammenhang. Eine einfache lineare Regression
mit Angst als abhängige Variable und der Identifikation wurde durchgeführt, um zu
klären inwieweit Angst von Identifikation bedingt wird. Die Regressionsanalyse war
statistisch hochsignifikant (F(1, 128) = 43.37, p < .001). Die Identifikation mit dem
Charakter war ein positiver Prädiktor von Angst (β = .46, p < .001) und das Modell
erklärte 22 % der Varianz. Die Hypothese 3 wird von den Daten gestützt und kann
mehrheitlich bestätigt werden.
6.4. Hypothesen über Identifikation als Mediator
Die Hypothesen 5 bis 5.2 sowie 7 bis 7.4 betrachteten Identifikation und deren
Dimensionen als Mediator-Variablen, welche die Beziehung von Charaktergeräuschen
und Kontrollverlust auf die Angst mediieren.
Ein Mediator-Effekt liegt vor, wenn ein Mediator (M) die kausale Beziehung zwischen
der unabhängigen Variable (X) und der abhängigen Variable (Y) interveniert oder
unterbricht. Die Mediator-Variable M ist gleichzeitig eine abhängige Variable in Bezug
zu X und eine unabhängige Variable zu Y. Diese indirekten Effekte können als partielle
Mediator-Effekte oder als totale Mediator-Effekte auftreten. Urban und Mayerl (2007,
S. 1) erklären, dass ein partieller Effekt vorliegt, wenn die abhängigen Variablen X den
Mediator M beeinflusst und die abhängige Variable Y vom Mediator M beeinflusst
wird. Zusätzlich besteht ein direkter Effekt von der abhängigen Variable X auf die
unabhängige Variable M, der nicht von der Mediator-Variablen M interveniert wird.
Ein totaler Mediator-Effekt liegt dann vor, wenn der Effekt von der unabhängigen
Variablen X auf die abhängige Variable Y komplett durch die Mediator-Variable Z
erklärt wird und kein direkter Effekt zwischen X und M mehr vorliegt (Urban &
Mayerl, 2007, S. 1).
73
Rucker, Preacher, Tormala und Petty (2011) empfehlen jedoch Vorsicht bei der
Interpretation von totalen Mediationseffekten und der strikten Unterscheidung zwischen
partiellen und totalen Effekten. Sie argumentieren, dass auch in Analysen, in welche
totale Mediationseffekte einzelner Variablen festgestellt wurden, nachträglich weitere
signifikante indirekte Effekte festgestellt werden konnten (Rucker et al., 2011, S. 363–
364). Insbesondere in Analysen mit kleinen Fallzahlen tendieren Mediationsanalysen
auf eine totale Mediation hinzudeuten, mit steigender Fallzahl werden vermehrt partielle
Mediationseffekte beobachtet. Die Autoren suggerieren deshalb den Fokus auf die
Effektgrösse der indirekten Effekte zu legen, anstatt auf die Unterscheidung zwischen
partieller und totaler Mediation zu fokussieren (S. 368-369).
Nach Baron und Kenny (1986) müssen drei Bedingungen erfüllt sein, um von einer
mediierenden Wirkung sprechen zu können. Die unabhängige Variable X muss einen
signifikanten Einfluss auf die vermittelnde Variable M ausüben, die Mediator-Variable
muss einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable Y ausüben und die Stärke
des signifikanten direkten Effektes von der unabhängigen Variablen X auf die
abhängige Variable Y muss beim Einfügen der Mediator-Variablen M sinken (Baron &
Kenny, 1986, S. 1176).
Preacher und Hayes (2008) argumentieren dagegen, dass kein signifikanter
Zusammenhang zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable vorhanden
sein muss, damit Mediation stattfindet.
As Kenny, Kashy, and Bolger (1998) note, however, the latter criterion will be satisfied
when the first and third criteria are satisfied and when the signs of the effects are
consistent with the proposed mediation process. […] these criteria essentially require
paths a [Einfluss von X auf M], b [Einfluss von M auf Y], and c [Einfluss von X auf Y] to
be significant and c′ [Einfluss von X auf Y mediiert durch M] to be smaller than c by a
nontrivial amount. However, some authors (Collins, Graham, & Flaherty, 1998; Judd &
Kenny, 1981; Kenny et al., 1998; MacKinnon, 1994, 2000; MacKinnon, Krull, &
Lockwood, 2000; Shrout & Bolger, 2002) have argued that a significant total effect of X
on Y […] is not necessary for mediation to occur (Preacher & Hayes, 2008, S. 880).
Die Autoren schlagen dagegen den indirekten Effekt, nämlich die vereinigten Einflüsse
der Pfade a und b (Einfluss von X auf M und Einfluss von M auf Y), auf Signifikanz zu
untersuchen. Die Signifikanz dieses Effektes kann anhand des Sobel-Tests (Sobel,
1982) gemessen werden.
The Sobel test (Sobel, 1982, 1986), also called the product-of-coefficients approach,
involves computing the ratio of ab to its estimated standard error. A p value for this ratio
is computed in reference to the standard normal distribution, and significance supports
the hypothesis of mediation (Preacher & Hayes, 2008, S. 880).
74
Zusätzlich empfehlen die Autoren die Methode des Bootstrapping um den indirekten
Effekt zu schätzen. Die nonparametrische Methode eignet sich insbesondere für kleine
Fallzahlen oder wenn die Normalverteilung der Daten nicht gegeben ist (Preacher &
Hayes, 2004, S. 720; Preacher & Hayes, 2008, S. 880).
Um die vermuteten indirekten Effekte in der Beziehungen zwischen Kontrollverlust,
Charaktergeräuschen, Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt und Angst zu
untersuchen wurde deshalb das SPSS-Makro PROCESS von Hayes (2013) verwendet,
welches die Pfad-Koeffizienten in multiple Mediator-Modelle schätzt und mittels SobelTest und Bootstrapping auf die Signifikanz von totale oder indirekte Mediation prüft.
Für die folgenden Analysen wurde ein Sample von 5000 als Bootstrapping angewendet
mit dem Konfidenzintervall von 95%.
6.4.1. Hypothesen über Identifikation als Mediator der Beziehung zwischen
Kontrollverlust und Angst
Mit Hypothese 5 bis 5.2 wurde eine vermittelnde Wirkung von Identifikation als
mehrdimensionales Konstrukt auf die Beziehung zwischen Kontrollverlust und Angst
angenommen. Mit der Mediator-Analyse wurde der Zusammenhang von dem
tatsächlich erlebten Kontrollverlust (experimenteller Faktor Kontrollverlust) sowie dem
wahrgenommenem Kontrollverlust als Manipulationscheck erfasst und die Angst mit
Identifikation als Mediator auf signifikante indirekte Effekte untersucht.
Tatsächlicher Kontrollverlust
Die Dimensionen kognitive Empathie, verinnerlichte Ziele, verkörperte Präsenz,
wahrgenommene Ähnlichkeit und Selbstvergessenheit wurden im SPSS-Makro als
mediierende Variablen, mit dem experimentellen Faktor Kontrollverlust (Hoch/Tief) als
unabhängige und Angst als abhängige Variable getestet.
Die Mediator-Analyse (siehe Abbildung 5) zeigte, dass nur die Dimension kognitive
Empathie in Zusammenhang mit den anderen Dimensionen ein signifikanter Prädiktor
von Angst war (b = .39, p < .01). Es konnte kein signifikanter indirekter Effekt
beobachtet werden, alle Konfidenzintervalle der indirekten Effekte der fünf Faktoren
enthielten 0, was gegen einen Mediationseffekt spricht. Der totale indirekte Effekt (b = .10, p = ns) war ebenfalls sehr klein und nicht signifikant, mit KonfidenzintervallWerten welche 0 enthielten (95% CI [-.34, .12]).
75
Hypothese 5 muss in Bezug auf den tatsächlich erlebten Kontrollverlust verworfen
werden. Hypothesen 5.1 und 5.2 prognostizierten die mediierende Rolle von
verkörperter Präsenz und Selbstvergessenheit als Dimensionen von Identifikation auf
die Beziehung von Kontrollverlust und Angst. Es wurde ein Suppressionseffekt
vermutet. Kontrollverlust sollte sich negativ auf die Dimensionen von verkörperter
Präsenz und Selbstvergessenheit auswirken, während die beiden Dimensionen die Angst
positiv beeinflussen sollten.
Kontrollverlust übte einen negativen Effekt auf die verkörperte Präsenz (b = - .05, p =
ns) und auf die Selbstvergessenheit (b = - .17, p = ns) aus, der Effekt war allerdings
klein und statistisch nicht signifikant. Die Dimensionen verkörperte Präsenz (b = - .16,
p = .15) und Selbstvergessenheit (b = .02, p = ns) waren positive Prädiktoren von Angst,
welche aber nicht signifikant waren und im Falle von verkörperter Präsenz höchstens
als Tendenz zu betrachteten sind. Sowohl der indirekte Effekt über verkörperte Präsenz
(b = - .0083, z = - 0.22, p = ns, 95% CI [- .12, .05]) als auch der indirekte Effekt über
Selbstvergessenheit (b = -.0042, z = - 0.16, p = ns, 95% CI [- .09, .03]) waren beide sehr
klein und nicht signifikant. Somit müssen die Hypothesen 5.1 und 5.2 in Bezug auf den
tatsächlich erlebten Kontrollverlust verworfen werden.
Abbildung 5: Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Kontrollverlust und Angst
mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet sind die
unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130)
76
Wahrgenommener Kontrollverlust
Die Analyse mit dem von den Probanden wahrgenommenem Kontrollverlust als
unabhängige Variable ist in der Abbildung 6 dargestellt. Den stärksten negativen
Einfluss übte der wahrgenommene Kontrollverlust auf die Dimensionen der kognitiven
Empathie (b = -.09, p = ns) und der Selbstvergessenheit (b = - .09, p = ns) aus, beide
Effekte waren jedoch nicht signifikant.
Die Dimension der kognitiven Empathie in Bezug auf den wahrgenommenen
Kontrollverlust war hier ebenfalls ein signifikanter positiver Prädiktor von Angst (b =
0.37, p < .01). Die anderen Werte unterschieden sich nicht nennenswert von den
analysierten Werten des tatsächlich erlebten Kontrollverlusts.
Sowohl der totale indirekte Effekt (b = - .05, p = ns, 95% CI [- .15, .05]) als auch der
indirekte Effekt über verkörperte Präsenz (b = - .01, z = - 0.48, p = ns, 95% CI [- .06,
.02]) und der indirekte Effekt über Selbstvergessenheit (b = - .0006, z = - 0.04, p = ns,
95% CI [- .04, .02]) waren sehr klein und statistisch nicht signifikant. Somit müssen die
Hypothesen 5, 5.1 und 5.2 auch in Bezug auf den wahrgenommenen Kontrollverlust
verworfen werden.
Abbildung 6: Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Kontrollverlust und
Angst mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet sind
die unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130)
77
6.4.2. Hypothesen über Identifikation als Mediator der Beziehung zwischen
Charaktergeräuschen und Angst
Hypothese 7 bis 7.4 besagten, dass Identifikation und deren Dimensionen die Beziehung
zwischen Charaktergeräuschen und Angst mediiert. In den vorangehenden Analysen
konnte beobachtet werden, dass die tatsächlich erlebten Charaktergeräusche und die von
den Probanden wahrgenommen Charaktergeräusche unterschiedlich auf die Angst
wirkten. Dieser Effekt war auch Bezug auf die Identifikation zu beobachten. Die
Mediator-Analyse soll aufzeigen inwieweit die Identifikation mit dem Charakter und
deren
Dimensionen
Charaktergeräuschen
den
Zusammenhang
(experimenteller
Faktor
zwischen
den
tatsächlichen
Charaktergeräusche),
und
den
wahrgenommenen Charaktergeräuschen (Manipulationscheck) und der Angst mediiert.
Tatsächlich erlebte Charaktergeräusche
Die fünf Identifikationsdimensionen wurden im SPSS-Makro als mediierende Variablen
geprüft, mit dem experimentellen Faktor Charaktergeräusche (Hoch/Tief) als
unabhängige Variable und Angst als abhängige Variable (siehe Abbildung 7).
Die Charaktergeräusche waren ein tendenziell signifikanter Prädiktor von kognitiver
Empathie (b = - .30, p = .06) und kognitive Empathie war ein signifikanter Prädiktor
von Angst (b = - .39, p < .01).
Auch wahrgenommene Ähnlichkeit wurde auf signifikantem Niveau negativ von den
Charaktergeräuschen beeinflusst (b = - .31, p = .03). Als Prädiktor von Angst war
wahrgenommene Ähnlichkeit jedoch nicht signifikant (b = .16, p = ns). Die
Charaktergeräusche waren in Bezug auf verkörperte Präsenz (b = - .47, p < .05) und
Selbstvergessenheit (b = - .33, p < .05) jeweils mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit
kleiner als 5 % signifikante negative Prädiktoren.
Obwohl kein signifikanter direkter Effekt von den Charaktergeräuschen auf die Angst
festgestellt wurde, fand eine Mediation statt. Es bestand ein signifikanter totaler
indirekter Effekt von Identifikation in Zusammenhang mit den Charaktergeräuschen
und der Angst (b = - .26, p < .05), ohne dem vorkommen von 0 innerhalb des 95%
Konfidenzintervalls (95% CI [-.52, -.05]).
Kognitive Empathie war als einzige Dimension von Identifikation in Bezug auf die
Bootstrapping-Daten ein signifikanter Mediator ohne vorkommen von 0 in den
Konfidenzintervallen (95% CI [- .33, - .01]), der Sobel-Test war hingegen nicht
78
signifikant (z = - 1.56, p = .12).
In Bezug auf die Charaktergeräusche übt Identifikation einen mediierenden Effekt aus.
Jedoch nicht wie erwartet positiv sondern negativ. Die Hypothese 7, welche eine
positive
Mediation
voraussagte,
kann
in
Bezug
auf
die
tatsächlichen
Charaktergeräusche nicht gänzlich bestätigt werden.
Mit den Hypothesen 7.1 – 7.4 wurde die vermittelnde Rolle der Dimensionen Empathie
mit dem Charakter, kognitives Verständnis, wahrgenommene Ähnlichkeit und
verkörperte Präsenz auf die Beziehung von Charaktergeräuschen und Angst
prognostiziert. Im Kapitel 5.7 zeigte sich, dass die Dimensionen von Empathie mit dem
Charakter und das kognitive Verständnis als eine Dimension wahrgenommen werden,
welche ich als kognitive Empathie betitelte. Hypothese 7.2 entfällt somit.
