Deutsche Post ohne Vater Staat
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Deutsche Post ohne Vater Staat
Deutsche Post ohne Vater Staat Unternehmensporträt von Andreas Müller „Diese Maschine kann 30 000 Großbriefe pro Stunde bearbeiten. Hier geht richtig die Post ab!“, versichert Philipp Kühn, Leiter des Münchner Briefzentrums der Deutschen Post AG. Er zeigt auf eine große Maschine, die Briefe ordnet. „Im Briefzentrum haben wir schon fünf Millionen Briefe an einem Tag geschafft. Da geht schon was durch.“ Die Deutsche Post beeilt sich, seit sie eine Konkurrenz fürchten muss – und so richtig ist das erst seit Anfang 2008 der Fall, als das Unternehmen das Briefmonopol verlor. Die vollständige Liberalisierung des Postmarktes in Europa fand sogar erst am 1. Januar 2013 statt. Die Deutsche Post hat gezeigt, dass sie sich auch als Privatunternehmen behaupten kann, seit sie von Vater Staat vor die Tür gesetzt wurde. Porträt eines verwaisten Großkonzerns. Die Post und ihre Privilegien Die Deutsche Post versuchte auch nach der formellen Privatisierung durch das Deutsche Postgesetz, das 1998 in Kraft trat, so viele Privilegien wie möglich zu behalten. Einen heftigen Streit gab es etwa im September 2007. Die Postgewerkschaft ver.di einigte sich mit dem Arbeitgeberverband Postdienste auf einen Mindestlohn von 8,00 bis 9,80 Euro je Stunde. Private Postunternehmen widersprachen dem Tarifvertrag und warfen der Deutschen Post vor, ihre führende Rolle im Arbeitgeberverband Postdienste ausgenutzt zu haben, um einen so hohen Mindestlohn durchzusetzen, der private Unternehmen vom Markt verdrängen würde. Tatsächlich gingen von Jahresbeginn 2008 bis zum 15. April 2008 laut einer Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage 5693 Arbeitsplätze in der Branche verloren. Die privaten Postunternehmen klagten gegen den Mindestlohn und ver.di verklagte die privaten Postunternehmen, die ihn nicht zahlen konnten. Nach einer Reihe von Gerichtsprozessen urteilte schließlich das Bundesverwaltungsgericht am 28. Januar 2010 in letzter Instanz, dass der PostMindestlohn rechtswidrig war. Ein weiteres Privileg war dem Unternehmen heilig. Bis zum 30. Juni 2010 war die Deutsche Post von der Umsatzsteuer befreit – ihre Konkurrenten mussten sie hingegen vollumfänglich zahlen. Die deutsche Politik beließ alles beim Alten, bis die Europäische Union einschritt und eine gesetzliche Neuordnung anmahnte. Am 1. Juli 2010 trat ein Gesetz von Bundesrat und Bundestag in Kraft, laut dem die Deutsche Post AG im Privatkundensektor weiterhin von der Umsatzsteuer befreit ist, sie im Geschäftskundenbereich allerdings entrichten muss. Diese Regelung gilt für alle Konkurrenten ebenso – aber nur, insofern sie ihre Dienste flächendeckend anbieten. Und das können sich nicht viele private Postunternehmen erlauben. Aktuell hat die Deutsche Post nur zwei Konkurrenten bei der deutschlandweiten Briefzustellung: Die Citypost GmbH und Citykurier. Dabei war das Beharren auf alte Privilegien nicht notwendig – die Deutsche Post ist auch als Privatunternehmen erfolgreich. Die Post geht einkaufen Nach der Privatisierung ist die Deutsche Post erst einmal Einkaufen gegangen. Die wichtigsten Käufe waren das Schweizer Logistikunternehmen Danzas, das britische Logistikunternehmen Exzel und der amerikanische Brief- und Paketexpressdienst DHL. Die Investition hat sich gelohnt. Heute ist die Deutsche Post globaler Marktführer im Internationalen Express, in der Spedition und in der Kontraktlogistik. Die Deutsche Post hat weltweit 475 000 Mitarbeiter in 220 Ländern. 60 Prozent der Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands tätig. 2012 konnte das Unternehmen einen Umsatz von 55,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Der Gewinn betrug 1,7 Milliarden Euro. Somit gehört die Post zu den zehn größten Unternehmen Deutschlands. E-Mails statt Briefe Die Post hat dennoch ein Problem: Ihr Kerngeschäft schwindet. Der Rückgang im Briefverkehr beträgt jährlich zwei bis drei Prozent. Viele Briefe werden heute durch E-Mails, Social Media und SMS ersetzt. Der E-Postbrief konnte sich bislang nicht durchsetzen. Bei diesem ist garantiert, dass der Absender wirklich er selbst ist, während E-Mails anonym oder mit falschen Namen verschickt werden können. Mit 58 Cent kostet der elektronische Brief allerdings genauso viel wie der Papierbrief. Gerold Beck, Leiter der Pressestelle Süd von der Deutschen Post, stellt dem Rückgang des Briefverkehrs den Aufschwung bei den Paketen gegenüber. „Amazon ist heute wichtiger für uns als es Quelle jemals war.“ Die Leute kaufen ihre Produkte inzwischen gerne im Internet – und häufig wird die Deutsche Post mit der Zustellung beauftragt. In Hinblick auf den Umsatz können die zusätzlichen Pakete den Ausfall bei den Briefen ausgleichen. Ob das auch für den Gewinn gilt, kann Beck nicht beantworten. Die Gesellschaft ist schuld Gerold Beck berichtet, dass die Post ihr Versprechen „E + 1“ in 95% der Fälle einhalte. Nach dem Einlieferungstag und einem zusätzlichen Tag kommen die Briefe also in 95% der Fälle bei den Empfängern an. Das klingt zunächst nach viel. Bedenkt man allerdings, dass die Post 64 Millionen Briefe am Tag bearbeitet, bedeutet das: 3,2 Millionen Briefe erreichen jeden Tag nicht ihr Ziel, jedenfalls nicht rechtzeitig, wenn überhaupt. „Das ist ein gesellschaftliches Problem“, meint Beck. Es gibt Mitarbeiter, die Briefe wegwerfen, um früher Feierabend machen zu können. Es gibt hin und wieder auch Mitarbeiter, die Briefe stehlen, „weil sie meinen, dass in jedem Briefumschlag 100 Euro drin sind“. Ferner seien 96 Prozent aller Kunden laut dem Kundenmonitor Deutschland 2012 zufrieden bis sehr zufrieden mit der Briefpost. Die Konkurrenz schläft nicht. Es gibt etwa 1000 Unternehmen, die in einem regional begrenzten Gebiet die Briefzustellung anbieten. Meist sind das Verlagshäuser wie Axel Springer und Georg von Holtzbrinck. Auch ausländische Postdienstleister wie die Holländische Post und die Schweizerische Post sind hier aktiv. Die Post für Deutschland? Die Post für Deutschland und das Logistikunternehmen für die Welt – so lautet der Anspruch der Deutschen Post AG. In beiden Bereichen ist die Deutsche Post in der Tat Marktführer. Das Unternehmen hat bewiesen, dass es auch ohne staatliche Bevorzugung ökonomisch erfolgreich sein kann – sogar um einiges erfolgreicher als zuvor. Das Schwinden ihres Kerngeschäfts, der Briefzustellung, sollte das Unternehmen allerdings ernster nehmen.