Ausgabe April 2013 - Staatsschauspiel Dresden
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Ausgabe April 2013 - Staatsschauspiel Dresden
Staatsschauspiel Dresden Die Theaterzeitung 37 April 2013 Liebes Publikum, seit 2000 Jahren erzählt das Theater vom Kampf des Menschens um seine Unabhängigkeit – von den Göttern, von Herrschern, von der Natur. Bei Jewgeni Schwarz ist es „Der Drache“, der eine ganze Stadt in seinen Klauen hat – bis ein Fremder die alte Ordnung in Frage stellt. Wolfgang Engel inszeniert. Bei Pamela Carters „Fast ganz nah (eurer Krieg ist unser Krieg)“ ist es der Krieg, der sich in die Seelen der Menschen frisst – der Regisseur Elias Perrig arbeitet erstmals in Dresden. Gleich zwei Projekte gehen der Frage nach, welche Spuren die Machenschaften der Staatssicherheit in Dresden und bei Opfern und Tätern hinterlassen haben. Rimini Protokoll zeigt „Radioortung – 10 Aktenkilometer Dresden“, Clemens Bechtel inszeniert „Meine Akte und ich“. Vier Inszenierungen, vier Erzählungen, vom Kampf der Menschen gegen ihre Fremdbestimmtheit. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! Herzlich Ihr Ihr Wilfried Schulz Der Drache von Jewgeni Schwarz Premiere am 12. April um 19:30 Uhr im Schauspielhaus (weitere Termine: 16. und 25.4. sowie 5., 11. und 30.5.) Der Drache in uns er Regisseur Wolfgang Engel inszeniert am Staatsschauspiel im April Der Drache von Jewgeni Schwarz. Mit dieser märchenhaften Parabel beendet Engel eine kleine Trilogie auf dem Theater, in der sich bereits mit Tellkamps „Der Turm“ und Bulgakows „Meister und Margarita“ mit dem Leben unter den Bedingungen der Diktatur auseinandergesetzt hat. Über den „Drachen“ sprach er mit dem Dramaturgen Robert Koall. D Robert Koall: Herr Engel, das Stück von Jewgeni Schwarz ist ein Märchen. Wovon erzählt es? Wolfgang Engel: Die Geschichte des „Drachen“ ist eine klassische Drachentötergeschichte. Im Grunde lässt sich die Handlung in einem Satz erzählen: Ein junger Ritter tötet den Drachen und rettet die Jungfrau. Und das interessiert mich natürlich überhaupt nicht (lacht). Mich interessiert, wie hier eine moderne Geschichte in einen märchenhaften Stoff verpackt wurde. Entstanden ist das Stück ja als Abrechnung mit Hitlerdeutschland – und so wurde es von den russischen Zensoren auch gelesen. Wobei es aber eben genauso auf den Stalinismus anwendbar war, auf jede Art von Diktatur. Die mit dem Tod des Drachen überwunden wird. Fortsetzung auf Seite 02 Mit Matthias Luckey als Lanzelot und Tom Quaas als Drachen FOTO: DAVID BALTZER Staatsschauspiel Dresden 02 Fortsetzung von Seite 01 Schwarz erzählt von Unterdrückten, die eigentlich ter DDR-Bürger. Unsereins hat den Faschismus hinter ganz fröhlich sind. Trotz der Bedrohung durch den sich, den Sozialismus hinter sich und hat nun eine dritDrachen und den Blutopfern, die sie bringen müs- te Gesellschaftsordnung zu verkraften. Das ist nicht sen, haben sie es sich bequem gemacht. „Es ist nicht immer leicht. Man hinterfragt sich ja ständig nach seialles schlecht“ ist so ein Satz, der ner Rolle im vorangeeinem gleich dazu einfällt. Die gangenen System. Bürger wollen sich ja gar nicht so War ich eigentlich ein recht auflehnen, weil es auch den Mitläufer? War ich „Es gibt nur eine MöglichAbschied von einer vertrauten taktisch oppositionell keit, vom Drachen verschont Welt bedeutet. Trotzdem tötet oder aus Überzeuzu bleiben: Man muss einen Lancelot das Viech und schenkt gung? Saß ich zwieigenen Drachen haben.“ den Menschen Unabhängigkeit. schen allen Stühlen (Charlesmagne) Und da beginnt ja dann noch einmal ohne es zu merken? eine neue, spannende Geschichte: Das sind harte Fragen Wie finden sich die Menschen in der an sich selber – und neu erkämpften Demokratie zudie interessieren mich recht? Jetzt, wo der Diktator tot ist. Das gelingt ihnen auch am Theater am stärksten. Zu diesem Thema stellt erst mal so gar nicht! Sie haben den Drachen nämlich in das Stück eine Art Warnschild auf, wenn es zeigt, wie sich. Das reizt mich unheimlich: auf die Suche nach die- nahtlos die Bürger von einem System ins nächste wechsem inneren, immerwährenden Drachen zu gehen, der seln und dabei ihre Ansichten und Wertvorstellungen in jeder Gesellschaft wohnt, wie demokratisch sie sich nur scheinbar hinter sich lassen. In Wahrheit schleppen auch geben mag. sie alles mit. Auch in unserer? Bietet das Stück eine Lösung? Selbstverständlich! Alle Fragen von Bürokratismus und Nein, es stellt Fragen