Straßenkinder

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Straßenkinder
straßenkinder
>> globalista gbook | 1
Das Projekt wird gefördert vom:
Arbeitsstelle Weltbilder e.V. (Hrsg.)
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Ebook / Straßen-Kinder
Intro
Wir stellen Ihnen eine neue Spezies im
Rückkehr­p rogramm von weltwärts vor:
die gbooks. Die sollen sich gerne als
Bildungsmaterial im schulischen und außerschulischen Bereich und
ebenso in der weltwärts Vor- und Nachbereitung ausbreiten.
Die thematischen gbooks werden von weltwärts-Freiwilligen
zusammen mit den Partner_innen aus den weltwärts-Projekten
recherchiert und geschrieben – von uns durchaus als eine ReverseAktivität gedacht. Gleichfalls ist eine qualifizierte Rückkehrarbeit
nicht nur im dringenden Interesse der ehemaligen weltwärts
Freiwilligen geboten, sondern die Chance, um weltwärts in
der Mitte unserer Gesellschaft ankommen zu lassen. Über die
Rückkehrarbeit geht’s hinein in die Bildungs- und Kulturarbeit –
und selbstverständlich in weitere gesellschaftliche Bereiche.
Inhaltsverzeichnis
2–19
Ketaketi straSSenkinder in Kathmandu / Nepal
Sebastian Wolligandt
20 – 28
Don’t give me money, give me a future_ Fallgeschichten
Benjamin Eichert / Leonie Günster /
Lea Burwitz / Janinka Lutze
Eine wesentliche positive Veränderung, die wir erreichen wollen,
ist die eines Wissenstransfers von Süd nach Nord oder anders
ausgedrückt: die Umwandlung von lebendigen Erfahrungen
in handhabbare Materialien, Veranstaltungsformate und
Vernetzungsformen für globales und interkulturelles L ernen. Den
weltwärts-Freiwilligen wollen wir durch die Projektmaßnahmen
ihren eigenen interkulturellen Kompetenzgewinn bewusst machen.
„Die globalista-Programme sind einfach toll!
Miteinander verwobene Ideen, Projekte und Themenwerkstätten,
die sich wie ein ‚Roter Faden‘ durch meine weltwärts-Erfahrungen
ziehen und mir den nötigen Raum für meine eigenen
Beobachtungen und Erkenntnisse bietet.“
Karsten Valerius, weltwärts-Rückkehrer.
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straSSenkinder_ Informationen
Leonie Heckmann / Johanna Frommelt
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Impressum
Ketaketi
straßenkinder in Kathmandu / Nepal
Sebastian Wolligandt
Nepal –
Land der Mythen und Mysterien
Nepal – Land der Mythen und Mysterien, eine der letzten Regionen unserer
Erde, in der das physisch messbare und das zeitlos spirituelle verschmelzen.
In kaum einem anderen Land ist der Alltag der Menschen so sehr von
Religion und Tradition geprägt, wie in dem kleinen Land zwischen Indien
und China.
Ich habe Nepal – ein Land der sogenannten vierten Welt – als ein sehr
reiches Land erlebt, reich an Kultur, reich an Menschen, reich an Leben.
Dort misst man mit einem anderen Maßstab. Es rücken Dinge in den
Vordergrund, welche im westlich geprägten Kulturkreis nicht in dieser
Form existent oder verlorengegangen sind.
Ein Großteil der Menschen ist sehr arm, aber trotzdem oder vor allem
dadurch bedingt, begegnet man sehr offenen, freundlichen und lebensfroh
gesinnten Menschen, die sich ehrlich für Besucher interessieren und das
wenige, was sie besitzen, noch teilen möchten.
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Ebook / straßenkinder
gbook
Straßen-Kinder
Bis September 2012 habe ich den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ über die Entsendeorganisation GIZ für die Partnerorganisation Madan Puraskar Pustakalaya (MPP) abgeleistet.
Die NGO ist eine 1985 gegründete Non-Profit-Organisation in Patan
(Lalitpur), die alle Veröffentlichungen in Nepali archiviert und in einer
Bibliothek öffentlich zugänglich macht. Die Vorläufer dieser Einrichtung
gibt es seit den 1940er Jahren, damals kaufte Kamal Mani Dixit, der
jet­zige Vorsitzende von MPP, von seinem Essensgeld die ersten Bücher.
