Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz
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Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz
Universität Osnabrück Fachbereich 07 Sprach- und Literaturwissenschaft Dissertation Zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz-Formate im deutschen und russischen Fernsehen von Galina Mavricheva 2009 INHALT I. Einleitung …………………………….……………………………........ 3 1.1. Definition des Quiz-Formates ………………………...……................ 5 1.2. Quiz und seine Platzierung unter den anderen Fernsehshows …….... 11 1.3. Die Vorgeschichte …………………………………………..…....…. 16 1.3.1. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Deutschland (von den frühen Radio-Quiz, Quiz-Sendungen und Game-Shows der 50er („Einundzwanzig“), 80er Jahre („Glücksrad“, 1988) bis zu „Wer wird Millionär?“, 1999, 2001 und „Deal or no deal“, 2006) …………......…... 19 1.3.2. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Russland (von den Vorgängern „Что, где, когда“ (Was, wo, wann? – 80ger Jahre) und „Поле чудес“ (Glücksfeld) bis zu „О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), „Кто хочет стать миллионером?“ (Wer wird Millionär?) usw.) ……...…...... 33 1.4. Internationale Verbreitung (Vermarktung) von Quiz- und Game-Shows des gleichen Formates ...………..…………………...... 43 II. Inhaltsanalyse ……………………………...…………………………… 46 2.1. Kurzporträts der untersuchten Quiz-Sendungen im deutschen Fernsehen …………………………………………………...………. 46 2.1.1. Wer wird Millionär? ………………..……….……….…….. 46 2.1.2. Das Quiz mit Jörg Pilawa ………..……………………....… 72 2.1.3. Glücksrad ………………………………………………….. 76 2.1.4. Einundzwanzig ………………………..…………...………. 83 2.2. Kurzporträts der untersuchten Shows im russischen Fernsehen ......... 88 2.2.1. КВН (KWN - Klub der Lustigen und Schlagfertigen) …..... 88 2.2.2. Что, Где, Когда? (Was, wo, wann?)…………..………...… 93 1 2.2.3. Поле чудес (Glücksfeld = Glücksrad) ……………...…...... 97 2.2.4. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?) ... 100 III. Vergleichende Analyse der gleichnamigen Quiz-Sendungen ........... 110 3.1. Titel, Design, Logo …………………….…………………......….... 110 3.2. Moderatorenleistung ………………………...………….………..... 126 3.3. Die Fragen und die Antworten ….…….……...……….….........…... 140 3.4. Gewinne und Preise …………………………………...………....... 154 3.5. Finanzierung und Werbung in der Sendung …….…………......….. 161 3.6. Einschaltquoten …………………………...………...……...…....… 175 IV. Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei der internationalen Verbreitung der gleichen Quiz-Formate hinweisen ….. 189 V. Zusammenfassung ………………………………..…….….………….. 201 Zusätzliche Tabellen …………………………..…………………...…..….. 222 Literaturverzeichnis …………………………………………..……………. 225 2 I. Einleitung Durch die modernen Globalisierungsprozesse wird auch die Medienlandschaft in der ganzen Welt stark verändert und dabei die grenzübergreifenden internationalen Verflechtungen der Medienindustrien verstärkt. Die Interkommunikation im Bereich Fernsehen ist nur eine der Folgen oder anders gesagt „begleitende Nebenwirkung“ bei der wirtschaftlichen Integration verschiedener Länder. Dies führt zur Standardisierung der Fernsehproduktionen und zur globalen, bereits vorprogrammierten Popularität der maßgeschneiderten Fernsehformate. Ein Dutzend Medienunternehmen vermarkten eine Idee in der ganzen Welt, die in einem Format geschickt verpackt ist. Auf einer tieferen Ebene erscheinen jedoch die Anzeichen, dass die Fernsehformate von den lokalen Besonderheiten, von der nationalen Kultur und von der Mentalität der Zuschauer wesentlich abhängen. Diese Tatsache lässt sich am Beispiel von populären Quiz-Formaten, die seit der Frühphase des Fernsehens zum festen Bestandteil des Programmangebots zählen, gerade gut beobachten. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, am Beispiel von gleichen Formaten von populären Quiz-Sendungen im russischen und deutschen Fernsehen zu beweisen, das das Fernsehen sowohl global aber auch national sein kann. Das Fernsehen ist durch wirtschaftliche Globalisierung von Massenmedien neu geformt und gleichzeitig durch lokale nationale Kulturen stark geprägt. Neben einer theoretisch orientierten Einführung und einer auf Struktur und Inhalt konzentrierten Analyse konkreter Formate interessiert mich die Entwicklung dieses Programmbereichs unter dem Aspekt, dass sich hier eine in hohem Maße nicht-autonome Programmentwicklung beobachten lässt. Die Aufarbeitung von Geschichte und Entwicklung der Quiz- und Game-Shows 3 erfolgt darüber hinaus unter Berücksichtigung allgemeiner Überlegungen zur Funktion dieser Unterhaltungsangebote innerhalb der Gesamtstruktur des Fernsehens. In dieser Arbeit werden die bestimmten Quiz-Sendungen sorgfältig verglichen und genau analysiert. Die Analyse erfolgt aufgrund von Programmbeobachtungen von Sendern und einzelnen Sendungen, von Reaktionen und von der interaktiven Teilnahme von Zuschauern im deutschen und russischen Fernsehen und von Interviews mit Verantwortlichen der TV-Produktionsunternehmen und Programmveranstaltern. In diese Programmbeobachtung sind folgende Sender einbezogen worden: deutsche Sender RTL russische Sender ОРТ 9Live ARD НТВ Kabel 1 РТР ZDF SAT.1 Das Hauptziel der Arbeit besteht aber nicht darin, thematisch die Programme miteinander zu vergleichen, sondern in der Analyse von tieferen, psychologisch bedingten Unterschieden. Diese Unterschiede werden heutzutage von einigen analytischen Unternehmen untersucht und aufgrund der Ergebnisse haben nun die TV-Produzenten die Möglichkeit, absolut rational Hit-Programme zu konstruieren, die ganz gezielt bestimmte Zielgruppen schnell und erfolgreich erreichen. Die Beobachtungszeit erstreckte sich von 2000 bis 2008. 4 1.1. Definition des Quiz-Formates Ein Quiz aus dem Englischen bedeutet ein Fragespiel oder Ratespiel, in dessen Verlauf Denksportaufgaben und Wissensfragen möglichst richtig beantwortet werden müssen. Vor allem im Fernsehen gehören die Quizsendungen seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Formaten. Entsprechend hat sich eine große Vielfalt von Formaten entwickelt, die sich in Reglement, Kandidaten, Fragen und Gewinnen unterscheiden.1 Die Quizsendung, auch Quizshow genannt, ist eine Unterhaltungssendung in Form eines Ratespiels. Quizsendungen sind ein Untertyp der Spielshows. Neben den eigentlichen Quizsendungen werden heute Ratespiele als Beiprogramm in verschiedenen TV-Sendungen veranstaltet (Sport-, Kinder-, Wissenschafts- oder Infotainmentsendungen). Das Wort „Quiz“ als Fremdwort hat in der russischen Sprache keinen breiten Gebrauch, weil seine russischen Äquivalente viel aussagekräftiger und gewohnter sind. Das russische Äquivalent (Entsprechung) dieses Begriffs ist – «телевикторина» („televiktorina“: „tele“ – vom „television“, lat. „victoria“ Sieg), bzw. «телеигра» („teleigra“ - TV-Spiel, Fernsehspiel, TV-Game).2 Das Wort „викторина“ (viktorina) – russischer Begriff für das Quiz entstand in den 20er Jahren. Das Wort hat ein bekannter Journalist und Schriftsteller, Michail Kolzov erfunden. Das war eine Überschrift auf einer Zeitungsseite mit unterschiedlichen Fragen, Kreuzworträtsel, Scharaden usw. Dieses Ressort gestaltete damals ein Mitarbeiter mit dem Namen Viktor, nach seinem Namen entstand das Wort „viktorina“. Der Name Viktor bedeutet 1 Von „http://de.wikipedia.org“ Краткий словарь современных понятий и терминов, М., издат-во "Республика", 1993 год: «КВИЗ - (англ.-амер. quiz - предварительный экзамен, проверочный опрос; викторина) - радиоили телевизионная игра на сообразительность и эрудицию, состоящая из вопросов и ответов на различные темы; лит. или муз. телевикторина с крупными призами для победителей и также утешительными - для наиболее активных (или всех) участников». Пример Квиз "Умники и умницы" очень популярен среди подростков. 2 5 außerdem auf Latein „victoria“ – der Sieg. Danach wurde das Wort zum Sammelbegriff für alles, was mit Fragen und Antworten zu tun hat.3 "Format" ist zunächst kein Rechtsbegriff und findet sich dementsprechend in keiner Definition. "Format" ist ein in der Praxis entwickelter Begriff. Auf eine Kurzformel gebracht ist ein Format ein Konzept, auf dessen Grundlage die einzelnen Folgen einer Serie oder einer Show gefertigt werden. Der Begriff „Format“ stammt ursprünglich aus dem Druckgewerbe und bezeichnet eine bestimmte Seitengröße in einem Buch. Anfang der 50er Jahre tauchte er erstmals in der Radioszene in den USA auf. Ein Radio-Format setzte sich damals aus einem kurzen Namen, einer Musikbeschreibung und der angesprochenen Zielgruppe zusammen.4 In Deutschland hingegen sind Radio-Formate erst seit dem Ende der 80er Jahre bekannt, wobei hier das „Format“ den Überbegriff für die Kombination aus Struktur, Inhalt und Präsentation eines Radioprogramms bildet.5 Mittlerweile ist diese Bezeichnung auch im Bereich des Fernsehens weit verbreitet. Beim „Paper Format“ handelt es sich um ein detailliert geschriebenes Skript, das ein Basis-Konzept für ein TV-Programm-Format darstellt („detailed written document that presents the initial concept for a TV programme format“ 6). Neben der Idee, dem Inhalt und dem Layout 7 können hier auch der Titel, die Zielgruppe oder die Länge der Sendung festgehalten sein. Das „TV format package“, bzw. das „TV programme format“, lässt sich als „recipe and ingredients that gives the knowledge to reproduce an existing TV programme in another country“ 8 definieren. Es repräsentiert also das Wissen, das im Rahmen der Produktion von auf dem „Paper Format“ aufbauenden Sendungen gewonnen wurde. 3 www.tvigra.ru M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler TV-Formate, GRIN Verlag, 2005 5 M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler TV-Formate, GRIN Verlag, 2005 6 http://www.tvformats.com /formatsexplained.htm 7 Hierzu zählen beispielsweise Bühnenbau, Studiodekoration, Vorspann und Logo. 8 http://www.tvformats.com /formatsexplained.htm 4 6 Mit dem Begriff Format werden regelmäßig „sämtliche wiederkehrenden Gestaltungselemente einer TV-Show, wie insbesondere Spielidee, Moderatorenleistung, Bühnendekoration, Titel, Logo, Ablauf der Sendung, Verwendung bestimmter Befragungstechniken usw.“9 bezeichnet. Das Format einer TV-Show ist letztlich nichts anderes als die Gesamtheit der Erscheinungsformen einer Show, so wie sie vom Zuschauer aufgenommen wird.10 Allgemein bekannt sind Beispiele von Formaten, die Fernsehgeschichte im internationalen Umfang geprägt haben, wie "Wer wird Millionär?", "Big Brother" oder „Popstars“/ „Pop Idol“. Gute Formate stellen für die Medienwirtschaft einen attraktiven Content dar, der bei der vergleichsweise billigen Herstellung und verlockenden Gewinnen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor zwischen Fernsehsendern wird. Die Innovation durch Adaption amerikanischer Programmideen (Eins-zu-einsAdaption, die seit Jahrzehnten in den USA in der Praxis erprobten Formaten) wird bei vielen (vor allem bei den privaten, bzw. kommerziellen) Sendern heute noch groß geschrieben. Der kommerzielle Erfolg von solcher Art Lizenz-Produktion ist in der Regel schon vorprogrammiert, genauer - soll vorprogrammiert werden. Dazu kommt der Konzeptimport aus bislang weniger beachteten Ländern wie den Niederlanden (Endemol-Produktionen im RTL-Programm) oder Großbritannien („Wie bitte? Wie bitte?!“). Die Game-Shows ziehen breite Massen der Zuschauer an. Sie verwandeln das Publikum nicht nur in aktive Teilnehmer des Geschehens, sondern auch in Schöpfer des Prozesses. 9 Von Have/Eickmeier, Der gesetzliche Rechtschutz von Fernseh-Show-Formaten, ZUM 1994, 269, 270; vgl. auch Wolf Schwarz, Schutz und Lizenzierung von Fernseh-Show-Formaten in: Scheuermann/Strittmatter (Hg.), Urheberrechtliche Probleme der Gegenwart, Baden-Baden 1990, 203, 204. 10 NÖRR STIEFENHOFER LUTZ, Von Dr. Martin Diesbach, Schutzfähigkeit von Fernsehformaten 7 Aus seiner praktischen Sicht bezeichnet der russische Moderator und TVProduzent Alexander Gurevitsch das Format 11 als eine exakte Beschreibung des Produkts: «Es gibt einen Text, in dem ausführlich beschrieben wird, welche Farbe dieses Produkt hat, welche musikalische Passage und wo sie eingeführt werden soll und ob dabei ein blaues Licht blinken muss. Es wird nicht das Produkt selbst verkauft, sondern seine genaue Gebrauchsanweisung zu derjenigen Produktion. Das Format ist so präzise ausgearbeitet, dass keine Schwierigkeiten sogar in außergewöhnlichen Spielsituationen entstehen können. Im Lizenzpaket für dies oder dasjenige Format ist ein dickes Buch unter dem Namen „Bibel“ beigelegt. Da steht alles niedergeschrieben». Obwohl einige Analytiker in Russland einheimische Formate für nicht dauerhafte halten und ihnen eine ungenügend industrielle Produktionsweise zuschreiben, ist es nicht zu übersehen, dass auch ausländische Lizenzhits (wie „Алчность“ (Greed), „Ca$h“ usw.) aus dem Programm rausfliegen. Dabei bleibt die noch in den sowjetischen Zeiten entstandene Quiz-Sendung „Was? Wo? Wann?“ seit 30 Jahren immer noch im Programm. Valdis Pelsch, der Moderator von „Rate die Melodie!“, meint, dass z. B. „Алчность“ (Greed) von Anfang an ein veraltetes Format aus den 90-ern war. Es war von Anfang an nur wenig interessant.12 Das Format der populären Quiz-Shows soll in der Regel nach den nationalen Besonderheiten des Publikums adoptiert werden. In den Fällen, wo die Besitzer von internationalen Rechten keine strikte Befolgung von „Bibel11 Von Anatolij Golubovskij (Анатолий Голубовский, «Эфирное счастье», Еженедельный ЖУРНАЛ, №021, 4.6.2002) Александр Гуревич: «Формат - это точное описание продукта. Существует текст, в котором подробно изложено, какого цвета должен быть этот продукт, где и какой музыкальный «блямс» нужно вставить и надо ли при этом мигать синим фонарем. Продается не сам продукт, а очень точная инструкция по его производству. Формат отлажен настолько, что вопрос: «А что делать в неожиданной игровой ситуации?» просто не может возникнуть. В пакете документов есть толстая книжка под названием Bible («Библия»). Там все сказано». 12 Von Anatolij Golubovskij (Анатолий Голубовский, «Эфирное счастье», Еженедельный ЖУРНАЛ, №021, 4.6.2002) Валдис Пельш: «Судьба «Алчности» печальна. С моей точки зрения, эта игра была устаревшей с самого начала. Как только я ее увидел, сложилось ощущение, что это телевидение 1993-1994 годов. Неинтересно. Нет в ней таких крючков, которые цепляют в «Миллионере» или «Слабом звене». 8 Regeln“ fordern, die das Aussehen und die Sprechcharakteristiken der Moderatoren, Lichtpartitur(-palette) und andere ähnliche „Kleinigkeiten“ einschließen, steht der russischen Kreativität nichts mehr im Wege. Der Erfolg des Quiz hängt von der Intuition des Produzenten ab, von seiner Fähigkeit, die Melodie der Zuschauerseele zu erraten. Im Grunde genommen ist das Format eine Schablone, die aus psychologischer Sicht genau aus spannender, aber auch moderner Musik, korrekter Moderation und präziser Folge vom bestimmten Regeln zusammengestellt ist. Die Kosten für das Format hängen von der Spezifik des gesellschaftlichen Lebens im einen oder anderen Land ab. Allgemein arbeitet die Formatindustrie in den Ländern mit einem gefestigten sozial-demographischen Stratum (Schicht). In den Ländern mit einer stabilen Wirtschaft und mit einer prognostizierbaren Entwicklung kann man dies oder jenes Format sicher starten und schließlich eine erwartungsgerechte Zuschauergruppe erreichen, deren dementsprechendes Alter, Geschlecht, soziale Schicht, Ausbildung, psychotypische Charakteristiken vorprogrammiert waren. In den Ländern, die wirtschaftliche Rezession, politische Instabilität, Depressionen, totale Umwertung aller Werte erlebt haben (sowie Russland in 90-er Jahren war), stößt die Formatindustrie auf große Schwierigkeiten. Das kann man mit einem Schichtsalat vergleichen, in dem alle Schichten plötzlich vermischt wurden. Hier genau liegt das Problem: in so einer Gesellschaft läst sich keine sichere Prognose abgeben, denn in einer unstabilen Situation können öfters Gegenreaktionen ausgelöst werden, die die Prognose dann ins Leere laufen lassen. Anderseits ist aber (und das hat europäische Fernsehgeschichte bewiesen) die Psychologie der Zuschauer gegenüber dem Format-Fernsehen nicht eindeutig. Ein gut gemachtes Format kann tief in den Zuschauer eindringen. Es gibt den Zuschauern genau das, was sie sehen wollen, es ist in den Tagesablauf der Zuschauer perfekt eingepasst, mit Musik, Aktionen und interaktiven Spielen 9 gefüllt, nahe liegend, leichtverständlich und nachvollziehbar. Solche Formate können die Massen festhalten. Das Format des Fernsehspiels (sei es Quiz oder Game-Show) ist universell und sehr anpassungsfähig. Durch Änderung einiger Elemente kann es zu verschiedenen Zielgruppen der Zuschauer adaptiert werden. Keine Seifenoper, keine Sport- oder Nachrichtensendung, an denen einige Zuschauer überhaupt kein Interesse zeigen, können nach ihrer Universalität mit den Game-Shows verglichen werden. Dies bestätigen auch die Erfahrungen von Alexander Gurevitsch, des Produzenten, Moderators und gleichzeitig künstlerischen Leiters vom „Studio 2B“ (Gesellschaft, die die langlebigste TV-Spiele produziert): «Die Game-Show ist eine sehr flexible Struktur. Einerseits kann sie auf einem Kanal den Charakter einer pseudopsychologischen Sadomaso-Form (wie „Слабое звено“ - Weakest Link = Der Schwächste fliegt) annehmen, andererseits auf anderem Kanal schafft sie im Zusammenklang mit der Konzeption des Produzenten ein ganz anders Weltbild – durchaus friedlich, gemütlich, wie im Familienspiel „Устами младенца“ (Child´s Play)».13 Die großen und kostenspieligen Projekte – so wie Reality-Shows „Последний герой“ (Survivor - Der letzte Held), „Форт Байярд” (Fort Boyard), „За стеклом“ (Hinter Glas) usw. – können nicht täglich und ständig das Programm füllen. Sie sind schnell verbraucht. Die ständige (den Nachrichten ähnliche) spielerische Kulisse kann im Gegensatz zu anderen Angeboten im modernen Fernsehen ausschließlich das Quiz verschaffen (verleihen). 13 Von Alexander Gurevitsch (Александр Гуревич, «Эфирное счастье, Еженедельный ЖУРНАЛ, № 021, 4.6.2002) 10 1.2. Quiz und seine Platzierung unter den anderen Fernsehshows Der globale Medienmarkt ist relativ jung. Bis zu 80-er Jahren hatten Mediensysteme hauptsächlich einen nationalen Charakter. Obwohl schon damals Bücher, Filme, Musikwerke, Fernsehshows importiert wurden, waren die Rundfunksysteme und Verlage in den Händen von nationalen Kapitalgesellschaften. Der Medienmarkt wurde wegen seiner strategischen Bedeutung gesetzlich streng kontrolliert und die Teilnahme von ausländischen Investoren wurde begrenzt. Allmählich hat sich diese Situation verändert. Einerseits spielten hier Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung der Medien- und Kommunikationssysteme eine große Rolle, andererseits führten die Entwicklung der Satellitenverbindung und der digitalen Technologien zur explosionsartigen Expansion der globalen Mediengiganten, die heutzutage in die transnationalen Informationsimperien umgewandelt wurden. Viele Experten, Soziologen und Kulturologen bemerken eine ausgeprägte Tendenz zur Erhöhung der Unterhaltungsmotivation im Umgang des modernen Menschen mit der Information, Kultur, Kunst. Es entsteht ein Interesse zu den einfachen, entlasteten und verständlichen Formen in der Kunst insgesamt, die keine intellektuellen Anstrengungen oder Arbeitsaufwand für Konsumenten benötigen. Diese Passivität in der Betrachtung ist in der heutigen Zeit auch für das Fernsehen charakteristisch. Jeder Fernsehkanal, genau so wie jede Business-Institution, hat ein einleuchtendes Ziel – möglichst viel Geld zu verdienen. Wie man zu diesem Ziel kommt, entscheidet jeder für sich. Im Grunde genommen haben alle Sender nur eine einzige Motivation – die Zahl der Zuschauer, bzw. Einschaltquoten zu erhöhen. So muss jeder Sender seinen Platz auf dem Medienmarkt behaupten und zusätzliche Zuschauer von den Konkurrenten weglocken. Durch die hohen Einschaltquoten wird die Attraktivität des TVKanals für Werbeträger, die wichtigsten Geldlieferanten im globalen Fernsehraum, automatisch erhöht. Um die Konkurrenzfähigkeit eines TV- 11 Kanals zu erhöhen, muss dementsprechend die Qualität des Fernsehprogramms steigen. Wenn wir das Programmangebot von europäischen „Top 10“ nach Genre vergleichen, so sehen wir nach Angaben von Eurodata TV 14, dass Unterhaltungsprogramme, zu denen auch Quiz-Sendungen gehören, mit den Spitzenreitern - Film und Serien - konkurrieren und sogar wie „WWM“ in vielen Ländern führende Positionen auf den Top-Listen einnehmen. Man kann vermuten, dass in absehbarer Zukunft das Telecasino zum dominierenden Genre im Fernsehen wird. Wenn die führenden Positionen von Film und Serien in europäischen TVChats gedrängt wurden, dann dank dem phantastischen Erfolg vom QuizFormat „Wer wird Millionär“. Erst 1999 erschien diese Quiz-Show in Chats in Kanada, Dänemark, Großbritannien und in den USA. Im Jahr 2000 ging diese Show ziemlich stürmisch durch zentral- und westeuropäische Länder und den Nahen Osten (Belgien, Deutschland, Irland, Israel, Slowakei, Slowenien und Schweden). Die Möglichkeit, übergroße Gewinne zu erzielen, sammelte enorm viele Zuschauer vor den Bildschirm. Bis heute sind die Spiele mit großen Gewinnsummen sehr populär: „Wetten, das..?“ - im deutschsprachigen Schweiz, „Alles ist möglich“ – in Österreich, „Carramba che fortuna!“ – in Italien, „Lottoreckning“ – in Norwegen und Nationallotterie „Bingo Liberto“ – in Rumänien. In 2001 besonders populär war das Format des übernationalen Charakters „Wer wird Millionär“. 14 Eurodata TV - ist ein Tochterunternehmen des französischen Fernsehforschungsinstitut Médiamétrie [www.mediametrie.fr]. Eurodata TV führt sendungsbezogene Daten aus mehr als 66 Ländern weltweit zusammen. Das Institut vermarktet die AGF-Daten im Ausland. Das Projekt existiert seit 1993. Russland ist seit 1999 dabei. Als Grundlage für Analyse dienen die „Top(Hit)Liste“ mit 10 besten Programmen jedes Landes, wo auch Genre und Produktionsland fixiert ist. Aus dieser Analyse werden die Präferenzen und die Besonderheiten der Zuschauer weltweit anschaulich. Коломиец Виктор Петрович, «Телевизионное пространство глобального мира», Телефорум 2002, № 2. Цель статьи: опираясь на данные исследования, проведенного «Eurodata TV» в 2000 году, представить некоторые тенденции мирового и отечественного телевидения в аспекте процессов глобализации, формирования единого информационного пространства. 12 Die meisten Programme in Hitlisten sind einheimischer Produktion15. Der größte Exporteur bleiben die USA, in verschiedenen Ländern variiert aber die Zahl der Programme „made in USA“ in den Hitlisten von 5% bis 30%. Der größte Teil amerikanischer Programme läuft in Südafrika, Ozeanien und Osteuropa, am wenigsten – in Westeuropa und Asien. Diagramm 1 Struktur der Hitlisten nach dem Produktionsland 5% 10% 10% 8% USA regionale Produktion nationale Produktion unbestimmt Sonstiges 67% In Westeuropa haben die Unterhaltungsprogramme (35%) die Filme und Serien (32%) von der führenden Position gedrängt. Dies passierte dank Fernsehspielen so wie „WWM“. Diagramm 2 Westeuropa Osteuropa Unterhaltungsprogramme 32% Filme, Serien 22% 35% 9% 43% Nachrichten Sport 22% 28% 5% Im Osteuropa führen immer noch Filme (43%), danach folgen jedoch Unterhaltungssendungen (28%). 15 Nach Eurodata TV 13 In einigen Ländern werden Hitlisten (fast oder ganz) ausschließlich von Programmen nationaler Produktion dominiert (Russland, Tschechei, Slowakei, Rumänien). Russland hat im Unterhaltungsbereich (vor allem Quiz, Game-Show, RealityShow) einen eigenen Mittelweg gefunden. Einerseits werden fremde Formate benutzt, mit denen ein Erfolg vorprogrammiert ist, andererseits aber werden eigene Unterhaltungsshows weiter produziert, die im Laufe von mehreren dutzend Jahren immer noch populär sind, so wie Fernsehspiele „Поле чудес“, „КВН“ или „Что? Где? Когда?“. Allgemein neue und vor allem kostspielige Projekte werden für Produzenten weniger verlockend, weil damit ein hohes Risiko verbunden ist, das investierte Geld nicht zurückzubekommen, sprich nicht eigene Gewinne zu erzielen. Es ist angenehmer für sie, die importierten Fertig-Produkte zu Besonderheiten des eigenen Publikums zu adaptieren. Die Programmanalyse aller deutschen Fernsehangebote führt zu folgenden Befunden: Das Fernsehangebot der öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptprogramme unterscheidet sich deutlich. Im Unterhaltungsbereich liegt das Schwergewicht des Ersten und des ZDF auf Fiction, während bei den Privaten die Sparten Fiction und nonfiktionale Unterhaltung annähernd gleichgewichtig sind. Während sich die öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme bei der nonfiktionalen Unterhaltung vor allem auf konventionelle Formate wie Talkshows, Quiz und Darbietungsshows beschränken, tragen zur Dominanz der Privaten in dieser Sparte wesentlich die Gerichtsshows, DokuInszenierungen und Real-Life-Shows bei.16 Die Tendenzen des internationalen Fernsehens in den letzten Jahrzehnten zeigen allgemein die deutliche Neigung der Zuschauer zur Unterhaltung, zur TV ohne Tabus, Kabarett mit viel Humor und Witzen und auch Reality-TV, das verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens zeigt und wo die 16 IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael Krüger/ Thomas ZapfSchramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte im deutschen Fernsehangebot. Programmanalyse 2005 von ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben. Media Perspektiven 4/2006, S. 203. 14 Hauptdarsteller einfache Menschen von der Straße sind. Nur ein solches Programmangebot kann den heutigen Zuschauer am Bildschirm noch festhalten. Das Verhalten der breiten Menschenmassen in einer relativ stabilen Gesellschaft lässt sich sehr präzise berechnen. Die Kalkulationen können weiter von den Kanälen strategisch gut umgesetzt werden, um höhere Einschaltquoten und Sympathien bei den konkreten sozial-demografischen Zielgruppen zu erobern. Die Kreativität, die treffsicheren Ideen, die den hellen Köpfen entspringen oder aber auch nicht, müssen den Platz freimachen für das Rationale. Es ist in allen Bereichen des Lebens die Zeit der Technologien gekommen. Nach wie vor gilt das Radio als Tagesbegleitmedium, das Fernsehen als Spätnachmittag- und Abendmedium, die Zeitung als Morgenmedium und das Internet als Ganztagsmedium. Das Fernsehen wird meist in der Freizeit, der Hörfunk eher bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin genutzt. Zwar kann man die Dynamik von Entwicklungen wie Fernsehen über Internet, TV-Bilder und Radio über Handy heute schwer abschätzen. Aus der Erfahrung der Langzeitstudie der Massenkommunikation ist aber damit zu rechnen, dass die Mediennutzung weiter ansteigen wird, wenn auch nicht im gleichen Maße wie in den letzten fünf Jahren. 15 1.3. Die Vorgeschichte In der ganzen Welt beginnt die Geschichte TV-Game-Kultur nämlich mit einer Quiz-Show, die auf einer einfachen Standardprozedur aufgebaut ist – „Frage vom Fernsehsender – Antwort vom Zuschauer“. Sie ist eine langlebige, populäre, flexible und unendlich veränderungsfähige Form eines Fernsehspiels. Das Interesse an dieser Form bleibt stabil genauso wie an den Kreuzworträtseln oder an den Kartenspielen allgemein. Sogar die Entwicklung einiger Computermodifikationen konnte sie nicht schwächen. Dabei ist das "Quiz" als Unterhaltungsformat so alt wie die Medien selbst: zuerst im Radio in den 20-30er Jahren in den USA, dann als Ratespiel zwischen Unterhaltung und Bildung im Fernsehen der 50er Jahre. In ihrer Wandlung sind sie zu spannenden Vorstellungen (Shows) mit einer vielfältigen Struktur geworden. Wozu und wann entstanden die ersten TV-Spiele? In den 50er Jahren wurden die Sendungen im britischen Fernsehen vorwiegend live übertragen. Dabei gab es technische Unterbrechungen (Pausen) zwischen den Sendungen, weil die Bänder damals manuell gewechselt werden mussten. Dadurch entstand das Problem: womit sollen die ungeplanten und unberechenbaren Pausen gefüllt werden? Man könnte sie natürlich, wie damals in der UdSSR, mit einer tickenden Uhr oder mit aufgehenden Veilchen, mit dem frühjährlichen Getröpfel zu überbrücken. Mark Butson bot aber eine andere Lösung an: mit schnellen Frage-AntwortSpielen die Zuschauer während der Unterbrechungen zu beschäftigen. Später wurde klar, dass die Zuschauer den Kanal bevorzugen, bei dem es solche Spiele (diese amüsante „Pausenkiller“) gab. Auf Grund dieser ersten Erfahrungen entstand später die erste programmfüllende Quiz-Sendung, die Butson auch selbst produzierte. Darauf folgten andere TV-Spiele (bis etwa 30), die bis heute noch in Europa zu sehen sind. 16 Die Quizsendungen der 50er unterscheiden sich von den heutigen. Früher trafen sich richtige Intellektuelle und Kenner (Allwissenskenner). Die Fragen waren auch anspruchsvoller und forderten Intelligenz mit Hintergrund. Heutzutage genügt es mit der Massenkultur vertraut zu sein, man schöpft Kenntnisse aus Schlagzeilen von Zeitungen, Talk-Shows und Filmen, man studiert Boulevardpresse und Illustrierte, um den alltäglichen Klatsch und Tratsch abzuspeichern. Anfang der 50er Jahre sind es einfache Rätsel oder Frage-Antwort-Spiele, werden aber bald zu einem Spektakel mit angewandten Dekorationen und Teilnahme von Zuschauern, die eigene Humor und Phantasie mitbringen. In den ersten 5-7 Jahren überfluteten die Quiz-Sendungen die Fernsehprogramme. Mitte der 50er Jahre in den USA ist die Zeit der großen Gelder im TV-Quiz-Business. Zum Ende der 50er-Anfang 60er wurden sie zum populärsten Fernsehgenre. In vielen Ländern der Welt sammelten sie die großen Massen des Publikums. Für die Produktion wurden viele hochrangige Fachleute aus verschiedenen Gebieten der Wissenschaft, Kunst, Dramaturgie, Psychologie, eingeladen und populäre Schauspieler und Kabarettisten engagiert. Auf dem Höhepunkt der allgemeinen Begeisterung und massenhaften Euphorie platzten nacheinander einige Skandale, ausgenommen in den Ländern, wo man um hohe Geldsummen spielte. Unter den Organisatoren waren unehrliche Leute, die diese Sendungen als Quelle für die schnelle eigennützige Bereicherung genutzt haben. (In Italien zum Beispiel: Ein gewisser Rogero suchte passende Personen, denen er gegen gewisses Entgelt die richtigen Antworten verriet, so konnten die Beteiligten ein Auto oder einen anderen hochwertigen Gegenstand gewinnen.) In den USA haben solche Manipulationen große Empörung ausgelöst, so dass die Regierungsorgane gezwungen wurden, sie als Verbrechen des allgemeinen nationalen Charakters zu verurteilen. Den Komplizen drohten 10 Jahre Haft. 17 Deutsches Fernsehen blieb auch von einem Quiz-Skandal nicht verschont. 1953 moderierte Hans-Peter Rieschel bei „Er und sie“, einem Wettkampf zwischen Männern und Frauen, der in Form von Rate- und Geschicklichkeitsspielen ausgetragen wurde. Bei der ersten, im November 1953 ausgestrahlten Folge war der Spielleiter nicht in der Lage, das Publikum zu begeistern. Trotz ansehnlicher Geldpreise – für eine richtige Antwort waren 50 Mark zu gewinnen – kam das Publikum nur zögernd zum Mitmachen auf die Bühne. Um diesem Problem abzuhelfen, platzierte Rieschel bei der zweiten Folge einige vorausgewählte „Kandidaten“ im Publikum. Im Unterschied zu ähnlichen Vorfällen in amerikanischen Quiz-Sendungen, die sich einige Jahre später ereignen sollten, waren Rieschels vorausgewählte Kandidaten noch nicht einmal über die Spielaufgaben informiert worden. Anfang der 60er verschwinden die Quiz-Shows beinahe aus allen zentralen Programmen. Der Wiederaufbauversuch Mitte der 60er scheiterte. Die Presse erklärte es durch das entstandene Misstrauen der Menschen zu dieser Art von Sendungen. Mehr als 10 Jahre wurden gebraucht, bis dieses Misstrauen überwunden wurde. 1972 werden sie wieder populär. In westlichen Ländern verlassen sie den Bildschirm nicht, obwohl ihre Vielzahl in den 60er Jahren merklich reduziert wurde. Heutzutage sind sie eines der beliebtesten Genre, sie werden in prime time ausgestrahlt und haben hohe Einschaltquoten. 18 1.3.1. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Deutschland Als Ausgangspunkt der Programmgeschichte von Quizsendungen und Garne Shows im Fernsehen der Bundesrepublik wird der 25.12.1952 genommen. Ab diesem Zeitpunkt ausgestrahltes gab es ein Fernsehprogramm, kontinuierlich zunächst des Nordwest-deutschen Rundfunks (NWDR), an dem sich nach und nach weitere Sendeanstalten beteiligten, bis dann am 1.11.1954 das Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen (ARD)“ eingerichtet wurde.17 Übrigens, die Quizsendungen hatte es schon vorher gegeben, zwar nicht im historisch ersten Fernsehen auf deutschem Boden, dem Programm des Fernsehsenders „Paul Nipkow“, der zu Zeiten des NS-Regimes von 1935 bis 1944 in Betrieb war, aber im westdeutschen Rundfunk der frühen Nachkriegszeit – etwa im Jahr 1947. Im Grunde genommen gibt es zur Programmgeschichte von Quiz und Game Show im Fernsehen der Bundesrepublik nicht nur eine Vorgeschichte, sondern sogar zwei: Als Genre wurde diese Programmsparte nach 1945 zunächst von den USA in die BRD importiert, und zwar in den Hörfunk; in einem zweiten Schritt wurde die Sendeform vom Hörfunk dann in das Fernsehen übernommen. Zudem ist die Sendeform nicht nur abstrakt von den USA in den deutschen Hörfunk und von dort in das Fernsehen gelangt, sondern es wurden auch konkret einzelne Sendereihen aus den USA importiert, manchmal sogar beides zugleich. Ein Beispiel: 1940 hatte im amerikanischen Radio eine Quizsendung namens „Take It or Leave It“ Premiere, die „Dalli-Dalli“, Hans Rosenthal 1950 in „The $ 64 Question“ umbenannt wurde. Schon 1947 tauchte diese 17 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 19 Sendereihe als „Doppelt oder nichts“ im Radioprogramm des Hessischen Rundfunks auf, die in den USA zur „$ 64 000 Question“ aufgewertet wurde und 1955 den Sprung ins Fernsehprogramm schaffte. So schreibt Hans Rosenthal, nicht erst seit „Dalli-Dalli“ einer der wichtigsten Moderatoren von Quizsendungen, in seiner Autobiographie zu seinen Anfängen beim RIAS im Jahre 1948: «Im RIAS begegnete ich zum ersten Mal in meinem Leben einem Phänomen, das uns Deutschen gänzlich unbekannt gewesen war: der Quiz-Sendung»18. Kurz danach war sie unter dem Titel „Alles oder Nichts“ im vorabendlichen Werberahmenprogramm des Bayerischen Rundfunks auch im bundesdeutschen Fernsehen zu sehen. Unter diesen Umständen empfiehlt es sich, lieber ganz weit auszuholen, und als erstes die Frage zu stellen, wie denn das Quiz in den USA überhaupt in das Radio kam. Die Anfänge dieses Radio-Genres in den USA sind bisher nicht genau festgestellt. Manche Autoren vermuten den Beginn in den zwanziger Jahren, andere eher in den Dreißigern. Es lässt sich nicht so genau sagen, wann das allererste Radio-Quiz war, da es schon damals in den USA eine unüberschaubare Menge von lokalen Radiostationen gegeben hat. In den USA fand nach einer Experimentierphase der offizielle Beginn des Fernseh-Zeitalters im Jahr 1939 statt – mit der Übertragung einer Rede von Präsident Franklin D. Roosevelt vom Gelände der New Yorker Weltausstellung. Von einem „Massenmedium Fernsehen“ konnte zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede sein – es gab gerade ca. 500 Fernsehgeräte in Privatbesitz. Doch nach dem 2.Weltkrieg beschleunigte sich die Entwicklung drastisch. 1947 besaßen schon 142.000 amerikanische Haushalte einen Fernsehapparat, ein Jahr später waren es knapp eine Million. 1950 waren bereits 9,7 Millionen Geräte in Betrieb, 1952 – 21,8 Millionen.19 Zum Vergleich: eine Million Fernsehgeräte gab es in der Bundesrepublik erst 1957; 18 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 19 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 20 berücksichtigt man die unterschiedliche Bevölkerungszahl, wurde der in den USA 1952 erreichte Versorgungsstand hier erst 1962 eingeholt. Natürlich bedeutete der Aufstieg des Fernsehens zum elektronischen Medium Nr. 1 nicht den Untergang des Radios, ebenso wie später in der Bundesrepublik führte dieser Aufstieg lediglich zu einem Funktionswandel – wenn auch bei insgesamt niedrigeren Zuhörerzahlen. Ein Element dieses Funktionswandels war, dass das Fernsehen zum wichtigsten Unterhaltungsmedium wurde und damit zugleich zum Stammsitz der «großen Unterhaltung» für die ganze Familie, zu der inzwischen längst das Genre Quiz und Game Show zählte. Um 1940 war aus dem jungen Radio-Genre bereits ein unverzichtbarer Programmbestandteil geworden: Laut Maxene Fabe wurden zu diesem Zeitpunkt bereits über 50 verschiedene Quizsendungen ausgestrahlt. Während des Zweiten Weltkriegs verschwanden die meisten Quizsendungen aus den Radioprogrammen – teils wegen nachlassenden Hörerinteresses, teils wegen der strengen Regierungskontrolle des Rundfunks, unter der Quizsendungen besonders zu leiden hatten, da sie live gesendet wurden, schließlich auch deswegen, weil viele Programmmacher zur Armee eingezogen wurden. Nach dem Krieg setzte sich der unterbrochene Aufstieg des Genres dann jedoch fort: Nach der Zählung von Maxene Fabe gab es Ende der 40er Jahre im amerikanischen Radio fast 200 Quizsendungen und Game Shows.20 Von den Sendungen der Vorkriegszeit unterschieden sie sich vor allem in einem Punkt: Es gab generell viel mehr zu gewinnen. Außer mit hohen Geldpreisen lockten Radio-Quizsendungen nun unter anderem mit Kühlschränken, Waschmaschinen, Pelzmänteln, Autos und sogar Häusern. Was sich in solchen wertvollen Gewinnen ausdrückte, war nicht nur das Bedürfnis einer Nachkriegsgesellschaft, in Kriegszeiten versagten Konsum nachzuholen, sie 20 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 21 zeugten auch schon vom Beginn des Konkurrenzkampfes mit dem neuen Medium Fernsehen. Etwa ab 1950 wanderte das Quiz-Genre insgesamt allmählich vom Radio ins Fernsehen ab. Zum einen in der Form, dass viele erfolgreiche Sendereihen von dem neuen Medium übernommen wurden. Zum anderen dadurch, dass die im Radio erprobten Bauelemente für eine erfolgreiche Quizsendung oder Game Show auch im Fernsehen bei der Konstruktion neuer, fernsehgerechter Produktionen eingesetzt wurden. Der Abschluss des ersten Teils der Vorgeschichte ist Ende der 40er Jahre aber noch aus einem anderen Grund erreicht: In diese Zeit fällt der Beginn der deutschen Quiz- und Game-ShowGeschichte. Die weitere Entwicklung des Genres in den USA wird trotzdem nicht aus dem Auge verloren – zwischen amerikanischen und deutschen Quizsendungen und Game Shows bestanden immer sehr enge Beziehungen, und sie bestehen heute noch. Selbst wenn im Folgenden in erster Linie von deutscher Programmgeschichte die Rede ist, wird es immer wieder auch um amerikanische Produktionen gehen. Nicht nur das Genre Quiz/Game Show insgesamt ist nach den Zweiten Weltkrieg aus den USA importiert worden, sondern auch zu allen Zeiten haben US- amerikanische Lizenzproduktionen einen erheblichen Anteil des bundesdeutschen Programmangebots zählten in den ausgemacht. 50er Jahren Dazu solche Charles Van Doren (r.) mit "TwentyOne"-Moderator Jack Barry (Mitte) Sendereihen wie „Was bin ich?“ (What's My Line?) und „Hätten Sie´s gewusst?“ (Twenty-One), später kamen unter anderem „Sag die Wahrheit“ 22 (To Tell the Truth) und „Die Pyramide“ (The Pyramid) hinzu, in neuerer Zeit wurden aus den USA beispielsweise „Dingsda“ (Child´s Play), „Das Glücksrad“ (Wheel of Fortune) und „Der Preis ist heiß“ (The Price Is Right) übernommen. „To Tell the Truth“ „The Price Is Right“ 23 Die Vorgeschichte der Quiz-Formate im deutschen Rundfunk: 1946 „Schnelldenker-Turnier“ von Hans Gertberg 50er „Alles oder Nichts“ („Doppelt oder nichts“) – „Take It or Leave It“ = „The $ 64 Question“ – 1956 (Neuauflage - 1982-1988) „Was bin ich?” – „What's My Line?” (Neuauflage - Kabel1 / 1999-2005) „Hätten Sie´s gewusst?” – „Twenty-One” – 1958-1969 (mit Hans Maegerlein) „Sag die Wahrheit” – “To Tell the Truth” – 1959 „Der große Preiß” – ZDF – 1974- 1993 „Dingsda” – „Child´s Play” – 1985 „Das Glücksrad” – „Wheel of Fortune” – 1988 „Erkennen Sie die Melodie?“ – 1969 „Was bin ich? / Ja oder Nein“ – 1955 15.02.1953 „Erzähler-Stafette“ 18.02.1953 „Kennst Du Europa?“ 60er „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kuhlenkampf –19641987 „Raten Sie mit“ – eine Koproduktion des Hessischen Rundfunks und des deutschsprachigen Dienstes der englischen BBC – 1965 „Wer fragt, gewinnt“ „Allein gegen alle“ – 1963/1978 „Gut gefragt ist halb gewonnen“ – ZDF – 1964 1972-1987 „Dalli Dalli” – 1963 (Neuauflage: ZDF / 1995-1997) 1974 „Der Preis ist heiß” – „The Price Is Right” 1978-1993 „Die Pyramide” – ZDF / 1978-1993 – Moderation: Dieter Thomas Heck „Dingsda” – „Child´s Play” 1985 24 Das deutsche Radio-Quiz ist sogar etwas älter als die Bundesrepublik. Als die ersten Sendungen dieses Typs ausgestrahlt wurden, bestand das Land noch aus einzelnen Besatzungszonen. Zum 1. Januar 1947 erfolgte der wirtschaftliche Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Zone zur „Bizone“, später kam die französische Zone hinzu, wodurch aus den zukünftigen Bundesbürgern erst einmal Bewohner von „Trizonesien“ wurden. In dieser Übergangszeit, nach der Befreiung Deutschlands von der Nazi-Diktatur und vor der Gründung der Bundesrepublik, gab es bereits im Hörfunk erste Quizsendungen. Was denn wirklich die allererste Quizsendung war, lässt sich ebenso wie für die USA mangels einsehbarer Unterlagen nicht mit Bestimmtheit sagen. Wahrscheinlich fand die Premiere des Genres aber im Jahr 1946 statt, zumindest lassen sich für diese Zeit erste Hinweise finden. So schreibt Joachim Drengberg zu den frühen Unterhaltungssendungen des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR): «Die Reihe der verschiedenen Arten von Denk-, Rate- und Geschicklichkeitsspielen begann Weihnachten 1946 mit dem „Schnelldenker-Turnier“ von Hans Gertberg».21 Im folgenden Jahr sendete der spätere Hessische Rundfunk, der damals noch „Radio Frankfurt“ hieß, die erste Folge von «Doppelt oder nichts», moderiert von Just Scheu. Es war die deutsche Version der US-Hörfunkproduktion „Take It or Leave It“, die in späteren Jahren auch im Fernsehen als „The $ 64000 Question“ ein großer Erfolg werden sollte. "Doppelt oder nichts" hieß eine der ersten Quiz-Sendungen im deutschen Radio. Moderator Justus Scheu ging im Jahr 1947 im Radio Frankfurt auf Sendung. Eine ganze Salami war neben 160 Reichsmarken der begehrteste Hauptgewinn in der Nachkriegszeit. Die Gewinnmöglichkeiten waren relativ gering, auch wenn sie bei „Take It or Leave It“ deutlich größer waren: hier ging es immerhin um $ 64. Der 21 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 25 Hauptgewinn bei „Doppelt oder nichts“ waren dagegen 160 Reichsmark, die sich, wie Hans-Otto Grünefeldt (ab 1951 Leiter der Unterhaltungsabteilung des Hessischen Rundfunks, später Fernseh-Programmdirektor des HR) berichtet, gleich der erste Kandidat der Sendung erspielte: «Aber als er eine echte Salami dazu bekam, vergaß er fast, die 160,- R-Mark zu kassieren».22 Die Reaktion des Kandidaten war verständlich – 1947 herrschte noch große wirtschaftliche Not, und es gab viele Versorgungsengpässe. Was florierte, war der Schwarzmarkt, und auf dem Frankfurter Schwarzmarkt hätte sich der Kandidat für seinen Gewinn gerade ein Kilogramm Zucker kaufen können. Bis etwa Mitte der 80er Jahre blieb eine «Gewinn-Schere» zwischen amerikanischen und deutschen Quizsendungen generell erhalten. Danach hat sich das Genre in den USA und in der Bundesrepublik deutlich anders entwickelt. Während in den USA die Spielgewinne in Radio-Quizsendungen rasch enorme Höhen erreichten, blieben sie in der Bundesrepublik relativ niedrig. Ein wesentlicher Grund für diese Differenz lag in der unterschiedlichen Organisation des amerikanischen und des deutschen Rundfunks. Sowohl Radio als auch Fernsehen waren in den USA von Anfang an privatwirtschaftlich organisiert, in der Bundesrepublik waren beide Medien dagegen lange Zeit ausschließlich öffentlich-rechtliche. Dazu wieder Hans-Otto Grünefeldt: «Als in den Jahren 1948/49 harte D-Mark ausgegeben wurden, begnügte man sich beim Hessischen Rundfunk mit dem Wertzuwachs der Gewinne durch die Währungsreform, obwohl die Anregungen nicht verstummten, den Endgewinn auf eine sensationellere Höhe heraufzusetzen. Im Gegenteil, in Frankfurt wie auch in anderen deutschen Funkhäusern machte man sich daran, Quiz-Sendungen zu entwickeln, die auf das Spannungsmoment des sensationellen Geldgewinnes verzichteten. Sie suchten ihren Reiz im fairen Geisteswettkampf von Einzelpersonen oder 22 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 26 Mannschaften, um in einem harmlos lustigen Gesellschaftsspiel die Ratelust der Hörer zu wecken».23 Trotz dieser Selbstbeschränkung in Hinsicht auf die Spielgewinne wurde das neue Genre „Quiz“ ein großer Erfolg im deutschen Hörfunk. Selbst solche, die auf besondere Unterhaltungsreize völlig verzichteten wie etwa «Raten Sie mit», eine Koproduktion des Hessischen Rundfunks und des deutschsprachigen Dienstes der englischen BBC. «Wer fragt, gewinnt» wurde nicht nur im Hörfunk ein großer Erfolg und brachte es auf 300 Folgen, unter dem Titel „Gut gefragt ist halb gewonnen“ lief die Quizreihe ab 1964 auch im Fernsehen, im Vorabendprogramm des ZDF. Noch populärer wurde das ab 1963 ausgestrahlte Radio-Quiz „Allein gegen alle“, das von fast allen bundesdeutschen Sendern übernommen wurde und ebenfalls später ins Fernsehen gelangte. Mit den ersten Auftritten von Rosenthal als Spielleiter in „Wer fragt, gewinnt“ haben wir dann auch das Ende des zweiten Teils der Vorgeschichte des Fernseh-Genres Quiz und Game Show erreicht: Zu diesem Zeitpunkt existierte bereits seit fast eineinhalb Jahren ein regelmäßiges Fernsehprogramm. In den 50ern wanderte das Quiz ins Fernsehen. Es bot Ton und Bild, und allein dadurch wurde es binnen kurzer Zeit wichtiges Leitmedium. In den 60ern wurde „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kuhlenkampf ein Riesenerfolg. Nach einer Vorbereitungsphase in den Jahren 1948 bis 1950 und einer Phase der Versuchssendungen in den Jahren 1950 bis 1952 fand der eigentliche Beginn des Fernsehens in der Bundesrepublik am 25.12.1952 statt – seit diesem Zeitpunkt gibt es jeden Tag ein Fernsehprogramm. 