Lichtblicke. Mit wechselnden Lichtinstallationen im
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Lichtblicke. Mit wechselnden Lichtinstallationen im
L i c h t k u n st :: Portikus Lichtblicke. Mit wechselnden Lichtinstallationen im Dach der Kunsthalle Portikus sorgt Olafur Eliasson in Frankfurt am Main für Furore. PO R TI K U S f o t o s : Wolfgang Günzel 2 „F Zeitlich passend zur Mondfinsternis wurde ein Bogen mit Schwarzlichtscheinwerfern angestrahlt (oben). Die dreidimensionale rot-grüne Skulptur (rechts) zeigt Sinuskurven in Bewegung. 4 rankfurt leuchtet so schön wie nie“, schwärmt eine Leserin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Und das“, fährt sie fort, „ist Olafur Eliasson zu verdanken, der mit seinen wundersamen Lichtinstallationen im gläsernen Dach des Portikus auf der Maininsel eine große neue Attraktion geschaffen hat.“ Das „wundersame Licht“ scheint nur nachts auf, tagsüber zieht das Portikus-Gebäude selbst die Blicke auf sich. Ein schlichtes Giebelhaus in der Metropole der Wolkenkratzer: Wie kommt das? Und was ist das überhaupt – der Portikus? Der Name geht zurück auf den erhaltenen Vorbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Frankfurter Stadtbibliothek. Um einen schlichten Galerieraum erweitert, diente der Portikus seit 1987 als Austellungshalle für zeitgenössische Kunst. Wegen der Rekonstruktion der Bibliothek zog die international renommierte Institution, die zur Städelschule (Hochschule für bildende Künste) gehört, im Jahr 2003 vorübergehend in das Frankfurter Leinwandhaus ein. 2006 endete die Zeit der Provisorien: Seither residiert der Portikus in dem vom Frankfurter Architekten Christoph Mäckler entworfenen Gebäude auf der Maininsel an der Alten Brücke. „Die architektonische Form des Bauwerks“, so Mäckler,„orientiert sich an der Geschichte des Ortes und geht typologisch auf die mittelalterlichen Häuser Frankfurts zurück.“ Ganz bewusst bezieht sich der Entwurf auf die Historie: Einst war die Brücke Frankfurts Lebensader; flankiert von einem Gefängnis, einer Kapelle, Mühlen und Türmen diente sie jahrhundertelang als Verbindungsweg zwischen Norditalien und den Hansestädten. Im Zusammenhang mit der Sanierung und Verbreiterung der Brücke sollte die historische Situation mit verschiedenen Brückenbauten wieder hergestellt werden. Neben den Verwaltungsräumen im Untergeschoss birgt das Haus lediglich einen wohlproportionierten Ausstellungsraum mit Galerieumlauf und einer Decke aus Glasbausteinen. Da das Satteldach nach Norden hin geöffnet ist, kann das Tageslicht über die Glasdecke blendfrei in die Ausstellungshalle gelenkt werden. Unterstützendes Kunstlicht kommt von einem zweilampigen Lichtband, das in der Halle installiert ist, und einigen Hochleistungsscheinwerfern im Dachstuhl, die auf die Glasbausteine strahlen und so auch nachts eine tageslichtähnliche Atmosphäre in der Ausstellungshalle schaffen. Als Haus mit einem leuchtenden Dach hätten die Frankfurter Bürger den im April 2006 neu eröffneten Portikus ohnehin wahrgenommen. Aber sie sahen mehr, nämlich einen sonnengelben Lichtbogen, der sich dramatisch im Main spiegelte. Zwei Monate später wechselte die Szenerie. Kühles, blaues Licht schimmerte nun geheimnisvoll im gläsernen Dach. Inzwischen ist die von Siteco unterstützte, 18-teilige Aktion in die zehnte Runde gegangen: Eine wellenartige, in weißen Nebel getauchte Licht-Bewegung erfüllt derzeit das Glasdach. „Ich bin über die Zusammenarbeit mit Siteco sehr glücklich“, sagt Daniel Birnbaum, Rektor der Städelschule und zugleich PortikusDirektor. „Dank der Bereitschaft des Unternehmens, sich auf ein künstlerisches Experiment einzulassen, hat die Stadt Frankfurt nun ein Kunstwerk, das sich ständig ändert. Kein Künstler wäre für diese <-Aufgabe besser geeignet als Olafur Eliasson.“ interview 01. Konstantes Rot 02. Blitzlichter zur Vorweihnachtszeit 03. Kühles Blau 04. Mobile Skulptur in Weiß (eine Sinuskurve beschreibt Wellenbewegung) 05. xxxxxxxxxxxxxxxxer 06. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx 07. Gelbe Sonne 08. Lampen-Installation im Dachgeschoss des Portikus „Kunst ist für alle da.“ Olafur Eliasson im Gespräch 01 02 03 04 05 06 07 08 Herr Eliasson, wie ist es zu dem PortikusProjekt gekommen? Ich arbeite seit vielen Jahren mit Daniel Birnbaum zusammen, hin und wieder bin ich auch in Projekte der Städelschule involviert. Als ich einmal mit Ben van Berkel und Mark Wigley an einem Seminar der Architekturklasse teilnahm, sagte Daniel eines Nachts, er wolle mir etwas zeigen. Wir gingen am Main entlang bis zur Alten Brücke, wo gerade ein Haus gebaut wurde. Auf der Baustelle trafen wir auf den Architekten Christoph Mäckler und seine Leute, die gerade eine kleine Party feierten. Die Magie dieser kleinen Insel berührte mich sofort. So war ich von Beginn an Teil dieser neuen Institution. Als Daniel mich später