Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as
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Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as
Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management Interdisciplinary Contributions to Hospital Management Medizin | Patientensicherheit | Ökonomie Medicine | Patient Safety | Economics CLINOTEL-Journal DE Originalarbeit Original article 2013 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Zusammenfassung Lenzen S1 Medikationen stellen das in der Bundesrepublik Deutschland am häufigsten zum Einsatz kommende Therapieprinzip dar. Hieraus ergeben sich auch Risiken für die Patientensicherheit. Das quantitativ bedeutsamste Risiko sind dabei Medikationsfehler. Der überwiegende Teil der Fehler wird hierbei als vermeidbar eingestuft. Welche hohe praktische Relevanz die Arzneimittelsicherheit aufweist, zeigen auch die zahlreichen Meldungen im Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland. Von den bisher 80 eingegangenen Meldungen (Stand März 2012) beschäftigt sich über ein Drittel (36%) mit dem Thema. Aus dem Verständnis heraus, dass es sich bei der Arzneimitteltherapie um einen Hochrisikoprozess handelt, und um unerwünschte Ereignisse zu vermeiden, ist es umso wichtiger, präventiv und proaktiv zu handeln. Ein wichtiges Instrument hierbei sind regelmäßige Audits, die im CLINOTEL-Krankenhausverbund mit dem Fokus auf die Patientensicherheit durchgeführt werden. Die vorliegende Arbeit schildert auszugsweise sowohl die in verschiedenen Audits erlebte »gute Praxis« als auch eruierte Verbesserungspotenziale, um so ein Lernen aus beiden Komponenten zu ermöglichen. Dies dient dem Ziel, die potenziell kritischen Schwachstellen zu identifizieren und durch Ableitung von Maßnahmen die Patientensicherheit aktiv im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu erhöhen. 1CLINOTEL Krankenhausverbund gemeinnützige GmbH, Köln Schlüsselwörter Patientensicherheit, Arzneimittelsicherheit, Klinisches Audit CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 Korrespondierender Autor Stefan Lenzen Zitierung Lenzen S. Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren. Interdisciplinary Contributions to Hospital Management: Medicine, Patient Safety and Economics. 28.01.2013 #008. http://www.clinotel-journal.de/ article-id-008.html 1 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Summary Medication is the most frequently applied principle of therapy in the Federal Republic of Germany. The administration of medication can give rise to a number of risks with regard to patient safety. Medication errors primarily involve the quantity of medication administered. The majority of errors can be classified as preventable. The high practical relevance of drug safety is endorsed by the number of incidents reported within the German hospital CIRS network. Of the 80 incidences reported to date (status: March 2012) over one third (36%) are concerned with this topic. Based on the understanding that therapies involving the administration of drugs entail high-risk processes, and to avoid undesired results, it is all the more important to actively undertake preventative measures. Regular audits focussing on patient safety carried out by hospitals in the CLINOTEL Hospital Association make for an important tool in this regard. This paper describes examples of »good practice« derived from various audits as well as the potential for improvement, thus providing two helpful resources from which to learn. The goal is to enable medical staff to identify potentially critical weak points and to purposefully and continuously increase patient safety by installing appropriate measures deduced from the above. Keywords Patient Safety, Drug Safety, Clinical Audit CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 2 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Einleitung Nach den Ausführungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. stellen Medikationen mit 30 Milliarden verordneten Tagesdosen jährlich das in der Bundesrepublik am häufigsten zum Einsatz kommende Therapieprinzip dar. Die Arzneimittelsicherheit ist somit unbestritten ein wichtiger Bestandteil der palliativen, symp tomatischen, präventiven und kurativen Behandlung von Krankheiten und Zuständen. Neben dem Nutzen auf der einen Seite ergeben sich auf der anderen Seite auch Risiken für die Patientensicherheit. Das bedeutsamste Risiko stellen dabei Medikationsfehler dar (Joint Commission International 2008; Aktionsbündnis Patientensicherheit). Des Weiteren verursachen Medikationsfehler auch immense Kosten. Diese sind beispielsweise in den Nebenwirkungen und Komplikationen der Arzneimitteltherapie (unter anderem Überempfindlichkeitsreaktionen, gen), hieraus resultierenden diagnos Wechselwirkun tisch-therapeutischen Maßnahmen und der damit unter Umständen einhergehenden längeren Krankenhausverweildauer begründet (Kantelhardt & Schnurrer 2009). Die Häufigkeit von Medikationsfehlern, deren Vermeidbarkeit und Schadenspotenzial sowie Faktoren, die das Auftreten von Medikationsfehlern begünstigen, untersuchte beispielsweise Picone in einem Kollektiv älterer akut hospitalisierter Patienten. Medikationsfehler wurden anhand eines