und lässt sie offen. Das muss es Opportunismus stellen sich doch weiter. Ich bin gelern- auch tun, alles andere wäre eine Lüge. Das Stück zeigt zwar den Sieg des Drachentöters, aber gleichzeitig stellt es die kritische Frage nach der Lebbarkeit von Utopien. Wie nähert man sich ästhetisch einem Stoff, der Politparabel und Märchen zugleich ist? Genau diese Frage reizt mich unheimlich. Wie kann man einen märchenhaften Stoff in absolutem Realismus erzählen? Wie kriegt man das hin, dass man dem Märchen seinen Raum gibt – und gleichzeitig unseren heutigen Diskussionsstand einfließen lässt? Und wie erzählt man den Drachen? Taucht er denn auf, der Drache? Aber natürlich! In wechselnder Gestalt sogar. Er beginnt als Mensch – kurz vor der Pause erscheint er aber dann in aller Monströsität, riesig und bedrohlich! Bis zur Pause sollte man also schon bleiben (lacht). Besetzung Mit: Christian Clauß, Christine-Marie Günther, Holger Hübner, Lars Jung, Thomas Kitsche, Gregor Knop, Matthias Luckey, Benjamin Pauquet, Tom Quaas, Ines Marie Westernströer und Chor Musiker: Thomas Mahn, Friedemann Seidlitz, Christian Patzer Regie: Wolfgang Engel Bühne und Kostüm: Hendrik Scheel Musik: Thomas Hertel Choreografie: Harald Wandtke Dramaturgie: Robert Koall 100 Jahre – 100 Leben Ein Projekt des Staatsschauspiels Dresden mit Fotos von Heiko Schäfer Premiere / Vernissage am 5. April um 18:30 Uhr in den Schauspielhaus-Foyers Das Staatsschauspiel Dresden feiert 2013 den hundertsten Geburtstag des Schauspielhauses. Es waren keine hundert ruhigen Jahre, es waren Jahre voller historischer Umwälzungen und Brüche – und dies an einem Ort, an dem diese geschichtlichen Schnittstellen bis heute sichtbar sind. 100 Jahre Schauspielhaus – das ist eine lange Zeitspanne. Um sie sinnlich erfahrbar zu machen, ist in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Fotografen Heiko Schäfer eine besondere Porträtserie entstanden: Wir haben durch seine Kamera den Blick auf 100 Bürgerinnen und Bürger der Stadt gerichtet, deren Lebenswege sich mit dem Theater gekreuzt haben. Denn eines ist das Staatsschauspiel seinem Namen zum Trotz immer geblieben: ein Stadttheater. Und die Geschichte der Kunst ist immer zuerst die Geschichte der Menschen. In diesem Falle des Publikums, das einen Theaterort ja erst lebendig macht, indem es ihn sich erobert. Wie eine lebendige Zeitleiste bilden Menschen im Alter von 0 bis 100 Jahren das vergangene Jahrhundert ab und haben uns dazu ihre persönliche Geschichte mit dem Theater geschenkt. Sie alle eint ihre besondere biografische Verbindung zum Schauspielhaus. So steht jeder Einzelne für ein Jahr in der Geschichte dieses Theaters und gibt ihm ein einzigartiges Gesicht, wie zum Beispiel Ingrid Rose, Jahrgang 1934. Ingrid Rose ging mit 19 Jahren am 19. Juli 1953 bei ihrer ersten Verabredung mit Wolfgang Rose zu einer Vorstellung ins Schauspielhaus. Ein Jahr später haben sich die beiden verlobt und 1955 geheiratet. Als Anrechtsinhaber sind die Roses auch später noch gerne aus Kamenz regelmäßig ins Schauspielhaus gekommen. Sie sind sich heute nicht mehr sicher, ob bei ihrer ersten, folgenschweren Theaterverabredung Schillers „Kabale und Liebe“ gegeben wurde oder „Die Räuber“.* *) Anmerkung der Redaktion: Dass laut Archiv an besagtem Tag Smetanas „Die verkaufte Braut“ (Regie: Siegfried Tittert) gespielt wurde, spricht dafür, dass das Theater an jenem Abend Nebensache war. Ingrid Rose, *1934 Die Theaterzeitung 04/2013 03 Fast ganz nah (eurer Krieg ist unser Krieg) von Pamela Carter Uraufführung am 6. April, 19:30 Uhr im Kleinen Haus 2 (weitere Termine: 12. und 16.4.) Öffentliche Probe/Voraufführung: 2. April, 19:00 Uhr Ist das Kunst oder kann das weg? amela Carter erhielt für ihr Stück „Skåne“, das sie beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens 2012 präsentierte, den Werkauftrag der Bundeszentrale für politische Bildung. Aus diesem Auftrag entstand ihr neues Stück „Fast ganz nah (euer Krieg ist unser Krieg)“, das jetzt am Staatsschauspiel Dresden in der Regie von Elias Perrig uraufgeführt wird. Im Gespräch mit der Dramaturgin Julia Weinreich spricht sie über die Entstehung von „Almost near“ – wie der Originaltitel heißt. P Pamela, du hast Englische Literatur studiert: Warum schreibst du Stücke und nicht etwa Prosa? Ich wollte einfach immer nur Theater machen. Es ist ein kollektiver Prozess, und es macht Spaß. Deshalb schreibe ich Stücke: um Theater zu machen. Klar, bin ich an die