Der mediierende Effekt von kognitiver Empathie im Zusammenhang mit den anderen
Dimensionen von Identifikation konnte im oberen Abschnitt bestätigt werden, jedoch
war der Pfad zwischen den tatsächlichen Charaktergeräuschen und der kognitiven
Empathie negativ. Somit wird die Hypothese 7.1 in Bezug auf die tatsächlichen
Charaktergeräusche nur teilweise bestätigt.
Mit Hypothese 7.3 und 7.4 wurde einen positiven Einfluss von Charaktergeräuschen auf
wahrgenommene Ähnlichkeit und auf die verkörperte Präsenz vorausgesagt, welche
wiederum als mediierende Variablen sich positiv auf die Angst auswirken. Bei den
tatsächlichen Charaktergeräuschen fand kein signifikanter indirekter Effekt über
wahrgenommene Ähnlichkeit statt (b = - .05, z = - 1.02, p = ns, 95% CI [- .19, .01]).
Aus
diesem
Grund
wird
Hypothese
7.3
hinsichtlich
der
tatsächlichen
Charaktergeräusche verworfen.
Zwischen verkörperter Präsenz, den tatsächlichen Charaktergeräuschen und der Angst
war ebenfalls kein signifikanter indirekter Effekt zu beobachten (b = - .08, z = - 1.17, p
= ns, 95% CI [- .25, .02]). Hypothese 7.4 mit den tatsächlichen Charaktergeräuschen
kann nicht bestätigt werden.
Im Kapitel zur Untersuchung der Hypothesen 1 und 2 zeigte sich, dass durch die
Einnahme
der
Kovariable
Kompetenz
(competence)
in
der
ANCOVA
die
Erklärungskraft von Charaktergeräuschen sichtlich zunahm. Es wurde deshalb
zusätzlich eine Mediator-Analyse mit Kompetenz als Kovariable durchgeführt.
Die Kovariable stand in einem positiven Zusammenhang zu den Dimensionen der
verinnerlichten Ziele (b = .19, p < .05), der Selbstvergessenheit (b =.19, p <.05) und sie
79
war ein hochsignifikanter negativer Prädiktor der Emotion Angst (b = - .56, p < .001).
In Bezug auf die Mediator-Analyse mit tatsächlichen Charaktergeräuschen führte die
Einnahme von Kompetenz dazu, dass der Pfad zwischen kognitiver Empathie und
Angst (b = .38, p < .001) mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 0.1%
signifikant wurde. Wahrgenommene Ähnlichkeit wurde durch die Berücksichtigung der
Kovariable ebenfalls zu einen signifikanten Prädiktor von Angst (b = .24, p < .05).
Die Konfidenzintervalle des Bootstrapping deuteten weiterhin auf einen signifikanten
indirekten Effekt von kognitiver Empathie (b = - .11, 95% CI [- .30, - .01]) und einen
signifikanten totalen indirekten Effekt von Identifikation (b = - .27, 95% CI [- .52, .05]). Es bestand ferner ein signifikanter indirekter Effekt der Dimension der
wahrgenommenen Ähnlichkeit (b = - .07, 95% CI [- .20, - .0041]).
Abbildung 7: Zusammenhang zwischen den tatsächlichen Charaktergeräuschen und
Angst mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet sind
die unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130)
Wahrgenommene Charaktergeräusche
Die Mediationsanalyse mit den Soundeffekten des Charakters, welche die Probanden
wahrgenommen haben, als unabhängige Variable, den fünf Dimensionen von
Identifikation als Mediator und Angst als abhängige Variable zeigte ein anderes Bild
(siehe Abbildung 8).
80
Die wahrgenommenen Charaktergeräusche waren im Gegensatz zu den tatsächlichen
Charaktergeräuschen ein signifikanter positiver Prädiktor von kognitiver Empathie (b =
.18, p < .05) und kognitive Empathie war weiterhin ein signifikanter Prädiktor von
Angst (b = .36, p < .01). Die wahrgenommenen Charaktergeräusche hatten jedoch
keinen signifikanten Einfluss auf die restlichen vier Dimensionen von Identifikation. Zu
bemerken ist jedoch, dass im Gegensatz zu den tatsächlichen Geräuschen die
wahrgenommenen Charaktergeräusche sich positiv auf die Dimensionen auswirkten.
Der totale indirekte Effekt von Identifikation war nach dem Sobel-Test tendenziell
signifikant (b = .88, z = 1.76, p = .08), jedoch kam 0 innerhalb des 95%
Konfidenzintervalls vor (95% CI [-.01, .19]), was gegen einen signifikanten
Mediationseffekt spricht.
Nach den Ergebnissen des Bootstrapping war die kognitive Empathie der einzige
signifikante indirekte Effekt (b = .88) ohne vorkommen von 0 in den
Konfidenzintervallen (95% CI [.01, .16]). Der Sobel-Test zeigte eine tendenzielle
Signifikanz (z = 1.80, p = .07).
Nur die Dimension der kognitiven Empathie mediierte den Zusammenhang von
wahrgenommenen Charaktergeräuschen und Angst. Hypothese 7 kann somit
hinsichtlich der wahrgenommenen Charaktergeräusche nicht angenommen werden, da
Identifikation als Konstrukt den Zusammenhang zwischen
wahrgenommenen
Geräuschen und der Angst nicht als ganzes mediiert.
Die Hypothese 7.1, welche voraussagte, dass Charaktergeräusche sich verstärkend auf
die kognitive Empathie auswirken und sich diese wiederum positiv auf die Angst
auswirkt, wird bezüglich den wahrgenommenen Charaktergeräuschen von den Daten
gestützt.
Mit Hypothese 7.3 und 7.4 wurde einen positiven Einfluss von Charaktergeräuschen auf
die wahrgenommene Ähnlichkeit und die verkörperte Präsenz vermutet, welche
wiederum als mediierende Variablen sich positiv auf die Angst auswirken sollten.
Die von den Probanden wahrgenommenen Charaktergeräusche zeigten zwar einen
positiven Effekt (b = .04, p = ns) auf die wahrgenommene Ähnlichkeit, dieser war aber
statistisch nicht signifikant. Ebenso nicht signifikant war der Einfluss von
wahrgenommener Ähnlichkeit als Prädiktor von Angst (b = 0.17, p = ns) und der
indirekte Effekt (b = .01, z = 0.47, p = ns, 95% CI [- .01, .05]), was gegen die
Hypothese von wahrgenommener Ähnlichkeit als vermittelnde Variable spricht.
Auch in Bezug auf die verkörperte Präsenz waren die wahrgenommenen
81
Charaktergeräusche kein signifikanter Prädiktor (b = .08, p = ns.) von verkörperter
Präsenz und diese auch kein signifikanter Prädiktor von Angst (b = .17, p = ns.). Es war
ferner kein signifikanter indirekter Effekt zu beobachten (b = .01, z = 0.04, p = ns, 95%
CI [-.01, .07]), weshalb sich die Hypothese 7.4 auch hinsichtlich der wahrgenommenen
Charaktergeräusche verwerfen lässt.
Abbildung 8: Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Charaktergeräuschen
und Angst mediiert über die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt. Berichtet
sind die unstandardisierten Regressionskoeffizienten. (N = 130)
Die
Mediator-Analyse
des
Zusammenhangs
von
wahrgenommenen
Charaktergeräuschen, Identifikation und Angst wurde ebenfalls auf Kompetenz
kontrolliert. Das Gefühl der Kompetenz und des Erfolges stand in einem positiven
Zusammenhang zu den Dimensionen der verinnerlichten Ziele (b = .22, p < .01) und der
Selbstvergessenheit (b = .23, p < .01). Es war ein tendenziell signifikanter Prädiktor von
wahrgenommener Ähnlichkeit (b = .16, p = .06) und ein hochsignifikanter negativer
Prädiktor der Emotion Angst (b = - .55, p < .001). Durch den Einbezug der Kovariable
erreichte der totale indirekte Effekt ein signifikantes Niveau mit Konfidenzintervallen
ohne das Vorkommen von 0 (95% CI [.01, .22]). Identifikation als Konstrukt mediierte
den Zusammenhang von wahrgenommenen Charaktergeräuschen und Angst. Die
Mediation erfolgte ebenfalls über die Dimension der kognitiven Empathie (b = .07, z =
1.98, p < .05, 95% CI [.02, .17]) mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit unter 5%. Ähnlich
82
wie in der Analyse mit den tatsächlichen Charaktergeräuschen wurde durch die
Einnahme von Kompetenz der Einfluss von wahrgenommener Ähnlichkeit in Bezug auf
die Angst signifikant (b = .54, p < .05). Der indirekte Effekt über wahrgenommene
Ähnlichkeit blieb, wie bei den anderen Dimensionen aber weiterhin auf einem nicht
signifikanten Niveau.
6.5. Explorative Tests
6.5.1. Identifikation
Ähnlich zu den Resultaten der Studie von Hefner et al. (2007) bestand zwischen der
Identifikation
mit
dem
Charakter
und
Unterhaltung
ein
positiver
linearer
Zusammenhang, die Korrelation nach Pearson war hochsignifikant (r = .46, p < .001).
Das Gefühl der Kompetenz und das Erfolgsgefühl, welches die Autoren als wichtigen
Faktor für die Identifikation betrachteten, korrelierte ebenfalls signifikant (r = .17, p <
.05).
Die Persönlichkeitsmerkmale der Absorption (r = .18, p < .05) und der Empathie (r =
.26, p < .001) standen ebenso in einem linearen Zusammenhang mit der Identifikation.
Ein positiver Zusammenhang bestand ebenfalls zu weiteren videospielrelevanten
Einflüssen, wie der sensorischen und imaginativen Immersion (r = .53, p < .001) und
der Anspannung und Frustration während des Spielens (r = .29, p < .001). Präsenz (r =
.69, p < .001) und die damit verbundenen Faktoren, wie das kognitive Involvement (r =
.45, p < .001), das bereichsspezifische Interesse (r = .33, p < .001) und die
Aufmerksamkeit des Mediennutzers (r = .49, p < .001) korrelierten ebenfalls
hochsignifikant mit der Identifikation mit dem Charakter.
Von den erfassten Emotionen korrelierten Überraschung (r = .41, p < .001), Ekel (r =
.18, p < .05) und Scham (r = .15, p < .05) ähnlich wie Angst (r = .52, p < .001) positiv
mit der Identifikation auf einem signifikanten Niveau. Mit steigender wahrgenommener
Identifikation wurden die Emotionen ebenfalls mehr wahrgenommen. Der positive
Zusammenhang zwischen Unterhaltung und Identifikation und die Korrelationen in
Bezug auf die Angst liess die Annahme aufkommen, dass Identifikation die Beziehung
der Angst und des Unterhaltungserleben vermittelt. Um dies zu testen wurde eine
Mediator-Analyse mittels dem Makro PROCESS von Hayes (2013) durchgeführt,
wiederum mit dem Sample von 5000 als Bootstrapping und dem Konfidenzintervall von
95%. Angst wurde im Makro als unabhängige Variable mit Identifikation als
Mittelwertsindex als Mediator und Unterhaltung als abhängige Variable getestet (siehe
83
Abbildung 9). In der Tat bestand ein signifikanter totaler indirekter Effekt (b = .24, z =
4.57, p < .001) von Identifikation in der Beziehung zwischen Angst und Unterhaltung.
Die Identifikation mit dem Charakter mediierte den sonst negativen direkten Einfluss
von Angst auf die Unterhaltung (b = - .16, p < .05) und wirkte sich positiv (b = .77, p <
.001) auf das Unterhaltungserleben aus.
Abbildung 9: Zusammenhang zwischen Angst und Unterhaltung mediiert über die
Identifikation mit dem Charakter. Berichtet sind die unstandardisierten
Regressionskoeffizienten. (N = 130)
6.5.2. Geschlecht
In der Meta-Analyse von Hoffner und Levine (2005) über die Unterhaltung durch
furchterregende Medien zeigte sich, dass Frauen und Männer Horror unterschiedlich
bewerten. Dieses Phänomen wurde auch in Bezug auf das untersuchte Horror-Spiel
beobachtet.
In einer multivariaten Analyse (MANOVA) mit Geschlecht (männlich = 51, weiblich =
79) als unabhängige Variable und Unterhaltung, positiver Affekt, Angst sowie weitere
Emotionen und die Vorliebe nach Horror als abhängige Variablen zeigte sich, dass
Männer (M = 3.01, SD = 0.97) das Spiel in Bezug auf Unterhaltung und Interesse
signifikant besser bewerteten als Frauen (M = 2.65, SD = 0.90, F(1, 128) = 4.76, p <
.05, η2 = .04). Der positive Affekt („Ich habe mich gut gefühlt“, „Ich konnte über
Sachen im Spiel lachen“) war ebenfalls bei männlichen Probanden (M = 2.74, SD =
0.74) signifikant höher als bei weiblichen Probanden (M = 2.09, SD = 0.74, F(1, 128) =
24.46, p < .001, η2 = .16.
Die weiblichen Testpersonen (M =3.51, SD = 1.11) indessen gaben an mehr Angst
84
erlebt zu haben als die männlichen (M = 2.77, SD = 1.03, F(1, 128) = 14.79, p < .001, η2
= .10).
Auch Ekel erlebten Frauen stärker als Männer. (Frauen: M = 2.44, SD = 1.02, Männer:
M =1.75, SD = 0.83, F(1, 128) = 16.45, p < .001, η2 = .11). Der Levene-Test auf
Varianzhomogenität war in Bezug auf Ekel (p < .05) signifikant. Der Krustal-Wallis-HTest als nonparametrischer Test zeigte aber ebenfalls signifikante Unterschiede (Ekel: χ2
= 8.54, df = 1, p < .01).
Die Vorliebe von Horror-Spielen war bei den männlichen Teilnehmern (M = 1.96, SD =
1.07) ebenfalls stärker als bei den Teilnehmerinnen (M = 1.23, SD = 0.66, F(1, 128) =
23.21, p < .001, η2 = .15). Der nachträgliche Krustal-Wallis-H-Test, nach einem
signifikanten Levene-Test (p < .001), zeigte ebenso signifikante Unterschiede (χ2 =
25.50, df = 1, p < .001).