freiwilligen internen Berichtssystems identifiziert (Incident Reporting System). Für die 10.187 eingeschlossenen Hospitalisationen wurde bei 861 mindestens ein Medikationsfehler berichtet (8%), wovon 96% als vermeidbar eingestuft wurden (Picone et al. 2008). Eine Limitation der Studie besteht darin, dass sie sich bei der Fehlerbestimmung ausschließlich auf freiwillig gemeldete Fehler bezieht und daher auch nur Rückschlüsse auf Prädiktoren für diese Art Zwischenfälle zulässt. Dennoch machen die Ergebnisse deutlich, dass neben individuellen Patientenmerkmalen und versorgungsbezogenen Faktoren auch spezifische medizinische und pflegerische Interventionen sowie strukturelle Parameter einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Medikationsfehlern haben. Zu den Ursachen von Medikationsfehlern bei stationären Patienten führen auch Van Doormaal und Kollegen aus. In ihrer Analyse stellen sie fest, dass innerhalb des Untersuchungszeitraumes 60% der Medikationen fehlerhaft waren. 14,8% der Medikationen führten zu vermeidbaren unerwünschten Wirkungen, die überwiegend auf Verordnungs- und Übertragungsfehler zurückzuführen waren. Sie kommen zu dem Schluss, dass dieser Umstand bei der Implementierung von Präventionsprogrammen berücksichtigt werden sollte (Van Doormaal et al. 2009). Bauer greift die Problematik des Schriftbildes in den Fieberkurven auf und zeigt am Praxisbeispiel die hiermit verbundenen Risiken wie Verwechslungsgefahr und Fehldosierung (Bauer 2011). Dass das Vorhandensein eines Critical Incident Reporting Systems und die Abarbeitung einer InformationsCheckliste während der pflegerischen Übergabe das Risiko für einen Medikationsfehler zum Teil deutlich reduzieren kann, schlussfolgern Valentin und Kollegen. Die Autoren berichten in ihrer prospektiven Multicenter-Studie auf Intensivstationen über 74,5 Medikationsirrtümer pro 100 Patiententage. Bei 0,9% der beobachteten Patienten führten diese zu dauerhaften Schädigungen beziehungsweise zum Tod. Als relevante Einflussgrößen wurden neben patientenbezogenen Faktoren auch die Größe der Intensivstation und ihre Belegung sowie das Verhältnis von Pflegepersonal zu Patientenbetten identifiziert (Valentin et al. 2009). Eine Sammlung unsicherer Handlungen und beitragender Faktoren, die sich negativ auf die Arzneimittelsicherheit auswirken können, werden in Abb. 1 und Abb. 2 dargestellt (Becker 2012). Fälle aus dem Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland Die Relevanz des Themas Arzneimittelsicherheit in Deutschland zeigen auch die zahlreichen Meldungen im Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland (KH-CIRS-Netz Deutschland). In dem vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin, dem Aktionsbündnis Patientensicher- CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 3 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Abb. 1: Beitragende Faktoren und unsichere Handlungen im Fischgrätendiagramm (Becker 2012) Beitragende Faktoren Patient πSchwere der Erkrankung πKomorbidität πhoher Therapieaufwand πSprachprobleme πKommunikationsfähigkeit πCompliance Aufgaben und Verfahren fehlende Protokolle/Verfahren πmangelhafte Protokolle/Verfahren πRoutineaufgaben πkein 4-Augen-Prinzip πkeine Liste unsicherer Abkürzungen πkeine Vorgaben für standardisierte Kommunikation πkeine Routinekontrollen bei Schichtwechsel πkeine Standards zur Beschriftung von Spritzen πkeine Standards für Hochrisikomedikamente π Mitarbeiter Confirmation Bias πInattentional Blindness πHandschrift πlimitiertes Wissen πSelbstüberschätzung πStress πÜbermüdung πAusbildungsstand πNahrungsmangel π falsche Dosierung | falsches Medikament | falscher Applikationsweg falscher Zeitpunkt | versäumte Gabe | falscher Patient Unsichere Handlungen Arzneimittelsicherheit Fehler bei der Bedienung von Geräten (z.B. Infusionspumpen) | keine Prüfung auf Unverträglichkeit Hygienemängel (z.B. Propofol) | Anwendung abgelaufener Medikamente Verstoß gegen Regeln, Standards Beitragende Faktoren Arbeitsumgebung Look-alike πSound-alike πkürzlich geänderte Handelsnamen πWechsel der Medikamente πunnötig hohe Anzahl Medikamente πZeitdruck πunübersichtliche Arbeitsbelastung πPatientendichte πunterschiedliche Infusionspumpen π Team mündliche Anordnungen πÜbergaben πSupervision πKommunikation π CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 4 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Abb. 2: Beitragende Faktoren und unsichere Handlungen im Schweizer-Käse-Modell (Becker 2012) Unsichere Handlungen falsche Dosierung falsches Medikament falscher Applikationsweg falscher Zeitpunkt falscher Patient versäumte Gabe keine Prüfung auf Unverträglichkeit Fehler bei der Bedienung von Geräten (z.B. Infusionspumpen) Hygienemängel (z.B. Propofol) Anwendung abgelaufener Medikamente Verstoß gegen Regeln, Standards Patient Schwere der Erkrankung πKomorbidität πhoher Therapieaufwand πSprachprobleme πKommunikationsfähigkeit πCompliance π Mitarbeiter Confirmation Bias πInattentional Blindness πHandschrift πlimitiertes Wissen πSelbstüberschätzung πStress πÜbermüdung πAusbildungsstand πNahrungsmangel π Team πmündliche Anordnungen πÜbergaben πSupervision πKommunikation Arbeitsumgebung πLook-alike πSound-alike πkürzlich geänderte