23 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 27 Ein „Massenmedium“, wie im Gegensatz das Radio, war das Fernsehen damals nicht. Zum Programmstart im Dezember 1952 gab es in der Bundesrepublik gerade 1.000 Fernsehgeräte, zum Jahresende waren es 3.657 – mehr als 40 % davon, nämlich 1.632, gehörten Gastwirten24, die sich von dem neuen Medium Umsatzsteigerungen erhofften. „Fernsehen“ war daher auch weniger ein privates als ein öffentliches Vergnügen. Den ersten Kontakt mit diesem neuen technischen Wunder hatten die meisten Bundesbürger in Gaststätten oder Sälen, wo ein solches Gerät aufgestellt war, oder auf der Straße, vor den Schaufenstern von Elektrogeschäften, die mit Hilfe eines eingeschalteten Apparats für ihr Angebot werben wollten. Und selbst die wenigen, die schon in den Anfangsjahren ein Fernsehgerät in ihrer Wohnung stehen hatten, blieben selten allein - dafür sorgten ihre Nachbarn, die auch einmal sehen wollten, was der „Zauberspiegel“ zu bieten hatte. Nachdem die Programmsparte Quiz/Game Show, erst wenige Jahre zuvor aus den USA importiert, schon im bundesdeutschen Hörfunk ihre Attraktivität bewiesen hatte, hielt sie nach kurzer Zeit Einzug in das Fernsehprogramm. Als eigenständige Sendeform, also nicht bloß als ein Element eines „Bunten Abends“, feierte sie am 15.2.1953 Premiere. Es handelte sich dabei um eine Produktion, die nach heutigen Maßstäben als „Game Show“ bezeichnet würde, eine etwas ungewöhnliche Inszenierung namens „Erzähler-Stafette“. Da von dieser Sendung keine Aufzeichnung existiert, soll an dieser Stelle eine zeitgenössische Beschreibung zitiert werden: „Drei namhafte Schriftsteller, Walther von Hollander, Edgar Kahn und Hans Rehfisch, werden sich am Sonntag, 15. Februar, zum Stegreiferzählen im Hamburger Fernsehstudio zusammensetzen. Aus einer Schatulle wählen sie ein Thema. Der erste beginnt, eine Geschichte darüber zu erzählen; nach genau zwei Minuten unterbricht ihn ein Gong. Nun fängt der zweite an, über sein Thema zu 24 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 28 sprechen, nach wieder zwei Minuten der dritte, und dann geht es in der gleichen Weise von vorn los“.25 Wenige Tage später, nämlich am 18.2.1953, folgte das erste echte „Quiz“, die von Franz Thomale geleitete Sendung „Kennst Du Europa?“. Diese beiden Produktionen blieben 1953 nicht die einzigen Quizsendungen und Game Shows des Fernsehens, es wurden noch verschiedene andere gezeigt. Darunter waren sowohl kürzere Formen wie „Hell und schnell“ als auch abendfüllende wie „Er oder Sie“ – ein Wettkampf zwischen Männern und Frauen, der in Form von Rate- und Geschicklichkeitsspielen ausgetragen wurde; geleitet wurden sie teils von weitgehend unbekannten Moderatoren wie Hans-Peter Rieschel oder Franz Thomale, teils aber auch schon von Moderatoren, die aus dem Hörfunk bekannt waren. Die Rede ist hier vor allem von Hans-Joachim Kulenkampff, der 1953 nicht nur in dem „kleinen“ Quiz „Wo blieb deine Schulweisheit?“ auf deutschen Fernsehschirmen zu sehen war, sondern auch in der „großen“ Produktion „Wer gegen wen?“, einer Übernahme aus dem Hörfunk. Während die Radio-Version jedoch nur ein Wettkampf zwischen hessischen Städten war, traten im Fernsehen Städte aus der ganzen Bundesrepublik gegeneinander an. Eine weitere, ab 1955 ausgetragene Spielrunde, wurde dann sogar international besetzt. Die Fernseh-Premiere von „Wer gegen wen?“ fand im September 1953 während der „Großen Deutschen Rundfunk-, Phono- und Fernsehausstellung“ in Düsseldorf statt, die die Bundesbürger vom hohen Standard der Fernsehgeräteproduktion und des Fernsehprogramms überzeugen sollte. Bei dieser Veranstaltung feierte auch Peter Frankenfeld seinen ersten großen Fernseherfolg – mit dem täglich ausgestrahlten Talentwettbewerb „Wer will, der kann“. Es war wohl für alle Beteiligten keine große Überraschung, dass die Sendungen ihren Titel Lügen straften. Es wollten zwar viele auf die Bühne, das Können reichte bei den meisten aber nicht sehr weit. Der einzige, der sowohl wollte als auch konnte, war Frankenfeld selbst, und mit seinen 25 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 29 Auftritten in Düsseldorf brachte er sich nachdrücklich als kommender Spitzen-Unterhalter ins Gespräch. Eine Produktion ragt aus dem Quiz- und Game-Show-Angebot des Jahres 1953 besonders heraus, „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“: Obwohl sie keine große Bühnenveranstaltung war, erwies sie sich als enormer Zuschauererfolg und stellte mit der ersten Folge sogar einen Rekord auf, der wahrscheinlich nie gebrochen werden kann. Zur Auftaktsendung schickten 11.540 Zuschauer Lösungen ein, obwohl es zu diesem Zeitpunkt überhaupt nur 7.000 Fernsehteilnehmer gab. „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“ basierte auf einer Idee des Regisseurs Ruprecht Essberger und wurde von der Berliner Journalistin Dagmar Späth geleitet. Originell war an diesem Ratespiel vor allem der Grundgedanke, nicht bloß Hörfunk mit Bildern machen zu wollen, was noch einige Jahre der übliche Weg war, Quizsendungen und Game Shows zu gestalten. Der Grund dafür ist nahe liegend: Das Fernsehen erreichte wenige, das Radio viele; folglich empfanden viele Programmacher das Fernsehen als eine Unterabteilung des Hörfunks. „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“ bot dagegen ein fernsehspezifisches Konzept – es gab keine Kandidaten im Studio, Kandidaten waren potentiell alle Fernsehzuschauer daheim. Ihnen wurden keine Fragen gestellt, sie hatten «optische Rätsel» zu lösen; die Spielaufgaben waren in den Fernsehbildern versteckt. Es galt immer, sich Details zu merken, um welches Detail es ging, wurde aber erst im Nachhinein gesagt. So wurde beispielsweise ein Musiktitel präsentiert und anschließend gefragt, wie viele Pedale die dabei gespielte Harfe hatte. Oder es wurde eine Pantomime gezeigt, auf die dann die Frage folgte, ob der Schauspieler dabei einen Schlüssel in die linke oder rechte Jackentasche gesteckt hatte. Dazu eine zeitgenössische Stimme: «Die Sendung war vollendet fernsehgemäß aufgebaut und ganz auf die gute Beobachtungsgabe abgestellt. Sie war erkennbar sorgsam vorbereitet und genau durchdacht, einschließlich der geschmackvollen Dekorationen, der glücklich zusammengestellten 30 Mitwirkenden und der höchst ansprechenden Gesprächsführung der Gastgeberin Dagmar Späth. Die Sendung ist ein Erfolg von Ruprecht Essberger, der stets sauber und wohlüberlegt gestaltet; er und Frau Späth haben offenbar genau die Wünsche der Zuschauer getroffen. Diese Sendung war beste Unterhaltung, reizend dargeboten, anregend dem Inhalt nach und psychologisch klug aufgebaut.»26 Sich einfach vergnügen – das ging in der Anfangszeit der Quiz-Sendungen nicht. Man sollte bei der Fernsehunterhaltung etwas Nützliches lernen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Bildungsauftrag. Bildung und Wissen waren Rohstoffe für eine Gesellschaft im Wiederaufbau. Der Erfolg von „Wer wird Millionär?“ und seiner zahlreichen Imitate hat mittlerweile einen ganz neuen Industriezweig entstehen lassen. Drei Sendungen der Quiz-Show mit Günther Jauch werden an einem Tag produziert. Die Fernsehfabrik „Köln-Hürth ist das Industriegebiet der deutschen Fernsehnation“ schrieb einmal ein Spiegelreporter. Die Antworten in den Rateshows sind eine Mischung aus Alltagswissen, Abseitigem-, und Allgemeinwissen. Dabei kann die Frage nach der Turmfrisur denselben Stellenwert, wie die nach dem Vorsitzenden des Wiener Kongresses von 1814 bekommen. Da gerät der Bildungskanon aus den Fugen: So genanntes Herrschaftswissen wird entmachtet, der bildungsbürgerliche Fetisch „Wissen“, zerrupft, zerkleinert, filetiert. 26 Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 31 Tabelle 1 Wissens-, Quiz- und Spielshows im deutschen Fernsehen ● Allein gegen Alle (RTL 2) - Game-Show 2000-2001 ● Ca$h - Das Eine-Million-Mark-Quiz (ZDF) - mit Ulla Kock am Brink 2000-2001 ● Chance Deines Lebens, Die (SAT.1) - 10 Millionen Mark Show mit Kai Pflaumе 2000 ● Crazy - Die Show (RTL 2) - Interaktive Wettshow mit Zuschauerbeteiligung 2001 ● Deal or no deal (SAT 1) - (2004 - mit Linda de Mol / 2005 mit Guido Cantz) - Neuauflage 2006 ● DUELL - Das DSF Quiz (DSF) 2001-2002 ● Einer wird gewinnen (ZDF) - In der Show stehen acht Kandidaten aus acht europäischen Ländern im Mittelpunkt und spielen um Punkte und Preise (Neuauflage; Original – 1964-1987) 1998 ● Einundzwanzig (Quiz 21) (RTL) - Quiz-Show mit Hans Meiser 2000 ● Extreme Aktivity (Pro Sieben) - Moderation: Jürgen von der Lippe ● Familienduell (RTL) - Jeweils 2 Familien-Teams erraten die Meinung von 100 Leuten seit 2006 1992-2003 ● Geh auf's Ganze (Kabel 1) 1992 ● Glücksrad (Kabel 1) 1988 ● Große IQ-Test, Der (RTL) 2001 ● Guinness - die Show der Rekorde (BR) - mit Reinhold Beckmann und Franziska Schenk 1998 ● Hast Du Töne? (VOX) - Kandidaten müssen Musikstücke erraten 1999-2001 ● Ihr seid wohl wahnsinnig (RTL) - zwei Moderatoren suchen die Herausforderung 1999-2000 ● Jede Sekunde zählt (ZDF) - zwei Familien duellieren sich um ihr Traumhaus 2000 ● Jeder gegen Jeden (SAT.1) - Moderation: Hans-Hermann Gockel, Holger Speckhahn 1995-2001 ● Jeopardy! (RTL, tm3) 1994-2001 ● Lotto-Show, Die (ARD) 1998-2001 ● NDR-Quizshow (NDR) - Moderation: Ludger Abeln, Carlo von Tiedemann seit 2004 32 ● Quizfire (SAT.1) 2001-2003 ● Quiz mit Jörg Pilawa, Das (ARD) seit 2000 ● Quiz Show, Die (SAT.1) - Moderation: J. Pilawa, C. Clerici, M. Opdenhövel 2000-2004 ● Ruck Zuck 1988 ● Schwächste fliegt, Der (RTL) 2001 ● Sudoku (ZDF) - Kombination aus typischen Quizfragen und Sudoku-Rätseln 2006 ● Was bin ich? (Kabel 1) – Neuauflage des einst so erfolgreichen Ratespiels 2000 ● Wer Wird Millionär? (RTL) 1999 ● Wetten dass..? (ZDF) – mit Thomas Gottschalk 1987-1992, seit 1993 1.3.2. Die Entwicklung der Quiz-Sendungen in Russland Das Zeitalter des Fernsehens begann in Russland (damals Sowjetunion) in Moskau 1935. 1941-1945 folgte eine große Pause. Die wichtigsten Sendungen der Nachkriegszeit berichteten damals über die wirtschaftliche Erfolge in der UdSSR, kulturelle Ereignisse und Sport. In den 60er Jahren erlebt der Rundfunk (Radio und Fernsehen) in der Sowjetunion seine besonders aktive Entwicklung. Das 2. Programm wird eröffnet, das Fernsehen entwickelt sich nicht nur in Moskau, sondern auch in Leningrad, in Ural, in Sibirien. Jede Sowjetrepublik, Gebiet und Region hatten eigene Sender. In den Jahren 1960-70 wurden im Fernsehen alle wichtigsten Sendungsformen etabliert: die ersten Fernsehrubriken, die bis heute noch vorhanden sind. Darunter auch Quiz- und Game-Shows wie „KWN“ (Klub der Lustigen und Schlagfertigen) und „Was, Wo, Wann?“ 33 Im Leningrader (jetzt Petersburger) Fernsehen entstand in den 60ern das Spiel für die Intellektuellen „Turnier SK“ („Турнир СК“) und wurde in ganz Russland übertragen. Darauf folgte „Einer für alle und alle für einen“. Der Begriff «Fernsehspiel» wurde ins Leben gerufen. In Moskau wurde „Auktion“ (von Voroschilov) unter den ersten Spielen produziert. Zum ersten Mal wurde dort ein Kühlschrank als Preis angeboten, was mit einem Streit endete. Wie konnte es passieren, dass ein sowjetischer Bürger ohne jegliche Mühe und im Umgehen von damals üblichen Wartelisten einen Kühlschrank bekommen hat. Man hätte geschwindelt. Das Spiel war kein übliches Ratespiel, das war ein Wettbewerb zwischen den Chansonsängern, die eigene Lieder vorsangen. Das war das erste kommerzielle Spiel, in dem ein Gefrierbetrieb für seine Geräte Werbung machte. Die Kühlschränke wurden als Preis angeboten. Im staatlichen Fernsehen gab es keinerlei Werbung. Diese Idee der Preisvergabe verstimmte die Zuschauer und auch die Verwaltung des Fernsehkanals so sehr, dass diese Sendung nach wenigen Monaten auf immer und ewig eingestellt wurde. Später entstanden solche Programme wie „А ну-ка, парни“ (Hey, Jungs!), „А ну-ка, девушки“ (Hey, Mädels!), „Klub der Lustigen und Schlagfertigen“ – „KWN“ (Klub Wessjolych i Nachodtschiwych) und „Was? Wo? Wann?“, die bis heute ein Phänomen bleiben. Beim „KWN“ (Klub der Lustigen und Schlagfertigen), wie das Programm zu Sowjetzeiten getauft wurde, handelt es sich um eine Art Mehrkampf in Humor, mit Elementen von Theater, Kabarett und Comedy. Mannschaften aus jungen Leuten wetteifern vor Publikum darum, wer mehr Witz hat. Das kann je nach Liga im Provinzkulturhaus sein, aber auch zur Prime Time landesweit im TV. Dieses Spiel war eine Erfolgsidee. Von der ersten Life-Ausstrahlung im Zentralen Fernsehen hat das Fragespiel „Was? Wo? Wann?“ die Herzen der Zuschauer in der ganzen Sowjetunion erobert. Das war ein Test, um den eigenen Intellekt zu prüfen, und gleichzeitig ein Mittel, den eigenen Intellekt zu entwickeln. Durch Zusammenstellen und 34 logische Analyse einzelner bekannter Fakten mussten die Spieler im Studio nach einer Bedenkzeit von einer Minute zu einer absolut neuen, vorher nicht bekannten Schlussfolgerung kommen, die die gestellte Zuschauerfrage erklärt und richtig beantwortet. Der Prozess des logischen Denkens eines Spielerteams, die Suche nach der einzig möglichen Lösung der anspruchsvollen intellektuellen Aufgabe haben für hohen Respekt und Beliebtheit seitens der Zuschauer gesorgt. Das ist ein Wettbewerb zwischen den Zuschauer und den Spielern, bei dem der Prozess des Spieles spannender und wichtiger als das Ergebnis ist. Wer erinnert sich schon daran, wer in Wirklichkeit gewonnen hat. Das spektakuläre Genre „das Spiel – Fernsehspiel“ ist gekennzeichnet durch hoch professionelle Regie, durch das Charisma des Moderaters, durch die Ungewissheit des Finales und durch die interaktive Form – der Zuschauer kann eine Frage stellen oder sogar eine Spielrunde gewinnen. Das Fernsehspiel gibt eine Möglichkeit zu den nichttrivialen Interaktivitätsformen. Zum Beispiel, einmal nach der jahrelangen Sendepause bat der Moderator der populären in Russland „KWN“-Show Alexander Masljakow darum, dass die Zuschauer in ihren Wohnungen das Licht für einige Zeit ausschalten. Die speziell installierten Kameras zeigten das bemerkenswerte Panorama von zwei Stadtteilen in Moskau. Die Hochhäusermassive versanken in der Dunkelheit. Das waren eigene und originelle Projekte. Seit dem „Feld der Wunder“ (1990) – „Wheel of Fortune“, in Deutschland unter „Glücksrad“ bekannt – begann eine neue Epoche im russischen Fernsehen – die Epoche der Assimilation der Importprodukte, die Epoche des Formatfernsehens und der Industrialisierung, die als Folge den Wechsel der Spielkultur im russischen Fernsehen brachte. Die ausländischen Formate begannen also ihren Triumphzug im russischen Fernsehen im Jahre 1990, als der Journalist Vladislav Listjev die CapitalShow «Feld der Wunder» – analog vom amerikanischen „Wheel of Fortune“ (dt. - Glücksrad) – startete. Das „Feld der Wunder“ erschien auf typisch 35 russische Weise – ohne jegliche Verträge und Vereinbarungen, Millionen Kostenaufwand für Format- oder Lizenzeinkauf und weitere juristische Formalitäten. Allerdings versuchte die Fernsehgesellschaft „VID“ 27 eine Lizenz bei „King’s World“ und später bei dem neuen Rechtsbesitzer „Columbia Pictures“ zu erwerben, aber alle schriftlichen Anfragen von „VID“ wurden ignoriert. So produzierte man die Sendung auf eigenes Risiko. Es ist gut gegangen. Es wurde keinen Anspruch erhoben (Reklamation eingelegt). 1994 war das Jahr des großen Aufbruches im Einkauf von lizenzierten Produkten. „РТР“ (RTR) kauft „Устами младенца“, „Сам себе режиссер“, „Свою игру“. Die zweite Welle kam auf das Jahr 1999, als „WWM“ gekauft wurde. Und danach fing der richtige Boom an. Auf dem Cannes Festival suchten die russischen Fernsehmacher gezielt die Lizenz-Produkte. Die zahlreichen Programme wurden auf die Zuschauer ausgeschüttet, wie aus einem Füllhorn. Das waren vor allem Game-Shows und Reality-Shows, die nach ausländischen Schablonen und Mustern geschneidert wurden: „Любовь с первого взгляда“ (Liebe aus dem ersten Blick), „Своя игра“, „Кресло“, „Снимите это немедленно“, „Две блондинки против грязи“, „Сам себе режиссер“, „Блеф-клуб“, „Растительная жизнь“, „Спасите, ремонт!“ (Do it yourself S.O.S.), „Скрытая камера“ (Versteckte Kamera), „Ты – супермодель“ (Supermodel), „Угадай мелодию“ (Rate Melodie! = Erkennen Sie die Melodie?), „Сто к одному“, „Самый умный“ (Der Klügste), „Я готов на все!“, „Гарем“ (Harem), „Свидание вслепую“ (Blind Date), „Алчность“ (Greed), „Пан или пропал“, „Фактор страха“ (Angstfaktor), „Розыгрыш“ (Verstehen Sie Spaß?), „Русская рулетка“ (Russisch Roulette). Diesmal mussten die russischen Produzenten für entliehene Ideen und geklonte Formate bezahlen. Die Preise liegen abhängig vom Erfolg der Show weit auseinander. 27 VID TV Entertainment Group, the largest producer of television programs in Russia and CIS 36 Tabelle 2 Die Vorgeschichte des Formatfernsehens in Russland: 1968 – 1975 „Один за всех и все за одного“ („Einer für alle und alle für einen“) – das Fernsehspiel für Jugendliche (junge Pioniere), Teamarbeit, das erste Fernsehspiel in der UdSSR, alle zwei Wochen im Zentralen Fernsehen gesendet (Vladimir und Tamara Maksimov); (ЦТ, ЛенТВ – Leningrader Rundfunk) 1975 – 1980 „Янтарный ключ“ („Schlüssel aus Bernstein“) – Fernsehspiel für Jugendliche, die ersten UdSSR LifeSchaltungen, so genannte „telebridge“, zwischen Leningrad, Riga, Vilnius, Tallinn 1983 – 2000 „Музыкальный ринг“ („Musikring“, oder „Der musikalische Kampfring“) – Diskussionsshow (TalkShow), das freie Mikrophon, Legalisierung des Undergrounds, das direkte Telefongespräch mit den Zuschauern (freie Schaltung), die erste Benutzung des Internets und Mobilnetzes in der Life-Sendung seit 1961 „КВН“ - „Klub der Lustigen und Schlagfertigen“ (Sendepause 1971-1986) seit 04.09.1975 „Что? Где? Когда?“ („Was? Wo? Wann?“) – Vladimir Voroshilov – der Autor und Moderator, 2005 feierte das Spiel sein 30-jähriges Jubiläum 1989 „Счастливый случай“ („Der Glücksfall“) – Michail Marfin moderiert von seit 25.10.1990 „Поле чудес“ („Feld der Wunder“/“Glücksrad“) – ORT – der erste Moderator war Vladislav Listjev, seit 1.11.1991 moderiert die Sendung Leonid Jakubovitch 3.04.1995 – Nov. 1999 „Угадай мелодию!“ (Erkennen Sie die Melodie?), Moderation – Valdis Pelsh 1996 „Своя игра“ (Das eigene Spiel = Jeopardy!) – НТВ (NTV) 1997 „Народ против“ (Das Volk ist dagegen) – lief nur wenige Monate 37 1.10.1999 „Империя страсти“ – НТВ (NTV) – Moderator Nikolaj Fomenko 1.02.2001 „О, Счастливчик!“ (O du, Glückspilz! = Who Wants To Be A Millionaire? – Die 1.Version), НТВ (NTV), Dmitrij Dibrov als Moderator 2001 „Кто хочет стать миллионером?” (Who Wants To Be A Millionaire?), ОРТ (ORT), Maxim Galkin als Moderator 2001 „Слабое звено” (Weakest Link), Moderation – Maria Kisseleva nach 2002 „Алчность” (Greed), НТВ (NTV), Moderation – Alexander Cekalo / Igor Jankovski / Dmitrij Dibrov / Alfred Koch „Русская рулетка” (Russisch Roulette), Moderation – Valdis Pelsh „Сто к одному” (100 zu 1) „Брейн-ринг” (Brain-ring) „Антимония” (Quatsch) „Антология” (Anthologie) „Колесо истории” (Das Rad der Geschichte) „Зигзаг удачи” (Zick Zack des Glücks) „Золотая лихорадка” (Goldfieber) – Moderator Leonid Jarmolnik „Окна” (Fenster) – Moderator Dmitrij Nagiev 38 Wenn das ein Long-Play-Format ist (Ohne Anfang und Ende, jede Sendung stellt ein vollendetes Produkt dar), wird jede nach der importierten Technologie produzierte Episode bezahlt: ab 5.000-7.000 USD „Kommissionsgebühren” für eine Folge der Sendung, die mittlere Einschaltquoten hat, bis 70.000 USD für supererfolgreiche Projekte sowie „Wer wird Millionär?”, „Слабое звено” (Weakest Link), „Форт Байярд” (Fort Boyard), wo auch der Drehort gemietet wird. Bei dem Einkauf von Shows mit einem Sujet („Фабрика звезд” – Star Academy, „Народный артист” – Superstar/Pop Idol, „Последний герой” – Survivor, „Большой брат” – Big Brother) wird in der Regel für die ganze Saison bezahlt. Diese Shows sind die teuersten TV-Projekte weltweit. Die Lizenzkosten hängen von der Zahl der Bevölkerung im Land und vom Umfang des Werbemarktes ab, ist aber kein Muss. Im Jahre 2001 betrug der Werbemarkt in Russland 1,3 Mrd. USD, 2005 stiegen diesen Zahlen auf bis zu 4,65 Mrd. USD. Deswegen kostete „Big Brother” dem russischen Kanal „TNT” um 4 Mio. USD. Von der ukrainischen Fernsehgesellschaft „Pilot” hat die holländische Gesellschaft „Endemol”, die alle Rechte auf diese RealityShow besitzt, 3 Mio. USD gefordert, was den Ukrainern mit ihrem noch ungeformten und schwachen Werbemarkt nicht finanzierbar war. Der amerikanische Kanal CBS hat entgegen für „Big Brother” zügig 20 Mio. USD bezahlt. Im Vergleich zu den importierten Programmen ist die Produktion der heimischen Formate wesentlich billiger. Zum Beispiel kostet das Spiel „Was? Wo? Wann?“ ungefähr 30.000-40.000 USD. Wozu ist es denn nötig, das große Geld zu investieren für das Recht, ein importiertes Produkt, das nicht mehr komplett zeitgemäß ist, zu benutzen? In Wirklichkeit kaufen die Kanäle nicht nur eine Idee, Now-how, sondern auch die so genannte „Production Bible“, wo in Details die ganze Produktionstechnologie des Programms beschrieben ist: Anzahl von Kameras, 39 alle Feinheiten der Beleuchtung und Promotion bis zur Farbe der Dekoration und Sprechweise für den Moderator. Westliche Formate haben sich schon als Brands in der ganzen Welt gezeigt. Der Kanal sieht vor Beginn die Einschaltquoten und die Zielgruppen in den anderen Ländern an und kann schon leicht hohe Einnahmen von der Werbung prognostizieren und den Erfolg des Formates noch lange vor seinem Start vorhersagen. Das Format wird selbstverständlich in prime time gesendet und die Preise für die Werbung sind dementsprechend hoch. Die weltbekannten Lizenz-Hits sind den westlichen Werbeträgern gut bekannt, so kaufen die international tätigen Korporationen Sendezeit in solchen Formatsendungen als langfristige Sponsorenpakete und sind sehr an Product placement interessiert. Auf den ersten Blick scheint der Zuschauer überall in der Welt universell zu sein und die populären Formate praktisch immer allen Erwartungen entsprechen. „Последний герой“ zum Beispiel hat in Russland im Startjahr 2001 47,5% Zuschauer gewonnen. Und als Generalsponsor ist „Wimm-Bill-Dann” mit seinem Brand von Fruchtgetränken Brand „J7“ aufgetreten. Der Formatschlager «Pop Idol» („Народный артист“ – in Deutschland „Deutschland sucht den Superstar“), der in den USA und später in Europa super populär war, hatte in Russland einen mäßigen Erfolg (14,5% bis 21,9%).28 Einige Fachleute meinen, dass schuld daran die von der russischen Seite herangebrachte eigene Spezifik war. Es wäre besser gewesen, der „Formatbibel“ zu folgen. Das kostenpflichtige Voting soll auch ein Fehler gewesen sein. In Amerika konnten die Zuschauer ihre Stimmen kostenfrei abgeben. „Фабрика звезд“ (Star Academy) beweist aber das Gegenteil. In diesem Format wurden mehr spezifische Besonderheiten der russischen Musikszene und des Showbusinesses berücksichtigt. Und dieses Projekt hatte und hat einen großen Erfolg unter den breiten Massen der Zuschauer unterschiedlicher Altersgruppen (nicht nur unter den jungen Leuten) mit 28 www.profile.ru 40 vielen begleitenden Live-Konzerten auf den führenden Bühnen in Moskau zusammen mit den populärsten Sängern und Bands des Landes. (Insgesamt: 7 Saisons, 110 Tage auf der Sendung, 16 Gala-Konzerte, mehr als 200 Songs) Diese Show ist zu einem untrennbaren Teil des allrussischen Showbusiness geworden. Für mehrere begabte junge Sänger ist diese Show zu einem wichtigen Sprungbrett zur großen Musikkarriere geworden. Aus diesem Projekt sind viele neue und begabte Sänger entstanden, die trotz ihrer noch kurzen Solokariere eine sehr eindrucksvolle Professionalität und eigene Charisma zeigen, einige Konkurrenten haben unter einander Boys- oder Girlsbands gebildet und seitdem erobern ihre Hits alle Musik-Charts in ganz Russland und werden weltweit in allen russischsprachigen Sendern übertragen. Das andere bekannte Format „Big Brother“ verwandelte sich auch zu einer Reihe von russischen Versionen „Дом“ (Haus), „За стеклом“ (Hinter Glas) oder „Голод“ (Hunger - wurde aus dem Container aus Deutschland gesendet). Nur so verändert hatte dieses Format die Chance auf Erfolg in Russland. Aus den großen Welthits des Formatfernsehens blieben nur 2 Shows übrig: 1) „The Apprentice“ – Show, wo ein bekannter Businessman aus einfachen jungen Leuten den besten aussucht und diese Person zu seinem Stellvertreter großzieht. In den USA war der «Erzieher» Donald Trump; 2) „The Bachelorette“ – Show (Die Traumfrau), wo eine bekannte weibliche Person für sich einen Bräutigam aus sorgfältig ausgewählten Kandidaten aussucht. Seit 1993 wird das Fernsehen in Russland privatisiert. Das Marktwirtschaftsmodel des mächtigsten Mediums Fernsehen funktioniert in der heutigen Zeit unter harten Bedingungen: Maximale Gewinne durch maximale Zuschauerzahl. Das Management und die Produzenten suchen einen sicheren Weg und orientieren sich an bekannten und bewährten Formaten in beliebten Genres. 41 Der Sender neigt nicht zu Experimenten und möchte kein Risiko eingehen. Man benutzt erprobte, kommerziell erfolgreiche Schemata. Kopieren, Klonen und Nachahmen werden zu den herrschenden grundlegenden Methoden des Fernsehschaffens. Als Folge wird eine große Menge von Lizenzsendungen (Talk-Show, Fernsehspiele) importiert, die in anderen Ländern die Kassen klingeln lassen. (WWM, „Ставка“, „Последний герой“, „Фабрика звезд“ usw.) Das Fernsehen verliert seine Individualität und Vielfältigkeit. Die früheren Unterschiede zwischen den Filmen, Clips, Nachrichten, Werbung, aktuellen Interviews und Reportagen verwischen sich allmählich, stattdessen kommt ein neues Genre der universellen Entertainment-Show, universelle Programme (so genanntes Content), die an andere verschlüsselte Satellitkanäle und seit kurzem ins Internet verkauft werden. Das Fernsehen ändert sich zusammen mit der Gesellschaft. Wenn das Geld in der Gesellschaft zum Wertmesser für alles wird, baut auch das Fernsehen seine Tätigkeit auf dieser Dominanz auf. Die Einschaltquoten (Rating) sind nur das bequeme Instrument für ihre Manifestation. Das moderne Fernsehen verwandelt sich in ein Medium, das die Zuschauer nach ihren persönlichen Interessen gegen entsprechendes Entgelt unterhält. 42 1.4. Internationale Verbreitung (Vermarktung) von Quiz- und Game-Shows des gleichen Formates Heute sind Game- und Quiz-Spiele zum Instrument der Globalisierung geworden. Sie verbreiten sich schneller als «Macdonalds» und sie haben mehr Zuschauer als Besucher der Fast-Food-Ketten. Im Gegensatz demonstriert keiner dagegen. Es existiert schon die ganze Industrie, die die verschiedenen Formate heckt und verschiedene Elemente zusammenbringt, um weitere erfolgsträchtige Mixturen unter den Namen «Quiz» oder «Game» zu erzeugen. Wie schnell und flächendeckend ein Format, bzw. eine Musterschema die ganze Welt erobert kann, zeigt und das Beispiel des populärsten QuizFormates. Die erste Formatsendung „Who Want To Be A Millionair“ wurde in England im September 1998 ausgestrahlt. Schon im ersten Jahr nach dem Start des englischen Quiz „Who Want To Be A Millionair“ haben 92 Länder die Lizenz auf das Klonen dieser Sendung gekauft. Heutzutage ist „WWM“ in 107 Ländern zu sehen und fast überall ein Quotenhit: in den USA, Russland, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Kolumbien, Venezuela, Mailand, Australien, Griechenland, Polen, Ukraine, Georgien, Kasachstan usw. In einigen Ländern (z.B.: Singapur) existieren sogar zwei Versionen der „WWM“-Show, die auf verschiedenen Kanälen und manchmal in verschiedenen Sprachen ausgestrahlt werden. In Russland gab es am Anfang auch zwei Versionen eines Formates mit verschiedenen Titeln – „WWM“ und „О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!). Nicht nur in Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Imitate. Besonders beliebt ist die Sendung in Indien. Hier versammelt sie rund 100 Mio. Zuschauer. Nur in Ägypten wurde das Quiz „Who Wants to Be a Millionair?” als nicht „hoffähig“ und als ein sündhaftes Hasardspiel bezeichnet. 43 Die englische Produktionsfirma „Celador” besitzt die alleinigen Rechte und ist inzwischen dabei, Spiele, Computerprogramme und Bücher mit dem Namen zu vermarkten. Die regionalen Töchter der niederländischen Firma „Endemol” produzieren dieses Sendungsformat in Lizenz für Österreich, Belgien, Deutschland, die Niederlande, Italien, Polen, Portugal und für die Schweiz. Das Aussehen der Sendung ist überall gleich. Aufbau und Design des Studios, Musikeinspielungen, wiederkehrende Kameraschwenks und -fahrten sowie Lichtsetzung sind genau in der so genannten Produktionsbibel vom Lizenzgeber festgelegt und dürfen von den Lizenznehmern nicht eigenständig verändert werden. „Endemol” ist eine international operierende TV-Produktions- und Entwicklungsfirma, die zum Telefónica-Konzern gehört und nach der zur RTL-Group gehörenden Freemantle-Gruppe, der zweitgrößte TV-Produzent der Welt ist. Endemol entstand durch die Fusion der Produktionsfirmen „Van den Ende Produkties B.V.“ des Niederländers Joop van den Ende und der Produktionsfirma „De Mol Produkties B.V.“ von John de Mol, dem Bruder von Fernsehmoderatorin Linda de Mol. Hauptsitz der im Unterhaltungs- und Fiktionsbereich operierenden Firma ist Hilversum in den Niederlanden; durch den weltweiten Erfolg des Formats "Big Brother» ist Endemol fast weltweit durch selbstgegründete oder aufgekaufte Firmen vertreten, unter anderem in Deutschland, den USA oder Australien. In Deutschland befindet sich der Hauptsitz der Endemol Deutschland GmbH im Studiokomplex Coloneum im nördlichen Stadtteil Köln-Ossendorf. Die Produktionsfirma produziert als von einer Sendergruppe unabhängiger Prodzent für alle TV-Sender, Hauptabnehmer der Produktionen sind zur Zeit SAT 1, RTL 2 und RTL. 44 Bekannte Produktionen sind zum Beispiel „Big Brother“, „Nur die Liebe zählt“ oder das Lizenzformat „Wer wird Millionär“. Die Basis für die starke Position im deutschen Markt hat „Endemol“ in den erfolgreichen 90er Jahren erarbeitet. Zusammen mit RTL produzierte die Firma solche erfolgreichen Shows, wie „Traumhochzeit“, „Glücksritter“, „Die-Hundertausend-Mark-Show“ und „Wie Bitte“. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange dieser Boom noch anhalten wird. In England hört man vereinzelt die Meinung, dort sei er schon vorbei. Wenn in die besten Jahren konnte die „WWM“ bis 19 Mio. englischer Zuschauer anlocken, haben heutzutage nur 7 Mio. Engländer Interesse dafür. In der britischen Version der Quizshow gab es in 8 Jahren nur 4 Höchstgewinner. Die Gerüchte über das baldige Aus summierten sich, nachdem der Produzent von „Celador International“ Paul Smith vor kurzem (2006) seine Absicht geäußert hat, die Aktien der Firma an Management gegen 85 Mio. US Dollar zu verkaufen. Damit werden auch alle Rechte auf die Idee, auf das ganze Format und auf alle weltweit ausgegebenen Lizenzen verkauft. 45 II. Inhaltsanalyse 2.1. Kurzporträts der untersuchten Quiz-Sendungen im deutschen Fernsehen Das Fernsehspiel ist ursprünglich und generell nach zwei kennzeichnenden Eigenschaften konzipiert. Das TV-Spiel ist: 1) kommerziell hoch effektiv - es ist ursprünglich eng mit der Notwendigkeit verbunden, den Zuschauer auf dem Kanal zu halten. Anders gesagt, das TVSpiel ist ein Instrument für die Steuerung der Einschaltquoten (Rating). 2) psychologisch einflussreich - mittels der Spielelemente wird der Zuschauer einfach, schnell und widerstandslos (auf der Unterbewusstseinsebene) beeinflusst. Außerdem gefällt es den Zuschauern schlechthin, wenn einer von ihnen auf der anderen Seite des Bildschirmes erscheint und einen Wettbewerb mit dem Fernsehen vertretend durch Moderator besteht. 2.1.1. Wer wird Millionär? (Who wants to Be a Millionaire?) Die Vorgeschichte Die Entstehungsgeschichte von „Who Wants To Be A Millionaire?“ fing in einem Londoner Pub an, wo der Journalist David Briggs die Idee zur Show hatte und sie zusammen mit seinen beiden Kollegen bei Celador Steve Knight und Mike Whitehill weiter entwickelte.29 Die 1982 gegründete britische Produktionsgesellschaft gilt seit dem Durchbruch des Formats als eine der erfolgreichsten Produktionsfirmen Großbritanniens. Es bedurfte einer traditionell langwierigen Entwicklungs- und Testphase. Mehrere Monate lang 29 Taddicken, M.: Fernsehformate im Interkulturellen Vergleich, Berlin, 2003 46 durchlief die Show einen so genannten „dryrun“, um danach in mehreren „pilots“ abermals getestet zu werden.30 Am 4. September 1998 ging „Who Wants To Be A Millionaire?“ erstmalig beim englischen Fernsehsender ITV auf Sendung. Die erste Probesendung wurde unter dem Titel „Cash Mountain“ gesendet. Die zweite Sendung hatte bereits den populär gewordenen Namen „Who wants to be a millionaire?“ Dieser Titel stammte übrigens aus dem gleichnamigen Song von Frank Sinatra. Vorab bürgte Paul Smith, Chef der Produktionsgesellschaft Celador, mit seinem eigenen Haus dafür, dass – entgegen der Befürchtungen der Programmverantwortlichen des Senders – der Jackpot nur höchst selten „geknackt“ werden würde. Die Show wurde ein großer Erfolg, was unter anderem am umfangreichen 169-seitigen Skript der Sendung lag. Dieses Regelmuster agiert als Bibel der Show und gibt von den Licht- und Toneffekten, über die Spielregeln bis zur Ausstattung alle relevanten Faktoren der Show vor. Nach dem ersten Ausstrahlungstermin wurde weder am eigentlichen Spiel noch am Studio Veränderungen vorgenommen. Paul Smith ist seitdem Rechteinhaber der Show. Celador verkaufte 66 Versionen in 107 verschiedene Länder, unter anderem nach Europa, wo die Produktionsfirma Endemol die Lizenzierungsrechte für elf europäische Länder besitzt. Das Medienunternehmen wurde 1994 gegründet und dominiert seither nicht nur das Formatgeschäft, sondern gilt auch als weltweit größte unabhängige TVCompany im Bereich Entwicklung, Produktion und Distribution von Fernsehformaten. „Wer wird Millionär?“ ist die deutsche Ausgabe der britischen Quizshow „Who Wants to Be a Millionair“ (in Österreich: Die Millionenshow). Die Quizsendung gehört zum geistigen Eigentum der Firma Celador und wurde im Oktober 1998 in Großbritannien auf dem Privatsender ITV 1 erstmals ausgestrahlt. Seit dem 3. September 1999 wird sie von dem Privatsender RTL in Deutschland gesendet und läuft damit inzwischen in der neunten Staffel (2007/2008). 30 Mason, D.: The Game Show Handbook, London, 1991, S. 40 47 Die regionalen Töchter der niederländischen Firma Endemol produzieren dieses Sendungsformat in Lizenz für Österreich, Belgien, Deutschland, die Niederlande, Italien, Polen, Portugal und für die Schweiz.31 Die Fernsehaufnahmen für die deutsche und österreichische Ausgabe entstehen im Studio 7 der „nobeo GmbH“ in Hürth-Kalscheuren bei Köln. Entgegen dem vom Moderator suggerierten Eindruck wird die Sendung nicht live ausgestrahlt. Etwa zwei Wochen vor der Ausstrahlung werden in der Regel drei Sendungen an einem Dienstag (Wer wird Millionär?) bzw. Mittwoch (Die Millionshow) ab 17.30 Uhr aufgezeichnet. Ausgestrahlt wird „Wer wird Millionär?“ derzeit am Montag und am Freitag um jeweils 20:15 Uhr. Bis Herbst 2007 wurde es auch samstags um 20:15 Uhr und in den ersten Staffeln sporadisch sogar auch am Sonntag im Vorabendprogramm ausgestrahlt. Die Prominenten-Specials finden üblicherweise an einem Montag oder Donnerstag statt. In der aktuellen neunten Staffel (2007/2008) gibt es nur zwei Sendungen pro Woche, die montags und freitags ausgestrahlt werden und hinterher jederzeit bei RTLnow.de zu sehen sind. Die deutsche Version WWM dauert ca. 60 Min. und wird von Günter Jauch moderiert. Und was ist für Günther Jauch das Besondere an der Show? "Sie hat Tempo und immer neue Spannungsmomente. Günther Jauch Ständig ist der Spagat zwischen der Million und dem Totalabsturz möglich. Wer mal ein paar Minuten verpasst hat, ist ganz schnell wieder mitten im Geschehen. Außerdem gibt es einfach jede Menge witzige Momente oder unvorhersehbare Reaktionen bei den Kandidaten", sagt Jauch.32 31 32 vgl.: endemol Deutschland GmbH, http://www.endemol.de/ http://www.borlife.de 48 Spielregeln Die Regeln der deutschen Ausgabe sind im Wesentlichen identisch mit den internationalen Regeln der Show. Das Spiel beginnt mit der so genannten Auswahlrunde: 10 Kandidaten müssen versuchen, vier Begriffe schnellstmöglich in eine bestimmte, durch eine Aufgabenstellung vorgegebene, Reihenfolge zu bringen. Derjenige, der dies am schnellsten schafft, erhält die Möglichkeit, um eine Million Euro zu spielen. Quizrunde Der Kandidat bekommt 15 zufällig ausgewählte Fragen zu verschiedenen Wissensgebieten. Die Fragen werden von Stufe zu Stufe entsprechend dem Geldgewinn immer schwieriger. Zu jeder Frage gibt es vier Antwortmöglichkeiten, von denen nur eine richtig ist. Beantwortet der Kandidat die Frage richtig, so steigt er eine Gewinnstufe höher und darf die nächste Frage in Angriff nehmen. Die Fragen werden von einem externen Redaktionsteam erarbeitet, für die deutschen Fragen ist die Firma Mind the Company verantwortlich. Die Antworten werden durch das Studium mehrerer Quellen auf ihre Richtigkeit geprüft. Auch Wikipedia gehört zu den Quellen, wie der Moderator Günter Jauch im Oktober 2005 in einer Sendung verriet. Zur Lösung der Fragen stehen dem Kandidaten 3 Joker zur Verfügung: So kann er 1mal das Publikum befragen, welches dann über die möglichen Antworten abstimmt; er kann eine Person zuhause anrufen oder sich 2 falsche Antworten wegstreichen lassen (50:50-Joker). Natürlich kann jeder Joker nur ein einziges Mal gesetzt werden. Der Kandidat entscheidet selbst, wann er welche Hilfe einsetzen möchte. Alle drei Joker können auch bei ein und derselben Frage benutzt werden. Anlässlich der 500. Sendung am 10. September 2005 wurde der so genannte Kompetenzteam-Joker eingeführt. Hierbei konnten die vier bisherigen 49 Millionäre der Sendung (angelehnt an den Telefonjoker) um Rat gefragt werden. Diesen Joker gab es allerdings nur in der Jubiläums-Ausgabe der beliebten Kult-Quizshow. Die neuen Regeln Am 3. September 2007 (nach der Sommerpause) führte RTL jedoch einige Veränderungen in den Regeln durch, die das Spiel anregender gestalten sollen – eine Frischzellen-Kur für die Sendung. Der durch die Auswahlfrage bestimmte Spieler muss zunächst entscheiden, ob er nach den alten Regeln spielen will oder die neue Version wählt. Wie bisher gibt es zwar die Möglichkeit, mit drei Jokern und Sicherheitsstufen bei 500 und 16.000 Euro Millionär zu werden. Zusätzlich soll es aber einen zweiten Weg „für Zocker und Wagemutige“ ohne die 16.000-EuroSicherheitsstufe geben – dafür erhalten diese Kandidaten einen vierten Joker und einen erweiterten Telefonjoker. Zusatzjoker Nach den neuen Regeln wird ein „Zusatzjoker“ eingeführt, den der Kandidat nutzen kann, dann muss er allerdings auf seine Sicherheitsstufe bei 16.000 Euro verzichten. Sollte eine Frage (egal auf welchem Level) nicht beantwortet werden können, kann eine Person aus dem Publikum gewählt werden, die helfen soll. Der Moderator bittet die Zuschauer aufzustehen, die glauben, die Frage richtig beantworten zu können. Der Moderator fragt den vom Kandidaten ausgewählten Zuschauer nach seiner Antwort, die der Kandidat annehmen kann, aber nicht muss. Sollte die Antwort des Zuschauers richtig sein, erhält die befragte Person aus dem Publikum 500 Euro. Der Immobilienfachwirt Thomas Vogt wählte in der Sendung vor der Sommerpause 2007 die neue Variante. "Der Name welcher Religion geht auf einen späteren äthiopischen Kaiser zurück?", lautete die 64.000-Euro-Frage, bei der er sich nicht zwischen Hinduismus, Voodoo, Rastafari und Schintoismus entscheiden mochte. Genau zwei Studiogäste standen auf – und 50 der freundliche Bauingenieur Fritz wusste die Verbindung zwischen Reggae, Rastafari und dem äthiopischen Kaiser Ras Tafari alias Haile Selassie herzustellen. Gut für Kandidat Thomas, dass er sich für seinen Retter entschieden hatte; der zweite vermeintlich Kundige aus dem Publikum hätte ihm Voodoo als Lösung empfohlen. Bei der 125.000-Euro-Frage allerdings war für den Kandidaten Thomas Schluss – weil er nicht raten wollte, ob Graf Zeppelin, Rudolf Diesel, Gustave Eiffel oder Wilhelm C. Röntgen 1913 auf mysteriöse Weise von einem Boot verschwand und nie mehr gesehen wurde (Antwort: Diesel). Er stieg aus und ging mit 64.000 Euro nach Hause. Weniger Glück mit den neuen Regeln hatte Volkswirt Sven aus Berlin. Zwar konnte ihm der aus dem Publikum erkorene "Herr im gestreiften Hemd" noch bei der 16.000-Euro-Frage nach der Mitralkappe weiterhelfen, die sich weder im Dieselmotor noch an der Bischofsmütze oder in der Querflöte, sondern im menschlichen Herzen befindet. Doch in der nächsten Runde, als gefragt wurde, ob die Demokratische und die Republikanische Partei in den USA durch Bulle und Bär, Falke und Taube, Esel und Elefant oder Hund und Katze versinnbildlicht werden, erinnerte sich Sven an die vielbeschworenen Falken der Bush-Administration, setzte auf das Vogelpaar – und stürzte bitter auf 500 Euro ab. Esel und Elefant wären richtig gewesen. Erweiterter Telefonjoker Wenn der Kandidat zwar den Telefonjoker einsetzen möchte, aber keinem seiner Bekannten zutraut, die richtige Antwort zu wissen, kann er einen per Zufallsgenerator ausgewählten Teilnehmer in Deutschland anrufen und um Hilfe bitten. Vorgaben wie etwa Geschlecht oder Wohnort sind möglich. Sobald jemand abhebt, gilt der Joker als gespielt, auch wenn der Angerufene nicht helfen will oder kann. Es wird so lange bei unterschiedlichen Teilnehmern angerufen, bis abgehoben wird. Nach 30 Sekunden wird der Anruf gestoppt und der Kandidat kann wählen, ob er die Antwort des Jokers nehmen möchte oder nicht. Sollte die Antwort des Angerufenen richtig sein, 51 so erhält dieser 500 Euro. Erstmals genutzt wurde er in der Sendung vom 14. September 2007: Die zufällig ausgewählte Gesprächspartnerin aus Berlin wusste, dass die Berliner Siegessäule früher einen anderen Standort hatte. Die Neuerungen erwiesen sich zwar nicht als revolutionär, aber aus Sicht des TV-Zuschauers als durchaus geglückt, weil die zusätzliche Publikumseinbindung eindeutig belebend wirkte. Sie eröffnen auch Günther Jauch neue Möglichkeiten zur Interaktion und verlangt den Kandidaten ein bisschen mehr Risiko bei der Auswahl ihres Antwortgebers ab. Mit den neuen Regeln werde die Sendung spannender, sagte Jauch der "Bild"Zeitung zufolge. "Ich denke, von 125.000 oder sogar von 500.000 auf 500 Euro herunterzufallen, das ist eine ganz andere Geschichte, als in jedem Fall mit 16.000 nach Hause zu gehen." 33 Für mehr Spannung sorgen die neuen Joker nicht unbedingt. Der vierte, zusätzliche Joker verlängert die Spielrunden, ohne wesentlich zum Kitzel der Show beizutragen. Im Gegenteil: Die Kandidaten verlassen sich noch weniger auf das eigene Wissen, verbrauchen ziemlich rasch die zusätzlichen Antwortmöglichkeiten durch Publikumshilfen oder Telefonanrufe. Kandidat Thomas Vogt stieg nach dem Einsatz des letzten Jokers bei der 125.000Euro-Frage aus und nahm mit 64.000 Euro vorlieb. Kandidat Piet hatte schon nach wenigen Fragen alle Joker verbraten und passte bei der Gewinnsumme von 16.000 Thomas Vogt und Günther Jauch Euro. Das wäre wohl auch mit den alten Regeln nicht anders gelaufen. Lediglich Kandidat Sven (hatte bei 16.000 Euro den letzten Joker gesetzt) stürzte mit den neuen Regeln ab: falsche Antwort bei 32.000 Euro, da blieben ihm nur 500 Euro. 33 www.stern.de, Artikel vom 26. August 2007 52 Also, es kommt nicht auf die Zahl der Joker, sondern, wie gehabt, auf die Cleverness der Kandidaten an. Und auf den Quizmaster, der sich allerdings zum ersten Mal mit neuer und ungewohnter Brille präsentierte ("mit der Behinderung leben und dazu stehen", so Jauch). Gewinnstufen Bis zur Einführung des Euro im Jahre 2002 gab es die Gewinnstufe 250.000 DM (Frage 12 auf 13). Da man aber dem Titel der Sendung weiterhin gerecht werden, jedoch nicht bereits bei der 1. Frage mit 100 Euro beginnen wollte, wird der Gewinn zwischen der 13. und der 14. Frage nicht verdoppelt, sondern vervierfacht. Auch zwischen den Fragen 3 und 4, 4 und 5 sowie 12 und 13 findet keine „Verdopplung" statt. Frage: 50 € Frage: 100 € Frage: 200 € Frage: 300 € Frage: 500 € Frage: 1.000 € Frage: 2.000 € Frage: 4.000 € Frage: 8.000 € Frage: 16.000 € Frage: 32.000 € Frage: 64.000 € Frage: 125.000 € Frage: 500.000 € Frage: 1.000.000 € Sicherheitsstufe* Sicherheitsstufe** * Der Betrag der Sicherheitsstufe bleibt dem Kandidaten auch nach den neuen Regeln erhalten, wenn er bei einer späteren Frage falsch antwortet. ** Beim klassischen Spiel bleibt der Gewinn bei dieser Sicherheitsstufe erhalten, auch wenn der Kandidat bei einer späteren Frage falsch antwortet. Bei den neuen Regeln gibt es die Sicherheitsstufe von 16.000 Euro nicht, dem Kandidaten bleiben also bei einer falschen Antwort 500 Euro. Wahlweise kann der Kandidat aber auch diese Sicherheitsstufe behalten und dafür den vierten, neuen Joker ablehnen. 