Der positive Zusammenhang zwischen der erlebten Angst und der Unterhaltung, welche
in anderen Studien beschrieben wurde (Zillmann, 1996 zit. n. Hoffner & Levine, 2005),
konnte in einer einseitigen partiellen Korrelation beobachtet werden, wenn auf das
Geschlecht kontrolliert wurde. Bei den männlichen Probanden stieg mit zunehmender
Angst die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Unterhaltung erlebt wurde (pr = .17, p = <
.05). Ohne auf das Geschlecht zu kontrollieren, war der Einfluss nicht signifikant (r =
.09, p = ns).
6.5.3. Empathie
Der negative Zusammenhang zwischen Empathie und der Vorliebe nach Horror,
welcher in der Forschung zu Horrorfilmen beschrieben wird (Hoffner, 1995; Hoffner &
Levine, 2005; Tamborini et al., 1990) konnte auch in dieser Studie beobachtet werden.
Eine einseitige Korrelation nach Pearson zwischen Empathie und deren vier
Dimensionen in Zusammenhang mit der Vorliebe für Horror-Spiele zeigte ebenfalls
signifikante Werte. Ähnlich wie die Resultate der Meta-Analyse von Hoffner und
Levine (2005) korrelierten die Dimensionen empathic concern als Fähigkeit Mitleid
oder Sorge um Personen im Not zu empfinden (r = - .17, p < .05) und personal distress,
zur Erfassung der persönlichen Betroffenheit, wenn andere Menschen in emotional
belastende Situationen oder Nöte geraten (r = - .26, p < .01), negativ mit der Vorliebe
nach Horror-Spielen. Empathie als Persönlichkeitsmerkmal stand ebenfalls in einem
tendenziell signifikant negativen Zusammenhang zu der Vorliebe für Horror-Spiele (r =
- .12, p. = .09).
85
Ein negativer Zusammenhang zwischen Empathie und der Unterhaltung durch Horror,
wie Tamborini et al. (1990) erwähnen, konnte zwar beobachtet werden, Empathie stand
in negativer Beziehung zum Unterhaltungsindex (r = - .05, p = ns), sie war jedoch nicht
signifikant. Der positive Affekt korrelierte allerdings auf signifikantem Niveau negativ
mit Empathie. Je höher die Empathiewerte, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass
die Teilnehmer das Spielerlebnis positiv bewerteten (r = -.22, p < .01).
Das Persönlichkeitsmerkmal stand ebenfalls in signifikanter Beziehung zu den erlebten
Emotionen im Spiel. So korrelierte Empathie hochsignifikant mit dem Empfinden von
Angst (r = .31, p < .001) und Ekel (r = .20, p < .05) und die Dimension personal
distress stand in positiver linearer Beziehung zu den erfassten negativen Emotionen
Angst (r = .32, p < .001), Ekel (r = .33, p < .001), Wut (r = .24, p < .01), Scham (r =
.31, p < .001) und Verachtung (r = .19, p < .05).
6.5.4. Kontrollverlust
Durch das Ausbleiben von signifikanten Effekten bei den Untersuchungen der
Hypothesen in Bezug auf Kontrollverlust, wurde explorativ getestet, auf welche
erfassten Variablen Kontrollverlust signifikant einen Einfluss ausübt. Mittels einer
einseitigen Korrelation nach Pearson mit den tatsächlichen Momenten von
Kontrollverlust, erfasst anhand der Videoanalyse, sowie dem wahrgenommenen
Kontrollverlust und den im Fragebogen erfassten Variablen wurden signifikante lineare
Zusammenhänge gesucht.
Es konnte beobachtet werden, dass die tatsächlich vorkommenden Momente von
Kontrollverlust auf einen tendenziell signifikanten Niveau positiv mit der Emotion
Scham (r = .12, p = .09) korrelierten und signifikant mit der Aussage „verschämt“ (r =
.15, p < .05). Mit der steigenden Anzahl von Momenten von Kontrollverlusts nahm
dagegen die Wahrscheinlichkeit tendenziell ab, dass sich die Probanden auf das Spiel
konzentrierten (r = - .14, p = .06), gleichzeitiger waren sie sich ihrer Umgebung
bewusster („Ich habe alles um mich herum vergessen.“: r = - .17, p < .05) und das Spiel
konnte
ihre
Aufmerksamkeit
schlechter
fesseln
(„Das
Spiel
konnte
meine
Aufmerksamkeit nicht fesseln.“: r = .18, p < .05).
Dieser Effekt der Abwendung vom Spiel konnte in Zusammenhang mit dem
wahrgenommenen Kontrollverlust stärker beobachtet werden. Mit steigendem
wahrgenommenen Kontrollverlust wurde das Spiel mit höherer Wahrscheinlichkeit von
den Probanden als ermüdender („Ich fand es ermüdend.“: r = .18, p < .05) und
86
langweiliger beschrieben („Ich habe mich gelangweilt“: r = .15, p < .05). Gleichzeitig
sank mit dem wahrgenommen Kontrollverlust die Konzentration („Ich habe mich auf
das Spiel konzentriert“: r = - .20, p < .05) und das Gefühl seine Umwelt zu vergessen
(„Ich habe alles um mich herum vergessen“: r = - .23, p < .01). Die Probanden gaben
an, während dem Spielen vermehrt abgelenkt zu sein („Ich habe an andere Dinge
gedacht.“: r = .21, p < .01) und fühlten sich vermehrt verschämt (r = .19, p < .05). Sie
gaben tendenziell mehr an, dass das Spiel ihre Aufmerksamkeit nicht fesseln konnte (r
= .12, p = .09) und sie Scham empfunden haben (r = .11, p = .09). Die beiden
Dimensionen
von
Identifikation
kognitive
Empathie
und
Selbstvergessenheit
korrelierten signifikant negativ mit dem wahrgenommenen Kontrollverlust und das
Spiel wurde allgemein negativer bewertet (negativer Affekt: r = .22, p < .01).
7. Diskussion
7.1. Diskussion der Resultate
Ziel dieser Arbeit war es erstmals das Spielerlebnis von Horror-Spielen zu untersuchen.
Im Fokus lagen das emotionale Erlebnis der Angst und die Erforschung von Faktoren,
welche verantwortlich sind für ein unheimliches Spielerlebnis.
Aus der Literatur wurden die Faktoren des Kontrollverlusts und der Charaktergeräusche
als verstärkende Einflüsse des Horrors entnommen und für die Untersuchung gewählt.
Kontrollverlust über den Spielcharakter sollte für Momente des Schreckens sorgen und
sich somit verstärkend auf die Angst auswirken. Die Annahme bei Charaktergeräuschen
war, dass Geräusche des Herzklopfens und das panische Schnaufen der Spielfigur als
Vorwarnsysteme, den Spieler verunsichern und die Angst in Bezug auf anstehende
furchterregende Momente verstärkt.
Die Hypothese 1 und Hypothese 2, welche den direkten verstärkenden Einfluss der
Faktoren
der
Charaktergeräusche
und
des
Kontrollverlust
auf
die
Angst
prognostizierten, konnten nicht oder nur teilweise bestätigt werden.
Die experimentelle Spielversion mit Charaktergeräuschen und Kontrollverlust, welche
theoretisch am meisten Angst erwecken sollte, wurde von den Probanden als am
wenigsten unheimlich empfunden. Der Vergleich der Mittelwerte zeigte, dass die meiste
Angst
in
der
experimentellen
Spielversion
mit
Kontrollverlust
und
ohne
Charaktergeräusche erlebt wurde.
Was Kontrollverlust betrifft, so wirkte er sich in Abhängigkeit mit Charaktergeräuschen
auf die Angst aus. Während in der Spielversion ohne Charaktergeräusche sich
87
Kontrollverlust verstärkend auf die Angst auswirkte, war die experimentelle
Spielsituation mit Charaktergeräuschen ohne Kontrollverlust erschreckender als die mit
Kontrollverlust. Die Unterschiede der Mittelwerte waren jedoch gering und nicht
signifikant.
Charaktergeräusche dagegen wirkten sich unabhängig vom Kontrollverlust auf die
Angst aus und die Spielversion ohne Charaktergeräusche wurde tendenziell als
unheimlicher empfunden. Allerdings waren die Mittelwertunterschiede auch hier gering
und erreichten kein signifikantes Niveau.
Die direkten Effekte von Charaktergeräuschen und Kontrollverlust wurden zusätzlich
mit den von den Versuchsteilnehmern wahrgenommenem Kontrollverlust und
Charaktergeräuschen untersucht. Bereits Nisbett und Wilson (1977) berichteten in
einem umfassenden Artikel über die Problematik der Selbsteinschätzung oder
Selbstbeobachtung in Darlegungen über mentale Prozesse. Unter anderem erklärten die
Autoren, dass „ people may have little ability to report accurately on their cognitive
processes“ (Nisbett & Wilson, 1977, S. 246) und erklärten, dass eine Vielzahl von
Prozessen, insbesondere in Bezug auf Einstellungen, Entscheidungen und Emotionen
unbewusst verlaufen. Introspektive Berichte und Selbstauskunftsverfahren wie
Fragebögen sind bloss ein Weg um zu erfassen was die Leute glauben zu denken oder
glauben wahrzunehmen, keinesfalls aber was sie wirklich denken oder wahrnehmen. So
kommt
es
oft
zu
einer
Nichtübereinstimmung
der
Daten
in
Bezug
auf
Selbstauskunftsverfahren und der tatsächlichen experimentellen Manipulation (Nisbett
& Wilson, 1977, S. 235).
Dieser Effekt war auch in dieser Studie zu beobachten. Während die tatsächlichen
Charaktergeräusche und der tatsächlich vorkommende Kontrollverlust in der
experimentellen Manipulation keinen signifikanten Einfluss auf die Angst ausübten,
zeigten die Resultate der Analysen mit den Charaktergeräuschen und dem
Kontrollverlust, welche die Teilnehmer wahrnahmen (oder glaubten wahrzunehmen)
signifikante Werte.
Der wahrgenommene Kontrollverlust korrelierte signifikant mit der erlebten Angst,
jedoch war der lineare Zusammenhang negativ, anstatt wie prognostiziert positiv. Mit
zunehmendem wahrgenommenem Kontrollverlust sank die erlebte Angst. Der
wahrgenommene
wahrgenommenen
Kontrollverlust
korrelierte
Charaktergeräuschen
und
ebenfalls
wurde
negativ
mit
mit
den
abnehmenden
wahrgenommenen Charaktergeräuschen stärker eingeschätzt. Die Korrelation zwischen
88
den wahrgenommenen Charaktergeräuschen und der erlebten Angst war leicht positiv.
Je mehr Charaktergeräusche die Teilnehmer wahrnahmen, desto mehr Angst gaben sie
an erlebt zu haben.
In Hinblick auf den Faktor Kontrollverlust zeigten weder die tatsächlich erlebten
Momente von Kontrollverlust in der experimentellen Manipulation, noch der
wahrgenommene Kontrollverlust den vermuteten verstärkenden Effekt auf die Angst.
Im Gegenteil, mit zunehmendem wahrgenommenem Kontrollverlust sank die
Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer mehr Angst erlebten.
Ausgehend von der Aussage von Krzywinska (2002b), dass das Erleben von Horror
stark vom Gefühl der Hilflosigkeit und von Momenten des Kontrollverlusts über die
Spielfigur abhängt, zum Beispiel während einer Zwischensequenz, wurde davon
ausgegangen, dass Kontrollverlust als der Verlust der Kontrolle über den Charakter sich
verstärkend auf das Erleben der Angst auswirken sollte. Dennoch deuten die Daten auf
keinen direkten verstärkenden Einfluss. Von einer misslungenen Manipulation kann
nicht
ausgegangen
werden,
da
die
experimentellen
Gruppen
von
den
Versuchsteilnehmern hinsichtlich der Charaktergeräusche und des Kontrollverlusts
hochsignifikant unterschiedlich wahrgenommen wurden.
Als möglichen Grund für die Abweichung zur Theorie, kann eine falsche Interpretation
von Kontrollverlust in Bezug auf Horror-Spielen betrachtet werden. Mit Kontrollverlust
verstand Krzywinska (2002a) die Zwischensequenzen, welche sie als „intrusions of
predetermined narrative upon gameplay“ beschrieb (Krzywinska, 2002a, S. 210). Die
Zwischensequenzen als klares filmisches Mittel, mit Nahaufnahmen, dramatischen
Kamerabewegungen,
Schnitt
sowie
realistischer,
scharfer
Darstellung
der
Spielcharaktere stehen im starken Kontrast zur eigentlichen Spielsituation und
vermitteln nicht bloss ein Gefühl von Kontrollverlust im Sinne, dass der Charakter nicht
mehr zu steuern ist, sondern sie stellen vielmehr den Verlust über die Kontrolle der
Handlung dar, in der der Spieler die Ereignisse in der Videosequenz, ähnlich wie im
Film als machtloser Zuschauer bloss beobachtet und nicht eingreifen kann (Krzywinska,
2002a, S. 210).
Kontrollverlust als blosser Verlust über die Kontrolle der Steuerung des Charakters
kann nicht das gleiche Gefühl der Machtlosigkeit in Bezug auf die Handlung
wiedergeben. Ferner wurden die Gefühle der Hilflosigkeit und der Spannung, welche
nach Krzywinska (2002a) wichtig sind beim Erleben des Horrors, in dieser Studie nicht
miterfasst. Insbesondere im Falle von Hilflosigkeit wäre möglicherweise ein Einfluss
89
von Kontrollverlust gegeben, welcher zum unheimlichen Spielerlebnis beisteuert und
zur Erklärung von Kontrollverlust als verstärkender Faktor von Angst beitragen würde.
Für die erzielten Ergebnisse in dieser Studie, konnte jedenfalls kein statistisch
signifikanter verstärkender Einfluss von Kontrollverlust als Verlust über die Steuerung
des Charakters auf die Angst beobachtet werden. Im Falle von wahrgenommenem
Kontrollverlust ist insbesondere der signifikante Effekt, dass mit wahrgenommenen
Kontrollverlust die Angst sinkt, interessant und wird später in diesem Kapitel genauer
betrachtet.
Hinsichtlich der Charaktergeräusche zeigte sich, dass die tatsächlich erlebten
Charaktergeräusche und die von den Probanden wahrgenommenen Charaktergeräusche
unterschiedlich auf die Angst wirken. Je mehr Charaktergeräusche wahrgenommen
wurden, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass die Probanden mehr Angst
erlebten,
was
die
Hypothese
2
stützte.