Handelsnamen π Wechsel der Medikamente π unnötig hohe Anzahl Medikamente πZeitdruck π unübersichtliche Arbeitsbelastung πPatientendichte π unterschiedliche Infusionspumpen Aufgaben und Verfahren πfehlende Protokolle/Verfahren πmangelhafte Protokolle/Verfahren πRoutineaufgaben πkein 4-Augen-Prinzip πkeine Liste unsicherer Abkürzungen πkeine Vorgaben für standardisierte Kommunikation πkeine Routinekontrollen bei Schichtwechsel πkeine Standards zur Beschriftung von Spritzen πkeine Standards für Hochrisikomedikamente CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 Beitragende Faktoren 5 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal heit, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat getragenen Projekt können alle sicherheitsrelevanten Ereignisse berichtet werden. Hierzu zählen »kritische Ereignisse, Beinahe-Schäden und Fehler, die zusätzlich für überregionales, interdisziplinäres oder interprofessionelles Lernen relevant erscheinen« (KH-CIRS-Netz Deutschland). Beim beschriebenen Meldesystem handelt es sich um ein plattformunabhängiges, webbasiertes anonymes Critical Incident Reporting Tool. Von den bis März 2012 eingegangenen 80 Meldungen bezieht sich über ein Drittel (36%) auf das Thema Arz neimittel(-verwechslung). Beispielhaft sei hier der Fall (Fallnummer 12.790) einer berichteten Spritzenverwechslung im Krankenhaus genannt, in welchem anstelle von Furosemid beinahe Körperpflegeöl intravenös appliziert worden wäre. Im Fallbericht wird unter anderem beschrieben: »Mehr durch Zufall kam eine andere Kollegin hinzu, just, als das Pflegeöl intravenös appliziert werden sollte«. Hierdurch konnte Schlimmeres verhindert werden. Jedoch nicht immer greifen die in Organisationen installierten (Sicherheits-)Barrieren (zum Beispiel Überprüfung von gerichteten Medikamenten durch eine zweite Pflegekraft). Dieser Umstand wird anschaulich in Reasons »Schweizer-Käse-Modell« visualisiert. Durch passive, latente oder aktive Fehler können Sicherheitsbarrieren überwunden werden. Unter passiven Fehlern ist das unbewusste Abweichen vom optimalen Behandlungsprozess gemeint. Latente Fehler sind Einflussfaktoren, die zum Ereignis beitragen, aber nicht der Auslöser sind. Im Gegensatz dazu sind aktive Fehler Einflussfaktoren, die direkt mit dem Ereignis in Zusammenhang stehen. Ein Beispiel, bei dem die Sicherheitsbarrieren nicht griffen beziehungsweise umgangen wurden, zeigt der Fall 19.565. Eine telefonische Anordnung aus dem OP an die Station eines Krankenhauses wurde von einer auszubildenden Krankenpflegeschülerin entgegengenommen. Diese verabreichte daraufhin einem Patienten ohne Rücksprache 10 ml Diazepam intramuskulär anstelle der angeordneten 10 mg Diazepam. Um solche Fehlmedikationen zu vermeiden, eignen sich sogenannte Verhaltenstandards wie das Readback-Hearback-Verfahren (St. Pierre et al. 2011). Auf den konkreten Fall übertragen bedeutet dies, dass die Krankenpflege- schülerin die Anweisung wiederholt, also das, was sie verstanden hat (Readback). Der Anordnende hört die Wiederholung und bestätigt seinerseits das von der Krankenpflegeschülerin Gehörte (Hearback). Da im geschilderten Fall eine Differenz zwischen Angeordnetem und Verstandenem besteht, korrigiert der Anordnende die falsch verstandene Anweisung und die Schleife beginnt erneut. Unabhängig von der hier aufgezeigten Fehlervermeidungstechnik ist zu hinterfragen, wieso eine Krankenpflegeschülerin ein Medikament ohne Rücksprache und ohne Kontrolle durch eine autorisierte Person appliziert? Da es sich um ein Arzneimittel handelt, das unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, ist hier ebenfalls der Zugang (nicht examinierten Personals) zu Betäubungsmitteln zu beleuchten. Als weiteres plastisches Beispiel zum Thema Medikamentenverwechslung ist die Verwechslung von Heparin mit Insulin zu nennen (Treichler 2011). Im dargestellten Fall wurden 5 ml (500 IE) Insulin anstelle von Heparin aufgezogen und die Perfusorspritze mit 1,2 ml /h (12 IE/h) eingestellt. Die Applikation erfolgte über 10 Stunden, wodurch der Patient somit 120 IE Insulin erhielt. Hilfreiche Instrumente und Quellen Ein Instrument, um unerwünschte Arzneimittelwirkungen manuell in Patientenakten zu erfassen, stellt das Global Trigger Tool des Institute for Healthcare Improvement IHI dar. Es umfasst Patientenschäden aus der allgemeinen und der speziellen Behandlung im gesamten Behandlungsverlauf. Das Tool basiert auf einer manuellen retrospektiven Durchsicht der Patientenakten von entlassenen Patienten mit der vollständigen Dokumentation einschließlich Epikrise, Medikamenten- und Pflegedokumentation (Institute for Healthcare Improvement 2009). Die Schweizer Stiftung für Patientensicherheit gibt sogenannte Quick-Alerts heraus, die sich auch mit Arzneimitteln beschäftigen, wie zum Beispiel der Quick-Alert Nr. 4 aus dem April 2008, der über die Verwechslungsgefahr von Sufenta und Sufenta forte berichtete. Der Quick-Alert Nr. 9 aus dem Juni 2009 führte zu gerinnungshemmenden »Over-the-Counter«-Arzneimitteln mit Auswirkungen auf CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 6 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal die Anästhesie und Operationen aus. Mit Dosierungsfehlern trotz Infusionspumpen