Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (I)
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Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (I)
Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (I) Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (I) ‐ Londoner Abkommen von 1945‐ • Vertragsstaaten: GB, USA, Frankreich, UdSSR; weitere alliierte Staaten traten später bei • Grundsatz: Deutsche Kriegsverbrecher sollen in die Staaten gebracht werden, in denen sie ihre Taten begangen hatten, um dort vor Gericht gestellt zu werden. Verbrechen innerhalb D Deutschlands sollen von alliierten Besatzungsgerichten geahndet hl d ll llii B i h h d werden (Tatortprinzip). p g ((deren Taten sich nicht einem bestimmten • Hauptkriegsverbrecher Tatort zuweisen lassen) sollen gemäß einer gemeinsamen Entscheidung der Alliierten bestraft werden • Instrument: Instrument: Schaffung eines Internationalen Militärgerichtshofs Schaffung eines Internationalen Militärgerichtshofs (IMG), dessen Statut den Anhang des Abkommens bildet Folie 2.1 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (II) ‐ IMG‐Statut‐ • Verbrechenstatbestände (Art. 6) (inkl. gemeinsamer Plan oder Verschwörung) Verschwörung) ¾ Verbrechen gegen den Frieden ¾ Kriegsverbrechen ¾ Verbrechen gegen die Menschlichkeit • Innerstaatliche Innerstaatliche Legalität und Legalität und amtliche Stellung stehen der amtliche Stellung stehen der Strafbarkeit nicht entgegen (Art. 6 letzter Absatz, Art. 7) • Handeln auf Befehl kann die Strafe höchstens mildern (Art. 8) • IMG legt eigenes Prozessrecht fest (Art. 13): Aufbauend auf dem anglo‐amerikanischen Prozessrecht, aber auch Impulse aus dem kontinentaleuropäischen Recht dabei • Gericht entscheidet mit Mehrheit (Art. 4 c) • Verurteilungen auch in Abwesenheit möglich (Art. 12) • Kein Rechtsmittel gegen das Urteil zulässig (Art. 26) Folie 2.2 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (III) Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (III) ‐ Zusammensetzung des Gerichts ‐ • Richter (mit je einem Stellvertreter, Art. 2 IMG‐Statut) ¾ Sir Geoffrey Lawrence (GB, Präsident) Sir Geoffrey Lawrence (GB, Präsident) ¾ Francis Biddle (USA) ¾ Henry Donnedieu de Vabres (Frankreich) Henry onnedieu de Vabres (Frankreich) ¾ Iola T. Nikišenko (UdSSR) • Anklagebehörde (Art. 14 ff. IMG‐Statut): g ( ) ¾ zusammengesetzt aus je einem Vertreter der Alliierten ¾ dabei wechselnde Besetzung und daher mehr als vier g Ankläger • Verteidiger: Freie Wahl durch jeden der Angeklagten. In Einzelfällen hatten zwei Angeklagte denselben Verteidiger Einzelfällen hatten zwei Angeklagte denselben Verteidiger. Folie 2.3 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (IV) ‐ Prozessablauf‐ • Eröffnung: 14. November 1945 in Berlin • Beginn: 20. November 1945 in Nürnberg • 218 Verhandlungstage • 236 Zeugenvernehmungen • Die meisten Beweise waren allerdings schriftlicher Natur, insb. P t k ll Protokolle und gesammelte Dokumente der Anklagebehörde d lt D k t d A kl b hö d • Simultanübersetzung • Urteilsverkündung: 30. September und 1. Oktober 1946 U t il kü d 30 S t b d 1 Okt b 1946 Folie 2.4 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (V) ‐ Angeklagte, Anklage, Urteile ‐ • Hermann Göring: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Gemeinsamer Plan oder Verschwörung Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil (Freitod vor Vollstreckung) • Rudolf Heß: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit , g , g g ¾ lebenslänglich • Joachim von Ribbentrop: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Alfred Rosenberg: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden Kriegsverbrechen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil Folie 2.5 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (VI) ‐ Angeklagte, Anklage, Urteile ‐ • Wilhelm Frick: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Walter Funk: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden Kriegsverbrechen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ lebenslänglich • Hjalmar Schacht: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden ¾ Freispruch p • Karl Dönitz: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden Kriegsverbrechen Frieden, Kriegsverbrechen ¾ 10 Jahre Haft Folie 2.6 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (VII) ‐ Angeklagte, Anklage, Urteile ‐ • Erich Raeder: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen ¾ lebenslänglich • Wilhelm Keitel: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden Kriegsverbrechen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Alfred Jodl: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Ernst Kaltenbrunner: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Kriegsverbrechen, V