Später kamen Schenkungen und Spenden von Wissenschaftlern, Dichtern
und Mitgliedern der Königsfamilie hinzu.
Madan Puraskar Pustakalaya ist das Hauptarchiv für Veröffentlichungen
in Nepali, der Muttersprache von 30 Millionen Menschen in Südasien. Die
Bücherei umfasst 27.000 Titel. Jedes Jahr werden 200.000 Seiten mikroverfilmt. Das Arbeitsfeld von MPP umfasst nicht nur die Archivierung,
sondern auch die Erhaltung und Konservierung von historischem Material und die Dokumentation der Geschichte Nepals durch Fotoaufnahmen
(Wandel im sozialen, politischen, architektonischen Bereich).
Während meines einjährigen Aufenthaltes habe ich ein neues Arbeitsfeld
für MPP erschlossen – die Audio-/Videodigitalisierung.
Ich beriet meine Partnerorganisation bei der Planung, der Beschaffung und
der Installation eines Arbeitsplatzes für den non-linearen Schnitt sowie für
die Digitalisierung vorrangig von analogen Magnetaufzeichnungen und
bei der standardkonformen Indexierung der Materialien. Um meinen
Kollegen die Einarbeitung zu erleichtern, habe ich Workshops gegeben
sowie eine ausführliche Dokumentation verfasst.
Ich habe an Fotoreportagen zu politischen, kulturellen und sozialen Themen
gearbeitet, u. a. über das Leben der Sadhus (asketisch lebende Mönche),
über die Generalstreiks und die daraus folgende politische Lethargie.
Durch einen nepalesischen Freund habe ich Sushil kennengelernt – einen
ehemaligen Straßenjungen, welcher jetzt als Dokumentarfilmer im sozialen Bereich tätig ist.
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Straßen-Kinder
Fasziniert von seiner Hingabe und dem Herzblut, mit welchem er sich
für die Straßenkinder einsetzt und an seinen Projekt arbeitet – zugleich
auch geschockt von seinen Erzählungen über das Leben auf der Straße –
habe ich mich intensiver mit der Situation der Straßenkinder Kathmandus
beschäftigt.
Durch die Hilfe meiner Partnerorganisation MPP und der eines nepalesischen Freundes ist die Idee entstanden, mit Hilfe dieses gbooks, einer
möglichen Ausstellung oder über ein anderes Medium auf die dortige Situation aufmerksam zu machen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Zugleich wird das Material für das Archiv meiner ehemaligen Partnerorganisation im Bereich Sozialdokumentation
verwendet. Die Straßenkinder sollen bei der
Betrachtung zur Selbstreflexion angeregt
werden. Die wiederum soll das Bewusstsein
der Straßenkinder dahingehend ausrichten,
die Folgen des Lebens auf der Straße aus
einer anderen Perspektive wahrzunehmen
und zu begreifen, dass es Hilfe gibt, aber
man diese auch zulassen muss.
Sebastian Wolligandt, Nepal
Kathmandu – Es darf geträumt
werden
Einige kommen mit Träumen in Hauptstadt – wollen Pilot oder Schauspieler werden, andere fliehen, weil sie es zu Hause nicht mehr aushalten, einige werden von ihren Eltern zum Arbeiten fortgeschickt und viele Kinder
werden – mit dem Glauben ihrer Eltern, eine gute Bildung zu erhalten –
an dubiose Waisenhäuser gegeben. Zudem flohen infolge des zehnjährigen
Bürgerkrieges viele Familien vom Land in die Hauptstadt. Die Infrastruktur allerdings ist dem Bevölkerungsanstieg bis heute nicht gewachsen.
Zwischen 1996 und 2006 befand sich die kommunistische Partei Nepals
(Maoisten) im Bürgerkrieg gegen die Monarchie und das hinduistische
Klassensystem. In diesem Zeitraum starben ungefähr 13.000 Menschen.
Infolge des 11. September 2001 wurden die Maoisten als Terroristen deklariert, dadurch kam es zu massiven Waffenlieferungen seitens der USA. In
dem folgenden halben Jahr starben mehr Menschen als in den gesamten
zehn Jahren des Bürgerkrieges zuvor. 2006 wurde der Waffenstillstand
beschlossen, 2007 die Monarchie abgeschafft, 2008 die Republik ausgerufen. Bei den ersten Wahlen traten die Maoisten als stärkste Kraft hervor.
