Lyme- Borreliose

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Lyme- Borreliose
DFP-Literaturstudium
state of the art
Das einzige Krankheitszeichen, das eine verlässliche
Diagnose der Lyme-Borreliose erlaubt, ist ein typisches
Erythema migrans. Die Infektion allein verursacht nicht
notwendigerweise Krankheitszeichen. Jede Manifestation erfordert allerdings eine
antibiotische Behandlung.
Von Gerold Stanek*
1
er Name ”Lyme” in Lyme-Borreliose stammt von der Stadt Lyme
in Connecticut, USA, wo die sogenannte Lyme-Arthritis Mitte der
70er Jahre des vorigen Jahrhunderts
erstmals beobachtet wurde, und von
Borrelia, der Bakteriengattung, zu der
die Krankheitserreger gehören. Wegen
des in Deutsch wenig angenehm klingenden Wortes ”Lyme” (wie Leim, Kleister etc.) gab es schon bald Vorschläge
zur Änderung des Lokalbegriffes ”Lyme
disease” oder ”Lyme-Krankheit” in
”Erythema migrans-Krankheit”, ”Schildzecken-Borreliose”, schließlich ”LymeBorreliose” oder kurz ”Borreliose”. Letztere Bezeichnung wird bei uns immer
D
© BAXTER
LymeBorreliose
häufiger verwendet. Es gibt jedoch auch
ein durch Borrelien verursachtes endemisches und epidemisches Rückfallfieber, das von Lederzecken beziehungsweise Kleiderläusen übertragen wird.
et al. European Union Concerted Action on Risk Assessment in Lyme Borreliosis: Clinical Case Definitions for
Lyme Borreliosis. Wien Klin Wochenschr (1996) 108:741-747).
Lyme-Borreliose umfasst zahlreiche
klinische Erscheinungen mit verschiedensten Variationen im Krankheitsverlauf. Klinische Falldefinitionen sind
daher wesentlich für einen objektiven
Zugang zur Diagnose.
Lyme-Borreliose ist die häufigste von
Schild-Zecken übertragene Erkrankung
in der nördlichen Hemisphäre. In Mitteleuropa, wie zum Beispiel in Österreich und Slowenien, sind bis zu 155
pro 100.000 Einwohner betroffen,
wobei deutliche regionale Unterschiede und ein unterschiedliches Infektionsrisiko in ein und derselben geografischen Region bestehen. Gemeldete
Fälle repräsentieren zufolge einer Stu-
Im Rahmen einer „EU Concerted
Action“ wurden Falldefinitionen ausgearbeitet und in der Wiener klinischen
Wochenschrift veröffentlicht (Stanek
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Die Erreger der Lyme-Borreliose sind Bakterien aus der
Spirochäten-Familie. Sie sind
im Borrelia burgdorferi sensu
lato Spezies-Komplex zusammengefasst und werden weiter
in elf sogenannte Genospezies
unterteilt. Humanpathogene
Genospezies sind Borrelia afzelii, Borrelia burgdorferi sensu
stricto, Borrelia garinii. Borrelien sind dünne, lange, bewegliche Bakterien mit einer flexiblen äußeren Membran.
Sie sind sehr anpassungsfähig, wechseln zwischen blutsaugenden Gliederfüßern und
Wirbeltieren und tolerieren
Temperaturänderungen von
mehr als 20°C. Borrelien leben
und vermehren sich in einem
Wirbeltier-Reservoir, das durch
Zecken aufrecht erhalten wird.
In Europa sind kleine Nager
wie Mäuse und Vögel das Reservoir für Borrelien. Die Verbreitung der Lyme-Borreliose
in Europa ist an die Aktivität
der Schildzecke Ixodes ricinus
gebunden.
Krankheitsentstehung
Biopsien peripherer Nerven von Patienten mit Neuroborreliose zeigten
axonale Degeneration, Verlust von Myelinfasern, mononukleäre Infiltration
sowie Thrombose und Rekanalisation
epineuraler Gefäße. Im Liquor findet
en können Epithelbarrieren direkt
durchdringen und Komplement aktivieren. Durch Lipoproteine, die
während der Infektion exprimiert werden, aktivieren Borrelien verschiedene
Zelltypen einschließlich Makrophagen, Endothelzellen, neutrophile Granulozyten, dendritische Zellen, Mastzellen, B-Zellen und Gliazellen, und
lösen dadurch zahlreiche Entzündungsreaktionen aus. Die Krankheitsentstehung und -entwicklung ist direkt an die Anwesenheit von
Borrelien gebunden. Die verschiedenen
Krankheitserscheinungen einschließlich
der Borrelien-Arthritis sind offensichtlich nicht an einen bestimmten MHC-Typ gebunden. Nur sehr wenige Patienten entwickeln später eine
chronische sogenannte ”Antibiotika-resistente” Arthritis.
Abb. 1
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Das einzige Krankheitszeichen,
das eine verlässliche Diagnose
erlaubt, ist ein typisches
Erythema migrans. Auch das
Borrelien-Lymphozytom am
Ohrläppchen, die Meningoradikuloneuritis (Garin-Bujadoux-Bannwarth)
und die Acrodermatitis chronica atrophicans können klinisch mit einer gewissen Sicherheit diagnostiziert werden.