Uni gegangen, um Literatur zu studieren, weil ich Romane liebe ... Die meiste Zeit habe ich aber mit meinen Freunden im Theater verbracht und die Vorlesungen geschwänzt. Du bist selbst auch Regisseurin. Inszenierst du deine eigenen Stücke? Ich habe lange keine mehr inszeniert und plane es derzeit auch nicht. Die letzte Regiearbeit hat mich krank gemacht. Schreiben finde ich viel einfacher. Ist es ein Genuss oder eine Qual für dich, deine Stücke von jemandem anderen inszeniert zu sehen? Beides. Obwohl ich einräumen muss, dass ich schon vor ein paar Jahren erkannt habe, dass ich meine eigenen Stücke nicht mehr inszenieren möchte. Und das war für mich als Autorin eine Befreiung. „Fast ganz nah“ wollte ich nie inszenieren. Umso neugieriger bin ich darauf, was Elias Perrig, der Regisseur, daraus macht. Worum geht es in „Fast ganz nah“? Einfach ausgedrückt: Vier junge Soldaten sind während ihres Wehrdienstes in Afghanistan getötet worden, und zuhause zerfällt eine Familie und findet sich am Ende doch wieder. Wann und wie kam die Idee auf, ein Stück über den Krieg am Hindukusch zu schreiben? Ich denke nicht, dass es ein Stück über Afghanistan ist. Ich denke, es ist eines über Konflikte, ja ... genauso wie es eines über Traumata, Empathie, Verwandtschaft und meine ureigene Faszination vom Krieg ist. Meine erste Erinnerung ist ein Bild vom Krieg im Fernsehen; ich habe erst vor wenigen Jahren realisiert, dass es eines vom Vietnamkrieg gewesen sein muss. Ich denke, die Initialzündung für „Fast ganz nah“ war ein Erlebnis 1999 bei einer Mona Hatoum Ausstellung. Da war ein kleiner Junge, der einen ausgestellten Gegenstand in der Hand hielt im Glauben, es wäre Müll, der da am Boden herumliegt. Seine Mutter schrie ihn an, das sofort wieder fallen zu lassen. Aus lauter Angst warf er es quer durch den Raum. Die Alarmanlage ging los, und das Security-Personal rückte an, um feststellen zu müssen, dass da niemand war, den sie hätten beschuldigen können. Der Junge hatte einfach Kunst zu Müll erklärt. In fast ganz nah sprechen die Soldaten aus dem Todesreich; erst nach und nach realisieren sie, dass sie tote Untote sind. Mit viel Witz entdecken sie wie lebendig man selbst noch als Toter sein kann. Ähnlich wie in dem Stück, mit dem du zum Stückemarkt eingeladen warst, „Skåne“, wird auch hier die Handlung, die Dramaturgie, rückwärts erzählt. Die Soldaten sind schon zu Beginn tot, und dem Leser erschließt sich erst nach und nach, wie sie gestorben sind. Ist Geschichten rückwärts zu erzählen ein Versuch, die Aufmerksamkeit der Zuschauer vom „Was“ auf ein „Wie“ zu lenken? Ja, das ist richtig beobachtet. Das „Wie“ interessiert mich ungleich mehr als das „Was“. Ich versuche, die Formen zwischen den Menschen zu zeichnen, um dann eine Sprache dafür zu finden. Im Grunde bin ich keine Geschichtenerzählerin. FOTO: DAVID BALTZER Zum Stück Von ihrem Mann getrennt und ihrem neunjährigen Sohn entfremdet, versucht sich Louise an ihrem Comeback als Bildhauerin. Sie kreiert eine Skulptur, die eine Gruppe von Soldaten darstellt, die bei einem Anschlag in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Während Kevin „Princess“ für Louise Modell sitzt und mit ihr eine Affäre beginnt, scheint die Skulptur sich zu verlebendigen und die Zukunft vorwegzunehmen: Als Scheintote blicken die Soldaten – unter ihnen auch der 22-jährige Kevin – auf die Hügel der afghanischen Stadt, die sie militärisch verteidigt haben. Umsonst – der Tod hat sie längst in seinen Klauen. In „Fast ganz nah“ ist ausgerechnet Budur, das afPamela Carter lebt und arbeitet ghanische Mädchen, das ein Selbstmordattentat als Autorin, Regisseurin und Draverübt und sich und vier Soldaten in die Luft jagt, maturgin in London. empathisch und sogar sympathisch. Du richtest weder über Budur noch über die Soldaten: Ist dieser Eindruck richtig? Das ist, meines Erachtens, die Aufgabenstellung an einen Dramatiker, sich mit den Charakteren anzufreun- In Zusammenarbeit mit dem Stückemarkt des Berliner den, egal, wer sie sind, was sie tun. Theatertreffens. Gefördert durch die Bundeszentrale für Und meine Sympathie gilt auch Budur. Sie ist ein 15-jäh- politische Bildung. riges mittelloses Mädchen, das in eine brutale Welt abdriftet. Sie versucht, die Welt für sich und andere schö- Besetzung ner zu machen. Wie pervers und destruktiv auch immer Mit: Tanya Erartsin, Andreas Hammer, Robert Höller, André Kaczmarczyk, Julia Keiling, Anna-Katharina Muck, Anton Petzold, ihre