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Straßen-Kinder
Seit 2008 soll eine neue Verfassung erarbeitet werden, dieser Termin wird
immer wieder verschoben.
Am 14. März wurde die Regierung Bhattarai von einer Interimsregierung
abgelöst. Voraussichtlich für November 2013 sind Neuwahlen angesetzt.
Die größten Herausforderungen bei der Ausarbeitung der zukünftigen
Verfassung bleiben die Ausgestaltung eines künftigen föderalen Systems
und die Art und Weise der Partizipation und Repräsentierung der zahlreichen Ethnien des Landes – und wieder hoffen die Nepalesen_innen, dass
ihr Land aus der politischen Lethargie und der Korruption in eine prosperierende Zukunft geführt wird.
Die wesentlichen Gründe, warum Kinder auf die Straßen kommen, sind
laut Report Nepal Concerned Centre (2010):
41% verlassen ihr Zuhause aufgrund häuslicher Gewalt
27% durch Beeinflussung durch Freunde/Gleichaltrige
19% aus wirtschaftlichen Gründen
13% wegen Nichtintegration in die Familie u.a. durch Scheidungen
1.900 Kinder leben in den Straßen von Kathmandu, der Hauptstadt
Nepals – keines von ihnen wird Pilot oder Schauspieler. Ihr Alltag ist
geprägt von Betteln, Klebstoff schnüffeln und eigentlich nur Kind sein
wollen, Fußball spielen, geliebt werden. Leider gelingt es kaum jemandem aus dem Teufelskreis zu entkommen. Die meisten älter gewordenen
Straßenkinder rutschen immer weiter in kriminelle Kreise ab, arbeiten als
Drogendealer oder Zuhälter.
Wenn man gewieft ist, kann man auf der Straße ganz gut Geld verdienen. Man lässt sich von Touristen teure Kekse oder Milchpulver kaufen,
diese werden dann mit etwas Verlust zurück verkauft und von diesem
Erlös kaufen die Kinder leider meistens Klebstoff. Ein weiterer Trick ist
es, Bandagen und Schweineblut zu kaufen und als „Verletzter“ betteln zu
gehen.
Mädchen sieht man auf den Straßen so gut wie gar nicht, wahrscheinlich hätten sie nur wenige Tage, bis sich an ihnen vergangen wird und
wenige Wochen bis zur Verschleppung in indische Bordelle – dort sind
nepalesische Mädchen aufgrund ihrer helleren Haut begehrter als indische
Mädchen. Laut einer Studie des Nepal Concerned Centers (CWIN) aus
dem Jahr 2009 sind landesweit 5% der 5.000 Straßenkinder Mädchen.
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Straßen-Kinder
In Kathmandu gibt es viele Waisenhäuser und andere Organisationen,
welche den Kindern helfen wollen. Direkt von der Straße in ein Waisenhaus funktioniert meistens nicht, die Kinder vermissen ihre Freiheit und
reißen wieder aus.
Waisenhäuser fungieren für die Betreiber als gute Einnahmequelle, oft
werden mehrere Patenschaften gleichzeitig für ein und dasselbe Kind
vermittelt. Davon profitieren in der Regel die Heimleiter und ihre Familien, die Kinder erhalten keine Schulbildung, schlafen auf dem nackten
Boden, werden misshandelt. Die meisten Kinder in diesen Waisenhäusern
kommen aus kleinen abgelegenen Dörfern – den Eltern verspricht man
vieles – und fungieren oftmals nur für das Geschäft mit dem Mitleid.
Natürlich gibt es auch viele Organisationen, die den Kindern wirklich
helfen: Streetworker überwachen den Gesundheitszustand der Kinder und
ermöglichen eine grundlegende medizinische Versorgung, es gibt auch
seriöse Waisenhäuser und Organisationen, welche eine warme Mahlzeit
pro Tag an Kinder und andere Bedürftige verteilen. Leider ist vieles nur
ein Tropfen auf den heißen Stein. Damit den Kindern wirklich langfristig
geholfen werden kann, muss man sie langsam an ein Leben abseits der
Straße heranführen, ihnen klar machen, welche Zukunft sie auf der Straße
haben und vor allem muss man ihnen Fertigkeiten und eine grundlegende Schulbildung vermitteln. Nur dann haben sie eine Chance aus diesem
Teufelskreis zu entkommen.
