Europas Naturräume - Nationalatlas
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Europas Naturräume - Nationalatlas
Europas Naturräume Herbert Liedtke Alcantaraschlucht bei Taormina (Sizilien) in harten Lavaschichten des Ätnas mit Macchie (Buschwerk aus Sträuchern und Holzgewächsen) als Sekundärvegetation eines ursprünglich lichten Hochwaldbestandes, den der Mensch im Laufe der Jahrhunderte weitgehend vernichtet hat und der sich wegen starker Bodenerosion nicht mehr regenerieren kann -6,8°C 1,1° 600 mm kühlgemäßigtes O. DUBLIN 68m URALSK 38m WÜRZBURG 179m 561 mm Do n a u CARTAGENA 20m wä TRAPANI 27m rm ste rM ° 22 > at n o LARNACA 11m 336 mm Maßstab 1: 55000000 18,2° 547 mm Subtropenklima Klimazonen nach LAUER/FRANKENBERG 1996 Die Karte zeigt die starken Klimaunterschiede zwischen der polaren und der mediterranen Zone. Alle Küstenorte zeigen eine nur geringe Temperaturspanne zwischen dem wärmsten und dem kältesten Monat im Vergleich zu den im Landesinneren gelegenen Stationen Würzburg und Uralsk. Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt 307 mm Dnip ro Aus pragmatischen Gründen wird Europa vornehmlich nach politisch-administrativen Grenzen unterteilt. Dies hat dank vorhandener Statistiken den Vorteil leichter Vergleichbarkeit. Seltener sind dagegen Versuche, Europa oder Mitteleuropa nach Gesichtspunkten gleicher oder ähnlicher natürlicher Ausstattung abzugrenzen. Einen solchen Naturraum, an dem mehrere Staaten Anteil haben, bilden beispielsweise die Alpen (쑺쑺 Beitrag Buttschardt u.a., S. 150). Die Herausstellung von größeren, nach natürlichen Aspekten abgrenzbaren Einheiten geht in der Geographie auf Carl RITTER (1806) zurück, der damit der bis dahin betriebenen rein statistischen Betrachtung Europas entgegentrat. Es entsprach dem damaligen Empfinden der Romantik, sich in die Idylle schöner Naturbilder vergangener Jahrhunderte zurückzuversetzen. Die Aufteilung in Naturräume brachte allerdings viele Probleme mit sich. Wie sollte man im Bereich ausgedehnter flacher Tiefländer Abgrenzungen vornehmen? Sind Kämme eines Gebirges oder die Verläufe von Flüssen als natürliche Grenzen anzusehen? Prägende Elemente im Naturraum 5,0° 753 mm 9,0° 17,0° 209 mm Klima warmgemäßigtes Klima 9,4° AMDERMA 52m Wolg a n at Mo m a ko riti m nt in en t al 870 mm st e r 0° <1 Der Naturraum Wenn wir uns fragen, wodurch sich z.B. die Alpen von angrenzenden Naturräumen abheben, so lassen sich drei besonders wichtige Eigenheiten herausstellen: Ein plötzlich ansteigendes hohes Relief, ein in sich hinsichtlich Temperatur und Niederschlag ähnliches, aber gegenüber der Umgebung anderes Klima und eine in Zusammensetzung oder Dichte abweichende Vegetation. Daneben können auch Böden oder Gesteine zur Abgrenzung herangezogen 36 w är m 3,9° Polarklima VARDØ 13m REYKJAVIK 18m in Blick vom Großen Auerberg (579 m) bei Stolberg über die Hauptrumpffläche des Ostharzes mit Hainsimsen-Buchenwäldern und Fichtenanteilen nordwestwärts zum mit Fichten bestandenen Brocken (1142 m) 쐃 Europa Klimazonen Rhe Humid-ozeanisch geprägte, flach gewellte Landschaft der Strauchtundra mit verstreuten