Mittel sein mögen. Torsten Ranft Regie: Elias Perrig Bühne: Maren Greinke Kostüm: Sara Kittelmann Musik: Biber Gullatz Dramaturgie: Julia Weinreich Staatsschauspiel Dresden 04 Quiz Nach dem Osterfest wird 50 Tage laut kirchlichem Kalender die „österliche Freudenzeit“ gefeiert, bis – ja was? Welcher Heilige dann entsendet worden ist, verrät Ihnen das Lösungswort. Frage 1 Unsere Freiheit wird bekanntlich „auch am Hindukusch verteidigt“, so auch in „Fast ganz nah“. Welches Land grenzt NICHT an den Hindukusch? P Afghanistan N Pakistan U China G Kasachstan Frage 2 Durch die Porträtserie „100 Jahre – 100 Leben“ erfährt man viele Geschichten über das Schauspielhaus. Zum Beispiel, welches Stück am 19. Juli 1953 gespielt wurde: L Emilia Galotti I Romeo und Julia E Die verkaufte Braut Ü Galileo Galilei Frage 3 Jewgeni Schwarz, Autor von „Der Drache“, hat etliche Märchenstücke für Erwachsene geschrieben, welches der folgenden aber NICHT: V Der nackte König Z Der Schatten N Zar Wasserwirbel I Der kleine Wassermann Frage 4 Aus Anlass der Hamlet-CD-Veröffentlichung von Christian Friedel und seiner Band Woods of Birnam am 19. April wird auch ein ganz großes Thema diskutiert, unter dem Titel S Der Einbruch des Pop in die moralische Anstalt M Was ist der Einbruch in ein Theater gegen die Gründung eines Theaters? W Das Theater als populäre Anstalt betrachtet T Pop als moralische Anstalt Frage 5 Am letzten Abend jener „österlichen Freudenzeit“ (s.o.) findet auch die 2. Lange Nacht der Dresdner Theater statt, und zwar am K 18. April M 30. April I 19. Mai T 18. Mai Das Lösungswort bis zum 15. April mailen an: presse@staatsschauspieldresden.de, Betreff „Quiz April 2013“. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir 10 x 2 Karten für „Leben des Galilei“ von Bertolt Brecht am 2. Mai um 19:30 Uhr im Schauspielhaus. Die Lösung des März-Rätsels lautet CASH. Die Staatssicherheit in Dresden Zwei Spurensuchen von Rimini Protokoll und von Clemens Bechtel Im April widmen sich zwei Theaterprojekte dem Thema Überwachungsstaat und forschen auf unterschiedliche Weise nach den Spuren, die die Stasi in der Stadt Dresden und in den Köpfen und Herzen der Bürger hinterlassen hat. Radioortung – 10 Aktenkilometer Dresden Ein begehbares Stasi-Hörspiel von Rimini Protokoll (Haug / Wetzel / Brünger) Uraufführung am 26. April von 16:00 bis 22:00 Uhr Start der Tour und Ausleihe der Handys im Kleinen Haus. Empfohlene Laufzeit: zwei bis vier Stunden. (Weitere Termine: 26. 4. bis 7. 7. jeweils Do und Fr von 16:00 bis 22:00 Uhr sowie Sa und So von 12:00 bis 16:00 Uhr und von 17:00 bis 22:00 Uhr.) Die Stadt wird zum unsichtbaren Museum, zum hörbaren, subjektiven Archiv. FOTO: MATTHIAS HORN Ü ber zehn Aktenkilometer lagern im Archiv der Stasi-Unterlagen-Behörde in der ehemaligen Bezirkshauptstadt Dresden. Die Künstlergruppe Rimini Protokoll macht die Akten zugänglich: aus der Perspektive der Betroffenen, an den Orten ihrer Entstehung. Die Besucher des Hörspiels „10 Aktenkilometer Dresden“ werden mit einem Stadtplan und einem GPSHandy durch die Dresdner Alt- und Neustadt laufen. Auf den Spuren der Vergangenheit steuern sie selbstständig auf dem Stadtplan verzeichnete Orte an. Über das GPS-Handy sind Besucher jederzeit ortbar und lösen bei ihrem Spaziergang durch die Stadt die Audio-Dokumente aus und machen sie so hörbar – für ihre eigenen Ohren, aber auch für die Personen, die sie online beschatten und ihre Bewegungen auf der virtuellen Karte verfolgen können. Hier Auszüge aus dem Hör- und Bewegungs-Protokoll eines ersten Testläufers vom 7. März 2013: Der Besucher steht am Startpunkt im Kleinen Haus und hört Musik: „Tschekistenchor“ singt: Du Kämpfer an der unsichtbaren Front, dem Menschen bist du unbekannt. Doch es dankt dir für all dein Tun, für dein stilles Heldentum, dein Vaterland ... Dann entscheidet er sich loszugehen – er stellt sich vor das Kleine Haus und hört ... , Klaus-Dieter Kirst, Regisseur: Wenn Sie im März 89 hier vor dem Kleinen Haus gestanden hätten, dann wären Sie zu einer Voraufführung der „Ritter der Tafelrunde“ hier gewesen, denn die Premiere war erst im April. Dann hätten Sie bereits hier auf der Straße eine merkwürdige Spannung erlebt, die über dem ganzen Haus lag. Sie wären Leuten begegnet, die leise sprachen und sich merkwürdig gehemmt bewegten. Uns ging es damals nicht anders auf der Hinterbühne des Kleinen Hauses, hatten wir doch wochenlang für dieses Stück geprobt, ohne zu