Möglichkeiten, die aus Sicht der Kinder helfen würden, die Straße zu
verlassen (Report Nepal Concerned Centre, 2010):
33.3% wenn sie jemand beschützen würde
25% wenn man sie zu Hause liebevoll wieder aufnehmen würde
16.7% haben keine Idee
25% keine Angabe
Sebastian Wolligandt, Nepal
Tag und Nacht
Sobald die Nacht zu Ende geht und der neue Tag langsam hereinbricht,
wachen die Straßenkinder von Thamel, dem Touristenstadtteil von Kathmandu auf. Inzwischen ist auch die Stadt aus dem Schlaf erwacht. Das
Treiben wird immer geschäftiger, die Rollläden werden hochgezogen und
die Shopbesitzer bereiten sich auf die Touristen vor. Von mobilen Teeschops
aus werden Milch sowie schwarzer Tee angepriesen. Die klare Luft, die
ruhige und friedvolle Atmospähre des Tagesanfangs sind im Nu verflogen
und einem Klangteppich aus Hupen- und Motorengeräuschen gewichen.
Mittendrin im regen Treiben des beginnenden Tages ist auch die Gruppe
von Straßenkindern um den Anführer Anil Tamang.Wenn es sich die Gruppe leisten kann, wird ein morgendlicher Milchtee getrunken, im Anschluss
dann leider meistens schon die erste Tube Flüssigkleber aus einem Plastikbeutel geschnüffelt.
Seit einigen Jahren, immer gegen 11 Uhr – initiiert von dem 5-Sterne
Hotel Annapurna erhalten die Straßenkinder, welche kurz davor keinen
Kleber zu sich genommern haben, eine warme Mahlzeit. Auf dem Speiseplan steht meistens das überaus gesunde und vorzüglich schmeckende
Nationalgericht Dhal Bhat.
Fast ausschließlich werden die jüngeren Kinder zum Betteln geschickt –
da Touristen ihnen gegenüber mehr Mitleid aufbringen. Sehr beliebt ist
auch das Betteln an Ampeln wartenden Kraftfahrzeugen. Die meisten
Touristen schenken den Kids keine große Aufmerksamkeit. Umgekehrt
ist das anders. Sie sind geniale Beaobachter. Sie scannen Touristen in wenigen Sekunden, stellen ein paar Fragen und schätzen sie ein. Der Tourist
bekommt davon meist wenig mit. Diejenigen, die Mitleid empfinden,
werden von den Kindern in wenigen Minuten um die Finger gewickelt.
Oft lassen sich die Kinder von den Touristen teure Produkte wie Milchpulver kaufen, welche dann für ca. den halben Preis an die Shopbesitzer
zurückverkauft werden.
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Straßen-Kinder
Die Monsunzeit ist eine der härtesten Zeiten für die
Kinder, da dann Nebensaison ist und u. a. die Touristen
ausbleiben. Die Kids werden dann zusehends dünner,
der harte Kern bleibt in den Straßen, meist die älteren,
welche dann als Vorbild dienen. Einige begeben sich in
ein Heim, dafür müssen sie aber auf Kleber und andere
Drogen verzichten, Regeln einhalten und Autoritäten
akzeptieren.
Karten und Murmeln spielen sind nicht nur Zeitvertreib, da meistens um Geld gespielt wird. Für einige
Gewiefte ein sehr gutes Auskommen. Eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen ist das Fußball spielen
und manchmal bleiben ein paar Rupien übrig und die
ganze Gruppe kann gemeinsam eines der kleinen nepalesischen Kinos besuchen um einen Bollywood-Film
zu sehen.Das sind die kleinen, seltenen Momente, in
denen sie ihren Alltag so gut wie komplett hinter sich
lassen können und fernab der Gedanken an Kleber,
Gewalt und Geld einfach Kinder sein können.
Zusammenhalt und Freundschaft haben allerhöchs­
ten Stellenwert unter den Kids – die Gemeinschaft
macht sie stark.Trotz der Rangeleien und Streitigkeiten empfinden sie sehr viel Zuneigung füreinander: sie
entlausen sich gegenseitig, streicheln sich gegenseitig
schmerzende Körperteile und kuscheln sich nachts nah
zusammen – einerseits aufgrund der Kälte und andererseits um einen Raum der Sicherheit und Geborgenheit zu schaffen. Denn gerade nachts ist es sehr gefährlich auf den Straßen Kathmandus.
