Prozesse kreativ verbessern
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Prozesse kreativ verbessern
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 45 • 12/2014 | Prozesse kreativ verbessern | Labororganisation Prozesse kreativ verbessern fotolia/Krasimira Nevenova Der Blick über den Tellerrand lohnt sich: Beim Prozessbenchmarking können unterschiedliche Branchen voneinander lernen. Auch für „Best-in-class“-Labore bestehen Möglichkeiten und Notwendigkeiten zur Optimierung. Eine kreative Methode, das sogenannte „Prozessbenchmarking“, haben die Projektmanager der C onsulab® erstmals für diagnostische Labore zur Anwendung gebracht. Die Idee dahinter: Nicht den Vergleich mit dem Naheliegenden – also mit anderen diagnostischen Laboren – suchen, sondern die übliche Perspektive verlassen und sich an einer anderen Branche mit vergleichbaren Prozessen orientieren. Auf diese Weise begegneten sich ein diagnostisches Labor und ein industrielles Fotolabor. Für beide Partner war es nicht nur eine spannende persönliche Erfahrung*, sondern es resultierten konkrete Erfolge. Das diagnostische Labor konnte beachtliche Effizienzsteigerungen erreichen. Flugzeug und Rennwagen Was haben ein Passagierflugzeug und ein Formel-1-Rennwagen gemeinsam? Auf den allerersten Blick nicht viel – auf den zweiten Blick eine ganze Menge. Beispielsweisemüssen beide betankt werden und dabei sollte es so schnell wie möglich gehen. 40 Minuten dauerte es bei der texanischen Fluggesellschaft Southwest Airlines, bis ein Flugzeug nach der Landung betankt, das Gepäck umgeladen und alles für die nächsten Passagiere vorbereitet war. Die Airline bewertete die Zeitspanne, in der das Flugzeug leer stand, als verlorenen Umsatz. Um den Prozess zu beschleunigen, sahen sich die Betreiber bei anderen Fluglinien um und stellten fest, dass es denen nicht besser ging – im Gegenteil: Southwest Airlines zählte bereits zu den Spitzenreitern seiner Branche. Das Unternehmen hätte zufrieden sein können, doch es riskierte einen Blick über den Tellerrand, hinein in eine Branche, die für minimale Tankzeiten bekannt ist: die Formel 1. Diese Idee zahlte sich aus. Die „Tricks“, die sich die Airline beim Boxenstopp abschaute, halfen ihr – unter Beibehaltung aller Sicherheitsstandards – die Umlade- und Betankungsdauer ihrer Flugzeuge auf nur noch zwölf Minuten zu reduzieren.1 Damit hatte Southwest Airlines in der Flugbranche einen neuen Maßstab (Benchmark) gesetzt. Die Methode des Benchmarking arbeitet mit spezifischen Referenzkriterien, an denen ein zu bewertendes Produkt oder Ergebnis gemessen werden kann – sowohl im eigenen, als auch in anderen Unternehmen. Das sogenannte Prozessbenchmarking versucht, geeignete Referenzkriterien zu definieren, mit deren Hilfe sich Prozesse messen und vergleichen lassen. Ziel ist es, Schwachstellen und ineffiziente Vorgänge zu identifizieren und danach den gesamten betrachteten Prozess zu optimieren. Diagnostik- und Fotolabor Gerade in Deutschland gestalten viele Laborverantwortliche ihre Prozesse bereits effizient und transparent und brauchen den Vergleich zu anderen Labors nicht zu scheuen. Dennoch: Angesichts des steigenden Preisdrucks und der immer höheren Anforderungen an Schnelligkeit und Ergebnissicherheit in einem umkämpften Markt kann es auch für Best-in-class-Labors entscheidend sein, sich über kreative Ideen weiter zu verbessern und damit die Zukunft zu sichern. Das Beispiel der Fluggesellschaft zeigt: Zufrieden in der eigenen Branche auszuharren, reicht mitunter nicht für den entscheidenden Vorsprung aus. Pioniere betreten immer auch Neuland. Consulab®, der Beratungsdienstleister für diagnostische Labore