wissen, ob die staatliche Zensur es genehmigen würde und nun gab es diese Testvorstellung, und auf der Hinterbühne standen lauter Personen mit langen Mänteln herum, die wir vorher noch nie gesehen hatten. (...) Der Besucher hört noch weitere fünf Minuten zu und geht dann weiter – über die Albertstraße und hört ... Helmut Müller-Enbergs, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stasi-Unterlagen-Behörde: Die Archivare in der Stasi-Unterlagen-Behörde gehen davon aus, dass wir 111 laufende Aktenkilometer haben, darunter allein 35 Millionen Karteikarten. Manchmal hört man von größeren oder kleineren Zahlen. Es hängt immer davon ab, wann man wo wie misst, denn Akten werden ja auch bewegt. (...) Als er am Albertplatz ankommt, hört er ... Sprecherstimme: Diensthabender Offizier des Ministerium für Staatssicherheit, Bezirksverwaltung Dresden: … 17:22 ... Anrufer: Menning hier. Diensthabender: Ja, Morgenstern hier, du, ich krieg die ganze Zeit Anfragen. Hast du irgendwelche Informationen, was da auf dem Platz der Einheit los ist? Anrufer: Ich kann dir nicht sagen, wie viele Leute da rumrennen. Wissen wir noch nicht. (...) Aber es werden Plakate mitgeführt. Vier Texte sind uns bislang bekannt. Diensthabender: Und was beinhalten die so? Bekannte Losungen? Anrufer: Kannste mitschreiben. Der erste: „Wer so viel log, dem glaubt man nicht ...“ Diensthabender: Mmh ... , Anrufer: „Wahlbetrüger vor s Volksgericht.“ Diensthabender: Oh je ... Anrufer: Ja, das wird noch mehr werden. Der Besucher geht weiter – die Königsbrücker Straße hoch, vor dem Kino Schauburg hört er ... Zimmermann: Wir stehen hier an der Schauburg. Die habe ich , von 1986 bis 89 geleitet. , Sprecherstimme: Wolfgang Zimmermann, Jahrgang 46. Zimmermann: Wir hatten als Filmtheaterleiter die Pflicht, Praktikanten zu betreuen. Und da hatte ich auch eine, die hatte zu vielen Dingen eine eigene Meinung und vernünftige Ansichten. Ich habe auch mit ihr frank und frei gesprochen, das habe ich immer getan. Sprecherstimme: Abschrift IM-Bericht. Zimmermann, Wolfgang, äußerte im Gespräch mit Praktikantin J. – geschwärzt – dass es für Leiter im kulturellen Bereich große Schwierigkeiten gibt, da die Obrigkeit in ihrer Borniertheit keine zu offenen Diskussionen dulden will. Zimmermann: Als ich das später in meiner Akte gelesen habe, dass sie IM gewesen war, war ich erst erschrocken. Aber es hätte wohl damals nicht viel geändert, wenn ich es zu diesem Zeitpunkt schon gewusst hätte. (...) „Radioortung“ ist ein Format von Deutschlandradio Kultur Eine Produktion von Rimini Apparat in Koproduktion mit dem Staatsschauspiel Dresden und dem Sächsischen Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Mit beratender Unterstützung der BStU Berlin und Außenstelle Dresden sowie der Robert-HavemannGesellschaft e.V. Mit freundlicher Unterstützung von Sony Mobile Ein Projekt von Helgard Haug, Daniel Wetzel, Sebastian Brünger (Rimini Protokoll) Konzept: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel Mitarbeit Recherche und Schnitt: Michael Hoh Produktionsleitung und Mitarbeit Recherche: Ute Meckbach Projektsteuerung: Heidrun Schlegel Stimme: Sonja Beißwenger Entwicklung Applikation und interaktive Karte: Udo Noll (Radio Aporee) Die Theaterzeitung 04/2013 05 Die Staatssicherheit in Dresden Zwei Spurensuchen von Rimini Protokoll und von Clemens Bechtel Im April widmen sich zwei Theaterprojekte dem Thema Überwachungsstaat und forschen auf unterschiedliche Weise nach den Spuren, die die Stasi in der Stadt Dresden und in den Köpfen und Herzen der Bürger hinterlassen hat. Meine Akte und ich Eine Recherche über die Staatssicherheit in Dresden Eine Produktion der Bürgerbühne Uraufführung am 28. April im Kleinen Haus 3 (weitere Termine: 4. und 13.5.) Parallele Leben I n der Inszenierung „Meine Akte und ich“ lädt Regisseur Clemens Bechtel neun Dresdner Bürgerinnen und Bürger, die Erfahrung mit Akten der Staatssicherheit haben, auf die Bühne ein. Dies geschieht im Rahmen des Langzeitprojektes „Parallel Lives“ – einer Initiative des Internationalen Theaterfestivals Divadelná Nitra. Sechs Theaterproduktionen aus Tschechien, Deutschland, Ungarn, Polen, Rumänien und Slowenien setzen sich mit der Geschichte ihrer Geheimdienste auseinander. Im Herbst 2013 sind alle sechs Stücke im Kleinen Haus zu sehen. „Meine Akte und ich“ wird bereits jetzt im Kleinen Haus uraufgeführt. Wie lebte es sich unter den Argusaugen staatlicher Sicherheitsbehörden? Und wie