Apeh Üldözötteinek Szövetsége, Ivanyi, Róth, Szerdahelyi gg. Ungarn
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Apeh Üldözötteinek Szövetsége, Ivanyi, Róth, Szerdahelyi gg. Ungarn NL 2000, S. 197 (NL 00/5/09) APEH ÜLDÖZÖTTEINEK SZÖVETSÉGE, IVÁNYI, RÓTH & SZERDAHELYI gg. Ungarn Urteil vom 5. Oktober 2000 Grundsatz der Waffengleichheit in einem Rechtsmittelverfahren betreffend die gerichtliche Registrierung eines Vereins Art. 6 (1) EMRK Sachverhalt: Die ErstBf. ist eine nichtregistrierte Vereinigung mit Sitz in Budapest. Ihr Name bedeutet sinngemäß „Allianz der von der APEH Verfolgten“ (APEH ist die allgemein gebräuchliche Abkürzung für das ungar. Finanzamt). Die anderen drei Bf. sind Präsident bzw. Vizepräsidenten dieser Vereinigung. Die ErstBf. wurde im Mai 1993 gegründet. Ihr Zweck ist es, die Interessen der ungar. Steuerzahler wahrzunehmen. Nachdem der Präsident der APEH von der Gründung dieser Vereinigung erfahren hatte, beschwerte er sich schriftlich beim Leiter der Staatsanwaltschaft Budapest und dem Präsidenten des LG Budapest, da der Name der ErstBf. seine Behörde beleidige. Am 18.6.1993 beantragte der ViertBf. beim LG die Registrierung seiner Vereinigung. Dieser Antrag wurde am 28.6.1993 vorläufig abgelehnt. Zunächst müsste die APEH um Genehmigung zur Verwendung ihres Namens ersucht werden und das Wort „Verfolgte“ sollte durch einen neutraleren Begriff ersetzt werden. Dieser Beschluss wurde zunächst der APEH übermittelt, bevor er den Bf. zugestellt wurde. Mit einem Brief vom 2.7.1993 intervenierte die Staatsanwaltschaft in das Registrierungsverfahren, die Bf. wurden darüber nicht informiert. Nach einigen Verzögerungen setzten die Bf. das Gericht am 28.9.1993 davon in Kenntnis, dass sie nicht gewillt seien, die APEH um Genehmigung für die Verwendung ihres Namens zu ersuchen bzw. den Namen zu ändern. Des weiteren bekämpften sie die Zuständigkeit des entscheidenden Richters wie auch des gesamten Gerichts wegen Befangenheit, da sie nicht über die Intervention des Staatsanwalts informiert worden waren. Der Oberste Gerichtshof wies diese Bsw. jedoch ab und erklärte, dass das Verfahren am LG gesetzeskonform gewesen sei. Am 24.1.1994 beantragte der Staatsanwalt beim LG, das Registrierungsansuchen der Bf. abzuweisen. Dieser Antrag wurde den Bf. zugestellt. In einer weiteren Eingabe erklärten die Bf., weiterhin weder die Genehmigung zur Namensverwendung beantragen zu wollen noch zu einer Namensänderung bereit zu sein. Am 10.2.1994 wurde das Registrierungsansuchen vom LG abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhoben die Bf. ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof. Am 7.7.1994 intervenierte der Generalanwalt in dieses Verfahren und beantragte, das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen. Den Bf. wurden diese Eingabe nicht übermittelt. Am 2.10.1995 wurde das Rechtsmittel der Bf. abgewiesen. Auch eine daraufhin an den Obersten Gerichtshof erhobene Petition zur Überprüfung seines Urteils war erfolglos. Rechtsausführungen: q Die Bf. behaupten eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (Recht auf ein faires Verfahren). q Zur Anwendbarkeit von Art. 6 (1) EMRK: Nach der Rspr. des GH ist der Begriff der zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen nicht nur durch Bezugnahme auf das innerstaatliche Recht des belangten Staates auszulegen. Art. 6 (1) EMRK findet ungeachtet des Status der Parteien, der