Abb. 2
Solitäres, kokardenförmiges Erythema migrans am linken Oberschenkel
Borrelien werden durch Zeckenstich
in die Haut des Menschen eingebracht,
wo sie sich direkt kontinuierlich ausbreiten oder über den Blutweg zu anderen Organen gelangen. Borrelien wurden aus Haut und Liquor cerebrospinalis, seltener aus Blut und nur vereinzelt
aus Gelenksflüssigkeit, Synovia, Herzmuskel oder Auge isoliert. Histopathologisch zeigt die Haut bei Erythema migrans eine lymphoplasmazelluläre Perivaskulitis, bei Borrelien-Lymphozytom
Klinische
Erscheinungen
und Diagnose
Es gibt keine Erkrankung ohne
Symptome, und demzufolge
gibt es keine Diagnose ”LymeBorreliose”, wenn klinische
Manifestationen fehlen. Die
Infektion allein verursacht
nicht notwendigerweise Krankheitszeichen. Auch für die Diagnose Lyme-Borreliose ist daher
eine gute Kenntnis der klinischen Erscheinungen wesentlich. Wesentlich ist auch, dass
sich die Klinik der Lyme-Borreliose in den USA von der in
Europa unterscheidet.
Solitäres, homogen gefärbtes Erythema migrans am Oberbauch
© PROF. FRANC STRLE / UNIVERSITY MEDICAL CENTER LJUBLJANA, SLOWENIEN
Krankheitserreger,
Reservoire und
Vektoren
Lymphfollikel, und bei der Acrodermatitis chronica atrophicans Atrophie
und ausgeprägte lympho-plasmazelluläre Infiltration.
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die aus den USA nur ein Siebentel der
tatsächlichen Erkrankungsfälle. In der
Europäischen Union gibt die Richtlinie
vom 17. November 2003 zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern die Möglichkeit, je nach der epidemiologischen Situation auch die
Borreliose zur überwachungspflichtigen
Erkrankung zu machen (Amtsblatt der
EU L325).
sich bei Meningoradikuloneuritis eine
ausgeprägte lymphoplasmazelluläre Pleozytose. Bei Lyme-Arthritis ist die Synovia hypertroph mit fokalen Nekrosen,
Gefäßproliferation und lymphoplasmazellulärer Infiltration. Der Gelenkserguss hingegen enthält überwiegend
neutrophile Granulozyten. Die histopathologischen Befunde legen nahe,
dass ischämische Läsionen infolge Vaskulopathie eine wichtige Rolle in der
Pathogenese spielen könnten. Borreli-
Alle anderen klinischen Zeichen
und Symptome sind von untergeordneter oder keiner diagnostischen Bedeutung. Auch das Ansprechen auf
eine Behandlung mit Antibiotika hat
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geringen diagnostischen Wert, da Erperpartien und insbesondere der Kopf
kann allerdings bei Fehlen dieser Symkrankungen spontan abheilen könbetroffen. In Europa berichten über die
ptome nicht ausgeschlossen werden.
nen. Welche Auswirkung von Zecken
Hälfte der erwachsenen Patienten loMultiple Erytheme sind in Europa im
übertragbare mögliche Ko-Infektionen
kale Symptome im Bereich des ErytheVergleich mit den USA selten und
auf klinische Manifestationen haben
ma migrans, gewöhnlich mildes Jucken,
werden dann vorwiegend bei Kindern
und wie oft sie vorkombeobachtet. Erythema
men könnten, bleibt
migrans-Patienten aus
Häufigkeit von Zeckenstichen/Wochentag (n=496) Wien & U 1999
noch abzuklären. Die
Europa sind gewöhnKombination
von
lich
seronegativ,
Lyme-Borreliose und
während die meisten
FSME ist in Österreich
amerikanischen Patieneine
ausgesprochene
ten seropositiv sind. ErRarität.
gebnisse des medizinischen Routine-Laboratoriums sind gewöhnlich
Haut
unauffällig.
Die Haut ist bei der
Lyme-Borreliose am häuDie Diagnose der typifigsten betroffen. Als umschen Hauterscheinung
schriebene Hauterkranerfolgt klinisch. Für atykungen waren Erythema
pische Hautveränderunmigrans, Borrelien-Lymgen sollte die vermutete
phozytom (früher LymBorrelien-Hautinfektion
phadenosis benigna cutis) Saisonales Auftreten von Erythema migrans (n=1698) Wien & U 2000
durch den direkten Erreund
Acrodermatitis
ger-Nachweis bewiesen
chronica atrophicans in
werden. DifferenzialdiaEuropa lange vor der
gnostisch kommen PilzEntdeckung des Erregers
infektionen (Hautinfekbekannt. Borrelien-Lymtion inquinal oder axillär
phozytom und Acroderlokalisiert), Erysipel (homatitis chronica atrophimogene Erytheme, die
cans werden praktisch
zentral nicht abblassen),
immer durch eine InfekInsektenstich-Reaktiotion mit Borrelia afzelii
nen und allergische Reverursacht, eine Borreliaktionen (Hautrötung
enart, die in Nordamerientwickelt sich unmittelka nicht vorkommt.