Moränenblöcken bei Kirkenes (Nordnorwegen) in etwa 100 m Höhe mit kleiner verlandender Hohlform Europa, eigentlich nur ein breiter westlicher Rand des eurasiatischen Kontinents, lässt sich im Süden, im Westen und im Norden gut abgrenzen, weil der Atlantik mit seinen Nebenmeeren Schwarzes Meer, Mittelmeer und der Barentssee eine klare Trennung von anderen Erdteilen erlaubt. Die Grenzen im Osten sind dagegen unsicher. Den Ural, einst bis zu seiner Kammlinie, heute bis zu seinem Ostfuß, zählt man zu Europa; südwärts dann folgt man östlich der Emba der Grenze gegen die im Osten einsetzenden Tertiärschichten bis an das Kaspische Meer und schwenkt am Südfuß des Kaukasus nach WNW bis zum Schwarzen Meer und dem Marmarameer ein. Innerhalb dieses riesigen Gebietes liegt Deutschland im mittleren Europa, wenn auch nicht ganz in seinem geometrischen Mittelpunkt (쑺쑺 Beitrag Schulz, S. 38). 19,9° Temperatur in °C URALSK 38m 50 Zeit der 40 Dürre 30 20 10 Autor: H.Liedtke © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 Klimadiagramm nach WALTER/LIETH 1960-1967 werden. Meist sind die Grenzen unscharf, und breite Übergangszonen sind die Regel. Es ist äußerst selten, dass sich an einer Naturraumgrenze alle Faktoren ändern. Das zeigt sich deutlich bei dem Nord-Süd-Profil vom Nordkap nach Sizilien �, wo Klima und Vegetation nur dort sprunghaftem Wandel unterliegen, wo an Gebirgsrändern deutliche Reliefunterschiede auftreten, denn dort bewirkt die Höhenstufung einen fühlbaren und sichtbaren Wechsel. Auffällig sind auch die ruhigen Oberflächenformen im geologisch alten Nord- und Mitteleuropa im Vergleich zu den wilden scharfen Formen der Alpen und Italiens, die beide nur durch die Senkungszone der Poebene getrennt sind. Ursache für diese krassen Unterschiede im Relief ist die Tektonik (쑺쑺 Beitrag Küster/Stöckhert, Bd.2, S. 36), die zu ganz unterschiedlichen Zeiten Teile von Kontinenten auffaltet, verstellt oder verbiegt. Zugleich erfolgt der Angriff von Wasser und Verwitterung und führt zum Abtrag mit nachfolgender Sedimentation an anderem Ort. Das Klima der einzelnen Orte Europas lässt sich mehreren Klimazonen zu- 473 mm Ort und Höhenlage Niederschlag in mm 100 80 60 40 20 0 0 J F M A M J J A S ON D Monate -10 -20 5,0° 307 mm JahresmittelJahresmittel des temperatur Niederschlags ordnen. Zwar sind die Unterschiede zwischen den Eckpunkten eines NordSüd- oder eines West-Ost-Profils erheblich, aber insgesamt meist gleitend. Nur dort, wo hohe Gebirge wie die Skanden, die Alpen oder die Pyrenäen maritimes gegen kontinentales oder gemäßigtes gegen mediterranes Klima abgrenzen, werden Klimagrenzen auch für den Menschen deutlich spürbar und schlagen sich in den Klimawerten gut erkennbar nieder. Auf dem kleinen Gebiet Deutschlands sind die Klimaunterschiede vorwiegend durch die Höhenlage bedingt, und der Wechsel vom maritimen zum kontinentalen Klima erfolgt nicht entlang einer Linie, wie in der Karte � angezeigt, sondern innerhalb eines breiten Bandes. Eine rein dynamische Unterteilung Europas nach Luftmassen zeigt ebenfalls eine Dreiteilung in ein polares und ein temperiertes Zyklonalklima