DAVOR LJUBIČIĆ
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DAVOR LJUBIČIĆ
DAVOR L JUBIČIĆ INSTALLATIONEN UND ZEICHNUNGEN 22. 04. - 20. 05. 2012 GALERIE BAGNATO KONSTANZ O.T. (ORA ET LABORA), 2010 / 2012 MICH VORSICHTIG VORAN TASTEND SUCHTE ICH IM DUNKLEN RAUM NACH EINEM HAMMER ODER IRGENDEINEM ZUM HÄMMERN PASSENDEN GEGENSTAND. NACH EINER WEILE BLINDER SUCHE „ERBLICKTE“ ICH MIT MEINEN FINGERN EINE VIERECKIGE HOLZFORM UND MIT IHR IN DER RECHTEN HAND KAM ICH AUS DEM DUNKEL HERAUS. IM TAGESLICHT ERKANNTE ICH EIN AUS HARTHOLZ GESCHNITZTES KREUZ. UM EINIGE REISSNÄGEL IN DIE WAND ZU SCHLAGEN UND DIE PAPIERARBEITEN MEINER SCHÜLERN AUFZUHÄNGEN, SCHIEN ES MIR PASSEND ZU SEIN – GENUG HART UND DAZU NOCH GUT GRIFFIG. ICH FING AN. EINE SCHÜLERIN ERSTARRTE. DAS IST BLASPHEMIE – SAGTE SIE UND GING IN DIE METALLWERKSTATT, UM MIR EINEN PASSENDEREN GEGENSTAND ZU HOLEN. DEN REST DER ARBEIT VERRICHTE ICH MIT DEM HAMMER. DIESER AUGENBLICK PRÄGTE SICH DANACH SEHR LANGE IN MEIN GEDÄCHTNIS EIN. DIE GEDANKEN AN EIN HÄMMERNDES KREUZ LIESSEN MICH NICHT LOS. ICH ENTSCHLOSS MICH AUS HOLZLATTEN UND NÄGELN UND MIT EINEM EISERNEN KREUZ EINE EINFACHE BEHAUSUNG ZU BAUEN. DIE INNEREN WÄNDE DES FERTIGEN OBJEKTS IMPRÄGNIERTE ICH MIT EINER IN MEINEN ARBEITEN SO OFT ANGEWENDETEN GRAPHIT-HONIG-MISCHUNG. MIT DEM GLEICHEN EISERNEN KREUZ UND GRAFITSTIFT, IMMER ANDERS ZUSAMMENHALTEND IN DER HAND, FERTIGTE ICH FÜNF KREUZIGUNGSZEICHNUNGEN. Das Kreuz des Anstoßes Davor Ljubičić zeigt in der Konstanzer Galerie Bagnato neue Installationen und Zeichnungen und feiert ein Jubiläum Zunächst sind nicht die Augen, sondern die Ohren gefordert. Denn noch bevor man die abgedunkelte Galerie-Scheune betritt, künden sich die neuen Installationen von Davor Ljubičić bereits mit viel Getöse an. Walzermelodien erklingen, es wird gehämmert. Wir hören heftige Atemgeräusche. Dazu ein nervtötendes Kratzgeräusch, bei dem schwer zu sagen ist, was es verursachen könnte. Die Auflösung wird für Erstaunen sorgen. Doch das ist nicht die einzige Überraschung, die Ljubičić bereit hält. Seine neue Installationen werden fraglos für Gesprächsstoff sorgen – und so manch einer könnte an ihnen Anstoß nehmen. Vor genau 20 Jahren begann sich der 1958 in Kroatien geborene Künstler im Bodenseeraum eine neue Existenz aufzubauen. Seine erste Ausstellung hierzulande fand in der Galerie Bagnato statt. Seitdem war er noch oft zu Gast in der Konstanzer Galerie und mit seiner aktuellen Ausstellung zeigt er, dass er es wie kaum ein zweiter versteht, die Möglichkeiten, die ihm die markanten, aber nicht leicht zu bespielenden Räumlichkeiten der malerischen Scheune bieten, auszunutzen. Diesmal wird sogar der Keller der Galerie in die Ausstellung einbezogen. Sich vorsichtig herantastend habe er in einem dunklen Raum nach einem Hammer oder irgendenem zum Hämmern geeigneten Gegenstand gesucht, erzählt Davor Ljubičić. Er fand, wie er erst im Tageslicht erkannte, ein Kreuz. Doch es genügte, um Nägel in die Wand zu hauen, um die Bilder seiner Malschüler aufzuhängen. Eine seiner Schülerinnen erstarrte: Das sei Blasphemie, mahnte sie und konnte nicht ahnen, dass dies erst der Anfang sein sollte. Der Gedanke an ein hämmerndes Kreuz ließ Ljubičić nicht mehr los. Die Idee zu der Performance „O.T. (Ora et labora)“ war geboren. Auf einer Videoleinwand wird gezeigt, wie der Künstler aus Holzlatten und Nägeln eine einfache Behausung zimmert. Sein einziges Arbeitswerkzeug ist ein eisernes Kreuz. Dieses Kreuz – es ist in der Ausstellung zu sehen – leistet Ljubičić noch in ein weiteres Mal wichtige Hilfe. Fünf Zeichnungen des gekreuzigten Christus sind mit seiner Unterstützung entstanden. Ein Video zeigt den Künstler bei der Arbeit. Christus wird, wortwörtlich, vom Kreuz gezeichnet. Man