bei Roche, hat die Grundidee eines branchenfernen Prozessbenchmarkings aufgegriffen und ein Pilot23 Labororganisation | Prozesse kreativ verbessern | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 45 • 12/2014 fotolia/cranach Bei der Suche nach einem geeigneten BenchmarkingPartner ist Kreativität gefragt. projekt konzipiert, geleitet und erfolgreich abgeschlossen. Die alles entscheidende Frage zu Projektbeginn lautete: Welcher Prozesspartner eignet sich prinzipiell für ein diagnostisches Labor? Dabei galt es, konkrete Abläufe kreativ, aber inhaltlich richtig, zu abstrahieren. Die Suche nach dem passenden Gegenüber führte die Mitarbeiter der C onsulab® schließlich in die Foto-Finishing-Branche. Die Benchmarking-Partner waren Odas Medizinische Versorgungszentrum Dr. Klein, Dr. Schmitt & Partner aus Kaiserslautern Odie CEWE Stiftung & Co. KGaA, Europas führendes Fotoservice-Unternehmen, mit Hauptsitz in Oldenburg. Welchen gleichartigen prozessrelevanten Herausforderungen stehen die beiden Benchmarkingpartner gegenüber? OTäglich sind hohe „Produktionsmengen“ zu bewältigen. ODie in die „Produktionsprozesse“ einlaufenden Materialien – Patientenproben auf der einen, Filme, CDs und Datenpakete via Internet auf der anderen Seite – sind sehr verschiedenartig; jedes „Material“ bedarf einer individuellen Bearbeitung. ODie Materialien bleiben im Produktionsprozess prinzipiell unverändert. Beim 24 Ergebnis geht es im Wesentlichen um das „Sichtbarmachen“ bereits vorhandener Informationen. Wie gut die beiden Unternehmen und ihre Prozesse zusammenpassten, zeigte sich bereits beim gemeinsamen Kick-offMeeting mit den jeweiligen Geschäftsleitungen, wichtigen Know-how-Trägern in den operativen Prozessen und den Projektmanagern der C onsulab®. Die engagierte Diskussion förderte den gravierendsten Schwachpunkt im Gesamtprozess zutage: die „Expressaufträge“. Ob im diagnostischen Labor eine Notfallprobe eintrifft oder im Fotolabor drei Tage vor Weihnachten die Expressbestellung eines Fotobuches – in beiden Fällen muss der Auftrag zusätzlich, aber außerhalb der normalen Arbeitslast schnellstmöglich bearbeitet werden. Die Vergleichspartner einigten sich also darauf, das jeweilige Vorgehen bei priorisierten Aufträgen unter die Lupe zu nehmen. Dafür besuchten sich die Projektteilnehmer der beiden Unternehmen gegenseitig und gewährten dem jeweiligen Partner offen und detailliert Einblicke in ihre Abläufe. Mitarbeiter der Consulab® dokumentierten die zu analysierenden Prozesse und bereiteten sie für das Benchmarking auf. Etwa fünf Wochen nach dem Kick-off trafen sich alle Beteiligten zum Workshop, in dem die Ergebnisse der Hospitanzen diskutiert und Maßnahmen für die jeweils eigenen Prozesse abgeleitet wurden. Eine Win-win-Situation Die Ideen, die sich die Vergleichspartner voneinander abschauten, waren simpel, aber effektiv. Das MVZ Dr. Klein Dr. Schmitt & Partner konnte die Turnaround-Time seiner Notfallproben nach Implementierung der übernommenen Ideen um 30 bis 45 Minuten auf jetzt 60 bis 90 Minuten erheblich verkürzen. Für diesen Effizienzsprung wurden vier Stellschrauben justiert: Odie Erkennung der Notfallanforderung Odie Erfassung der Notfallprobe Oderen Monitoring Odie Geschwindigkeit der Befunderstellung. Die Notfallprobe soll bereits bei der Anlieferung priorisiert werden. Dazu wird das Labor künftig mit Hilfe der elektronischen Notfallanforderung des einsendenden Arztes Transportboxen mit Notfallproben schon im Probeneingang herausfiltern. Bereits umgesetzt ist die Idee, einen PC-Arbeitsplatz direkt beim Probeneingang zu installieren, sodass die Notfälle ohne Zeitverlust in der EDV erfasst werden. Sobald