53 Eine besondere Rolle kommt den Fragen 5 und 10 zu: Sie sind so genannte „Sicherheitsstufen“. Werden die Fragen dieser Stufen richtig beantwortet, so hat der Kandidat den entsprechenden Geldbetrag sicher gewonnen und verliert ihn auch nicht mehr. Beantwortet er eine der folgenden Fragen falsch, so fällt er auf die zuletzt erreichte Sicherheitsstufe zurück und beendet das Spiel mit dem Gewinnbetrag der Sicherheitsstufe. Der Kandidat kann jederzeit entscheiden, das Spiel zu beenden und den bis dahin erspielten Geldbetrag mit nach Hause nehmen. Sobald ein Kandidat das Spiel beendet, beginnt eine weitere Auswahlrunde und ein neuer Kandidat bekommt die Chance auf den Hauptgewinn. Wer es aus dieser Auswahlrunde nicht geschafft hat, darf sich frühestens drei Monate nach Ausstrahlung der Sendung wieder bewerben. Wenn im Studio während des Spiels das Licht ausgeht, beobachten zahlreiche Nachtsichtkameras das Geschehnis und zeichnen alles mit infrarotem Licht auf. Die Spieler werden auch von Mitarbeitern der Show beobachtet. Wenn einer von ihnen etwas Verdächtiges bemerkt, wird die Aufzeichnung des Spiels sofort abgebrochen. Während der Show ist es strikt verboten, ein Mobiltelefon oder andere moderne Verbindungsmöglichkeiten zu benutzen. Das Studio ist direkt und ununterbrochen mit einem Geräteraum verbunden, der mit einem Funkscanner ausgestattet ist. Falls die Schwindler, in einem neben dem Studio geparkten Auto versteckt, ihrem Spielkandidaten durch einen im Ohr versteckten Miniempfänger eine richtige Antwort senden möchten, wird das Signal sofort fixiert und blockiert. Trotz strenger Kontrolle schließen die Organisatoren nie aus, dass unehrliche Quiz-Kandidaten modernste Technologien benutzten können – zu hoch ist der Gewinneinsatz! 54 Studiopublikum Wer als Zuschauer bei „Wer wird Millionär?" (RTL) im Studio dabei sein will, muss Eintritt zahlen. Die Aufzeichnung findet in der Regel dienstags statt. Der Eintrittspreis pro Person beträgt momentan 14,- Euro für den Besuch einer Einzel-Aufzeichnung bzw. 19,- Euro pro Person für den Besuch einer Doppel-Aufzeichnung. Das Studio fasst insgesamt 219 Zuschauer. Zurzeit liegen über 22.000 Voranmeldungen für Eintrittskarten vor. Daher können die Eintrittskarten nur über eine Warteliste vergeben werden. Durch die große Menge der Voranmeldungen beträgt die momentane Wartezeit ca. 24 Monate (Stand: Januar 2007). Statistiken • Die 800. Sendung wurde am 20. März 2009 ausgestrahlt. • Bisher gab es in der deutschen Show acht Millionäre. Zweimal wurde der Hauptgewinn in Deutsche Mark, sechsmal in Euro erreicht. • Etwa 1.400 Kandidaten waren seit der ersten Show am 3. September 1999 dabei. (Stand August 2007) • Sie erspielten insgesamt ca. 48 Millionen Euro. (Stand September 2007) • Durchschnittlich gewann jeder Kandidat 34.000 Euro. • Die durchschnittliche Gewinnsumme aller Kandidaten zusammen beträgt pro Sendung 75.000 €. • Die Millionen-Frage wurde insgesamt 48 Mal gestellt. (Stand: 13. September 2008) • Bisher gab es 20 Kandidaten, die das Spiel gänzlich ohne Gewinn beendeten. (Stand: 14. Oktober 2008) 55 • Seit dem 22. Januar 2007 wird die Show in einem farblich leicht veränderten Design ausgestrahlt. Das neue On-Screen-Design wirkt nicht mehr so seriös und "edel" wie das alte. • Am 7. März 2008 wurde die 20.000. Frage gestellt Bisherige Hauptgewinner Bisher gab es in der deutschen Show acht Millionäre. Zweimal wurde der Hauptgewinn in Deutscher Mark, sechsmal in Euro erreicht. 1) 2. Dezember 2000: Eckhard Freise (56, Geschichtsprofessor) Millionenfrage: Mit wem stand Edmund Hillary 1953 auf dem Gipfel des Mount Everest? A: Nasreddin Hodscha B: Nursay Pimsorn C: Tenzing Norgay D: Abrindranath Singh 2) 20. Mai 2001: Marlene Grabherr (48, Bürokauffrau) Millionenfrage: Welche beiden Gibb-Brüder der Popband The Bee Gees sind Zwillinge? A: Robin und Barry B: Maurice und Robin C: Barry und Maurice D: Andy und Robin 3) 18. Oktober 2002: Gerhard Krammer (24, Student der Musik und Philosophie) Millionenfrage: Welcher berühmte Schriftsteller erbaute als diplomierter Architekt ein Freibad in Zürich? A: Joseph Roth B: Martin Walser C: Max Frisch D: Friedrich Dürrenmatt 56 4) 29. März 2004: Dr. Maria Wienströer (38, Ärztin) Millionenfrage: Wer bekam 1954 den Chemie- und 1962 den Friedensnobelpreis? A: Linus Pauling B: Otto Hahn (Nobelpreisträger für Chemie 1944) C: Pearl S. Buck (Literaturnobelpreis 1938) D: Albert Schweitzer (Friedensnobelpreis 1952) 5) 9. Oktober 2006: Stefan Lang (32, Klimaanlageninstallateur) Millionenfrage: Welches chemische Element macht mehr als die Hälfte der Masse eines menschlichen Körpers aus? A: Kohlenstoff (Element mit dem zweitgrößten Massenanteil im Körper) B: Kalzium C: Sauerstoff (Element mit dem größten Massenanteil im Körper) D: Eisen (nur Spurenelement) 6) 8. Januar 2007: Timur Hahn (27, Student der Anglistik, Medienwissenschaft und Informatik an der Philipps-Universität Marburg) Millionenfrage: Welches Meer ist nach einem mythologischen König benannt, der sich dort hineingestürzt haben soll? A: Ionisches Meer B: Ägäisches Meer (König Aigeus) C: Adriatisches Meer D: Kaspisches Meer 7) 30. Mai 2008: Oliver Pocher (30, Comedian) – Prominenten Special Millionenfrage: Das Nagel-Schreckenberg-Modell liefert eine Erklärung für die Entstehung von…? A: Sandwüsten B: Verkehrsstaus C: Grippewellen D: Börsencrashs 57 8) 20. November 2008: Thomas Gottschalk (58, Fernsehmoderator) – Prominenten Special Millionenfrage: Wie hieß franz Kafkas letzte Lebensgefährtin, die er 1923, ein Jahr vor seinem Tod, kennenlernte? A: Dora Diamant B: Sarah Saphir C: Rita Rubin D: Olga Opal Auszeichnungen • 2000 - Deutscher Fernsehpreis - Beste Unterhaltungssendung • 2001 - Bambi für Günther Jauch • 2006 - Deutscher Fernsehpreis – Beste Unterhaltungssendung/ Beste Moderation Unterhaltung für das „Prominenten Special WM 2006“ Die 500. Folge Am 10. September 2005 wurde die 500. Folge der Quizshow ausgestrahlt. Dazu stand für die Kandidaten zusätzlich ein vierter Joker zur Verfügung, der sogenannte "Kompetenzteam-Joker". Die vier bisherigen Millionäre Prof. Eckhard Freise, Marlene Grabherr, Gerhard Krammer und Dr. Maria Wienströer wurden noch einmal in die lange Sondersendung eingeladen, um sich in einem Kompetenzteam zusammenzusetzen und sich bei einer schwierigen Frage zu beraten. Dieser Joker konnte vom Kandidaten allerdings erst ab einer Gewinnsumme von 1.000 Euro eingesetzt werden. Das Kompetenzteam hatte wie der Angerufene beim Telefonjoker 30 Sekunden Zeit, um eine richtige Antwort abzugeben. Die Millionäre wurden aus einem anderen Studio per Bildschirm zugeschaltet. Normalerweise wird der Rest der zehn verbleibenden Kandidaten am Schluss ausgetauscht. In der 500. Folge durfte aber jeder einzelne bis zum Schluss der Sendung in der Mitte auf dem "heißen Stuhl" Platz nehmen und die Chance erhalten, als Millionär das Studio zu verlassen. 58 Besondere Sendungen Familien-Special Am 10. November 2006 wurde erstmalig ein Wer wird MillionärFamilienspecial ausgestrahlt. Dabei setzt RTL auf ein in Deutschland völlig neues Konzept: Innerhalb des „Wer wird Millionär? - Familienspecial“ trifft Jauch im Studio nicht auf einen einzigen Kandidaten sondern auf eine ganze Kandidatenfamilie. Die Familie konnte dabei bestimmen, welches Mitglied in die Auswahlrunde darf. Nachdem diese dann am schnellsten und richtig beantwortet wurde bewegt sich die komplette Familie zum Platz gegenüber von Günther Jauch. Neben den viel höheren Gewinnchancen durch das Wissen mehrerer Generationen wird allen Teilnehmern zur Beantwortung auch die doppelte Zeit zur Verfügung gestellt. Ansonsten wird zu den altbewährten Spielregeln gespielt. Drei Familien gewannen Beträge zwischen 4.000 und 125.000 Euro. Alle drei Familien traten mit ihren Töchtern an, die sich allesamt durch den Gewinn ein eigenes Pferd erhofften. In der Familie, die letztlich 125.000 Euro gewann, gab die Tochter, nachdem die Familie entschieden hatte, auszusteigen, sogar die richtige Antwort zur 500.000-Euro-Frage. Am 27. und 30. April 2007 wurde das zweite Familienspecial ausgestrahlt bei dem drei Familien zwischen 16.000 Euro und 64.000 Euro gewannen. Das dritte Familienspecial fand am 22. Dezember 2007 statt. Die drei Familien erspielten nacheinander 32.000 Euro, 64.000 Euro und 32.000 Euro. Die zweite Chance Am 23. Dezember 2006 strahlte RTL erstmals ein Wer wird Millionär-Special mit dem Namen "Die Zweite Chance" aus. In dieser Sendung konnten zehn ehemalige Kandidaten, die das Studio ganz ohne Gewinn verlassen mussten, noch einmal antreten. Es gab sogar eine einmalige Regeländerung, damit das 59 Quiz für die Kandidaten nicht erneut ohne Gewinn endet. Dabei durften die Wiederholungsrater diesmal Verstärkung mitbringen und sich vor den Antworten absprechen, ein trauriger Mitleidsbonus, der allerdings dringend nötig war: Die mitgebrachten Freunde, Onkels oder Schwestern erwiesen sich an diesem Abend allesamt kompetenter als diejenigen, die sich ursprünglich mal als Schlaufüchse beworben hatten. Vielleicht ist die Aufregung beim zweiten Mal noch größer. Weil man weiß, dass es jetzt doppelt so schlimm wäre, alles zu vermasseln. "Tun Sie mir einen Gefallen: Gehen Sie nicht noch mal mit null Euro nach Hause", sagte Jauch, als es einmal richtig brenzlig wurde. Eigentlich waren 15 Kandidaten ohne Gewinn ausgeschieden, doch verzichteten, wie Jauch in der Sendung erklärte, fünf der Kandidaten darauf, noch einmal an der Sendung teilzunehmen. Sonst bleiben die Spielregeln unverändert: 15 Fragen, drei Joker, kein Zeitlimit. Zuerst bestreitet der ehemalige "Nuller" Kandidat die Auswahlrunde. Ist diese erst einmal geschafft, darf er gemeinsam mit seinem Co-Kandidaten Günther Jauch gegenüber Platz nehmen und sich über die Fragen beraten. Letztendlich entscheidet der Co-Kandidat, welche Antwort genommen wird. Da so das Wissen zweier Zweite-Chance-Kandidat Martin Schnelle (l.), Jauch (r.):"Gehen Sie nicht noch mal mit null Euro nach Hause!" Kandidaten zum Tragen kommen kann, dürften sich die Chancen auf einen hohen Gewinn durchaus um einiges verbessern. Natürlich ist es kein Weltuntergang, wenn man nicht weiß, wer "Die Kameliendame" des französischen Autors Alexandre Dumas war (Marguerite Gautier), oder dass eine der Rheintöchter aus Wagners Oper "Rheingold" Floßhilde heißt (nicht etwa Barkenelse oder Kahnigunde). Sowieso gilt es ja 60 als ungeschriebenes Gesetz, dass man vor dem Bildschirm immer schlauer ist als wenn einen nachher sämtliche Kameras im Visier haben. Selbst die Co-Kandidaten hatten schwache Momente: "Machen wir ene, mene, muh?", schlug eine ihrem Freund vor, weil sie sich mit ihm eine Ewigkeit nicht über die Antwort einig wurde. Andere machten bloß ein ahnungsloses Gesicht und forderten: "Sag du." Die Gewinne waren auch bei der zweiten Chance nicht besonders spektakulär: zweimal 8000 Euro, zweimal 16.000 Euro. Blind-Date-Special Am Montag, den 11. Februar 2008 gab es erstmals eine Sendung mit Paaren, die sich im Studio zum ersten Mal begegneten. Zuvor mussten sich die Bewerber online qualifizieren und sich in einem besonderen Chat eine/n Partner/in wählen. Sie durften im Kandidaten Hess und Lippold Chat nichts über ihr Aussehen schreiben. Die Sendung begann, wie üblich, mit der normalen Auswahlrunde und 10 Kandidaten. Auf die zwei Kandidaten, die es auf den Stuhl schafften, wartete hinter einer Studiotür der Chatpartner, der sich, wie schon bei den Familien-Specials, dazusetzte. Während der Sendung lernten sich die Partner weiter kennen und wurden von Günther Jauch nach ihren Erwartungen an den Partner gefragt, und ob sich ihre Vorstellung vom Gegenüber erfüllt zeige. Die beiden Paare, die es auf den Stuhl schafften, gewannen 32.000 und 64.000 Euro. Die Gewinnsummen wurden zur Hälfte auf beide Partner aufgeteilt. 61 Prominenten-Specials Alle sechs Monate findet eine Wer wird Millionär? - Sendung mit Prominenten statt, die mit über zwei Stunden länger als die normalen Sendungen dauert. Die prominenten Gewinner spenden dabei ihren Gewinn an wohltätige Einrichtungen oder Stiftungen. Aus diesem Grund sind in diesem Spiel die Regeln nicht so streng wie bei den normalen Ausgaben. Vor allem in den unteren Gewinn-Stufen sprechen sich die Kandidaten mitunter ab, um einen Joker zu sparen. Günther Jauch greift nicht ein, umgekehrt unterhält er sich humorvoll, herzhaft und hilfsbereit mit seinen berühmten Gästen. Die Reihenfolge der Prominenten wird genauso wie in den normalen Sendungen durch Auswahlfragen bestimmt. Im Unterschied zu diesen kommen hier aber immer alle Kandidaten an die Reihe. Wenn die Promis zum "Wer wird Millionär"-Spezial eingeladen werden, um wieder für einen guten Zweck zu spielen, sind sehr oft einige besonders populäre Sketch- oder Comedystars dabei. Als redegewandte Profis erhöhen sie immer den Unterhaltungswert jeder Sendung und erspielen in der Regel hohe Beträge für verschiedene karitative Hilfsprojekte. Einige sind ein echtes Quiztalent und, wenn sie dem Moderator gegenübersitzen, dabei auch sehr lustig. In einer deutschen Sendung "Wer wird Millionär"-Spezial (vom 22.11.2007) war zum Beispiel wieder die populäre Sat.1Comedy-Frau Anke Engelke zu Gast. Sie räumt einen höheren Gewinn ab als alle ihre männlichen Kollegen zusammen und liefert sich mit Moderator Günther Jauch einen munteren Schlagabtausch. "Äthiopien!", platze es bei der 500.000-Euro Frage aus Engelke heraus, noch bevor Jauch die Frage Anke Engelke Promi-Kandidat hatte zu Ende lesen können: "Welches Land 62 gilt als ursprüngliche Heimat des Kaffeebaums Coffea arabica?" Weil ihre Eingebung tatsächlich zu den danach genannten Antwortvorschlägen gehörte, war die halbe Million sicher, und der verwirrte Jauch fragte, woher seine Kandidatin so ein Spezialwissen habe. Engelke antwortete trocken: "Ich meine, das mal auf einer Kaffeedose gesehen zu haben." Nur bei der Eine-Million-Euro-Frage hat Anke der Mut verlassen. Eigentlich hat sie gewusst, dass der Belgier Luc Luycx die Euro-Münzen kreiert hat und nicht etwa den Oscar, das Atomium oder die Schlümpfe. Da war die Gefahr aber doch zu groß, beim Risiko-Spiel auf 500 Euro abzustürzen. Und für den guten Zweck pokert es sich so schlecht. Beim Prominenten-"Wer wird Millionär" geht es naturgemäß deutlich lockerer zu als in den üblichen Sendungen, wenn mit nervösen Medienprofis gespielt wird, die es spannend machen und dabei noch witzig sein sollen. Man sieht Jauch an, wie viel Spaß er jedes Mal bei diesen Sendungen hat. RTL überstrapaziert das Prinzip nicht und lädt nur ein oder zwei Mal im Jahr Prominente ein. Comedian Kaya Yanar hatte schon bei der zwölften Frage sämtliche Joker verbraten. "Kann ich denn bestimmen, welche Antworten beim Fifty-FiftyJoker stehen bleiben?", witzelte er. Und wollte anfangs so zögerlich die Unterstützung des Publikums einsetzen, dass es Jauch von seinem Stuhl riss, um ihn zur Besinnung zu bringen. Als es Kaya Yanar dann um 64.000 Euro ging, musste Yanar aussteigen – trotz Telefonjoker, mit dem er einen Freund fragen konnte, was das "Schlafittchen", an dem man jemanden packen kann, ursprünglich bezeichnete. Den Bart? Ein Ohr? Das Horn? Oder - und das wäre korrekt gewesen - einen Flügel? Yanar flehte: "Das kannste googeln, schnell! Ich hab gesagt: Bleib am Computer!" 63 "Ich würd’ mich nicht aufs Publikum verlassen", brüllte Yanar aus dem Zuschauerraum heraus, als bei der nächsten Runde mit einem anderen PromiKandidaten wieder ein Zuschauervotum anstand. Später war Jauch sich sicher, dass "mindestens fünf Leute" im Studio wüssten, ob Angela Merkel, Wolfgang Tiefensee, Franz Josef Jung oder Brigitte Zypries in den neuen Bundesländern geboren wurde. Es wusste aber keiner. "So ist das, wenn man sein Publikum überschätzt", witzelte der Moderator. Fast zehn Millionen Menschen wollten an diesem Abend das ProminentenSpecial von "Wer wird Millionär" auf RTL sehen: Insgesamt schauten 9,57 Millionen zu, in der für die Werbeindustrie wichtigen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen reichte es für einen starken Marktanteil von 33 Prozent – Topquoten für Jauch!34 Das Highlight von einem anderen "Wer wird Millionär"-Special stellte unbestreitbar der Auftritt von Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) dar. Auf dem “heißen Stuhl” war er in seinem Element. Auf gewohnt witzige und plumpe Art brachte er Jauch schon bei den ersten Fragen ins Schwitzen. Ebenfalls eine lustige Showeinlage: Der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatt zog zwei Kurze aus seiner schicken Herrentasche und trank mit Günther Jauch Brüderschaft – auf Ex. Dann küsste er den Günther Jauch gibt dem Enthüllungsjournalisten Horst Schlämmer im Studio Nachhilfe in Krankengymnastik: Er führt die Katzenbuckel-Übung vor. 34 www.stern.de, Peer Schader, Artikel "Das kannste googeln, schnell!" vom 23. November 2007 64 Moderator auf die Wange. Günther Jauch: “Ich habe ja schon einiges erdulden müssen, aber das ist heute Abend zuschlagspflichtig.” Als Schlämmer nach der fünften Frage dann aufhören wollte, schauten alle ungläubig – Aufhören? Bei 500 Euro? Doch diese Idee nahm der Komiker zum Anlass um dass zu tun, was viele Zuschauer und TV-Blogger-Leser bereits im Vorfeld der Sendung ahnten: Er holte Günther Jauch auf den Kandidatenstuhl. Das erste Mal in der langen Karriere von “Wer wird Millionär?” musste sich der Moderator den Fragen stellen. Das gab es bislang auch bei keinem anderen Prominentenspecial. Jauch schlug sich tapfer. Er ertrug die Gymnastikübungen und blöden (aber witzigen) Sprüche des stellv. Chefredakteurs und kämpfte sich bis zur Millionenfrage durch. Bei der Frage “Wer stellt in einem Gedicht fest: ´Der Fußballwahn ist eine Krankheit, aber selten, Gott sei Dank´!?” kapitulierte Jauch. Am Ende stellte sich heraus, dass dies auch eine gute Entscheidung war. Immerhin lag der Moderator und vermeintliche Alleswisser mit seinen beiden Vermutungen deutlich daneben. (Antwort war übrigens D: Joachim Ringelnatz). Immerhin gewann der Moderator 500.000 Euro - die Anspannung und Angst sich zu blamieren waren ihm anzusehen. Gemeinsam gewannen die beiden (Jauch und Kerkeling) an diesem spannenden Abend eine halbe Million für die deutsche Aids-Stiftung – und für den gelungenen Auftritt den Deutschen Fernsehpreis. So hatte der Zuschauer vor dem Fernseher an diesem Sonntag einiges erlebt. Jede Menge Spaß und eine hohe Spende für den guten Zweck waren das Resultat. Und auch mit der Quote kann RTL zufrieden sein. Mit 10,60 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 33,0 Prozent sind die Zuschauerzahlen enorm hoch. In der werberelevanten Zielgruppe sah es ebenfalls sehr gut aus: 5,19 Millionen 14- bis 49-Jährige schalteten ein, was einem Marktanteil von sehr guten 36,9 Prozent entspricht. 65 Am 30. Mai 2008 knackte Oliver Pocher, der populäre deutsche Comedian, die letzte Frage und gewann eine Million für wohltätige Zwecke. Standing Ovations, Feuerwerk und Glitzerregen für den siebten Millionengewinner bei „WWM“ und den ersten beim “Prominenten-Special”. Oliver Pocher Als Günther Jauch die Millionenfrage stellte: "Das Nagel-SchreckenbergModell liefert eine Erklärung für die Entstehung von ...?" A: Sandwüsten, B: Verkehrsstaus, C: Grippewellen, D: Börsencrashs, hatte der ehemalige Realschüler nur noch seinen Publikumsjoker. Und die Zuschauer antworteten wie folgt: A:12 %, B:70 %, C:0 %, D:18 %. Was Oliver nicht wusste, nur 35 Zuschauer hatten überhaupt abgestimmt. Seine erste Intuition waren die Verkehrsstaus und so entschied er: "...ich zocke und nehme Antwort B. Und ich biete an, dass ich 100.000 € aus eigener Tasche zahle, wenn ich mit der Antwort falsch liege." Er konnte sein Geld behalten, auch wenn Günther Jauch schon Angst hatte: "Da muss man ja selbst bei der ARD lange für senden." Nach Oliver Pocher hat der Fernsehmoderator Thomas Gottschalk die Million beim “Wer wird Millionär - Prominentenspecial” gewonnen. Er hat als Telefonjoker den bekannten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gewählt. Mit seiner Hilfe konnte er die letzte Frage problemlos beantworten: “Wie hieß Thomas Gottschalk und Marcel Reich-Ranicki Franz Kafkas letzte Lebensgefährtin, die er 1923, ein Jahr vor seinem Tod, kennenlernte?” Reich-Raniki meinte dazu nur: “Die letzte hieß Dora Diamant! Ob er noch nebenbei eine gestreichelt hat, weiß ich nicht.” 66 Strittige Fragen Die Fragen für die Sendung werden von einem externen Redaktionsteam erarbeitet, für die deutschen Fragen ist die Firma Mind the Company verantwortlich. Die Antworten werden durch das Studium mehrerer Quellen auf ihre Richtigkeit geprüft, zu denen etwa die Brockhaus-Enzyklopädie und Wissen.de gehören. Auch Wikipedia gehörte dazu, wie der Moderator im Oktober 2005 in einer Sendung verriet. Nach der „Niels-Bohr-Frage“ (siehe unten) wird die Wikipedia von der WWM-Redaktion jedoch nicht mehr als Quelle zugelassen. Trotz intensiver Überprüfungen können in seltenen Fällen dennoch Fehler auftreten, zumeist aufgrund sich widersprechender Quellen. In zwei Fällen durfte der betreffende Kandidat später neu einsteigen. Fragen mit Folgen: • Welcher Nobelpreisträger für Physik war mehrfacher Fußballnationalspieler seines Landes? Laut WWM soll es Niels Bohr gewesen sein. Belegbar ist aber nur, dass der Bruder Harald Bohr Fußball-Nationalspieler für Dänemark war. Beide Brüder waren erfolgreiche Vereinsfußballer. Der dänische Verband erklärte, für die Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts keine Aufzeichnungen mehr zu haben. Möglicherweise beruht die Information, dass auch Niels Bohr Nationalspieler war, auf der Meldung einer dänischen Tageszeitung anlässlich der NobelpreisVerleihung an Niels Bohr. Eine der Quellen für die WWM-Redaktion war (neben der Brockhaus-CD-ROM) Wikipedia. Im Anschluss an die strittige Frage wurde dort der Eintrag zu Niels Bohr geändert. Der Kandidat wurde erneut eingeladen. • Jedes Rechteck ist ein …? Antwortmöglichkeiten: Rhombus, Quadrat, Trapez und Parallelogramm. Richtig sind zwei Antworten: Parallelogramm und Trapez, denn ein Rechteck ist sowohl Spezialfall des Trapezes als auch des Parallelogramms. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die große Brockhaus-Enzyklopädie (1996, 67 Band 22) das Trapez ausdrücklich mit zwei unterschiedlich langen parallelen Seiten definiert und dann tatsächlich nur das gesuchte Parallelogramm richtig gewesen wäre. Die Kandidatin, die bei dieser Frage ausgestiegen war, wurde erneut eingeladen. • Worauf weist das zu den Richtzeichen gehörende Verkehrszeichen 317 hin? Antwortmöglichkeiten Wanderzirkus, dieser 4.000 Wanderparkplatz Euro-Frage und waren Wanderratten. Wanderdüne, Nach der Straßenverkehrsordnung wäre die richtige Antwort Wandererparkplatz. Daraufhin erhielt die Kandidatin in der folgenden Sendung den bei der Wanderparkplatz-Frage verwendeten 50:50-Joker zurück. Jedoch ist der Ausdruck "Wanderparkplatz" weitaus gebräuchlicher als das amtliche "Wandererparkplatz". Eine Google-Suche etwa ergibt so ein TrefferVerhältnis von rund 30 zu 1. • Wie nennt der Mathematiker die senkrechte Achse im Koordinatensystem? Antwortmöglichkeiten: s-, x-, y-, z-Achse. In der Sendung galt die y-Achse als richtige Antwort, vorausgesetzt wobei wurde. In ein zweidimensionales Koordinatensystem der dreidimensionalen Darstellung eines Koordinatensystems wird jedoch auch die z-Achse optisch senkrecht dargestellt. • Wer unterzeichnete die deutsche Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs? Antwortmöglichkeiten: Konrad Adenauer, Hermann Göring, Adolf Hitler und Karl Dönitz. Die Redaktion wertete Dönitz als richtige Antwort. Unterzeichner der Urkunde waren jedoch Alfred Jodl in Reims und Wilhelm Keitel in Berlin-Karlshorst. Dönitz hatte als Staatsoberhaupt die Vollmacht zur Unterzeichnung gegeben. Daher wird die Kapitulation häufig Dönitz zugeschrieben, wie zum Beispiel in Schwanitz, Bildung (Frankfurt 1999, S. 202): "Und am 8. Mai unterzeichnete Admiral Dönitz die bedingungslose Kapitulation". 68 • Was gehört nicht zu den drei Grundfarben? Antwortmöglichkeiten: rot, gelb, grün und blau. Tatsache ist, dass die richtige Antwort davon abhängt, ob an die subtraktive Farbmischung (in diesem Fall ist die richtige Antwort grün) oder an die additive Farbmischung (in diesem Fall ist gelb die richtige Antwort) gedacht wurde. Bei der subtraktiven Farbmischung hätten allerdings korrekterweise die Farben cyan, magenta, gelb, grün als Antworten vorgegeben werden müssen. So gesehen war die vom Kandidaten gegebene und von der Redaktion als richtig gewertete Antwort gelb richtig. • Glaubt man der Wortherkunft, so teilte man mit seinen Kumpanen ursprünglich... Antwortmöglichkeiten: das Brot, den Beruf, die Beute und die Geliebte. Anke Engelke entschied sich im Prominenten-Special für "das Brot", was die gesuchte richtige Antwort war (vom Lateinischen "cum"=mit und "panis"=Brot). Kumpan kann aber laut dem etymologischem Wörterbuch Kluge (2002, S. 546) von lat. compaginare (= sich vereinigen, sich zusammenschließen) abstammen. Andere Quellen (Duden Wortherkunft, dtvetymolog. Wörterbuch, Petit Larousse) bestätigen jedoch die Lösung der WWM-Redaktion. • Wobei handelt es sich um ein chemisches Element? Antwortmöglichkeiten waren Einsteinium, Heisenbergium, Planckium, Roentgenium. Die Kandidatin wählte Einsteinium aus, was als richtig gewertet wurde. Es handelt sich um das Element Es mit der Ordnungszahl 99. Aber auch die Antwort Roentgenium wäre korrekt gewesen, denn seit dem 8. November 2004 steht das Element mit der Ordnungszahl 111, von deutschen Forschern bereits 1994 an der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt synthetisiert, als "Roentgenium" Rg im Periodensystem. Da die betreffende Frage bereits im Februar 2004 erstellt wurde, aber erst Mitte November (also eine Woche, nachdem Roentgenium ins Periodensystem aufgenommen wurde) gespielt wurde, wurde der Inhalt der Frage in diesem 69 Fall von einer aktuellen Entwicklung teilweise überholt. (Die Kandidatin hat die Frage trotzdem problemlos beantwortet und bekam deshalb keine "Entschädigung".) Gesellschaftlicher Einfluss Wie auch andere Sendungen mit hohen Einschaltquoten im deutschen Fernsehen hat WWM einen gesamtgesellschaftlichen Einfluss. So haben inzwischen die Begriffe „Telefonjoker“, „Publikumsjoker“ und „Fifty-fiftyJoker“ einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht, dass sie in der 24. Auflage des Duden-Rechtschreibwörterbuchs zu finden sind. Diese Tatsache wurde sogar in einer 125.000-Euro-Frage im Prominentenspecial vom 22. November 2007 thematisiert: „Welcher Begriff schaffte es nicht in die aktuelle, 24. Auflage des Rechtschreibdudens? A: Millionenfrage B: Fifty-fifty-Joker C: Telefonjoker D: Publikumsjoker“ - Anke Engelke war die Kandidatin und beantwortete sie richtig. Die Kuriosität Norbert Göckel, ein Kraftfahrer aus Berlin, hatte seinen Job beim BundestagSubunternehmen RocVin beinahe verloren, weil er als Kandidat in Günther Jauchs RTL-Quizshow zu viel geplaudert hatte. Der Bundestags-Chauffeur, hatte auf die Frage Jauchs, ob die höher gestellten Bundestagsabgeordneten oder die Hinterbänkler die freundlicheren Fahrgäste seien, geantwortet: „Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Je höher, desto arroganter...“ Dieser Satz hat dem 56-järigen fast seinen Job gekostet. Günther Jauch zeigte sich schockiert vom rabiaten Vorgehen gegenüber seinem Quiz-Gast. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Herr Göckel wegen dieser Aussage seinen Job verlieren soll. Ich finde, es muss in unserem Land 70 möglich sein, normal über seine Arbeit zu sprechen, ohne sich dabei um Kopf und Kragen zu reden“. Immerhin, 8.000 Euro nahm Göckel mit nach Hause. Seinem Arbeitgeber RocVin, der einen Vertrag mit dem Bundestag hat, war diese Antwort wohl zu freimütig. Aber der Kündigungsgrund ist nach Angabe von Geschäftsführer Manfred Reuter ein anderer: „Göckel hat sich als Fahrer des Deutschen Bundestages ausgegeben – das ist eine Falschaussage. Er ist bei uns angestellt und wir sind Vertragspartner des Bundestages. Allein das könnte Grund für eine fristlose Entlassung sein“, erklärte er der „BildZeitung“. „Er hat als Fahrer in seinem Anstellungsvertrag eine absolute Verschwiegenheitspflicht“, sagte Reuter weiter zu der Entscheidung. Der Rausschmiss, laut BILD-Zeitung35, entfachte bei Politikern des Bundestages einen Sturm der Entrüstung. Der SPDFraktionschef Peter Struck sagte: „Das ist doch kein Kündigung!“ Grund Sein für eine Fraktionskollege Hans-Joachim Hacker: unangemessene Reaktion.“ „Eine Der Bundestag hatte klargestellt, auf die Entscheidung der Firma RocVin keinen Bundestags-Chauffeur Konrad Göckel neben TV-Moderator Günther Jauch (März 2008) Einfluss ausgeübt zu haben. RocVin dagegen hatte behauptet, der Auflösungsvertrag mit Göckel sei „in Absprache“ mit dem Bundestag erfolgt. Kurz danach kam plötzlich die überraschende Nachricht: Der Fahrer kann demnächst wieder Politiker chauffieren. 35 http://www.bild.de 71 2.1.2. Das Quiz mit Jörg Pilawa Die Quizsendung ist eine leicht verändert umgesetzte "Wer wird Millionär"-Variante, läuft immer dienstags bis freitags um 19.20 Uhr im Ersten. Beste Quoten: bis zu 7,2 Mio. Zuschauer Die Vorgeschichte Am 25. Juli 2001 war die Premiere eines neuen deutschen Formats, am 5. Juli 2005 um 19.20 Uhr wurde die 750. Sendung "Das Quiz mit Jörg Pilawa" ausgestrahlt. Bis dahin gab es fünf Höchstgewinner (einmal 500.000 DM, viermal 300.000 Euro). In "Das Quiz mit Jörg Pilawa" spielen Kandidatenpaare gemeinsam um das große Geld. Bewerben können sich nur Paare mit einer interessanten gemeinsamen Geschichte. Hier können alle mitmachen, die verliebt, verlobt, verheiratet sind, oder sonst in irgendeiner Beziehung zueinander stehen: der Vater mit dem Sohn, die Oma mit der Enkelin, eineiige Zwillinge, die Sekretärin mit ihrem Chef oder zwei Nonnen aus einem Kloster. Das Konzept lebt stark von der Kandidaten-Konstellation. Beim Spiel im Studio 72 Bis zu 300.000 Euro kann jedes Paar gemeinsam gewinnen. Doch dazu sind gemeinsam zwölf knifflige Fragen richtig zu beantworten. Die Sendung wird in Hamburg in Staffeln produziert. Die Spielregeln Es spielt jeweils 1 Kandidatenpaar. Auf dem Weg zu 300.000 (früher 500.000 Mark) Euro werden die beiden Partner abwechselnd befragt. Zwölf Fragen sind richtig zu beantworten. Dabei können die Kandidaten aus vier Antwortvorgaben wählen. Wenn ein Kandidat nicht weiter weiß, dann kann sein Partner einspringen. Und wenn er glaubt, dass sein Partner die falsche Antwort gegeben hat, kann er ein Veto einlegen. Zunächst legt das Paar zwei Gewinnstufen fest. Erlangt es diese durch richtige Antworten, kann es mit darauf folgenden falschen Antworten maximal bis zu der zuletzt erreichten Stufe zurückfallen. Das Hauptmotto der Kandidaten dabei lautet: Risiko mit ein bisschen Sicherheit ist die beste Strategie. Am häufigsten werden als Gewinnstufen 5.000 Euro ("eine sichere Sache") und 20.000 Euro ("wenn's denn klappt") gewählt. Selten dagegen die Sicherheitsfanatiker, die als Gewinnstufen 2.000 Euro und 10.000 Euro wählten.36 Genauso selten die Mutigen, die sich 30.000 Euro als erste Gewinnstufe zutrauten und die 100.000 Euro als Gewinnstufe 2 setzten. Der Hintergedanke ist klar: Habe ich 100.000 Euro sicher, dann spielt es sich leicht um die 300.000 Euro. Geklappt hat es bei den Draufgängern nie. Es werden Quizfragen mit 4 Antwortmöglichkeiten (wie im WWM) gestellt, die zunächst immer nur ein Teil des Paares beantworten muss. Ist die Antwort eingeloggt, darf der Partner nun zustimmen und darauf hoffen, dass die Lösung stimmt - oder er legt ein "Veto" ein und ändert noch einmal die Antwort. 3 "Änderungs-Vetos" und 1 "Tausch-Veto", bei dem eine neue Frage gestellt wird, stehen dem Paar auf dem Weg zu 300.000 Euro zur Verfügung. 36 www.daserste.de/quiz/dasquiz.asp 73 Moderator Als "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch Ende der 90er ein beispielloser Überraschungserfolg für RTL wurde, moderierte Pilawa erst eine Nachahmung auf Sat 1 und ging dann 2001 zur ARD, wo er die Idee für "Das Quiz mit Jörg Pilawa" mitentwickelte: Es spielt nicht ein Kandidat, sondern ein Kandidatenpaar; es sind Kollegen, Eheleute, Freunde. Vorteil: mehr Dynamik, weni- Jörg Pilawa ger Aufregung bei den Kandidaten. Und: Der Moderator tritt viel mehr in den Hintergrund. Kandidaten, Saalpublikum und prominente Gäste behandelt Pilawa stets respektvoll und ohne jede Spur von Zynismus oder Sarkasmus. Im neuen Projekt stand Jörg Pilawa zum ersten Mal in seinem Berufsleben hinter der Kamera. Als Produzent seiner eigenen Firma "White Balance" und als Mitproduzent, zusammen mit "Pearson TV", eines neuen Quiz-Formates musste er plötzlich ganz neue Sachen machen: kalkulieren, Aufträge vergeben, sich um Logo, Studiodesign und Musik kümmern – und zum ersten Mal Mitarbeiter einstellen. Jörg Pilawa ist 1965 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin und Geschichte. Ein Jahr arbeitete er in einem Kibbuz in Israel. Schon während des Studiums begann er für den Hörfunk und für das Fernsehen zu arbeiten. Seit 1994 als TV-Moderator erfolgreich, kommt Jörg Pilawa zur ARD: "Herzblatt“, "Das Quiz mit Jörg Pilawa“, "Star Quiz", "Rekord-Fieber“ und Moderator der NDR-Talkshow. Niemand moderiert mehr Fernsehshows als Jörg Pilawa, die Allzweckwaffe der ARD: vom "StarBiathlon" über den "Pisa-Test", "Ernährungstest", "Erziehungstest" und "Partnerschaftstest" bis zur großen Samstagabendshow "Frag doch mal die Maus". Er ist immer solide, immer freundlich – und der Liebling aller Schwiegermütter. 74 Durch vieljährige Arbeit in verschiedenen TV-Formaten konnte Jörg Pilawa viele Erfahrungen ins neue Quiz-Projekt mit einbringen, vor allem bei der Planung der Dramaturgie der neuen Sendung. Beim Start des neuen Quizformats benötigte Jörg Pilawa eine dreimonatige Fernsehpause. "Das Quiz" im Unterschied zu den anderen Quizshows, die zurzeit im deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden, hat kein ausländisches Vorbild. Es ist die erste Quizshow, die in Deutschland selbst entwickelt wurde und auf Sendung ging. Die Hauptidee kam vom Co-Produzenten "Pearson TV", mit dem Jörg Pilawas Firma "White Balance" dann das neue Format weiter konzipiert hat. „Ein äußerst spannender Prozess, bei der Geburt eines neuen Formats dabei zu sein. Und – läuft es gut, dann haben wir auch die Chance, es weltweit anzubieten,“ – berichtet stolz der beliebter Moderator über sein Vorbildprodukt 37. Pilawa hat im Fernsehen zwei Gesichtsausdrücke: entweder sein Gesicht ist auf abwartende Weise neutral, oder er lächelt. Viele Menschen mögen Pilawa sehr, in Umfragen ist er oft der beliebteste Fernsehmoderator nach Günther Jauch und Thomas Gottschalk, die ewige Nummer drei unter den großen Fernsehjungs. Andererseits: Weil er so viel moderiert und weil er dies immer auf die gleiche freundliche, routinierte Art tut, finden ihn andere sehr glatt und langweilig. Pilawas Image besteht im Grunde nur aus endlosen Variationen des Attributs "nett" - von "der nette Herr Pilawa" ("Bild am Sonntag") bis "der große Blonde mit dem netten Lächeln" ("TZ"). Pilawa hat sich zu dieser Sachlage in der Talkshow seines Kollegen Reinhold Beckmann einmal abschließend geäußert, indem er feststellte: "Ich find's nett, nett zu sein." 38 Pilawas Vertrag mit der ARD läuft noch bis 2010. Dann gibt er auch die Geschäftsführung der Produktionsfirma "White Balance" ab, die er inzwischen ohnehin an MME Moviement verkauft hat. Spätestens dann will er auch als Moderator deutlich kürzer treten. 37 38 www.joerg-pilawa.de www.stern.de Till Raether, „Endlose Variationen von "nett"“ (Stern-Artikel aus Heft 23/2007) 75 2.1.3. Glücksrad Die Vorgeschichte „Glücksrad“ (engl. Wheel of Fortune – dt. Das Rad der Fortuna) ist eine bekannte Spielshow, die ursprünglich aus den USA stammt und in vielen Ländern der Erde ausgestrahlt wird oder wurde. Wheel of Fortune ist eine der ältesten Gameshows der USA, welche 1971 von Merv Griffin erfunden wurde. Der legendäre Erfinder behauptet, dass dies während einer sehr langen Autofahrt mit seinen Kindern geschah, die Hangman spielten. 1973 zeichnete Produzent Merv Griffin den Piloten für das „Glücksrad“ auf. Die Show hieß „Shoppers Bazaar“ und wurde von Edd Byrnes präsentiert (bekannt als „Cookie“ aus der Serie „77 Sunset Strip“). Am 6. Januar 1975 ging die Show mit dem Namen „Wheel Of Fortune“ bei der NBC erstmals auf Sendung. Sie wurde zunächst von Chuck Woolery moderiert, seine Assistentin –„Buchstabenfee“ (die Frau, die die Buchstaben der Ratewand umdreht) war Susan Stafford. Im September 1982 sicherte sich das Fernsehproduktions- und Vertriebsunternehmen „King World Productions“ mit Sitz in New Jersey die Rechte zur gemeinschaftlichen Ausstrahlung der Show. Die Sendung wird seitdem zentral von King World Productions produziert und dann an die zahlreichen amerikanischen TV-Stationen lizenziert. Kingworld produziert auch mehrfach im Jahr lokal, z.B. auf Hawaii, in Florida oder Las Vegas. 19. September 1983: Nach mehr als 4.000 Shows wechselt das „Wheel Of Fortune“ in die TV-Syndication (Zusammenschluss aus verschiedenen TVSendern, die gemeinsam die Ausstrahlungsrechte an einem Programm erworben haben). Seitdem wird diese Show in den USA von 200 Sendern als „syndicated show“ übertragen. Als Moderator bleibt Pat Sajak (seit 1981) 76 dabei. Die Buchstabenfee heißt Vanna White. Kurz nach ihrer Einstellung bricht in den USA die Vannamania aus. Sie erscheint auf dem Titel des Newsweek-Magazins, bekommt eine Rolle in dem TV Movie „Godness Of Love“. Ihre Autobiographie wird ein Bestseller. 1994 spielt Vanna White ihre eigene Rolle in dem Kinofilm „Nackte Kanone 33 1/3“ mit Leslie Nielsen. Die meisten amerikanischen Familien bevorzugen diese Unterhaltungsshow. Aufgrund seiner ungeheuren Popularität und der Lizenzeinnahmen sind die Gewinnsummen sehr hoch und die Sachpreise attraktiv. Dadurch hat diese Sendung nach wie vor einen enormen Zulauf. Die internationale Lizenzierung der Sendung liegt derzeit bei CBS International. Dabei unterliegen die Lizenznehmer engen Ristriktionen seitens Kingworld. Selbstverständlich werden aber lokale Eigenheiten berücksichtigt: In der Türkei ist Glücksrad eine mehrstündige Live-Sendung mit einem überaus populären Spaßvogel als Gastgeber, in Litauen ist die Ratewand („puzzle board“) aus Kostengründen aus Karton, auf den Philippinen ist das Rad so angebracht, dass auch verschleierte Frauen es drehen können, ohne gegen die guten Sitten zu verstoßen. 77 Deutsche Adaption als „Glücksrad“ In Deutschland lief die Sendung etwa 15 Jahre lang auf verschiedenen Sendern und ist mit über 4.000 produzierten Folgen die am häufigsten gesendete Spielshow Deutschlands. Am 7. November 1988 wird das „Glücksrad“ erstmals in Deutschland bei dem Privatsender SAT.1 ausgestrahlt. Moderiert wurde die Ratesendung damals von Frederic Meisner und dem Schauspieler Peter Bond, die sich wöchentlich abwechselten. „Buchstabenfee“ war Maren Gilzer. Glücksrad war in Deutschland die zweite sogenannte „Daily Gameshow“ (Erste "Daily Gameshow" war Ruck Zuck (Sendestart: zehn Monate vor dem Glücksrad)). Aufgrund eines Beschlusses des Neustadter Verwaltungsgerichts musste die Sendung ab April 1991 als Dauerwerbesendung gekennzeichnet werden. Im Laufe der Zeit machte die Sendung einige Veränderungen durch; viele Spielmodi (z.B. Temporunde, Bonusrunde) wurden eingeführt, verändert oder abgeschafft. Mit anderen Worten – an die einheimischen Bedingungen angepasst. Das Glücksrad wurde zunächst montags bis freitags um 19:30 Uhr gesendet. Aufgrund des großen Erfolgs der Sendung wurde im April 1991 eine 78 samstägliche und im September 1991 eine sonntägliche Ausgabe ins Programm genommen. Damit war das Glücksrad fast sieben Jahre lang täglich zu sehen. Obwohl das Glücksrad über lange Zeit zu den erfolgreichsten und zuschauerreichsten Formaten des Senders gehörte und auch gegen Ende immer noch gute Quoten erreichte, wurde es im Mai 1998 eingestellt. Die Zuschauer des Glücksrads waren überwiegend ältere Menschen, die für den Privatsender zur „werbeunrelevanten“ Zielgruppe gehörten. Der geplanten „Programmverjüngung“ fielen nicht nur die Spielshows Glücksrad und Geh aufs Ganze!, sondern auch Serien wie Der Bergdoktor und Kurklinik Rosenau zum Opfer. Dieter Thomas Heck bezeichnete die Absetzungen von Sendungen für ältere Menschen aufgrund von Werbeinteressen damals als „respektlos“ und als „Verletzung der Menschenwürde“.39 Nach der Einstellung der Sendung bei Sat.1 wechselt das bekannteste Spielformat der Welt am 18. Mai 1998 zu Kabel 1 und feiert im gleichen Jahr sein 10-jähriges Deutschland-Bestehen. Im Moderatoren-Team gab es jedoch einige Veränderungen: Peter Bond und Maren Gilzer verließen das Team, Sonya Kraus übernahm den Part der „Buchstabenfee“. Von der ursprünglichen Glücksrad-Besetzung blieb damit lediglich Frederic Meisner übrig. Ende 2001 hörte auch Frederic Meisner vorerst auf. Um die Show zu modernisieren, verpflichtete Kabel 1 den durch Dingsda und Versteckte Kamera bekannten ZDF-Moderator Thomas Ohrner als Glücksrad-Leiter. Neue Buchstabenfee wurde im Jahre 2002 das Fotomodell und damalige Miss Germany Katrin Wrobel. Die Sendung hatte ihre erfolgreichsten Zeiten jedoch schon hinter sich und wurde Ende 2002 wieder eingestellt, am 31. Oktober 2002 lief die letzte Ausgabe bei Kabel 1. 39 http://de.wikipedia.org 79 Im Jahre 2004 gab es bei dem Quizsender 9Live eine Rückkehr des Glücksrads. Von März 2004 bis März 2005 wurde die Sendung zunächst täglich, ab Juli 2004 dreimal wöchentlich ausgestrahlt. Moderator war erneut Frederic Meisner, für das Umdrehen der Buchstaben war nun Ramona Drews, die Frau von dem Popsänger Jürgen Drews, zuständig. Wie von Anfang an geplant wurde nur eine Staffel mit 100 Sendungen als so genannte „Low-Budget“-Produktion hergestellt. Dies zeigte sich beispielsweise in der ziemlich einfachen Aufmachung des Studios und den Applaus-Einspielern, da aus Kostengründen auf ein echtes Publikum verzichtet wurde. Denn im Gegensatz zu früheren Sendungen sollte die Produktion bei 9Live lediglich dazu dienen, neue Zuschauer für das eigentliche Kerngeschäft des Senders, die Call-In-Sendungen, anzulocken. Mit der Einstellung der Sendungen im März 2005 verschwand das Glücksrad von den deutschen Bildschirmen. Jedoch gab es 2007 im GameshowMarathon auf ProSieben eine Neuauflage des Glücksrads. Die Spielregeln "Glücksrad" ist eine Mischung aus Roulette und Kreuzworträtsel. Das Spiel setzt sich aus fünf Runden zusammen, in denen drei Kandidaten Begriffe und Redewendungen aus verschiedenen Bereichen (Ereignis, Titel, Ort, Sache, Person, Gruppe, Natur, Frage) erraten müssen. Dazu drehen sie ein Rad, das auf einem GeldFeld mit Summen von 150 bis 5.000 DM oder auf einem der Sonderfelder "Extra-Dreh", "Aussetzen", "Bankrott", "Sonderpreis" - zum Stillstand kommen kann. Falls sie auf einem Geld-Feld landen, nennen die Kandidaten einen Konsonanten und bekommen den Geldbetrag gutgeschrieben, wenn dieser im gesuchten Wort enthalten ist. Kommt der Konsonant mehrmals vor, 80 wird der Betrag mit der entsprechenden Anzahl multipliziert. Mit einem Betrag können die Spieler Vokale kaufen. Ein Kandidat ist so lange am Zug, wie er einen im Wort enthaltenen Konsonanten rät, auf die "Extra-Dreh"- oder "Sonderpreis"-Sonderfelder kommt oder das gesuchte Wort nennt. In diesem Fall ist er Gewinner dieser Runde und darf im Gegenwert der gewonnenen Geldsumme im Studio Waren "kaufen", die anschließend ausführlich in Wort und Bild präsentiert werden. Nach der dritten Runde steht der Kandidat mit dem höchsten Geldbetrag auf seinem Konto als Tagessieger fest. In der vierten Runde spielen alle drei Kandidaten gemeinsam um den Superpreis - die Gesamtsumme der bis zu diesem Zeitpunkt erspielten Geldbeträge. Nachdem sie fünf Konsonanten und einen Vokal gewählt haben, bleiben ihnen 90 Sekunden Zeit (pro Kandidat 30 Sekunden) um die gesuchten Begriffe zu erraten. In der fünften und letzten Runde spielt der Tagessieger aus den ersten drei Runden in der Bonusrunde um den Hauptpreis. Dabei muss er, nachdem er fünf Konsonanten und einen Vokal ausgewählt hat, einen Begriff innerhalb von 15 Sekunden erraten. Vor dem ersten Spiel stellt der Moderator die Kandidaten in einem Kurzinterview vor, meist fragt er nach einem Detail aus ihrem Leben. Im weiteren Verlauf der Sendung beschränken sich die verbalen Äußerungen der Kandidaten und des Moderators ausschließlich auf das Spiel. Im eigentümlichen Kontrast zu diesen sparsamen Äußerungen stehen die ausführlichen Darstellungen der zu gewinnenden Preise. Ein Off-Moderator liest mit hoher Geschwindigkeit Beschreibungen von etwa 10 Produkten vor, die an der Sprache von Werbetexten orientiert sind: "Die neue EschenbachKollektion Elena vereint Klassik und Moderne und lässt beide Komponenten mit der Renaissance des Schönen kommunizieren. Dieses Tafelservice hat einen Wert von 485 DM" (2. Januar 1994). Das Gewinn-System der Show wurde im Laufe der Jahre immer wieder verändert - das Spielprinzip mit Worträtseln, deren Rubriken und dem Drehen am Rad jedoch nicht. 81 «GLÜCKSRAD» (Deutsche Version von „Wheel of Fortune“) Im deutschen Studio Frederic Meisner (Glücksrad, Deutschland) «ПОЛЕ ЧУДЕС» (Feld der Wunder – Russische Version von „Wheel of Fortune“) Im russischen Studio Leonid Jakubovich (Feld der Wunder, Russland) Das Studio in neuem Look, Russland 82 2.1.4. Einundzwanzig Quiz / RTL / 2000-2002 / 60 Minuten / Moderation: Hans Meiser Produktion: Stormy Entertainment, im Auftrag von RTL Die Vorgeschichte Quiz 21 ist ein vom NBC als "twenty-one" entwickeltes QuizSendungsformat. In den USA wurde von September 1956 bis Oktober 1958 im Hauptabendprogramm von NBC ausgestrahlt. Moderator war Jack Barry. Die Show sorgte in den USA für traurige Berühmtheit und für einen riesigen Skandal, weil die Gewinner vorher abgesprochen waren. Um den Erfolg der Sendung zu garantieren, wurden recht bald von den Produzenten nur Kandidaten ausgewählt, die beim Fernsehpublikum starke Sympathien hervorriefen und so gute Einschaltquoten garantierten. Deshalb war es wichtig, dass diese Kandidaten möglichst lange in der Show blieben. Und das wiederum ging nur, wenn sie alle Fragen richtig beantworten würden. Damit begann der Betrug. Er fing an mit der Wissensshow The $64,000 Question – eine Art Genie-Version von Trivial Pursuit und später war auch ihr Konkurrenzformat, Twenty-One, betroffen. Seit dem 28. November 1956 war bei Twenty-One der College-Professor Charles Van Doren vier Monate lang ungeschlagener Champion. Er gewann insgesamt 129.000 Dollar. Charles Van Doren gestand 1959 vor einem Kongress-Sonderausschuss, der den QuizshowSkandal untersuchte, dass die Redaktion ihm die Charles Van Doren Antworten auf die Fragen im Voraus mitgeteilt hatte, da man den arroganten Champion Herbert Stempel aus dem Weg räumen wollte. Später stellte sich heraus, dass auch andere Kandidaten im Voraus mit Antworten versorgt wurden. 