b h Verbrechen gegen die Menschlichkeit di M hli hk it ¾ Todesurteil Folie 2.7 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (VIII) ‐ Angeklagte, Anklage, Urteile ‐ • Hans Franck: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Julius Streicher: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Baldur Baldur von Schirach: von Schirach: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ 20 Jahre Haft 20 Jahre Haft • Fritz Sauckel: g, g g ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil Folie 2.8 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (IX) ‐ Angeklagte, Anklage, Urteile ‐ • Franz von Papen: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden ¾ Freispruch p • Arthur Seyß‐Inquart: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden Kriegsverbrechen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Todesurteil • Albert Speer: p ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ 20 Jahre Haft 20 Jahre Haft • Konstantin Frhr. von Neurath: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit d b h b h d hl hk ¾ 15 Jahre Haft Folie 2.9 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (X) ‐ Angeklagte, Anklage, Urteile ‐ • Hans Fritzsche: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Kriegsverbrechen, G i Pl d V h ö Ki b h Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Freispruch • Martin Bormann: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit g g ¾ Todesurteil in Abwesenheit • Robert Ley: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ Freitod vor Prozessbeginn • Gustav Krupp v. Bohlen und Halbach: ¾ Gemeinsamer Plan oder Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden Kriegsverbrechen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit ¾ verhandlungsunfähig Folie 2.10 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse (XI) g g p ( ) ‐ Nachträgliche Bewertung ‐ • Haupteinwände ¾ „Siegerjustiz“ ¾ Verstoß gegen das Verbot rückwirkender Bestrafung? g g g ¾ Ableitung der völkerrechtlichen Strafbarkeit des Angriffskrieges allein aus dem Verbot des Angriffskrieges im Kellog Briand Pakt Kellog‐Briand‐Pakt • Maßgebliche Bedeutung ¾ Erstes internationales, über Völkerrechtsverbrechen Erstes internationales über Völkerrechtsverbrechen urteilendes Gericht ¾ Rechtsstaatlicher Verfahrensablauf ¾ Nürnberger Recht gehört heute zum Völkergewohnheitsrecht (siehe u.a. die „Nürnberger Prinzipien“ der ILC) ¾ Strafbarkeit schwersten Unrechts ist Bestandteil der Strafbarkeit schwersten Unrechts ist Bestandteil der geltenden Völkerrechtsordnung Folie 2.11 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Nürnberger Folgeprozesse g g p • Rechtsgrundlage: Kontrollratsgesetz Nr. 10 • vor US‐amerikanischen Militärgerichten (Kalter Krieg verhinderte weitere gemischte Tribunale) 1946 ‐ 1949 • 1946 • Für bestimmte Personengruppen • Insgesamt Insgesamt zwölf: zwölf: (1) Ärzteprozess, (2) Prozess gegen Erhard Milch (1) Ärzteprozess, (2) Prozess gegen Erhard Milch (Kriegsrüstungsprogramm), (3) Juristenprozess, (4) Prozess gegen das SS‐Verwaltungshauptamt (Verwaltung der Konzentrations‐ lager), (5) Industriellenprozess (gegen Flick et al.), (6) IG‐Farben‐ P Prozess, (7) Prozess gegen die Südost‐Generäle (Geiselmord‐ (7) P di Süd G äl (G i l d Prozess), (8) Prozess gegen das SS‐Rasse‐ und Siedlungshauptamt, (9) Einsatzgruppenprozess (Tötungen in der UdSSR), (10) Krupp‐ Prozess (11) Wilhelmstraßenprozess gegen das Auswärtige Amt Prozess, (11) Wilhelmstraßenprozess gegen das Auswärtige Amt und andere Ministerien, (12) OKW‐Prozess gegen hohe Offiziere der Wehrmacht • W Weitere Einzelprozesse fanden vor britischen, französischen und it Ei l f d b iti h f öi h d sowjetischen Besatzungsgerichten statt Folie 2.12 Prof. Dr. Kerstin Odendahl „Völkerstrafrecht“ Sommersemester 2011 Kriegsverbrecherprozesse ab den 1950er Jahren ab den 1950er Jahren ‐ nach nationalem Recht / Weltrechtsprinzip ‐ • ZZahlreiche Prozesse in der hl i h P i d Bundesrepublik Deutschland und in B d blik D t hl d d i der DDR (z.B. Waldheimer Prozesse) , • Prozesse im Ausland, vor allem in Israel. • Bekanntester Fall: Eichmann‐Prozess in Jerusalem ¾ Judenreferent im Reichssicherheitshaupamt p ¾ versteckt in Argentinien („Ricardo Clement“); Entführung durch den israelischen Geheimdienst Mossad ¾ Verurteilung Israels durch den Sicherheitsrat auf Antrag l l d hd h h f Argentiniens ¾ Prozess: 11. April bis 11. Dezember 1961; Verurteilung zum Prozess: 11. April bis 11. Dezember 1961; Verurteilung zum Tode: 15. Dezember 1961; bestätigt durch das Oberste Gericht Israels am 29. Mai 1962; Vollstreckung: 31. Mai 1962 ¾ Hannah Arendts Gerichtsreportage in Buchform prägt den Hannah Arendts Gerichtsreportage in Buchform prägt den Begriff der „Banalität des Bösen“ Folie 2.13