kann über Ljubičićs Umgang mit dem Kreuz durchaus geteilter Meinung sein, aber der Ausdruckskraft der fünf, bewusst sehr skizzenhaft gehaltenen Zeichnungen kann man sich nicht entziehen. Die Verwendung des Kreuzes ruft eine Fülle von Assoziationen hervor. Gleiches gilt für die Installtion, die gleich im Eingangsbereich der Galerie aufgebaut ist. Die Zutaten sind einfach: zwei weiße Hemden, eine runde Scheibe, auf die ein Video projiziert wird, und ein schwarzes Wasserbecken. Das Thema dieser Arbeit ist – ein, wenn nicht das zentrale Thema im Werk Ljubičićs – die Gewalt. Und ihr Gegenteil: die Unschuld, symbolisiert durch die beiden Hemden. Das Weiß dieser Hemden steht im Kontrast zu der in Rot getauchten Filmszene, die zwei Kampfhunde zeigt, die sich ineinander verbissen haben. Ihre rasselnden Atemgeräusche klingen unheimlich – und man weiß, dass dieser Kampf tödlich enden wird. Die runde Videoleinwand spiegelt sich im Wasser. Wie eine blutende Sonne. Und während gleichzeitig der Walzer „An der schönen blauen Donau“ ertönt und an unbeschwertes Tanzvergnügen denken lässt, lauert der Tod. Ein nachdenklich machendes Spiegelbild der Wirklichkeit. Auf der oberen Empore finden sich neue Acryl- und Graphitarbeiten des Künstlers, die ihn als Meister seines Fachs ausweisen. Auch sie skizzenhaft und sehr expressiv. Zum Abschluss steigen wir in den kleinen Kellerraum hinab, um endlich zu erfahren, was die Quelle des durchdringenden Kratzgeräuschs ist. Ein Video dokumentiert eine weitere Performance des Künstlers. Ljubičić hatte sich seine Fingernägel wachsen lassen, bevor er begann zwei Aluminiumkannen zu kratzen. Mal langsam und zart, dann zornig und schnell kratzt er über die Oberflächen der beiden Kannen. Es dauert eine Stunde, bis die Fingernägel abgenutzt sind. Ein schmerzhafter Prozess für den Künstler – und für unsere Ohren. Erst später erfuhr Ljubičić, dass die beiden Kannen früher einer Opernsängerin gehört hatten. Florian Weiland O.T. (Skizze), 2012, Graphit, Ölfarbe auf Bütten, ca. 80 x 105 cm O.T. (AT-ME 3), 2011/2012 ZWEI WEISSE HEMDEN WASSERBECKEN, 510 X 250 CM RUNDE PROJEKTIONSFLÄCHE, 150 CM DURCHMESSER HUNDEKAMPF AUF LEBEN UND TOD, VIDEO LOOP AN DER SCHÖNEN BLAUEN DONAU VON J. STRAUSS O.T. (Skizze), 2011 / 2012, Graphit, Ölfarbe auf Bütten, ca. 105 x 80 cm O.T. (Skizze), 2012, Graphit, Ölfarbe auf Aquarellpapier, ca. 40 x 60 cm O.T. (Skizze), 2012, Graphit, Aquarell, Ölfarbe auf Aquarellpapier, ca. 60 x 40 cm O.T. (Skizze), 2011/2012, Graphit, Ölfarbe auf Bütten, ca. 105 x 80 cm O.T. (TWINS) Video-Objekt, 2008 Tisch, zwei Aluminium-Kannen, Graphit, Graphitpulver, Monitor mit Videoperformance (60 Min.), Text, GröSSe variabel Vor ungefähr einem Jahr bekam ich einen kleinen Tisch, und kurz danach imprägnierte ich die Tischplatte mit Graphit und lackierte sie. So bekam die Platte eine schöne, glatte, spiegelnde Oberfläche, … da fehlte aber noch etwas und das liess auf sich warten. Vor kurzem fand ich vor der Tür meines Nachbarn B.H. im Neuwerk, der sich kurz davor von seiner Freundin C.K. trennte, unter einem Zettel mit dem Hinweis „Zum Mitnehmen“ Verschiedenes, das mich nicht besonderes ansprach, und dann erblickte ich ganz unten, eigentlich direkt vor meiner Ateliertür, zwei fast identische Aluminium-Kannen. Die musste ich haben. Ich wusste ganz genau – ihr Platz ist auf dem kleinen Tisch, wo sie sich in der glatten graphitpolierten Tischplatte spiegeln können. Seit diesem Augenblick lasse ich meine Fingernägel wachsen. Das bereitete mir zunehmend Schwierigkeiten, weil ich weiterhin in meinem Atelier an anderen Sachen arbeitete, und die Gefahr sie zu brechen zu groSS war. Um das zu verhindern, fing ich an, die Fingernägel mit Gewebeband zu bekleben und zu schützen. Ich