bar nach oder innerhalb
von 24 Stunden nach
einem Stich) in BeErythema migrans
tracht. Bei der LymeErythema migrans ist
Borreliose vergehen typidas wichtigste und häuscherweise vom Zeckenfigste klinische Zeichen der Lyme-BorBrennen oder Schmerzen. Nur ein kleistich bis zum Auftreten der Hautveränreliose, betrifft Menschen aller Altersner Teil klagt über systemische Symderungen einige Tage.
stufen und beider Geschlechter. Tage
ptome wie Müdigkeit, Krankheitsgebis Wochen nach dem infektiösen
fühl, Kopfschmerzen und Muskel- oder
Borrelien-Lymphozytom
Zeckenstich erscheint ein kleiner roter
Gelenkschmerzen, die intermittieren
Das Borrelien-Lymphozytom ist eine
Fleck oder eine Papel; gewöhnlich an
und in ihrer Intensität und Lokalisatisolitäre, blaurote Schwellung mit
der Stichstelle. Der rote Fleck veron wechseln.
einem Durchmesser von einigen Zentigrößert sich langsam und kann schließmetern. Es besteht aus einer dichten,
lich zentral abblassen, wodurch das
Der Anteil von Patienten mit systelymphozytären Infiltration der Haut
Exanthem ringförmig wird (Abbildunmischen Symptomen ist in den USA
und Unterhaut (Abbildung 5b). Im Ingen1-3). Ein unbehandeltes Erythema
viel höher als in Europa. Systemische
filtrat überwiegen die B-Lymphozyten,
migrans kann sich über Monate in der
Symptome und solitäres Erythema mioft sind Keimzentren zu beobachten.
Haut ausbreiten (Abbildung 4). Der
grans zeigen sehr wahrscheinlich eine
Bei Kindern findet sich das BorrelienDurchmesser variiert zwischen einigen
disseminierte Spirochäteninfektion
Lymphozytom am häufigsten am OhrZentimetern und mehr als einem
an. Zusätzliche sekundäre Hautläsioläppchen (Abbildung 5a), bei ErwachMeter. Bei erwachsenen Patienten ist
nen, die dem Erythema migrans ähnsenen im Bereich der Brustwarze. Diese
das Erythema migrans sehr häufig auf
lich sind, gehen auf eine systemische
seltene Manifestation entsteht später
den Beinen und Füßen zu finden, bei
Ausbreitung der Borrelien zurück. Die
und besteht gewöhnlich länger als das
Kindern sind viel häufiger obere Körsystemische Ausbreitung der Borrelien
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Erythema migrans, schw- Saisonales Auftreten von Neuroborreliose (n=162) Wien & U 2000
nicht selten zur Fehldiaindet aber ebenfalls spongnose einer Veneninsuftan. Die Mehrzahl der
fizienz führt. Gar nicht
Borrelien-Lymphozytome
selten kommt es bei
findet sich im Bereich
ACA-Patienten auch zu
eines abgeheilten oder
Gelenksdeformationen
bestehenden Erythema
und Empfindungsstörunmigrans. Die Diagnose
gen in den betroffenen
wird durch ein anamneHautbezirken. Die spezistisches oder bestehendes
fische Diagnose der
Erythema migrans und/ACA wird durch Isolieoder durch eine positive
rung von Borrelien
Serologie
unterstützt.
(Biopsie vor AntibiotikaEine histologische Abtherapie) oder den direkklärung ist immer erforten Nachweis von Borrederlich, wenn das Lymlien-DNA aus den bephozytom nicht am Ohrtroffenen Hautbereichen
läppchen lokalisiert ist.
bestätigt. Das RoutineEin Lymphozytom im Bereich der
bläulichrote Verfärbung und eine teigiLabor ist meist unauffällig.
Brustwarze muss immer differenzialdiage Schwellung entwickeln sich dorsal
gnostisch abgeklärt werden.
auf Hand, Fuß oder Knie.
Nervensystem
Acrodermatitis
chronica atrophicans
Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) ist eine relativ häufige
chronische Hautmanifestation der
Lyme-Borreliose, die nicht spontan abheilt. Am häufigsten findet sich die
ACA an den Streckseiten von Händen
und Füßen. Am Beginn ist die Hautinfektion gewöhnlich einseitig, später
wird sie beidseitig. Vorausgegangene
andere Manifestationen der Lyme-Borreliose sind den ACA-Patienten meistens nicht bekannt. ACA wird häufiger
bei Frauen als bei Männern beobachtet.
Die Patienten sind meist über 40 Jahre
alt. Der Beginn der Erkrankung wird
kaum wahrgenommen. Eine leicht
Diese Veränderungen werden langsam über Monate bis Jahre größer, das
Ödem schwindet langsam und die
Atrophie tritt allmählich deutlicher
hervor. Die Haut wird dann dünner, gefältelt (Abbildung 6) und verfärbt sich
ins Violette. Die Venen treten deutlich
hervor, Hautwunden heilen nur verzögert. Fibröse, bandartige Verdickungen
können im ulnaren oder tibialen Bereich entstehen. Knotig sind sie, wenn
sie sich an Knochenvorsprüngen wie
Ellbogen oder Kniescheibe bilden.