absehbar ist, dass eine Notfallprobe länger braucht als üblich, wird sie in der EDV farblich gekennzeichnet. Die Mitarbeiter an den einzelnen Arbeitsplätzen sind dadurch in der Lage, die Probe einfach CEWE Diagnostik im Dialog • Ausgabe 45 • 12/2014 | Prozesse kreativ verbessern | Labororganisation Ähnlichkeiten zum diagnostischen Labor sind unverkennbar: Blick in die Fotobuch-Produktion von CEWE und schnell zu identifizieren und bevorzugt zu bearbeiten. Um auch die Zeit bis zur Befundübermittlung zu verkürzen, wird die Notfallprobe auch für den befundenden Laborarzt in der EDV hervorgehoben und selektierbar. Der Benchmarking-Partner CEWE zeigte sich ebenfalls sehr zufrieden und hat bereits Ergebnisse des Projektes im Medizinischen Versorgungszentrum Dr. Klein Dr. Schmitt & Partner OKürzere Wege bei Auftragserfassung OAlle Notfallproben stehen visualisiert allen Mitarbeitern zur Verfügung ODeutlich beschleunigte Befundübermittlung bei Notfallproben OSensibilisierung der Mitarbeiter ODeutlich weniger Notfälle mit Turnaround Time > 1,5 h OReduktion der Turnaround Time von Notfallproben um 30–45 Minuten OWenn die Information „Notfall“ aus der Arztpraxis beim Eintreffen der Probe im Labor vorliegt, ist eine weitere Einsparung der Zeit von 30–60 Minuten zu erwarten OKürzere Bearbeitungszeit von Notfallproben: 60–90 Minuten. erste Prozessoptimierungen umgesetzt. Expressbestellungen sind nun durchgängig und gut sichtbar als solche gekennzeichnet, um in jedem der zwölf Produktionsschritte priorisiert behandelt werden zu können. Dies geschieht zum einen manuell durch farbige Fähnchen auf den Produktionswagen, zum anderen digital in der EDV. Außerdem führte das Unternehmen als Anbieter des CEWE-Fotobuchs ein Monitoring-System für den Versand ein. Dies schafft die Möglichkeit, sämtliche im Zulauf befindlichen Expressaufträge zu visualisieren und zu filtern. Des Weiteren wurde die Darstellung der Arbeitsanweisungen für die Mitarbeiter an den verschiedenen Arbeitsplätzen erweitert: Sie können nun wählen, ob sie die jeweiligen Arbeitsaufträge aus der EDV als Symbol auf dem Computerbildschirm sehen, oder lieber per Sprachausgabe hören möchten – eine Methode, die aufgrund der Abwechslung mehr Aufmerksamkeit generiert. Fazit Es ist nicht zu erwarten, dass bei bereits effizienten Abläufen ein Prozessbenchmarking offensichtliche Schwachstellen zutage fördert. Sinn der Methode ist vielmehr, „knirschende“ Details aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, fremde Lösungsansätze kennenzulernen und gegebenenfalls zu transformieren. So können geringfügige Justagen gewohnter Vorgehensweisen – wie im Pilotprojekt dargestellt – in der Summe messbare Effizienzverbesserungen generieren. Rückblickend haben beide Parteien gleichermaßen von dem Projekt profitiert*. Die Consulab® wird dieses Modell auch für künftige Labororganisationsprojekte anbieten. Die große, kreative Herausforderung ist die Suche nach dem jeweils geeigneten Vergleichspartner aus einer anderen Branche. An erster Stelle aber steht die Beschreibung des Kunden, wo genau der Schuh drückt – anschließend können die Projektverantwortlichen der Consulab® einen sinnvollen Benchmarking-Partner finden. Denkbar wären neben der Foto-Finishing-Branche womöglich auch Logistikunternehmen oder die Automobilindustrie. *s. a. Interviews mit Dr. Klein (MVZ Kaiserslautern) und Dr. Fageth / Dr. Tapken (CEWE) auf den folgenden Seiten Literatur 1Adrian Murdoch: Lateral benchmarking or ... what Formula One taught an airline. In: Management Today, 11/1997 Markus Hagedorn Projektmanager Consulab® – Beratung für die Diagnostik 0173 5861-440 Markus.hagedorn@ roche.com 25