sahen die Leben ganz gewöhnlicher Menschen in der Reflektion dieser Geheimdienste aus? Gibt es mehrere Leben in einem? Um diese und ähnliche Fragen geht es dem Team um Regisseur Clemens Bechtel. „Meine Akte und ich“ ist ein Kaleidoskop verschiedenster Biographien, die sich aus Tonbandaufnahmen und Dokumenten der Staatssicherheit zusammenfügen. Deren Observationen nämlich waren auf ganz unterschiedliche Art und Weise zielorientiert: da gab es „suspekte Objekte“ und Personen, die aufgrund ihrer politischen Gesinnung eine besondere Gefahr für das Regime darstellten; oft verfolgte die Polizei der Staatssicherheitsbehörde aber auch ganz gewöhnliche Menschen. Menschen, die angepasst lebten und gar keine Ambitionen hatten, gegen das Regime aufzubegehren. Die Stasi-Akte – als subjektives und formalisiertes Erinnerungsmaterial – dient so der Geschichtsrekonstruktion. Gleichzeitig lassen sich von ihr Fragen ableiten: Inwiefern unterscheidet sich der heutige Blick auf diese Akten zu damals? Bieten die Dokumente eine tatsächlich relevante Auskunft über das Leben der Menschen in der DDR? Ermöglichen die Dokumente es uns, das alltägliche Leben während der Diktatur wie auch überhaupt die Vergangenheit besser zu verstehen, um einen bewussten Umgang mit unseren historischen, nationalen und kollektiven Identitäten für die Zukunft zu finden? Sicher ist: Inwiefern unterscheidet sich der heutige Blick auf die Akte zu damals? Die Staatssicherheit der ehemaligen DDR zeichnete sich im Vergleich zu anderen Geheimdiensten vor allem durch die Akribie aus, mit der Menschen und ihre Lebensgeschichten beobachtet wurden. Entlang dieser Dokumente webt der Regisseur Clemens Bechtel zusammen mit seinem Ensemble ein ergreifendes Stück Zeitgeschichte. Gerade der Generation der Nachgeborenen bietet „Meine Akte und ich“ die Möglichkeit, Zeitzeugen live auf der Bühne zu erleben und einen sehr persönlichen Einblick in die deutsch-deutsche Geschichte zu bekommen. In Europa ist eine neue Generation herangewachsen, die das geteilte Deutschland nur aus den Geschichtsbüchern kennt, die die Zeit vor 1989 nicht mehr aktiv miterlebt hat. Die Recherche über die Staatssicherheit gibt uns Einblicke in das alltägliche Leben von Menschen mit ihren Nöten, Freuden, Entscheidungen, Verfehlungen, und anhand „kleiner Geschichten“ wird – ganz nebenbei – die „große Geschichte“ gleich miterzählt. Die Akte als Reiseführer in eine vergangene Zeit, die nicht selten eine kafkaeske Grundsituation schafft, ‚schließt‘ die DDR als geschlossenes System – in dem jeder beobachtet und beobachtet wird – auf und gewährt spannende Ein- FOTO:MATTHIAS HORN blicke in Methoden von Sicherheitsdiensten. Clemens Bechtel, der erstmals am Staatsschauspiel Dresden arbeitet, wurde für seine Inszenierung „Staatssicherheiten“ am Hans Otto Theater Potsdam, in der fünfzehn ehemalige Häftlinge über die Gefängnisse der Staatssicherheit berichten, mit dem Friedrich-Luft-Preis 2009 ausgezeichnet. „Meine Akte und ich“ ist eine Produktion der Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden, im Rahmen des Projektes „Parallel Lives – das 20. Jahrhundert durch die Augen der Geheimdienste“, eine Initiative des Internationalen Theaterfestivals Divadelná Nitra. Julia Weinreich „Parallel Lives“ wird unterstützt von der Allianz Kulturstiftung und der ERSTE Stiftung. Besetzung Mit: Gottfried Dutschke, Max Fischer, Jürgen Gottschalk, Catharina Laube, Evelin Ledig-Adam, Ilona Rau, Michael Schlosser, Peter Wachs, Andreas Warschau Regie: Clemens Bechtel Bühne und Kostüm: Matthias Schaller Musik: Sven Kaiser Dramaturgie: Julia Weinreich Neues von der Bürgerbühne Leistung ist Arbeit durch Zeit. Und Zeit ist Geld. Bei Culture Clash – das Bürger Dinner am 16. 4. sprechen wir übers Geld und begrüßen dazu Dresdner Leistungsträger und Leistungsempfänger an der großen Essenstafel im Kleinen Haus. Mittelständische Unternehmer und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, Überqualifizierte und Hartz IV-Empfänger, Putzfrauen und Banker, Studenten und Rentner schauen sich gegenseitig ins Portemonnaie und fragen sich: Wer bekommt, was er verdient, und wer verdient, was er bekommt? Was leistest du, und was kannst du dir leisten? Macht Arbeit glück- lich? Macht Geld glücklich? Und wie viel davon braucht man? Das Publikum kann wie immer dabei sein und mitessen, und das Ganze kann man sich für sagenhaft günstige 5,00 € leisten! von Station zu Station, und erleben Sie hautnah absurde Science-Fiction: Auf dem Zirkelstein ist ein Ufo gelandet. Fremde aus dem All! Ein Drama! Gemeinsam mit Profischauspielern erleben Sie 60 Darsteller aus der Sächsischen Schweiz. Steigen Sie vor dem StaatsschauVorschau Mai: Der Fall aus dem All spiel in den Bus oder packen Sie Ihre Familie in Ihr Auto. Ein intergalaktisches Theaterspektakel in Weitere Vorstellungen: 5., 11., 12., 25. und 26. 