Bei manchen ACA-Patienten entstehen sklerosierende Läsionen, welche
periphere Nerven und Gelenke beschädigen. Aufgrund der Hautatrophie treten die Venen deutlicher hervor, was
Neuroborreliose kann zu jedem Zeitpunkt im Verlauf der Lyme-Borreliose
entstehen. Die frühe Neuroborreliose
zeigt sich typischerweise als aseptische
Meningitis und Befall von kranialen
und peripheren Nerven. Gewöhnlich
ist das hervorstechendste klinische
Symptom der Schmerz infolge einer
Radikuloneuritis.
Die Patienten leiden an starken
Schmerzen, gewöhnlich in der Brustund Bauchregion, oft gürtelförmig und
besonders heftig während der Nacht.
Radikuläre Schmerzen sind bei Patienten in Europa viel häufiger als in Amerika. Die Schmerzsymptomatik ist bei
Erwachsenen gewöhnlich viel häufiger
und ausgeprägter als bei Kindern. Eine
Indikationen für die Laboratoriumsdiagnose
Verdachtsdiagnose
Serologie
Erythema migrans
Nicht obligat: Null-Wert (Ergebnis ohne diagnostische Bedeutung), zweite Blutprobe sechs bis
acht Wochen später (Serokonversion oder Titerbewegung bedeutet bloß Bestätigung der klinischen Diagnose, keine weitere Konsequenz)
Obligat: Zwei Proben wie oben
Borrelien-Lymphozytom
Acrodermatitis
chronica atrophicans
Frühe Neuroborreliose
(Meningopolyradikuloneuritis,
Hirnnervenparesen, u.a.)
Chronische Neuroborreliose
(sehr selten)
Lyme-Arthritis
Karditis
Obligat. Spezifische IgG-Antikörper (meist in
hoher Konzentration)
Obligat: Liquor- und Serum zur Ermittlung
intrathekal gebildeter IgG- Antikörper
Obligat: Liquor- und Serum zur Ermittlung
intrathekal gebildeter IgG- Antikörper
Obligat: IgG-Antikörper (gewöhnlich
in hoher Konzentration)
Obligat: IgG Antikörper
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Gewebe oder Körperflüssigkeiten für Kultur,
PCR, oder beides und Gewebe für Histologie
Hautbiopsie, betroffene Hautstelle
Hautbiopsie, betroffene Hautstelle
und Histologie
Hautbiopsie, betroffene Hautstelle
und Histologie
Liquor cerebrospinalis
Liquor cerebrospinalis
Gelenkserguss oder Synovia
Tab. 1
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Lähmung motorischer Nerven, gewöhnlich nicht symmetrisch, kann ebenfalls auftreten.
Abb 3a
Solitäres, kokardenförmiges Erythema migrans an der Beugeseite des linken Unterarms
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Auch meningeale Zeichen
fehlen oder sind nur diskret
vorhanden. Der Liquor cerebrospinalis zeigt eine lymphozytäre Pleozytose bis zu
Zellzahlen von >100 x 10 6/L.
Die Gesamteiweißkonzentration ist normal oder leicht erhöht, Glukose normal oder
leicht vermindert. Insgesamt Dasselbe Erythema migrans in Seitenansicht; deutlich zeigt sich eine
ähnelt der Verlauf der Borre- Schwellung, die bei Lokalisation an anderen Hautstellen meist nicht vorliegt
lien-Meningitis einer milden
aber ungewöhnlich protrahierten Virusmeningitis mit wechDie Prognose der peripheren Borreselnder Besserung und Verschlechtelien-Fazalisparese ist gut, selbst für Parung.
tienten, die ohne antibiotische Behandlung bleiben. Die frühe Neuroborreliose
Jeder Hirnnerv kann bei der frühen
beginnt allmählich mit zunehmenden
Neuroborreliose betroffen sein, am alSchmerzen, später begleitet von Lählerhäufigsten ist es der Nervus facialis
mungserscheinungen und anderen neumit ein- oder beidseitiger peripherer Farologischen Krankheitszeichen und
zialislähmung. Patienten mit peripherer
Symptomen, welche ohne Behandlung
Fazialisparese haben oft, auch bei fehfür viele Wochen bestehen bleiben. Bis
lenden Meningitis-Symptomen, eine
zu zehn Prozent der europäischen Patilymphozytäre Pleozytose. Kurz nach
enten entwickeln Zeichen einer disseAuftreten der Symptome sind intratheminierten Enzephalomyelitis ähnlich
kal gebildete Antikörper noch nicht
einer multiplen Sklerose. Bei manchen
nachweisbar, auch die Pleozytose im LiPatienten tritt eine periphere Neuritis
quor kann noch fehlen.
mit oder ohne ACA auf.
5
Die Lyme-Karditis ist durch
wechselnde atrioventrikuläre
Blocks charakterisiert. Der
Verlauf ist gewöhnlich gutartig. Bei Patienten mit Antibiotika-Behandlung und selbst
bei solchen ohne schwinden
die Herz-Symptome und EKGVeränderungen gewöhnlich
innerhalb von drei bis sechs
Wochen. Spitalseinweisung
und EKG-Überwachung sind
nur bei Patienten erforderlich,
die an einem AV-Block I. Grades mit einem P-Q Intervall
von mehr als 0,30 Sekunden,
einem AV-Block II. oder III.
Grades, rasch wechselnden
AV-Blocks oder hämodynamisch bedenklichen Arrhythmien leiden.