Sebastian Wolligandt, Nepal
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Straßen-Kinder
Einblicke
Anil Tamang 19 Jahre
Kathmandu war für mich immer ein Stern am Himmel, Bollywood, Stars – eine
helle schöne glänzende Stadt.
Mit herrlichen Häusern und riesigen Hotels. Auf dem Land haben wir nur kleine Lehmhütten und Reisfelder – sonst nichts. Ich dachte mir damals, was soll
ich denn hier machen?
Manchmal wollen die Ausländer unseren Penis sehen und dann Fotos
machen, wenn wir pinkeln. Wir finden das eher lustig.
Nicht alle Ausländer sind so lustig, sie kaufen uns manchmal Kekse im
Supermarkt. Dann wollen sie, dass wir mitkommen und Sex dafür machen.
Aber meine Jungs und ich, wir machen so etwas nicht.
Kathmandu muss super sein, meinte ich vor sieben Jahren – und nahm den Bus.
Mein Plan war es, vielleicht so zwei Jahre dort zu bleiben, ein wenig Geld zu
verdienen und dann wieder nach Hause. Jetzt bin ich immer noch hier. Das
Geld liegt hier doch nicht auf der Straße.
Quellen: Dokumentation „Kleine Wölfe“ von Justin Peach und
Lisa Engelbach
Seit fast vier Jahren bin ich der Anführer der Gruppe, die kleineren Jungs gehen
betteln, wir machen 50/50, dafür beschütze ich sie. Das Geld wird auch für
größere gemeinsame Anschaffungen verwendet. Bei fast allen Dingen wird
50/50 geteilt, das stärkt den Zusammenhalt, führt aber auch oft zu Streitigkeiten.
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Straßen-Kinder
Interview: Sebastian Wolligandt
Einblicke
Kamal Pariyar
19 Jahre
Meine Freunde nennen mich alle Kale, aber eigentlich heiße ich Kamal
Pariyar. Ich bin 19 Jahre alt und lebe seit zehn Jahren auf der Straße.
Eigentlich hatte ich eine schöne Kindheit. Ich bin in Pokhara aufgewachsen, einer Kleinstadt, gelegen an einem wunderschönen See, ca. 200 km
entfernt von Kathmandu. Dort bin ich bis zur 2. Klasse auch zur Schule
gegangen, mein Lieblingsfach war Englisch, gern hätte ich auch Spanisch
gelernt.
Dann ist mein Vater gestorben, zusammen mit meiner Schwester bin ich
daraufhin nach Kathmandu gegangen. Meine Mutter und mein Bruder
leben inzwischen auch in Kathmandu. Ich sehe sie aber sehr selten.
Früher war es auf der Straße einfacher, im Moment werden wir sehr oft von
der Polizei aufgegriffen. Sie schmeißen uns dann irgendwo wieder raus oder
geben uns kleine Arbeiten wie Putzen und Müll aufsammeln.
Uns gegenüber sind die Touristen oft aggressiver als die Einheimischen.
Wenn ich Touristen nach Geld frage, schäme ich mich sehr.
Wenn man auf der Straße ist, fängt man halt an zu schnüffeln. Alle meine
Freunde machen das auch. Jetzt bin ich süchtig. Wenn ich schnüffle, bin
ich in einer anderen Welt – total psycho. Mir ist dann schwindelig, ich
laufe durch einen Tunnel und sehe nur noch bestimmte Dinge. Schaue ich
in den Himmel, sehe ich Spiderman. Wenn ich zu den Sternen schaue, sind
da überall Spinnennetze. Manchmal fühlt es sich an, als würde eine Rakete
auf mich fallen. Dann bekomme ich Angst und will wegrennen. Manchmal
stürzen die Häuser um mich herum ein. Manchmal stürzt das ganze Land
ein. So ist es, wenn ich Kleber nehme, so war es auch schon beim ersten
Mal.
Was ich in zehn Jahren machen will, weiß ich nicht. Vielleicht kann ich
zu meiner Schwester, zu meiner Mutter habe ich kein gutes Verhältnis.