und -spritzen setzte sich der Quick-Alert Nr. 15 aus dem September 2010 auseinander. In dem im Juli 2011 erschienenen Quick-Alert Nr. 20 wurde von den Gefahren durch Selbstmedikation im Krankenhaus berichtet. Der Quick-Alert Nr. 23 aus dem Januar 2012 wies auf die Gefahr der Fehlapplikationen über Luer-Lock-Anschlüsse hin. Über die Gefahr bei Elektrolyt-Infusionen (speziell mit KCL-Zusätzen) berichtete der Quick-Alert Nr. 13 im März 2010 (Stiftung für Patientensicherheit a). Wichtige Hinweise zur Arzneimittelsicherheit sind auch auf der Homepage des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM gelistet. Dort finden sich Informationen und Aktualisierungen zu den Themen Arzneimittel, Pharmakovigilanz und Medizinprodukte (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Die Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapiesicherheit des Aktionsbündnisses Patientensicherheit hat eine »Checkliste Arzneitherapiesicherheit im Krankenhaus« herausgegeben, die viele wichtige Hinweise und konkrete Handlungsempfehlungen gibt und zur Selbstbewertung geeignet ist (Aktionsbündnis Patientensicherheit 2006). Die englische Patient-Safety-First-Vereinigung verfolgt die Vision eines nationalen Gesundheitssystems frei von vermeidbaren Schäden und Todesfällen. Auf der Internetpräsenz finden sich konkrete Vorgehensweisen, wie beispielsweise mögliche Schäden durch hochrisikoreiche Medikamente vermieden werden können (Patient Safety First). Das amerikanische Institute for Safe Medication Practices ISMP bietet auf seiner Website umfangreiche Materialien vom Newsletter über Selbst-Assessments, bis hin zu Medication Safety Tools wie beispielsweise die »Do Not Crush«Liste an (Institute for Safe Medication Practices). Eine weitere interessante Quelle ist die Agency for Healthcare Research and Quality AHRQ. Diese verfolgt die Mission, die Qualität, Sicherheit, Effektivität und Effizienz des Gesundheitswesens für alle Amerikaner zu verbes- sern. Auf der Internetpräsenz werden zu vermeidbaren unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Medikationsfehlern eine Vielzahl an Studien und Übersichtsarbeiten aufgeführt. Ebenfalls findet hier die Thematik der Look-Alike- und Sound-Alike-Arzneimittel Berücksichtigung (Agency for Healthcare Research and Quality a, b). Material und Methoden Auditverfahren Bei der Arzneimitteltherapie handelt es sich um einen Hochrisikoprozess. Dieser Umstand wird im CLINOTELAuditverfahren, das unter dem Gesichtspunkt der Patientensicherheit durchgeführt wird, berücksichtigt. Das Wort »Audit« leitet sich von dem lateinischen Wort »audire« (hören) ab – hierbei befragen Fachleute (die sogenannten Auditoren) Krankenhausmitarbeiter zum Beispiel nach ihrer Vorgehensweise bei bestimmten Tätigkeiten und stellen so fest, ob diese in der für den Patienten besten Art und Weise durchgeführt werden. Die Chance eines Audits liegt in besonderem Maße darin, auf Basis der zusammengetragenen Informationen Strukturen, Prozesse und Ergebnisse prospektiv zu verändern, indem ein Abgleich von »Beschriebenem« und der gelebten »Realität« erfolgt. Das Verfahren soll so Anregungen für die Umsetzung von Verbesserungspotenzialen anstoßen und nachhalten. Daher wird auch bei Folgeaudits jeweils auf vorangegangene identifizierte Potenziale verwiesen und der Ergebnisstand aufgezeichnet, dies folgt dem Gedanken einer kontinuierlichen Selbstund Fremdbewertung. Organisation und Inhalt Organisation und Durchführung der Audits orientieren sich an der DIN EN ISO 19011:2011 und weiterführender Literatur (zum Beispiel Gietl & Lobinger 2004). Das CLINOTEL-Auditverfahren orientiert sich inhaltlich neben verschiedenen Qualitäts- und Risikomanagement normen/-verfahren (zum Beispiel DIN EN ISO 9001, EFQM, JCAHO, KTQ, ISO 31000, ONR 49000) an Gesetzen (zum Beispiel Arzneimittelgesetz, Betäubungsmittel- CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 7 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal verordnung etc.) und Leitlinien sowie guter klinischer und organisatorischer Praxis, die in den bisherigen Auditierungen festgestellt werden konnte. Des Weiteren werden neben einschlägiger Fachliteratur wie »Medication Errors« (Cohen 2007) Empfehlungen der Fachgesellschaften berücksichtigt. Beispielhaft ist hier die »Empfehlung der DGAI zur farblichen Kennzeichnung von Spritzen« zu nennen (Prien 2009). Das zentrale Dokument der Audits stellt der Auditkatalog dar. Hierdurch wird das Auditverfahren für die teilnehmenden Krankenhäuser inhaltlich transparent und somit eröffnet sich die Möglichkeit, die Inhalte des Kataloges im hauseigenen Auditkonzept zu berücksichtigen. Die Umsetzung des Konzeptes unterstützen Fachexperten aus dem Verbund. Dies sind Mitarbeiter in leitenden Funktionen (Leitende Ärzte und Oberärzte, Pflegedienstleiter, Leitende Hebammen, OP-Koordinatoren usw.), die über einen entsprechenden Erfahrungsschatz aus langjähriger Tätigkeit im zu auditierenden Bereich verfügen. Durch die Unterstützung eines Fachexperten aus einem Mitgliedshaus wird so ein Höchstmaß an fachpraktischer Expertise gewährleistet. Die Auditleitung wird durch einen Auditor der CLINOTEL-Geschäftsstelle übernommen. Dieser ist ISO-Auditor und besitzt Kenntnisse auf den Gebieten