Abb 3b
Bei einem kompletten Herzblock ist vorübergehend ein
Herz-Schrittmacher unumgänglich. Seltene Komplikationen sind ein persistierender AVBlock I. Grades und die Entstehung
einer chronischen Kardiomyopathie.
Der komplette Herzblock wäre die einzige mögliche Ursache für einen tödlichen Verlauf der Lyme-Borreliose.
Gelenke
Die Lyme-Arthritis besteht gewöhnlich aus wiederkehrenden Entzündungs-Attacken in einem oder in mehreren Gelenken. In den USA ist die
Arthritis die häufigste klinische Manifestation einer disseminierten LymeBorreliose; sie entwickelt sich dort bei
Abb. 4
Abb. 5a
Erythema migrans beginnend an der linken Brust hat sich in Monaten über die
Schulter auf den Rücken ausgedehnt.
Borrelien-Lymphozytom bei einem Kind am linken Ohrläppchen
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© ALLE ABB. G. STANEK
Patienten mit BorrelienMeningitis leiden meist nur an
milden oder intermittierenden
Kopfschmerzen. Nur bei wenigen Patienten steigern sich
diese. Insbesondere bei europäischen Patienten fehlen
Fieber, Schwindel und Erbrechen meist völlig.
Lyme-Karditis
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gnose basiert auf der Anamnese, dem
klinischen Erscheinungsbild, dem Ausschluss anderer Arthritis-Ursachen und
dem Nachweis von Serum-IgG-Antikörpern gegen Borrelien. Differenzialdiagnostisch gleicht die Lyme-Arthritis
bei Kindern am ehesten einer oliogoartikulären juvenilen Arthritis; bei Erwachsenen einer reaktiven Arthritis.
Auge
Augenprobleme bei Lyme-Borreliose gehören zu den seltenen Ereignissen
und treten dann nur gemeinsam mit
anderen Krankheitserscheinungen der
Lyme-Borreliose auf. Primär können
die Augen durch Konjunktivitis, Keratitis, Iridocyclitis, Retina-Vaskulitis,
Chorioiditis und Neuropathie des Sehnervs betroffen sein; Episkleritis, Panuveitis und Panophthalmitis dürften
extrem selten sein. Sekundär können
die Augen infolge einer extraokulären
Manifestation der Borreliose, wie
Hirnnervenparesen oder orbitale Myositis, in Mitleidenschaft gezogen werden. Die spezifische Diagnose ist
schwer zu stellen. Sie basiert auf der
Anamnese, der physikalischen und
nicht nur der ophthalmologischen Untersuchung und auf den Ergebnissen der
Testverfahren zum direkten und indirekten Nachweis einer Borrelieninfektion. Nur einmal war bisher die Anzüchtung von Borrelien aus Augengewebe erfolgreich. Das Spektrum der differenzialdiagnostischen Möglichkeiten
ist sehr breit.
Unspezifische Symptome
Einige Patienten mit einer frühen
oder späten Form der Lyme-Borreliose
berichten über unspezifische Beschwerden wie Krankheitsgefühl, Müdigkeit,
Unruhe, psychische Veränderungen,
Depression, Kopf-, Muskel- und Gelenksschmerzen. B burgdorferi sensu
lato kann gelegentlich muskulo-skeletale, neurokognitive oder MüdigkeitsSymptome auslösen. Doch diese Vorkommnisse sind ungewöhnlich und die
Symptome unterscheiden sich nicht
von denen, die durch andere Infektionen oder belastende physische oder
emotionale Ereignisse ausgelöst werden.
Mikrobiologische Diagnostik
Die mikrobielle oder serologische
Bestätigung der Infektion ist, mit Ausnahme der frühen Hautläsionen, für
alle Manifestationen der Lyme-Borreliose notwendig. Ideal wäre der Nachweis des Erregers durch die Kultur oder
durch Amplifikation spezifischer Nukleinsäureabschnitte, extrahiert aus be-
Andere seltene
Manifestationen
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Der Verlauf der Lyme-Arthritis ist
sehr wechselhaft, meist kehren die Gelenksentzündungen über Jahre wieder.
Anfangs kehren die Arthritisattacken
in kurzen Abständen wieder, später dauern sie länger an. Etwa zehn Prozent leiden an einer über einem Jahr dauernden
Arthritis. Bei amerikanischen Patienten finden sich bei etwa der Hälfte
leicht erhöhte Blutsenkungswerte, eine
Leukozytose und/oder ein erhöhtes
Serum-IgM; das CRP ist gewöhnlich im
Normalbereich. Kryoglobuline und zirkulierende Immunkomplexe können
vorliegen. Die meisten Patienten haben
keine Rheumafaktoren, keine antinukleären Antikörper. Polymorphkernige
Leukozyten überwiegen in der Synovialflüssigkeit, die Zellzahl bewegt sich zwischen 0.5 und 110 x 10 9 pro L. Die Dia-
saugendesZeckenweibchen
Untersucher sind allerdings der Meinung, dass die Borrelieninfektion keinen direkten ursächlichen Zusammenhang mit Fibromyalgie hat. Aber man
vermutet, dass Fibromyalgie durch eine
Borrelien-Infektion gebahnt werden
kann. Isolierung von Borrelien aus
Haut von Patienten mit Granuloma
annulare, zirkumskripter Sklerodermie
und Lichen sclerosus et atrophicus wurden berichtet, obwohl der ursächliche
Zusammenhang bisher nicht zufriedenstellend nachgewiesen werden konnte.