sowie in ein KernpassatWechselklima. Konzentriert man sich auf die Vegetation �, so bemerkt man sofort eine von der Temperatur abhängige vorwiegend zonale Gliederung der Lebensräume von Pflanzen innerhalb Europas. Drei Auffäl- 30° 20° 10° 0° 10° 20° 30° 40° 쐇 Europa Naturräume Unterteilung Europas in landeskundlich gebräuchliche Einheiten nach vorwiegend geomorphologisch-tektonischen Gesichtspunkten. Vll-Vl O s e e Vl s Rhe Vl-Vll co Dnip ro in Vl Ü M 0° ge i l d ir eb h G c S r e h c i D t E U t R e l l ra Emb ra s e e t SÜDOSTA ro Ka sp n ip D 5642 Elbrus 2543 nau Do Sc ari E U R O P 2914 S c h s c h - b a lk o ll e n m o a n is c h e s Grand Sasso s a ik d Italia I t a l i e n 2917 hw arzes is c Kaukasus h 40° Meer 5137 Ararat Olymp 3350 O Ätna m e Maßstab 1: 42000000 Hellenie P A n r e 20° 0 30° O S T E U R O P A Naturraum Kriterien abgrenzen soll. Wie die Karten zum Klima 쐃, zum Relief � und zur Vegetation � Europas zeigen, gibt es nur wenige Stellen, an denen die Grenzen der verschiedenen Naturraumelemente über eine längere Erstreckung übereinstimmen. Deshalb wird hier der Versuch unternommen, in Anlehnung an die Himmelsrichtungen eine vermittelnde Abgrenzung vorzustellen, bei der das Relief im Vordergrund steht � und die anderen Kriterien in jenen Fällen herangezogen werden, wo deutliche Unterschiede im Relief fehlen. Dabei zeigt sich, dass manche Grenzen (Meere, Alpenrand) visuell hervorragend erkennbare Trennungen erlauben, wogegen an anderen Stellen nur ein einziges, dazu noch sehr schwach ausgeprägtes Merkmal zur Abgrenzung herangezogen werden kann. So ist die Grenze Mitteleuropas besonders im Osten nur sehr schwach ausgeprägt und folgt östlich VIla Vl-Vll Vl lV-Vl Belgrad D o na u lV-Vl Vll(r lll) Vll Vl-Vll V-Vl Vl-lV Sc hw arze s Meer V V Madrid Vll-lV lV-Vll i M 3798 Großn glockner Din S a h Karpat isch e Geb u n d B i rg e e c k e Moldoveanu n Montblanc Pico de Aneto Wo lg 200 Kaukasus 500 1000 1500 3000 m Teilgebiet eines Naturraumes Vll VlVlll Berlin lV-lll Alpe © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 a Moskau Wo lg Vlll-Vl t Vl-V lV 4807 S O Gerlachovský tit 2655 EUROPA 3404 Autor: H.Liedtke W ei c M it t elg eb i r g e Rhe in Atlan t is Fran ches kreic h Vlll-Vll s e e Vlll-Vl N o r d - lV-V MITTEL- A P O R U E T l Oslo oc V-lV Tiefland W E S T - T a h e s c s i s R u s U r e e Vllloc V O E U R O P A Vlllco 50° l f e se AN 1640 a 50° lX ATLANTISCHER OZEAN B ann is Inse che ln Vlll-Vloc V-Vloc No r d se e Brit OZE Jamantau l t i s HER Mulhacén 3478 Nordmeer Vl-Vllloc in Glittertind 2470 M lX-Vlll es is av ISC nd NT Vlll-lX Europäisches A P O s lX R ka LA Ibe rie n Barentssee U S AT 40° 쐋 Europa Vegetationsgliederung E e Bei der Unterteilung eines Gebietes denkt man zuerst an eine Zuordnung ge- D Ob Narodnaja l Naturräumliche Abgrenzung Mitteleuropas R 60° a mäß den Himmelsrichtungen; daher sind im deutschen Sprachgebrauch Begriffe wie Nord-, Süd- oder Mitteleuropa durchaus üblich. Es fragt sich, ob man sich für eine Gliederung nach natürlichen Einheiten ebenfalls an die Himmelsrichtungen halten oder ob man eine völlig neue