Human Factors, Patientensicherheit und klinisches Risikomanagement. Festlegung der Auditkriterien und Auditziele Die Auditkriterien werden als Referenz verwendet, sie ergeben sich aus den oben bereits aufgeführten Inhalten (Vorgaben und Dokumente der zu auditierenden Organisation, Ergebnisse vorausgegangener interner Audits, Gesetze und Verordnungen, Richtlinien, Leitlinien und Empfehlungen etc.) und werden im Auditkatalog aufgeführt. Dieser wird kontinuierlich weiterentwickelt und in monatlichen Intervallen aktualisiert den Mitgliedshäusern und Fachexperten zur Verfügung gestellt. Die Auditziele präzisieren, was durch das Audit erreicht werden soll. Konkret bedeutet dies die Ermittlung, inwieweit die Vorgaben, Handlungen und Ergebnisse der Organisation mit den Auditkriterien übereinstimmen. Des Weiteren wird die Fähigkeit der Organisation zur Erfüllung der Auditkriterien im Sinne einer angemessenen Vorherbestimmbarkeit von Prozessen und ihrer Ergebnisse (»Qualitätsfähigkeit«) beurteilt. Daneben erfolgt die Eruierung, inwieweit das existierende Qualitätsmanagementsystem von den Mitarbeitern in der Organisation gelebt wird und wie dessen Wirkungsgrad zu beurteilen ist. Ferner werden Möglichkeiten zur Verbesserung von Prozessen und des Qualitätsmanagementsystems aufgezeigt. Ergebnisse Im Herbst 2008 startete das bisher größte Auditprogramm in der Geschichte des CLINOTEL-Verbundes. Von September 2008 bis März 2012 wurden 57 Audits in 18 Mitgliedshäusern durchgeführt. Diese verteilten sich auf folgende Bereiche: πAnästhesie (8) πGynäkologie/Geburtshilfe (9) πNotaufnahme (2) πOP (12) πPflegedienst (12) πPsychiatrie (2) πTransfusionswesen (10) πProzessaudit Akutes Koronarsyndrom (1) πProzessaudit Akuter Ischämischer Schlaganfall (1) In 41 der 57 Audits wurde das Thema Arzneimittelmanagement (»Sichere Arzneimittel«) explizit berücksichtigt und in den Auditberichten gemeinsam mit entsprechenden Empfehlungen ausgewiesen. Dies entspricht einer Durchdringung des Themas über das gesamte Verfahren von 72%. In den übrigen 16 Audits (28%) wurden in 14 Audits (87,5%) einzelne Fragen aus dem Themenkomplex Arzneimittelsicherheit sekundär berücksichtigt und angesprochen. Beispielsweise wurden hier im Zusammenhang mit dem medizinischen Notfallmanagement die Notfallmedikamente bezüglich der Haltbarkeitsdaten überprüft. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in den 55 der 57 Audits die Arzneimittelsicherheit (in unterschiedlicher Ausprägung) berücksichtigt wurde (96,5%). CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 8 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Nachfolgende Beispiele von Auditfeststellungen beschreiben auszugsweise und stellvertretend die in verschiedenen Audits erlebte »gute Praxis« sowie die eruierten Verbesserungspotenziale, um so ein Lernen aus beiden Komponenten zu ermöglichen. Abb. 3: Mangelnde Beschriftung aufgezogener Flüssigarzneimittel Haltbarkeit aufgezogener Flüssigarzneimittel Feststellung: In einem Arzneimittelkühlschrank der Normalstation befinden sich zwei aufgezogene Spritzen, welche mittels Kombistopper steril verschlossen wurden. Einer Spritze (A) ist die zugehörige Ampulle zugeordnet (mittels Kreppband angeklebt). Ein Datum, wann diese angebrochen wurde, fehlt, ebenso das Handzeichen der Pflegekraft und der Patientenname. An der zweiten Spritze (B) sind auf einem Pflasterstreifen Medikamentenname und -menge sowie der Patientenname dokumentiert. Das Anbruchdatum ist vermerkt (Abb. 3). Kommentar: Die beschriebene Lagerung beider oben genannter Arzneimittel weicht von den Herstellerangaben ab. Sowohl aus der unvollständigen Kennzeichnung als auch aus der von den Herstellerangaben abweichenden Lagerung erwachsen Risiken für die Patientensicherheit. Zur Lagerung der angebrochenen Ampulle (A) wird vom Hersteller ausgeführt, dass die chemische und physikalische Stabilität bei Raumtemperatur und unter Lichteinfluss einer gebrauchsfertigen Verdünnung mit Dextrose 5%-Lösung zur Injektion und Kochsalzlösung 0,9% zur Injektion für 72 Stunden nachgewiesen wurde. Für angebrochene Ampullen des entsprechenden Medikaments oder aus der Ampulle entnommene unverdünnte Teilmengen liegen keine entsprechenden Untersuchungen vor. Da das Arzneimittel keine Konservierungsstoffe enthält, empfiehlt der Hersteller, die angebrochenen Brechampullen zu verwerfen. Eine gebrauchsfertige Zubereitung des Medikamentes (A) sollte aus mikrobiologischer Sicht sofort verwendet werden, es sei denn, die Methode des Verdünnens schließt das Risiko einer mikrobiellen Kontamination aus. Wenn die gebrauchsfertige Zubereitung nicht sofort verwendet wird, ist der Anwender für die Dauer und Bedingung der Aufbewahrung verantwortlich. Zur Dauer der Haltbarkeit von (B) heißt es in der Gebrauchsinformation und Fachinformation, dass die chemische und physikalische Stabilität der gebrauchsfertigen Zubereitung für 50 Stunden bei 15–25 °C nachgewiesen wurde. Aus mikrobiologischer Sicht sollte die gebrauchsfertige Zubereitung sofort verwendet werden. Abgesehen vom fehlenden Anbruchdatum und der nicht nachvollziehbaren bisherigen Lagerungsdauer wird das Medikament im Kühlschrank bei +5 °C gelagert, der Hersteller nennt jedoch einen Temperaturkorridor von »15–25 °C«. Die Empfehlung der Auditoren lautete hier, die Organisationsvorgaben bezüglich der Beschriftung von aufgezogenen/angebrochenen Arzneimitteln einzuhalten. Des Weiteren wurde die Befolgung der Herstellervorgaben empfohlen beziehungsweise diese mit der Apotheke zu diskutieren, eine entsprechende Regelung zu treffen und in der Organisation zu kommunizieren. Weiterhin sprachen sich die Auditoren dafür aus, das Thema Arzneimittelsicherheit in das interne Auditprogramm des Krankenhauses einzubinden, um so eine dauerhafte Durchdringung in der gesamten Organisation zu erreichen. In der Literatur äußert sich Cohen in seinem umfangreichen Werk zur Rolle der Arzneimittelverpackung und Beschriftung in Zusammenhang mit Medikationsfehlern (Cohen 2007). CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 9 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Abb. 4: Abb. 5: Applikationsfertig aufgezogene und beschriftete Flüssig arzneimittel für Notfallsituationen Überschrittenes Ablaufdatum bei Notfallmedikamenten Beschriftung aufgezogener Flüssigarzneimittel ffentlichte im März 2009 eine aktuelle Empfehlung zur ö farblichen Kennzeichnung von Spritzen, welche sich ebenfalls auf diese internationale Norm bezieht (Prien 2009). Es ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Verwendung farbkodierter Etiketten zur Spritzenkennzeichnung den Benutzer nicht davon entbindet, sich vor jeder Applikation über den Inhalt einer Spritze zu vergewissern und ihre Aufschrift zu prüfen. Feststellung: Im Herzkatheterlabor einer Klinik werden täglich drei Notfallmedikamente standardisiert vorbereitet und in Spritzen unterschiedlicher Größen aufgezogen. (Abb. 4). Kommentar: Die vorbereiteten Notfallmedikamente fußen auf dem Verständnis der Mitarbeiter, in lebensbedrohlichen Notfallsituationen die benötigten Arzneimittel applikationsfertig griffbereit zu haben. Hierdurch werden in den entsprechenden zeitkritischen Situationen entscheidende Sekunden gewonnen (Heraussuchen, Aufziehen und Entlüften entfallen). Dies zeigt den in der Abteilung vorhandenen Sicherheitsgedanken und das Bestreben einer optimalen Behandlung auch beziehungsweise insbesondere in kritischen (Notfall-)Situationen. Als Verbesserungspotenzial ergibt sich hier eine Anpassung an den Standard für Spritzenaufkleber als Erweiterung der ISO 26825, der von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin veröffentlicht wurde (Sybrecht & Prien 2010). Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin ver- Abgelaufene Arzneimittel Feststellung: In einem Funktionsbereich ergab die Überprüfung aller Ampullen in einem Koffer für medizinische Notfälle (»Notfallkoffer«) eine Überschreitung des Ablaufdatums im gesamten Bestand beim Medikament Akrinor® (Abb. 5). Kommentar: Da Medikamente ein wichtiges Mittel für die Behandlung von Patienten sind, muss deren Einsatz effektiv und effizient organisiert sein. Überschreitungen von Mindesthaltbarkeitsdaten sind ein nicht akzeptabler Zustand. Dass dies bei lebenswichtigen Notfallmedikamenten beobachtet wurde, ist umso alarmierender. CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 10 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Natürlich stellt sich hier die Frage, wie dies trotz regelmäßiger Prüfungen der Arzneimittel und des Notfall equipments möglich ist. Hierzu können verschiedene Möglichkeiten zur Diskussion gestellt werden: A)Eine Prüfung der Notfallkoffer fand statt, die Check listen wurden aber nicht vollständig und gründlich abgearbeitet. B)Eine Prüfung der Notfallkoffer fand nicht statt, die Checklisten wurden dennoch abgezeichnet. Welche der beiden Möglichkeiten zutrifft, vermochten die Auditoren nicht zu beantworten, in jedem Fall ist die Organisation gefordert, sicherzustellen, dass solche Ereignisse vermieden werden. Als Empfehlung wurde hier die Einhaltung der existierenden Unternehmensvorgaben bezüglich der regelmäßigen Arzneimittel- und Notfallausrüstungsprüfungen ausgesprochen. Ferner wurde empfohlen, neben einer Sensibilisierung der Mitarbeiter sowie einer umfassenden Erhebung des Ist-Zustandes, die Thematik ebenfalls in das interne Auditprogramm der Einrichtung aufzunehmen. Kontrolle gerichteter Medikamente Feststellung: Medikamente werden vom Pflegepersonal entsprechend der ärztlichen Anordnung gerichtet. Aus dem Wissen der eingangs genannten Medikationsfehler heraus wurden in den Organisationen verschiedene Barrieren eingezogen. Wesentliches Element ist die Kontrolle der vorbereiteten Medikamente. Vor dem Austeilen beziehungsweise der Gabe werden diese im Rahmen einer Stichprobenkontrolle durch eine andere examinierte Pflegekraft überprüft (»Vier-Augen-Prinzip«). Das Ergebnis der Prüfung wird in einer Checkliste dokumentiert und auf den Stationen archiviert. An die zuständige Pflegedienstleitung werden die Prüfungsprotokolle inklusive der Abweichungen gemeldet, sodass auf der oberen Leitungsebene ein Monitoring über alle Abteilungen durchgeführt werden kann. Hieraus lassen sich Trends erkennen und frühzeitige Handlungsoptionen ergreifen (zum Beispiel Rund-E-Mail in Zusammenarbeit mit der Apotheke an alle relevanten Angebrochene Arzneimittel Feststellung: Werden Salben angeordnet, erfolgt die Dosierung und Ausgabe portionsweise, um