Diejenigen
Charaktergeräusche
als
Vorwarnsystem, wie das Herzklopfen oder die panische Atmung der Spielfigur, die
wahrgenommen wurden, verstärkten wohl die Angst in Bezug auf anstehende
furchterregende Momente. Dieser Zusammenhang wurde jedoch weiter von der
Identifikation mit dem Charakter beeinflusst, worauf später im Abschnitt eingegangen
wird. Bei den tatsächlich erlebten Charaktergeräuschen in der Analyse der
experimentellen Gruppen war der Effekt, obwohl nicht signifikant, gegenläufig und die
Angst wurde in der Spielsituation ohne Charaktergeräusche stärker erlebt. Dieser
gegenläufige Effekt wird ebenfalls nachfolgend eingehend diskutiert.
Ferner wurde in dieser Arbeit die Identifikation mit dem Charakter als möglicher Faktor
betrachtet, welcher das Spielerlebnis in Horror-Spielen beeinflusst. Die Identifikation
mit dem Charakter, verstanden als mehrdimensionales Konstrukt, sollte sich beim
Spielen verstärkend auf die Emotionen auswirken, insbesondere auf die Angst.
Mit der Hypothese 3 wurde die Identifikation mit dem Charakter als sechsdimensionales
Konstrukt und als positiver Prädiktor von Angst getestet und mehrheitlich bestätigt. Ein
Fünf-Faktoren-Modell
wurde
durch
die
Daten
gestützt.
Die
anfänglichen
prognostizierten Dimensionen des kognitiven Verständnisses, welche das Ausmass
wiedergibt, inwiefern die Perspektive und die Gedanken des Spielcharakters
eingenommen wurden, sowie die Dimension der Empathie mit dem Charakter, welche
erfasst inwieweit man die Gefühle des Charakters mitempfand, wurden als ein Faktor
erkannt. Die weiteren vier Faktoren wurden wie angenommen unterschieden:
Verinnerlichte Ziele des Charakters, wahrgenommene Ähnlichkeit zum Charakter,
90
verkörperte Präsenz
als
Gefühl
in
der Spielwelt
anwesend
zu
sein
und
Selbstvergessenheit als Mass im Spiel vertieft zu sein und alles um sich zu vergessen.
Das Modell gestattet es, die Identifikation mit den Spielcharakteren als Prozess der
Verschmelzung der Eigenwahrnehmung mit der Wahrnehmung des Mediencharakters
zu erfassen, welche unbewusst und flüchtig stattfindet und über die Zeit instabil sowie
abhängig ist von der Motivation des Spielers sich auf die Handlung einzulassen.
Zusätzlich ermöglicht die Differenzierung der fünf Faktoren auch spezifischen
Fragestellungen nachzugehen.
Zu ergänzen ist, dass die fünf Dimensionen in dieser Untersuchung in Bezug des Genres
der Horror-Spiele erlesen wurden. Je nach Spiel oder Genre sollten weitere
Dimensionen in Betracht gezogen werden oder die bestehenden Dimensionen angepasst
werden. Das hier beschriebene Konstrukt ist hauptsächlich in Spielen anwendbar, in
dem der Spieler einen festgelegten Charakter steuert, oder eine bestimmte Rolle
einnimmt (geschlossener Avatar). Auf Strategie- oder Simulationsspiele, in welchen der
Spieler vermehrt Einheiten oder Entitäten im Spiel steuert und leitet und keine
spezifische Rolle einnimmt, ist das Konstrukt nur bedingt anwendbar. Für Spiele mit
Online-Funktion, in dem der Spieler zusammen mit oder gegen andere Spieler spielt,
sollten zusätzlich die Dimensionen, welche die Gruppenzugehörigkeit sowie die
Identifikation mit dem Spiel selbst messen, einbezogen werden und für Spiele, in
welchen der Spieler die Möglichkeit hat den eigenen Charakter zu erstellen (offener
Avatar), sollte die Dimension der Wunsch-Identifikation berücksichtigt werden (van
Looy et al., 2012, S. 215–216).
Ferner basierte die konfirmatorische Faktorenanalyse auf einer vergleichsweise
geringen Stichprobe (N = 130). Resultate, welche auf einer kleinen Fallzahl basieren,
sollten stets mit Vorsicht interpretiert werden, denn sie führen oft schnell zu guten
Fitindizes-Werten (Schermelleh-Engel et al., 2003, S. 49–50). Diese Tatsache und das
teils explorative Vorgehen bei der konfirmatorischen Faktorenanalyse, machen es
unabdingbar die Skala an einer neuen Stichprobe auf ihre Validität zu überprüfen
(Matthes & Kohring, 2003, S. 20). In Zusammenhang mit neuen Untersuchungen sollte
ebenfalls die Formulierung und Validität einzelner Items kontrolliert werden.
Insbesondere die Items zu den verinnerlichten Zielen und der Selbstvergessenheit
zeigten tiefe Reliabilitätswerte und sollten überarbeitet werden. Für die Erfassung von
Identifikation mit Videospielcharakteren als mehrdimensionales Konstrukt spricht auf
jeden
Fall
die
Tatsache,
dass
unterschiedliche
Identifikationskonstrukte
in
91
Zusammenhang mit verschiedenen Fragestellungen getestet wurden und eine gute
Reliabilität und Validität vorwiesen (van Looy et al., 2012; Li, Liau & Khoo, 2013).
Trotz diesen methodischen Eingrenzungen, konnte anhand des untersuchten Konstrukts
festgestellt werden, dass die Identifikation mit dem Spielcharakter das Spielerlebnis in
der Tat erheblich beeinflusst. Die Korrelation zwischen Identifikation mit dem
Charakter und der erlebten Angst war hochsignifikant. Die Identifikation erwies sich als
ein signifikanter Prädiktor von Angst und mit steigender Identifikation stieg auch die
erlebte Angst bei den Versuchsteilnehmern.
Weitere Emotionen, welche positiv mit Identifikation korrelierten waren Ekel,
Überraschung und Scham, zusätzlich konnte ähnlich wie in der Studie von Hefner et al.
(2007) eine signifikante positive Korrelation zwischen Identifikation mit dem Charakter
und der Unterhaltung festgestellt werden. Spieler, welche sich mit dem Charakter
identifizierten waren geneigter die negative Emotion der Angst als unterhaltsam zu
bewerten, denn die Identifikation mit dem Charakter mediierte den Zusammenhang
zwischen der Angst und der Unterhaltung positiv.
Dass Videospiele ein intensiveres Erleben der Gefühle ermöglichen, wenn sich die
Spieler auf das Medium einlassen und sich mit dem gegebenen Charakter identifizieren,
scheint folglich möglich. Indem sich Personen mit Mediencharakteren in Videospielen
identifizieren und über die Vorstellungskraft das Gefühl bekommen, sie selbst seien in
der mediengegebenen Umgebung, erleben sie die Angst in unheimlichen Situationen
intensiver, weil sie das Gefühl bekommen, sie selbst seien in Gefahr. Dieser
einnehmende Charakter von Videospielen wurde deshalb auch bereits in der AngstTherapie eingesetzt. So nennt Frank Furtwängler (2006) als Beispiel das Spiel Half Life
(Valve Corporation, 1998), welches in einer leicht modifizierten Version als TherapieMethode für an Arachnophobie leidenden Menschen verwendet wurde (Furtwängler,
2006, S.163).
Die Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt wurde ferner als Mediator-Variable
betrachtet, welche die Beziehung zwischen Charaktergeräuschen, Kontrollverlust und
der erlebten Angst vermittelt.
In Bezug auf Kontrollverlust (Hypothesen 4 - 5.2) wurde vermutet, dass der Verlust der
Kontrolle über den Charakter verfremdet und die Illusion von gleichzeitiger Bewegung
brechen sollte. Dies würde sich negativ auf die Identifikation als Gefühl in der
Medienwelt präsent zu sein auswirken, welche sich als verkörperte Präsenz oder
Selbstvergessenheit manifestiert. Der vermutete entgegenwirkende Effekt war
92
ansatzweise zu beobachten, jedoch nicht signifikant. Sowohl der tatsächliche
Kontrollverlust, als experimentelle Manipulation, als auch der wahrgenommene
Kontrollverlust wirkten sich negativ auf die fünf Dimensionen der Identifikation aus,
während diese dem Einfluss positiv entgegenwirkten. Keine der Effekte erreichte jedoch
signifikante Niveaus. Auch war kein signifikanter indirekter Effekt zu beobachten, was
gegen eine Mediation des Zusammenhangs von Kontrollverlust und Angst durch
Identifikation spricht.
Die Interpretation von Kontrollverlust, als blosser Verlust über die Kontrolle der
Steuerung des Charakters, anstatt als Gefühl der Machtlosigkeit in Bezug auf die
Handlung wurde bereits angesprochen und als mögliche Erklärung für das Ausbleiben
des prognostizierten verstärkenden Effekts von Kontrollverlust auf die Angst betrachtet,
erklärt jedoch nicht warum mit steigendem wahrgenommenen Kontrollverlust die
Teilnehmer angaben weniger Angst zu erleben.
Als Grund dafür, kann die Tatsache betrachtet werden, dass der Verlust der Kontrolle
über den Spielcharakter von den Probanden hauptsächlich als ablenkend empfunden
wurde. Insbesondere in Bezug auf den wahrgenommenen Kontrollverlust gaben die
Probanden vermehrt an das Spiel als ermüdend und langweilig zu empfinden, sie
konzentrierten sich weniger auf das Spiel, dachten an andere Dinge und waren sich ihrer
Umgebung bewusster. Es scheint somit möglich, dass die Manipulation des
Kontrollverlust in dieser Studie sich nicht bloss, wie vermutet, negativ auf den
Identifikationsprozess auswirkte, sondern sie übte allgemein einen ablenkenden Einfluss
auf das gesamte Spielerlebnis aus. Die Momente des Kontrollverlusts wurden als
Unterbrüche im Spielfluss betrachtet, welche wohl wie vermutet verfremdeten und
ähnlich wie beim Tod des Charakters dem Spieler wieder seiner Selbst und der
Umgebung bewusst machten. Zusätzlich kann vermutet werden, dass die fehlende
Erfahrung der meisten Teilnehmer mit Computerspielen dazu geführt hat, dass sie den
Kontrollverlust über den Charakter auf die eigene ungenügende Handhabung
zurückgeführt haben. Sie assoziierten die eigene ungenügende Leistung mit der
Situation im Spiel, welche wiederum die Selbst-Wahrnehmung negativ beeinflusste und
das Spielerlebnis störte. Diese Vermutung wird insbesondere durch die Tatsache
gestützt, dass mit steigendem wahrgenommenem Kontrollverlust die Teilnehmer
angaben mehr Scham empfunden zu haben.
In Bezug auf die Angst haben die vermehrt unbewussten Ablenkungen und
Abwendungen vom Spiel, bedingt durch die Momente des Kontrollverlustes, dazu
93
geführt, dass die Probanden das Spiel als weniger unheimlich empfanden. Mit
steigendem wahrgenommenen Kontrollverlust war die Ablenkung auf die Umgebung
und die Abwendung der Konzentration vom Spiel auf Gedanken der eigenen Leistung
oder des Schamgefühls stärker, was dazu führte dass die Teilnehmer weniger von der
unheimlichen Stimmung und Atmosphäre eingenommen wurden und deshalb
nachträglich angaben weniger Angst erlebt zu haben.
Hinsichtlich der Beziehung zwischen den Charaktergeräuschen und der Angst übte die
Identifikation mit dem Charakter vermehrt eine vermittelnde Rolle (Hypothesen 7 –
7.4). Was die Beziehung zwischen den Geräuschen und der Identifikation mit dem
Charakter betrifft (Hypothese 6), so waren die Unterschiede zwischen dem Einfluss der
wahrgenommenen Geräusche, welche in Selbstauskunftsverfahren erfasst wurden, und
der tatsächlichen experimentellen Manipulation der Charaktergeräusche erneut zu
beobachten.
Die
Resultate
der
Mediator-Analyse
zeigten,
dass
die
wahrgenommenen
Charaktergeräusche über die Dimension der kognitiven Empathie einen signifikanten
indirekten positiven Einfluss auf das Erleben der Angst ausübten. Dieser Effekt war
auch der stärkste. Mit zunehmend wahrgenommenen Charaktergeräuschen, war die
kognitive Empathie, als Fähigkeit die Perspektive und die Gefühle des Charakters
einzunehmen, ebenfalls höher und die Probanden gaben an mehr Angst zu erleben. Der
mediierende
Effekt
aller
Dimensionen
von
Identifikation
zwischen
den
wahrgenommenen Charaktergeräuschen und der Angst war jedoch nur signifikant,
wenn auf das Kompetenzgefühl kontrolliert wurde, andererseits erreichte nur der
indirekte Effekt der wahrgenommenen Charaktergeräusche über die kognitive Empathie
zur erlebten Angst ein signifikantes Niveau.
Im Falle der tatsächlichen Charaktergeräusche, als experimentelle Manipulation,
bestand ebenfalls ein signifikanter indirekter Effekt über Identifikation, mit dem
stärksten Effekt über die Dimension der kognitiven Empathie, dieser war jedoch nicht
wie bei den wahrgenommenen Charaktergeräuschen positiv, sondern negativ. Mit
zunehmenden Soundeffekten des Charakters gaben die Teilnehmer an, sich weniger in
den Charakter einzufühlen, sie nahmen weniger Ähnlichkeit wahr, fühlten sich im Spiel
weniger präsent und verspürten auch weniger Selbstvergessenheit. Die Pfade zwischen
den Dimensionen der Identifikation und der erlebten Angst waren wiederum positiv.
Mit steigender Identifikation gaben die Probanden an auch mehr Angst erlebt zu haben.
Wurde auf Kompetenz kontrolliert, wurde die Dimension von wahrgenommener
94
Ähnlichkeit ein signifikanter Prädiktor von Angst und kognitive Empathie als Prädiktor
von Angst erreichte höhere statistische Signifikanz.
Mit zunehmend wahrgenommenen Charaktergeräuschen, gaben die Probanden an mehr
Identifikation mit dem Charakter erlebt zu haben, (positive Pfade zwischen den
wahrgenommenen Charaktergeräuschen und den Dimensionen von Identifikation), mit
zunehmenden tatsächlich vorkommenden Soundeffekten, sank jedoch die Identifikation
mit dem Charakter (negative Pfade zwischen den tatsächlichen Charaktergeräuschen
und den Dimensionen von Identifikation).
Dieser unterschiedliche Effekt lässt vermuten, dass die Soundeffekte des Charakters
sowohl auf einer bewussten Ebene (als wahrgenommene Geräusche), als auch
unbewusst den Prozess der Identifikation beeinflussen.