Abb. 6
Acrodermatitis chronica atrophicans;
atrophische Hautpartie
Fallberichte von Patienten mit
Myositis, Osteomyelitis, diffuser Fasziitis, eosinophiler Fasziitis und Panniculitis wurden als Manifestationen der
Lyme-Borreliose gedeutet. Die meisten
Abb. 5b
Pathohistologie des Borrelien-Lymphozytoms:
intensive lymphoplasmazelluläre Infiltration
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Meistens sind große Gelenke betroffen, am häufigsten das Knie, gefolgt
von Ellbogen, Sprunggelenk und
manchmal Schulter und Hüftgelenk.
Das Kiefergelenk kann ebenfalls betroffen sein. Betroffene Gelenke schmerzen, jedoch sind die Schmerzen bei
einem ausgeprägten Erguss oft unverhältnismäßig gering. Die Gelenksentzündung dauert einige Tage bis Wochen
an, gelegentlich bleibt sie aber über
Monate bestehen.
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70 Prozent der Patienten mit unbehandeltem Erythema migrans. In Europa
tritt die Lyme-Arthritis offensichtlich
viel seltener auf. Sie beginnt akut mit
Gelenkserguß, wobei die Haut über
dem Gelenk erwärmt aber normal gefärbt ist. Häufig betrifft sie ein oder wenige Gelenke, nur sehr selten ist sie polyartikulär.
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fität zu prüfen. Infektionsserologische
Ergebnisse können die Diagnose LymeBorreliose unterstützen. Eine wichtige
Einschränkung der Serologie ist ihre
geringe Verlässlichkeit bei frühen Infektionen, eine andere die IgM-Immunantwort, die verschiedentlich induziert
werden kann und zu falsch positiven
Ergebnissen führt. Weiters können Antikörper gegen Borrelien noch Jahre
nach der Infektion nachweisbar bleiben, was bedeutet, dass mit den Testergebnissen nicht verlässlich zwischen
einer aktiven und vergangenen Infektion unterschieden werden kann. Dazu
kommt noch, dass Testergebnisse von
verschiedenen Laboratorien ganz unterschiedlich ausfallen können. Trotz
dieses Wissens wird eine positive ”Borrelien-Serologie” ohne Krankheitszeichen gar nicht selten als Indikation für
eine antibiotische Behandlung missverstanden (siehe Tab. 1).
troffener Haut, Geweben, Liquor cerebrospinalis, Synovialflüssigkeit oder
Blut. Allerdings ist der direkte Nachweis von Borrelien bei frühen Hautmanifestationen, die gewöhnlich rein klinisch diagnostiziert werden, am erfolgreichsten. Bei Neuroborreliose können
Borrelien eher kurz nach Beginn der
klinischen Erkrankung aus dem Liquor
cerebrospinalis angezüchtet werden,
aber gewöhnlich ist die Kultur bei weniger als zehn Prozent der Patienten positiv. Verlässliche Daten über die Spezifität des Nachweises mittels PCR liegen
noch nicht vor.
biotika primär intravenös, bei den
meisten anderen Manifestationen werden Antibiotika oral verabreicht. Der
in den letzten Jahren aufgekommene
Trend zu längeren Behandlungszeiten
lässt sich durch Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien nicht begründen.
Im Gegenteil: Kürzlich wurde gezeigt,
dass bei der frühen Lyme-Borreliose
eine zehntägige Behandlung genauso
wirksam ist wie eine über 20 Tage.
Patienten mit solitärem Erythema
migrans und Borrelien-Lymphozytom
werden mit oralen Antibiotika behandelt. Bei multiplem Erythema migrans
Aus Gelenksflüssigkeit oder Synovia
und bei Schwangeren sowie immundewurden bisher nur vereinzelt Borrelien
fizienten Patienten mit Erythema mikultiviert. Mittels PCR war der Nachgrans erscheint eine parenterale Beweis von Borrelien-DNA in mehr als
handlung günstiger. Es liegen aber zu
80 Prozent positiv, das allerdings mit
wenige Untersuchungsergebnisse vor,
über mehr als ein Jahrzehnt gesammelum diese Indikation zu bestätigen. Neuten, tiefgekühlten Proben. Auf dem
roborreliose und schwere Lyme-Karditis
Markt finden sich viele sogenannte
werden mit Ceftriaxon oder mit Penicillin G intravenös für zwei bis drei
Suchtests (Immunofluoreszenz, HaeBehandlung
Wochen und nur ausnahmsweise oral
magglutination, ELISA) und Immunomit Doxycyclin behandelt. Für die Beblots als Bestätigungstests. Das seit einiAlle klinischen Manifestationen der
handlung von Acrodermatitis chronica
gen Jahren etablierte Zwei-Test-Prinzip
Lyme-Borreliose sollen mit Antibiotika
atrophicans und Arthritis werden
sieht vor, ein positives Ergebnis des
behandelt werden (Tabelle 2). PatienDoxycyclin, Amoxicillin oder CeftriaSuchtests mittels Immunoblot auf Speziten mit Neuroborreliose erhalten Antixon empfohlen. Es gibt
keine
verlässlichen
Antibiotika für die Behandlung der Lyme-Borreliose
Daten über den Nutzen
einer Antibiotika-BeGabe
Dosierung
Dauer
handlung bei seropositiErwachsene
Kinder
ven Personen, die keine
Erythema migrans & Borrelien Lymphozytom
klinischen
Zeichen
Phenoxymethyleiner
Erkrankung
aufPenicillin Penicillin V
oral
3 x 1-1,5 Mio
0,1-0,15 Mio/kg
14 Tage (10–21 Tage)
weisen. Die Empfehlung
Doxycyclin*
oral
2 x 100 mg
14 Tage (10–21 Tage)
ist warten und beobachAmoxicillin
oral
3 x 500-1000 mg
20-50 mg/kg
14 Tage (10–21 Tage)
ten.