keine vollständigen Salbentuben in die Patientenzimmer geben zu müssen. Geöffnete Arzneimittel sind gemäß Hersteller- beziehungsweise Apothekenangaben in ihrer Haltbarkeit eingeschränkt. Aus diesem Grunde erhalten angebrochene Arzneimittel – beispielhaft dargestellt an einem Salbenbehältnis – einen Aufkleber, auf welchem ein »Verwendbar bis«Datum angegeben ist (Abb. 6). Wie lange Arzneimittel nach ihrem Anbruch verwendet werden dürfen, geht aus einer im Intranet hinterlegten Liste der Apotheke hervor. Abb. 6: »Verwendbar bis«-Aufkleber bei angebrochenem Arzneimittel Kommentar: Bei den gezogenen Stichproben wurden keine Abweichungen von den Vorgaben der Organisation festgestellt. Hierdurch lässt sich für jeden Mitarbeiter auf einen Blick erkennen, ob das Datum bereits überschritten und das Medikament eventuell verworfen werden muss. Das praktizierte Vorgehen beugt einer Verwendung nach Überschreiten des Verwendbarkeitsdatums vor und trägt so dazu bei, potenzielle unerwünschte (Arzneimittel-) Wirkungen zu vermeiden. CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 11 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Personen zu neuen Medikamenten mit Verwechslungspotenzial, sogenannte Look-alikes oder Sound-alikes). Kommentar: Die Vorgabe einer Überprüfung der Dispenser durch eine weitere Pflegekraft (Vier-Augen-Prinzip) ist eine sehr sinnvolle Maßnahme und trägt dazu bei, das Mantra der »5 R« (richtiger Patient, richtiges Arzneimittel, richtige Dosierung/Konzentration, richtige Applikation/Applikationsart, richtige/r Zeit/Zeitpunkt) sicherzustellen (Institute for Safe Medication Practices 1999). Ungeachtet der bereits existierenden »guten Praxis« und der geschilderten Empfehlungen bleibt unbestritten, dass die Verantwortung für die Sicherheit der Patienten bei den betreuenden Fachpersonen liegt. Sofern es jedoch die physische und psychische Situation erlaubt, sollten die Patienten durch Aufklärung und Einbeziehung in ihre Behandlung dazu befähigt werden, als letzte Sicherheitsbarriere agieren zu können (Schwappach & Wernli 2009). Ergänzend zu den skizzierten Beispielen ist die Broschüre »Gute Praxis. Auditverfahren im CLINOTEL-Krankenhausverbund« zu erwähnen. Diese fasst positive Beispiele von 25 klinischen Audits mit dem Fokus Patientensicherheit zusammen (CLINOTEL Krankenhausverbund gGmbH 2009). CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 12 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Diskussion Die Arzneimittelsicherheit ist ein wichtiger Bestandteil der palliativen, symptomatischen, präventiven und kurativen Behandlung von Krankheiten und Zuständen. Der Nutzen klinischer Audits für die Verbesserung der medizinisch-pflegerischen Praxis ist wissenschaftlich belegt. In einem Cochrane-Review beschreiben Jamtvedt und Kollegen, dass der Effekt einerseits umso größer ist, je stärker die »gelebte Realität« von der in externer Evidenz empfohlenen Praxis abweicht. Andererseits besteht ein Zusammenhang mit der Intensität (inhaltliche Tiefe und Häufigkeit) des Einsatzes klinischer Audits (Jamt vedt et al. 2010). Die zahlreichen Publikationen zum Thema unterstreichen die Bedeutung für die klinische Praxis. So hat die Weltgesundheitsorganisation in ihrem Bericht die Notwendigkeit zur Forschung und Intervention von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen hervorgehoben (World Health Organization 2008). Ein weiteres Beispiel auf europäischer Ebene sind die Aktivitäten der Schweizer Stiftung für Patientensicherheit mit ihren Quick-Alerts und der Studie »Patientenpräferenzen zu Informationen über Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln« (Stiftung für Patientensicherheit a, b). Auf nationaler Ebene ist der Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit des Bundesministeriums für Gesundheit anzuführen. Dieser fokussiert auf Maßnahmen, um eine flächendeckende und effektive Risikoreduzierung der Arzneimitteltherapie zu erreichen (Bundesministerium für Gesundheit 2010). Forciert werden die Strategien unter anderem durch das Aktionsbündnis Patientensicherheit. So ist für das Jahr 2012 beispielsweise vorgesehen, Medikamente mit einem hohen Risikopotenzial bei falscher Anwendung zu identifizieren, um hierfür entsprechende Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Der Relevanz der Arzneimittelsicherheit wird in den durchgeführten Audits Rechnung getragen. Insgesamt wurde das Thema in rund 97% der Audits berücksichtigt. In den 57 durchgeführten Audits begegneten den Auditteams alle angetroffenen Mitarbeiter mit Offenheit und Freundlichkeit und beantworteten bereitwillig alle Fragen. Hieraus entwickelten sich im Laufe der Audits kon- struktive Diskussionen, in welchen sich das Interesse der Mitarbeiter und auch deren Bestreben, sich weiterentwickeln zu wollen, zeigte. Bei den angeführten Praxisbeispielen handelt es sich um eine subjektive Auswahl des Autors. Die Auditfeststellungen und -schlussfolgerungen basieren auf den Aufzeichnungen der Auditoren und Fachexperten, die während der Audits angefertigt wurden. Hierbei ist der Stichprobencharakter von Audits zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die gemachten Feststellungen somit immer ein Element der Ungewissheit enthalten. Den