83 Direkte Folge der Untersuchungen war, dass die Sender sofort alle Quizshows mit hohen Gewinnen aus dem Programm nahmen und die Programmverantwortlichen und Moderatoren entließen. Einige durften nie wieder fürs Fernsehen arbeiteten. Außerdem wurden in den USA von da an alle Sendungen einer strengen staatlichen Kontrolle unterstellt. Und der diskreditierte Begriff Quiz Show verschwand aus dem amerikanischen Sprachgebrauch und wurde durch das Wort Game Show ersetzt. Der US-Skandal der 1950er wurde 1994 von Robert Redford unter dem Titel Quiz Show verfilmt. 2000/2001 wurde das Quiz wiederbelebt. Moderator war diesmal Maury Povich. Die Entwicklung der Quiz- und Rateshows in Deutschland blieb von diesem Skandal unberührt, obwohl damals die beiden hauptbetroffenen Formate auch hier ausgestrahlt wurden: „Alles oder nichts“ (The $64,000 Question) und „Hätten Sie's gewusst?“ (Twenty-One). Aber im quotenunabhängigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen war (damals) Manipulation kein Thema. Die erste deutsche Version dieses Spieles lief zum ersten Mal von 1958 bis 1969 unter dem Titel Hätten Sie’s gewusst? bei ARD. Hätten Sie's gewusst? war eine 45-minütige Quizsendung mit hohen Einschaltquoten. Moderator was Heinz Maegerlein. Im Jahre 2000 strahlte der Privatsender RTL das Quiz erstmals unter dem Originalnamen aus. Während der Sommerpause von Wer wird Millionär? wurden von Juli bis September 2000 montags um 20.15 Uhr 21 Folgen von Quiz Einundzwanzig gesendet. Moderator war Hans Meiser. In den Jahren 2001 und 2002 wurden weitere Folgen produziert, die letzte Ausgabe der Sendung gab es am 2. September 2002.40 40 http://de.wikipedia.org/wiki/Einundzwanzig 84 Die Spielregeln Das Duellspiel Die deutsche einstündige Version dieser Quiz-Show moderiert Hans Meiser. Hans Meiser Ziel des Duellspiels ist, so schnell wie möglich 21 Punkte zu erreichen. Hans Meiser gibt den zwei Kandidaten zunächst eine Wissenskategorie vor und stellt ihnen anschließend Multiple-Choice-Fragen. Je zwei Kandidaten spielen insgesamt fünf Runden gegeneinander. Jede Runde hat eine neue Kategorie wie zum Beispiel „Der menschliche Körper“ oder “Klatsch und Tratsch“. Dabei ist jede Kategorie in elf unterschiedlich schwierige Multiple-ChoiceFragen unterteilt. Die leichteste ist die Ein-Punkt-Frage, die schwierigste die Elf-Punkte-Frage. Jede Runde startet, nachdem der Moderator den Spielern die Kategorie genannt hat. Danach wählen sie ihre Punkte-Frage, um die sie spielen möchten. Liegt einem Kandidaten die Kategorie, wird er eine schwierigere Punkte-Frage nehmen. Kennt er sich nicht aus, wird er eine leichte Frage wählen. Bei richtiger Antwort, werden die Punkte addiert. Bei falscher Antwort wird ein Strafpunkt registriert. Bei drei Strafpunkten ist das Spiel für den Kandidaten vorbei. Im Spielverlauf hat jeder Kandidat die Möglichkeit einen Joker einzusetzen. Der Joker ist ein Freund oder ein Verwandter und sitzt Backstage – er darf helfen und gemeinsam mit dem Kandidaten die Antwort erörtern. Ist die Antwort trotz der Hilfe durch den „Joker“ falsch, bekommt der Kandidat zwei Strafpunkte. Beide Kandidaten stehen in isolierten, schallgeschützten Kabinen. Sie hören laute Musik auf Kopfhörer und können nicht hinausgucken. Das ist wichtig, denn es kann sein, dass beide Kandidaten dieselbe Punkte-Frage beantworten müssen. Jeder bekommt nur sein eigenes Spiel mit. Das Spiel des Gegners, die 85 Reaktionen und Aktionen von Moderator und Publikum bleiben ihm verborgen. Risiko Nach der zweiten Runde des Duellspiels kann jeder der Kandidaten das Spiel stoppen. In dieser Situation sind beide Kabinen „on air“ geschaltet. Der Spieler, der stoppt und zu diesem Zeitpunkt die höhere Punktzahl hat, gewinnt und ist Champion. Die Kandidaten wissen lediglich ihren eigenen Spielstand und können daher den Gesamt-Spielstand nur schätzen. Aus diesem Grund gehen sie bei einem eventuellen Spielabbruch ein hohes Risiko ein. Gleichstand Erreichen beide Kandidaten 21 Punkte, gibt es eine Stichfrage. Dasselbe gilt auch dann, wenn nach Spielrunde zwei das Spiel durch einen oder beide Kandidaten abgebrochen wird und sie denselben Punktestand haben. Die Stichfrage ist eine offene Frage, d.h. die Kandidaten müssen die Antwort selbst geben. Durch einen Buzzer können sich die Kandidaten in die Frage einschalten. Derjenige, der zuerst gedrückt hat, und die richtige Antwort gibt, ist Champion. Gibt er die falsche Antwort, hat der Gegner die Chance, die gleiche Frage ebenfalls zu beantworten. Drückt ein Kandidat den Buzzer schon während der Fragestellung, muss der Kandidat dem Moderator sofort antworten, ohne dass der Moderator die Frage zu Ende vorliest. Ist die Antwort falsch, bekommt der Gegner die vollständige Frage gestellt. Sind bei beiden Kandidaten die Antworten falsch, wird eine neue Stichfrage gestellt. Erreichen der 21 Der Herausforderer darf in jedem Duellspiel als erster antworten. Falls der Herausforderer als erster 21 Punkte erzielt, und der Champion eine Chance hat, mit der nächsten Frage auch 21 Punkte zu erreichen, bekommt er diese. In diesem Fall bleibt der Herausforderer „on air“ geschaltet. Besteht für den Champion diese Chance nicht mehr, ist das Spiel beendet, und der neue Champion steht fest. 86 Joker Jeder Kandidat hat die Möglichkeit, während eines Duellspiels einmal seinen Joker zu nutzen. Der befindet sich während der Show hinter der Bühne in einer Kabine, hat Kopfhörer auf und hört nur das, was seinen Partner betrifft. Wenn der Kandidat seinen Joker einsetzt, wird dieser von einer Assistentin auf die Bühne geholt. Der Joker kann sich die Frage durch den Moderator auch wiederholen lassen. Kandidat und Joker können die Antwort diskutieren. Letztendlich muss der Kandidat die Antwort, die er für richtig hält, nennen. Ist die Antwort richtig, werden die Punkte entsprechend der Frage gewertet. Ist die Antwort falsch, erhält der Kandidat zwei Strafpunkte. Bei drei Strafpunkten ist das Spiel vorbei. Maximale Spielrunden Das Duellspiel ist auf fünf Spielrunden begrenzt. Erreicht keiner der beiden Kandidaten die 21 Punkte, ist derjenige Champion, der inklusive der fünften Spielrunde die meisten Punkte hat. Zeigt sich in der fünften Runde, dass der Führende eine Punktezahl hat, die der Gegner mathematisch nicht erreichen kann, ist das Spiel entschieden. Die Idee zu diesem Format kommt wohl vom Kartenspiel Blackjack (17 und 4), bei dem es ebenfalls Ziel ist, mit den Kartenwerten 21 Punkte zu erreichen. 21-Studio 87 2.2. Kurzporträts der untersuchten Shows im russischen Fernsehen In Russland waren die ersten Quiz-Spiele (genau so wie der ganze Rundfunk) nicht kommerziell, außerdem hatten sie keinerlei ideologischen oder politischen Hintergrund. Dank ihrer Spontaneität und ihrem Improvisationscharakter schufen diese Shows eine gewisse Zone der intellektuellen Freiheit und Unvorhersagbarkeit. Das „reine“ (nicht ideologisch gefärbte) Genre sicherte einen unglaublichen Erfolg bei den Zuschauern. 2.2.1. КВН (KWN – Klub der Lustigen und Schlagfertigen) seit 1961 (Sendepause 1971-1986) www.amik.ru Beim „Klub der Lustigen und Schlagfertigen“ (Klub Wessjolych i Nachodtschiwych) handelt es sich um eine Art Mehrkampf in Humor, mit Elementen von Theater, Kabarett und Comedy. Die Mannschaften aus jungen Leuten wetteifern vor Publikum darum, wer mehr Witz hat. KWN war die Typenbezeichnung eines der ersten Fernsehgeräte. Der deutete Abkürzung Gekauft diese (Kupil), (Wkljutschil), KWN-Moderator Alexander Masljakov sowjetischen Geht Volksmund mit: Angeschaltet nicht (Ne rabotajet). Die Flimmerkiste machte ihren Besitzern nicht immer Freude. Diese Bezeichnung übernahm dann die Sendung für junge Leute, KWN, so genannt in Anspielung auf den TV-Apparat, allerdings als „Klub der Lustigen 88 und Schlagfertigen“ definiert. Der erste Wettbewerb wurde 1961 über die KWN-Bildschirme in die Haushalte übertragen. Auf der Bühne des Schabolowka-Fernsehstudios traten Laienkunstgruppen aus zwei Moskauer Hochschulen – dem Bauinstitut und dem Fremdspracheninstitut – gegeneinander an. Die Mannschaften bestanden aus jeweils elf Spielern und zwei Reservisten, wie im Fußball. Und so nannten die KWN-Erfinder aus der Redaktion für Jugendprogramme ihr „Baby“ auch „intellektueller Fußball“. KWN wurde als Wissenssendung konzipiert. In hohem Tempo bekamen die Mannschaften Fragen und mussten sie im Handumdrehen beantworten – wenn nicht richtig, dann eben witzig. Nach wenigen Runden überwogen die witzigen Erklärungen: Sie kamen beim Zuschauer am besten an. Von heut auf morgen erlangte das Programm eine unglaubliche Popularität, mit Einschaltquoten höher als bei Spielfilmen. „Es war die erste sowjetische Quizsendung“, erinnert sich der damalige KWN-Moderator Albert Axelrod im Buch „Wir starten KWN“. Erstmals in der hiesigen Fernsehgeschichte sei „das Mikrofon von Profis zu Laien“ gelangt. „Und das – in einer Live-Übertragung! Die Sendung machte Furore.“ 41 Die Improvisation war das Schlüsselwort und bald schon ein Problem. Schon der Vorgänger von KWN hatte auf seine Weise damit zu kämpfen. Die Fernsehredaktion für Jugendprogramme wurde 1957 gegründet – ein Jahr nach dem 20. Kongress der KPdSU, auf dem Nikita Chruschtschow Stalins Personenkult verurteilt hatte. In der Sowjetunion begann die „Tauwetterperiode“. Und das Fernsehen sendete den „Abend der lustigen Fragen“ – Prototyp von KWN. Keine Zeitung, keine Zeitschrift der 60er konnte sich das erlauben, worüber studentische Mannschaften in KWN live gesprochen haben. Der KWN wurde oft mit dem Begriff „Freiheit“ 41 "Мы начинаем КВН" Редколлегия: А.Масляков, М. Марфин, А. Чивурин, М. Щедринский, Москва – 2004 89 identifiziert und seine Spieler beinahe als Dissidenten bezeichnet. Es lässt sich streiten, ob KWN eine Sammlung von Stürmern und Rebellen war oder, wie die Presse in den 60ern oft schrieb ein „Propagandamittel“, insofern KWN ein Ergebnis des freien und unabhängigen kreativen Laienschaffens war. Aber eines bleibt sicher: KWN hat die Jugendkultur der 60er stark geprägt.42 „Abend der lustigen Fragen“ erlebte allerdings nur drei Folgen. Schuld daran war ein Zuschauerwettbewerb: Die Leute wurden aufgefordert, mitten im Sommer in Filzstiefeln und Pelzmantel ins Studio zu kommen. Keine schwere Aufgabe für die Moskauer, die eine halbe Stunde später zu Dutzenden die Bühne stürmten, Kameras und Beleuchtung umkippten, Mikrofone abrissen. Als die Situation außer Kontrolle geriet, wurde die Live-Übertragung abgebrochen und auf den Bildschirmen sahen alle ein Standbild: technische Pause. Die „technische Pause“ dauerte vier Jahre – bis das Programm in seiner 37 Аксельрод А. Ю. Клуб весёлых и находчивых / А. Ю. Аксельрод, С. А. Муратов, М. Ю. Яковлев. – М. : Советская Россия, 1965. 90 heutigen Form wiederbelebt wurde. Nach einigen Experimenten stand die Struktur des Wettbewerbes fest. Nur die Teile „Begrüßung“ und „Hausaufgaben“ durften die Mannschaften im Vorfeld vorbereiten. Beim „Aufwärmen“ und beim „Kapitäns-wettbewerb“ mussten die Teilnehmer spontan auf gerade gestellte Fragen reagieren. Für diverse Aufgaben wurden die Themen erst wenige Stunden vor dem Übertragungstermin bekannt gegeben und die Einzelheiten bis zum letzten Moment geheim gehalten. Die Auftritte wurden von einer Jury bewertet, deren Noten anschließend den Sieger bestimmten. Nach wenigen Sendungen wurde KWN zum Kult. In Schulen und an Universitäten entstanden Mannschaften, die in lokalen Wettbewerben ihre Improvisationskünste zeigten und davon träumten, eines Tages ihre Stadt auf der Moskauer Bühne vertreten zu dürfen. Parteichefs förderten „ihre“ Teams und trieben nötigenfalls Gelder aus der Parteikasse auf. Bald wurde die Qualität einer Hochschule an der Qualität ihrer KWNMannschaft gemessen. Die freche Satire trug manchmal ungeahnte Früchte. Nach einer Sendung rief bei der Redaktion jemand vom Transportministerium an und bat um das Skript. In einer Szene hatten sich Studenten des Ölinstituts über den schlechten Kundenservice der sowjetischen Eisenbahn amüsiert. Im Ministerium wollte man nun das Skript aufmerksam lesen, um konkrete Mängel beseitigen zu können. Doch gleichzeitig beobachteten Partei und KGB immer missmutiger, wie sich junge Leute über den sowjetischen Alltag lustig machten. Ab 1968 durfte KWN nicht mehr live gesendet werden. Auch die Aufzeichnung ging nicht ungeschnitten über den Sender, die Zensur nahm zu. So wurde allen Spielern verboten, einen Bart zu tragen. Begründung: Man erlaube nicht, Karl Marx zu bespötteln. 1971 verschwand KWN für lange Zeit vom Bildschirm. Es heißt, damit sei ein lang gehegter Wunsch des damaligen Fernsehchefs Sergej Lapin in Erfüllung gegangen. 91 Erst die Perestrojka erlaubte einen Neuanfang. 1986 trafen erstmals wieder im Fernsehen zwei Mannschaften aufeinander. Die Befürchtung des Senders, dass KWN in Vergessenheit geraten sein könnte, erwies sich als unbegründet. Die Bewegung hatte 15 Jahre Untergrund überlebt. Für die erste Show erhielten die Organisatoren mehr als 200 Bewerbungen. Die Erinnerungen an 1971 waren jedoch so gegenwärtig, dass man sich zu starker Selbstzensur verpflichtete. Wie weit Michail Gorbatschows Glasnost gehen würde, wusste damals noch keiner. Dieses Jahr feiert der „neue“ KWN sein 20-jähriges Jubiläum. Mit der Zeit ist das Programm professioneller geworden, die Improvisation beschränkt sich heute auf nur noch einen Wettbewerb. Für die anderen Teile werden teilweise Schreiber engagiert. Igor Scharow ist einer von ihnen und erklärte in einem Interview für „Nowaja Gaseta“, die „Arbeitsteilung zwischen Autoren und Schauspielern“ sei der Lauf der Dinge: „Das ist auch KWN vor zehn Jahren naturgemäß passiert.“ Trotzdem spielen abseits der Einschaltquoten Schüler und Studenten Amateur-KWN weiter. Und nach wie vor versammeln sich russische Familien vor dem Fernseher, wenn die bekannte Melodie „Wir starten KWN“ erklingt. Zwar sind die Auftritte größtenteils einstudiert und die nicht mehr so subversiv wie früher, dennoch vermitteln die Shows einen guten Eindruck, worüber heute in Russland gelacht wird. Und worüber eben nicht. Nach Angaben seiner Macher verbindet KWN heute etwa 40.000 aktive Mitspieler in 1.000 Studenten- und 2.000 Schülermannschaften aus 110 russischen Städten. Teams gibt es auch in den GUS-Staaten sowie in Israel, den USA, Deutschland und anderen Ländern. Russlandweit wird der Wettbewerb in vier Ligen ausgetragen, die beiden höchsten überträgt der erste Kanal. Jährlich besuchen rund fünf Millionen Zuschauer die diversen Veranstaltungen. Die Eintrittskarten werden jedoch nicht frei verkauft, sondern an Fans der jeweiligen Teilnehmer verteilt. 92 2.2.2. Что, Где, Когда? (Was, wo, wann?) seit 1975 Produktion: "ИГРА" (Das Spiel) Start in ORT, später in NTV Vor mehr als 30 Jahren (am 4.September 1975) wurde die erste Sendung «Что? Где? Когда» («Was? Wo? Wann?») im zentralen Fernsehen live ausgestrahlt und hat sofort die Zuschauersympathien erweckt. Bis heute ist diese Quizshow beliebt. Seit 1975 moderierte diese Sendung Vladimir Voroshilov, der Autor des Quiz und Generaldirektor der TV-Gesellschaft «Игра» (Das Spiel). Nach seinem Tod am 10. April 2001 moderiert die Sendung Boris Krjuk. Das war eine originelle (nicht nach westlichen Schablonen kopierte) Quiz-Sendung mit einem wissensfördernden Hintergrund. Das Quiz wird live übertragen. Am Spiel nehmen sechs Spieler (so genannte «Kenner») teil, die die zugesandten Zuschauerfragen beantworten. (Elemente dieses Spiels kann man in der deutschen Show «Genial daneben» erkennen.) Die Fragen stellen nicht übliche logische Rätsel dar und fordern von den Teilnehmern keine speziellen Kenntnisse. Die Quizshow «Что? Где? Когда» («Was? Wo? Wann?») ist ein Test für den Intellekt und ein Mittel zur Entwicklung des Intellektes. Die Hauptaufgabe besteht Die „Kenner“ im Studio darin, 93 einzelne bekannte Fakten einander gegenüberzustellen und daraus durch logische Analyse zu einer neuen und vorher nicht bekannten Schlussfolgerung zu kommen. Die Spielregeln, Preise und der Name des später gegründeten „Clubs der Kenner“ änderten sich im Laufe der Zeit. Bis zum Herbst 1991 wurden hoch begehrte seltene Bücher als Preise verliehen. Später spielten die Teilnehmer analog Casino gegen Geld. Im «intellektuellen» Casino sitzen die Spieler am runden Tisch, der in 13 Sektoren geteilt ist. In der Tischmitte steht ein Brummkreisel, der mit einem Pfeil auf den gespielten Sektor zeigt. In 12 Sektoren liegen die Umschläge mit den Fragen, die von den Zuschauern per Post geschickt wurden und im 13. Sektor liegt ein Umschlag mit der Frage, die aus den per Internet während der Live-Übertragung erhaltenen Fragen durch Zufall gewählt wurde (Sektor «Internet gegen Kenner»). Jedem Sektor entspricht eine bestimmte geldliche Belohnung (abhängig vom Schwierigkeitsgrad dieser oder jener Frage). Nach dem die Spielfrage vom Moderator vorgelesen wird, bekommen die Spieler eine Minute Zeit, um die richtige Antwort zu finden. Der Gong verkündet den Schluss der Besprechungszeit und einer von den Spielern muss eine Antwort geben. Falls die Frage korrekt beantwortet ist, bekommen die Spieler einen Punkt, sonst bekommen die Zuschauer diesen Punkt und das Geld geht zum Autor der gespielten Frage. Das Spiel dauert insgesamt bis zu 6 Punkten. (Einige Elemente sind im deutschen TV-Spiel „Genial daneben“ zu beobachten.) Einer der Sektoren auf dem Spieltisch stellt eine kompliziertere Variante des Spiels dar. Er wird als „Blitz“ bezeichnet. Dabei geht es um 3 Fragen in einer Spielrunde. Für jede der 3 Fragen stehen nur 20 Sekunden den Spielern zur Verfügung. Die Runde gilt als gewonnen, wenn die Spieler alle drei Fragen richtig beantwortet haben. Beim „Super Blitz“ am Tisch bleibt nur ein Spieler, der allein alle 3 Fragen beantworten muss. 94 Der beste Spieler des Jahres bekommt eine „Kristalleule“ als Auszeichnung. Seit 1995 wird einem der Spieler in der Jubiläumssaison der Magister-Titel verliehen. Heutzutage existieren die Clubs der „WWW“ praktisch in allen großen Regionen der Russischen Föderation und in den Ländern, wo russischsprachige Neubürger aus der ehemaligen Sowjetunion leben. Diese Clubs organisieren die Spiele „WWW“ nach sportlicher Version, es werden regulär Meisterschaften, Festivals und Wettkämpfe unter der Leitung der Internationalen Assoziation von WWW-Clubs durchgeführt. Es wird eine Zeitung unter dem Titel „Das Spiel“ verlegt, die über die wichtigsten Ereignisse in den Spielen „WWW“ und „KWN“ berichtet. Der Regisseur Voroshilov und erklärt Off-Moderator selbst das Vladimir Phänomen der langjährigen Popularität seines Projektes durch eine erfolgreiche Balance zwischen dem konstanten Format der Sendung (mit den festen Regeln, Ablauf Vladimir Voroshilov und fast immer gleichen Spielern) und der Unvorhersehbarkeit, Spontaneität, Originalität, die die Spieler beim Antworten auf immer neue Zuschauerfragen live zeigen. „Wie in jedem neuen Ansatz spielen traditionelle, gewohnte, stereotype Formen eine wichtige Rolle. Denn diese Kenntnisse sind für Regisseur und Veranstalter des Spieles genauso wichtig, wie auch das Gespür für Neues, Phantasie, erfinderische Fähigkeiten, Courage für Innovationen usw.“ 43 Millionen Zuschauerbriefe erreichen die Redaktion von WWW, man kann sie eindeutig in zwei gleichwertige Gruppen teilen. Die Hälfte davon hält dem Moderator vor, dass er den Spielern hilft. Die andere Hälfte meint, dass er zu sehr auf der Seite der Zuschauer steht. Eine Gruppe verlangt immer wieder nach neuen Spielern, die andere wünscht nur ihre Lieblinge auf dem 43 "Феномен игры" Владимир Ворошилов (znatoki.kulichki.net/dz/mats/fen00.html) 95 Bildschirm zu sehen und droht ansonsten, sich von der Sendung völlig abzuwenden. Die geschickte Manipulation zwischen Stereotypen und Andersdenken, zwischen Alt und Neu macht die Sendung für Zuschauer unterschiedlichster Zielgruppen besonders interessant. Der Moment der „unobjektiven Spannung“, des „unobjektiven Bösen“ muss im Spiel immer dabei sein, das spornt sowohl die Spieler als auch die Zuschauer an. Dann ist der Spannungsgrad hoch. Das Fernsehen in Russland ist ein Beispiel für das dialektische Gesetz von Einheit und Kampf der Gegensätze. Auf der einen Seite wollen die Zuschauer ein korrektes Fernsehen haben (top angezogene Moderatoren, ein anziehendes Lächeln, die Propaganda der guten, vernünftigen und ewigen Werte), auf der anderen Seite wollen sie Provokation, bis zu einem Skandal. Das große Geld ist gut, aber die Nuancen, wie man es bekommt, sind viel interessanter. Die gute Show, so Voroshilov, ist vor allem gute Regie und bei einer guten Regie sind alle Mittel erlaubt. Vor allem betrifft dies die Persönlichkeit des Moderators. Bei der Moderationskunst in sowjetischen Zeiten kam es darauf heraus, wie man bescheiden und korrekt lächelt, fehlerfrei spricht und ob die Krawatte passt. Der moderne Moderator ist mobil und clever. Er soll ein bisschen Schwein sein; plump oder unwahrscheinlich neugierig sein, wenn es nötig ist, oder einen Gemütsmenschen spielen. Vladimir Voroshilov war nicht besonders beliebt bei den Zuschauern, aber wie beliebt war seine Show! 96 2.2.3. Поле чудес (Feld der Wunder) = Wheel of Fortune/ Glücksrad Moderator: Leonid Jakubovich ОРТ (ORT) 45 Min., Fr., 19:45 Lange Zeit blieb «Was? Wo? Wann?» die einzige TV-Sendung dieser Art. Aber der Start ist gemacht worden. 1990 kam die zweite Welle – die Sendung „Поле чудес“ (Wheel of Fortune). Bis heute sind beide Sendungen im russischen Fernsehen präsent, dabei sind ihre hohen Einschaltquoten nicht weniger geworden, sondern steigen und gewinnen immer neue Zuschauer. „Wheel of Fortune“ (deutsche Version - “Glücksrad“) ist die populärste Game-Show in der TV-Geschichte. Nach ihrem Start im Jahre 1975 in den USA ist dieses Format in vielen Ländern bekannt und beliebt geworden. „Поле чудес“ (Feld der Wunder) ist die russische Version davon. Dieses Format ist von den Besonderheiten des russischen Charakters stark geprägt und beinah „umformatiert“ geworden. Seit 25.10.1990 läuft die beliebteste Familiensendung in ORT. Der erste Moderator war Vladislav Listjev, seit 1.11.1991 moderiert die Sendung Leonid Jakubovich. Prinzip der Sendung ist es, ähnlich einem Kreuzworträtsel, Wörter in einem Gitter zu erraten. Um das Rätseln zu erleichtern, wird vorher eine Kategorie genannt. Die drei Kandidaten haben das Ziel, möglichst hohe Geldbeträge zu erspielen. Dazu drehen sie am Glücksrad, das unterschiedliche Beträge anzeigt. Für jeden richtig erratenen Buchstaben wird der Betrag multipliziert und dem Kandidaten gutgeschrieben. In der russischen Version ist es egal, ob es um einen Vokal oder einen Konsonanten geht. Die Vokale im Unterschied zum US-amerikanischen Original oder deutscher Version werden nicht extra „gekauft“. Rät man falsch, oder zeigt das Glücksrad "Aussetzen" oder 97 "Bankrott" (Spieler verliert das gesamte Geld) an, kommt der nächste Kandidat an die Reihe. Wer auflöst ist Gewinner, dies wollen aber die Spieler natürlich möglichst weit hinauszögern. Von dem erspielten Betrag kann der Kandidat aus einer Palette von Sachpreisen auswählen bzw. "kaufen". Vladislav Listjev hat diese Sendung nach dem „Feld der Wunder“ aus der Carlo Collodis Erzählung "Pinocchio" genannt. Auf diesem sagenhaften Feld wollte Pinocchio seine vier Goldstücke sähen, mit großer Erwartung auf ein Bäumchen mit den goldenen Geldstücken. In dem Lied zur russischen Verfilmung Vladislav Listjev „Abenteuer des Pinocchio“, das in Russland jeder kennt, gibt es Worte: „Das Feld des Wunders im Land der Dummköpfe“. Die allegorische Parallele konnte jeder sehen. Aber in dieser Zeit der Perestroika konnte dieser Sendungsname weiter bestehen. – Das ist im übertragenen Sinne ein herbeigesehnter aber unerfüllbarer Wunsch, Dinge umsonst zu bekommen. Im Spiel wird der Traum, ein solches Wunderfeld zu finden und fabelhaft reich zu werden, teilweise verwirklicht. Die Spieler können nützliche Sachen gewinnen: Fernsehgeräte, Musikzentren, Computer und… natürlich… moderne Autos. Die Teilnehmer des Spiels sind in der russischen Sendung auch nicht undankbar, selten kommen sie ins Studio, ohne ein Geschenk (oder Geschenke) mitzubringen. Im Studio So zeigt sich die gastfreundliche russische Seele mit ihrer freigiebigen Art - der Spieltisch wird reichlich beschert mit Gläsern mit eingelegten Gurken, mit Äpfeln und gigantischen Kürbissen von der eigenen Datscha, mit volkstümlichen Kostümen und mit handwerklichen Kunstwerken usw. Es interessiert keinen 98 Spieler, ob er gewinnt oder nicht. Hauptsache – er/sie nimmt eine Menge Emotionen, neue Eindrücke und unvergessliche Gefühle mit nach Hause. In der gesamten Unterhaltungssparte bleibt die Sendung stabil mit einer Zuschauerrate bis zu 46%. Vladislav Listjev kann man überhaupt als Patriarch der TV-Show-Industrie bezeichnen. So wie das gegenwärtige Fernsehen in Russland aussieht, ist es ohne zu übertreiben seiner Hände Werk, die Verwirklichung seiner Ideen. Das russische Fernsehen von heute ist vor allem Show, von den News-Sendungen bis zu Kindersendungen. Eine beliebige Show besteht aus zwei Komponenten – aus Ideen und Geld. Vladislav Listjev konnte eine richtige Show gestalten, die Ideen im Westen entlehnen und auf den „fruchtbaren russischen Boden“ übertragen. Er hat als erster verstanden, welche unerschöpflichen Möglichkeiten für das Geldverdienen das Fernsehen hat. Er hat vor allem vorhergesehen, wie man mit Game-Shows Geld verdienen kann. In seiner ersten Show „Feld der Wunder“ hat er zum ersten Mal statt Geschenke und Andenkenpreise den Spielern Geldpreise angeboten. Das Quiz „Feld der Wunder“ war die erste Show, wo einfache Spieler Geld „verdienen“ konnten, und zwar nicht wenig. Es wurde einmal im russischen Fernsehen ein Beitrag gezeigt, wo sich eine Frau, gebildet und intellektuell, von einer Show in die andere durchgeschleppt hatte und für die richtigen Antworten auf die nicht besonders kniffeligen Fragen entweder Geld, eine Teekanne oder ein Bügeleisen bekommen hatte. Man kann alles gut gebrauchen. Wenn in den sowjetischen Zeiten (es gab einen Sender für das ganze Land und es gab nichts anderes als „Was? Wo? Wann?“ zu sehen) das Zuschauerinteresse bescheiden war (ob die „Kenner“ auf alle Fragen antworten oder nicht?), so waren in den 90er Jahren die Zuschauer bereits „anspruchsvoller“. Damals in den 90er Jahren hat Vladimir Voroshilov seine Show radikal geändert und aus „Club der Kenner“ mit Bücherpreisen ein sog. „Casino“ „Was? Wo? Wann?“ mit Geldpreisen gemacht. 99 Die großen Geldsummen faszinieren und machen gierig. Deswegen war der erste russische virtuelle Klon von „Wer wird Millionär?“ – „О, счастливчик“ (Oh, lucky Man) – von vornherein zu einem Erfolg bestimmt, dank der hohen Gewinnsumme – eine Million Rubel (ca. 27.000 Euro). Das ist nicht eine Million Dollar, aber trotzdem beeindruckend. Natürlich haben der Charme der Moderatoren (zuerst Dibrov und danach Galkin) eine gewisse Rolle gespielt, Tatsache bleibt aber: diese Show ist vor allem „Millionär-Show“ und erst dann ein intellektuelles Quiz. Vielleicht sind deswegen nicht die Fragen von entscheidender Bedeutung, nicht die Fragen bringen die Quoten, sondern die Gewinne. Die Zuschauer erinnern sich eher an die Gewinnsummen, nicht aber an die Fragen selbst oder an die Gewinner. 2.2.4. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?) Moderator: Maxim Galkin Produktion: Ways Media (bis 2008), Теледом (Teledom) (bis 2008), Der erste Kanal ORT Dauer: 60 Min. Die dritte Welle der Game-Shows im russischen Fernsehen kam mit der Wende des XX. Jahrhunderts mit neuen Konzepten und neuen Formaten. Solche Sendungen wie „О, счастливчик“ (Oh, lucky Man) / „Кто хочет стать миллионером?“ (Wer wird Millionär?), „Слабое звено” (Weakest Link), „Русская рулетка“ (Russisch Roulette) u.a. In Russland heißt die Show genau wie das Original nur in russische Sprache wörtlich übersetzt "Кто хочет стать миллионером?" (Kto chotschet stat millionerom? - Who Wants To Be A Millionaire?). 100 Die Vorgeschichte In Russland fand die Premiere der Sendung WWM am 1.Oktober 1999 auf dem Kanal NTV statt. Sie hieß „О, Счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), ihr erster Moderator war Dmitrij Dibrov. Sie wurde sofort populär. 21.10.2000 bekam die Sendung die höchste Auszeichnung von der Akademie des russischen Fernsehens – „ТЭФИ“ (TEFI). Seit dem 19. Februar 2001 wird WWM auf dem russischen Sender ORT ausgestrahlt und von dem sehr populären Entertainer Maxim Galkin moderiert. Einen Monat nach dem Sendestart bei ORT gab es den ersten 1-MillionRubel-Gewinner. Spielregeln Die Regeln der russischen Ausgabe entsprechen im Wesentlichen den internationalen Regeln der WWM-Show, obwohl es auch einige Unterschiede gibt. Gewinnstufen Um 3 Mio. Rubel zu verdienen, muss man 15 Fragen aus verschiedenen Wissensbereichen richtig beantworten. Jede Frage hat vier Antwort-Varianten, aus denen nur eine korrekt und gewinnbringend ist. Die Fragen 5 (5.000 Rubel) und 10 (100.000 Rubel) sind so genannte „Sicherheitsstufen“. Sie bleiben dem Kandidaten erhalten, sogar wenn er bei einer späteren Frage falsch antwortet. Bei einer unkorrekten Antwort wird die Gewinnsumme auf die letzte Sicherheitsstufe herabgesetzt. 101 Fragenummer 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Gewinnsumme für richtige Antwort vor 17.09.2005 (in Rubel) 1,000,000 500,000 250,000 125,000 64,000 32,000 16,000 8,000 4,000 2,000 1,000 500 300 200 100 Gewinnsumme für richtige Antwort nach 17.09.2005 (in Rubel) 3,000,000 1,500,000 800,000 400,000 200,000 100,000* 50,000 25,000 15,000 10,000 5,000 3,000 2,000 1,000 500 * Ab dem 2.Mai 2008 gibt es in der russischen Version WWW die Sicherheitsstufe von 100.000 Rubeln nicht mehr, es bleiben nur 5 000 und 3 000 000 Rubel als gewinnsicher. In der russischen Ausgabe von WWM stehen dem Kandidaten 4 Joker zur Verfügung: 1) 50:50-Joker – Der Kandidat kann sich 2 falsche Antworten wegstreichen lassen. 2) Anruf bei einem Freund – Im Laufe von 30 Sek. kann der Kandidat eine Person zuhause anrufen. 3) Publikumsjoker – Man darf einmal das Publikum befragen. 4) „Drei Weisen“-Joker – Im Laufe von 30 Sek. kann man sich von drei prominenten Persönlichkeiten beraten lassen, die in einem separaten Raum sitzen. 102 Die Fragen Die Spielfragen sind nach 3 Schwierigkeitsgraden unterteilt: 1) von 1 bis 5 – leichte scherzhafte Fragen; 2) von 6 bis 10 – anspruchsvollere Fragen aus verschiedenen Wissensbereichen; 3) von 11 bis 15 – besonders schwierige Fragen, die spezielle Kenntnisse in einzelnen Gebieten erfordern. Einige Beispiele: 1) Wie wird das Supermodel noch genannt? (A: Top-Model, B: Tjap-Model, C: Pop-Model, D: Ljap-Model) 2) Wer wuchs im Dschungel unter wilden Tieren auf? (A: Kolobok (Teigklotz - ein Held aus dem russischen Volksmärchen), B: Mogli, C: Batman:, D: Charles Darwin) 3) Wie hieß die Braut von Edmond Dantes, dem zukünftigen Graf von Montechristo? (A: Mercedes, B: Toyota, C: Honda, D: Lada) 4) Welchen Farbton bekommt man bei der Mischung von Blau und Rot? (A: braun, B: Violett, C: Grün, D: Blau) 5) Aus welchem Fleisch besteht die Füllung für Chebureki (A: Lammfleisch, B: Schweinefleisch, C: Rindfleisch, D: Pferdefleisch) 6) Wer hat das Geheimnis der drei Spielkarten der Gräfin in A. Puschkins „Dame Pique“ gelüftet? (A: Kasanova, B: Kaliostro, C: San German, D: Thomas Vogan) 7) In welchem Land wurde der erste Ölbohrturm gebaut? (A: Kuweit, B: Iran, C: Irak, D: Aserbaidschan) 103 Erneuerungen • Bereits in der 4. Folge der Show „О, Счастливчик“ (O du, Glückspilz) wurde der Spieltisch verändert, woran der Moderator und der Kandidat sitzen. Er wurde wie in den anderen Ländern originalgetreu nachgebaut. • Im September 2001 wurden die Monitore aus der Auswahlrunde auch modernisiert, man kann sie jetzt um 180° drehen. • 2002 wurde das ganze Studio neu gestaltet: die Portale wurden geändert, der Fußboden ist durchsichtig geworden. • Am 17. September 2005 kamen finanzielle Änderungen: ab da konnte man bei WWM statt 1 Million 3 Millionen Rubel gewinnen (entspricht etwa 100.000 Euro). Außerdem wurde ein SMS-Spiel für die Zuschauer eingeführt. • Am 21.Oktober 2006 wurde der neue „Drei Weisen“-Joker in die Spielregeln eingebettet (früher in der amerikanischen Version benutzt). • Seit dem 27. Dezember 2008 moderiert Dmitri Dibrov, Moderator der ersten russischen Version „WWM“ („О, Счастливчик!“), wieder das populäre Quiz (bis November 2008 von Maxim Galkin moderiert). Das Logo, die musikalische und grafische Gestaltung der Show wurden auch leicht verändert. Die 10. Frage von 100.000 Rubel (die 2. Sicherheitsstufe), die am 1. Mai 2008 abgesetzt wurde, wurde am 27. Dezember 2008 wieder eingeführt. Statistik • Bisher gibt es in der russischen Show drei Hauptgewinner. Eine interessante Anekdote zur russischen Ausgabe: Der Publikumsjoker soll bei den Kandidaten nicht besonders beliebt sein, da das russische Studiopublikum angeblich gerne falsche Antworten gibt, weil es den Kandidaten den Gewinn neidet. 104 Der Moderator der deutschen WWM-Version Günter Jauch ironisierte sogar aus diesem Anlass beim Stern TV: „Auf welches Publikum ist schon Verlass?“44 Internationale Statistik von WWM • Der größte Teil der „Millionäre“ lebt im „Land der aufstehenden Sonne“ – Japan – 28. Ihre Zahl vergrößert sich auf 3-4 Hauptgewinner jährlich. Übrigens, „WWM“ ist die einzige importierte Lizenzsendung im Land. Den zweiten Platz belegen die USA (11 Hauptgewinner), den dritten – Deutschland, Österreich und Großbritannien (je 6). • Die indische Ausgabe von „Wer wird Millionär?“ mit dem Namen „Kaun Benagi Corepati“ hatte bisher zwei auch in Deutschland bekannte Moderatoren. Es handelt sich um die vor allem aus Bollywood - Filmen bekannten Schauspieler Amitabh Bachchan und Shahrukh Khan. Bachchan moderierte die Sendung zunächst von 2000 - 2002 und nochmals von 2005 2006. Ab 2007 übernahm dann Shahrukh Khan die Moderation der Sendung. Die Höchstgewinnsumme in Indien beträgt 20 Millionen indische Rupien (ca. 350.000 Euro). • Paggy Spooner – der einzige, der an drei Versionen des Quiz teilnehmen konnte: in Australien, in Irrland und in Großbritannien. In der australischen Version hat Paggy 250,000 $ gewonnen. Um zum Teilnehmer der englischen Version zu werden, hat er 400 Anrufe beim Call-Center gemacht. Jetzt versucht er in die amerikanische Version einzudringen. • In Russland werden am häufigsten die Prominenten-Specials produziert – bis 20 Sendungen mit Prominenten im Jahr. Im Vergleich werden in Deutschland nur 2 Specials im Jahr gezeigt. In der russischen Version von WWM spielten inzwischen Moderatoren, Politiker, Sportler, Theaterschauspieler, Schriftsteller, Filmstars, Sänger und viele andere bekannte Persönlichkeiten. Alle Gewinne wurden karitativen Zwecken gespendet. 44 Stern TV vom 21.02.2007 105 • Am häufigsten wechselten sich die Moderatoren in der portugiesischen Version vom WWM –seit dem Sendungsstart gab es vier Moderatoren. Drei Moderatoren gab es in Österreich und in Kasachstan, zwei moderierten in Indien, Russland, Griechenland, Litauen, Slowenien, Island, Malaysia, Norwegen, Schweiz. • Der jüngste Hauptgewinner wohnt in Indien. Ravi Saini hat im Alter von 14 Jahren 10 Mio. Rupien (ca. 175.000 Euro) gewonnen. Dieses Geld reicht ihm für das ganze Leben, ohne überhaupt zu arbeiten müssen. • Die längste Bedenkzeit wurde mehrmals in Italien fixiert. Jetzt aber wird sie mit den festen Zeiten für Werbeblocks begrenzt. Die Kandidaten, die in der Auswahlrunde waren, es aber nicht auf den Platz in der Mitte des Studios geschafft haben, dürfen in Italien noch 3-4 Mal versuchen. Dies erhöht ihre Chance, um den Hauptgewinn spielen zu dürfen. • Am meisten Frauen-Gewinnerinnen wohnen in Österreich. Heide Gondek, Sigrid Weiß-Lutz, Christiane de Piero und Karin Huber haben zu verschiedenen Zeitpunkten je 1 Mio. Euro gewonnen. Insgesamt gibt es in Österreich 6 Hauptgewinner (5 haben je 1 Mio. Euro gewonnen und einer – 10 Mio. Schilling in 2001) • In den USA habe 11 Kandidaten den Hauptgewinn erzielt und nur einer davon war eine Frau. Ihr Name ist Nancy Christy. Nach ihr gab es noch keine neuen Millionäre. • Was die Höhe des Gewinnes angeht, haben die Engländer das größte Glück. Eine Million Britische Pfund beträgt rund 1.310.700 Euro (Stand vom 29.02.2008). In Japan ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der maximale Gewinn in einem beliebigen Gewinnspiel nicht mehr als 2 Mio. Dollar sein darf. Die letzte 15. Frage wird mit 10 Mio. Japanischen Yen (rund 63.564 € – Stand vom 29.02.2008) belohnt. Den geringsten Gewinn bekommt man in Georgien. Der Preis dort beträgt nur 20 Tausend Lari (etwa 10 000 $). • Es gibt auch ein Land, wo die Gewinner ihre Millionen nur für den Besuch der Attraktionen ausgeben dürfen. Dieses Land heißt Disneyland. „The Walt 106 Disney Company“ kaufte die Rechte auf „Who Wants to Be a Millionaire?“, um die Unterhaltung der Besucher im berühmten Freizeitpark dadurch zu erweitern. In einem Pavillon des Disney-Parks wurde eine genaue Kopie des TV-Studios mit Computern und zahlreichen Fernsehkameras nachgebaut. Der Gewinn wird nur in Disney-Dollar ausgezahlt – die Währung, die nur auf dem Territorium des Märchenlandes gültig ist. Besondere Sendungen Prominenten-Specials Russland ist ohne Zweifel ein Spitzenreiter in Bezug auf Prominenten-Specials – bis zu 20 Sendungen mit Prominenten im Jahr. Im Vergleich dazu werden in Deutschland nur 2 Specials im Jahr gezeigt. Die prominenten Gäste werden praktisch anlässlich jeden Feiertags ins Studio eingeladen. Oder wenn Wladimir Schirinowski gerade eine Promotion-Aktion für ein neues oder gerade laufendes Projekt im Ersten Kanal (ORT) organisiert wird (wie zum Beispiel: Star Academy – Фабрика звёзд). Da sind alle willkommen: von Schauspielern, Musikern bis Politikern, wenn gerade eine Wahlkampanie im Anmarsch ist. Die Anlässe, Themen und die Zusammensetzungen von Promi-Kandidaten für solche WWM-Specials werden ruck zuck gefunden. In einer Prominenten-Special-Sendung mit politischen Prominenten war der Abgeordnete der Duma, der Chef der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR), Wladimir Wolfowitsch Schirinowski zu Gast. Vor dem Spiel entflammte bereits eine lebhafte Diskussion über ein aktuelles Verkehrsproblem in Russland. Schirinowski hatte sofort eine Reihe von originellen Vorschlägen parat. Zum Beispiel: die Pferde zu benutzen, um den Staus auf den Straßen zu entgehen. Bei den ersten beinahe Scherzfragen hat er sehr gründlich und ausführlich seine Überlegungen dargelegt. Er zeigte 107 ordentliche Kenntnisse in verschiedenen Gebieten: Geschichte, Geographie, Sport, Kunst. Aber bei der Frage „Wer von den Komponisten rieb die Nase mit den Fingern in der Überzeugung, dass dies seine Stupsnase gerade macht?“ – S. Tanejew, S. Rachmaninov, N. Rimsky-Korsakov oder A. Skrjabin – kam Wladimir Wolfowitsch ins Schwitzen und er hat alle Joker für die Suche nach einer richtigen Antwort gebraucht. Familien-Special Im November 2002 wurde eine Reihe vom Familien-Special aufgezeichnet, an welcher Ehepaare teilgenommen haben. Während der Aufzeichnung der ersten Folge haben Irina und Juri Chudinovskich aus Kirov den Millionen-Preis gewonnen. Sie waren die zweiten Hauptgewinner in der Geschichte der russischen Version von WWM. Am 2. Januar 2002 fand zum Beispiel im Studio „WWM“ ein ungewöhnliches Spiel statt. Neujahr (Silvester) ist in Russland ein besonderer Familienfeiertag. Um dieser alten Tradition zu folgen und die Familie an Feiertagen nicht zu trennen, wurden prominente Ehepaare ins Studio eingeladen. Alle Gewinnsummen wurden an die Eremitage in Sankt-Petersburg übergeben, als Geschenk zum 150. Jubiläum, das das weltberühmte Museum gerade im Jahre 2002 feierte. In dieser Sendung nahmen unter anderem der Regisseur Vladimir Menshov und die Schauspielerin (und seine Ehegattin) Vera Alentova teil. Als es brenzlig wurde, haben sie ihre Tochter, auch eine bekannte Schauspielerin, als Telefonjoker angerufen. So gewann diese Familie 125.000 Rubel (ca. 3.400 Euro). V. Menshov und V. Alentova Die populäre Krimiautorin Alexandra Marinina und der Oberst MfiA (Innenministerium) Sergei Satochny behalten noch lange in Erinnerung, dass eine Schneeflocke nicht 8, sondern nur 6 Strahlen hat. 108 Und der bekannte Comedian Jan Arlasorov, als er als Telefonjoker vom Comedian-Ehepaar Evgenij Petrosjan und Elena Stepanenko um Hilfe gebeten wurde, hat ihnen empfohlen, auf das Spiel zu pfeifen und Neujahr feiern zu E. Petrosjan und E. Stepanenko gehen. Bisherige Hauptgewinner Bisher gab es in der russischen Show drei Millionäre. 1) Igor Saseev (21.03.2001 – 1.000.000 Rubel) Millionenfrage: Die Richtung welcher religiösen Philosophie zeigt die Lehre des Zen auf? A: Daoismus B: Hinduismus C: Judaismus D: Buddhismus 2) Irina und Juri Chudinovskich (18.01.2003 – 1.000.000 Rubel) Millionenfrage: Mit welcher Figur fängt das Spiel „Städtchen“ an? A: Wache B: Artillerie C: Maschinengewehrnest D: Kanone 3) Svetlana Jaroslavtzeva (19.02.2006 – 3.000.000 Rubel) Millionenfrage: Wer von den aufgezählten war Page in den Zeiten von Katharina I.? A: G. R. Derchavin B: N. M. Karamsin C: A. N. Radichev D: D. I. Fonvisin 109 III. Vergleichende Analyse der gleichnamigen QuizSendungen Was macht das eine Fernsehformat so beliebt und warum verschwindet das andere so sang- und klanglos? Warum feiern dieselben Formate und ihre Vermarktung in einem Land große Erfolge und in einem anderem bleiben sie unbeachtet? Das Erfolgsprojekt „WWM“ läuft im 1:1 Format in 107 Ländern der Welt. Es bedeutet aber nicht, dass es überall wirklich und absolut gleich aussieht. Jedes Land hat eine eigene Spezifik – eigene Moderatoren, eigene Fragen und Autoren, die diese Fragen zusammenstellen, und eigene Kandidaten, die diese Fragen auf ihre eigene Weise beantworten. 3.1. Titel, Design, Logo Der Titel, das Logo und das gesamte Design sind Markenzeichen jeder Formatsendung. Betrachten wir die Rolle und die Wirkung des gesamten gestalterischen Pakets einer Formatsendung am Beispiel des heutigen Hits „Who Wants To Be A Millionaire?“. Titel Wenn man die Syntax des Titels untersucht, fällt vor allem auf, dass es sich um einen Fragesatz handelt. Eine Frage (sofern nicht rhetorisch) verlangt eine Antwort. Diese Antwort soll dem Zuschauer gegeben werden, wenn er die einzelnen Folgen der Sendung sieht. Außerdem weist der Fragesatz auf ein klares Ziel hin, das die Kandidaten in der Sendung verfolgen: Millionär werden! 110 Eine weitere Komponente ist die Frage nach dem Subjekt des Satzes: Unter dem Wort ,,wer" kann sowohl der Kandidat im Studio als auch der Zuschauer zu Hause, der sich jederzeit als Kandidat bewerben kann, gemeint werden. Wenn wir die Übersetzungen vom Originaltitel „Who Wants To Be A Millionaire?“ in der russischen und in der deutschen Version des Quiz vergleichen, fällt sofort auf, dass in der deutschen Fassung das Wort „will“ fehlt. Vergl.: Who Wants To Be A Millionaire? (Wer will Millionär werden?) Кто хочет стать миллионером? (Wer will Millionär werden?) Wer wird Millionär? Wahrscheinlich ist die wörtliche Übersetzung der Frage ins Deutsch überflüssig: Millionär zu werden „wollen“ alle. Wer aber Millionär wird, ist unklar. Die kasachische Version WWM heißt «Миллион кiмге буйырады?» (rus.: Кто возьмёт миллион? – dt.: Wer nimmt die Million?), als ob der Kandidat auf dem Weg zu dieser Million für sein Glück richtig kämpfen soll, wie es im Osten traditionsgemäß mit Pferd und Schwert üblich war. In Russland hatte das Format beim Start (1999) auf dem Kanal NTV einen eigenen Titel: „О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), in dem die zu damaliger Zeit typische ironische Ansicht des Russen auf das spielerisch erworbene Glück (im geldlichen Äquivalent) widergespiegelt wird. Erst zwei Jahre später (10 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR) war die Frage „Wer will Millionär werden?“ – sprich „ich will Millionär werden“ – in aller Munde. Eigene Interpretationen des Titels WWM gibt es auch in Bulgarien (dt.: Sei reich! – rus.: Стань богатым!) und in der Slowakei „Lepo je biti millijonar“ (dt.: Wie schön ist es, Millionär zu sein! – rus.: Как прекрасно быть миллионером!). 