Azithromycin
oral
2 x 500 mg
20 mg/kg
Erster Tag
1 x 500 mg
10 mg/kg
nächste 4 Tage
14 Tage (10 - 30 Tage)
state of the art
Neuroborreliose
7
Ceftriaxon
iv
2g
50-100 mg/kg
Penicillin G
Doxycyclin * 1
Amoxicillin 2
iv
20 Mio
0,25-0,5 Mio/kg
oral
2 x 100 mg
oral
3 x 500-1000 mg
14 Tage (10 - 30 Tage)
21 Tage (14– 30 Tage)
20-50 mg/kg
21 Tage (14–30 Tage)
Ausnahmefälle: 1 Penicillinallergie, 1 UND 2 Isolierte Fazialisparese und negativer Liquorbefund (keine Pleozytose, keine intrathekalen Antikörper)
Arthritis (intermittierend, chronisch), selbes Schema bei Lyme-Karditis
Doxycyclin*
oral
2 x 100 mg
Amoxicillin
oral
3 x 500-1000 mg
20-50 mg/kg
21 Tage (14 – 30 Tage)
21 Tage (14–30 Tage)
Ceftriaxon
iv
2g
50-100 mg/kg
21 Tage (14 - 30 Tage)
50-100 mg/kg)
21 Tage (14–30 Tage)
20-50 mg/kg
21 Tage (14– 0 Tage)
Acrodermatitis chronica atrophicans
Ceftriaxon
iv
2g
Doxycyclin*
oral
2 x 100 mg
Amoxicillin
oral
3 x 500-1000 mg
21 Tage (14–30 Tage)
* Nicht für Kinder, Schwangere, Stillende
Tab. 2
Einige Patienten, die
nach den Empfehlungen
behandelt worden sind,
genesen nur unvollständig und können an lang
anhaltende Symptome
wie hartnäckige Müdigkeit, Myalgien, Arthralgien, Parästhesien oder
Dysästhesien oder Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung und
Stimmungsschwankungen leiden. Dieses Syndrom wird ”post-treatment chronic Lyme borreliosis” genannt. Viele
solcher Patienten wurden wiederholt mit An-
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DFP-Literaturstudium
Bemerkungen zur Laboratoriums-Diagnostik der Lyme-Borreliose
SEROLOGIE - "Zwei-Test-Verfahren"
Erster Test (Suchtest)
• ELISA IgG und IgM, mit Ganzzell- oder rekombinanten Antigenen oder Flagellin oder
• Immunfluoreszenz-Test mit Ganzzellantigen(en)
Zweiter Test (Bestätigungtest)
Immunoblot (Westernblot) IgG und IgM mit Ganzzell- oder rekombinanten Antigenen.
Dieser Test zeigt, mit welchen elektrophoretisch aufgetrennten Borrelienproteinen (-Antigenen) die im Serum (Plasma) enthaltenen Antikörper reagieren. Aufgrund des Reaktionsmusters und der jeweils zugrunde gelegten Kriterien lässt sich entscheiden, ob der
erste Test ein spezifisches positives Ergebnis angezeigt hat oder nicht. Der Test bestätigt
gegebenenfalls die Spezifität des ersten Tests aber keinesfalls das Vorliegen einer behandlungspflichtigen Infektionskrankheit.
Zahlreiche kommerziell erhältliche Produkte stehen zur Verfügung. Damit erzielte Ergebnisse müssen nicht notwendigerweise übereinstimmen, weder quantitativ noch
qualitativ! Das heißt, Ergebnisse aus verschiedenen Laboratorien dürfen nicht miteinander verglichen werden.
Regel: Korrekt kann eine Änderung der Antikörperkonzentration in Körperflüssigkeiten
(Blut-, Liquorproben) nur erfasst werden, wenn die zu verschiedenen Zeitpunkten gewonnenen Proben mit demselben Testsystem gleichzeitig untersucht werden (selbe Methode und Fehlerbreite unter den selben Bedingungen).
tibiotika über Wochen oder gar Monate und Jahre behandelt. Ergebnisse von
Studien aus den USA zeigten, dass die
Symptome solcher Patienten durch
langdauernde Antibiotika-Behandlung
(iv Ceftriaxon für 30 Tage, gefolgt von
oralem Doxycyclin für 60 Tage) nicht
stärker beeinflusst wurden als durch Placebo. Doppel-Erkrankungen durch Borrelien und den Erreger der humanen
granulozytären Ehrlichiose, Anaplasma
phagocytophilum, kommen bei uns praktisch nicht vor. Es gibt daher keinen
Grund, b-Lactam-Antibiotika für die
Behandlung der frühen Hautmanifestationen der Lyme-Borreliose aufzugeben.