wusste, die Zeit wird kommen … und sie kam … ich begann mit meinen zum Teil beschädigten aber langen und scharfen Fingernägeln die beiden Kannen auf dem kleinen Tisch vor der laufenden Videokamera zu kratzen. Mal langsam und zart, dann wieder schnell und wild bekratze ich die ganzen Oberflächen beider Kannen, beide Deckel und auch das Kanneninnere, bis meine Fingernägel sich abnutzten und abstumpften. Eine Stunde lang dauerte diese Performance, die mein Atelier mit einem prägnanten und eindringlichen Metall-Kratz-Geräusch erfüllte. Diese Videoperformance lasse ich auf einem – in der Schublade des kleinen Tisches mit den zwei Aluminium-Kannen angebrachten – kleinen Monitor laufen. Die Kannen bekamen von innen eine dünne Graphitpulverschicht, und so entstand ein Video-Objekt mit dem Titel O.T. (TWINS). Später erfuhr ich, dass die zwei Kannen einer Opernsängerin gehörten, die sie wieder haben wollte, und die so gesehen aus Versehen vor der Tür gelandet waren. Nun, als sie von B.H. und auch von M.H., die die Sängerin gut kannten, zur Kenntnis nahm – dass die Kannen zu einem Kunstwerk verarbeitet wurden – änderte sie ihre Meinung, und sie blieben in meinem Besitz und ein fester Bestandteil dieser Arbeit. Davor Ljubičić 1958 geboren in Kroatien 1980 - 1984 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Sarajevo Seit 1984 einige Preise für Malerei und Illustration 1991 Studienaufenthalt in Paris “Cité internationale des Arts” Seit 1991 gelegentliche Ausführung des Projektes “Galerie der schwarze Punkt” Seit 1993 Lehrtätigkeit an der Kunstschule Bodenseekreis Meersburg Seit 2000 Kunst-Lehrauftrag an der Zeppelin-Gewerbeschule Konstanz (Technisches Gymnasium) Ausstellungen in Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Deutschland, Schweiz, Frankreich, Österreich, USA etc. Werke in öffentlichen Sammlungen: Kunstgalerie Bosnien und Herzegowina, Sarajevo; Städtische Wessenberg Galerie, Konstanz; Regierungspräsidium Freiburg; Zeppelin Museum Friedrichshafen Sein künstlerisches Schaffen als Zeichner und Maler erweitert Davor Ljubičić mit Videos, Performances etc. in seinen raumbezogenen Projekten und Installationen Seit 1992 freischaffender Künstler in Konstanz. Ausstellungen (Auswahl) 2012 Upper Galleries – St James Cavalier, Valletta, Malta Installationen und Zeichnungen, Galerie Bagnato, Konstanz Wiedersehen macht Freu(n)de, Galerie in der Lände, Kressbronn Wiedersehen macht Freu(n)de, Landratsamt, Grimma 2011 Performing the exhibition, Château Mercier, Sierre, Wallis salem2salem, Salem Artworks, Salem New York Art-Karlsruhe, Galerie Bagnato 2010 salem2salem, Neues Museum, Salem Chambre Meublée, K3 project space, Zürich 2009 untereinanander, Galerie Bodenseekreis, Meersburg art bodensee 09, Dornbirn, Galerie Bagnato 25. Hilzinger Kunstausstellung 2008 Kunstverein Markdorf, Stadtgalerie Markdorf (mit Matthias Holländer) 24. Hilzinger Kunstausstellung 2006 Galerie der schwarze Punkt von Davor Ljubicic, Kulturzentrum Konstanz 2005 Skizzen, Galerie Bagnato, Konstanz 2004 O.T. (G-B), Galerie im Torschloß, Tettnang 2003 Der Schrank, Kunstverein Konstanz Zeppelin Museum Friedrichshafen 2002 Schleuse 16 (Forum für experimentelle Arbeiten), Kunstverein Böblingen 2001 Gewölbekeller, Kulturzentrum Konstanz 2000 Kunsthalle Neuwerk, Konstanz 1992 Anwesenheit, Galerie Bagnato, Konstanz Impressum Heidi Frehland Bagnatosteig 20 78465 Konstanz-Oberdorf Tel. 07533 1393 Fax: 07533 934928 info@galerie-bagnato.de www.galerie-bagnato.de Herausgeber: Galerie Bagnato Gestaltung: Galerie Bagnato und Davor Ljubičić Fotos: Davor Ljubičić Text: Florian Weiland Druck: 47 print Der Katalog ist erschienen anlässlich der Ausstellung Installationen und Zeichnungen von Davor Ljubičić GALERIE BAGNATO KONSTANZ