5., 29. + Reinhardtsdorf-Schöna 30. 6., 6. + 7. 7., jeweils um 15:00 Uhr. In Reinhardtsdorf-Schöna hat am 4. 5. das große Land- Karten können Sie ab jetzt reservieren. schaftstheaterspektakel Der Fall aus dem All seine Ur- Eine Kooperation der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna, der Bürgerbühaufführung. Wandern Sie in der Sächsischen Schweiz ne des Staatsschauspiels Dresden und Theater Aspik, Regie: Uli Jäckle. Staatsschauspiel Dresden 06 Außenblicke In der Jubiläumsspielzeit laden wir einmal im Monat uns nahestehende Persönlichkeiten ein, in unserer Kolumne „Außenblicke“ ihre Gedanken rund um das Theater kreisen zu lassen. In der April-Ausgabe beschreibt der Direktor der Galerie Neue Meister, Ulrich Bischoff, ihn prägende frühe Theatererfahrungen. Ulrich Bischoff hat gerade die zusammen mit Luc Tuymans kuratierte Ausstellung „Die Erschütterung der Sinne“ eröffnet. Durch seine Vermittlung kam es dazu, dass Luc Tuymans dem Staatsschauspiel Dresden zwei Wandgemälde schenkt, die er Ende April im Schauspielhaus malen wird. Die alten Zeiten sind vorbei: Cesare Pirelli jagt Donald Duck Das Ereignis liegt 46 Jahre zurück. Auf der Hinterbühne des Bremer Theaters entfaltete der junge Regieassistent Hartmut Gehrke in Slapstick-Manier eine AgitpropRevue, die nach anderen wichtigen Theatereindrücken wie „Hamlet“, „Frühlingserwachen“, „Die Räuber“, „Maß für Maß“ etc. mein Bildgedächtnis wesentlich geprägt hat. Das meiste habe ich vergessen. Gut erinnern kann ich mich jedoch an die gejagten Jäger: Zwei Schauspieler, einer von ihnen der von mir sehr geschätzte Bruno Ganz, robbten in Uniform wie Soldaten auf dem Boden. Über ihnen, in schrecklicher Gewalt, die sie verfolgenden Flugzeuge mit kaum erträglichem Geräuschpegel. Auf der Suche nach Coca Cola in Chicago und Ford in Detroit, nach der Freiheitsstatue und Hollywood, kriechen sie, um ihr Leben zu retten, über den Bühnenboden. Die Wiederkehr dieses Bildes erlebe ich heute in Gestalt des kleinen, aber umso eindrücklicheren Gemäldes von Delacroix „Verwundeter Räuber“ aus der Zeit um 1825 aus dem Kunstmuseum Basel (Abb.), das zur Ausstellung die „Die Erschütterung der Sinne“ nach Dresden gereist ist und auch den Umschlag unseres Ausstellungskataloges ziert. Eugène Delacroix, Verwundeter Räuber (Brigand blessé), um 1825, Öl auf Leinwand, 32,7 x 40,8 cm, Kunstmuseum Basel Voraus gegangen waren die Inszenierungen von Peter Zadek mit dem Bühnenbild von Wilfried Minks, darunter „Die Räuber“: Bruno Ganz als Franz Moor mit einer Staatsschauspiel Dresden Adressen: Schauspielhaus Theaterstraße 2, 01067 Dresden Kleines Haus Glacisstraße 28, 01099 Dresden Karten: per Telefon: 0351.49 13 – 555 per Fax: 0351.49 13 – 981 per E-Mail: tickets@staatsschauspiel-dresden.de im Internet: www.staatsschauspiel-dresden.de Neues aus dem Kleinen Haus roten Maske mit riesigen abstehenden Ohren vor dem Bühnenhintergrund mit Roy Lichtensteins ins Kolossale vergrößerten Comics. Bleibenden Eindruck hinterließ auch die Aufführung „Die Geisel“ des irischen Dramatikers Brendan Behan von 1963 oder „Frühlingserwachen“ von Frank Wedekind mit dem monumentalen Porträtfoto der englischen Schauspielerin Rita Tushingham als Raumteiler auf Wilfried Minks Bühne ‒ atemlose Begeisterung, die von den Schauspielern auf den Zuschauer, zumindest auf mich, überging. Und ich erinnere mich an unseren Chemieunterricht, in dem wir mit unserer Chemielehrerin über die Frage diskutierten, ob das Verteilen von Präservativen auf der Bühne in einem Stück von Christian Grabbe akzeptabel wäre. Später ging die Diskussion um das Herausdrehen von Glühbirnen auf der Bühne in einer Shakespeare-Inszenierung. Wenige Jahre später, anlässlich des zweiten Kölner Kunstmarktes, erlebte ich 1968 meine erste Kunstperformance von Joseph Beuys in einem Kellerraum der Galerie Rywelski in Köln. Es gab einen Haufen von Margarinewürfeln, eine Ansammlung von präparierten schwarzen Fahrradluftpumpen und eine, von einem Helfer gehaltene, dunkle Eisenplatte in der Form eines halbierten Quadratkreuzes. Beuys