111 Der Titel erfüllt seinen Zweck als wichtige Komponente der Dramaturgie, ist allerdings allein stehend nicht ausschlaggebend für den Erfolg der Sendung. Design Das einheitliche Erscheinungsbild des Erfolgsmodells „Who Wants To Be A Millionaire“ ist sehr gut durchgedacht und hat vor allem zwei grundlegende Elemente: den Kreis und die Farbe Blau. Den Kreis sehen wir bei WWM vor allem im Logo und in der Form des Studios. Der Kreis hat mehrere Eigenschaften und Bedeutungen: Er ist im Grunde genommen das wichtigste und besonders verbreitete geometrische Symbol, das auf der äußeren Form der Sonne und des Mondes basiert. Der Kreis mit dem Punkt in seiner Mitte symbolisiert in der traditionellen Astronomie die Sonne, für die Alchemisten war er immer das Zeichen des Goldes. In der Magie trägt der Kreis die Funktion einer Schutzbarriere vor negativen Einflüssen. Zum einen bedeutet er Bewegung, Dynamik, einen zyklischen Ablauf. Der Kreis hat keinen Anfang und keine Ende. Aus philosophischer Sicht symbolisiert die ständig wiederholende Kreislinie den ewigen Kreis des Lebens. Indem der Kreis sich als eine Projektion der Sphäre erweist, bekommt er die Eigenschaften der zeitlichen und räumlichen Unendlichkeit und Vollendung. Zum anderen hat jeder Kreis einen Schwerpunkt – den Mittelpunkt. Man konzentriert sich voll auf die Mitte, die ja eine entscheidende Rolle bei WWM spielt. Nur wer es in die Mitte schafft, hat die Chance auf eine Million. Die Konzentration des Zuschauers soll auch in dem einen Punkt gebündelt 112 werden, da sich nur dort die eigentliche Show abspielt und nur dorthin die gesamte dramaturgische Fäden führen. Dies wird im Trailer vor allem am Ende deutlich gemacht, wenn die Kamera auf den Mittelpunkt des Logos zoomt, in dem sich ein Loch befindet, durch das die Kamera fährt und dann Moderator und Kandidaten zeigt. Auch im Studio findet man den Kreis wieder: Das Publikum sitzt wie in einer Arena um den Kreis in der Mitte herum, in dessen Mittelpunkt zwei Monitore und zwei Sitzplätze jeweils für den Moderator und den Kandidaten einander gegenüber aufgestellt sind. Alle Linien auf dem Boden führen sogar auf das wesentliche hin. Ein Stilmittel, das auch in der Filmkunst oft angewandt wird, um bestimmte Dinge zu betonen. Im Nahen Osten In Prag In Russland In Niederlanden 113 In Deutschland In Indien Das typische Format-Studio 114 Der Designer des Studios Andy Walmsley musste nur wenige Tage nach der ersten misslungenen Sendung von „Haufen von Geld“ (Vorgänger von „Who Wants to Be a Millionaire?“) ein vollkommen neues Studio gestalten. Obwohl diese Variante noch 1998 entstand, wird sie bis heute in allen Ländern eingesetzt. Anfang des neuen Jahrhunderts wurde das Design des Studios modernisiert und leicht verändert: drei Portale, die früher nur mit einem gelben Licht beleuchtet wurden, wechseln nun die Farbe von blau bis rosa, in vielen Ländern verschwand aus dem Studio der Aktenkoffer mit der Million, der lange Zeit ein Attribut der Zahlungsfähigkeit des Quiz war (Wahrscheinlich waren die Zuschauer inzwischen davon überzeugt), der Grundstil wurde aber beibehalten. Logo und Vorspann Das Logo ist einer der wichtigsten designerischen Elemente jeder Show und spielt eine entscheidende Rolle im Erkennungswert des Fernsehformates. Das gelungene Logo ist fähig, den Erfolg der Sendung zu erhöhen. Im Fall von WWM ist das Logo auch in der Form eines Kreises konzipiert. An den Rändern des oberen und des unteren Halbbogens wird der Titel der Show doppelt platziert – „Wer wird Millionär?“ (Who Wants To Be A Millionaire? / Кто хочет стать миллионером?). In der Mitte wird das Wort „Millionär“ – das Hauptziel und der Höhepunkt der Show – noch einmal wiederholt und durch die zentrierte Lage schlüssig betont. Dazu wird die Schriftart Copperplate Gothic Bold verwendet. Sowohl die ellipsenförmigen und mit einander geflochtenen Fäden in leichtem Lila-Violett im Hintergrund, als auch die acht grün gefärbten $-, €-, £- oder einfachen Fragezeichen treffen sich optisch im Zentrum des Kreises. Wenn aber der Titel nur aus einem Wort besteht, sowie „Milionerzy“ in Polen, wird der Titel in der Mitte und im Kreis oben und unten gesetzt. Das Logo von der polnischen WWM-Version 115 Die Auswahl der Farbe für das Logo ist nicht zufällig. Die Vielfarbigkeit wird bei der Fernsehproduktion in der Regel vermieden. Das bunte Logo prägt sich bei den Zuschauern schwer ein und kann unnötig reizen und dadurch als Störfaktor gesehen werden. Man darf die psychologische Wirkung auf den Menschen nicht vergessen. Die Farbe Blau wird als Symbol des Erhabenen und Geistigen betrachtet. Im Unterschied zum energiegeladenen Rot beruhigt das Blau, stimmt den Menschen zur Nachdenklichkeit ein. Unendlichkeit, Ewigkeit, Wahrheit, Glaube, Hingabe, Reinheit, ein geistiges und intellektuelles Leben – das sind die Assoziationen, die in vielen alten Kulturen aus einem Gedanken entstanden sind – das Blau ist die Farbe des Himmels und ist in der ganzen Farbpalette besonders ruhig und am wenigstens „materiell“. Dieses Argument steht übrigens im starken Widerspruch mit dem eigentlichen Ziel der Show – materielle Werte durch das Spiel zu erlangen. Die Farben im Logo von WWM haben eine ähnliche Funktion wie die Form des Kreises. Nach den Lehren der Farbpsychologie drückt also das dominierende Blau Ernst aus und bewirkt Vertiefung. Genauso wie beim Kreis wird hier die Konzentration gebündelt. Noch zwei weitere Farben fallen im Logo auf: Grün und Violett. Grün drückt laut Heimendahl 45 Bewahrung aus – Violett hingegen Verzicht. Das Grün steht dann für die Bewahrung der Chance auf die Million, das Violett für den Verzicht, z.B. durch frühzeitigen Jokereinsatz oder Ausstieg aus dem Spiel. Niemals soll das Logo inhaltlich überlastet werden. Nur die Eleganz und die Bündigkeit machen das Logo erkennungsleicht und unikal. Bei der Gestaltung eines Logo für ein Fernsehformat, das wie WWM die internationale und multikulturelle Szene betreten hat, muss man besonders vorsichtig und 45 Heimendahl, Eckart: ,,Licht und Farbe. Ordnung und Funktion der Farbenwelt" Berlin 1961 116 aufmerksam herangehen. Im Fall des WWM wurde das Logo in vielen Ländern leicht verändert und an die entsprechende Währung angepasst. (Siehe Logo-Tabelle) Kurz gefasst ist das einheitliche Design eines TV-Formats für den Zuschauer eine Hilfe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, was ihn das dramatische Geschehnis intensiver erleben lässt und somit in eine vom Alltag abweichende Welt entführt. Da dies von dem durchschnittlichen Zuschauer als positiv empfunden wird, schaltet er auch das nächste Mal wieder ein. Der erste Vorspann für die Quiz-Show “Who Wants to Be a Millionaire?” wurde von der Firma “JumpDesign” (Großbritannien) ausgearbeitet. Gerade dieser Vorspann wurde im Laufe von mehreren Jahren praktisch in allen Ländern benutzt, wo dieses Format lief (und noch läuft). In diesem Vorspann sehen wir die Menschen, auf welche verschiedenfarbige Lichtstrahlen fallen. Alle diese Menschen sind mit einem Ziel vereint – Streben nach Wissen. Später wurde dieser Vorspann in einigen Ländern geändert, die Idee blieb aber dieselbe. Im Jahre 2005 haben fast alle Länder, wo die Quiz-Show gesendet wird, den Vorspann und das Logo des Spiels modifiziert. Jetzt sieht man im Vorspann keine Menschen, sondern es werden verschiedene Elemente des Logo verwendet, die letztendlich ein ganzes Logo bilden. Die Farbpalette wurde auch erneuert. Jetzt sind auch goldfarbige und silberfarbige Elemente zu sehen. Die Software für den gesamten Programmablauf – Auswahlrunde, Auswahl der Fragen aus der Datenbank, Licht- und Musikbegleitung während der Show, Bearbeitung des Zuschauer-Votings usw. – wurde von der englische Firma „Cat & Mouse“ entwickelt. 117 Das Logo von „WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?“ international «WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?» (Großbritannien) Start: 4. September 1998 Moderator: Chris Tarrent Hauptgewinn: £1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 5 Sender: ITV1 Status: wird ausgestrahlt «WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?» (Australien und Neuseeland) Start: 18. April 1999 Moderator: Eddie McGuire Hauptgewinn: $1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 2 Sender: Nine Networks Status: eingestellt «WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?» (USA) Start: 16. August 1999 Moderator: Meredith Vieira Hauptgewinn: $1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 11 Sender: ABC Status: wird ausgestrahlt «CHI VUOL ESSERE MILIONARIO?» (Italien) Start: 22 мая 2000 Moderator: Gerry Scotti Hauptgewinn: €1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 2 Sender: Canale 5 Status: wird ausgestrahlt «HALUATKO MILJONÄÄRIKSI?» (Finnland) Start: 1999 Moderator: Ville Klinga Hauptgewinn: €1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 0 Sender: MTV3 Status: wird ausgestrahlt 118 «WER WIRD MILLIONÄR?» (Deutschland) Start: 3. September 1999 Moderator: Günther Jauch Hauptgewinn: €1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 7 Sender: RTL Television Status: wird ausgestrahlt «КТО ХОЧЕТ СТАТЬ МИЛЛИОНЕРОМ?» (Russland) Start: 1999 - NTV; seit dem 19. Februar 2001 - ORT Moderator: Maxim Galkin Hauptgewinn: 3 Millionen Rubel (etwa 100.000 €) Zahl der Hauptgewinner: 3 Sender: ORT Status: wird ausgestrahlt «KAUN BANEGA CROREPATI?» (Indien) Start: 2000 Moderator: Shah Rukh Khan Hauptgewinn: Rs. 20,000,000 (Rupien) Maximaler Gewinn: Rs. 10,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 3 Sender: Star Plus Status: wird ausgestrahlt «MAN SA YARBAH 2 MALYOON?» (Naher Osten) Start: 2000 Moderator: George Kurdahi Hauptgewinn: SR 2,000,000 Maximaler Gewinn: SR 2,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 1 Sender: MBC 1 Status: wird ausgestrahlt «QUIÉN QUIERE SER MILLONARIO?» (Spanien) Start: 1999 Moderator: Carlos Sobera Hauptgewinn: € 1,000,000 Maximaler Gewinn: 50,000,000 Pst Zahl der Hauptgewinner: 1 Sender: Antena 3 Status: wird ausgestrahlt 119 «LOTTO WEEKEND MILJONAIRS» (Niederlande) Start: 2002 (1998-2001 Weekend Miljonairs) Moderator: Robert ten Brink Hauptgewinn: € 1,000,000 Maximaler Gewinn: € 1,000,000 Zahl der Hauptgewinner: 1 (Weekend Miljonairs) Sender: RTL 4 (früher SBS6) Status: wird ausgestrahlt Quelle: www.khsm.ru/index.files/foreign.htm Seit dem Sendestart in Deutschland wurde das Quiz-Logo zwei Mal geändert. Zuerst war es orangefarbig mit schwarzen Elementen. Dieses Logo wurde lange Zeit in Ungarn verwendet. Später wurde es durch das bereits gewohnte Logo ersetzt. Für die "Wer wird Millionär"-Spezial-Shows wird in Deutschland ein leicht verändertes Logo benutzt. Da wird das Wort hinzufügt, das auf das Thema der Sendung hinweist. Ähnliches passiert auch in der australischen Version. Die Grafik in der deutschen Show wurde übrigens drei Mal erneuert. Grafik Die grafischen Grundelemente, die in der „Millionär“-Show benutzt werden, sind folgende: 1) die Form mit einer Frage und vier Antwort-Varianten, 2) die Form mit der Summe des Gewinnes, 3) der so genannte „Geldbaum“, 4) der Timer, 5) die Tabelle mit Zuschauervoting, 6) die Darstellungen von Jokern. 120 Für die Frage und die Antworten wird die Schrift Arial verwendet, für die Buchstaben A, B, C, D benutzt man in der Frage Copperplate Gothic Bold. Bis vor kurzem wurde in der russischen Version für die Darstellung der Zeit auf dem Timer Copperplate Gothic Bold verwendet, jetzt Arial Narrow. Die Frage-Antworten-Form in Deutschland Praktisch in allen Ländern, wo das WWM-Quiz gesendet wird, hat die FrageAntworten-Form einen schwarzen Hintergrund und einen dünnen Rahmen des helleren Tons (blau an den Seiten und zur Mitte weiß). In einigen Ländern benutzt man aber eine eigene grafische Gestaltung. Zum Beispiel: in Deutschland hat die Frage-Antworten-Form eine verlaufende lila-blaue Farbfüllung, die Buchstaben A, B, C, D sind schwarz und die Gewinn-Form ist animiert. Frage-Antworten-Form in Russland Die Name-Form in den USA 121 Was die Gewinn-Form betrifft, gibt es in verschiedenen Ländern einige Unterschiede: in Italien hat sie keine verlaufende Farbfüllung, in den USA, Spanien, Aserbaidschan und einigen anderen Ländern ist die Gewinn-Form etwas kürzer in der Länge, so, das die mehrzähligen Summen gerade in die Formrahmen gehen. Die Gewinn-Form in Deutschland Die Gewinn-Formen in Russland „Geldbaum“ in Russland „Geldbaum“ in Deutschland 122 Publikumsjoker Timer in Russland Timer in Italien Auswahlrunde für Kandidaten 123 Die Richtige Fragenfolge bei der Auswahlrunde Die Namensliste der richtig geantworteten Kandidaten Joker „Drei Weisen“ (Russland) 124 Joker „50x50“ Millionär-Gewinner Musik Die musikalische Kulisse für die Quiz-Schow wurde von den englischen Musikern Matthew and Keith Strachan komponiert, ClubMix und RadioMix wurden von Nick Magnus Rod Edwards aufgezeichnet. Es gibt insgesamt 105 musikalische Themen (in der russischen Version werden nur 74 benutzt).46 Die Musik verleiht eine leichte (am Anfang des Spiels) und eine dramatische (mit den letzten Fragen) Atmosphäre. Diese Musik, so die zahlreichen Fans der Sendung, passt sehr gut zu diesem TV-Format. Seit dem ersten Sendetag der Show bleibt die Musik des Formats in allen Ländern unverändert. Übrigens, die Musik von Matthew and Keith Strachan wird nicht nur in der „Millionär“-Show benutzt, sondern auch in anderen populären TV-Formaten. 46 http://khsm.ru/index.files/firmstyle.htm 125 3.2. Moderatorenleistung Geleitet wird die Sendung typischerweise von einem Quizmaster – mit moderneren Worten Moderator. Während heutzutage der Moderator in der Regel allein auf der Bühne auftritt, gehörte in früheren Zeiten der Assistent oder die Assistentin zum Standardpersonal der meisten Quizsendungen. Manche Assistenten und Assistentinnen sind fast so berühmt geworden, wie die Quizmaster. Man denke nur an Martin Jente (als „Butler“ in Einer wird gewinnen), Walter Spahrbier (Der große Preis) oder Maren Gilzer (Glücksrad). Manche Sendungen hatten darüber hinaus auch eine Jury oder einen "Juristen", der über die Einhaltung der Regeln wachte und in Zweifelsfällen zu entscheiden hatte. Bekanntes Beispiel: „Der große Preis“. Das beliebige Spiel (und desto mehr eine Game-Show) ist ein komplizierter Mechanismus. Aber nicht von der technischen Seite, sondern weil es nach einer strikt klaren Koordination und nach einem ununterbrochenen Rhythmus verlangt. Dies soll aber unbemerkt bleiben. Tonsignale, Lichtwechsel, Tausende kleinste Details passieren sanft, exakt, blitzschnell. Jeder Techniker und Assistent hat seinen Platz. Und nur eine Person – der Moderator – hat die reale Möglichkeit, jede Zone der Handlung zu betreten. Er ist ständig im Kontakt mit Spielenden, beobachtet und koordiniert alle Kettenglieder dieses Mechanismus. Das ist seine Aufgabe. Der Moderator muss sofort nach Lage der Dinge alle Pannen in den Griff kriegen, einige unabsehbare Situationen frühzeitig spüren und ihnen unauffällig oder mit Humor ausweichen. Er ist im Epizentrum des Geschehens und verwaltet es. Er arbeitet nicht mit professionellen Darstellern, sondern mit normalen Menschen, er muss auf jeden Fehler vorbereitet sein, er muss die Spannung halten und das Spiel/Show zu Ende bringen. Er hat keine Chance auf eine Wiederholung. 126 Der Moderator spielt zwei Rollen, hat zwei Gesichter. Einerseits ist er eisern und hart mit seinen Mitarbeitern – mit seinem Team, andererseits ist er gutmütig mit den Spielern und dem Publikum im Studio. Gerade die Spieler sind die Hauptakteure im Moment des Spiels. Auf sie wird die ganze Aufmerksamkeit gerichtet, nicht auf die Produzenten, Direktoren und anderes Personal. Unbemerkbar verwaltet er die technischen oder organisatorischen Probleme, lässt sie nicht das Spiel stören und verschafft nach einem schon längst eingespielten Schema das reibungslose Entertainment. Der Moderator ist der Hauptwächter der Show. Außer den professionellen Fähigkeiten eines Moderators, den hervorragenden Kenntnissen im Bereich Regie und Dramaturgie muss er ein hohes Niveau an Allgemeinwissen, eine gewisse Charisma und ein nicht standardisiertes Denken haben. Der gute Moderator ist nicht nur ein guter Beobachter, sondern auch ein Provokateur im guten Sinne des Wortes. Wenn sich der Befragte für eine Antwort entschieden hat, kitzelt der Moderator in seinem Quiz auch die Auflösung bis aufs Letzte heraus und erhöht damit die Spannung um ein Vielfaches. Nicht umsonst werden die Werbepausen in diese Momente gelegt. Etablierte Sendungen wie Wer wird Millionär? zeichnen sich nicht nur durch das Konzept der Sendung aus, sondern auch sehr stark durch ihre Moderatoren. Menschen, die für diese Programme und somit den Sender stehen. Die Aufgabe des Moderators in WWM ist bei allen internationalen Versionen gleich und alle Kandidaten wurden nach bestimmten Kriterien ausgesucht. Vor allem sind alle Moderatoren grundsätzlich Männer, die einem vorgeschriebenen Typ entsprechen: intellektuell, konservativ – sowohl in Mimik und Gestik, als auch in der Bekleidung. Anzug, Krawatte, guter Haarschnitt und Manieren sind ein Muss, in Maßen aber gleichzeitig ehrgeizig, egoistisch und hochnäsig – alles in einem, alles nach dem guten und 127 festen englischen Muster. Die anspruchsvolle Rolle des Londoner Dandys erfüllt Maxim Galkin in der russischen Version virtuos. Sein deutscher Kollege Günther Jauch führt seinen Job genauso perfekt aus. Der Moderator von WWM in Deutschland ist Günther Jauch. Er wurde 1956 in Münster geboren, hat Politik und Neuere Geschichte studiert und eine karriere Günther Jauch vorbildliche gemacht. Journalisten- Günter Jauch präsentiert das Konzept perfekt, seine Verunsicherungsversuche sind immer wieder unterhaltsam. Er versteht es, die schwierige Lage, in der sich die Kandidaten befinden, um ein weiteres spannender zu machen. ,,Ich arbeite nach dem Prinzip der permanenten Verunsicherung", sagt Jauch47 und bringt es damit auf den Punkt. Inzwischen hat es sich zwar herumgesprochen, dass er, wenn er die Frage stellt, die Antwort noch nicht auf seinem Monitor hat. Dennoch suchen die Kandidaten und die Zuschauer am Bildschirm immer wieder bei ihm nach Hilfe. Z.B. versuchen sie, aus seiner immer wieder anderen Mimik und Gestik Rückschlüsse auf die richtige Antwort zu ziehen, und üben sich somit in Menschenkenntnis. Neben der Spannung am Spiel selbst sind es seine Gespräche mit Kandidaten, Begleitern und Telefonjokern, die zum Erfolg der Sendung in Deutschland beitragen. Heute ist er laut Umfragen der beliebteste Moderator in Deutschland und wird vielfach als Quelle des Erfolges der Sendung gesehen. Doch das muss ein wenig relativiert werden. Die Sendung ist schließlich in vielen Ländern auch ohne ihn erfolgreich und in jedem anderen Land steht der eigene Moderator an der Spitze der eigenen Popularität. Manchmal verliert die Show nur durch langweilige Kandidaten an Dynamik. Aber das ist überall so. 47 Christoph Schwab, Wirkungsanalyse der Sendung "Wer wird Millionär?" - Warum die Sendung so erfolgreich ist (christoph.schwab@web.de) 128 Der Moderator von WWM in Russland – Maxim Galkin – ist 1976 in Moskau geboren, hat Linguistik an der Staatlichen Humanitären Universität in Moskau studiert und arbeitet derzeit an der Dissertation im Maxim Galkin Bereich Vergleichende Sprach- wissenschaft. Noch in den mittleren Klassen der Schule begann er, Parodien auf prominente Leute zu machen. 1994 debütierte er auf der professionellen Bühne mit Parodien auf Jelzin, Putin, Jirinowski. Seit 2001 ist er der Moderator der populären Quiz-Sendung WWM im Ersten Kanal. Seitdem tritt Galkin neben den WWMAufzeichnungen mit eigenen Solo-Kabarett-Shows auf. „Als ich als Moderator in die WWM-Show eingeladen wurde, - so Galkin - dachte ich, dass für mich als Kabarettisten von Vorteil wäre, im Fernsehen öfter gesehen zu werden. Je besser mich das Publikum kennen wird, desto mehr Menschen kommen zu meinen Shows. Am Anfang fiel mir die neue Aufgabe schwer. Je länger ich aber die Sendung moderiere, desto interessanter finde ich sie… Es ist bemerkenswert, dass die Menschen im Westen, die als Kandidaten zu WWM kommen, nur auf den Hauptgewinn setzen. Unsere Kandidaten interessiert das Geld nicht. Sie reizt der Spielprozess selbst“.48 Nach den Ergebnissen ist der Moderator von "Who Wants to be a Millionaire?" Regis Philbin der beste Moderator in der amerikanischen Geschichte des Quiz-Formates. Er hat dem Sender ABC unzählige Millionen Gewinne eingebracht. Richtig bekannt aber wurde er nach der Rolle in dem Film von Woody Allen Everything You Always Wanted to Know About Sex, But Were Afraid to Ask, wo er eine Karikatur eines Moderators darstellt. Durch die Popularität des Spiels werden einige Moderatoren genauso beliebt. Im Madame Tussaud´s Wachsfigurenkabinett in London findet man eine 48 Interview mit Maxim Galkin in "Факты и комментарии" (Fakten und Kommentare) vom 3. August 2001 129 Wachsfigur von Chris Tarrant, dem berühmten britischen Moderator von WWM. In Großbritannien sehen 10 bis 11 Mio. Zuschauer die Sendung WWM. Ihre Ratings sind die höchsten. Nach Meinung von Chris Tarrant: Wenn WWM einmal in der Woche samstags gesendet wird, ist die Sendung für die nächsten 100 Jahre gesichert.49 Der Erfolg einer Sendung hängt in vieler Hinsicht vom Moderator ab. Die ganze Sendung ist von seiner Persönlichkeit, seinem Charakter geprägt, auch wenn er Off-Screen arbeitet. Der Moderator von „Что? Где? Когда“ (Was? Wo? Wann?) Vladimir Voroshilov, zum Beispiel, wurde von einer zentralen Zeitung „Inkognito aus Ostankino“50 genannt. Im Unterschied zu den anderen Kollegen-Moderatoren ist er auf dem Bildschirm nicht zu sehen. In Live-Übertragungen seines Vladimir Voroshilov intellektuellen Spiels ist nur seine Stimme immer präsent. Dies verschafft einen unikalen Anziehungseffekt für die Zuschauer und ein wachsendes Interesse an der Person des versteckten Moderators und an dem Szenario (er selbst nannte es Doku-Spektakel), das er live leitet und mit erstaunlicher Leichtigkeit manipuliert. Das Interesse an Wissen, der Geschmack von inhaltsreicher Kommunikation, der Wunsch, seine Kräfte im intellektuellen Kampf zu testen – das alles inspiriert die Menschen, besonders die jungen, zum Spiel WWW, das von Voroshilov erfunden und ständig weiter entwickelt wurde. Von 29. März 1969 bis 6. November 1977 moderierte Ernst Stankovski die in den 70ern beliebte Quiz-Sendung "Erkennen Sie die Melodie" im ZDF und einmal im Monat fragte er seine Quizkandidaten "Erkennen Sie die Melodie?". Die zu erratenden Musiktitel entstammten der Oper, der Operette und dem Musical. Falsche Dekorationen und Kostüme sollten die Kandidaten 49 http://www.utro.ru/articles/200104131530309325.shtml ("Кто хочет стать миллионером?" – Джек-Пот более $2 Млн., 13.04.2001) 50 Fernsehanstalt in Moskau 130 verwirren. Außerdem stellte das "Ratekarussell" mit seinem verzwickten Motiv-Potpourri die Beteiligten vor Probleme. Eine Vielzahl bekannter Künstler von Oper, Operette und der leichten Muse traten als Gäste in der Sendung auf. 1980 wurde die Sendung wieder aufgelegt, diesmal mit Johanna von Koczian, nach einem Jahr übernahm Günther Schramm. Doch am erfolgreichsten war sie mit Ernst Stankovski. Ernst Stankovski suchte man wohl hauptsächlich wegen seines Charmes und seiner wienerischen Eleganz für dieses Quiz aus. Er selbst - übrigens gelernter Friseur - war jedoch zu Recht der Meinung, dass er mehr könne und sah sich nicht als geborener Quizmaster, sondern als Schauspieler, Sänger und Kabarettist.51 Und als solcher war er ebenfalls sehr erfolgreich. Er spielte einige Instrumente und konnte sehr gut steppen. "ERKENNEN SIE DIE MELODIE?" (Угадай мелодию!) Ernst Stankovski (Deutschland) V a Valdis Pelsh (Russland) 51 http://www.tv-nostalgie.de/Sound/Erkennensiediemelodie.htm 131 Die russische Version mit dem Namen „Угадай мелодию“ (dt.: Rate die Melodie) lief gut und war sehr erfolgreich 5,5 Jahre und wurde dann unerwartet für meisten Zuschauer ein für allemal eingestellt. Der Moderator Valdis Pelsh erklärte in einem Interview für die russische Tageszeitung „Iswestija“ (Nachrichten) das plötzliches Ende des populären Prime-TimeQuotenführers folgendermaßen: „Es entstand ein Gefühl der Müdigkeit von der Sendung sowohl bei der Produktionsfirma, als auch beim Sender-Kanal. Es schien, dass sie auch den Zuschauern zu den Ohren herauskam. Obwohl mich lässt in der letzten Zeit der Gedanke nicht los, dass wir das zu unrecht gemacht hatten. Aber man will immer etwas Besseres und Größeres. „Rate die Melodie“ hörte jedoch auf, sich weiterzuentwickeln. Daran lag das Problem.“52 Bei den Format-Shows kann es auch sein, dass die Moderatoren formatbedingt und quotengerecht eine andere Art der Präsentation der Sendung zeigen. Der Umgangston der "Quiz-Domina" aus „Weakest Link“ (Der Schwächste fliegt) schockiert nicht nur die Spieler im Studio. Der harte Konkurrenzkampf, die kalte und gefühlslose Art der Moderation lassen keinen gleichgültig. Die eingeübten abrupten Phrasen, die eingedrillten Bewegungen, eine eingefrorene Mimik und beinahe uniformierte Bekleidung sind das Kennzeichen dieses importierten Fernsehformates. Jede richtig beantwortete Frage wird von der Moderatorin mit einem harschen „Korrrrrrrekt“ erwidert. Bevor der Schwächste gewählt wird, folgen nochmals markige Sprüche à la „Da wollen wir doch mal sehen, wer unsere kostbare Studioluft lang genug weggeatmet hat„ oder „In wessen Kopf steckt weniger Hirn als in einer Dose Chappi“ seitens der Moderatorin. Nach dem der Rausgewählte feststand, folgte der obligatorische Spruch „(Name des Kandidaten), du bist der Schwächste, du fliegst und tschüss“. 52 http://www.izvestia.ru, Artikel von Anna Kovaljowa vom 25.05.02 "После провала будем больше шутить": "Возникло ощущение усталости от программы и у производителя, и у каналавещателя. Казалось, что и зрителям она надоела, хотя последнее время меня все чаще преследует мысль, что, может быть, зря мы это сделали. Но всегда хочется чего-то лучшего и большего, а "Угадай мелодию" перестала развиваться. Может, в этом вся проблема“. 132 Die Originalsendung Weakest Link läuft 2007 immer noch auf BBC. In Deutschland und Russland fand dieses Quiz kein großes Interesse. Weakest Link müsste in deutscher Version eigentlich mit Das schwächste Glied (der Kette) übersetzt werden. (In der russischen Version hat der Titel die direkte Übersetzung – Слабое звено.) Mit diesem Titel wird verdeutlicht, dass die einzelnen Teilnehmer jeweils wie die Glieder einer Kette funktionieren, die nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied, weshalb die Teams sich von eben diesem „schwächsten Glied“ trennen müssen. Diese Team-Auffassung steht im Kontrast zu modernen Auffassungen von Team-Geist - wo den Schwachen geholfen wird und soll für die notwendigen menschlichen Spannungen unter den Mitstreitern sorgen. Vermutlich wegen der nahe liegenden und unangemessen albernen sexuellen Interpretierbarkeit der deutschen Übersetzung Das schwächste Glied wurde die Show aber Der Schwächste fliegt! genannt, was ebenfalls das Spielprinzip treffend und knapp umschreibt, allerdings in einer saloppen Alternativformulierung des Grundprinzips der Darwinschen Auslese (Der Stärkste überlebt). Der Moderator als schwaches Glied in einer TV-Show-Kette ist eine seltene Erscheinung. Er kann besser oder schlechter werden, in sein Training aber wird viel investiert, mehr als für die Vorbereitung der Fragen. Der Moderator muss nicht besonders intellektuell sein und alle Fragen und Antworten wissen. Aber manchmal kann das Schicksal ihm einen bösen Streich spielen – er bekommt eine falsche Antwort auf die gestellte Frage von der Redaktion. Der Moderator verkündet ein strenges Urteil: „Falsch!“ Der Spieler und die Zuschauer sind zuerst erstaunt und dann empört über die intellektuellen Fähigkeiten des Moderators. 133 „DER SCHWÄCHSTE FLIEGT“ (Weakest Link / Слабое звено) Anne Robinson (UK-Version) Sonja Zietlow (deutsche Version) Maria Kisseleva (russische Version) Im Studio (Russland) 134 Noch schlimmer ist, wenn es mehrere richtige Antworten gibt und der Moderator nur eine Antwort weiß. So eine peinliche Situation war im letzten Spiel der russischen Version „Der schwächste fliegt“ (Weakest Link) zu sehen. Auf die Frage „Wer hat die 12 berühmten Heldentaten vollbracht? “ antwortete der Spieler: „Herkules“ und war ziemlich erstaunt, als die Moderatorin erwiderte: „Falsch! Die richtige Antwort ist Herakles“. Die Moderatorin muss nicht wissen, dass Herakles und Herkules die verschiedenen Schreibweisen von ein und demselben Namen sind. In der Achtung der Zuschauer ist die Sendung sofort gesunken. Wenn wir die untersuchten Quiz- und Game-Shows betrachten, ist die Figur des Moderators ein untrennbarer Teil aller Fernsehformate. So kommt man zu der berechtigten Frage: Kann man in einem TV-Spiel überhaupt auf den Moderator verzichten? In Schach, Hockey und in vielen anderen Sportarten zum Beispiel gibt es Trainer, Richter, Assistenten, aber keinen Moderator. Im Fernsehgeschäft hängt die Qualität des Spiels im Wesentlichen von der Rolle des Moderators ab. 135 Die wichtigste Aufgabe eines Quiz-Meisters ist, die Fragen neutral und objektiv anzukündigen. Das Vorlesen der Frage ist eine Einladung zum Spiel, zu einem Kampf, Duell. Die Auswahl der „Waffen“ (wie er die Frage stellt) liegt auch bei dem neutralen Profi-Quizmaster. Bei der Ankündigung der Frage übermittelt er den Spielern nicht nur seine eigene Sicht der Frage. Er kann durch die Intonation oder Mimik manchmal den Spieler auf eine falsche Fährte führen. Allgemein kann die Funktion des Moderators mit dem Öffnen des Deckels auf einem Topf vergleichen, der eine heiße und köstliche Suppe enthält. Das feine und verführerische Aroma dieser Gourmetsuppe – die Pointe der Frage – verteilt und dosiert der Moderator. Es gibt Moderatoren, bei denen (formatbezogen) der Mund nie still steht. So moderierte Valdis Pelsh „Угадай мелодию!“ (Rate die Melodie!). Er machte Ansagen, erklärte die Spielregeln, kontrollierte alle Geschehnisse und ermunterte die Teilnehmer, unterhielt sich mit den Zuschauern, scherzte, flirtete, manchmal spielte und sang er mit und vergab anschließend die Punkte. Desto größer war der Kontrast zu seiner späteren neuen Moderatorenleistung in der Quiz-Show „Russisch Roulette“ (Originalformat kommt aus den USA - von Columbia Tristar International Television), wo er die Rolle eines strengen, wortkargen und seriösen Quiz-Meister übernahm. Die Moderatoren sind Menschen mit vielen Gesichtern – Conferencier (Ansager), Entertainer, Richter, Journalist, Reporter, Regisseur – alles in einem, ein Multitalent. Mit so einem Moderator kann es sehr lustig und amüsant werden. Wenn wir aus solchem Spiel den Moderatoren wegnehmen, wird alles sofort aus der Reihe tanzen. Je weniger aber das Spiel von einem Moderator abhängt, desto hochwertiger und professioneller ist es. 136 „РУССКАЯ РУЛЕТКА” (Russisch Roulette) Russisch Roulette Valdis Pelsh (Moderator) Im Studio „Das wichtigste für einen Moderator, was ihm das Recht auf seine Präsenz auf der Bühne gibt, ist eine bedingungslos Liebe, eine Begeisterung für den eigentlichen Prozess des Spiels. Wenn Sie richtig an den Geschehnissen interessiert sind, wenn es für Sie im gegebenen Moment nichts Wichtigeres im Leben gibt, seien Sie sicher – Sie dürfen dieses Spiel moderieren. Dann erkennen, erspüren Sie mit dem ganzen Herzen seine Großartigkeit und unbestrittene Priorität. Dann verstehen Sie die ganze Umgebung den Interessen des Spiels dienstbar zu machen. Dagegen alles, was das Spiel, seine Prestige, sein Autorität stört, lernen Sie schnell sofort und gnadenlos wegzulassen,“ – daran sieht der Moderator des russischen Game-Show „Was, wo, wann?“ Voroshilov das Credo eines Moderators.53 53 „Феномен игры“ В.Ворошилов („Phänomen des Spiels“ V.Voroshilov): „Главное, что дает ведущему право быть на сцене, - безусловно, это любовь, увлеченность самим процессом игры. Если вы по-настоящему заинтересованы происходящим, если в данный момент нет для вас более важного дела в жизни, не беспокойтесь, вы можете вести эту игру. И тогда вы признаете, 137 Also, durch die persönlich eingebrachte Leistung und die vom Publikum entgegengebrachte große Sympathie ist jeder Moderator sicherlich ein wichtiges Glied im Erfolg der Sendung – allerdings nicht das einzige! DIE MODERATOREN VON „WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?“ Chris Tarrant (Großbritannien) Der populärste englische Fernseh- und Radiomoderator. Seit 1998 moderiert er die Quiz-Show „Who Wants to Be a Millionaire?“ in ITV1. Er ist so beliebt, dass seine Wachsfigur im Madame Tussaud´s Wachsfiguren Museum in Frankreich ausgestellt wurde. Jean-Pierre Foucault (Frankreich) Der bekannte französische Fernseh- und Radiomoderator. Seit 1982 im Fernsehgeschäft (begann bei RMC). Der erste Erfolg kam 1982 mit dem Fernsehprojekt «l'Académie des neuf». Seit 1987 arbeitet er an TF1, wo «Qui veut gagner des millions?» seit 2000 ausgestrahlt wird. Gegenwärtig moderiert er auch «Balavoine, 20 ans déjà», «Je suis une célébrité sortez moi de là», «Le meilleur des célébrités». Shah Rukh Khan (Indien) Indiens Bollywood-Superstar, seit 2006 übernimmt er die Moderation der Quizshow Kaun Banega Crorepati - der indischen Ausgabe von "Wer wird Millionär" - und wagt sich damit auf ein völlig neues Terrain. Gerry Scotti (Italien) Einer der populärsten Moderatoren des italienischen Canale 5. Er begann 1982 als DJ im «Radio Deejay». Gegenwärtig moderiert er «Passaparola», «La Corrida», «Striscia lanotizia» u. a. Dank seiner originellen Moderationsart ist er der почувствуете всем сердцем ее величие, ее бесспорный приоритет. И тогда вы подчините все Liebling Italiens. Übrigens, er ist der окружающее вас только интересам игры. А все, что будет мешать игре, ее престижу, einzige, derТаково, zu der авторитету, вы научитесь тут же безжалостно отметать. на мой„Millionär“-Musik взгляд, кредо любого ведущего.“ tanzen konnte. 138 Günter Jauch (Deutschland) Der Moderator vom Sendestart der Quizshow „Wer wird Millionär?“ in Deutschland. Einer der beliebtesten Fernsehshowmaster in Deutschland, Fernsehjournalist und Fernsehproduzent. Außerdem moderiert Günther Jauch folgende Sendungen: „Stern TV“ (Talkshow), „Menschen, Bilder, Emotionen“ (jährliche Show über bedeutendste Highlights des vergangenen Jahres), „Die 5 Millionen SKL Show“, „Der Große IQDmitri Dibrov (Russland) Journalist, Fernsehmoderator und Musiker, von 1999 bis 2001 moderierte er die erste Version „WWM“ («О, Счастливчик!») im НТВ (NTV). Diese WWM-Show wurde als beste Gameshow-2001 ausgezeichnet und hat den TEFI-Preis (den höchsten Preis der russischen nationalen Fernsehakademie) bekommen. Maxim Galkin (Russland) Der gegenwärtige Moderator von der Quizshow „ WWM“ («Кто хочет стать миллионером?»), die vom 19. Februar 2001 bis heute im ОРТ (ORT) ausgestrahlt wird. Der bekannte Parodist (Parodien auf Politiker, Künstler, Popsänger und TVModeratoren), spricht fließend Englisch, Französisch, Deutsch, moderiert mehrere TV-Musik-Shows und Galakonzerte. Carlos Sobera (Spanien) Rechtsanwalt, arbeitet aber seit 1997 im Fernsehen. 1982 spielte er zum ersten Mal im Film «Quítate tú 'pa' ponerme yo». Er ist einer der Gründer vom Theater «La espuela» und der Mitarbeiter vom «Aula de Teatro de la Universidad del País Vasco». 2000 wurde er Moderator der Gameshow «50 por 15» im Fernsehkanal Telecinco (später «Quién quiere ser millonario?» im Fernsehkanal Antena 3). 139 Regis Philbin (USA) Regis ist im TV-Geschäft seit den 50ern. Mehrmals wurde er für einen „Emmy“ (der bedeutendste Fernsehpreis der USA) nominiert als bester Moderator von GameShows, Talkshows und als Sänger. Sein Name steht im Guinness-Buch der Rekorde als Mensch, der am häufigsten vor der Kamera steht. Von 1999 bis 2003 moderierte er die WWM-Show und „SuperMillionaire“ bei ABC. 3.3. Die Fragen und die Antworten Alle Quiz-Sendungen sind nach dem gleichen „Frage-Antwort“-Prinzip aufgebaut. Die Formatsendungen, so wie bei „WWM“, sind strukturell und äußerlich in allen Ländern identisch. Für die inhaltlichen Unterschiede sorgen die vorher von einem jeweiligen speziellen Profi-Team sorgfältig vorbereiteten, aber vom Computer zufällig ausgewählten Fragen und bestimmte Ankündigungstechniken, die die gecasteten Moderatoren schnell beherrschen. Jedoch jeder Quiz-Meister und auch jeder Spieler bringen in die Show eine eigene persönliche und unberechenbare Note. Dies kann jedem Moment im improvisierten Dialog eine Lebendigkeit und Spontaneität verleihen, aber manchmal auch eine gegenseitige Wirkung zeigen. Der erfahrene Moderator (oder die Regie) spürt es sofort, wenn die Situation aus dem Ruder zu laufen droht. Der langweilige oder verklemmte Kandidat wird nicht „verschont“ und kann schon nach der ersten Frage sein Spiel beenden. Wenn man verschiedene Versionen der gleichnamigen Quiz-Shows vergleicht, kann man sowohl die gelungenen Leistungen als auch skurrilen Momente, die leider unvermeidbar sind, deutlicher sehen. Wie der Moderator aus solchen Pannen-Situationen herauskommt, zeigt seine Professionalität. 140 Sogar bei der Ankündigung der Frage widerspiegelt sich die Persönlichkeit eines Quiz-Meisters. Zum Beispiel der italienische Moderator von „WWM“ Gerry Scotti (Canale 5) hat ein eigenartiges und sehr kreatives Modell, Fragen zu stellen. Er kleidet die Gerry Scotti einfachen Fragen in eine ungewöhnliche Form ein. Statt einfach vorzulesen: „Was ist...?“, was andere Kollegen in jeweiligen internationalen Versionen üblicherweise machen, fängt er von weitem an: „Nehmen wir an, dass Sie in ein indisches Restaurant gekommen sind und eine Speise bestellt haben. Was bekommen Sie?“ Oder statt der direkten Frage: „In welchem Jahr…?“ improvisiert er weiter: „Wer unter den gegebenen Personen konnte kein Faxgerät bedienen?“ Es gibt noch eine Besonderheit in der Sendung von Scotti: Unmittelbar nach jeder richtig beantworteten Frage bekommt der Spieler den ihm zustehenden Cheque. Er wird in der Großaufnahme den Zuschauern gezeigt, damit keinen Zweifel aufkommt, dass hier alles ernst und real ist. Vor der nächsten Antwort aber gibt der Spieler diesen Cheque zurück und versucht eine größere Summe zu gewinnen. In einer italienischen WWM-Folge lautete eine Frage: „Wieviel Welpen gab es im Disney´s Märchen von den Dalmatinern?“ Der Kandidat antwortete selbstverständlich: „101“. Der Moderator Gerry Scotti wollte gerade das erfreuliche „Richtig!“ aussprechen, erblickte aber im letzten Moment seinen Monitor und griff sich fassungslos an den Kopf… Die richtige Antwort war – „99“ (99 Welpen + Mutter + Vater). Der Kandidat verließ das Studio ohne Gewinn. Günter Jauch (deutsche Version) moderiert souverän und etwas reserviert, wie man es im Norden Deutschen kennt. und unterschiedlich. Die Temperamente Italiener sind der einfach Günter Jauch 141 Wenn wir bedenken, dass die Quiz-Sendungen zur Verbreitung von Allgemein- oder Spezialwissen beitragen sollen, können wir leider feststellen, dass diese Funktion eher als gering eingeschätzt werden muss. In dieser Meinung sind sich viele Medienwissenschaftler sowohl in Russland, als auch in Deutschland einig. (Vergl.: Gerd Hallenberger und I.A. Poluechtova) Nach der Wissensgrad der Fragen in einem Quiz kann man nicht (und soll man nicht) über die Intelligenz und das Allgemeinwissen desjenigen Volkes urteilen. Aber manchmal kommen einige Exemplare (unabhängig vom Alter) ins Studio, die die einfachsten Fragen nicht beantworten können. Solche Beispiele kommen in jedem Land vor. So konnte in der russischen Version WWM ein Mann mittleren Alters nicht erklären, was Bronze ist. Eine auf den ersten Blick intelligente Frau hat dem Moderator gestanden, dass sie noch nie von solchen Künstlern wie Cézanne gehört hat. Eine junge Abiturientin hatte keine Ahnung von Puschkins Märchen „Ruslan und Ludmila“ (das Werk, das im Schulprogramm steht). Eine italienische Kandidatin hat lange Zeit zwischen zwei nach dem 50:50 Joker gebliebenen Varianten geraten, wer das Buch „Sherlock Holmes“ geschrieben hat: Agatha Christie oder Artur Conan Doyle. Keiner erwartet, dass der russische Rentner etwas über „Led Zeppelin“ oder Paris Hilton weiß oder ein deutscher Schüler den Namen des letzten UdSSRGeneralsekretärs der KPdSU nennt. Aber wenn jemand etwas im Quiz gewinnen möchte, soll er schon ein höheres Niveau mitbringen. In England gibt es viele Fragen über die Royals Familie, Golf und Reiten, was der russischen Mentalität absolut fremd ist. Ebenso viel gibt es in Russland landesspezifische Fragen über die Generalsekretäre der KPdSU, Vodka und den Sportclub „Spartak“, was für einen Engländer kaum etwas bedeutet. Die Fragen können statistisch nur nach der Zahl der Gewinne verglichen werden, die auf den Schwierigkeitsgrad hinweisen. Die Fragen für die Formatsendungen werden nicht übersetzt und die Ideen für neue Fragen werden nicht aus Ausland importiert. 142 In der Ukraine zum Beispiel beträgt der Preisfond 1 Mio. Griven, was in der Umrechnung fünfmal mehr als in Russland ist. Aber diese „brüderlichen Slawen“ sind nicht besonders freigiebig: der größte gewonnene Preis überschreitet nicht 32.000 Griven (5.000 Euro). Die dramatischen Szenen ums Geld beginnen nicht ab 16.000 (Vergl.: Russland), sondern schon ab 1.000. Mit dieser Stufe erhöht sich der Schwierigkeitsgrad der danach folgenden Fragen. In den USA sind die Fragen wesentlich leichter als in Europa. Da gibt es schon 11 Hauptgewinner. Besonders zu beklagen ist die Versicherungsfirma, die den Preisfond der WWM-Show sichert, sie droht schon mit einer Klage. Die meisten Millionen- Japanische Version von WWM Gewinner wohnen übrigens im Land der aufgehenden Sonne – Japan (20). Die Kandidaten bei WWM haben genug Bedenkzeit. Kein Zeitlimit stört ihren Gedankengang. Manchmal können die Authentizität der Person, ihr unverstellbar natürliches und charismatisches Verhalten und Reaktionen, die sich beim Antworten offenbaren, zum Höhepunkt des Spiels werden. So ein Szenario kann von keinem Redakteur im Vorfeld geschrieben werden. In dieser Situation hängt vieles, wenn nicht alles, vom Moderator ab. Es muss doch für Zuschauer immer spannend bleiben. In der italienischen Version von WWM gab es eine sehr dramatische Sendung. Eine junge Frau erreichte die letzte Stufe: es blieb nur die letzte Frage, die sie von einer Milliarde Lira (bevor Euro kam) trennte. Die Frage war nicht einfach: sie sollte ein Musikinstrument nennen, das einer bekannter Jazzmusiker und Komponist spielte. Diese Frage konnte nur ein Kenner der Jazzmusik beantworten, zu denen die Frau nicht gehörte. Sie entschloss sich zu riskieren. Obwohl der Name des Musikers ihr geläufig war, hat sie praktisch die ganze Sendung lang überlegt. Es ging um eine Milliarde Lira 143 und ganz Italien saß vor dem Bildschirm mit angehaltenem Atem wie bei der Fußball-WM. Als Moderator Scotti langsam und extra verzögernd die richtige Antwort las, saß die Frau da blass wie der Tod. Als Scotti erklärte, dass sie zwei Musiker mit dem gleichen Namen verwechselt hat, flossen die Tränen aus ihren Augen. Es ist nicht schwer vorzustellen, dass alle Hausfrauen Italiens mit ihr zusammen weinten. Die Großaufnahmen von der schluchzenden Kandidatin mit der bis zu den Wangen verschmierten Mascara ließen die Einschaltquoten alle Dimensionen sprengen. Als Scotti letztendlich mit seinen Erklärungspassagen fertig war und das abschließende Urteil mitteilen wollte, verkündete er die junge Frau als Milliardärin. Obwohl sie beide betroffenen Musiker verwechselt hatte, war das zum Glück nicht schlimm, weil beide dasselbe Instrument spielten. Da atmete das ganze Land mit Erleichterung auf. Die Fragen haben wohl eine offensichtliche Funktion – das Schaffen von Interaktivität. Der Zuschauer wird bewusst in die gleiche Situation versetzt wie der Kandidat im Studio, die Fragen werden auch ihm gestellt (oder er stellt sich das vor). Doch was reizt den Zuschauer an dieser Interaktivität? Die menschliche Eigenschaft, unbewusst alles auf sich zu beziehen, wird damit direkt befriedigt. Ein wichtiger Faktor ist bestimmt, dass er sich ernst genommen fühlt. Auch er könnte sich als Kandidat bewerben. Doch das ist nicht alles! Die Fragen lassen dem Zuschauer viel Freiraum für eigene Gedanken. Zum Beispiel lautet die Frage: ,,Wo hat der Fernsehkanal ARTE seinen Sitz?" (A Paris B Straßburg C Mainz D Baden-Baden) wird der Zuschauer in Gedanken vielleicht zunächst das ARTE-Logo sehen, sich dann an seinen letzten Urlaub in Paris erinnern und überlegen, wo er schon einmal etwas über den Sender gelesen oder gehört hat. Er wird dabei vom Kandidaten im Studio unterstützt, der dazu verpflichtet wird, seinen Gedankengang preiszugeben. Dadurch, dass die Fragen die unterschiedlichsten Themengebiete abdecken, erlauben sie den verschiedensten Leuten, eine bedeutsame Erfahrung zu machen, die oft weit intensiver ist als ihre alltägliche Routine. 144 Dirk Blothner stellt in seinem Buch ,,Erlebniswelt Kino" auf Grund von Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen diesen Erlebensprozessen und dem Erfolg von Spielfilmen fest: Je intensiver Platz für eigene Gedankengänge gelassen wird, desto besser gefällt dem Zuschauer der Film.54 Da WWM diesen unbewussten Prozess in großem Maße auch fördert, kann man davon ausgehen, dass dies im Wesentlichen zum Erfolg der Sendung beiträgt. Noch einen weiteren Vorteil hat die Themenvielfalt der gestellten im Quiz Fragen: Jeder kann einmal mit Wissen glänzen oder sich selbst bestätigt fühlen, indem er mehr weiß als der Kandidat. Kinder wissen z.B., dass ,,Mautzi" ein Pokemon ist, und die Mama kann etwas mit ,,Frida Lyngstad" (Sängerin aus ABBA) anfangen. So wird jedem Zuschauer ein Erfolgsgefühl gegönnt und die Kommunikation, od. so genannte Interaktivität, vor dem Bildschirm wird stattfinden. Die Fragen für die Quiz-Show werden von einer speziellen Redaktion ausgesucht, sorgfältig überprüft und vor der Aufzeichnung der Sendung im Computer gespeichert. Die meisten von ihnen brauchen keine besonderen Kenntnisse, sie prüfen nur, welchen Umfang der Massenkultur der normale Mensch aufnehmen kann. Z.B.: In welcher Reihenfolge wurden die Filme von Woody Allen gedreht? Oder: Was bedeutet es, wenn Sie im Office eine Benachrichtigung auf rosa Blattpapier bekommen? – Jeder, der in Amerika war, weißt, dass dieses rosa Blattpapier eine Kündigung bedeutet. Oder: Wieviel Zellen hat die Amöbe? usw. Alle diese Fragen mit meistens unnötiger Information fördern keine Kenntnisse, kein Intellekt nur ein mechanisches Gedächtnis. 