Die Soundeffekte des Charakters, wie das Atmen oder das Herzklopfen, welche die
Teilnehmer bewusst wahrnehmen, erleichtern vermutlich eine empathische sowie
kognitive Verbindung, denn der Spieler nimmt durch die Geräusche den körperlichen
und psychischen Zustand des Charakters wahr. Auf diese Weise wird die Identifikation
mit dem Charakter am stärksten über die Dimension der kognitiven Empathie, als
Fähigkeit die Perspektive einzunehmen und die Emotionen des Charakters
nachzuempfinden, verstärkt. Die wahrgenommenen Soundeffekte des Charakters übten
zwar, wie angenommen auch einen positiven Effekt auf die wahrgenommene
Ähnlichkeit aus, dieser Effekt fiel jedoch nicht signifikant aus. Wahrgenommene
Ähnlichkeit über die Geräusche alleine ist somit nicht gegeben und die Teilnehmer
nahmen keine Ähnlichkeit wahr. Die Resultate der Mediationsanalyse deuten ebenfalls
darauf, dass die wahrgenommenen Charaktergeräusche sich überwiegend über die
Identifikation mit dem Charakter verstärkend auf die Angst auswirken. Der Effekt der
Soundeffekte alleine, wenn auf die Identifikation kontrolliert, war statistisch nicht mehr
signifikant.
Was die tatsächlichen Charaktergeräusche betrifft, die effektiv während der
Spielepisoden zu hören waren, kann vermutet werden, dass sie auf einer unbewussten
Ebene den Identifikationsprozess negativ beeinflussen, indem sie dem Spieler
gegenwärtig machen, dass er bloss einen Charakter im Spiel steuert und nicht selbst im
Spiel präsent ist. Ähnlich wie Fritz (1997) beschreibt, werden in Spielen mit der DrittPerson-Perspektive, die Charaktere wie „einen Handschuh“ genommen und
vergleichbar wie Marionetten gesteuert. In Spielen mit der Ich-Person-Perspektive, ohne
eine sichtbare Identifikationsfigur, wie im Falle dieses Spiels, bewegt sich der Spieler
95
wie in einer „neuen Haut“ und das Spiel wird durch die Vorstellungskraft zu einer
taktilen Körpererweiterung. Nimmt der Spieler dagegen fremde Geräusche der Atmung,
des Keuchens oder des Herzklopfens wahr, welche nicht seine eigenen sind, wird diese
Illusion der Körpererweiterung gestört. Der Spieler nimmt eine fremde Entität wahr und
wird sich stärker bewusst, dass er bloss eine Spielfigur steuert. Ohne diese „störenden“
Geräusche können die Spieler die Illusion der taktilen Körpererweiterung intensiver
erleben und nehmen somit wohl eine stärkere Identifikation im Sinne der Dimensionen
von verkörperter Präsenz und Selbstvergessenheit wahr. Diese Annahme wird durch die
Tatsache bestärkt, dass in den Spielsituationen ohne Soundeffekte der Kontrollverlust
von den Teilnehmern stärker wahrgenommen wurde, obwohl die gleiche Manipulation
vorlag. Durch das stärkere Gefühl in den Charakter hineinversetzt worden zu sein,
wurde der plötzliche Kontrollverlust intensiver empfunden.
Selbst die kognitive Empathie und die wahrgenommene Ähnlichkeit werden ohne
Charaktergeräusche stärker wahrgenommen. Über die Vorstellungskraft kommt es zur
zeitlichen Verschmelzung der Eigenwahrnehmung mit der Wahrnehmung des
Spielcharakters und die eigenen Gedanken und Emotionen werden wohl mit dem
Spielcharakter assoziiert. Sind dagegen Charaktergeräusche zu hören, müssen diese
bewusst verarbeitet werden und mit den eigenen Gefühlen und Gedanken konfrontiert
werden, was den Prozess der Identifikation zwar nicht hindert, jedoch mehr kognitive
Prozesse auf Seiten des Spielers erfordert. Auf diese Weise übten die tatsächlich
vorkommenden Soundeffekte des Charakters über die Identifikation mit dem Charakter
einen negativen Einfluss auf die Angst aus und hatten keinen direkten negativen
signifikanten Einfluss.
In Bezug auf die Studie von Grimshaw et al. (2008), in der Spielsituationen mit
diegetischem Sound (Charaktergeräusche und Schrittgeräusche des Spielcharakters)
hinsichtlich der Immersion, als Gefühl die Spielwelt erforschen zu können und Flow,
als Gefühl in der Spielwelt absorbiert zu sein, höher bewertet wurden und welche mich
die Hypothese 7.4 über den positiven Effekt von Charaktergeräuschen auf die
verkörperte Präsenz ableiten liess, konnten die Resultate dieser Studie den positiven
Effekt nicht aufzeigen. Grimshaw et al. (2008) untersuchten mit diegetischen Sound
jedoch nicht bloss die Charaktergeräusche, sondern jegliches Geräusch, das der
Charakter macht, inbegriffen die Schrittgeräusche und Bewegungsgeräusche. In dieser
Studie wurden dagegen nur die Charaktergeräusche untersucht. Die Schrittgeräusche
und Bewegungsgeräusche, welche als Feedback über die Steuerung des Charakters in
96
der Spielwelt fungieren waren nicht Teil der Manipulation und in jeder Spielsituation
vorhanden. Es ist weiterhin anzunehmen, dass diese Geräusche einen verstärkenden
Effekt auf das Gefühl in der Spielwelt präsent zu sein und handeln zu können ausüben
und somit die Immersion oder den Flow erhöhen.
Was Charaktergeräusche betrifft, so ist interessant zu erwähnen, dass noch in den späten
70er Jahren, in den Anfängen der Videospiele alle Spielcharaktere stumm waren. Die
stillen Hauptcharaktere der ersten textbasierten Rollenspiele wie Colossal Cave
Adventure (Crowther & Woods, 1976) entsprangen direkt der Tradition der PapierRollenspiele und auch bekannte Charaktere wie Mario und Link gaben am Anfang ihrer
„Karriere“ kein Laut von sich (Dickinson, 2012). Mit dem Fortschritt der Technik kam
jedoch gleichzeitig der Trend auf, den Spielcharakteren eine Stimme zu geben und
spätestens mit dem Aufkommen des CD-Laufwerks gegen Ende der 80er Jahre waren
Einschränkungen in Bezug auf die Datenmenge der Spiele nicht mehr gegeben und
Spielentwickler begangen die Handlung ihrer Spiele mit Videosequenzen zu bereichern
und ihren Charakteren mittels Sprachaufnahmen eine Stimme zu geben. Heute sind
Charaktere mit gesprochener Sprachausgabe Standard und bloss in bestimmten Spielen
oder Spielreihen (unter anderem auch in Horror-Spielen) wählen die Entwickler
bewusst die Option vom „stimmlosen“ Hauptcharakter. Sogenannte Silent Protagonists
geben über das gesamte Spiel kein Wort von sich, obwohl andere Charaktere im Spiel
munter vor sich hin sprechen und auch mit dem Protagonisten interagieren. Die
Spielentwickler wählen bewusst einen stummen Protagonisten um mehr Raum für die
Projektion der eigenen Persönlichkeit in den Charakter zu ermöglichen und eine tiefere
Immersion zu bewirken. Indem der Hauptcharakter stumm bleibt und nie mittels einer
Stimme seine Meinung zum Ausdruck bringt, wird dem Spieler mehr Spielraum zur
eigenen Interpretation des Charakters gegeben (Agnello, 2013; Bossche, 2008;
Dickinson, 2012). Mit der Ausnahme von einzelnen Spielen der Entwickler Valve
Corporation, wie Portal (Valve Corporation, 2007) oder Half Life (Valve Corporation,
1998), in der die Hauptcharaktere tatsächlich überhaupt keine Laute von sich geben und
nur deren Bewegungs- und Laufgeräusche zu hören sind, sind in den meisten Spielen
mit einem stummen Hauptcharakter weiterhin Charaktergeräusche zu hören, wie das
Atmen, Seufzen oder einzelne Ausrufe. Viele Spieler und Spieljournalisten hinterfragen
das Konzept der lautlosen Protagonisten in Bezug auf die Immersion und Identifikation
mit dem Charakter (Bossche, 2008; Dickinson, 2012) und argumentieren unter anderem,
dass lautlose Charaktere vermehrt das Gefühl geben willenlose, machtlose Puppen zu
97
steuern, mit denen der Spieler sich nicht unbedingt identifizieren möchte (Bossche,
2008).
In dieser Studie war am Anfang jeder Spielepisode in der kurzen Zwischensequenz die
Stimme des Hauptcharakters zu hören, erst im Spiel selber wurden die
Charaktergeräusche in der experimentellen Manipulation entfernt. Ob das Konzept des
lautlosen Protagonisten sich tatsächlich positiv auf die Immersion auswirkt, oder es
nicht effektiver wäre, zwar dem Charakter eine Stimme zu geben, jedoch auf die
Charaktergeräusche zu verzichten, wäre ferner für eine Untersuchung interessant.
Womöglich erlauben die stummen Protagonisten der Spielentwickler Valve, welche
überhaupt keine Charaktergeräusche von sich geben die stärkste Identifikation mit dem
Charakter.
Zurück zu den Resultaten dieser Studie und insbesondere die Unterschiede betreffend
den tatsächlichen und wahrgenommenen Soundeffekten des Charakters, so sprechen
diese für einen selektiven und unbewussten Prozess bei der Identifikation mit
Charakteren in Videospielen, welcher flüchtig und über die Zeit instabil ist, wie Klimmt
et al. (2009) beschreiben. Während über die wahrgenommenen Soundeffekte des
Charakters eine Identifikation über die Dimension der kognitiven Empathie stattfand,
indem der Spieler die Emotionen des Spielcharakters wahrnahm und mitempfand,
scheinen die tatsächlich vorkommenden Charaktergeräusche unbewusst dazu geführt zu
haben, die Illusion der Körpererweiterung zu verfälschen und die Identifikation mit dem
Charakter zu erschweren.
Ferner
konnte
der
positive
Zusammenhang
zwischen
dem
Erfolgs-
und
Kompetenzgefühl und der Identifikation mit dem Charakter, welche Hefner et al. (2007)
in ihrer Studie feststellen konnten, auch hier beobachtet werden. Das Gefühl erfolgreich
und kompetent zu sein war ein signifikanter Prädiktor der Dimensionen der
verinnerlichten Ziele und der Selbstvergessenheit und führte zu einen signifikanten
indirekten Effekt über wahrgenommene Ähnlichkeit. Eine gute Leistung, wenn man
eine Rolle einnimmt, ist somit entscheidend für den Identifikationsprozess (Hefner et
al., 2007, S. 46).
Die explorativen Tests, welche sich an die Forschung zu Horrorfilmen (Hoffner, 1995;
Hoffner & Levine, 2005; Tamborini & Stiff, 1987; Tamborini et al., 1990) anlehnen,
zeigten fernerhin, dass das Erleben der Angst vom Geschlecht und von dem
Persönlichkeitsmerkmal der Empathie beeinflusst wird. Die Vorliebe für Horror-Spiele,
welche ohnehin nicht so hoch war, war jedoch signifikant höher bei männlichen
98
Probanden als bei weiblichen. Die weiblichen Teilnehmer gaben an mehr negative
Emotionen wie Angst und Ekel erlebt zu haben, fühlten sich vom Spiel weniger
unterhalten und bewerteten das Spiel auch weniger positiv als die männlichen
Teilnehmer in der Untersuchung. Diese gaben dagegen sogar mit zunehmender Angst
an, das Spiel als unterhaltsamer erlebt zu haben. Dieser geschlechtsspezifische
Unterschied bei der Bewertung von Horror vermuten Zillmann und Gibson (1996) in
der ungleichen Sozialisation der Geschlechter, welche bereits aus den frühzeitlichen
Zeiten der Jäger- und Sammlergesellschaft zurückreicht. Während Männer als Jäger
dafür ausgerichtet wurden furchtlos, aggressiv und selbstsicher zu handeln, wurden
Frauen motiviert in Vorbereitung auf die Mutterschaft gehorsam und fürsorglich zu sein
(S. 18). Diese Rollenverteilung ist in unserer Gesellschaft nicht mehr aktuell, dennoch
wäre sie immer noch präsent und würde sich rudimentär manifestieren. Somit auch
beim Betrachten von Horrorfilmen, bei dem die Männer die Filme als Initiationsritus
sehen, in welchem sie ihre Angst meistern können und die Rolle des starken
Beschützers einnehmen, während Frauen bei Betrachten der Filme vermehrt die Rolle
der „Jungfrau in Nöten“ ausleben (Zillmann & Gibson, 1996, S. 15–26).
Was das Persönlichkeitsmerkmal der Empathie betrifft, so entsprechen die Resultate
dieser Studie mehrheitlich denen der Untersuchungen über Horrorfilme. Personen
welche hoch empathisch waren, insbesondere in den Dimensionen empathic concern
und personal distress gaben an, Horror-Spiele nicht zu mögen und bewerteten das
Spielerlebnis weniger positiv. Tamborini, Stiff und Heidel (1990) argumentierten dabei,
dass Personen die hoch empathisch sind Horrorfilme eher negativ erleben, weil sie
überwiegend mit negativen Emotionen konfrontiert werden und diese auch
mitempfinden. Diese Annahme konnte in dieser Studie beobachtet werden und die
Dimension personal distress, zur Erfassung der Betroffenheit, inwieweit man Gefühle
der Unruhe und Unwohlsein verspürt, wenn andere Personen in Not sind, korrelierte
signifikant positiv mit den erfassten negativen Emotionen Angst, Ekel, Scham und
Verachtung.
7.2. Fazit
Die Untersuchung des emotionalen Erlebens der Angst und die Erforschung von
Faktoren, welche verantwortlich sind für ein unheimliches Spielerlebnis in HorrorSpielen in dieser Studie zeigte insbesondere, dass die kognitive Bewertung von Angst
von vielen Einflüssen abhängig ist. So spielen Geschlecht und Persönlichkeitsmerkmale
99
eine wichtige Rolle. Ferner führen ablenkende Effekte, andere aufkommende
Emotionen und unbewusste Wahrnehmung zu unterschiedlichen situationsspezifischen
Bewertungsprozessen, welche wiederum einen Einfluss auf die kognitive Bewertung
der Angst ausüben. In Fall von Videospielen scheint zusätzlich die Identifikation mit
dem Charakter als selektiver und unbewusster Prozess, welcher flüchtig und über die
Zeit instabil ist, die kognitive Bewertung von Emotionen zu beeinflussen.