Schwerpunkt eines Audits sieht der CLINOTELKrankenhausverbund in einer differenzierten »Diagnostik«, die meisten (hinweisenden) Empfehlungen ergeben sich so bereits aus den gemachten Feststellungen und ihrer Bewertung. Detaillierte Schilderungen zur Umsetzung oder gar Projektbeschreibungen werden nicht gegeben. Die an die auditierten Kliniken ausgesprochene Empfehlung, die Arzneimittelsicherheit in das interne Auditprogramm aufzunehmen, folgt der Forderung der DIN EN ISO 9001:2008. Diese führt im Abschnitt »8.2 Überwachung und Messung« dazu aus, dass interne Audits in geplanten Abständen durchzuführen sind, um zu ermitteln, ob die von der jeweiligen Organisation festgelegten Anforderungen erfüllt und aufrechterhalten werden (DIN EN ISO 9001 2008). Ferner untermauert die aktuell vorliegende DIN EN 15224:2012 diese Empfehlung, in der es heißt, dass interne Audits ein wirksames Werkzeug seien, um Leitung, Prozesse, Belegschaft und Ressourcen durch die Sammlung von Informationen und objektiven, auf die Konformität, Angemessenheit und Wirksamkeit des litätsmanagementsystems bezogenen Nachweisen Qua zu untersuchen. Das Ergebnis eines Audits sind die überprüften Informationen, die wiederum eine wertvolle Eingabe zur Qualitätsverbesserung darstellen (DIN EN 15224 2012). Die positiven Auswirkungen der farbigen Kennzeichnung von Spritzen und Zuleitungen auf die bettseitige sichere und schnelle Identifikation von Medikamenten sind in der Literatur durch die Untersuchungen von Porat und Kollegen beschrieben (Porat et al. 2009). Demzufol- CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 13 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal ge wurde die Empfehlung zur Verwendung standardisierter Spritzenaufkleber, wie von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und auch von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin veröffentlicht, ausgesprochen (Prien 2009; Sybrecht & Prien 2010). Angebrochene Arzneimittel wurden mittels Aufkleber und »Verwendbar bis«-Datum gekennzeichnet. Gemeinsam mit der im Intranet hinterlegten Apothekenliste stellt dies ein gutes Vorgehen zur Nachhaltung der Verwendbarkeit dar. Das Bundesministerium für Gesundheit spricht ebenfalls die Empfehlung aus, das Öffnungsdatum auf der Verpackung zu notieren. Hierbei ist zu beachten, dass die Einzeldosen sorgfältig und unter hygienischen Bedingungen zu entnehmen sind (Bundesministerium für Gesundheit 2012). Gerichtete Medikamente wurden nach dem »Vier-AugenPrinzip« kontrolliert. Diese Praxis wird ebenfalls vom Aktionsbündnis Patientensicherheit in der »Checkliste für Arzneitherapiesicherheit im Krankenhaus« sowie von der Stiftung für Patientensicherheit unter anderem in den Quick-Alerts Nr. 13 und Nr. 14 empfohlen (Aktionsbündnis Patientensicherheit 2006; Stiftung für Patientensicherheit 2010, 2010a). Ob beziehungsweise welche der ausgesprochenen Empfehlungen die jeweiligen Einrichtungen umsetzen, bleibt ihnen überlassen. Der Umsetzungsstand der Empfehlungen wird zur Qualitätssicherung des Verfahrens nachgehalten. Hierzu nimmt der Auditleiter vier Monate nach Auslieferung des Auditberichtes aktiv Kontakt mit der Organisation auf und erkundigt sich nach dem aktuellen Status quo. CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 14 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Schlussfolgerung Der Hochrisikoprozess der Arzneimitteltherapie kann die Patientensicherheit gravierend beeinflussen. Um potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen abzuleiten, stellen klinische Audits ein wirkungsvolles Instrument dar. Für die Auditierten ergibt sich der Mehrwert aus den Feststellungen und Schlussfolgerungen, die als Ergebnisse eines Auditverfahrens im Auditbericht kommuniziert werden. Die bisherigen Audits zum Thema haben gezeigt, dass oft vermeintlich kleine Maßnahmen wie das Vier-Augen-Prinzip, die Verwendung von Spritzenaufklebern oder eine deutliche Beschriftung der Arzneimittel mit einem »Verwendbar bis«-Datum nach Anbruch einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Patientensicherheit leisten können. Aufgrund der hier dargestellten Ergebnisse wird empfohlen, den Fokus Arzneimittelsicherheit in systematische Auditprogramme, wie beispielsweise von der DIN EN ISO 9001 gefordert, aufzunehmen. CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 15 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Literaturverzeichnis Agency for Healthcare Research and Quality (a). Look-Alike, Sound-Alike Drugs. The Collection. 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Interdisciplinary Contributions to Hospital Management: Medicine, Patient Safety and Economics. 28.01.2013 #008. http://www.clinotel-journal.de/articleid-008.html CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 19 Arzneimittelsicherheit im CLINOTEL-Auditverfahren Drug Safety as addressed by the CLINOTEL Clinical Audit Procedure Originalarbeit Original article CLINOTEL-Journal Autoren Dipl.-Gesundheitsökonom (FH) Stefan Lenzen Referent Medizin CLINOTEL Krankenhausverbund gemeinnützige GmbH Riehler Straße 36 50668 Köln www.clinotel.de CLINOTEL-Journal CLINOTEL-Journal – Interdisziplinäre Beiträge zum Krankenhaus-Management | Artikel-ID #008 | 28.01.2013 20