Unterteilung vornehmen soll. Und wenn man natürliche Abgrenzungskriterien wählt, muss entschieden werden, ob man mehr nach geomorphologisch-tektonischen, nach vegetationskundlichen, nach klimatischen oder gar nach bodenkundlichen 80° r ligkeiten heben sich heraus: Erstens die Gebirge mit einem höhen- und expositionsabhängigen Wechsel der Pflanzenwelt, zweitens die Änderung der Vegetation innerhalb einer Zone in östlicher Richtung und drittens die sich von der Nordwestküste Europas in Nord-Süd Richtung ändernde und auf der Wirkung des Golfstroms beruhende Pflanzenwelt. O 70° U N 60° 60° 1894 E u r o p ä i s c h e s N o r d m e e r ch Vulkaninsel Island 50° e se ts en Bar t t lV-Vll e lV l lll-lV m lV e Bagdad lll r e Vegetationsgliederung Europas in Lebensräume (Zonobiome) und Übergangsbereiche (Zonoökotone) nach WALTER 1977 und WALTER/BRECKLE 1991 Zonobiome IV IX VIII Tundra kaltgemäßigtes boreales Klima mit borealem Nadelwald VII aridgemäßigtes Klima mit Grassteppe VIIa, VII(rIII) mit Halbwüste VI gemäßigtes Klima mit temperierter Laubwaldzone V warmtemperiertes humides Klima mit Übergangsvegetation der Subtropen zu den gemäßigten Klimaten Winterregengebiete mit subtropischer Vegetation subtropische Wüsten III Gebirgsvegetation (Orobiom) oc co ozeanischer Einfluss kontinentaler Einfluss Zonoökotone Die Zonoökotone sind durch Schraffur und die Kombination der Zahlen dargestellt. Autor: H. Liedtke © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 Maßstab 1: 50000000 der Weichsel einer in Polen entworfenen Grenze naturräumlicher Einheiten. Im Westen liegt eine vertretbare Grenze am Außenrande der herzynischen Gebirge Ardennen und Vogesen und dort, wo sich die Ausbuchtungen der mesozoischen Gesteine in das Rheinische Schiefergebirge nicht mehr bemerkbar machen. Weiter zur Küste hin beginnt Mitteleuropa mit dem Einsetzen jener geschlossenen Lössdecke, die sich quer durch Deutschland bis in die Ukraine hinzieht. Im Norden zählt das sonst eindeutig zu Nordeuropa gehörige Dänemark wegen seiner eiszeitlichen Deckschichten zu Mitteleuropa, und im Süden endet Mitteleuropa am Südrand der Alpen und berührt dadurch das Mittelmeer.웇 � Relief und Vegetation Europas Nord-Süd-Profil Polare Zone Zwergstrauchtundra, Fjällbirkenwald Boreale Nadelwaldzone KiefernFichtenwald Mitteleurop. Mischwald- und Laubwaldzone Fichten- u. Tannenwald mit Buchen u. Eichen F i c h t e n w a l d Alpine Zone höhere Lagen: Fichten, Tannen, Buchen tiefere Lagen: Buchen, Eichen, Kiefern Alpen Mediterrane Hartlaubzone höhere Lagen: sommergrüne Eichen- Buchenwälder tiefere Lagen: immergrüne Wälder mit Macchie 3674 3000 m 2414 Inn 512 Nordkap1139 244 307 0 Siljan-See 571 161 400 70°N 68° 1200 800 66° Norwegen FIN S 64° c 343 h 62° w e d 1600 60° e Kristian- Rügen Müritz stad 161 63 Ostsee n 58° 2000 56° Elbe Jena 1051 Alb 53 363 657 2400 54° 52° 20 2800 50° D e u t s c h l a n d 48° A 2271 Trasimen. See Po 442 1929 Sizilien 259 A p e n n 3200 46° Ätna 3263 i n e 3600 44° I 4000 km 42° t a l 40° i n e 38°N n Autor: H.Liedtke © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 Europas Naturräume 37