fragte, ob ich nicht eine Arbeit in dem Dachfenster machen wolle, fand ich es ganz natürlich zuzustimmen. Daraus entwickelte sich dann allmählich ein ambitioniertes Unternehmen mit 18 Kapiteln. Ihre erste Arbeit im Portikus, im Frühjahr 2006, war eine aufgehende Sonne. Ja, das stimmt. Ich betrachte das Glasdach als eine Art Labor, in dem wir die Möglichkeiten des Lichts erforschen. Wir haben es auch ein Sonnenlabor genannt. Bis 2008 werden die Experimente weitergehen, und ich habe noch viele Sonnenszenarien in petto. Hier einige Arbeitstitel: Strobo Night, Blue Moon, Deep Purple Laguna, Movementmeter for the Main, The Heliotropic Month, Solar Flames, Nebular Orion, Sunrise Pink. Wissen Sie schon, wie „Movementmeter for the Main“ oder „The Heliotropic Month“ aussehen wird? Das LightLab ist, wie der Name schon sagt, ein Labor, und wir wissen nicht im voraus, wie die Ergebnisse aussehen werden. Das ist ja gerade das Aufregende an Experimenten. Sie arbeiten nicht ausschließlich, aber sehr oft mit Licht. Was fasziniert Sie daran? Ich bin nicht so sehr vom Licht als solchem fasziniert, sondern eher von der Tatsache, dass man das Licht nutzen kann, um viele andere Dinge zu erforschen. Es ist ein interessantes Werkzeug, wenn man etwa den menschlichen Wahrnehmungsmechanismus untersuchen will oder die Beziehung zwischen Körper und Raum. Wichtig für mich ist auch die Flüchtigkeit des Lichts; man kann es nutzen, um Gegenstände zu dematerialisieren. In einem bestimmten Licht verschwindet sogar der eigene Körper. Warum produzieren Sie immer wieder künstliche Sonnen? Tatsächlich habe ich eine Menge künstlicher Sonnen produziert, in der Tate Modern in London zum Beispiel, aber auch vorher schon, in viel kleinerem Format. Vielleicht kennen Sie mein frühes Werk „Beauty“. Es ist ein mit ganz primitiven Mitteln erzeugter künstlicher Regenbogen. Ich glaube ganz einfach, dass die „solare Geographie“ sehr wichtig dafür ist, wie wir die Welt wahrnehmen – am Ende also auch dafür, wie wir uns selbst wahrnehmen. Wenn die Schatten sehr kurz sind, fast unsichtbar, haben die Objekte eine ganz andere Qualität im Vergleich zu den langen Schatten in Skandinavien oder Norddeutschland. Wie werden wir beeinflusst von der Sonne? Für diese Frage interessiere ich mich seit vielen Jahren. Mit dem Portikus-Projekt begeistern Sie auch Menschen, die normalerweise nichts mit zeitgenössischer Kunst zu tun haben wollen. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? Kunst ist für alle da. Wenn Sie ein Kunstwerk wie das LightLab im öffentlichen Raum präsentieren, dann ist es evident, dass die Leute es wahrnehmen und dass es Teil ihres Gesamtbildes der Stadt wird. In Ihren Arbeiten geht es Ihnen stets um die Interaktion des Betrachters mit dem Werk. Inwiefern erfüllt das Portikus-Projekt diesen Anspruch? Handelt es sich dabei nicht vielmehr um durchaus traditionelle Bilder, die eben nur mit Hilfe zeitgenössischer Techniken erzeugt wurden? Eigentlich sehe ich keinen Gegensatz zwischen Bild und Interaktion. Man kann die Lichtexperimente in einem Moment als Bild begreifen, als eine Art Repräsentation, und im nächsten Moment als eine zeitlich geschichtete Sache, die sich in einem sozial produzierten Zusammenhang entfaltet. Und dies gilt eigentlich für jede Form der Kunst: Man kann jedes Kunstwerk aus diesen zwei Perspektiven sehen. Sie sagten einmal: „Mit Licht allein hat man nur die Form und keinen Inhalt. Man muss auch etwas zu sagen haben.“ Welche Botschaft wollen Sie mit den Installationen im Portikus vermitteln? Ich möchte betonen, dass man die Möglichkeits-Bedingungen des öffentlichen Raums neu bestimmen kann. Hier liegt nichts ein für alle Mal fest, sondern die grundlegenden Parameter können neu verhandelt werden. Auch Leuchtreklame bestimmt die Möglichkeits-Bedingungen des öffentlichen Raumes. Ja und nein. Ich denke, dass die Leuchtreklame den öffentlichen Raum meistens eher verschmutzt. Da wird uns etwas weggenommen, was doch allen gehört. Es hört sich vielleicht prätentios an, aber ich möchte den öffentlichen Raum den Bürgern zurückgeben. Er sollte nicht gänzlich in einen kommerziellen Raum verwandelt werden, der nur von Unternehmen bespielt wird. Es gibt so viele interessantere Möglichkeiten. OLAFUR ELIASSON Der 1967 in Kopenhagen geborene Wahl-Berliner gehört zu den meistbeschäftigten Künstlern der Gegenwart. 2003 zeigte Eliasson die Sonnen-Installation „The weather project“ in der Tate Modern, die rund zwei Millionen Besucher sahen. Für BMW hat er unlängst ein „Art Car“ entworfen, für die Londoner Serpentine Gallery einen neuen Pavillon, für die Konzertoper „Phaedra“ von Hans Werner Henze ein verspiegeltes Bühnenbild. 2007 präsentierte das San Francisco Museum of Modern Art eine große Werkschau. Im Hatje Cantz Verlag erschien das Buch „Olafur Eliasson. Your Lighthouse. Arbeiten mit Licht 1991–2004.“ 7