formte den Margarinewürfel über das Pumpenventil, zog den Kolben aus dem Pumpenkörper, was ein schmatzendes Geräusch erzeugte, und warf die Hülse mit der anhaftenden Margarine gegen die Eisenplatte; die Pumpenkolben sammelten sich neben seinem Bein. Als Mitglied der Studentenbühne an der Uni Tübingen besuchte ich die von Jochen Goetze, Klaus Staeck u.a. organisierte Veranstaltung „Intermedia“ in Heidelberg 1969, wo neue Kommunikationsformen ausprobiert wurden. In Frankfurt a. M. fand gleichzeitig die „Experimenta 3“ statt, auf der im TAT „Titus Andronicus/Iphigenie“ mit Joseph Beuys aufgeführt wurde. Auf der Bühne agierte Beuys, der den Shakespeare-Text nachsprach, während gleichzeitig ein weißes Pferd auf einer mit Mikrophonen versehenen Metallplatte stand und Heu fraß. Auf diese Weise überlagerten sich der gesprochene Text, die vom Künstler durch metallene Schlaginstrumente hervorgerufenen Klänge und die von den Hufen des Pferdes erzeugten Geräusche. Leider verursachten die Zuschauer selber so viel Lärm, dass schließlich die Vorführung wegen des unruhig gewordenen Pferdes abgebrochen werden musste. Später in der Nacht gab es noch in einer privaten Röntgenklinik eine Performance von Wolf Vostell mit dem Titel „Klinkenputzen“. Diese Eindrücke aus der Theaterwelt, die sich noch wesentlich erweiterten ließen um die wunderbaren Inszenierungen von Peter Stein, Michael Grüber und immer wieder von Peter Zadek bis hin zu den Aufführungen von Christoph Marthaler, haben meine Erfahrungswelt geprägt und mich auf Begegnungen mit Kunstwerken vorbereitet. Wohltuende und anhaltende Erschütterungen hier wie dort, die aber immer wieder erneuert werden müssen. Deshalb gehe ich so gerne ins Theater und ins Museum: zu „Constable, Delacroix, Friedrich, Goya. Die Erschütterung der Sinne.“ Ulrich Bischoff Impressum Herausgeber: Staatsschauspiel Dresden Intendant: Wilfried Schulz Redaktion: Dramaturgie / Öffentlichkeitsarbeit Layout: Anett Backofen, Redaktion DMV Redaktionsschluss: 26. 3. 2013 Neben der regelmäßig veranstalteten Filmreihe „kurz & saftig“ ist das Kleine Haus nunmehr zum vierten Mal einer der zentralen Satelliten im Festival-Orbit des Filmfest Dresden. Das Internationale Kurzfilmfestival zählt zu den bedeutendsten und höchstdotierten Kurzfilmfestivals in Europa und präsentiert jedes Jahr eine erlesene Auswahl aktuellen Kurzfilmschaffens sowie Retrospektiven und thematische Sonderprogramme. Es versteht sich als wichtige Plattform für Filmschaffende und Fachbesucher wie auch für das Publikum. Vom 17. bis 20. April im Kleinen Haus. www.filmfest-dresden.de Schauspieler und Sänger Christian Friedel, KanteSänger Peter Thiessen, SPEX-Redakteurin Jacqueline Krause-Blouin und Theater der Zeit-Redakteurin Dorte Lena Eilers diskutieren am 19. April um 19:30 Uhr im Kleinen Haus bei der Veranstaltung Der Einbruch des Pop in die moralische Anstalt über die Rolle, die Popund Rockmusik auf dem Theater spielt, und über die „dionysischen Qualitäten“ (Friedrich Kittler) heutiger Popstars. Beim anschließenden Record-Release-Konzert der Hamlet-CD spielen Christian Friedel und seine Band Woods Of Birnam die Songs der aktuellen „Hamlet“-Inszenierung live im Kleinen Haus 1. Außerdem stellt sich die Berliner Band Do i smell Cupcakes? live zum ersten Mal dem Dresdner Publikum vor. Im Anschluss Party. Präsentiert wird das Ganze von Theater der Zeit, der Musikzeitschrift SPEX und dem Staatsschauspiel Dresden. Das Ballett Rossa der Oper Halle ist zu Gast bei der Tanzwoche Dresden Klassisch, exotisch, modern und experimentell. Die Gala zur Eröffnung der 22. Tanzwoche Dresden am 22. April um 19:30 Uhr im Kleinen Haus 1 zeigt wieder einmal Tanz in allen Facetten. Mit: Semperoper Ballett Dresden, Ballett der Staatsoperette Dresden, Ballett der Landesbühnen Sachsen, Palucca Hochschule für Tanz Dresden, Staatliche Ballettschule Berlin, Leipziger Ballett Mario Schröder, Ballett der Musikalischen Komödie Leipzig, Ballett der Theater Chemnitz, Tanzcompany des Gerhart Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau, wee dance company Berlin, Ballett des Theaters Plauen Zwickau und vielen weiteren Künstlern aus Sachsen. www.tanzwoche.de Save the date! 2. Lange Nacht der Dresdner Theater am 18. Mai, ab 18:00 Uhr Über 20 Theater zeigen auf mehr als 30 Bühnen der Stadt Theater, Comedy, Tanz, Oper, Operette, Puppentheater und vieles mehr. Zentraler Vorverkauf ab 26. April, 10:00 Uhr im Foyer des Schauspielhauses.