54 Blothner, Dirk: Erlebniswelt Kino. Wirksame Filmthemen, Bergisch Gladbach, 1999 145 Suche nach den Fragen Für die russische Version der WWM ist ein Team aus 4 Autoren von der Programmredaktion für die Fragen zuständig.55 Sie müssen ein Informationsgespür haben, um die Fragen nach den bestimmten Themen auszusuchen, dann werden diese Fragen von 2 weiteren Mitarbeitern nach Quellen und die Antworten nach Richtigkeit überprüft. Außerdem arbeiten für die Redaktion rund 20 freiberufliche Autoren. Sie bringen die Fragen mit den Antworten-Varianten und mit dem Hinweis auf die Quelle. Wenn keine Antworten-Varianten hinzufügt sind, denkt das Redaktionsteam sie aus. Um den Klang und die Schärfe der Frage kümmert sich anschließend der ChefRedakteur. Jeder Autor bringt in der Regel wöchentlich fast 200 Fragen, 30 von ihnen werden im besten Fall für die weitere Bearbeitung aussortiert. Hauptforderung an die Fragen – Einfachheit. Um sie zu beantworten, sollen die Kandidaten keine spezielle Ausbildung haben. Z.B. die Frage: Zu welcher Art der Erdschichten gehört der Sand? – A: Alluvium, B: Kolluvium, C: Proluvium, D: Elluvium. Die richtige Antwort – Alluvium (Marschboden). Obwohl diese millionenwert hoch eingeschätzte Frage gut ist, kann sie aber nicht ins Spiel genommen werden, weil sie nur ein ausgebildeter Geologe richtig beantworten kann. Die Fragen werden erst in 4 Kategorien eingeteilt: die Fragen für die Auswahlrunde, die lustigen, die einfachen und die schwierigen Fragen. Man kann natürlich fragen, wie der erste russische Kosmonaut Gagarin mit dem Vorname hieß. Aber WWM ist eine Unterhaltungsshow und kein Idiotentest. Oft akzentuieren die Fragen die Aufmerksamkeit auf ein unbemerktes Detail. Z.B.: Aus welchem Anlass fand der Ball statt, wo Tatjana und Eugen Onegin einander kennen gelernt haben? (Namenstag) Allein im schulpflichtigen durchgelesenen Roman von A. Puschkin „Eugen Onegin“ gibt es Millionen Kleinigkeiten, sie alle kann man nicht im Gedächtnis behalten. Obwohl in 55 www.novayagazeta.ru: Курсы ловли удачи за хвост: Как делается передача «Кто хочет стать миллионером», Надежда Прусенкова, 21.05.2001 146 einem Spiel kannte der Kandidat das Buch von Michail Bulgakow „Der Meister und Margarita“ so gut, dass er sich nicht nur daran erinnern konnte, was Margarita auf dem Ball beim Satan getrunken hat, sondern zitierte: „Ich kann mir doch nicht erlauben, einer Dame Vodka einzuschenken! Das ist Feinsprit!“ Dieser Fall ist mehr eine Ausnahme. Übrigens, das Buch von Bulgakow ist für die russische Intelligenz eine Pflichtlektüre. Jeden Monat werden rund 500 neue fertige Fragen in den Computer eingetragen. Die gespielten Fragen werden automatisch aus dem Computer gelöscht. Einmal in drei Monaten überprüft der Chef-Redakteur den Bestand des Computers und „reinigt“ die Datenbank, löscht die Fragen, die nicht mehr aktuell sind. Tricks Es gibt einige Tricks bei der thematischen Auswahl der Frage. Die Balletttänzerin bekommt auf keinen Fall die Frage über Zahl der Umdrehungen in einer Fouetté und der Botaniker über die vegetative Vermehrung bei den Pflanzen. Das Computerprogramm ist so programmiert, dass manche Kategorien im Voraus ausgeschaltet werden können. Diese Funktion wird aber selten benutzt. Nicht jeder Kandidat hat eine eng spezifische Ausbildung. Bei den Prominenten-Specials werden die Themenüberkreuzungen nicht beachtet. Die Gewinne gehen an karitative Projekte. Die prominenten Gäste bei solchen Sendungen werden in Russland sehr originell gemischt. Einmal zum Neujahrsfest versammelten sich die berühmten Journalisten von NTV, andermal kamen die „Top 10“ aus dem Showbusiness, es gab sogar ein Spiel mit den Kandidaten zum Präsidenten. Der Haupttrick ist es, dass der Moderator, solange der Kandidat antwortet, die richtige Antwort nicht kennt. Auf dem Monitor leuchten zwei kleinen Quadrate – grün und orange. Wenn die Antwort des Kandidaten aufgenommen wurde und das orange Feld leuchtet, erscheint in einem der 147 Quadrate ein Punkt, den die Zuschauer hinter dem Rücken des Moderators nicht sehen können, aber wodurch der Moderator Bescheid weiß, ob die Antwort korrekt oder falsch war. Nun ab jetzt kann der Moderator den Kandidaten und die Zuschauer ein bisschen mit der Verzögerung bei der Ankündigung der richtigen Antwort „quälen“. Gerade an diesem Moment kommt oft die Werbungspause und die Zuschauer Zuhause können anrufen und ihre Version der Antwort geben. Die Anrufe kosten extra Geld, damit werden zusätzliche Einnahmen des Senders erzielt. Die Fehler Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers gibt es immer. Falls es zu einem Fehler kommt, hat der Kandidat das volle Recht, noch einmal zu spielen. Dabei fängt er mit der Fragenstufe an, bei der er rausflog. In der russischen Version von WWM gab es einen Fehler in der Sendung zum Frauentag am 8. März. Die Frage war: „Die Zweige welches Baums werden überall als Mimose verkauft?“ – A: Akazien, B: Zypresse, C: Weide, D: Eibe. Die richtige Antwort sollte „Akazien“ sein. Die Frage wurde überprüft und im Computer gespeichert. Manchmal kann es dazu kommen, dass im Spiel mehrmals nacheinander die Fragen mit den richtigen Antworten auf dem Buchstabe „A“ ausfallen. Daran gibt es nichts Schlimmes aber der Zuschauer kann misstrauisch werden. Im Fall mit den Akazien passierte dasselbe. Die richtige Antwort sollte nun schnell auf einen anderen Buchstabe verlegt werden. In der Hektik verschwand die Variante „Akazien“ überhaupt aus der Datenbank und wurde unerklärlich durch eine unnötige „Aster“ ersetzt. Den Fehler bemerkte man während des Spiels. Die fassungslose Kandidatin fand unter den vorgegebenen Antworten keine richtige, nahm das bisher gewonnene Geld und beendete das Spiel. Kurz danach haben die Autoren ihren Fehler öffentlich bekannt gemacht. Die Frau wurde noch einmal ins Studio eingeladen. Sie durfte mit der 9. Frage anfangen und hat anschließend 64,000 Rubel erworben. Die Gerechtigkeit hat gesiegt. 148 Der menschliche Faktor endet vor der Aufzeichnung, danach übernimmt alles die Technik, die auch mal versagen kann. In Großbritannien gab ein Kandidat eine falsche Antwort, der Computer erkannte sie aber als richtig und damit hat der Mann 125,000 Pfund gewonnen. Als der Fehler auffiel, durfte der Mann Geld immerhin behalten – Der Computer hat den Fehler gemacht. In der russischen Version von „Russisches Roulette“ sind nicht nur enzyklopädische Kenntnisse erforderlich. Die Spieler werden hier beim Antworten zusätzlich in eine äußerst nervenkitzelige Lage gebracht. Jeder Spieler bekommt ein spezielles Pulsmessgerät, damit wird die Stabilität des Nervensystems der Spieler für den Einzelnen unbemerkt kontrolliert. Wenn ein Spieler aufgeregt ist, nachdem er die Frage gehört hat, ist das ein Beweis, dass er die Antwort nicht kennt. Deshalb wird er als Erster aufgefordert, seine Antwort zu geben. Nach einer unkorrekten Antwort zieht er einen Hebel und schaltet damit symbolisch ein Roulette ein. Wie beim Russisch Roulette gibt es eine drehbare Scheibe mit der Möglichkeit zu „sterben oder weiter zu leben“. Wenn er Glück hat, bleibt er weiter im Spiel. Wenn nicht – öffnet sich unter seinen Füßen ein Loch und er fällt unerwartet in einen Schacht unter die Bühne. Obwohl die Organisatoren behaupten, dass es gar nicht gefährlich ist, kostet dieses Erlebnis den Spielern viel Nerven. Anderes Quiz – andere Fragen Beim Aussuchten der Fragen für das Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was? Wo? Wann?) werden andere Anforderungen gestellt. Sowohl die Zuschauer als auch die Spieler sind leider an das Denken in Schablonen gewöhnt. Das gesamte Ausbildungssystem (Lehrbücher, Vorlesungen, Prüfungen) verleitet die Menschen dazu. Die Aufnahmefähigkeit bei den meisten modernen Menschen ist auf Stereotypen, d.h. die in dem Bewusstsein gefestigten Assoziationen oder Schemata aufgebaut. Von dieser mentalen Ebene aus kann das ganze Gefühlssystem gesteuert werden. Dies wissen alle Künstler, Schauspieler und 149 Regisseure aus den verschiedensten Kunstrichtungen. Wenn der Zuschauer in der ersten Sekunde „nicht versteht“, was auf dem Bildschirm (Bühne usw.) passiert, wird es ihm langweilig und er bleibt nicht länger dran. Andererseits wenn es keinen Platz für neue Gedanken, Lösungen, Ideen gäbe, wäre es noch trauriger. Die Balance muss gehalten werden. Nur so erreichen die Produzenten ihr Ziel. Nicht anders geht es beim Quiz. Die Sendungsmacher berücksichtigen alle Stereotypen der Gedanken- und der Gefühlsebene, manipulieren geschickt damit – entweder zerstören sie oder bauen neu auf. Es wird gebastelt: Man nehme ein Thema, z.B. „Kennen Sie Bulgarien?“ oder „Was wissen Sie über Chemie?“ Der Moderator stellt die Fragen, die Spieler oder Zuschauer antworten, live oder auch nicht, die Gewinner bekommen irgendwelche Preise (Product Placement) oder einfach hohe oder kleinere Geldsummen… Dazu kommt ein Videobeitrag über die paradiesische Schönheit und über die Touristen anlockenden Ecken (oder über chemische Reaktionen und Forschungsprojekte), plus einen Song von einem bekannten bulgarischen Popsänger (oder ein Statement von einem anerkannten Wissenschaftler). Und somit ist ein Quiz fertig, genauer gesagt – sein Stereotyp. Die Hauptaufgabe des WWW-Spiels («Что? Где? Когда?» - «Was? Wo? Wann?») besteht darin, das stereotype Denken (Schablonedenken) aufzulockern. Dazu ein Beispiel: Frage: Hätten die alten Griechen den Roman von Dostojewski „Idiot“ gelesen, mit welchem Wort könnten sie die Hauptfigur dieses Romans bezeichnen? Minute für Besprechung: Aus der Erinnerung tauchen sämtliche Informationen über Griechenland auf. Das stereotype Denken herrscht. Das alte Griechenland ist das Land der Philosophen, Dichter, Bildhauer, Sklaven, Plebejer und Patrizier, Sportler, Stadien, Kathedralen, Kriege… Diese Reihe kann weiter verlängert werden, 150 besonders wenn sich in die Besprechung 6 Spieler einschalten. Aber was haben alle diese Wörter mit dem Roman von Dostojewski, genauer gesagt mit dem Romanheld gemeinsames? Vielleicht ist er ein Philosoph? Im Roman philosophiert er oft. Mit demselben Erfolg kann man ihn als Plebejer bezeichnen. Er ist nach Sankt Petersburg völlig mittellos gekommen. Leider können diese Antworte nicht die einzigen sein. Und warum werden Griechischkenntnisse getestet? Nein, da ist etwas faul. Anscheinend ist diese Frage eine Provokation. Aber wo liegt sie? Antwort auf die Frage: Es geht darum, dass die Griechen den Romanheld genauso genannt hätten, wie Dostojewski ihn selbst, nämlich einen Idioten! Idiot – das ist ein griechisches Wort und bezeichnet einen Menschen, der nicht beamtet ist, keine Interesse für Politik und gesellschaftliches Leben hat. Beim Spiel WWW werden multiple Assoziationen ausgerufen, da kommen mehrere Genres zusammen: • WWW ist eine typische Quizsendung; • WWW basiert auf einem typischen Wettbewerbprinzip wie im Sport. Da sind feste Regeln und Bedingungen, streitende (gegnerische) Mannschaften, Kommentare (wie Sportkommentare), Auszählung von Pluspunkten usw. vorhanden; • WWW ist ein Disput, eine Diskussion. Es bedeutet aber nicht, dass die Fragen für den „Club der Kenner“ (WWW) aus einem für die Mehrheit unbekannten Gebiet kommen sollen. Sie müssen genauso, wie in einer Kunst, etwas Bekanntes, Gewohntes und Alltägliches gleichzeitig darstellen, sie müssen die klischeehaften Assoziationen und Reaktionen der Zuschauer provozieren, aber gleichzeitig sie auch bestreiten, vom Kopf auf den Fuß stellen, das Bewusstsein der Zuschauer lockern. Das Unbekannte über etwas Bekanntem. Das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen. Das Unglaubliche in einem Offensichtlichen. Das ist das Hauptkriterium bei der Fragenauswahl für WWW. 151 Noch ein Beispiel: Frage: "Saepe stilum vertas" aus dem Latein bedeutet "Öfter deinen Stiel umdrehen". Diese Phrase wiederholten die Römer sehr oft. Wozu muss der Stiel so oft umgedreht werden? Minute der Besprechung: Das Schlüsselwort ist hier „Stiel“ (stilum). Man kann sich daran erinnern, dass man früher im Alten Rom auf Wachstafeln schrieb. Jemand kann bemerken, dass zwischen den Wörtern „Stiel“, „stilum“, „Stilett“. Stilett ist ein Schnappmesser. Vielleicht hat man mit solchen Messern – gespitzten Stäbchen – auf den Tafeln geschrieben? Wozu müssen sie dann umgedreht werden? Eine logische Sackgasse. Fangen wir von vorne an. Der philosophische Sinn dieser Phrase ist klar. „Deinen Stiel umdrehen“ bedeutet Vervollkommnung, Weiterentwicklung, Verfeinerung, Verschärfung. Das Stäbchen „stilum“ muss auch geschärft werden. Das Stäbchen hatte zwei gespitzte Enden. Wenn ein Ende stumpf wurde, wurde das Stäbchen umgedreht. Also, „öfter deinen Stiel umdrehen“ bedeutete für die Römer, einfach „mehr und öfter zu schreiben“. Antwort: Die Spieler waren sehr nah an der richtigen Antwort. Es fehlte nur ein Detail, ein logischer Schritt. Es ist schwer zu glauben, dass die Stäbchen bei der Berührung mit der Wachstafel stumpf werden konnten. Das zweite Ende war stumpf. Damit konnte man das Geschriebene wegradieren. Jetzt wird der Sinn dieser Phrase deutlicher: Um die Fehler zu korrigieren (wegradieren), an seinem Stil zu arbeiten, muss man öfter das Stäbchen „stilum“ umdrehen. Bevor eine Frage den Spielern („Kennern“) gestellt wird, geht eine große Vorbereitungsarbeit voraus: - Auswahl der Frage aus der Vielzahl der zugesandten Zuschauerfragen, genauer gesagt – Auswahl des Themas; 152 - Suche nach der Dynamik, Formulierung, d.h. dramaturgische Bearbeitung der Frage; - Ausarbeitung des Regiekonzeptes; - Musikalische Lösung, Licht, Dekoration; - Einschätzung der Antwort, Verkündung der Ergebnisse (in diesem Fall kennt der Moderator die richtige Antwort, er muss schnell reagieren, um das Wesentliche in der Antwort von dem Zufälligen zu trennen und das Wesentliche auf die Richtigkeit zu beurteilen. Während des Spiels gibt es für all dies bei der Live-Sendung keine Zeit); - Man muss zur richtigen Zeit und zum richtigen Ort die nötigen Informationen über die Spielregeln geben. Die Anmoderation muss vorbereitet werden. Bevor die Show beginnt, wird sie beim Moderator im Kopf, in Gedanken und Phantasien durchgespielt. Schritt für Schritt. Der langjährige Moderator Vladimir Voroshilov vergleicht in seinem Buch „Das Phänomen des Spiels“56 WWW mit dem Phänomen der Theaterkunst und bezeichnet WWW als „Dokumentationsspektakel“. Das Spiel wie in einem Stück ist auf einem Konflikt aufgebaut. Hier stehen zwei Kräfte gegeneinander: die Kenner und die Zuschauer. In der Dramaturgie ist der Konflikt die Grundlage für die ganzen Geschehnisse. So ist alles bei WWW den dramaturgischen Gesetzen untergeordnet. Das Sujet und die Fabel bekommen ihre vollendete Entwicklung im Spiel mit seiner Exposition, Knoten, Kulmination und Auflösung, mit der komplizierten Verflechtung von Haupt- und Nebenlinien im Sujet. Die Haupt und Nebenrollen sind im Spiel auch vorhanden. Der Hauptfigur, ihr Charakter, das innere Gefühlsleben der Person offenbart sich im Spiel nicht nur genauso gut, sondern noch authentischer, wie in anderen verwandten darstellerischen Kunstarten – Theater und Film. Nur im Unterschied ist die Show statt professioneller Akteure mit den normalen einfachen Leuten besetzt. Nicht ohne Grund lehrt eine Volksweisheit: „Im Spiele lernt man die Leute kennen.“ 56 Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982 („Das Phänomen des Spiels“ Vladimir Voroshilov) 153 Also, der Dramaturg hat das Spiel geschrieben, der Regisseur hat es inszeniert, die Spieler spielen, die Zuschauer sehen es an. „Je ernster wir uns dem Fernsehspiel gegenüber wie ein Spektakel (Theaterstück/ dramatisches Werk) verhalten, desto schneller erfinden wir neue Shows für den Massenkonsum, desto schneller gehen wir von den „Veranstaltungen“ zu der wahren Kunst über,“ 57 – so Vladimir Voroshilov, der sein Spiel WWW erfunden, nach den dramatischen Gesetzen inszeniert und dementsprechend kunstvoll moderiert hat. Nicht ohne Grund existiert das Spiel WWW in Russland schon über 30 Jahre und ist immer noch populär, obwohl viele europäische Analytiker das Alter einer erfolgreichen Game-Show mit maximal 6-7 Jahren begrenzen, danach sollte das Publikumsinteresse für dieses oder jenes Format sinken. Was auch zurzeit mit dem aktuellen Quiz-Hit „WWM“ passiert. Das Format verliert in mehreren Ländern an Zuschauer. In Deutschland hat es auch eine kritische Grenze erreicht und vor allem jüngere Zuschauer zeigen ein geringeres Interesse an der inzwischen „ältesten“ RTL-Sendung im Quiz-Format. 57 Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982 („Das Phänomen des Spiels“ Vladimir Voroshilov): „Чем серьезнее мы начнем относиться к игре как к спектаклю, тем быстрее создадим новые массовые игровые зрелища, тем быстрее мы перейдем от "мероприятий" к искусству". 154 3.4. Gewinne und Preise Heutzutage verzichtet kaum eine Sendung auf Gewinne. Die Gewinne schwanken von Millionenbeträgen. kleineren Seit dem Geld- und Quizboom Sachpreisen der 90er bis hin zu Jahre sind die Höchstgewinne bei einigen Sendungen heftig gestiegen. Derart hohe Summen werden längst nicht mehr aus Fernsehgebühren oder Werbeeinnahmen finanziert. Ein Weg sind so genannte Servicenummern, bei denen die Bewerber anrufen oder die Zuschauer bei der Live-Übertragung mitspielen oder votieren können. Die erhöhten Gebühren dieser Nummern spielen in der Regel weit mehr ein als hinterher an Gewinnen ausgeschüttet wird, was die Beliebtheit derartiger Sendungen bei den Sendern erklärt. Z.B.: „Wer wird Millionär?“, „Die Quiz Show“, „DSdS“ Einen anderen Weg gehen Sendungen, die über Lotterien finanziert werden, wie "Die 5 Millionen SKL-Show", bei der die Teilnahme vom Kauf eines SKL-Loses abhängt. Das entgegengesetzte Extrem bildete bis vor kurzem (2005) eine Sendung wie "Was bin ich?", bei der der Gewinn seit Jahrzehnten bei maximal 50 DM lag. (Seit Euroeinführung auf Euro umgerechnet.) Nicht immer gehen Gewinne an die Kandidaten. In manchen Fällen, meistens bei den besonderen "Prominentenspecials", wo die Prominenten als Kandidaten auftreten, werden die Gewinne wohltätigen Zwecken gespendet. In der Regel werden dann bestimmte Organisationen oder Projekte genannt, an die das Geld gehen soll. So wie bei: „Wer wird Millionär?“, „Das Quiz“. Die Organisatoren glauben, dass die Teilnahme der Prominenten an der Show höhere Einschaltquoten bringt. Nur teilweise. Die hohen Ratings hängen nicht davon ab, wie populär die Spieler sind, sondern wie sie selbst zu dem Spiel stehen. 155 Ein spezieller Fall sind Quizsendungen für Kinder. Hier werden fast ausnahmslos Sachpreise ausgespielt: Spiele, Reisen in Freizeitparks, Fahrräder etc. Die Sendungen, vor allem mit hohen Gewinnen, beschränken in der Regel die Teilnahme ausdrücklich auf Erwachsene. (z.B.: „Wer wird Millionär?“) Eine Besonderheit ist der Jackpot. Gewinne, die nicht ausgespielt wurden, werden gesammelt und weiter ausgespielt. Die Gewinnsumme wird dadurch erhöht. Typisch ist dies vor allem für "Anrufsendungen", wie sie heutzutage vor allem das Nachtprogramm vieler Privatsender besiedeln. Die meisten Sendungen mit Studiokandidaten werden jedoch ohne Jackpot gespielt. Nicht ausgespielte Gewinne verfallen. Bei der internationalen Verbreitung eines Fernsehformates kann es zu einigen spezifischen Probleme kommen, die aus den Eigenheiten der einen oder anderen Währung entstehen. Besonders deutlich sieht man dies an der Sendung "Wer wird Millionär?". Dieses Format läuft in mehreren Ländern. Die Regel lautet, dass maximal eine Million in Landeswährung zu gewinnen sind. Dies führt zu erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. So entsprechen eine Million russische Rubel derzeit (16. Juni 2007) nur ca. 28.800 Euro. Was für russische Verhältnisse trotzdem viel Geld ist und die Show auch dort attraktiv macht. Eine Million britische Pfund hingegen sind rund 1,5 Millionen Euro. Problematisch sieht die Lage in der Türkei aus. Eine Million türkische Lira ist etwa ein halber Euro. Aus diesem Grund werden dort die Gewinne in Gold ausgespielt. Zusätzliche Schwierigkeiten kamen mit der Euroumstellung. In vielen Sendungen bevorzugt man runde Werte. Die krummen Umrechnungskurse 156 standen dem entgegen. Sogar in Deutschland musste man sich entscheiden, ob man: 1) die Gewinne rundet, 2) exakt umrechnet oder 3) aus DM Euro macht. Das erste führt für die Kandidaten gewöhnlich zu Einbußen. So wurden bei "Familenduell" aus 100.000 DM 50.000 Euro Höchstgewinn. Bei korrekter Umrechnung wären dies jedoch 51.129,19 Euro sein müssen. (Ein Verlust für Kandidaten von über 1.000 Euro!) Das zweite wird selten benutzt. Ein Beispiel wäre "Was bin ich?". Der dritte Weg führt zwar für die Sender zu höheren Kosten, macht die Sendungen jedoch für die Kandidaten attraktiver. Zum Beispiel „Wer wird Millionär?“, „Jeopardy“ haben das gemacht. Bei der Arbeit mit den Preisen ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass der Preis nicht nur eine materielle Kategorie ist. Der Preis ist ein Maß für den Erfolg des Spielers, eine Skala von Sieg und Niederlage, materielle Widerspiegelung der gegebenen Situation im Spiel, mit anderen Worten - sein materielles Äquivalent. Der Preis ist kein Ergebnis, nur ein Element des Spieles, dabei nicht das wichtigste. Er bestimmt nicht das Schicksal (den Ablauf) des Spiels. Die jegliche Verletzung dieses Grundsatzes führt zum Misserfolg der Sendung. Wenn aber dieses Element geschickt eingesetzt wird, spielt für die Spieler im Endeffekt keine Rolle, wie hoch der Preis überhaupt ist. Der Preis ist nur einer der vielen Mitteln in der Dramaturgie des Spiels. Und wenn dieser Preis bis zur Vergabe wie die „Katze im Sack“ geheim bleibt, steigt nur die gesamte Spannung. So ein Beispiel aus der russischen Version des Spiels “Glücksrad“ –„Поле чудес“, auch durch freigebige Preise bekannt: Wenn der Pfeil des Trommels auf dem Sektor „Preis“ stehen bleibt, muss der Spieler entscheiden zwischen der weiteren Teilnahme am Spiel oder dem 157 „Schwarzen Kasten“, in dem der Schlüssel von der nagelneuen Limousine oder aber auch ein Kohlkopf liegen kann. Oder wenn der Spieler drei Mal nacheinander die richtigen Buchstaben erraten hat, bekommt er zwei Schatullen. Nur in einer liegt aber Geld, das er im Glücksfall als Zwischenpreis ohne weiteres bekommen kann. In Russland war der Umstieg auf die geldgebundenen Preise besonders empfindlich. Viele Zuschauer haben sich nach der Einführung der Geld-Preise von den Lieblingssendungen abgewendet. Der Gedanke, um Geld zu spielen, war vielen einfach fremd und unannehmbar (für manche bis heute noch). So hat die erfolgreichste Quiz-Sendung „Что? Где? Когда?“ (Was? Wo? Wann?) nach dem Zerfall der Sowjetunion einen bedeutenden Wandel erlebt. Vorher wurde die Sendung immer durch die Originalität der „nicht geklonten“ Eigenproduktion und durch die Fragen mit dem hohen Erkenntniswert geprägt. Als Preise wurden seltene Bücher und Enzyklopädien ausgelobt. Mit dem Marktwirtschaftssystem kam auch der gierige Geist des Geldes ins Spiel. Statt geistiger Nahrung (Bücher) lagen nun Geldscheine auf dem Spieltisch. Einer der Spieler („Kenner“), Fjodor Dwinjatin, hat in einem Interview für die Tageszeitung „Izvestia“ gesagt: „Mir gefiel diese Idee mit dem Geld als Preis von Anfang an kategorisch nicht. Aber nur weil dieses Spiel für mich ein Steckenpferd ist, ein paar Tage interessante Freizeit im Jahr, habe ich diese neuen Regeln akzeptiert. Übrigens, Geld treibt das Zuschauerinteresse – die Menschen erfinden die Fragen, um Geld zu verdienen. Wenn es keine Zuschauer mehr gibt, die für die Sendung Fragen schicken, stirbt sie.“ 58 Eine ähnliche Spielidee hat die deutsche Sendung „Genial daneben“, die auf Sat.1 seit 2003 ausgestrahlt wird. Fünf Comedians stellen sich kuriosen Fragen von Zuschauern und versuchen mit Witz und mit Charme an die 58 Юлия Кантор «Какая жизнь, такая и игра», Известия (Julia Kantor „Wie das Leben, so das Spiel“, IZVESTIA vom 28. Januar 2000). Федор Двинятин: "Мне категорически и сразу не понравилась денежная идея. Но поскольку "Что? Где? Когда?" для меня увлекательное времяпрепровождение, несколько дней в году интересного досуга, я принял эти условия. Кстати, деньги стимулируют и зрительский интерес - люди придумывают вопросы, чтобы заработать деньги. Если не будет зрителей, пишущих в программу, она умрет." 58 Валерий Павлов "Деньги" http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45 158 Lösung zu gelangen. Dafür brauchen sie keinen Autor. Wird eine Frage nicht richtig beantwortet, erhält der Einsender 500 Euro. Die Vergabe der teueren und begehrten Preise in der russischen Game-Show „Поле чудес“ (Feld der Wunder) hat in den Zeiten des totalen Defizits eine interessante Zuschauerreaktion ausgelöst. Jeder Spieler brachte ins Studio Säcke und Taschen, voll mit „eigenen“ Geschenken gestopft. Während des herzhaften Talking mit dem Lieblingsmoderatoren Leonin Jakubovich wurden die Gläser von unterschiedlichem Kaliber mit eingelegten Gurken, Honig, Konfitüre, aber auch die Körbe mit Obst und Gemüse, dem Selbstgebackenen, Selbstgebastelten, Selbstgebrannten...übergeben. Die Redaktion konnte nach jeder live übertragenen Sendung richtig feiern. Für zahlreiche Geschenke wurde sogar ein spezielles Museum geöffnet: Das Museum der Kapital-Show „Feld der Wunder“. Interessant ist es, dass in Deutschland die erworbene in „WWM“ Gewinnsumme (einschl. Hauptgewinn) nicht steuerpflichtig ist. In Russland muss jeder Spieler 13% Mehrwertsteuer von seinem Gewinn dem Staat zahlen. Und das ist noch milde, weil die Produktionsfirma „W-Media“ die Steuerbehörden überzeugt hat, dass „WWM“ kein Kasino-Projekt ist. Die Gewinner des Spiels "Своя игра" (Jeopardy!) zahlen ein Drittel der Gewinnsumme als Steuergeld dem Staat.59 In den USA wird der Preisfond von einer Versicherungsgesellschaft geschützt. Die Vertreter dieser Gesellschaft sind während der Aufnahmen der Show anwesend und beobachten, damit kein Betrug vorkommt: der Sender und Produzent sind an hohen Gewinnchancen der Spieler interessiert. Die beträchtlichen Gewinnsummen erhöhen das Rating der Sendung und die „ungeplanten“ Ausgaben für Supergewinne übernimmt die Versicherung. 59 Praktisch jeder Einwohner Deutschlands, der betriebsbereite Empfangsgeräte zu Hause hat, ist gebührenpflichtig. Er muss eine Rundfunkgebühr an die Gebühreneinzugszentrale der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (GEZ) zahlen. Mit den Einnahmen werden u.a. der öffentlich-rechtliche Rundfunk (außer die Deutsche Welle) und die Aufsichtsbehörden finanziert. 159 In Russland sind solche Praktiken aus gesetzlichen Gründen unmöglich. Der Sender finanziert gewöhnlich die Produktion der Sendung. Die Gewinne sind in diesen Ausgaben nicht enthalten. Der Produzent zahlt die Gewinnsumme aus eigener Tasche. Nur bei dem Hauptgewinn übernimmt der Sender die Kosten, d.h. spielt die Rolle eines Versicherers. Der Produzent bekommt in diesem Fall seinen Profit von dem Sponsoring. Das ist auch eine Art der Werbung, aber nicht in Werbeblocks, sondern in den Körper der Sendung eingebaut. So kann das Logo von der Sponsorfirma im Hintergrund auf einer Werbetafel platziert werden und die Kamera wird es regelmäßig heranholen, der Moderator wird energisch alkoholfreies Bier anbieten oder demonstrativ die Kugelschreiber von bestimmter Marke benutzen. Im Grunde genommen ist das eine typische Beispiel für Product Placement. Die weitere Einnahmequelle ist das Geld, das von den Telekommunikationsfirmen für die Anrufe der Zuschauer erzielt wird (Voting, Fragen, interaktives Spiel). Der Produzent kann mit rund der Hälfte dieser Summe rechnen. In Deutschland oder England, wo die Minute rund 1 Euro kostet (bzw. 1 Pfund pro Anruf), kann man mit diesen Geldern den ganzen Preisfond füllen. In Russland kostet ein Anruf nicht viel – 20 Rubel (ca. 60 Cent). Außerdem ist die Verbindung mit den Regionen hinter dem Ural so problematisch, dass die Zuschauer aus den weiten Regionen kaum Chancen haben, das Moskau-Studio zu erreichen. Also, weil die Einnahmen von einer Sendung für russische Produzenten nicht ausreichend sind, versuchen sie die Ausgaben zu reduzieren (zum Beispiel Studiomiete) und sparen damit Geld. So werden die Sendungen (so wie z.B. "Своя игра" - Jeopardy!) mit vier Folgen (und manchmal sogar mehr) an einem Tag produziert. Der Moderator und die Spieler sind dann merklich müde, woran die Qualität der Sendung leidet. 160 3.5. Finanzierung und Vermarktung der Sendung (Merchandising) Während die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland hauptsächlich durch die gebührenpflichtigen Fernsehgerätebesitzer bezahlt werden, finanzieren sich die kommerziellen Sender größtenteils durch Fernsehwerbung. Der Preis für die Werbung richtet sich nach Erfahrungswerten (Einschaltquoten). Ein Betrag von 15.000 EUR pro Werbesekunde im Abendprogramm (prime time) ist in Deutschland keine Seltenheit. Vielen Unternehmen sind diese Ausgaben aufgrund enormer Reichweite und Wirkung der Fernsehwerbung wert. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten sind Spenden (z.B. Bibel TV), Verkauf von Produkten (Homeshopping-Sender) oder Telefonanrufkosten (9live). In Russland wurden die Medien (incl. das Fernsehen) von ihren Anfängen bis zur Gegenwart weitgehend vom Staat kontrolliert und finanziert. In der JelzinÄra wurden einige Medien von Firmengruppen russischer Oligarchen übernommen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Putin wurden etliche Medien von staatlich kontrollierten Holdings oder durch Tochterfirmen von Staatskonzernen übernommen. Die drei wichtigsten Fernsehsender – ORT, Rossija und NTW werden durch staatliche Konzerne (NTW – Gazprom, ORT – Wneschtorgbank) oder durch den Staat direkt (RTR) kontrolliert. Die Werbeeinnahmen sind aber für alle Sendergruppen eine primäre und vorherrschende Teil des Budgets. 161 Liste der wichtigsten Fernsehsender in Russland: Die Liste folgt den Angaben des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland, der britischen Fernsehgesellschaft BBC, den russischen, für Medienmonitoring zuständigen Unternehmen Comcom und mediaatlas.ru, sowie den Angaben der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen. In Klammern erfolgt zuerst die wöchentliche Reichweite in Prozent der Gesamtbevölkerung Russlands (3. Quartal 2006) und dann die Nennung der Eigentümer - - - Landesweit. Erster Kanal (Reichweite 86,2 Prozent der Bevölkerung Russlands; der Staat ist Mehrheitseigentümer), Rossija (79,1 Prozent; Teil der staatlichen Medienholding WGTRK), NTV (60,8 Prozent; Mehrheitlich im Besitz der staatlich kontrollierten Gasprom-Media, Ren TV (31,2 Prozent; Lukoil beziehungsweise Wagit Alekperow)), STS (55 Prozent; Besitzer: STS Media, an dieser sind beteiligt die Alfa Group Michail Fridmans zu 26 Prozent, die schwedische Modern Times Group zu 40 Prozent, 25 Prozent gehören anonymen Kapitalgebern, 9 Prozent einer russischen KapitalinvestmentGesellschaft), TNT (38,9 Prozent; Gasprom-Media). Regional TVC (19,4 Prozent; Moskauer Stadtverwaltung), Kultura (18,6 Prozent; Teil der staatlichen Medienholding WGTRK). Quelle: Reichweiten der TV-Anstalten, gemessen von der Firma comcon Die Fernsehformate, gerade in der Sparte Unterhaltung/Spiele, wurden a priori ins Leben gerufen, um in ihrer Sendezeit (am besten in prime time) möglichst viel Geld zu erwirtschaften. Viele Spiel-Shows werden extra für diese kommerziellen Zwecke zusammengebastelt. Wenn das Pilot-Projekt für eine Game-Show fertig ist, stellt sich die Frage der Finanzierung und kurz danach schaltet sich schon eine Vermarktungsmaschinerie ein. 162 Die globale Medienwelt ist ohne Werbung nicht vorstellbar. Im Fernsehen wie nirgendwo sonst funktioniert die Formel „Zeit ist Geld“. Die Sendungen sind in regelmäßigen Abständen mit Werbeblocks unterbrochen. Leider verdrängt dabei das Kommerzielle das Kulturelle. Die Werbung in den Quiz-Shows kostet heutzutage viel Geld. Je höher die Einschaltquoten, desto effektiver (aber auch teurer) die Werbung. In den USA sind die Quiz-Shows die umfassendste Massenerscheinung. Sexuelle Skandale im Weißen Haus, Börsenaktien sind wesentlich weniger populär im Vergleich zu den Quiz-Sendungen. Zum Beispiel, die amerikanische Kultsendung „Who Wants To Be A Millionair“, die dreimal wöchentlich in prime time ausgestrahlt wird, wirkt auf 22 Mio. Zuschauer wie eine Lokalanästhesie. Das ist eine hervorragende Voraussetzung für den manipulierenden Einfluss durch bunte schreiende Werbespots auf das Unterbewusstsein der potentiellen Konsumenten (Verbraucher, Wähler, einfach Leichtgläubige). Mit dem großen Geld (Gewinnen) werden die Massen angelockt, um daraus noch mehr Geld zu machen. Es geht in jedem Fall im Endeffekt auf Kosten des normalen Verbrauchers. Mark Twain bezeichnete seinerzeit das kommende 20. Jahrhundert als Zeit der Gier nach Geld. Das 21. Jahrhundert kann man als die Zeit des Schautriebes nach dem großen Geld nennen. Viele Analysten erklären dieses Phänomen durch die Abwendung der großen Zuschauermasse von den eintönigen langweiligen Comedy-Shows mit den billigen „Unter Gürtellinie“-Scherzen und von den dramatischen Serien überfüllt mit Horror und Gewalt. Das Quiz kann man sich im Unterschied dazu mit der ganzen Familie anschauen. Die Eltern müssen keine Sorgen haben, in diesen Sendungen gibt keine Schlägereien, Blutvergießen, Mord, Sex usw. Diese Sendungen sind spannend 163 und erreichen mit einem Zuge viele Zielgruppen gleichzeitig. Deswegen werden diese Sendungen mit der Werbung überflutet. Bei der italienischen Version von „WWM“ zum Beispiel baut „Italia1“ Werbeblöcke in die Sendung ein, in denen der Moderator Gerry Scotti selbst mitspielt. Er kündigt eine „piccola pausa“ an, eine „kleine Pause“, verlässt das Studio nach rechts und landet in einem anderen Studio, in dem er von einer natürlich hübschen jungen Dame empfangen wird, die ihm a) einen Teppich b) eine Couch c) einen Rasenmäher verkaufen will. Ist das wunderbar eingeübte Verkaufsgespräch vorbei, geht der Moderator wieder rüber ins andere Studio zu seinem Kandidaten. Der hofft jetzt bei der nächsten Frage auf 32.000 Euro. Die hat Gerry Scotti wahrscheinlich gerade locker in einer Minute Werbung verdient. Bei der russischen Version von „WWM“ bot der Moderator Maxim Galkin dem Nervosität passend Kandidaten immer eine geschickt Tasse Tee gegen und oder Sprudelwasser von dieser oder jener bekannten Marke an. Einige Zeit (bevor dies durch neue Werbungsgesetze noch nicht verboten wurde) bekamen die Quiz-Kandidaten am Spieltisch nichts anderes als alkoholhaltiges Bier, generalgesponsort von einer großen Brauerei. Danach war das begehrte Getränk lange Zeit buchstäblich in aller Munde. Die Werbeträger mögen ebenfalls das Quiz-Format. Oft werden die Rollen in Werbespots mit den Stars- und Prominenten aus dem Bereich Showbusiness, Musik. Politik usw. besetzt. Die Quiz-Sendung gucken alle – von 7-jährigen bis zu 80-jährigen. So verfolgte eine 100-jährige Oma in den USA begeistert das Spiel, in dem ihr Enkel versuchte, eine Million zu gewinnen. Der Erfolg vieler Quizsendungen hat dazu geführt, ihn über das Fernsehen (bzw. Radio) hinaus auch in Deutschland vermarkten zu wollen. Dies war 164 keineswegs neu. Bereits in den 70er Jahren wurden Shows entsprechend vermarktet. Beispiel: Der Große Preis (alte Version mit Wim Thoelke): Wumund Wendelin-Figuren, Wum-Schallplatten ("Ich wünsch mir 'ne kleine Miezekatze"), Spiel. Die Show ,,Wer wird Millionär?" ist heute weltweit vermarktet. Sein Titel ist Markenname geworden und garantiert inzwischen neben Brett- oder Kartenspielen auch Computer-, Online- und jetzt ganz neu – Handy-Spielen hohen Absatz. Viele Quizmaster haben durch ihre Sendungen einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht, so dass sie unter ihrem Namen auch Produkte vermarkten konnten, die nicht unmittelbar mit der jeweiligen Sendung in Zusammenhang standen. Neue Formen des Quizes Die Werbesendungen in Form eines Quizes, ein Werbequiz, die eine neue Art der Umsetzung von Werbetechnologien darstellen, verbreiten sich in letzter Zeit sehr aktiv. Das ist eine hervorragende Arena, um effektiv die unterschiedlichsten Produkte, Marken und Dienstleistungen auf dem Markt zu präsentieren. Maximale Effektivität des Werbequizes wird erreicht: • durch den breiten Zuschauerumfang – das Quiz kann auf mehreren zentralen Kanälen gleichzeitig gesendet werden, incl. in prime time und mit den hohen Einschaltquoten unter der gewünschten Zielgruppe. • das Werbequiz unterscheidet sich prinzipiell von der normalen Werbung dadurch, dass es dem Zuschauer ermöglicht, an dem eigentlichen Werbeprozess teilzunehmen und Preise zu gewinnen. Der potentielle Kunde merkt sich garantiert die hervordrängende Ware, den Namen der Firma oder die angebotene Leistung. • das Werbequiz kann zusätzlich in den Printmedien und im Internet platziert werden. 165 Solche Werbesendungen sind sehr einfach und standardmäßig produziert. Die Fragen sind entsprechend eines Kleinkinderverstands, die Preise nicht hoch, aber scheinen leicht zu gewinnen zu sein. Die mehrkanalige Telefonie ist dafür verantwortlich, dass möglichst viele kostenpflichtige Telefonate gleichzeitig aufgenommen werden können. Eine Barbie-ähnliche BlondinenModeratorin ist verpflichtet, die Zuschauer zu den Anrufen mit allen denkbaren und undenkbaren Mitteln zu animieren. (Im Spätprogramm erscheint sie halbnackt – im Mini-Bikini-Badeanzug oder sogar topless.) Auf solchen so genannten Call-in-Gewinnspielen ist zum Beispiel der private deutschsprachige Fernsehsender 9Live spezialisiert.60 Er finanziert sich praktisch durch diese Gewinnspiele und Werbung. 9Live bezeichnet sich selbst als Mitmachfernsehen oder Deutschlands erster Quizsender. Das aktuelle Neun-Live Motto lautet, "Heute ist mein Tag".61 Der Marktanteil des Senders liegt derzeit bei 0,2 Prozent.62 Außer zur Selbstnutzung produziert 9Live auch ähnliche Call-In-Shows für andere, insbesondere der Senderfamilie ProSiebenSat.1 Media AG angehörige Fernsehsender (ProSieben, Sat.1, kabel eins). Aber auch für externe Sender und international; beispielsweise werden für einen türkischen TV-Sender CallIn-Formate produziert. Im Jahr 2002 betrug der Umsatz von 9Live 60,6 Mio. Euro, im Jahr 2003 – 78,7 Mio. Euro. Man geht von bis zu 20 Millionen kostenpflichtigen Anrufen bei 9Live pro Monat aus, wobei die Wahrscheinlichkeit bei 1:2500 liegt, in das Studio durchgestellt 60 9Live ist ein privater deutschsprachiger Fernsehsender, der am 1.09.2001 aus dem Privatsender tm3 hervorgegangen ist. 9Live ist eine hundertprozentige Tochter der ProSiebenSat.1 Media AG. 61 http://de.wikipedia.org/wiki/9Live 62 http://de.wikipedia.org/wiki/9Live 166 zu werden. Von den Anrufkosten in Höhe von 0,50 Euro aus dem Festnetz der Deutschen Telekom oder 0,70 Euro pro Anruf aus Österreich verbleiben bis zu 70 % beim Sender.63 9Live-Geschäftsführerin, Christiane von Salm, zufolge ergeben die neuen TVInteraktionsmöglichkeiten via Telefon eine Vielzahl neuartiger Geschäftsmodelle: "Das Fernsehen ist entzaubert und wird mehr und mehr zu einer Dienstleistung. Vor allem Quizfernsehen ist nichts anderes als ein Gebrauchsartikel. Und dass sich hinter dieser neuen Art von Transaktionsfernsehen Industrien positionieren, sei es die Reiseindustrie oder Teleshopping, Partnervermittlungen oder Telekomunternehmen, das ist eine unvermeidbare Entwicklung, an deren Schnittstellen neue Geschäftsmodelle entstehen."64 Und noch eine Tendenz geht mit dem Vormarsch von Call-TV einher. Früher wurde für bestehende Sendungen nach einem geeigneten Telefonanbieter gesucht (meist T-Com). Heute gehen immer mehr Telefongesellschaften dazu über, selbst ganze Programmflächen im Fernsehen zu erwerben und diese dann mit eigenen interaktiven Programmformaten zu füllen. Dieser Trend führt dazu, dass mehr und mehr Anbieter von Service-Rufnummern ins Fernsehgeschäft einsteigen und/oder mit TV-Sendern kooperieren, z.B.: - 9Live mit Talkline ID - Tele5 mit Arcor (Vodafone) - n-tv mit DTMS - DSF mit Q1 63 64 markenlexikon.com: „Mitmach-TV statt Marken-Werbung im Fernsehen“, 8. Februar 2005 Christiane von Salm, "Fernsehen entzaubert" (Interview) in: WiWo, 36/2004, S. 63 167 Die folgende Übersicht verdeutlicht den aktuellen Anteil der Sendungen mit Telefoneinwahl am Gesamtprogramm der führenden sechs Fernsehsender im Jahr 2004: Sender Sendungen mit Call-Ins (in %) Beispiel mit höchster Quote* Zuschauer (in Mio.) Pro7 68 "Die Wok-WM" von "TV-Total " 4,80 RTL 49 "Wer wird Millionär?" Sat1 34 "Genial daneben" 3,94 ZDF 33 "Wetten dass...?" 15,48 ARD 19 "Eurovision Song Contest" 11,11 RTL2 14 "Big Brother" 10,61 3,12 * ohne Sportübertragungen Quelle: WiWo, 36/2004, S. 60 Allein bei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" gingen beim ersten Finale rund 1,3 Mio. Anrufe ein, die dem Sender 0,35 Mio. EUR Gewinn einbrachten. Beim Finale von "Popstars" erhielt Pro7 sogar mehr als 2 Mio. Anrufe und beim Finale von "Deutschland sucht den Superstar" (1.Stafel – 2002-2003) gingen bei RTL etwa 4,5 Mio. Anrufe ein, die Gesangsdarsteller Alexander Klaws zum Sieger kürten und dem Sender als eigentlichem Gewinner der Sendung rund 1,2 Mio. EUR Profit bescherten, rund 1/4 dessen, was der Sender mit klassischer Fernsehwerbung am selben Abend einnahm.65 Mit knapp 4 Mrd. EUR pro Jahr ist Fernsehwerbung in Deutschland für fast alle Markenartikelhersteller noch immer erste Wahl, wenn es um die Kommunikation ihrer Markenbotschaften gegenüber ihrer Zielgruppe geht. Dennoch steckt die Fernsehwerbung aktuell in einem großen Dilemma mit 65 markenlexikon.com: „Mitmach-TV statt Marken-Werbung im Fernsehen“, 8. Februar 2005 168 schwer vorhersehbaren Folgen. Zum einen nehmen die Werbeeinnahmen ab, zum anderen fordern die werbenden Markenhersteller ein ansprechenderes, breiteres Umfeld für ihre Werbebotschaften. Unter diesen Bedingungen wird es für die TV-Sender immer schwieriger, die hochwertigen eigenen TVFormate auf die Beine zu stellen. Stattdessen wird lieber mit immer denselben Formaten gearbeitet (Reality-TV, Doku-Soaps, Retro-Shows) oder es werden Serien und Shows aus dem Ausland kostengünstig eingekauft. Und mit CallIns werden von fast allen Sendern mittels interaktiver Gewinnspiele neue Erlösquellen erschlossen. Die Problemfelder der TV-Werbung in Deutschland im Überblick: 1) Sinkende Programmqualität 2) Abnehmende Werbeeinnahmen 3) Steigende Verbreitung von DVD- und Festplattenrekordern 4) Weitere Spartenkanäle 5) Zunehmend mehr Mitmach-Shows und TV-Gewinnspiele (Call-Ins) Viele Markenverantwortliche großer Unternehmen sind zunehmend mit dem ihnen angebotenen werblichen Umfeld, sprich dem Inhalt der Sendungen, unzufrieden, wie die folgenden Aussagen beispielhaft verdeutlichen: "Was in jüngster Zeit über die Bildschirme flackert, ist für uns immer weniger als Werbeumfeld geeignet." Torsten Müller-Ötvös von BMW (Der Spiegel, 49/2004, S. 211) "Die Sender werden von immer denselben Formaten verstopft, und die Qualität bleibt auf der Strecke." Uwe Becker von Unilever (Der Spiegel, 49/2004, S. 210) "Wir brauchen endlich wieder ein breites Umfeld für alle Zielgruppen." Margret Buhse, Beiersdorf (Der Spiegel, 49/2004, S. 210f.) 169 Die abnehmende Programmqualität führt zunächst dazu, dass das Interesse an Fernsehspots insgesamt nachlässt, im weiteren bei den weiterhin TV-Werbung betreibenden Markenartikeln dazu, dass die Zahlungsbereitschaft für Fernsehwerbung merklich abnimmt, wie auch die zurückgehenden TVWerbeeinnahmen deutlich machen. Auch die zunehmende Verbreitung von DVD- und Festplattenrekordern, die u.a. die Möglichkeit bieten, aufgenommene Fernsehfilme noch während deren Ausstrahlung zeitversetzt anzuschauen, tragen ihren Teil dazu bei, den TVWerbemarkt für Markenartikelhersteller zunehmend unattraktiver werden zu lassen. So wird es mit Festplattenrekordern immer leichter, Fernsehwerbung vollständig "zu überspringen" und damit deren Reichweite zu unterminimieren, was mittelfristig weiteren Druck auf die Werbezeitenerlöse haben dürfte. Durch die Digitalisierung des Fernsehens entstehen zunehmend Spartenkanäle, die durch Spots allein nicht überleben können. Das Beispiel "tv.gusto"66 zeigt zugleich, dass sich die Zusammenarbeit zwischen TV-Sender und Werbekunde zu verändern beginnt: "Manchmal kommen Kunden (z.B. Lebensmittelkonzerne) mit Ideen zu uns, wie man ein geeignetes Umfeld für Werbung schaffen kann." (Focus, 3/2005, S. 116) Jörg Schütte (TV-Gusto-Gründer) Mitverantwortlich für den "zweiten Kulturschock nach der Einführung des Privatfernsehens" (Der Spiegel, 38/2004, S. 102), so NeunLive-Chefin von Salm, sind so genannte "Call-TV"-Sendungen, die als Ausgleich für abnehmende Werbeeinnahmen in immer mehr Sendern Einzug halten. Die eigenen Gewinnspiele und Mitmach-Shows sind auf Interaktivität 66 „tv.gusto“ ist der erste und einzige deutsche TV-Sender rund um das Thema Essen und Genießen. Mit Kochshows, kulinarischen Reportagen und Dokumentationen bietet „tv.gusto“ eine attraktive Kombination von Information und guter Unterhaltung. Die Palette der Inhalte reicht von Großmutters Küche bis zur Spielshow, in der Hobbyköche gegen Profiköche antreten. 170 mit dem Zuschauer via gebührenpflichtigen Anruf ausgelegt und erzielen über 0137-Servicenummern im Schnitt 49 Cent pro Anruf ("Call-In"), von denen 27 bis 34 Cent beim Sender verbleiben. Und solange hierdurch mehr Geld verdient wird als durch den Verkauf reiner Werbezeiten an Markenhersteller, werden TV-Gewinnspiele, Televotings (z.B. Wahl von "Superstars" und "Dschungelkönigen" auf RTL) oder sonstige Mehrwertdienste (z.B. Servicenummern bei "WISO" im ZDF) weiter zunehmen und mehr und mehr zum festen Programmbestandteil werden, wie auch die Einschätzung von Jürgen Doetz, Präsident des VPRT (Lobbyverband der Privatsender) deutlich macht: "Auf Werbung alleine kann sich heute kein Sender mehr verlassen." (WiWo, 36/2004, S. 60) Vorreiter war und ist Mitmachsender "NeunLive", der sich mit billig produzierten Quizsendungen und kaum zu durchschauenden Regeln zu fast 100% aus Zuschaueranrufen finanziert und dessen Geschäftsführerin Christiane zu Salm sogar so weit geht, vorherzusagen, dass "das Call-TV bei den Erlösen der Sender jenseits der Werbung den Löwenanteil ausmachen [wird]" (WiWo, 36/2004, S. 60). Von den monatlich bis zu 20 Mio. Anrufen wird via "Vorzählfaktor" nur ca. jeder 25. Anruf in die Sendung durchgestellt. Dank Echtzeit-Reportings sind Moderator(in) und Regie jederzeit genaustens darüber informiert, wie viele Zuschauer gerade anrufen und können auf diese Weise die Spiele gewinnoptimierend verkürzen oder ins Endlose verlängern. Bei 49 Cent pro Anruf, von denen mindestens 30% bei Talkline und bis zu 70% beim Sender verbleiben, lassen sich so monatlich bis zu 7,0 Mio. EUR Umsatz erwirtschaften, bei Gewinnprämien unterhalb 1 Mio. EUR (z.B. 880.000 EUR im Juli 2004). 