Identifikation als mehrdimensionales Konstrukt, bestehend aus den Dimensionen der
kognitiven Empathie, der verinnerlichten Ziele, der wahrgenommenen Ähnlichkeit, der
verkörperten Präsenz und der Selbstvergessenheit beeinflusste sowohl das Spielerlebnis
als auch das Erleben der Angst. Sie war ein positiver Prädiktor von Angst und
korrelierte positiv mit Unterhaltung. Probanden, welche bereit waren sich mit dem
Charakter zu identifizieren, seine Perspektive und Zielsetzungen einzunehmen,
Ähnlichkeiten wahrnahmen, das Gefühl hatten in der Spielwelt präsent zu sein und
seine Umgebung vergassen, erlebten die Angst intensiver, gleichzeitig empfanden sie
die Emotion Angst jedoch nicht unbedingt negativ sondern bewerteten das Spielerlebnis
als unterhaltsamer.
Kontrollverlust als zeitlicher Verlust über die Steuerungskontrolle des Spielcharakters,
welcher der Literatur nach den Horror in Videospielen steigert, wurde von den
Teilnehmern vermehrt als ablenkend empfunden und übte keinen sichtbaren
verstärkenden Einfluss auf das Erleben der Angst aus. Es zeigte sich dagegen sogar
einen vermindernden Effekt und mit steigendem wahrgenommenen Kontrollverlust
wurde, wohl bedingt durch die Ablenkung, von den Probanden weniger Angst erlebt.
Gleichzeitig konnte beobachtet werden, dass mit steigendem Kontrollverlust die
Teilnehmer mehr Scham empfanden, was zur Vermutung führte, dass diese den
Kontrollverlust auf die eigene ungenügende Leistung zurückführten.
Die Soundeffekte des Charakters hingegen, wie die Atmung, das Herzklopfen und die
Schreckgeräusche, welche ebenfalls in der Literatur als Faktoren betrachtet werden, die
zum Spielerlebnis des Horrors beitragen scheinen auf einer bewussten und unbewussten
Ebene über die Identifikation mit dem Charakter einen Einfluss auf die Angst
auszuüben.
Die wahrgenommenen Charaktergeräusche, welche im Selbstauskunftsverfahren erfasst
wurden, und das Ausmass der Soundeffekte wiedergeben, welche die Teilnehmer
wahrgenommen haben, erleichtern eine empathische sowie kognitive Verbindung zum
Charakter, denn die Geräusche ermöglichen den körperlichen und psychischen Zustand
100
des Charakters zu erahnen. Auf diese Weise wird die Identifikation mit dem Charakter
über die Dimension der kognitiven Empathie, als Fähigkeit die Perspektive
einzunehmen und die Emotionen des Charakters nachzuempfinden, verstärkt. Dieser
Effekt der Charaktergeräusche wirkt sich überwiegend über die Identifikation mit dem
Charakter verstärkend auf die Angst aus. Der direkte Effekt der Soundeffekte alleine,
welcher als Vorwarnsystem interpretiert wurde und sich theoretisch auch auf die Angst
auswirken sollte, war statistisch nicht mehr signifikant, wenn auf die Identifikation
kontrolliert wurde.
Was die tatsächlichen Charaktergeräusche betrifft, die effektiv während der
Spielepisoden zu hören waren, so hinderten diese auf einer unbewussten Ebene den
Identifikationsprozess
über
die
Dimensionen
von
verkörperter
Präsenz
und
Selbstvergessenheit und wirkten sich somit negativ auf die Angst aus.
Der Spieler nimmt über die Charaktergeräusche unbewusst eine fremde Entität wahr
und die Illusion der taktilen Körpererweiterung wird gestört. Ohne Charaktergeräusche
kann diese Illusion intensiver erlebt werden und erlaubt eine stärkere Identifikation im
Sinne des Gefühls selbst in der Spielwelt präsent zu sein und seine Umgebung zu
vergessen. Selbst die kognitive Empathie und die wahrgenommene Ähnlichkeit werden
ohne Charaktergeräusche stärker wahrgenommen. Über die zeitliche Verschmelzung
der Eigenwahrnehmung mit der Wahrnehmung des Spielcharakters werden wohl die
eigenen Gedanken und Emotionen auf den Spielcharakter projiziert. Nimmt der Spieler
dagegen Charaktergeräusche wahr, müssen diese erstmals kognitiv bewertet werden,
was den Prozess der Identifikation zwar nicht hindert, jedoch mehr kognitive Prozesse
auf Seiten des Spielers erfordert und als wahrgenommene Charaktergeräusche zur
Identifikation mit dem Charakter über die kognitive Empathie führen.
Die tatsächlichen Charaktergeräusche übten ferner nur über die Identifikation mit dem
Charakter einen negativen Einfluss auf die Angst aus und hatten keinen direkten
negativen signifikanten Einfluss.
Zur Rolle der Empathie als Persönlichkeitsmerkmal und die unterschiedliche Bewertung
von Horror durch Männer und Frauen wurden bereits bekannte Zusammenhänge in
Bezug auf Horrorfilme bestätigt.
Männer hatten eine stärkere Vorliebe für Horror-Spiele, sie bewerteten das untersuchte
Spiel positiver und gaben auch an, mehr Unterhaltung erlebt zu haben als die
weiblichen Teilnehmer, welche im Durchschnitt die negativen Emotionen wie Angst
und Ekel stärker erlebten. Personen, welche hoch empathisch sind, zum Beispiel über
101
die Dimension empathic concern, als Fähigkeit Mitleid oder Sorge um Personen im Not
zu empfinden und insbesondere über die Dimension personal distress, als Mass für das
Empfinden von negativen Gefühlen wie Unruhe und Unwohlsein, wenn andere
Personen in Not sind, fühlten die negativen Emotionen stärker mit und bewerteten das
Spielerlebnis weniger positiv.
8. Ausblick
Zuletzt muss betont werden, dass Schlussfolgerungen aus einer einzelnen Studie alleine
nicht ausschlaggebend sind und stark abhängig sind vom gewählten Studiendesign, der
experimentellen Manipulation sowie weiteren Einschränkungen.
Im Falle dieser Studie ist insbesondere die Tatsache zu bemängeln, dass die Emotion
der Angst nur über die Methode der Selbstauskunft erfasst wurde. Zukünftige
Untersuchungen sollten zusätzlich physiologische Messmethoden zur Erfassung
körperlicher und biochemischer Reaktionen des Organismus wie der Herzrate und
Herzratenvariabilität, der elektrodermalen Aktivität und Elektromyogramm verwenden.
Psychophysiologische Messungen wurden bereits in Zusammenhang mit dem Konzept
der Identifikation angewendet und zeigten auf, dass viele Prozesse unbewusst
stattfinden und körperlich zu einem stärkeren Arousal führen, was jedoch von den
Probanden nicht wahrgenommen wird. So zeigten Resultate aus den physiologischen
Daten
signifikante
Unterschiede,
während
aus
den
Daten,
gewonnen
im
Selbstauskunftsverfahren keine signifikante Werte zu entnehmen waren (Lim & Reeves,
2009; Ravaja et al., 2006; Schneider, 2004). Insbesondere durch den unbewussten
Effekt, kommt es, wie in dieser Studie zu beobachten war, zur Nichtübereinstimmungen
der Daten aus den Selbstauskunftsverfahren und den Resultaten der tatsächlichen
experimentellen Manipulation.
Ferner wäre es spannend das Konzept der Angst in Horror-Spielen in Bezug auf andere
Emotionen zu untersuchen. Unter anderem wäre zu klären ob Anspannung und
Frustration, welche einen Einfluss auf die Angst ausübten, auf die unheimliche und
eklige Atmosphäre aufbaut oder vermehrt als leistungsbedingte Panik, im Spiel zu
sterben und seinen Fortschritt zu verlieren, zurückzuführen ist (Shinkle, 2005, S. 2).
Auch zwischen Ekel und Angst war ein positiver Zusammenhang zu beobachten. Angst
und Ekel werden beide als Basisemotionen betrachtet. Man vermutet, dass die Emotion
Ekel ursprünglich als Reaktion zu verdorbenem, Gesundheit schadendem Essen
entstanden ist und als aversiver affektiver Zustand von Abscheu erregenden Stimuli
102
hervorgerufen wird. Während man Ekel empfindet, kommt es zu einer Steigerung der
elektrodermalen Aktivität und einer relativen Abnahme der Herzschlagrate, was im
Kontrast zur Steigerung der Herzfrequenz steht, welche mit Angst assoziiert wird. Eine
Unterscheidung der beiden Gefühle mit physiologischen Messmethoden scheint somit
möglich. Ferner wäre es ebenfalls interessant den Einfluss des Persönlichkeitsmerkmals
der Ekelempfindlichkeit in Bezug auf Horror-Spiele zu untersuchen um zu sehen
inwiefern Angst von Ekel bedingt ist und umgekehrt (Vaitl, Schienle & Stark, 2005).
Hinsichtlich des Konzepts der Identifikation mit Videospielcharakteren sollte, wie in
der Diskussion bereits erwähnt, das hier vorgeschlagene Modell an neue Stichproben
auf Validität überprüft werden. Je nach untersuchtem Spiel oder Genre sollten ferner
weitere Dimensionen herausgearbeitet oder die bestehenden Dimensionen angepasst
werden. Bezüglich dem vorgeschlagenen Modell, welches auf Spiele anwendbar ist, in
welchen der Spieler einen festgelegten Charakter steuert oder eine bestimmte Rolle
einnimmt (geschlossener Avatar), wäre es sicherlich interessant herauszufinden,
inwiefern sich die Handlung oder die Hintergrundinformationen des Charakters auf die
Identifikation auswirken. Ein positiver Effekt von Handlung auf die Identifikation mit
dem Charakter konnte bereits festgestellt werden (Schneider, 2004). Anhand eines
mehrdimensionalen Modells könnte man zusätzlich ergründen, welche Dimensionen
von der Handlung vermehrt beeinflusst werden. Man kann vermuten, dass mit
zunehmender Handlung insbesondere die verinnerlichten Ziele und mit zunehmenden
Hintergrundinformationen die wahrgenommene Ähnlichkeit beeinflusst werden. Ferner
wäre es interessant zu betrachten, inwiefern die Dimensionen beeinflusst werden, wenn
der Spieler den eigenen Charakter erstellt (offener Avatar) anstatt einen vorgefertigten
Charakter zu spielen, (geschlossener Avatar) denn viele Autoren sind sich einig, dass
das Erstellen des eigenen Charakters die intensivste Identifikation erlaubt (Bailey et al.,
2009; Misoch, 2010; Shaw, 2011).
In dieser Arbeit wurde ausserdem der Fokus auf das Entstehen der Angst in HorrorSpielen gelegt, zur Wirkung der Angst auf das Unterhaltungserleben, im Sinne einer
Valenztransformation als Meta-Appraisal und inwiefern Regulationsmechanismen die
erlebte Angst und das Unterhaltungserleben beeinflussen wurde nur ansatzweise
nachgeprüft. Es konnte beobachtet werden, dass Spieler, welche sich mit dem Charakter
identifizierten zwar die Angst intensiver erlebten, gleichzeitig erlebten sie die Emotion
jedoch nicht unbedingt als negativ sondern bewerteten das Spielerlebnis unterhaltsamer
als
Spieler,
welche
sich
weniger
mit
dem
Charakter
identifizierten.
103
Regulationsmechanismen, welche bereits in Zusammenhang mit Horrorfilmen
untersucht wurden (Hoffner, 1995; Sparks, Pellechia & Irvine, 1999; Sparks & Spirek,
1988) und weitere Faktoren, welche eine Valenztransformation erklären könnten
(Sensationssuche: Edwards, 1991; Zuckerman, 1996; Need-for-Affect-Skala: Bartsch et
al., 2010), wurden in dieser Studie nicht mit einbezogen. Angesichts der Popularität von
Horror-Spielen wäre jedoch besonders die Untersuchung des Unterhaltungserlebens
spannend. Aus welchen Gründen empfinden Spieler die Gefühle der Angst, Panik und
des Grauens als unterhaltsam und was macht Horror-Spiele so anziehend?
Ein möglicher Faktor für eine Valenztransformation der Angst stellen nach Rothmund,
Schreier und Groeben (2001) die individuelle Fähigkeit zur Realitäts-FiktionsUnterscheidung sowie weitere Distanzierungsstrategien dar, welche dem Nutzer
bewusst machen, dass es sich im Spiel um keinen „ernsthaften“ Angsterleben handelt.
In Bezug auf die Identifikation, welche ebenfalls in dieser Studie mit Unterhaltung
assoziiert wurde, wird vermutet dass durch die simulierte Selbsterfahrung die SelbstDiskrepanz zwischen der eigenen Selbstwahrnehmung und dem Wunsch-Selbst, dem
idealen, angestrebten Selbstbild vermindert (Hefner et al., 2007). Der Wunsch die
eigene Realität für eine kurze Zeit zu vergessen oder zu entfliehen wird effektiver
erfüllt, wenn man sich intensiver mit der gegebenen Rolle in einem Videospiel
identifiziert. Die mentale Anspannung, welche von der Diskrepanz zwischen dem
idealen Selbst und dem eigentlichen Selbst verursacht wird, wird durch die
Identifikation mit Charakteren in Spielen, welche dem Ideal-Selbst näher liegen
vorübergehen
gelindert
und
von
positiven
Gefühlen
begleitet,
die
zum
Unterhaltungserleben beitragen (Klimmt et al., 2009; van Looy et al., 2012). Es kommt
während dem Spielen zu unbewussten Veränderungen im Selbst-Konzept, welche die
automatischen kognitiven Prozesse beeinflussen und nach dem Spielen Spuren
hinterlassen. So konnten Klimmt, Hefner, Vorderer, Roth und Blake (2010) einen
Unterschied beobachten zwischen den kognitiven Assoziationen der Spieler, welche ein
Kriegsspiel gespielt hatten und den Spielern welche ein Rennspiel spielten. Die
Kriegsspiel-Spieler nahmen eine stärkere Ähnlichkeit zu kriegsrelevanten Begriffen wie
„Militär“ und „Soldat“ wahr als zu rennspielrelevanten Begriffen wie „Auto“ und
„Rennen“ als die Spieler des Rennspiels und umgekehrt.