Therapieversager
Anhaltende Symptome nach einer
den Empfehlungen entsprechenden Behandlung sollten nicht mit einer Persistenz der Organismen gleichgesetzt werden. Der mikrobiologische Beweis für
Behandlungsfehler nach einer entsprechenden Therapie gelingt nur extrem
selten. Allerdings scheinen Borrelien
postinfektiöse Syndrome bahnen zu
können, wie Fibromyalgie, wobei die
Symptome in Abwesenheit von lebenden Borrelien bestehen bleiben und
daher auch nicht auf Antibiotika reagieren. Manchmal ist ein Therapiever-
Interpretation serologischer Ergebnisse durch den behandelnden Arzt
state of the art
Grundsätze für die Interpretation von “Borrelien-Serum-Antikörpern”
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• Nie ohne Kenntnis des Patienten und seiner Erkrankung !!
• Positive Borrelien-Serologie allein keine Indikation für antibiotische Behandlung !!
• Serologische Ergebnisse sind nicht unmittelbar Indikatoren einer gesicherten Infektion
Beispiele für Serum-Antikörper Konstellationen
IgM und IgG positiv: Ohne Klinik keine Indikation für eine Behandlung -> Kontrolle in ein
bis zwei Monaten.
IgM und IgG negativ: Häufiges Ergebnis bei Patienten mit Erythema migrans; Behandlung
notwendig, auch wenn keine humorale Immunreaktion auf die klinisch eindeutige Infektion angezeigt wird. Spätere Serumuntersuchungen können ebenfalls negativ oder auch
positiv ausfallen. Letzteres Ergebnis zeigt jedoch keinen Therapieversager an (Klinik !).
IgM positiv, IgG negativ: Ohne Klinik keine Behandlung; Kontrolle in ein bis zwei Monaten; gleichbleibendes Ergebnis zeigt Problem der IgM-Sensitivität des verwendeten Testsystems aufÆ Referenzzentrum.
IgM negativ, IgG positiv: Ohne Klinik Anzeige einer früher durchgemachten Infektion,
eventuell Teil-Immunität. Kontrolle in vier bis sechs Monaten
sagen auf eine irreversible Gewebsschädigung durch die Borrelien-Infektion
zurückzuführen. Aber eine falsche Diagnose ist wahrscheinlich viel häufiger
eine Ursache für Therapieversagen. Die
Behandlung von seropositiven Patienten mit Arthralgien und Myalgien beispielsweise ist viel eher eine Behandlung von serologischen Ergebnissen
und nicht von Lyme-Borreliose.
Vorbeugung
Empfehlungen zur Vermeidung des
Kontakts mit infizierten Zecken sind
wichtig, aber meist nicht durchführbar.
Eine prophylaktische Gabe von 200 mg
Doxycyclin innerhalb von 72 Stunden
nach einem Zeckenstich hat in den
USA ausgereicht, um bei 87 Prozent der
Probanden Lyme-Borreliose zu vermeiden. Aber der Wert einer AntibiotikaProphylaxe ist sehr eingeschränkt, weil
Zeckenstiche von weniger als der Hälfte
der Lyme-Borreliose-Patienten bemerkt
werden. Die Möglichkeit einer Immunprophylaxe durch einen Borrelien-Impfstoff besteht in Europa bisher nicht.
Entfernung von Zecken
Eine anhaftende Zecke sollte so bald
wie möglich aus der Haut entfernt werden, und zwar mit Hilfe einer Pinzette,
mit der die Zecke so nah an der Haut
wie möglich gefasst und sorgfältig herausgezogen wird. Die Stichstelle sollte
dann desinfiziert werden. Ärztliche
Hilfe zur Entfernung der Zecke wird nur
dann nötig, wenn die Zecke an einer
Hautstelle haftet, die nur schwer zugänglich oder sehr empfindlich ist. Das
Aufbringen von Öl, Cremen etc. auf
die anhaftende Zecke oder drehen und
drücken der Zecke erhöhen das Infektionsrisiko nicht.
*) Univ. Prof. Dr. Gerold Stanek,
Medizinische Universität Wien/Klinisches Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie/Abteilung für Infektionsimmunologie,
Kinderspitalgasse 15, 1095 Wien; Tel. 01/40490-79401; Fax-DW:
79426; e-mail: gerold.stanek@meduniwien.ac.at
DFP-Literaturstudium
Herausgeber: Klinisches Institut für Hygiene und Medizinischen Mikrobiologie der Medizinischen Universität Wien/ Abteilung Infektionsimmunologie
Lecture board: Univ. Prof. Dr. Elisabeth Aberer, Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie Graz/Klinische Abteilung für Allgemeine Dermatologie; Univ. Doz. Dr. Wolfgang Kristoferitsch;
SMZ Ost Wien/Neurologische Abteilung, Univ. Prof. Dr. Winfried
Graninger, Medizinsche Universitätsklinik Graz/
Klinische Abteilung für Rheumatologie
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