2003 erzielte NeunLive einen gegenüber 2002 um 30% auf 78,7 Mio. EUR gestiegenen Umsatz bei einem Vorsteuergewinn von 29,3 Mio. EUR, dreimal so viel wie 2002. Von einer Umsatzrendite von 37% können andere Sender bis dato nur träumen, wenngleich bereits fas alle Sender damit begonnen haben, das "Call-TV"-Prinzip zu kopieren. So geht die ARD davon 171 aus, neben rund 5 Mrd. EUR GEZ-Gebührengeldern durch Telefonanrufe zu TV-Gewinnspielen 2004 rund 11 Mio. EUR zu erlösen und RTL erzielte bereits 2003 rund 15% des Gesamtumsatzes mittels dieser so genannten "Diversifikations-Geschäfte". Im Gegensatz zu dem deutschen Werbemarkt nehmen die Werbeeinnahmen momentan im russischen Fernsehen erst ihren Anlauf. Diese vorteilhafte Situation auf dem Werbemarkt ist dem starken wirtschaftlichen Aufschwung im Land und dem wachsenden Einkaufspotenzial der Bürger zu verdanken. Die Tendenz ist steigend. Die ersten registrierten Erfolge der Werbungsindustrie im russischen Fernsehen wurden im Jahr 1992 veröffentlicht. Sie waren mehr als bescheiden: 10 Mio. Dollar. In zwei Jahren erreichten die Gewinne von der Werbung schon 250 Mio. Dollar.67 Die weiteren 8 Jahre brachten sowohl Aufstiege, als auch Abstürze mit sich. Anfang der 90er Jahre kam in Russland die Privatisierung und damit die „goldene“ Zeit für die so genannten Finanzpyramiden – Aktiengesellschaften, die, wie es später aufgedeckt wurde, viele Anleger um Millionen betrogen hatten. In den 90er Jahren wurden in Russland 1700 Finanzpyramiden gebaut. Die Organisatoren, so wie Sergej Mawrodi von „MMM“ gaben immense Summen für ihre Errichtung aus, nicht zuletzt für Werbung. Die massive, geschickt organisierte Werbung beim „MMM"- Schwindelgeschäft hat eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Denn hinter der „MMM" stand kein ernsthaftes und hochrentables Business: weder Erdölförderung, noch Ausbeutung von Gasvorkommen, noch Hüttenwerke, noch Uranbergwerke oder Goldminen. Es waren aber immense Gewinne den „MMM"-Einleger versprochen worden - nämlich bis zu 1000 Prozent der Jahreszinsen. 67 Время - деньги (рынок телевизионной рекламы России). Коломиец Виктор Петрович// Рекламные технологии.2003. № 2, с. 2-5 172 Nachdem diese Aktiengesellschaften eine nacheinander wie Luftballons zerplatzten, hat die russische Werbeindustrie 1995 einen tiefen Schlag erlitten. Dazu trug auch die von Gorbatschows Antialkohol-Kampagne geschädigte Tabak- und Alkoholindustrie bei. So hat die Werbeindustrie ihre Hauptwerbeträger verloren. Die Werbezeit ist stark gesunken (bis 1527 Stunden im Jahr), die Geldeinnahmen auch (bis 200 Mio.) Die führenden Positionen auf dem Werbemarkt nahmen sofort die ausländischen Werbeträger ein, die ihre führenden Positionen in der Werbebranche bis heute behalten haben. 1997 betrugen die Werbeeinahmen im Fernsehen 550 Mio. Dollar für 2,5 Tausend Werbestunden. In 5 Jahren (seit der ersten Registrierung der Werbeeinnahmen im Fernsehgeschäft) stiegen die Kapazitäten um 55 Mal, trotz Unzufriedenheit seitens der Zuschauer, die von den überflüssigen Pampers-, Slipeinlagen- und Snickers-Werbespots überströmt wurden. Dabei wurden die Werbezeiten im damaligen Russland gesetzlich noch nicht geregelt. Als Anfang der 90er Jahre die ersten Werbeblocks ins russische Fernsehen kamen, versuchte der Moderator der Kapital-Show „Feld der Wunder“ Jakubovich die Werbepausen besonders schmackhaft zu machen. Aus jeder Ankündigung machte er ein kleines lustiges Spektakel. Seine berühmen Werbepausen (Рекламная пауза) sind zum Markenzeichen der Show geworden. Manchmal durften die Spieler selbst die heißersehnte „ReklamePause“ aussprechen. Besonders die Kinder, die mit ihren Spieler-Eltern oder Großeltern im Studio an der Spieltrommel standen, wurden gefördert. Sie durften ein Ständchen im Vorfeld der Werbepause singen, ein Tänzchen ausführen oder ein Gedicht rezitieren. Die Platzierung eines Werbespots in dieser Sendung war immer begehrt und die Preise für die Werbeträger waren und bleiben immer noch hoch. Schon heute ist ein klarer Trend festzustellen, wonach die Werbetreibenden immer näher an – teilweise sogar -– in die Sendungsformate drängen, um dem 173 Zapping-Phänomen entgegenzusteuern. Einer aktuellen Umfrage in den USA zufolge verfügen 20 Prozent der Haushalte über digitales Fernsehen, wovon 80 Prozent bereits die neueste Generation der Digitalrecorder nutzen, um Werbeblocks auszublenden.68 Es liegt auf der Hand, dass es hier zu einer Umverteilung des Kommunikationsetats zu Gunsten der Sonderwerbeformen, des Product Placements und des Sponsorings kommen wird. Im Gegensatz zum deutschen Fernsehen, wo bis heute Product Placements offiziell verboten ist und als Schleichwerbung bezeichnet wird, findet diese Form der TV-Werbung reibungslos und erfolgreich ihren Platz in unterschiedlichen russischen Sendungen und am häufigsten in Serien und Filmen. Die Werbetreibenden wollten vor allem der Gestaltung und Platzierung ihrer Botschaften und Werbeflächen mehr Bedeutung beimessen, damit ihre Werbung (sprich Geld) nicht wirkungslos verpufft. Schätzungsweise sind rund 40 Prozent der Werbebotschaften immer noch im TV optimierbar. Aber nicht alles ist gleichermaßen geeignet, via TV transportiert zu werden. Heutzutage entwickelt sich weltweit noch eine neue, aber deutliche Tendenz: die Werbeeinnahmen in der Fernsehbranche sinken und fließen ins Internet hinüber. Immer mehr große Unternehmen planen, ins Internet-TV einzusteigen. Es fehlen noch einige technische Voraussetzungen, aber es wird daran intensiv gearbeitet. So hat die Korporation „American Express“ ihre Werbestrategie geändert und bereitet ein unterhaltsames Content im Internet vor, unter anderem eine Show mit Jerry Seinfeld, dem bekannten amerikanischen Schauspieler, Comedian und Autor. Die neuen Kommunikationstechnologien gewinnen weiter an Attraktivität. Das Internet hat schon bewiesen, dass es eine Hauptinformationsquelle für den zukünftigen Konsum darstellen wird. Die Schnelligkeit, die Effektivität des Internets und die Umfangbreite seiner Benutzer (potentiellen Konsumenten) überschlagen alle Auswertungen im Fernsehen mehrfach. Das Management 68 MEDIAGRAMM 01/2005: Was ist das Fazit des Sportjahres 2004? S.22 174 von „American Express“ setzt nicht mehr aufs Fernsehen, sondern auf neue Technologien: Wenn im Jahre 1994 „American Express“ 80% ihres Werbebudgets für Fernsehen stiftete, bleiben 10 Jahre später knapp 35% dafür übrig.69 3.6. Einschaltquoten Es ist eindeutig, dass ein Fernsehkanal mehr Geld heranziehen kann, wenn - seine Sendungen hohe Einschaltquoten (oder TV-Zuschauerinteresse) erzielen, - mehr Werbezeit zur Verfügung steht, - die Werbepreise dementsprechend hoch sind. Diese drei Merkmale sind eng mit einander verbunden. Dennoch sind die Einschaltquoten heutzutage eine bedingungslose Dominante, nur sie diktieren die Preise und Platzierung der kommerziellen Werbespots. Was beliebt ist, bringt auch hohe Quoten und Einnahmen. Kein Mensch sieht auf Dauer, was ihm nicht gefällt. Das Medienangebot regelt sich weltweit immer noch über die Einschaltquoten und Hitlisten. Einschaltquoten, auch Ratings genannt, werden in Deutschland seit 1985 von der GfK, das ist die Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung in Nürnberg gemessen. Die Auftraggeber sind ARD, ZDF, RTL, SAT.1, Pro Sieben, Kabel 1 und RTL 2. Die Kosten, jährlich rund 35 Millionen DM, werden von den Fernsehsendern und den Firmen der Werbewirtschaft gemeinsam getragen. Die GfK arbeitet mit einer repräsentativen Auswahl aus allen Bevölkerungsschichten. 1998 sind 4.760 ausgewählte Haushalte (ohne die Ballungsräume) des gesamten Bundesgebiets im Beobachtungspanel, 69 Дмитрий Прокудин Advertology.ru 16.02.2004 по материалам Adage.com 175 insgesamt rund 11.000 Personen.70 Seit 1995 ist das Panel auf Zuschauer ab drei Jahre erweitert (in Russland ab vier Jahre), um das Kinderpublikum besser in den Werbegriff zu bekommen. Der Zentralcomputer hat Informationen über Alter, Einkommen, Schulbildung und Konsum- gewohnheiten der Teilnehmer gespeichert. Die Haushalte beziehungsweise Personen des Panels entsprechen in ihrer Verteilung dem Bundesdurchschnitt des Anteils von Frauen und Männern, Alten und Jungen, verschiedenen Einkommensgruppen, Mehr-PersonenHaushalten, Single-Haushalten et cetera. Eine Person entspricht etwa 6.455 Menschen der Gesamtbevölkerung. Die circa 7,3 Millionen Ausländer sind im Panel nicht enthalten, weil sie nicht, wie die deutschen Haushalte, auf der Basis von Wahl-Statistiken ausgewählt werden können. Ab 1999 werden sie in einer Extra-Stichprobe untersucht. Die Fernsehapparate der ausgewählten Haushalte sind mit einem Messgerät versehen. Das Gerät, „Peoplemeter“, also Volks-Vermesser oder „GfK-Meter“ genannt, misst, sobald ein Panelmitglied sich über die Fernbedienung einschaltet, in jeder Sekunde dessen Ein- und Umschalten der Fernsehprogramme. Es misst auch die Nutzung von Videotext und Videorecorder. Das Messgerät schickt die Daten nachts über die Telefonleitung an den Zentralcomputer der GfK. Alle Daten des Vortages stehen am nächsten Morgen den Redaktionen und Werbeagenturen zur Verfügung. Die von der GfK gemessenen Daten dienen als Grundlage für die Berechnung von Werbepreisen und für programmbezogene Analysen. Aus den Berechnungen der GfK ergeben sich die Werte Fernsehnutzung, Sehdauer und Marktanteile. Die Einschaltquote ist nach Programmen und Sendungen differenzierbar. 70 Dieter Prokop „Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein demokratisches Bild der Publikumswünsche ergeben» (http://www.medienrezeption.de) 176 Die Einschaltquote (Zuschauerzahl) ist die Zahl (oder der Prozentsatz) der Haushalte, die während einer Sendung oder während eines bestimmten Zeitraums entsprechen den Fernseher eingeschaltet Reichweiten auf hatten. Haushaltsebene. Die Das Einschaltquoten wird auch Haushaltsreichweite genannt. Interessanter für die Werbebranche ist eine besondere Art von Einschaltquote, die Reichweite bei speziellen Zuschauergruppen, man nennt diese speziellen Reichweiten auch „Ratings“. (nach dem amerikanischen Messverfahren von Nielsen Ratings)71 Wenn von 100 Mio. bei 50 Mio. Zuschauern der Fernseher eingeschaltet ist und 15 Mio. davon einen bestimmten Kanal (Programm) ansehen, beträgt die Einschaltquote dieses Kanals (Programms) runde 30%. Der Marktanteil ist der Anteil eines Kanals oder einer Sendung an zeitgleich zusehenden Zuschauern. Der Marktanteil ist vor allem für die Chefs der kommerziellen Kanäle wichtig. Wenn von 100 Mio. 20 Mio. Zuschauer während eines bestimmten Zeitraums einen bestimmten Kanal (Programm) ansehen, beträgt sein Marktanteil 20%. Die Mediaplaner der Werbeagenturen haben die Einschaltquoten der Programme und der Werbeblöcke vor sich und wissen auch, wie das Publikum strukturiert ist. Sie vergeben keine Aufträge, wenn ihre Zielgruppen nicht zu den Zuschauern gehören. Oder wenn die Zuschauer eines Programms aus zu vielen verschiedenen Zielgruppen bestehen. Denn jeder Kontakt kostet. Die Programmdirektionen betrachten keine neuen Sendungsvorschläge oder nehmen keine TV-Formate, wenn sie ihrem Programmkonzept nicht entsprechen, bzw. nicht für die „spezifischen Zielgruppen“ angepasst werden können, die die Auftraggeber von Werbespots wünschen. Immer öfter richten Programmdirektionen Spartenkanäle ein: Kanäle für potentielle Käufer von 71 Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Einschaltquote“ 177 Sportartikeln, Kanäle für Kinder und junge Leute, Frauenkanäle. Alle haben nur ein Interesse: den Werbeagenturen die gewünschten Zuschauergruppen zu verkaufen. Die Preise für die Sendung eines Werbespots sind unterschiedlich. Ein 30Sekunden-Werbespot im deutschen Abendprogramm kostet Ende der 90er Jahre circa 80.000 bis 100.000 DM, in den USA kostet ein 30-Sekunden-Spot in einer erfolgreichen Primetime-Fernsehserie bis zu 600.000 Dollar, in einer „Superbowl“-Übertragung eine Million Dollar.72 Entscheidende Größe ist der Tausender-Kontakt-Preis. Das ist der Preis, den die Werbeagenturen für 1.000 Personen zahlen müssen, die zur Sendezeit ihrer Werbung fernsehen. Der Preis hängt allein davon ab, wieviele Zuschauer zur jeweiligen Sendezeit zu erwarten sind. Je mehr Kontakte, desto niedriger kann der Preis für jeweils 1.000 Kontakte sein. Allerdings ist der TausenderKontakt-Preis nicht alles. Ist eine spezielle Zielgruppe gewünscht, hängt der Preis vom Anteil der speziellen Zielgruppe ab, zum Beispiel der Traumzielgruppe der Werbung: Männer bis 25 Jahren und einem Monatseinkommen über 12.500 €. Oft nimmt ein Mediaplaner einen höheren Tausender-Kontakt-Preis in Kauf, wenn die Zielgruppe, die er erreicht, optimal für sein Produkt ist. Wirbt er zum Beispiel für turbogestylte Turnschuhe, ist ein Werbespot in einem Musik-Spartenkanal mit speziell jugendlichem Publikum sinnvoller als in einem „normalen“ Kanal, selbst wenn im Spartenkanal die Einschaltquote niedriger ist. Trotz aller kommerziellen Interessen werden die Einschaltquoten immer ignoriert, wenn mit einem besonders kaufkräftigen Publikum argumentiert werden kann. Dann wird nicht mehr mit der Menge, sondern mit der „Qualität“ der Zuschauer argumentiert, dass zum Beispiel eine Sendung vor allem von Jugendlichen gesehen wird, die frühzeitig zum richtigen Markenbewußtsein erzogen werden müssen, oder dass einige der Zuschauer zur großartigsten aller Zielgruppen gehören, den bereits erwähnten Jung72 Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein demokratisches Bild der Publikumswünsche ergeben, Dieter Prokop 178 Dynamikern mit einem Monatseinkommen über 12.500 €, deren Leben angeblich ein einziges Konsumziel ist. Das Problem der quantitativen Zielgruppen ist nämlich, dass vor dem Fernseher zum großen Teil Menschen mit einem minimalen Einkommen sitzen, Arbeitslose und Rentner, Hausfrauen der Unterschicht. Ihre Möglichkeiten, sich Alternativen zum Fernsehen zu suchen, sind gering, sie sind auf kostenlose Unterhaltung angewiesen. Natürlich stimmt es, dass auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Erfolg ihrer Sendungen an der Höhe der Einschaltquoten messen, schließlich finanzieren sie sich in ständig steigendem Anteil aus Werbeeinnahmen. Sie übernehmen von kommerziellen Firmen Programme, und sie verkaufen selbst Programme. Auch die innerbetriebliche Konkurrenz der Redaktionen regelt sich über Einschaltquoten. Auch die Politiker achten auf die Einschaltquoten: Wer die höchsten Einschaltquoten bietet, bekommt zuerst die begehrtesten Politiker. Deshalb zeigen sich Politiker lieber im Sportstudio als bei einer Bundestagsdebatte. Die Industrie schaltet Werbung und zahlt entsprechend, von der private kommerzielle Sendeanstalten nahezu ausschließlich und öffentlich-rechtliche teilweise leben. Je höher die Einschaltquoten einer Sendung sind, desto begehrter und dementsprechend teurer ist die Platzierung der Werbung während und im Rahmen ihrer Sendezeit. Die Quizsendungen und Game-Shows sind ein gewinnsicheres Format für alle Werbeinteressierten. Sie sind zum integralen Bestandteil des Fernsehalltags geworden. Die beständige Anwesenheit von Quizsendungen und Game-Shows in allen Programmen ist dadurch erklärbar, dass sie (besonders die populärsten Reihen) kontinuierlich und regelmäßig hohe Zuschauerzahlen erbringen (übrigens nicht die höchsten). So findet man in den täglichen Zuschauerranglisten häufig Game-Shows und Quizsendungen auf den ersten Plätzen, nicht aber in den entsprechenden Jahreslisten. Dort dominieren beispielsweise im Jahr 2006 Fußballübertragungen (von der 179 Weltmeisterschaft), die Folgen von populären Serien und Spielfilme. Für die Werbeträger ist aber der einmalige Publikumserfolg weniger von Bedeutung als der kontinuierliche, der allgemein die Höhe der Werbeeinnahmen bestimmt. Dies spornt sowohl die Konkurrenz zwischen den öffentlichrechtlichen Programmanbietern als auch die Konkurrenz zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Anbietern an. Einmal (zu einer guten Sendezeit, prime time) 60% aller potentiellen Kunden-Zuschauer zu erreichen, ist zwar gut, besser ist jedoch, wenn an diesem Sendeplatz regelmäßig zuverlässig wenigstens 40% erreicht werden73. Die Einschaltquoten sind das Barometer der Popularität beliebiger Fernsehformate. Woraus besteht die Popularität des Spiels, sein Erfolg und seine Anerkennung? Im Glossarium von D. N. Uschakov hat das Wort „Popularität“ zwei Bedeutungen: • Fassbarkeit der Darstellung (Transparenz), Einfachheit (die 1.Bedeutung); • Bekanntheit, öffentliche Anerkennung (die 2.Bedeutung).74 Das heißt, dass das Format einfach und verständlich sein soll, dann kann es geschätzt werden. Man soll in einer Sprache mit dem Zuschauer kommunizieren, sonst gibt es keinen Sinn. Der Erfolg einer Spiel-Show im großen Maß liegt in der Einfachheit der Spielregeln. Der Zuschauer soll schon in der ersten Sendung diese Regeln verstehen und intuitiv ihre Gerechtigkeit und Harmonie erkennen. Die 73 Gerd Hallenberger, Die Quiz- und Game-Show-Zuschauer. Anmerkungen zu den GFKZuschauerzahlen der 1986 von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ausgestrahlten Quiz- und Game-Show-Reihen, Arbeitshefte Bildschirmmedien 9, 1989 74 Толковый словарь русского языка. Под ред. Д. Н. Ушакова (Glossarium von D. N. Uschakov) 180 überflüssigen Elemente, so wie Manipulationen mit irgendwelchen Hebeln („Russisch Roulette“) oder mit den anderen gruseligen Mechanismen, können nur Abneigung hervorrufen. Die Fassbarkeit der Darstellung ist aber nur ein Fundament der Popularität. Das Gebäude muss nun noch gebaut werden. Wir müssen uns den hypothetischen Zuschauer gut vorstellen können, er hat aber Tausende Gesichter. Und jedes Gesicht muss im Format etwas Anziehendes für sich finden. Es soll dabei kein Durcheinander herauskommen, was für Regisseure oft eine Lösung ist. Nein, in einem Spiel, in einer Struktur, in einem Format muss jeder Zuschauer das finden, was ausgerechnet nach seinem Geschmack präzise serviert wurde. Dann werden alle zufrieden sein. Es gibt bestimmte allgemeine Regeln, die bestimmte Zuschauergruppe heranziehen: 1) Im Spiel muss ein reiner Wettbewerb, ein Spieleifer sein. Nur in diesem Fall sitzen die Spielfreunde vor dem Bildschirm wie gefesselt. 2) Das Spiel muss nach den dramaturgischen Gesetzen aufgebaut werden: unerwartete Änderung des Sujets, Aufstieg und Absturz der Spielenden, mit perfekter Intrige. Dann gewinnen Sie die Freunde von allen Arten der dramatischen Kunst, Theater und Film. 3) Im Spiel muss es nichts Künstliches geben, viel Improvisation und Spontaneität, genauso wie das Leben selbst. Dann sind diejenigen einbezogen, die eigene Schlussfolgerungen daraus ziehen wollen, was sie sehen und hören. 4) Das Spiel muss mit den modernen Rhythmen durchgedrungen werden. Es muss dynamisch sein. Es geht nicht nur um musikalische Einschlüsse, sondern auch um die „Musik der Formen“, um das Regie- und dramaturgische Denken. Damit werden die Zuschauer erobert, die ihr Leben nach den Rhythmen der heutigen Zeit richten. 181 5) Das Spiel soll eine Grundregel erfüllen: In Minimum Zeit – Maximum Information. Keine leeren Worte, keine überflüssigen Erklärungen, die keiner braucht. Umgekehrt – direkte Antworte auf direkte Fragen, für die sich die Zuschauer interessieren. 6) Intelligente Leute verfolgen immer neue Informationen und versuchen sie auch im Spiel zu finden. Gelingt es, sind sie voll dabei. Diese Aufzählung von Zuschauergruppen kann man weiter fortsetzen. Das wichtigste ist, dass jede von ihnen in diesem Spiel sich selbst finden soll. Wie der Stein, der ins Wasser fällt und viele Kreise um sich herum bildet, bedeutet jeder Kreis ein Zuschauerinteresse. Wieviel Kreise braucht man, um die Popularität zu erreichen? Sogar ungeplante Kuriositäten im Spiel tragen zu seinem Popularität bei. Kuriositäten bei WWW in Deutschland: • Der Moderator von WWW, Günther Jauch, hat für jede Auswahlrunde drei Fragen bei sich. Es ist mal vorgekommen, dass keine der Fragen beantwortet wurde und Jauch spontan eine vierte Frage sich ausdenken musste. (Zitat von Günther Jauch: Ich sag's, wie's is', ich hab' keine Fragen mehr! Was wollen Sie für Fragen? – Ordnen Sie nach dem Alphabet: A, B, C, D.) • In einer Folge schieden nacheinander drei Kandidatinnen bei der zweiten Frage aus, die vom Schwierigkeitsgrad eigentlich nur zum Aufwärmen gedacht ist. Jauch nannte dieses Ereignis „Blondinenkegeln“. • Diverse Male gab es Fehler beim Anrufen des Telefonkandidaten. Häufig entwickelte sich daraus ein nettes Gespräch zwischen Jauch und der überraschten Person am anderen Ende der Leitung. Einmal war am anderen Ende der Leitung auch ein Anrufbeantworter zu hören. 182 • Bis ungefähr zur 500-Euro-Frage werden immer wieder kuriose Doppeldeutigkeiten thematisiert. Beispielsweise wurde am 11. Januar 2008 gefragt: „Bei welcher Gartenarbeit sollte ein Pyrotechniker auf seine gelernte Arbeitsweise verzichten?“ Antwortmöglichkeiten: Rasen sprengen, Unkraut jäten, Hecken schneiden, Beete anlegen. Natürlich wird auf die Doppeldeutigkeit des Wortes sprengen („explodieren lassen“ und „beregnen“) angespielt. • Vergisst ein Kandidat bei der Auswahlfrage, die „OK-Taste“ zu drücken, gibt aber ansonsten eine richtige Antwort ein, so wird er mit der Maximalzeit von 20 Sekunden gewertet. Es ist bereits mehrmals vorgekommen, dass ein Kandidat auf diese Weise auf den Stuhl kam, weil niemand anderes die richtige Antwort gegeben hatte. • Im Februar 2005 konnten zwei Kandidaten eine Auswahlfrage auf die hundertstel Sekunde genau gleich schnell richtig beantworten. Es folgte ein Stechen zwischen diesen beiden Kandidaten. Da sie die folgende Auswahlfrage nicht gleich beantworten konnten, musste eine weitere Auswahlfrage herhalten. Dadurch dauerte es einige Zeit, bis endlich der nächste Kandidat bestimmt werden konnte. Dieser gewann in der Folge 32.000 Euro. • Beim Prominentenspecial vom 22. November 2007 wurde eine EineMillion-Euro-Frage gestellt („Was kreierte der Belgier Luc Luycx? A: OscarStatue B: Schlümpfe C: Euro-Münzen D: Atomium“) und das Publikum per Abstimmung befragt. Es wurde hier von Günther Jauch behauptet, das geschähe zum ersten Mal. Tatsächlich wurde aber am 14. Dezember 2001 in einer regulären Sendung bereits das Publikum für eine Eine-Million-MarkFrage bemüht („Für was steht das "D" in D-Zug? A: Direkt B: Drehstrom C: Durchgang D: Durchfahrt“). Bei beiden Fragen war die Antwortmöglichkeit C richtig. 183 • Am 3. März 2008 verwechselte eine Kandidatin die Stühle und setze sich auf den Platz von Günther Jauch. Er spielte daraufhin bis zur 500-Euro-Frage und ließ die Kandidatin moderieren. Kuriositäten aus der weiten Welt Manchmal kann es bei den Quizfragen zu grausamen Absurditäten kommen. So in China, laut russischer Nachrichtenagentur РИА „Новости“ 75 vom 27.09.2004, wurde in einem zentralen Kanal mitten einer NachrichtenSendung Today´s, die über das Geiseldrama in Beslan berichtete, eine QuizFrage gegen Preis gestellt: Wieviel Menschen wurden in Beslan ermordet? Es sind viel Varianten angeboten worden: von 302 bis 402. Es sind auch manche Manipulationsversuche aus der Geschichte des QuizFormates bekannt. Aber man sagt: Auch schlechte Werbung ist Publicity. Manipulationsfälle So startete im November 1953 im deutschen Fernsehen die Rate- und Geschicklichkeitsshow „Er und Sie“, bei der Kandidaten aus dem Studiopublikum aufgrund der Nummer ihrer Eintrittskarte ausgewählt wurden. Spielleiter war Hans-Peter Rieschel. Die erste Sendung verlief katastrophal. Ohne präzise Regie, umständlich erklärt und angesagt und von bizarren Situationen bedroht, quälte sich die Sendung mühsam durch die Zeit. Trotz ansehnlicher Geldpreise kam das Publikum nur zögernd zum Mitmachen auf die Bühne. Deshalb platzierte Rieschel für die zweite Folge im Voraus gewählte Kandidaten mit präparierten Eintrittskarten im Publikum. (Sie waren allerdings über den weiteren Spielverlauf nicht informiert.) Im Nachhinein wurde Rieschel vom NWDR (dem Vorläufersender von WDR und NDR) entlassen und die Sendung abgesetzt. 75 RIA Novosti – Russische Nachrichten-Agentur NOWOSTI 184 In der englischen Version der Show „Wer wird Millionär?“ gewann am 10. September 2001 Charles Ingram den Hauptpreis. Bei der Überprüfung der Aufzeichnung stellte sich heraus, dass ein Helfer im Publikum Ingram durch Husten bei den Antworten geholfen hatte. Ingram erhielt das Geld nicht, er wurde stattdessen angezeigt und 2003 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. 2006 schaffte es Reinhold Schlager unter falschem Namen ein zweites Mal auf den Stuhl der RTL-Quizshow „Wer wird Millionär?“ Schon 2003 hatte er sich unter dem falschen Namen Luis Meyer für die Show beworben, aber nur 500 Euro gewonnen. Die Namensfälschung war damals niemandem aufgefallen. Der niedrige Gewinn hätte ihn so geärgert, dass er sich regelwidrig ein zweites Mal beworben habe, erklärte er. Die Sendungsverantwortlichen haben den Spieler, der zufällig von einem Zuschauer wieder erkannt wurde, nachträglich disqualifiziert und zahlten den Betrag von 64.000 Euro nicht aus. Die verbliebenen Kandidaten der Show vom 10. April 2006 bekamen am 8. Mai 2006 eine zweite Chance. Dem Call-In-Sender 9Live wird von Zuschauern wegen vermuteter willkürlicher Regelauslegungen und angeblicher Manipulationen an den eingeblendeten Grafiken immer wieder Betrug vorgeworfen. Verdacht auf Schleichwerbung In der Sendung vom 8. Dezember 2006 fragte Jauch nach einem – körpereigenen – Wirkstoff, der als Anti-Falten-Mittel Verwendung findet. In der folgenden Werbepause zeigte RTL einen Spot für eine Creme mit genau dieser Substanz. RTL bestritt einen Zusammenhang zwischen Frage und Werbespot; die für RTL zuständige niedersächsische Landesmedienanstalt sah darin ebenfalls keine Schleichwerbung und wertete das Vorkommnis als Zufall. 185 «Wer wird Millionär?» als Sorgenkind In der letzten Zeit ist «Wer wird Millionär?» in Deutschland zum Sorgenkind von RTL geworden. Trotz hoher Ratings verliert das Quiz mehr und mehr Zuschauer. Eine der Erklärungen: die Kandidaten wollen nicht auf Risiko gehen und bis zum Ende spielen. Diese Position der Kandidaten enttäuscht die Zuschauer. Das Spiel erfüllt nicht mehr seinen eigentlichen Sinn und sein Ziel, dadurch geht der Reiz an der Show in den Augen der Zuschauer verloren. WWM-Einschaltquoten in Deutschland: Show/ Staffel Datum Durchschnittl. in Mio. > 3 Jahre Durchschnittl. MA Gesamt in % Durchschnittl. MA 14-49 in % Staffel I 3.9.- 9.9.1999 4,64 19,8 % 26,6 % Staffel II 27.1.-7.2.2000 8,31 26,0 % 35,7 % Staffel III 26.5-10.6.2000 7,11 29,9 % 39,0 % Staffel IV 31.8.- 9.9.2000 8,15 29,8 % 37,4 % Staffel V 6.10. 25.12.2000 10,02 32,3 % 39,53 % Quelle:http://www.rtl.de/rtlworld.html?page=http://www.rtl.de/werwirdmillionaer.html&ba nner=/world/shows/wer_wird_millionaer/home&Color=150050 WWM gehört mittlerweile zu den "ältesten" RTL-Sendungen (seit 1999 ausgestrahlt – 7 Jahre!). Inzwischen meiden die jüngeren Zuschauer den Dauerbrenner immer häufiger. Schon mehrfach berichtete Quotenmeter.de über die immer stärker werdenden Quotenprobleme. Das belegt nun auch eine für das Nachrichtenmagazin "Focus" erstellte Auswertung von Media Control. Demnach lag der Altersdurchschnitt der «Wer wird Millionär?»-Zuschauer im Jahr 2006 bei 55 Jahren, 2000 war das Publikum im Schnitt noch 45 Jahre alt. 186 Diese Entwicklung wird auch bei den Marktanteilen deutlich: Während die Quizshow vor sieben Jahren noch einen durchschnittlichen ZielgruppenMarktanteil von 38,4 Prozent einfahren konnte, betrug der Schnitt im Jahr 2006 nur noch 19,2 Prozent – selbst dieser Wert wird inzwischen nicht mehr selten deutlich unterboten. Nach wie vor gilt die Gruppe der 14- bis 49-jährigen als für die Werbewirtschaft besonders interessant. RTL hat auf das gesunkene Interesse bereits reagiert und verzichtet seit dem Start der neuen «Superstar»-Staffel auf «Wer wird Millionär?»-Ausgaben am Samstagabend. Nur die Montagsausgaben der Quizsendung machen noch die Quoten und bringen es nach Ergebnissen des Fernsehjahres 2006/2007 im Schnitt auf 7,31 Millionen Zuschauer. Damit bleibt „Wer wird Millionär?“ beim Gesamtpublikum unter den ersten drei Vorreitern, mit «Wetten, dass..?» (ZDF) an der Spitze (die sechs gezeigten Folgen unterhielten im Durchschnitt 12,51 Mio. Zuschauer ab drei Jahren), gefolgt von «Tatort» im Ersten (7,37 Mio. Zuschauer).76 Die Trends der nächsten Saison sieht man deutlich am Beispiel der neuen Hits in der Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen. Da wurde sogar Thomas Gottschalks «Wetten, dass..?» von «Deutschland sucht den Superstar» geschlagen. Ein anderer Quotenmacher ist die Show mit Heidi Klum «Germany’s Next Topmodel», die schon die Kinder ab 3 Jahren als ein wunderschönes Märchen wahrnehmen und nicht zur gewohnten Zeit ins Bett gehen wollen. In diesem Fall soll die Sendezeit nachgebessert werden. Am 3. September startete Günther Jauchs RTL-Quiz „Wer wird Millionär?“ mit einer Doppelfolge und neuen Regeln in die Saison 2007/2008. Sendetermine sind ausschließlich montags und freitags um 20.15 Uhr, die gelegentlichen Ausstrahlungen am Samstagabend entfallen. 76 www.quotenmeter.de 187 Zur Begründung verwies der für die Sendung zuständige RTL-Sprecher Frank Rendez darauf, dass der Samstagabend in der kommenden Saison mit zahlreichen großen Shows belegt sei, darunter auch zwei neue mit Jauch. In der vergangenen Saison war Jauchs Quizsendung an sechs Samstagabenden außerhalb der Sendetermine von „Deutschland sucht den Superstar“ gelaufen. Zu den in den vergangenen Jahren gesunkenen Einschaltquoten von „Wer wird Millionär“ verwies Rendez darauf, dass die Sendung „mit knapp sieben Millionen Zuschauern im Schnitt Quoten hat, von denen andere nur träumen können“. Und: „Ein Ende ist nicht in Sicht.“ 77 Das war ein kluger und gelungener Schachzug von RTL, Jauch und sein Quiz ab sofort nur noch zweimal die Woche einzusetzen (montags und freitags). Das bewahrt den Moderator, die Show und die Zuschauer vor Ermüdungserscheinungen. Und das ist wahrscheinlich wirkungsvoller als ein erweiterter Joker. In Russland Im September 2008 tauchten Informationen auf, wonach Maxim Galkin den Ersten Kanal verlässt und die Millionär-Show kurz vor dem Aus steht. Unter den Zuschauern wurde eine Umfrage durchgeführt, wen sie als Galkins Nachfolger bei der Million-Show sehen möchten. Die Produktionsrechte hat der Erste Kanal inzwischen erworben. Seit dem 27. Dezember 2008 moderiert Dmitri Dibrov, Quizmaster der ersten russischen Version „WWM“ („О, Счастливчик!“), den Publikumsliebling wieder. 77 www.welt.de, Neue Regeln bei "Wer wird Millionär" - vom 1.August 2007 188 IV. Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei der internationalen Verbreitung der gleichen QuizFormaten hinweisen Es gibt unterschiedliche Auswirkungen in der Globalisierung der Massenmedien, sowohl positive als auch negative. Gerade Medien und nicht zuletzt das Fernsehen sind verantwortlich dafür, das die Menschen aus verschiedenen Staaten allmählich ihre Zugehörigkeit zu einer gewissen Weltgemeinschaft spüren lernen, im Sinne einer Abkehr von geschlossenen Informations-, Wirtschafts-, Politik- und Kulturarealen in der Welt. Trotzdem neigt jeder Mensch, jedes Volk und jedes Land dazu, seine Individualität, Identität, Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu erhalten, seine Lebensweise und seine Lebensqualität zu bewahren, seine Kultur nicht zu verlieren, was jedermann im Grunde eigenartig macht. Dieser Aspekt muss unbedingt berücksichtigt werden, wenn es um die Einführung anderer Lebensstandards in einem anderen Umfeld geht. Man sollte dabei nicht andere Kulturen vereinnahmen. Das betrifft auch den Prozess des weltweiten Exports von Medienprodukten, insbesondere der Fernsehformate, die an die hiesigen Besonderheiten der Mentalität der Menschen in jeder neueröffneten Landschaft angepasst werden sollen. Die Mentalität Mentalität (lat. mens, Geist) bezeichnet vorherrschende Denk- und Verhaltensmuster einer Person oder einer sozialen Gruppe von Menschen 189 (z. B. einer Bevölkerungs- oder Berufsgruppe) und wird auch auf gesamte Nationen bezogen.78 Genauso wie manche Wörter und Redewendungen nicht direkt in eine andere Sprache übersetzbar sind, können die Fernsehformate nicht 1 zu 1 ins andere kulturelle Umfeld übertragen werden. Nehmen wir als Beispiel das kleinste Format – ein Werbespot. Viele westliche Unternehmer, die auf den russischen Markt kommen und russische Menschen für westliche Produkte gewinnen wollen, machen immer wieder einen Fehler. Sie meinen, dass der Werbespot, dessen Produktion sie viel Geld gekostet hat und der im Westen gut ankommt, genauso von den Menschen mit anderer Mentalität aufgenommen wird. Sie lassen den Spot nur in eine andere Sprache übersetzen und sind enttäuscht, weil die großen Erwartungen auf eine hohe Nachfrage nicht erfüllt werden. Und dabei ist das sehr einfach zu erklären. Ein Beispiel für die missverstandene Wirkung eines Werbespots: Die Lehrerin erklärt den Schülern: „Dieser Dinosaurier lebte vor 65 Mio. Jahre.“ „Und unsere Zähne? Können sie auch so lange und gut erhalten werden?“ – fragt ein Schüler. Der andere Schüler antwortet: „Meine bestimmt, weil ich sie mit der Zahnpaste „X“ putze.“ Im Westen ist dieser Spot von den Zuschauern gut aufgenommen worden und beim nächsten Einkauf im Supermarkt besorgen sie bestimmt dieses Zahnwunder. Was macht aber ein Zuschauer irgendwo in einem kleinen russischen Dorf, der seine Vorratseinkäufe einmal im Monat erledigen kann, wenn ein mobiles „Geschäft auf Rädern“ kommt? Oder der das letzte Mal beim Zahnarzt 78 http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalit%C3%A4t 190 während der Schulzeit war? Er hat eine andere Logik und kommt sofort auf einen anderen Gedanken: „Wenn die Zähne vom Dinosaurier für 65 Mio. Jahre immer noch im guten Zustand sind und dabei keine Zahnpaste „X“ dieses Wunder bewirkt hat… wozu soll ich meine Zähne überhaupt putzen?“ Das heißt, diese Werbung bewirkt eine Gegenreaktion – die Zähne brauchen keine Hygiene. Wie die Fernsehpraxis zeigt, gibt es die Formate, die von vornherein nicht anpassungsfähig sind. Dieser Meinung ist Sergej Kordo, der russische Produzent von „W-Media“, Produktionsfirma von "Кто хочет стать миллионером?" (WWM), "Слабое звено" (Weakest Link), "Народный артист" (DSDS). Zum Beispiel ist das Spiel „Алчность” (Greed) exakt auf amerikanische Zuschauer zugeschnitten und kann nicht auf die russische Mentalität übertragen werden.79 Eine weitere Besonderheit, die das Wahrnehmen der in der Sendung enthaltenden Informationen unterschiedlich macht, ist der kulturelle Hintergrund der Menschen. Er ist von Land zu Land spezifisch. Die Kultur Nach William James Durant´s folgender populärer Definition bedeutet die Kultur eine „soziale Ordnung, welche schöpferische Tätigkeiten begünstigt. Vier Elemente setzen sie zusammen: Wirtschaftliche Vorsorge, politische Organisation, moralische Traditionen und das Streben nach Wissenschaft und Kunst.“80 Allgemein wird die Kultur verstanden als Dreiklang von Kunst, Religion und Wissenschaft. Dazu gehören auch Sprache, Ethik, Wirtschaft und Rechtsprechung. 79 80 Валерий Павлов "Деньги" http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45 William James Durant „Kulturgeschichte der Menschheit“ 191 Es ist bekannt, dass man in jeder Kultur sowohl universelle Eigenschaften finden kann, als auch Elemente, die nur für eine bestimmte Gemeinschaft charakteristisch ist. Neben den allmenschlichen, allregionalen Informationen (z.B.: relevant für die europäische oder asiatische Region usw.) bewahrt jede Sprache (als Träger der Kultur) dank ihrer kumulativen Funktion die spezifische kultur-historische Information, die nur für das konkrete Volk typisch ist. Diese Information spiegelt die Besonderheiten wider der wirtschaftlichen Entwicklung, der geographischen Lage und der gesellschaftlichen Ordnung, die Eigentümlichkeit der Folklore, aller Kunstarten, der Wissenschaft, der unterschiedlichen Facetten des Alltagslebens und Bräuche. Die Sprache in der kumulativen Funktion (neben der kommunikativen Funktion) verbindet als ein Kettenglied die Generationen, ist ein Reservoir und ein Mittel für die Übermittlung der außersprachlichen kollektiven Erfahrungen. Das Fernsehen ist ein Teil der Kultur des jeweiligen Landes, des jeweiligen Volkes, ein Mittel für ihre facettenreiche audiovisuelle Selbstdarstellung. Und die Menschen sehen am liebsten die Sendungen oder Filme an, die über ihre Probleme berichten, die Ratschläge und Lösungen für ihre Lebenssituationen enthalten, die ihren Lebensstandards entsprechen, mit ihren Gewohnheiten vertraut sind und natürlich in ihrer Muttersprache berichten. Der europäische Kanal „ARTE“ bleibt weiterhin ein einsames Beispiel der multikulturellen Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich. Für bessere Verständigung wird ARTE zweisprachig in Europa über Satellit ausgestrahlt. Um einen Beitrag zur europäischen Integration zu leisten und mehr Zuschauer zu gewinnen, wird das Spartenprogramm mit den Europa relevanten und kulturellen Themen gefüllt. Die Formatsendungen – solche wie Quiz – haben dort bislang noch keinen Fuß gefasst. Nichts desto trotz ist die globale Welt in den letzten Jahren viel offener und für die breiten Massen zugängiger geworden. Die Menschen reisen mehr, lernen neue Kulturen kennen, andere Menschen und andere Gewohnheiten. 192 Die Kinder, die in Mischehen geboren werden, haben ein neues Bewusstsein, tragen eine ganz neue Kultur in sich, mit vielseitigen Interessen und breiteren Horizonten. Der kulturelle Hintergrund spielt eine große Rolle in der Wahrnehmung und in der Interpretation der Informationen, die der Mensch über Massenmedien (in unserem Fall – Fernsehen) als geistige Nahrung bekommt. Eine und dieselbe Information kann in verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich verstanden werden. Dies beweisen zahlreiche empirische Untersuchungen in Bereichen Nachrichten, Kunst, organisatorische Strukturen, professionelle Werte der Journalisten usw. Wenn wir Fernsehformate betrachten, sehen wir dasselbe Bild. Die Quiz-Show „Weakest Link“ (Слабое звено/ Der schwächste fliegt) ist das am meisten verkaufte Format in Großbritannien (an 79 Länder verkauft). Ihre russische Version wurde nur wenige Monate gesendet und ist danach vom Bildschirm verschwunden. Solcher Art Sendungen, wo von vornherein die Unkorrektheit gegenüber und zwischen den Spielern eingebettet war, schaffen öfter weniger Quoten, stattdessen mehr kontroverse Reaktionen und Ablenkung. Anne Robinson, die die englische Original-Version (später auch die amerikanische Version in den USA) moderiert, ist die topbezahlte Moderatorin der ganzen Welt. Sie wurde auch zur gröbsten Moderatorin im britischen Fernsehen ernannt. Anne erinnert sich gut an die Worte ihrer Mutter, die zu ihrem Lebensmotto geworden sind: „Wenn du die Letzte in der Schlange zum Bus bist, steige als Erste ein.“ 81 In den USA gelang es zum Beispiel nicht, eine Moderatorin für „Weakest Link“ nach dem vorgeschriebenen Muster zu finden. So wurde Anne Robinson gebeten auch die amerikanische Version (für 5 Mio. US-Dollar) zu moderieren. Die russische Version moderierte Maria Kisseleva, zweifache Weltmeisterin im Synchronschwimmen. Die einzige Abweichung, die die russische Moderatorin 81 „Газета Дона“ (21.03.2002), http://wmedia.ru/sz/press/gd_21_03_2002.html 193 sich erlaubte, war das zurückhaltende „Gratuliere!“ an den Gewinner im Finale. In Großbritannien ist diese Show sehr populär. Wahrscheinlich ist die Atmosphäre des Kampfes für Geld, für einen Platz im Spiel, für das Überleben den Engländern sehr nah und nachvollziehbar. Die Russen assoziieren die Spielregeln von „Weakest Link“ mit einer grausamen Welt, wo jeder gegen jeden ist und der Schwächste kann der Stärkste werden, wenn er schlau, kompromisslos und gnadenlos anderen gegenüber ist. Die Ergebnisse einer Umfrage82 erklären deutlich die Reaktionen der russischen Zuschauer auf dieses Fernsehformat. Befragt wurden 53 Personen im Alter von 15 bis 17 Jahre alt: 26 Männer und 27 Frauen. Es wurden folgende Fragen gestellt: Warum hat die Sendung nicht gefallen? 1 82 In dieser Sendung werden die negativen Charaktereigenschaften gefördert / Hier wird Feindlichkeit deutlich kultiviert / Gier ist die Krankheit der modernen Welt / Gefällt nicht, wenn die Menschen nach Geld gierig sind und dabei die anderen Menschen verachten 31,3 % (von den Befragten) 2 Demütigend / Brutales Spiel / Die Spieler werden oft unfair behandelt / Hohe Anspannung im Spiel 17,0 % 3 Gefällt nicht / Dumme Sendung 11,3 % http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm 194 An welche Zuschauer ist die Sendung adressiert? (in %) 1 An alle 32,1 2 An Dumme / An Vollidioten 13,2 3 An einen gierigen Menschen, der für Geld aufs Ganze geht / An die Zuschauer, die geldgierig sind 13,2 4 An die Bedürfnislosen, die den ganzen Tag fernsehen 11,3 5 An Akademiker / An die Intellektuellen, die viel lesen 9,4 6 An diejenigen, die Frage-Antwort-Spiele mögen und ihr IQ testen 5,7 7 An diejenigen, die einen Nervenkitzel brauchen 5,7 8 An die 15- bis 25-Järigen 3,8 9 An diejenigen, die nach der Arbeit oder Studium müde nach Hause gekommen sind 3,8 10 An die Zuschauer, die aus der Mittelschicht kommen 3,8 11 An diejenigen, die hochgestochen, reich sind und sich über die anderen erheben und die anderen verachten 1,9 12 An die Zuschauer bis 30 Jahre alt 1,9 195 Was wollten die Autoren der Sendung damit bezwecken? 1 Gier entwickeln / Die Sendung trennt die Menschen voneinander / Sie wollten die Bösartigkeit der Menschen zeigen, ihren Hass aufeinander und zu den anderen in einer bestimmten Situation / Hier wird immer jemand ungerecht herausgeworfen / Hier werden die menschlichen Mankos gezeigt / Alles scheint zu grob / Nur negative Emotionen 43,4 2 Sie verdienen nur Geld damit 17,0 3 Eine Unterhaltungsshow / Entspannung nach dem Arbeitstag 13,2 4 …dass die Menschen des Geldes wegen nicht im Stich gelassen werden sollen / …dass das Geld die Menschen verdirbt und dass es nicht das Wichtigste im Leben ist. 11,4 5 Nichts 11,4 6 Sie geben den Leuten eine Möglichkeit, das Geld zu verdienen / Man kann Geld verdienen mittels der Anderen 9,4 7 Die Leute weiterentwickeln / Sie bringen ihnen bei, an eigene intellektuelle Fähigkeiten zu glauben 9,4 8 Mehr Zuschauer für die Sendung gewinnen 7,6 9 Wenn du wenig weißt, bist du schwach. 7,6 10 Die Autoren wollten eine mögliche Reaktion der Menschen in einer Situation zeigen, wie er sich benimmt und handelt 5,7 11 Eigene Strategie in den Handlungen ausarbeiten. Sich dumm anstellen und im Finale gewinnen 3,8 12 Das ist eine Kopie einer ausländischen Show 1,9 196 So unterschiedlich kann ein Quiz-Format, wie „Weakest Link“, von den Menschen mit verschiedenen Kulturhintergründen interpretiert werden. In den Ländern, wo die ausländischen Formate ins Fernsehprogramm eingebaut werden, stößt man auf eine klare und eindeutige Position (sowohl unter den Zuschauern als auch unter den Fachleuten) in den Fragen der „Formatierung“ im Fernsehen und des Einkaufs von fertigen ausländischen TV-Produkten. Manche (meist ältere) Opponenten betrachten die importierten TV-Shows als aufgedrungenes Muster des fremden, „westlichen“ (oft gemeint als „amerikanischen“) Lebens und diese werden strikt abgelehnt. Dabei sind die anderen (die jüngeren) einer gegenseitigen Meinung. Sie haben das „fremde“ Leben und die Kultur anderer Völker schon kennen gelernt: aus der Studienzeit, durch viel Reisen oder sie waren dienstlich viel im Ausland unterwegs). Beide Gruppen haben Recht. Aber in einem sind sie sich einig: Die eingeborene Mentalität ist stärker als erworbene Kenntnisse. Mit dieser Rücksicht sollen alle international verbreitenden Formate in jedem einzelnen Land adaptiert werden, d.h. sie sollen der Kultur, den Traditionen des Landes und der dortigen Mentalität angepasst werden. Die Globalisierung im Bereich Massenmedien (und in unserem Fall des Fernsehens) wird oft mit der Internationalisierung in Verbindung gebracht. Unter der Internationalisierung ist aber auch der Prozess gemeint, der auf Gegenseitigkeit der Beziehungen basiert. In der Frage von Verkauf/Einkauf von Lizenzen von fertigen TV-Formaten zwischen dem europäischen und dem russischen TV-Markt wurde der Ball bis heute nur in ein Tor geschossen: Warum werden im Westen keine russischen Formate gekauft – zu spezifisch? Am Beispiel der amerikanischen Fernsehserie „Dallas“ (in den 80er Jahre produziert) hat man die Besonderheiten der Rezeption bei den verschiedenen ethnokulturellen Zuschauergruppen untersucht, die in den USA, Japan und Israel wohnten. Die ausgewählten Ehepaare aus den unterschiedlichen ethnokulturellen Gruppen, im gleichen Alter und mit gleicher Ausbildung, sollten den Inhalt der Serie (oder einer der Folgen) nacherzählen. Dadurch 197 sollte der Decodierungsmechanismus in verschiedenen Gruppen sichtbar werden. Es wurde festgestellt, dass die Gruppen Unterschiede in der Wahrnehmung der empfangenen Informationen haben, die durch die Serie vermittelt wurden: Sie setzen die Akzente der erhöhten Aufmerksamkeit auf verschiedene inhaltliche Momente, sie haben auch verschiedene Modelle der Inhaltsinterpretation. Diese Besonderheiten resultieren aus den allgemeinen Wertvorstellungen und Erwartungen derjenigen Zuschauergruppe. So findet die Wahrnehmung der Informationen/Texten, die mittels Massenmedien weltweit verbreitet werden, durch das Prisma des kulturellen Kontextes statt.83 Unterschiedliches Niveau von Allgemeinwissen Die wesentlichen Unterschiede der Bildungssysteme in verschiedenen Ländern können auch einige eventuelle Korrekturen in die strikten Regeln eines Quiz-Formates einbringen. Wenn wir die russische und amerikanische Version von WWM vergleichen, so lässt es sich merken, dass der Schwierigkeitsgrad der Fragen im russischen und amerikanischen Quiz unterschiedlich ist. Das Allgemeinwissen der russischen Spieler (statistisch gesehen) ist wesentlich höher als bei den Amerikanern. Ein Grund liegt in den unterschiedlichen Bildungssystemen. Das amerikanische Bildungssystem stellt die spezielle berufliche Ausbildung und Kenntnisse in Vordergrund. Der zukünftige Broker, Zahnarzt, Psychoanalytiker, geschweige Fernlastfahrer, muss nicht unbedingt ein Kenner der amerikanischen Literatur sein. So ist die amerikanische Mentalität, dementsprechend „schwer“ sind allgemein die Fragen in allen Quiz-Shows. Sie stützen sich auf die amerikanische Realität. Es reicht, wenn die Amerikaner den richtigen Namen von Britney Spears kennen und die Hauptstadt von eigenem Staat nicht vergessen. Ein typisch amerikanischer Scherz: Wenn jemand einige kluge, aber für den Beruf unnütze Kenntnisse aufzeigt, wird gesagt: „Ich behalte das fürs Quiz.