Inwiefern die Theorie der Identifikation als Verminderung der Selbst-Diskrepanz auch
auf die Identifikation mit Horror-Spiel-Protagonisten anzuwenden ist, bei denen der
Spieler vor allem die Rolle eines normalen Menschen einnimmt und die Verletzlichkeit
104
und der Kampf ums Überleben im Vordergrund stehen, muss noch geklärt werden.
Klimmt et al. (2009) erklären, dass der Spieler den Identifikationsprozess bewusst auf
einige wenige Eigenschaften beschränken kann, um unangenehme Erlebnisse und
Assoziationen zu vermeiden. In einem solchen Fall wird der Spieler in einem HorrorSpiel sich auf Dimensionen des Charakters konzentrieren, welche wünschenswert
erscheinen. Mann kann davon ausgehen, dass in Horror-Spielen vor allem die
Assoziation des mutigen, furchtlosen ums Überleben kämpfenden Einzelgängers,
welcher alleine der unheimlichen Umwelt entfliehen muss, bei den Spielern geweckt
wird, selbst wenn der Charakter als schwach dargestellt wird. Horror-Spiele könnten
somit ein Weg sein für Spieler sich mutiger und furchtloser zu fühlen. Als zeitgemässe
„Initiationsriten“ im Sinne der sozialisierten Rollenverteilung wären sie somit
insbesondere für männliche Spieler ein Weg ihre Furchtlosigkeit und Stärke zu erproben
(Zillmann & Gibson, 1996).
Zum Schluss muss ergänzt werden, dass hinsichtlich des emotionalen Erlebnisses der
Angst in Horror-Spielen anhand dieser Arbeit für bestimmte Zusammenhänge
Erklärungen gegeben werden konnten, weitere Untersuchungen jedoch notwendig sind
um das emotionale Erlebnis in Horror-Spielen insbesondere auch in Zusammenhang mit
der Identifikation sowie bezüglich dem Unterhaltungserleben besser zu erklären.
105
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114
10. Anhang
10.1. Papierversion des Online-Fragebogens
Liebe Mitstudenten und Mitstudentinnen, sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank, dass Sie an meinem Experiment teilnehmen!
Im Folgenden bitte ich Sie, einige Fragen zu beantworten. Die ersten Fragen sollten
Sie gleich ausfüllen. Der zweite Teil des Fragebogens folgt, nachdem Sie das
Computerspiel gespielt haben.
Wichtig: Bitte lesen Sie die Anleitung zum jeweiligen Frageblock genau durch, bevor
Sie die Fragen beantworten! Es gibt keine „falschen“ oder „richtigen“ Antworten,
allein Ihre Meinung und Einschätzung ist mir wichtig. Versuchen Sie, möglichst
spontan und offen zu antworten. Denken Sie bei den einzelnen Fragen nicht zu viel
nach, sondern geben Sie eine möglichst spontane Antwort.
Bitte füllen Sie alle Fragen aus, auch wenn Sie das Gefühl haben, manches wurde
doppelt abgefragt oder Sie nicht recht wissen, was Sie antworten sollen.
Ihre Daten werden vertraulich behandelt und sind jederzeit anonym. Es geht bei der
Auswertung nicht um die Angaben jedes Einzelnen. Es besteht zu keinem Zeitpunkt
der Auswertung die Möglichkeit, Daten oder Ergebnisse auf einzelne Personen zu
beziehen.
Herzlichen Dank!
115
Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Aussagen, mit denen man sich selbst
beschreiben kann. Bitte lesen Sie jede Aussage genau durch und wählen Sie aus
den Antworten diejenige aus, die angibt, wie Sie sich jetzt, d.h. in diesem Moment,
fühlen.
Kreuzen Sie bitte bei jeder Aussage das Feld ganz links an, wenn die Aussage
überhaupt nicht auf Sie zutrifft und kreuzen Sie das Feld ganz rechts an, wenn sie voll
und ganz auf Sie zutrifft. Mit den Feldern dazwischen können Sie Ihre Antwort abstufen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Ich bin ruhig.
Ich fühle mich geborgen.
Ich fühle mich angespannt.
Ich bin bekümmert.
Ich bin gelöst.
Ich bin aufgeregt.
Ich bin besorgt, dass etwas
schiefgehen könnte.
Ich fühle mich ausgeruht.
Ich bin beunruhigt.
Ich fühle mich wohl.
Ich fühle mich selbstsicher.
Ich bin nervös.
Ich bin zappelig.
Ich bin verkrampft.
Ich bin entspannt.
Ich bin zufrieden.
Ich bin besorgt.
Ich bin überreizt.
Ich bin froh.
Ich bin vergnügt.
116
Es folgt eine Reihe von Aussagen, mit denen man sich selbst beschreiben kann.
Bitte lesen Sie jede Aussage durch und wählen Sie aus den Antworten diejenige
aus, die angibt, wie Sie sich im Allgemeinen fühlen.
Kreuzen Sie bitte bei jeder Aussage das Feld ganz links an, wenn die Aussage fast nie
zutrifft und kreuzen Sie das Feld ganz rechts an, wenn sie fast immer auf Sie zutrifft.
Mit den Feldern dazwischen können Sie Ihre Antwort abstufen.
Fast nie
Fast
immer
Ich bin vergnügt.
Ich werde schnell müde.
Mir ist zum Weinen zumute.
Ich glaube, mir geht es schlechter als
anderen Leuten.
Ich verpasse günstige Gelegenheiten,
weil ich mich nicht schnell genug
entscheiden kann.
Ich fühle mich ausgeruht.
Ich bin ruhig und gelassen.
Ich glaube, dass mir Schwierigkeiten
über den Kopf wachsen.
Ich machen mir zuviel Gedanken über
unwichtige Dinge.
Ich bin glücklich.
Ich neige dazu, alles schwer zu
nehmen.
Mir fehlt es an Selbstvertrauen.
Ich fühle mich geborgen.
Ich mache mir Sorgen über mögliches
Missgeschick.
Ich fühle mich niedergeschlagen.
Ich bin zufrieden.
Unwichtige Gedanken gehen mir durch
den Kopf und bedrücken mich.
Enttäuschungen nehme ich so schwer,
dass ich sie nicht vergessen kann.
Ich bin ausgeglichen.
Ich werde nervös und unruhig, wenn
ich an meine derzeitigen
Angelegenheiten denke.
117
Die folgenden Aussagen betreffen bestimmte Bereiche des Wahrnehmens und
Erlebens. Diese können erfahrungsgemäss bei verschiedenen Personen sehr
unterschiedlich ausgeprägt sein.
Bitte geben Sie zu jeder Aussage an, in welchem Ausmass die Aussage auf Sie zutrifft
oder überhaupt nicht zutrifft.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Wenn ich mir kraftvolle Musik anhöre,
fühle ich mich manchmal wie in die Luft
gehoben.
Der Klang einer Stimme kann so
faszinierend für mich sein, dass ich
einfach nur zuhöre.
Es kann mir passieren, dass ich während
einer Routineaufgabe in Gedanken
abschweife und dabei vergesse, was ich
tue, bis ich nach einigen Minuten
bemerke, dass ich die Aufgabe erledigt
habe.
Poetische Sprache kann mich stark
beeindrucken.
Stoffe – wie etwa Wolle, Sand oder Holz
– erinnern mich manchmal an Musik.
Wenn ich will, kann ich tagträumen oder
mir bestimmte Dinge so lebhaft
vorstellen, dass sie meine
Aufmerksamkeit fesseln wie ein guter
Film oder eine gute Geschichte.
Ich beobachte gerne, wie Wolken ihre
Form verändern.
Wenn ich Musik höre, kann sie mich so
gefangen nehmen, dass ich nichts
anderes mehr beachte.
Ich kann mich oft an kleinen Dingen
erfreuen (wie die Farbe von
Seifenblasen).
Einige meiner lebhaftesten Erinnerungen
werden von Gerüchen und Düften
geweckt.
Manchmal ist es mir möglich, mich
völlig in die Natur zu versenken, als ob
sich mein ganzer Bewusstseinszustand
vorübergehend verändert hätte.
118
Sie werden jetzt eine Reihe von Aussagen lesen, die jeweils bestimmte
(verallgemeinerte) menschliche Eigenschaften oder Reaktionen beschreiben, die
alle etwas mit Gefühlen zu tun haben.
Bitte kennzeichnen Sie auf der Antwortskala, inwieweit diese Aussagen auf Sie
zutreffen, und kreuzen Sie jeweils das entsprechende Kästchen. Entscheiden Sie sich
möglichst schnell und ohne langes Nachdenken.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Ich empfinde warmherzige Gefühle für
Leute, denen es weniger gut geht als
mir.
Die Gefühle einer Person in einem
Roman kann ich mir sehr gut
vorstellen.
In Notfallsituationen fühle ich mich
ängstlich und unbehaglich.
Ich versuche, bei einem Streit zuerst
beide Seiten zu verstehen, bevor ich
eine Entscheidung treffe.
Wenn ich sehe, wie jemand ausgenutzt
wird, glaube ich, ihn schützen zu
müssen.
Ich fühle mich hilflos, wenn ich
inmitten einer sehr emotionsgeladenen
Situation bin.
Nachdem ich einen Film gesehen habe,
fühle ich mich so, als ob ich eine der
Personen aus diesem Film sei.
In einer gespannten emotionalen
Situation zu sein, beängstigt mich.
Mich berühren Dinge sehr, auch wenn
ich sie nur beobachte.
Ich glaube, jedes Problem hat zwei
Seiten und versuche deshalb beide zu
berücksichtigen.
Ich würde mich selbst als eine ziemlich
weichherzige Person bezeichnen.
Wenn ich einen guten Film sehe, kann
ich mich sehr leicht in die Hauptperson
hineinversetzen.
Auf der nächsten Seite geht’s weiter
119
In heiklen Situationen neige ich dazu,
die Kontrolle über mich zu verlieren.
Wenn mir das Verhalten eines anderen
komisch vorkommt, versuche ich mich
für eine Weile in seine Lage zu
versetzen.
Wenn ich eine interessante Geschichte
oder ein gutes Buch lese, versuche ich
mir vorzustellen, wie ich mich fühlen
würde, wenn mir die Ereignisse
passieren würden.
Bevor ich jemanden kritisiere, versuche
ich mir vorzustellen, wie die Sache aus
seiner Sicht aussieht.
Hiermit haben Sie den ersten Fragebogenblock geschafft! Weiter geht es
mit dem Spiel!
Bitte rufen Sie jetzt die Versuchsleiterin.
Blättern Sie den Fragebogen bitte NOCH
NICHT um!
120
Nachdem Sie das Spiel nun gespielt haben, kommen jetzt noch ein paar weitere
Fragen.
Lesen Sie bitte die Fragestellung sorgfältig durch und beantworten Sie die Fragen
spontan und ohne grosses Nachdenken.
Auch bei diesem Frageblock gibt es keine richtigen und falschen Antworten!
Blättern Sie den Fragebogen bitte jetzt um.
121
Es folgen nun einige Fragen zum Charakter, den Sie gerade im Spiel gesteuert
haben. Wie haben Sie den Charakter beim Spielen wahrgenommen?
Kennzeichnen Sie auch hier auf der Antwortskala, inwieweit die Aussagen auf Sie
zutreffen oder nicht zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Ich konnte dauernd das Herzklopfen
und die Atemgeräusche des
Charakters hören.
Während des Spielens habe ich
wiederholt das Herzklopfen des
Charakters gehört.
Beim Spielen konnte ich hören wie
der Charakter erschrak und in Panik
schneller atmete.
Ich konnte die Atemgeräusche,
Keuchen und Seufzen des
Charakters hören.
Beim Spielen hatte ich das Gefühl,
den Charakter stets steuern zu
können.
Ich hatte den Charakter im Spiel
jederzeit unter Kontrolle.
Die Steuerung des Charakters war
jederzeit möglich.
Ich hatte das Gefühl, zeitweilig
keine Kontrolle über den Charakter
im Spiel zu besitzen.
122
Auch diese Fragen beziehen sich auf den Charakter im Spiel. Welche Gedanken
und Gefühle hat der Charakter beim Spielen in Ihnen hervorgerufen?
Versuchen Sie sich zu erinnern, was Sie über den Charakter beim Spielen gedacht und
gefühlt haben und kennzeichnen Sie auf der Antwortskala, inwieweit die folgenden
Aussagen auf Sie zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Ich war fähig die Ereignisse im Spiel so
zu verstehen, wie es der Charakter tat.
Ich glaube den Charakter im Spiel gut
zu verstehen.
Ich meine die Gründe zu verstehen,
warum der Charakter im Spiel auf eine
bestimmte Weise handelte.
Während des Spielens erlebte ich
dieselben Emotionen, wie der
Charakter im Spiel.
Während des Spielens hatte ich
regelrecht das Gefühl zu wissen, was
dem Charakter durch den Kopf geht.
In Schlüsselmomenten im Spiel hatte
ich das Gefühl genau zu wissen, was
der Charakter gerade durchmacht.
Während des Spielens wollte ich, dass
der Charakter seine Ziele erreicht.
Wenn der Charakter im Spiel
erfolgreich war, war ich froh, wenn er
scheiterte war ich traurig.
Während des Spielens wurden die Ziele
des Charakters meine eigenen.
Der Charakter im Spiel gleicht mir.
Ich gleiche dem Charakter im Spiel.
Der Charakter im Spiel ähnelt mir.
Ich identifiziere mich mit dem
Charakter im Spiel.
Der Charakter im Spiel ist in vieler
Hinsicht so wie ich.
Der Charakter im Spiel ist eine
Erweiterung meines Selbst.
123
Versuchen Sie sich nun zu erinnern, wie der Charakter im Spiel auf sie wirkte.
Welchen Eindruck hatten Sie, als Sie den Charakter gesteuert haben?
Lesen Sie folgende Aussagen aufmerksam durch und kennzeichnen Sie auch hier auf
der Antwortskala, inwieweit die Aussagen auf Sie zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Während des Spielens hatte ich das
Gefühl, als wäre ich der Charakter.
Während des Spielens hatte ich das
Gefühl im Charakter drin zu sein.
Im Spiel hatte ich das Gefühl, als
wäre ich eins mit dem Charakter.
Während des Spielens hatte ich das
Gefühl im Charakter hineinversetzt
worden zu sein.
Während des Spielens hatte ich das
Gefühl, als wäre der Körper des
Charakters mein eigener.
Im Spiel war es so, als würde ich
direkt durch den Charakter handeln.