Art des die Angelegenheit regelnden Gesetzes, nach welchem die Streitigkeit zu entscheiden ist, und vom Charakter der in der Angelegenheit zuständigen Behörde Anwendung; es genügt, dass der Ausgang des Verfahrens für privatrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen entscheidend sein soll. In der innerstaatlichen Rechtsordnung gehört das Recht auf Vereinsgründung zum öffentlichen Recht. Nach § 4 (1) ungar. VereinsG kann die rechtliche Existenz einer Vereinigung nur kraft gerichtlicher Registrierung erreicht werden. Daher ist eine nicht registrierte Vereinigung nicht mehr als eine Gruppe von Individuen, deren file:///D|/web/Institut%20für%20Menschrechte/Alte%20Seite/docs/00_5/00_5_09.htm[03.03.2010 20:20:28] Apeh Üldözötteinek Szövetsége, Ivanyi, Róth, Szerdahelyi gg. Ungarn zivilrechtliche Position gegenüber Dritten grundverschieden von der eines Rechtssubjekts ist. Für die Bf. ging es darum, nach ungar. Recht Subjekt von zivilrechtlichen Ansprüchen und Verpflichtungen werden zu können. Art. 6 (1) EMRK ist daher anwendbar (einstimmig). q Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK: Nach dem Grundsatz der Waffengleichheit muss in einem Verfahren jeder Partei eine vernünftige Möglichkeit eingeräumt werden, ihren Fall unter Bedingungen darzulegen, die sie gegenüber der Gegenpartei nicht schlechterstellt. In diesem Kontext ist auch der äußere Anschein von Bedeutung. Art. 6 (1) EMRK soll gewährleisten, dass eine Partei in einem Zivil- oder Strafverfahren über alle getätigten Eingaben und Vorbringen informiert wird und ihr die Gelegenheit gegeben werden soll, auf diese zu antworten. Die Reg. wendet in diesem Zusammenhang ein, dass die Intervention des Staatsanwalts beim Ober sten Gericht keine Auswirkung auf das Verfahren gehabt hätte. Der Grundsatz der Waffengleichheit hängt aber nicht davon ab, dass eine weitere quantifizierbare Unfairness vorliegt, die sich aus einer prozessualen Un gleichheit ergibt. Die Beurteilung, ob ein Vorbringen eine Reaktion verlangt oder nicht, ist Sache der Parteien. Es ist unzulässig, wenn eine Partei ohne Wissen der anderen bei Gericht Dinge vorbringt, und letzterer daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme bleibt. Es war daher unfair, dass die Bf. von dem Vorbringen des Generalanwaltes nicht in Kenntnis gesetzt wurden. Der GH gelangt zum Ergebnis, dass der Grundsatz der Waffengleichheit nicht beachtet worden ist. Eine Behandlung der Fragen, ob die Bf. über das Vorbringen des Staatsanwalts vom 24.2.1994 informiert hätten werden müssen, oder ob die ungar. Gerichte eine weitergehende Verpflichtung gehabt hätten, die Beschwerdebehauptung in Hinblick auf die Befangenheit zu prüfen, kann unterbleiben. Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (einstimmig). q Entschädigung nach Art. 41 EMRK: Die Bf. haben – obwohl sie dazu aufgefordert wurden - keine Einzelheiten über ihre im allgemeinen behaupteten Ansprüche geltend gemacht. Daher stellt das Urteil für sich eine ausreichende Entschädigung dar (einstimmig). Anm.: Vgl. die vom GH zitierten Fälle Borgers/B, Urteil v. 30.10.1991, A/214-B (= EuGRZ 1991, 519); Kerojärvi/SF, Urteil v. 19.7.1995, A/322 (= ÖJZ 1996, 37); Bulut/A, Urteil v. 22.2.1996 (= NL 96/2/5 = ÖJZ 1996, 430). P.R. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format). file:///D|/web/Institut%20für%20Menschrechte/Alte%20Seite/docs/00_5/00_5_09.htm[03.03.2010 20:20:28]