“ 83 Liebes Т., Katz E. The Export of Meaning. Cross Cultural Readings of Dallas. Dallas: Polity Press, 1993. 198 Die Redakteure der russischen Sendung „WWM“ orientieren sich daran, dass die Teilnehmer des Spiels gut das Schulprogramm kennen und einen umfassenden Umfang von Informationen mitbringen, der mindestens den ersten vier Studiensemestern an den Hochschulen oder Universitäten entsprechen. Dazu gehört auch die obligatorische Kenntnis bestimmter Pflichtlektüre, einiger Vorstellungen vom Schaffen der mindestens zwei Dutzend weltberühmten Künstler, etwas Ahnung von Sport und Musik (sowohl klassisch, als auch modern) und ein wenig Klatsch-Tratsch um die Royals-Familie. Die letzten drei sind nicht in den Enzyklopädien zu finden und sind extra für die jüngere Generation gedacht. Dadurch werden die Gewinnchancen für die verschiedenen Generationen ausgeglichen und die Einschaltquoten steigen. Wenn wir die Wahrnehmung der Zuschauer in die Analyse der Fernsehspiele einbeziehen, so können die intellektuellen Spiele (Quiz-Shows) in drei Gruppen geteilt werden: 1. Der Zuschauer fühlt sich viel klüger als Spieler und der Moderator ("Поле чудес" – Feld der Wunder; "Угадай мелодию" – Rate die Melodie!). 2. Der Zuschauer fühlt sich auf dem gleichen intellektuellen Niveau mit den Spielern ("Миллионер" - WWM und "Слабое звено" - Weakest Link). 3. Der Zuschauer betrachtet die Spieler aus der Froschperspektive. Manchmal kann er die einzelnen Fragen beantworten, aber er erkennt, dass es dem Spieler besser gelingt ("Что? Где? Когда?" – Was?Wo?Wann? и "Своя игра" – Jeopardy!). Die hohe Popularität des Spiels "Что? Где? Когда?" (Was?Wo?Wann?), das zur 3. Gruppe gehört, weist darauf hin, dass die Menschen zu den intellektuellen Anstrengungen streben und dass sie sich für neue Kenntnisse interessieren. 199 Außerdem hat das Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?) unbewusst eine effektive Brainstorming-Methode zur Ideenfindung entwickelt, die jetzt auch in vielen Consulting-Firmen erfolgreich benutzt wird: Die Mannschaft generiert einige Zeit beliebige (bis wahnsinnige) Ideen für die Lösung eines bestimmten Problems. Danach betrachtet und bearbeitet ein Experte diese Ideen. Im Spiel war die Ergebnis vollkommen: im Endeffekt hatten die Spieler die einzig richtige Antwort. Das intellektuelle Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?) hat mehrere Profi-Spieler geschaffen. In Europa und Amerika gibt es auch solche Spieler, die sich aber mehr auf die Computer-Versionen der bekannten Fernsehspiele beschränken. Sie schicken SMS´s oder attackieren die entsprechenden Spielautomate, die sich als Nebenbusiness der Produktionsfirmen erweisen, die die Lizenz zum Merchandising des Formates besitzen. Unter den ersten Redaktionsmitarbeitern der russischen Version von „WWM“ waren auch die bekannten Spieler von „WWW“. Sie kannten viele ProfiSpieler und sollten sie vom neuen Projekt fern halten. Das importierte Quiz „WWM“ wurde für normale Menschen, nicht für Profis, gedacht. Im anderen Lizenz-Projekt "Своя игра" (Jeopardy!) wurde ein anderer Weg eingeschlagen. Hier spielen viele ehemalige „Kenner“ aus „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?). Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Jede populäre Spiel-Show hat eigene Fans, die durch eine Art von Clubs miteinander vernetzt sind. Sie treffen sich und spielen nach allen Spielregeln. Zum Beispiel existieren rund 6000 Clubs von WWW weltweit. Es gibt einen Internet-Club von WWW-Anhängern, der mehrmals im Jahr WWW-Online-Spiele organisiert, einschließlich Offline. In den Spielen werden alle Länder der ehemaliger Sowjetunion, die USA, Deutschland, Kanada, Israel, Finnland, Großbritannien, Holland, Österreich präsentiert. In Moskau findet jedes Jahr eine Meisterschaft statt für "Брейн-ринг" (BrainRing), "Своя игра" (Jeopardy!) und andere Abzweigungen von dem 200 populären WWW-Format. Dazu gibt es noch gleichlaufende (simultane) Turniere, auswärtige Festivals, Weltmeisterschaften. Das Spiel WWW ist in Russland zum Kult geworden. Mit höchsten Einschaltquoten wird es von 5 Mio. Zuschauern verfolgt. Dabei ist WWW die einzige Spiel-Show, die bis heute im russischen Fernsehen live übertragen wird. V. Zusammenfassung Nach der durchgeführten Analyse der Inhalte und der Gestaltungselemente einiger besonders populärer Formatsendungen aus der Sparte Unterhaltungs-, Quiz- und Spielshows, deren Entwicklungs- und weltweiten Verbreitungsgeschichte, sowie nach einer Betrachtung der internationalen Reaktionen auf die Sendungen in der Öffentlichkeit ist die Autorin der vorgelegten Arbeit zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen: 1. Die Rolle der Spielform im Leben des Menschen Formel: Aufmerksamkeit plus Respekt plus Mitgefühl plus Gemeinschaft plus Freiheit minus Passivität minus Chaos minus Aggression minus Schablone ist gleich SPIEL. Das Spiel begleitet den Menschen seit seiner Geburt. Das Spiel macht sein Leben fröhlicher, glücklicher, entwickelt seine Kreativität. Dort, wo es Spiele nicht gibt, wird das Leben monoton und langweilig. Was ist das Spiel? Es gibt sportliche Spiele, Olympische Spiele, Fernsehspiele, Theaterspiele und sogar Hasardspiele (Glücksspiele). Die Kinder spielen gern. Spielen bedeutet Spaß machen, scherzen, sich unterhalten. Man spielt Puppen, Verstecken, musikalische Instrumente… Fedja Protassov in „Der lebende Leichnam“ von Leo Tolstoi sagt, dass er Lisa nicht mehr liebt, weil es zwischen beiden im Leben kein Spiel war. Über 201 Spieler werden Bücher geschrieben, Filme gedreht: „Pique Dame“ von Puschkin, „Die Spieler“ von Gogol, „Das Glasperlenspiel“ von Hermann Hesse… Das Roulette in Monte Karlo hat einen Anstoß zur Relativitätstheorie gegeben. Seriöse Menschen, erfahrene Ingeniere, Betriebsdirektoren, Minister fangen an, Businessspiele zu spielen. Kurz gesagt, wie Herman in der Tschaikowskis Oper „Pique Dame“ sagte: „Was ist unser Leben? – Ein Spiel!“ Zusammengefasst ist das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität, die Kreativität, und im Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Damit enthält das Spiel das Potential, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation hervorzubringen. Deshalb sind spielerische Elemente auch in vielen Kreativitätstechniken, modernen Managementschulungen enthalten, die darauf zielen, neue, kreative und innovative Ergebnisse zu erzeugen. Das Spiel scheint eine menschliche Aktivität zu sein, die in der Lage ist, die Elemente einer Situation so zu verändern, dass Neues und Unbekanntes entsteht und Lösungen für scheinbar nicht mehr lösbare Probleme gefunden werden können. Alle diese Momente werden in den Fernsehformaten exakt berücksichtigt und effektiv genutzt. Das Fernsehen verstärkt das Interesse an spielerischer Form und verfeinert den Genuss am Spiel. Das Primärziel im Fernsehgeschäft stellt das Erreichen möglichst hoher Quoten dar. Im Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums erweist es sich für die einzelnen Sender als notwendig, möglichst viele Zuschauer an ihr Programm binden zu können. Bei diesem Prozess kommt der Schaffung eines klaren Senderprofils eine wesentliche Bedeutung zu. Ein derartiges Profil lässt sich durch regelmäßig ausgestrahlte Programminhalte, wie beispielsweise Unterhaltungssendungen, schärfen. Als eine der ältesten Aktivitäten nimmt das Spiel alle Sphären des menschlichen Daseins ein und begleitet den Menschen sein ganzes Leben. Das Spiel ist zu einem wichtigen Teil der menschlichen Kultur geworden. Durch 202 das Spiel, Rituale, Bräuche schafft der Mensch eigene Kultur, erwirbt seine Kenntnisse. Besonders Kinder und Jugendliche entwickeln über das Spiel ihre Fähigkeiten. In der Philosophie existiert sogar eine wissenschaftliche Richtung, deren Vertreter behaupten, dass das Spiel sogar älter als Kultur selbst ist. Friedrich Schiller hob in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen die Wichtigkeit des Spielens hervor und sprach sich gegen die Spezialisierung und Mechanisierung des Lebens aus: „…und er (der Mensch) ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“.84 Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga (1872-1945) entwickelte in den 1930er Jahren seine Theorie der Entstehung von Kultur aus dem Spiel. Er bezeichnete den Menschen nicht nur als Homo sapiens (denkendes Wesen), sondern auch als Homo ludens (spielfreudiges Wesen). 85 Das Spiel nimmt Anspannung, Hemmungen, Selbstkritik, kritische Wahrnehmung der Umwelt und soziales Rollenspiel weg. Die Illusion ersetzt die Realität. Alle haben die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen, für alle gelten dieselben Regeln und alle haben ein konkretes Ziel, das durch ein Spielelement (z.B.: Preis) vorgegeben wird. In dieser zeitlich und räumlich bedingten Welt ist der Mensch wesentlich entspannter, offener, „realer“ als in seinem „normalen“ Leben. Öfter im realen Leben spielt der Mensch irgendwelche Rollen oder versteckt sich hinter dem dicken Vorhang seiner nicht realen aber erwünschten Träume, um von der unerwünschten Realität wegzugehen. Wie Johan Heising behauptet, das Spiel sei eine Erholung jenseits der Forderungen des alltäglichen Lebens. Es gebe die Möglichkeit, die Fragmente der Zukunft zu erleben, Perspektive der Freude von Morgen zu erblicken. Das 84 85 http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens Й. Хейзинга. Homo ludens. - М., 1992 203 Spiel schaffe die Bedingungen für das Erfassen von Elementen aus der Kultur des eigenen Volkes.86 Doch das Spiel bleibt immer nur ein Spiel. Es soll auf keinen Fall mit der Realität gemischt werden. Im Spiel kann alles vorkommen, was man im realen Leben nicht hat oder nicht bekommt. Wenn der Spieler (und Zuschauer) sich im Rahmen der perfekt kreierten und maßgeschneiderten Show angenehm und wohl fühlt, wird er sie lieben. Wenn aber ins Spiel sogar ein winzigkleines Teil aus der belastenden und unerwünschten Realität eindringt, wenn aus Spiel "Ernst" wird, wenn sich die Regeln erst richtig "eingespielt" haben und nicht mehr ohne weiteres zu ändern sind oder beginnen sogar ihrerseits Zwangscharakter anzunehmen, wird das Spiel nicht mehr akzeptiert. Dies betrifft alle Spielformate. Die Gefühle, die Emotionen, die der Mensch im Spiel empfindet und zeigt, spiegelt sein echtes Ich wider, was sehr individuell ist und nicht gespielt, gestellt oder eingebildet ist, was sehr natürlich herüberkommt. Gerade diese unverwechselbare und nicht zu rekonstruierende Ausstrahlung zieht die Zuschauer beim Fernsehen besonders an. Sei es „Wer wird Millionär?“ oder ein anderes Fernsehformat, ihm liegt ein perfekt durchdachtes Konzept zugrunde, das es schafft, extrem viele Zuschauer vor den Bildschirm zu locken. Entscheidend für den Erfolg eines Spielformates sind drei Hauptfaktoren: 1. Durch eine perfekt durchdachte und ausgereizte Dramaturgie, die durch die formellen Mittel wirksam unterstützt werden, ist eine Quizsendung spannender als manch ein Krimi. 2. Der Zuschauer wird durch die interaktive Kommunikationssituation in höchstem Maße ernst genommen. Sein Selbstwertgefühl steigt dadurch, was er wiederum als positiv empfindet. 86 http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens 204 3. Die Quizsendung schafft es, die ganze Familie vor dem Fernseher zu vereinen. Dieser Aspekt war zum Beispiel bei den Machern von WWM zwar nicht geplant, aber sehr entscheidend für den Erfolg der Sendung. Das Spektrum der Fernsehprogramme aller fünf Kontinente ist seit Jahren von einem Genre im Bereich der nonfiktionalen Unterhaltung dominiert - die Quizshow. Das Erfolgsformat „Wer wird Millionär?“ gilt mittlerweile als Publikumsliebling. Kein anderes Format hat den gesamten internationalen Fernsehmarkt so beeinflusst und Veränderungen darin bewirkt. Es gibt keine Erfolgsgarantie für andere verwandte Formatsendungen. Eines ist aber sicher: Ohne Berücksichtigung der länderspezifischen Unterschiede wird es immer wieder problematische internationale Vermarktungsversuche des jeweiligen Formats geben. Ein Beispiel für die misslungene Einsetzung eines unadaptierten Spielformates sind die russischen Versionen von „Weakest Link“ - „Слабое звено“ („Der Schwächste fliegt“) und von „Russisch Roulette“, die wegen ihrer harten Regeln und der gefühlslosen Art der Moderation schnell aus dem Fernsehprogramm verschwunden waren. Übrigens in Deutschland hatte die Sendung „Der Schwächste fliegt“ auch keine hohen Einschaltquoten und wurde nach einem Jahr abgesetzt. Das Spiel mit dem Motto „Der Schwächste fliegt“ oder „Geiz ist geil“ kann nur derjenige gewinnen, der schamlos, zynisch und hinterhältig ist. Eine Teilnehmerin des Spiels „Слабое звено“ (Russische Version „Weakest Link“) hat mit großer Enttäuschung gesagt: „Da muss man zu einem Schakal mutieren, um hier zu gewinnen!“ Es stimmt, die Untersuchungen87 bestätigen das. 31,3 % der Befragten meinen: Da werden solche Qualitäten gefordert, wie gemein und intrigant zu denken, auf das Ganze gehen, um seinen „Nächsten“ (hier: Konkurrent im Spiel) wegen der schimärischen (illusorischen) Million nichtig zu machen. 87 http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm 205 Die Showmen schikanieren offen die Spieler und bezeichnen sie als „geizig“ und als „schwaches Glied“. Die Formate dieser Art finden keine Beliebtheit beim Publikum und sind vom Anfang an auf ein unvermeidliches Quotendesaster vorprogrammiert. 2. Strategische Zielsetzungen der modernen Game-Shows In den Strategien vieler Spielshows zeigen sich einige bestimmte Tendenzen, die ihrerseits bei den Zuschauern bestimmte Erwartungen generiert haben: 1) Psychologismus Um möglichst mehr Zuschauer ans Format zu binden, ist es notwendig, dass die Teilnehmer einer Game-Sendung authentisch und persönlichkeitsbetont da stehen. Dies wird erreicht durch die Nutzung von Elementen des psychologischen Porträts des Teilnehmers: seine Interessen, Charaktereigenschaften, lebhafte emotionale Reaktionen. Die Zuschauer beobachten verschiedene Menschentypen besonders gern, genauso wie unterschiedliche Verhaltensmuster in den extremen Situationen (Solche Porträts sind in vielen aktuellen Game-Shows zu sehen: „Wer wird Millionär?“, „Der schwächste fliegt“, „Geer“, „Wheel of Fortune“) 2) Der „einfache Mensch“ als Spieler („Volkstümlichkeit“ des Formats) Das große Interesse und die Unterstützung durch die Zuschauer zeigen die Sendungen, an denen die normalen Menschen „aus dem Volk“ teilnehmen. Dazu gehören die Teilnehmer der Shows („Поле чудес“ - Wheel of Fortune); die Zuschauer im Studio (ihr Voting); die Fernsehzuschauer, die die Fragen per Post schicken oder live im Studio stellen, bzw. beantworten („Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?); die Fernsehzuschauer, die ihr Voting während einer Sendungsübertragung per SMS oder telefonisch abgeben (DSDS, Star Academy) usw. 206 Das Zuschauersinteresse steigt: - wenn im Spiel die Atmosphäre eines Spieleifers, eines Kampfes, eines Wettbewerbs herrscht, aber gleichzeitig auch die Intrige und das Element der Zufälligkeit beiwohnt; - wenn die Spielregeln deutlich und verständlich sind; - wenn eine Wissbegierigkeit bei den Zuschauern entsteht, die von den Inhalten der Shows unterschiedlich sein kann: a) In den Game-Shows mit der intellektuellen Zielsetzung (wie bei „Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?) ist für den Zuschauer der Bildungswert der Sendung und das Gefühl „klüger zu sein“ primär. b) In den Game-Shows mit der materiellen Zielsetzung ist bei den Zuschauern das Interesse an den Strategien und an dem Verhaltensmuster der Spielenden in den Extremsituationen vordergründig. In den aktuellen populären Game-Shows sind in der Regel beide Aspekte präsent. Die oben genannten Bedingungen, um das höhere Zuschauerinteresse zu erzeugen, werden von den Quiz- und Game-Machern erfolgreich genutzt, sind aber nicht ausreichend für den absoluten Erfolg eines Formates. Ein Erfolgsformat hat immer eine innerliche Strategie, die auf die aktive Teilnahme von Zuschauern am Spiel (an so genanntem interaktivem Spiel) gerichtet ist. Das Spiel, das „der Fernseher mit dem Zuschauer spielt“, muss für sie spannend und aktuell sein. Daraus folgend kann man über einen Aktualitätsgrad der jeweiligen Informationen für Zuschauer sprechen. Und zwar: - Intellektuelle Game-Shows verlieren allmählich an ihrer sozial-kulturellen Aktualität, weil der Intellekt nicht mehr im Bereich der sozial geförderten 207 Qualitäten steht. Dies bedeutet aber nicht, dass intellektuelle Spiele nicht mehr populär werden, sie haben im Vergleich zu anderen Spielen mit Geldgewinnen eher keine Ressource zur intensiven Entwicklung. - Das Thema der „harten“ Prüfungen, nach denen eine materielle Belohnung (ein Geldpreis) folgt, hat eine hohe sozial-kulturelle Bedeutung. Dies befindet sich in der Phase des aktuellen Wechsels von Lebensnormen in der Gesellschaft (wie man zum Geld steht, soll ein Geld-Preis ins Spiel herangezogen werden oder nicht). Die russischen Zuschauer, die an den Befragungen teilnehmen (besonders die ältere Generation), äußern sich negativ gegenüber den Regeln in den harten materiellen Game-Shows wie zum Beispiel „Weakest Link“. Einerseits verzichtet ein Teil von solchen Zuschauern auf solche Sendungen. Andererseits (besonders in Europa) garantieren gerade diese harten Regeln einen kräftigen Spieleifer, der Zuschauer anzieht, trotz ihrer negativen Einstellung zu den Spielregeln. Dabei stellt die Unzufriedenheit mit den Spielregeln in den „harten“ Spielen ein sozial-kulturelles Phänomen dar, das das Thema „Ethik der Game-Shows“ in Vordergrund der öffentlichen Diskussionen bringt. Die Besonderheiten in der Wahrnehmung einiger Formatsendungen „Weakest Link” (Слабое звено / Der Schwächste fliegt), „Русская рулетка” (Russisch Roulette) In dieser Game-Show wird das Element des Psychologismus verstärkt. Die Zuschauer interessieren sich für die Taktik der Spielenden, wie sie die Konkurrenten „herauswerfen“. Die Motive des Zuschauerinteresses sind sportlichen Wettkämpfen ähnlich: Am Anfang des Spiels wird eine Kräftekonstellation vorgestuft. Es wird eingeschätzt, wer und wann aus dem Spiel aussteigen kann. In diesem Spiel gewinnt nicht der Intellektuelle, 208 sondern derjenige, der clever seine Konkurrenten „geschlagen“ hat. Dadurch überprüft der Zuschauer seine Kenntnisse in der Menschenpsychologie. Die harten Kommentare der ausgeschiedenen Spieler verschärfen das emotionale Zuschauerinteresse an der Show. Dabei geht es von einem Extrem ins andere – von der Beachtung bis zur Verärgerung. „Wer wird Millionär?” (Who wants to be a millionaire?) Das Hauptereignis für Zuschauer in dieser Sendung ist das Verhalten der Spielenden in einer extremen Situation von Angesicht zu Angesicht mit dem Moderator: Kann der Moderator den Spieler von seiner Meinung abbringen? Überwindet der Spieler seine Nervosität? Dazu steigt die Spannung angesichts des großen Millionen-Gewinns: Gewinnt er oder nicht? Im Vergleich mit anderen materiell orientierten Spielen ist der „Millionär“ wesentlich ruhiger und gütig. Er ist abwechslungsreicher als „Weakest Link“, ab den höheren Gewinnstufen der Fragen steigt der Schwierigkeitsgrad der Fragen. Die Aufgabe des Moderators ist es, eine Intrige zu schaffen, das Gefühl eines Spieleifers durch die scheinbare Konfrontation zu erregen und den Spieler zur Meinungsänderung zu provozieren. „Geer” (Алчность) Das Hauptereignis für Zuschauer dieser Sendung sind ein Zusammenspiel in der Mannschaft aus den Unbekannten und ihr Smalltalk mit dem Moderator. Dieses Format enthält den Psychologismus (Enthüllung der persönlichen Fähigkeiten der Spieler durch ihre Kommunikation mit dem Moderator, Nuancen im Verhalten des Kapitäns, Besonderheiten seiner Kommunikation mit seiner Crew, seine Entscheidung usw.) und die „Volkstümlichkeit“ (Teilnahme der einfachen Menschen im Spiel), was für den heutigen Zuschauer aktuell ist. Das besondere Merkmal dieses Formates – das Spiel der Teilnehmer in einer Mannschaft. Die Tatsache, dass die Teilnehmer vorher nicht bekannt waren, 209 ist ungewöhnlich für die Zuschauer und schafft das Gefühl der Unvorhersagbarkeit. Wie die Untersuchungen zeigten, lockt diese Sendung die Zuschauer am wenigsten an. Dem Format „Geer“ gelingt es nicht, ihre Aufmerksamkeit an sich zu ziehen. Es entwickelt sich mangelhafte Spannung. „Wheel of Fortune” (Поле чудес) Die russischen Zuschauer nehmen diese Game-Show ein wenig gesondert von den anderen verwandten Formaten wahr. Trotz der Meinungen, dass die Sendung sich ausgelebt hat, hat dieses Format sehr hohe Einschaltquoten. Die Zuschauer betrachten es als eine wirkliche Volksshow – unterhaltend, feierlich, witzig, warmherzig. Die Hauptbotschaft lautet: „Trotz alltäglicher Probleme haben wir ein Recht auf Feiern und wir können uns das gönnen.“ Die rationaleren Zuschauer sehen in dieser Sendung eher eine Schaubude, die die russische Mentalität anspricht und gucken sie mehr aus alter Gewohnheit. „Что? Где? Когда?” (Was?Wo?Wann?), „Своя игра” (Jeopardy!) Das sind intellektuelle Spielsendungen. Das Geld als Gewinn ist kein Hauptziel. Das wichtigste ist ein intellektueller Wettbewerb der Spielteilnehmer. Die Zuschauer haben die Möglichkeit, sich zu den Intellektuellen zu gesellen. „Угадай мелодию” (Rate die Melodie!) Für die Zuschauer ist das eine unterhaltende, lustige, musikalische Show. Hier wird die Teilnahme der Zuschauer maximal einbezogen: Von der bildenden Seite muss ein Lied oder eine Melodie erraten werden. Von der emotionalen Seite gibt es die Möglichkeit, zusammen mit den Teilnehmern das Lied zu singen. Durch die Musik werden angenehme Erinnerungen ausgelöst und positive Emotionen steigen. 210 Zusammengefasst kann man sagen, dass die Strategien verschiedener GameShows die unterschiedlichen soziokulturellen Informationen in sich tragen: Die Strategien in den Game-Shows mit Geld-Gewinnen (Weakest Link, Who wants to be a millionaire?) sind um das Geld herum aufgebaut: um die Rolle des Geldes und um den Spieleifer im „Kampf um das Geld“. Als obligatorisches Element enthalten solche Spiele die Situationen der maximalen psychologischen Anspannung unter den Teilnehmern, bis zu extremen Situationen. Die Strategien in den intellektuellen Game-Shows (so wie „Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?, Jeopardy!) werden auf den intellektuellen Werten, auf dem Spieleifer eines intellektuelles Wettbewerbes aufgebaut. Dabei entwickelt sich die innere Strategie des Spieles (und inhaltliche Struktur des Spiels) weniger aus den Spielregeln oder intellektuellen Aufgaben, sondern mehr daraus, dass die Lösung intellektueller Fragen und die wahre Begeisterung vom Spielprozess für die Teilnehmer im Vordergrund stehen. Und der Zuschauer kriegt alle Informationen von den Verhaltensreaktionen der Spieler mit. Die Strategien in solchen Game-Shows wie „Поле чудес” (Wheel of Fortune), „Угадай мелодию” (Rate die Melodie!) schaffen eine lockere Atmosphäre einer Volksfeier. Diese Feier ist mehr oder weniger mit den Ereignissen auf dem Bildschirm verbunden. Wichtig ist es, dass der Zuschauer seinen eigenen Platz in diesem Spiel hat. Dazu braucht man die Atmosphäre des Mitspiels (Interaktion), erst dann feiert der Zuschauer mit. Also, erstens Interaktion und zweitens Spiel mit den einfachen Menschen (Volk) sind die Hauptelemente solcher Game-Shows. 211 3. Globalisierung der Information Unsere Welt wird Wirtschaftsaktivitäten immer haben globaler. Die zugenommen. Die grenzüberschreitenden Konsequenzen der Internationalisierung von nationalen Volkswirtschaften bleiben nicht auf die Ökonomie beschränkt. Durch das Außenhandelswachstum ergeben sich vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Globalisierung auf der Wirtschaftsebene intensiviert unvermeidlich die Umtauschprozesse auf der Informationsebene, erhöht die Interkommunikation und verstärkt die Zusammenhänge der Menschheit auf dem ganzen Planeten. Gleichzeitig spiegeln die Massenmedien die Konstellation der politischen Kräfte in der Welt wider. Die führenden transnationalen Medienstrukturen kontrollieren die Entstehung und Verteilung der Informationsströme weltweit. Die globale Liberalisierung der Wirtschaft und die Reduzierung der Regulierungsrolle bei Massenmedien. Die dem Staat modellieren Regierungen auch favorisieren die modernen kommerzielle Medienstrukturen. Im Gegensatz dazu werden die Möglichkeiten für die Entwicklung der öffentlich-rechtlichen unkommerziellen Medien verengt. Es werden immer mehr Formate hergestellt, die sich nur auf den kommerziellen Erfolg richten. Dadurch werden leider die Inhalte vernachlässigt. Die Massenmedien (und besonders das Fernsehen) sind zu einem mächtigen Translator der Werte in der Konsumgesellschaft als Weltphänomen geworden, wobei es mehr um einen globalen Konsum von Massenmedien geht, als um die globale Produktion der Massenmedien. Die Globalisierung des Medienmarktes führt unter anderem auch dazu, dass einige Menschenrechte auch global durchgesetzt werden. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für die Menschenrechte von 1990 gilt der ungehinderte Empfang aller über Satelliten gesendeten Programme als „unantastbares Menschenrecht“. Es ist sicherlich besser, wenn das Publikum international eine Begeisterung teilt (so wie bei der letzten Fußball-WM 2006), als sich in nationalen Volkstümlichkeiten fanatisch abzugrenzen. 212 Die nationalen Staaten stehen vor ernsthaften Anforderungen der Globalisierungsprozesse im Bereich Information und Kommunikation. Die transnationalen Medienkonzerne werden oft zum Instrument zur Machtentfaltung in den politisch-kulturellen Bereichen, wo früher die nationalen staatlichen Institutionen dominierten. Im Gegensatz zu Vorstellungen davon, dass die Konkurrenz in der Marktwirtschaft zu der unendlichen Vielfältigkeit des Angebots führt, wird in der Wirklichkeit die wachsende Standardisierung der Fernsehproduktion kultiviert. Die großen Medienkonzerne oder Mediengruppen sind bestrebt, durch Kürzung der Ausgaben höhere Gewinne zu erzielen. Sie produzieren am laufenden Band, massenhaft und dauernd, unterschiedliche Unterhaltungsprogramme, Quiz, Shows. Dabei wollen sie genau denselben Typ von Produkten haben, wie bei ihren Konkurrenten. Der Kampf um Zuschauer, um höhere Ratings führt zur Kommerzialisierung der Kultur und dazu, dass der Vermarkter anfängt, dem Schöpfer zu diktieren88. Die Logik der maximalen Gewinne für minimale Zeit ist inkompatibel mit der Idee der Kultur. Deswegen versucht jeder nationale Staat seinerseits, den negativen Auswirkungen der Globalisierung vorzubeugen, bzw. denen zu widerstehen. 4. Globalisierung in der Fernsehwelt Die fortschreitenden Prozesse der Globalisierung der Information zeigen sich besonders stark in der Fernsehbranche. Immer mehr Programmformate sind internationalen Ursprungs und fesseln Zuschauer aus unterschiedlichen Kulturen vor dem Fernseher. Betrachtet man die Entwicklungen der letzten 10 Jahre in den Unterhaltungsprogrammen der Fernsehstationen, so lässt sich ein deutlicher Zuwachs an 88 Vergl. : Pierre Bourdieu „Sur la télévision at le journalisme“, Liber Raison d´agir, 1996 213 Quizsendungen und den so genannten Reality-Formaten erkennen. Waren im Jahr 1998 noch kaum derartige Sendungen in den Programmen vertreten, so stellten sie fünf Jahre später in den USA, in Großbritannien, Deutschland, Frankreich und in den Niederlanden rund 15 Prozent aller Sendungen während der Prime Time dar. Einige dieser Reality-Shows erreichten teilweise Kultstatus. Ein weiterer Trend der letzten Jahre besteht in einem Bedeutungszuwachs internationaler Formate. Verbuchten diese im Jahr 1998 auf den Fernsehmärkten einen Anteil von zwölf Prozent unter allen Programmen in der Prime Time, so stieg dieser Wert bis zum Jahr 2003 auf 30 Prozent. In Deutschland stellte im 15 Unterhaltungssendungen Jahr 2003 ein ausländische Drittel Formate der dar erfolgreichsten (Tabelle 1), in Frankreich und in den USA war sogar fast die Hälfte der quotenstärksten 15 Sendungen des Jahres fremdländischer Herkunft. Liste der populärsten in Deutschland Shows Tabelle 1 Top regelmäßige Shows 2004 Rating % Marktanteil Ursprung 1. Wetten dass …? (ZDF) 2. I'm A Celebrity … (RTL) 3. Die Ultimative Chart Show (RTL) 4. Who Wants To Be/Millionaire? (RTL) 5. Idols (RTL) 6. Die 100 Nervigsten … (PRO7) 7. Mania Show (RTL) 8. Genial daneben (SAT1) 9. Was guckst Du? (SAT1) 10. Die Alm (PRO7) 11. Mittermeiers Saturday … (RTL) 12. Die Hit Giganten (SAT1) 13. 7 Tage – 7 Köpfe (RTL) 14. Nur die Liebe zählt (SAT1) 15.4 12.9 9.1 42.2 41.2 27.1 Germany UK Germany 8.4 24.2 UK 8.0 6.3 23.0 17.9 UK Germany 6.2 5.6 5.2 5.2 5.2 16.8 19.1 15.7 18.7 18.0 UK Germany Germany Germany Germany 5.1 5.1 5.0 15.9 17.5 14.3 15. Bully Parade (PRO7) 4.9 13.8 Germany Germany The Netherlands Germany Quelle: Eurodata TV 1.1.04-8.8.04 (*3+ Episoden: Erwachsene 14-49) 214 Der zunehmende internationale Handel mit den Formaten führt dazu, dass in zahlreichen Ländern der Welt ähnliche Fernsehprogramminhalte vertreten sind. In Russland wurde das Fernsehen Ende der 90er – Anfang der 2000er Jahre mit den amerikanischen und europäischen TV-Formaten überflutet. Das Interesse der Zuschauer an neuen Sendungen war anfangs sehr groß. Es stellte sich aber schnell heraus, dass eigene TV-Spiele interessanter und verständlicher sind und die neuen importierten Formate (sogenannte „fertigen Konserven“) eine unvermeidliche Adaption (Anpassung) benötigen: Sie müssen nationale Gewohnheiten, Kultur und Voraussetzungen berücksichtigen. Heutzutage sind einige der erfolgreichsten internationalen Formate auch in russischen Toplisten zu sehen. (Tabelle 2) Liste der populärsten in Russland Shows Tabelle 2 Top Shows 2004 Rating % Marktanteil Ursprung 1. Фабрика звёзд (Star Academy) – Erster Kanal 11.9 35.4 The Netherlands 2. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?) – Erster Kanal 7.0 25.3 3. Поле чудес (Feld der Wunder) – Erster Kanal 6.7 22.1 USA 4. Что?Где?Когда? (Was?Wo?Wann?) – Erster Kanal 6.1 26.0 Russia 5. КВН (Klub der Lustigen und Schlagfertigen) – Erster Kanal 5.1 22.8 Russia 6. Угадай мелодию! (Rate die Melodie!) – Erster Kanal 3.8 24.5 Germany 7. Своя игра (Jeopardy!) – NTV 3.3 13.3 USA UK Quelle: TNS Gallup Media 215 In den letzten Jahren gehören europäische Programmformate zu denen, die weltweit am häufigsten auch in andere Länder verkauft wurden. Top sind dabei vor allem Formate aus den Niederlanden und England (Tabelle 3). Die am weitesten „gereisten“ Programmformate Tabelle 3 TOP "reisende" Formate Sendestart Länder* Ursprung Besitzer 1. Idols 2. Now or Neverland/Fear Factor 3. Star Academy/Op. Triunfo 4. The Weakest Link 5. Test The Nation 6. Big Brother/Loft Story 7. Popstars 8. Russian Roulette 9. Temptation Island 10. Joe Millionaire 11. The Bachelor 12. Deal Or No Deal 13. Expedition Robinson/Survivor 14. Caméra Café 15. Make My Day 16. The Chair Okt. 2001 Sep. 1999 26 15 UK The Netherlands FremantleMedia Endemol März 2001 15 The Netherlands Endemol Aug. 2000 Jan. 2001 Sep. 1999 14 13 11 UK The Netherlands The Netherlands BBC Eyeworks.tv Endemol Apr. 1999 März 2002 Jan. 2001 Jan. 2003 März 2002 Dec. 2002 Sep. 2097 11 11 11 9 9 8 8 The Netherlands USA USA USA USA The Netherlands UK Screentime Sony Pictures FOX FOX Warner Bros. Endemol Castaway Sep. 2001 Nov. 2001 Jan. 2002 7 7 7 France UK New Zealand Calt Productions Target Touchdown Quelle: The WIT, Juli 2001 – Juni 2004; *Anzahl Länder mit Programmstart vom July 2001 bis Juni 2004. Die Spielformate konkurrieren heftig nicht nur mit den populären Sendungen aus anderen Sparten und von anderen Sendern, sondern auch unter einander. Die globalen Formate nehmen mitlerweile den TV-Markt weltweit in Beschlag und verändern ihn allmählich: - In Bezug auf die Fernsehlandschaft kann tatsächlich von einem „global village“ gesprochen werden, das überall gerne die internationalen Erfolgsformate am TV nutzt. Dabei prägen immer noch auch nationale 216 Formate die Fernsehgewohnheiten. Die Entwicklungen auf den wichtigsten TV-Märkten der ganzen Welt werden beobachtet und untersucht. Erfolgreiche Programmformate werden von den Sendern in einzelnen Ländern für eigene Programme erworben. - Da der internationale Austausch einfacher geworden ist, lassen sich innovative Formate weltweit leichter vermarkten. Angezogen von diesem Wachstumsmarkt gibt es einen breiten Einstieg von verschiedenen Seiten in das Geschäft mit Programmformaten. - Außerdem bringen die internationalen Programmformate hohe Gewinne aus dem Verkauf der Vermarktungsrechte mit sich (z.B. Merchandising, Telefonmarketing). 5. Die wichtigsten Trends im Unterhaltungsbereich Im Unterhaltungsbereich zeichnen sich einige wichtige und deutliche Tendenzen ab: 89 - Globale Unterhaltungsformate erreichen weiterhin eine große Zuschauerschaft; - Traditionelle Reality-Formate bleiben stark präsent. Die neueste Entwicklung hierbei ist der Import von US-Reality-Formaten nach Europa: “The Bachelor”, “Joe Millionaire”, “My Big Fat Obnoxious Fiancé”; - Wachsender Trend zu “factual entertainment”- Programmen: Das TVPublikum kann beim Austausch von Haus, Leben, Ehefrau, Job, Gesicht und Body zuschauen. Dies sind Formate wie “Wife Swap”, “How Clean Is Your House?”, “Faking It“, “Queer Eye”, „The Swan“, „Brat Camp“; - Europa (und Großbritannien im Speziellen) ist die Hauptquelle dieser neuen Welle von „factualbasierten“ Programmformaten; 89 Quelle: fremantle (FremantleMedia ist der weltweit führender Produzent von TV-Inhalten, der unter anderem mehrere TV-Formate im Bereich Unterhaltung kreiert und produziert. FremantleMedia ist ein Tochterunternehmen von RTL Group. 217 - Sendungen, in denen Talente gesucht werden, bleiben stark und werden zu neuen Versionen weiterentwickelt. (Popstars, Star Academy, Pop Idol); - Reality mit Stars und Sternchen ist stark wie noch nie. Dies trifft auf folgende Sendungen zu: “Survivor”, “The Farm”, “I’m A Celebrity Get Me Out Of Here!”, “Die Alm”; - Top Listen und Countdowns beginnen anzuziehen: „Brainiest“, „Die Ultimative Chart Show“, „100 Plus Grands“, „Die 100 Nervigsten…“; - Die Formate und ihre Abwandlungen werden immer schneller kopiert. Es ist eine Tatsache, dass jede quotenstarke neu entwickelte Sendung zu zahlreichen Kopien und ähnlich konzipierten Formaten bei Konkurrenzsendern führt. 6. Die Lieblingsformate bei Werbeträgern Die zahlreichen Quiz- und Game-Shows sind einerseits eine einfache, schnelle und effektive Lösung (zeitlich und inhaltlich) für das Content (Programm) jedes Senders. Andererseits sind sie auch besonders beliebte Formate bei Werbeträgern. Die Logik des Werbemarktes ist strikt und eindeutig, sie entwickelt sich nach folgendem Muster: Ein Unternehmer ist an höheren Gewinnen durch seine neuen Produkte interessiert. Die Gewinne können durch die Fernsehwerbung angespornt werden. Der Werbeträger geht zu dem Kanal, der die meisten Segmente der zahlungsstarken Zuschauer kontrolliert. Die Kanäle konkurrieren untereinander um die höheren Zuschauerzahlen, wodurch sie ihre Programme für die Zuschauer attraktiver machen. Im Kampf um die Werbeträger werden also die Ratings entscheidend. So bildet sich ein ununterbrochener Zyklus: Werbung – Geld – Zuschauer – Werbung. Die Auswirkungen des Marktmechanismus im Medienbereich haben einen globalen Charakter. 218 Die Programme von kommerziellen Kanälen in Russland unterscheiden sich kaum von den Inhalten der westlichen Fernsehkanäle. Die Programme richten den Zuschauer auf ein bestimmtes Lebensmuster, einen bestimmten Lebensstil und eine bestimmte Überlebensstrategie. Die Sendungen werden immer kalkulierbarer (was das Genre angeht), die gleichartigen Programme werden dupliziert, die kommerzielle Kanäle werden vermengt. Die Praktika der Kommerzialisierung des Fernsehens, sowohl der kommerziellen als auch der staatlich kontrollierten (in Russland) oder öffentlich-rechtlichen (in Deutschland) Kanälen, zeigt, dass seine Inhalte (Programme) immer mehr der globalen Massenkultur unterliegen. 7. Die Adaptionsnotwendigkeit der Formatsendungen Laut einer Legende wandte sich ein Lehrling an den großen Michelangelo: „Wie gelingen Ihnen solche wunderschönen Skulpturen? Wo liegt das Geheimnis Ihres künstlerischen Schaffens?“ Der Meister antwortete: „Es gibt kein Geheimnis. Ich hacke einfach das Überflüssige ab“. Bevor das Überflüssige abgehakt wird, ist es überhaupt ein Meisterwerk, dieses Überflüssige von der wahren Kunst zu unterscheiden. Bei der Produktion eines Spielformates ist es auch wichtig, präzise, einfache und verständliche Regeln als Grundlage nehmen, nichts Überflüssiges zulassen. Nicht weniger wichtig ist es, dass man Regeln kompetent im richtigen Umfeld einsetzt. Das erste Gesetz des Spieles ist seine Dualität: einerseits – Spiel als Improvisation, Phantasie, Zufall, etwas Erfrischendes und immer Neues, andererseits – durch strenge, vorgegebene und unveränderte Regeln eingeschränkt. Es gibt aber noch eine Eigenschaft, ein Merkmal, ohne dies kann das Spiel nicht existieren. Das ist das Vergnügen, die Freude an der Teilnahme an dem Spiel. 219 Mit der attraktiven Verpackung (Design) – Lichteffekte, bunte Dekorationen, musikalische Begleitung, humorvolle Texte des Moderators, repräsentative Jury und prominente Gäste – soll man nicht übertreiben. Schon bei der Gestaltung und Wahl des Logos ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass die Farben und geometrischen Formen von den verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich aufgenommen werden. Besonders wichtig ist es, wenn das Format sowohl für das internationale und multikulturelle Auditorium als auch für die Konsumenten, die zu verschiedenen religiösen Konfessionen gehören, konzipiert wird. Es gibt einige Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei der internationalen Verbreitung der Quiz-Formate hinweisen. Das sind die Besonderheiten: - in der Mentalität des jeweiligen Volkes; - in seiner Kultur, die auf Kunst, Religion und Wissenschaft beruht und die Sprache, Ethik, Wirtschaft und Rechtsprechung prägt; - Dazu gibt es einige Unterschiede im Niveau von Allgemeinwissen. Aufgrund dieser Besonderheiten wird die innere und manchmal die äußere Struktur des Formates in jedem einzelnen Land vorsichtig korrigiert, die Regeln leicht verändert. Der Erfolg des Programms wird obwohl genau mathematisch errechnet, aber harmonisch und phantasievoll in die neue Umgebung eingesetzt. Auf den ersten Blick lassen die Formatsendungen mit strengen „Produktionsanweisungen“ keine Möglichkeit zu allerlei Abweichungen zu. Die realen Situationen bei der Aufzeichnung der Sendung im Fernsehstudio führen aber immer wieder zu einigen Korrekturen. Dank der unberechenbaren Antworten und Reaktionen der Spieler, des Publikums im Studio oder des Telefonjokers an der Leitung, durch Findigkeit, Improvisationstalent, Sinn für Humor und Intelligenz des Moderators und mit Hilfe des gut aufeinander 220 eingespielten Produktionsteams bekommt die Sendung eine eigene besondere Note. Dies verleiht einem weltweit verkauften Format eine Lebendigkeit, die mit der bestimmten Kultur und den Traditionen im Einklang steht, und dadurch den Grad der Unterhaltung wesentlich erhöht. 8. Das Fernsehen als Mittel der internationalen Kommunikation Im Laufe der in der Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurde es deutlicher, dass die Globalisierung zu einem internationalen Fernsehmarkt mit nationalen Gewohnheiten, Kulturen und Voraussetzungen einher zu gehen vermag. Das Fernsehen, genauso wie alle anderen Massenmedien, muss zu einem Instrument der internationalen Kommunikation, der internationalen Information werden. Sie müssen die Lösung globaler Probleme suchen und die Völkerverständigung fördern. Mitten in unseren Unterschieden im sozialen Leben und in den politischen Ansichten müssen die Massenmedien die Konfrontation stilllegen und vom „Bild des Feindes“ abwenden und zu einer realen internationalen Partnerschaft wechseln. 221 Zusätzliche Tabellen: Spartenprofile ausgewählter deutscher Sender 2005 ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1, ProSieben (in %) Sparten Information Sport Nonfiktionale Unterhaltung Musik Kinder-/ Jugendsendungen Fiction Sonstiges Werbung Gesamt ZDF RTL SAT. 1 ProSieben 43,0 6,8 6,9 48,8 5,5 5,6 25,2 2,1 19,9 17,7 0,5 31,7 27,7 0,0 20,8 1,5 5,7 1,1 5,0 1,7 1,4 0,5 0,2 0,6 2,4 30,5 23,8 2,3 5,4 1,3 20,5 100,0 100,0 24,1 4,7 20,5 100,0 28,7 5,4 14,5 100,0 ARD/ Das Erste 32,2 2,4 1,4 100,0 Quelle: IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael Krüger/ Thomas Zapf-Schramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte im deutschen Fernsehangebot. Programmanalyse 2005 von ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben. Media Perspektiven 4/2006, S. 203. 222 Spartenprofile ausgewählter russischen Sender 2004 Erster Kanal, Rossija, NTV, STS, REN TV, TNT, TVC 5% 40% 45% 35% 5% 40% 10% 50% 55% 55% 75% 10% 30% 30% 50% 5% 45% 30% 10% 10% 5% 20% 15% 15% 15% 5% Первый канал (Erster Kanal) Россия (Rossija) Unterhaltung Spielfilme TV-Serien Zeichentrickfilme НТВ (NTV) СТС (STS) 35% 15% 20% 5% 5% 5% REN TV ТНТ (TNT) 5% ТВЦ (TVC) Культура (Kultura) Dokumentationen Politik Sport Quelle: TNS Gallup Media 223 Spartenangebot und -nutzung im deutschen Fernsehen 2000, 2005, 2006 (1) Zuschauer ab 3 Jahre, in % Angebot Nettoreichweite (2) Nutzung 2000 2005 2006 2000 2005 2006 2000 2005 2006 Information 39 42 42 28 32 32 62 65 64 Sport 9 8 8 8 7 9 27 23 25 Unterhaltung 11 10 10 14 16 15 46 47 46 Fiction 27 25 25 38 34 34 62 62 60 Werbung 8 10 10 9 8 8 56 57 56 Sonstiges 5 5 5 3 3 3 64 65 64 1) Basis: 19 Programme: Das Erste/ARD, ZDF, 7 Dritte Programme, 3sat, RTL, SAT.1, ProSieben, kabel eins, RTL II, VOX, Super RTL, DSF, Eurosport. 2) Nettireichweite: Programmsparte mindestens eine Minute fortlaufend gesehen. Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TV, Fernsehpanel (D+EU), vor 2001 Fernsehpanel (D) 224 «Who wants to be a millionaire?» in einigen Ländern Land Jahr Lokaltitel Moderation Kanal Preis (Landeswährung) Gewinner Deutschland Pre-Euro 19992001 Wer wird Millionär? Günther Jauch RTL 1,000,000 DM 8 (2 x in DM, seit 2002 Frankreich Pre-Euro Großbritannien Italien Pre-Euro Japan seit 2002 seit 1998 6 x in €) 1,000,000 € Qui veut gagner des millions? Who Wants to Be a Millionaire? 20002001 Chi vuol essere miliardario? 2002- Chi vuol essere milionario? 20002007 Jean-Pierre Foucault TF1 3,000,000, später 4,000,000 Franc 3 (alle 4,000,000 FGewinner) 1,000,000 € 1 Chris Tarrent ITV1 £1,000,000 5 Gerry Scotti Canale 5 1,000,000,000 Lira 1 1,000,000 € 1 Mino Monta (Norio Minorikawa) Fuji TV 10,000,000 Jen 20 Robert ten Brink SBS6, seit 2006 RTL4 1,000,000 Gulden 1 Dmitry Dibrov NTV 1,000,000 Rubel 3 Kuizu $ Mirionea Niederlanden Russland 19982001 Weekend Miljonairs (earlier) 2002- Lotto Weekend Miljonairs 19992000 О, счастливчик! (Oh, schastlivchik!) (2 in der 1.Version; 20012008 2008- USA 19992002 (on ABC) 2002(in first-run syndica tion) Кто хочет стать миллионером? (Kto hochyet stat millionyerom?) Who Wants to Be a Millionaire? Maxim Galkin ORT Dmitry Dibrov ORT Syndicated version: Meredith Vieira Network version: Regis Philbin Canada, first on CTV (the network version); the syndicated show on Citytv and AChannel stations, among others 3,000,000 Rubel (etwa 100.000 €) 1 in der 2.Version) US$ 1,000,000 11 225 Literaturverzeichnis: Bücher: 1. Gerd Hallenberger „Neue Sendeformen im Fernsehen. Ästhetische, juristische und ökonomische Aspekte.“ (Arbeitshefte Bildschirmmedien N54) Siegen, 1995 2. Gerd Hallenberger, Die Quiz- und Game-Show-Zuschauer. Anmerkungen zu den GFK-Zuschauerzahlen der 1986 von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ausgestrahlten Quiz- und Game-Show-Reihen, Arbeitshefte Bildschirmmedien 9, 1989 3. Bibliographie zur Programmsparte Quiz/Game Show / Gerd Hallenberger – Universität-GH-Siegen / DFG-Sonderforschungsbereicht 240, 1990 4. Hätten Sie´s gewusst?: Die Quizsendungen und Game Shows des deutschen Fernsehens / Gerd Hallenberger / Joachim Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991 5. 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