124
Die folgenden Fragen beziehen sich nun auf das gesamte Spielerlebnis. Wie
haben Sie das gesamte Spiel erlebt?
Halten Sie sich die gesamte Spielzeit vor Augen und kennzeichnen Sie auf der
Antwortskala, inwieweit die Aussagen auf Sie zutreffen oder nicht zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll und
ganz zu
Ich habe mich selbst als Teil der
dargestellten Umgebung
empfunden.
Ich hatte das Gefühl, in der
dargestellten Umgebung vor Ort zu
sein.
Ich hatte das Gefühl, dass die
dargestellten Objekte mich umgeben
haben.
Es war, als ob sich mein eigentlicher
Standort in die dargestellte
Umgebung verlagert hätte.
Ich hatte das Gefühl, in der
dargestellten Umgebung selbst
körperlich anwesend zu sein.
Es kam mir vor, als ob ich wirklich
am dargestellten Geschehen
teilgenommen habe.
Ich hatte den Eindruck, in der
dargestellten Umgebung selbst
handeln zu können.
Ich hatte den Eindruck, dass ich
selbst in der dargestellten
Umgebung aktiv werden konnte.
Ich hatte das Gefühl, um die
dargestellten Objekte herumgehen
zu können.
Die dargestellten Gegenstände
wirkten auf mich, als ob ich selbst
etwas damit machen konnte.
Es kam mir so vor, als ob ich in der
dargestellten Umgebung wie in der
Wirklichkeit etwas bewirken
konnte.
Es kam mir so vor, als ob ich in der
dargestellten Umgebung tun und
lassen konnte, was ich wollte.
125
Während dem Spielen können einem unterschiedliche Gedanken durch den Kopf
gehen.
Lassen Sie sich nun die gesamte Spielzeit nochmals kurz durch den Kopf gehen und
geben Sie anhand der Skala für jede der folgenden Aussagen an, auch hier inwieweit
sie auf Sie zutreffen oder nicht zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Ich habe meine Aufmerksamkeit auf
das Spiel gerichtet.
Ich habe mich auf das Spiel
konzentriert.
Das Spiel hat meine Sinne
vereinnahmt.
Ich habe mich dem Spiel voll
gewidmet.
Ich habe meist Dinge gedacht, die
mit dem Spiel etwas zu tun hatten.
Ich habe gründlich überlegt,
inwiefern die dargestellten Dinge
miteinander zu tun haben.
Ich habe darüber nachgedacht, ob
das im Spiel Dargestellte für mich
von Nutzen sein kann.
Das im Spiel Dargestellte hat meine
Gedanken angeregt.
Ich war mit der Steuerung
überfordert.
Ich musste mich auf die Steuerung
des Spiels konzentrieren und konnte
mich dem Spiel nicht voll widmen.
Während des Spielens habe ich mich
auf die Steuerung konzentriert
126
Die folgenden Aussagen beziehen sich auf das gesamte Spielerlebnis.
Halten Sie sich nun wieder die gesamte Spielzeit vor Augen und geben Sie anhand der
Skala für jede der folgenden Aussagen an, wie Sie sich während des Spielens gefühlt
haben.
Gar
nicht
Sehr stark
Ich fühlte mich zufrieden.
Ich habe mich geschickt gefühlt.
Ich interessierte mich für die
Handlung des Spiels.
Ich konnte über Sachen im Spiel
lachen.
Ich war völlig gefesselt
Ich habe mich glücklich gefühlt.
Ich war angespannt.
Ich hatte das Gefühl, etwas zu
lernen.
Ich fühlte mich ruhelos.
Ich habe an andere Dinge gedacht.
Ich fand es ermüdend.
Ich fühlte mich sicher.
Ich fand es schwierig.
Das Spiel war ästhetisch
ansprechend.
Ich habe alles um mich herum
vergessen.
Ich habe mich gut gefühlt.
Ich war gut.
Ich habe mich gelangweilt.
Ich habe mich erfolgreich gefühlt.
Ich kam mir einfallsreich vor.
Ich hatte das Gefühl Dinge
erforschen zu können.
Ich hatte Spass.
Ich habe die Spielziele schnell
erreicht.
Ich habe mich verärgert gefühlt.
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127
Ich war abgelenkt.
Ich fühlte mich stimuliert.
Ich war reizbar.
Ich habe mein Zeitgefühl
verloren.
Ich fühlte mich herausgefordert.
Ich fand es beeindruckend.
Ich habe mich sehr auf das Spiel
konzentriert.
Ich fühlte mich frustriert.
Das Spiel bot eine reichhaltige
Erfahrung.
Ich habe die Verbindung zur
Aussenwelt verloren.
Ich war von der Geschichte
gelangweilt.
Ich musste mich beim Spielen
sehr anstrengen.
128
Es folgt nun eine Liste mit Wörtern, mit denen man bestimmte Gefühle und
Reaktionen beschreiben kann
Gehen Sie alle Wörter der Liste nacheinander durch und kreuzen Sie an, was Sie beim
Spielen empfunden haben. .
Ich empfand….
Ich fühlte mich…
Gar nicht
Sehr stark
Wut
erschreckt
Ekel
Zorn
angewidert
Furcht
Verachtung
gehemmt
Scham
Ärger
verlegen
abgestossen
Geringschätzung
wütend
Überraschung
verschämt
erstaunt
Angst
verblüfft
Spott
129
Was für einen Eindruck hat das Spiel schlussendlich bei Ihnen hinterlassen?
Geben Sie bitte anhand der Skala für jede der folgenden Aussagen an, inwieweit sie auf
Sie zutreffen oder nicht zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Das Spielen hat mir Freude bereitet.
Das Spiel hat mir Spass gemacht.
Das Spiel war langweilig.
Das Spiel konnte meine
Aufmerksamkeit gar nicht fesseln.
Das Spielen würde ich als interessant
beschreiben.
Ich habe das Spielen als ziemlich
unterhaltsam empfunden.
Während des Spielens hab ich mir
gedacht, wie viel Spass ich habe.
130
Es folgen nun zum Schluss einige Fragen zu Ihrer Person und zu Ihren
Spielgewohnheiten.
Wie sind Ihre allgemeinen Gefühle in Bezug auf Videospiele?
Geben Sie bitte anhand der Skala für jede der folgenden Aussagen an, inwieweit sie auf
Sie zutreffen oder nicht zutreffen.
Trifft
überhaupt
nicht zu
Trifft voll
und ganz zu
Am Thema „Videospiele“ bin ich
generell interessiert.
Ich fühlte schon seit langer Zeit eine
starke Neigung zu Videospiele.
Ich hatte schon eine Vorliebe für den
Gegenstand der Videospiele, bevor ich
damit zu tun hatte.
Ich liebe es einfach, mir Gedanken
über Videospiele zu machen.
Wie viel Zeit verwenden Sie pro Woche durchschnittlich für Computerspiele,
Handygames oder Konsolengames?
(Bsp: weniger als 1 h, 1 h, 2 h, 3 h, 4 h, 5 h, 6 h, 7 h, 8 h, 9 h, 10 h, mehr als 10h)
Anzahl Stunden pro Woche : _______________
Wie häufig spielen Sie mit den folgenden Geräten?
Nie
Sehr oft
Nintendo Wii
Xbox, Xbox 360
Playstation 2, Playstation 3
ältere Konsolen (NES, SNES,
N64, Sega Megadrive,
Dreamcast, PS1)
Handy und tragbare Geräte
(PSP, PS VITA, Nintendo
3DS)
PC
131
Wie häufig spielen Sie diese verschiedenen Spieltypen?
Nie
Sehr oft
Rennspiele
(Grand Prix, Gran Turismo,
Need4Speed, Mario Kart...)
Ego-Shooter und Action-Adventure
(Battlefield, Halo, Call of Duty,
Uncharted, GTA,
Tomb Raider ...)
Rollenspiele und Adventure-Spiele
(Elder Scrolls, Zelda, Final Fantasy,
Diablo, Monkey Island...)
Geschicklichkeitsspiele / Jump n’
Run Spiele
(Tetris, Super Mario, Angry Birds,
Bejeweled...)
Mannschaftssport-Spiele
(Fussball, Hockey, Basketball...)
Aufbau-Strategiespiele
(Civilization, Siedler, Starcraft,
Anno, Sim City...)
Survival-Horror-Spiele
(Resident Evil, Silent Hill,
Penumbra, Dead Space…)
Wie gerne spielen Sie diese verschiedenen Spieltypen?
Mag ich
gar nicht
Mag ich
sehr
Rennspiele
(Grand Prix, Gran Turismo,
Need4Speed, Mario Kart...)
Ego-Shooter und Action-Adventure
(Battlefield, Halo, Call of Duty,
Uncharted, GTA,
Tomb Raider ...)
Rollenspiele und Adventure-Spiele
(Elder Scrolls, Zelda, Final Fantasy,
Diablo, Monkey Island...)
Geschicklichkeitsspiele / Jump n’
Run Spiele
(Tetris, Super Mario, Angry Birds,
Bejeweled...)
Mannschaftssport-Spiele
(Fussball, Hockey, Basketball...)
Aufbau-Strategiespiele
(Civilization, Siedler, Starcraft,
Anno, Sim City...)
Survival-Horror-Spiele
(Resident Evil, Silent Hill,
Penumbra, Dead Space…)
132
Hatten Sie das Spiel „Amnesia: The Dark Descent“ vor dem Experiment bereits
gespielt?
Ja
Nein
Ihr Geschlecht?
männlich
weiblich
Wie alt sind Sie?: _______________ Jahre
Ganz zum Schluss noch eine letzte, besonders wichtige Aussage, die ich Sie bitte,
ehrlich zu bearbeiten, da ich mit Ihren Antworten nur dann in der
wissenschaftlichen Forschung arbeiten kann, wenn Sie die Studie ernsthaft
mitgemacht haben.
Haben Sie die Studie ernsthaft mitgemacht – oder haben Sie lediglich versucht,
möglichst schnell durchzuklicken?
Nein, ich habe die
Studie nicht wirklich
ernsthaft mitgemacht
und auch nicht alle
Fragen aufrichtig
beantwortet.
Ja, ich habe die Studie ernsthaft
mitgemacht und die Fragen
aufrichtig beantwortet.
133
10.2. Checkliste für die Inhaltsanalyse der Videoaufnahmen
Checkliste Spiel
VPN-Nummer :
Zeit Spiel:
Exp. Bedingung:
AREA 1: Regenhalle
JA
NEIN
Charaktergeräusche beim Aufwachen
Nebenzimmer erkundet
Zimmer mit Steinhaufen erkundet
Kontrollverlust im Gang
Verriegeltes Tor untersucht (Schreckmoment)
Charaktergeräusche verriegeltes Tor
Windstoss stosst Tür auf
Charaktergeräusche beim Windstoss
Zimmer mit Kamin erkundet
Langer Gang unheimliche Geräusche
Kontrollverlust im langen Gang
Charaktergeräusche im langen Gang
Dunkles Zimmer Tür geht langsam auf
Dunkle Kammer erkundet
Gemäldezimmer erkundet
Windstoss im Gemäldezimmer löscht Lichter
Charaktergeräusche im Gemäldezimmer
Geräusche des Herzklopfens zu hören?
Tür zum nächsten Level gefunden
Timer Level (Tür nicht gefunden)
Timer Kontrollverlust
Schränke untersucht
Objekte untersucht
Im Level steckengeblieben
AREA 2: Weinkeller
Herzklopfen
Kontrollverlust beim Anblick des Grunts
Charaktergeräusche beim Anblick des Grunts
Auf Grunt zugelaufen
Sich vom Grunt versteckt
Anblick wie Grunt sich in Staub auflöst
Schreckmoment Grunt
Charaktergeräusche Schreckmoment Grunt
134
JA
NEIN
Flaschenzimmer erkundet
Monstergeräusche im Flaschenzimmer gehört
Charaktergeräusche im Flaschenzimmer
Regalzimmer erkundet
Aufbewahrungszimmer erkundet
Windstoss öffnet Tür im Aufbewahrungszimmer
Charaktergeräusche im Aufbewahrungszimmer
Auf Schleim im Aufbewahrungszimmer
gestanden (Schreckmoment)
Visionszimmer erkundet
Vision im Visionszimmer
Charaktergeräusche im Visionszimmer
Langer Raum erkundet
Auf Schleim gestanden im langen Raum
(Schreckmoment)
Verschlossene Tür untersucht
Versteckter Durchgang entdeckt
Schreckmoment beim Betreten des Rätselraums
Charaktergeräusche beim Schreckmoment
Rätselraum erkundet
Auf Schleim im Rätselzimmer gestanden
(Schreckmoment)
Falltür untersucht
Kurbel untersucht
Rolle an der Decke untersucht
Holzstück auf der Rolle entdeckt
Holzstück aus der Rolle entfernt
Auf Objekt gestiegen um Holzstück aus der Rolle
zu entfernen
Rätsel gelöst
Auf Schleim nach der Falltür gestanden
(Schreckmoment)
Spiel beendet
Spiel durch Timer beendet
Objekte untersucht
Timer Kontrollverlust
Zurück zur Tür Regenhalle
Im Level steckengeblieben
Weiteres / Spezielles:
135
11. Eidesstattliche Erklärung
136
12. Lebenslauf
Personalien
Name, Vorname
Brandao, Patricia
Geburtsdatum
28. April 1984
Bürgerort
Portugal
Zivilstand
ledig
Schulbildung
2003 - 2014
Universität Zürich, Studium der Japanologie, der
Publizistikwissenschaft und Medienforschung und der
Kunstgeschichte Ostasiens
1999 - 2003
Gymnasium Kantonsschule am Burggraben St. Gallen
1997 - 1999
Katholische Kantonssekundarschule St. Gallen
1993 - 1997
Primarschule Heimat St. Gallen
1990 - 1993
Primarschule Portugal
Berufserfahrung
2003 - 2006
Interviewerin für das Zürcher Projekt zur sozialen Entwicklung
von Kindern und Jugendlichen (z-proso)
2009 - 2011
Café Rössli St. Gallen
Sprachkenntnisse
Portugiesisch
Muttersprache
Deutsch
fliessende Kenntnisse in Wort und Schrift
Englisch
sehr gute Kenntnisse in Wort und Schrift
Französisch
gute Kenntnisse in Wort und Schrift
Japanisch
Kenntnisse in Wort und Schrift
Spanisch
Spanisch Diplom Telc B1
Italienisch
gute mündliche Verständigung
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