Wir wollen für immer so jung und frei bleiben wie jetzt. Ich bin glücklich
hier und will meine Freunde nicht verlassen.
Quellen: Dokumentation „Kleine Wölfe“ von Justin Peach und Lisa
Engelbach und eigenes Interview: geführt von Anil Sapkota, übersetzt
aus dem Nepalesischen von Shyam Neupane und Sophia Glaser
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Straßen-Kinder
Einblicke
Manoj Khada
13 Jahre
Ich bin hier in der Nähe geboren, in Patan, einer Nachbarstadt von Kathmandu, dort bin ich
auch bis zur 2. Klasse in die Schule gegangen.
Als ich ungefähr acht war, ist meine Mutter gestorben, mein Vater ist Alkoholiker. Ich weiß
nicht, ob er noch lebt. Ich habe zwar noch eine Schwester, aber keine Eltern mehr zu haben,
dass ist der Grund warum ich vor vier Jahren auf die Straße gekommen bin. Anfangs hatte ich
es nicht so schwer, ich habe schnell Freunde gefunden – die anderen haben mir alles gezeigt.
Wir sind alle sehr gute Freunde.
Wenn ich nicht erfolgreich genug bettle, habe ich abends halt einen leeren Magen. Touristen
geben eher selten Geld, sie beschimpfen uns oft mit „fuck you“, aber wenn wir von ihnen Geld
bekommen, dann meistens eine ganze Menge 500–1000 Rupien (5–10 Euro).
Nepalesen_innen helfen uns öfters, wir bekommen dann so 5–30 Rupien. Aber oft nennen
sie uns auch Khate (Schimpfwort für Straßenkind). Ich fühle mich dann schlecht und nicht
gewollt.
Wenn ich viel erbettelt habe, kaufe ich mir Kleber, gehe ins Kino oder besorge mir etwas zu
essen. Was ich im Leben erreichen will? Hier bleiben bei meinen Freunden und nicht mehr zur
Schule gehen, in zehn Jahren vielleicht als Touristen-Guide arbeiten.
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Ebook / straßenkinder
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Straßen-Kinder
Quellen: Dokumentation „Kleine Wölfe“ von Justin
Peach und Lisa Engelbach und eigenes Interview:
geführt von Anil Sapkota, übersetzt aus dem Nepalesischen von Shyam Neupane und Sophia Glaser
Einblicke
Sushil Babu Chhetri
23 Jahre
Ich wurde 1990 im ländlichen und isolierten West-Nepal geboren. Als
ich sechs Jahre alt war, verließ ich aufgrund von häuslicher Gewalt mein
Zuhause. Ich hatte keine wirkliche Vorstellung davon, wie es in Kathmandu ist, wie weit es entfernt ist und vor allem, wie ich dort hinkomme.
Sushil Babu Chhetri, geboren im ländlichen
­Westnepal. Hat vier Jahre auf der Straße gelebt.
­M ittlerweile ist er Dokumentar-Filmemacher für
­s oziale Themen und Musikvideos.
Als ich dann Kathmandu erreichte, war ich eigentlich glücklich, ich war
weit weg von dem, wovor ich geflohen war. Tagsüber war es in Kathmandu
vollkommen in Ordnung, aber wenn der Tag voranschritt und die Dunkelheit näher kam, wurde alles verrückt. Ich konnte kein Auge zu tun, ich
versuchte mich wach zu halten und hing herum. Jede Nacht wurde ich
überfallen und zusammengeschlagen.
Die auf der Straße verbrachten Jahre waren so hart und schrecklich. Ich
hielt mich von anderen Straßenkindern fern, ich war nicht in deren Gangs.
Ich war anders, ich hatte oft eine andere Ansicht gegenüber vielen Dingen,
ich hatte eine andere Vorstellung vom Leben und meinen Zielen.
Eines Tages traf ich eine Ausländerin, die mir von einem Waisenhaus
erzählte. Ich vertraute ihr und folgte ihr dorthin – nach Patan, ins „Angels
Home“.
Ich war sehr glücklich, dort Unterschlupf und Sicherheit zusammen mit
17 anderen Kindern gefunden zu haben. Aber alles entwickelte sich ganz
anders, als ich zuvor annahm – es war die Hölle. Niemand durfte eine Schule besuchen, jede Woche wurden wir zum Betteln in die Stadt geschickt
und ständig haben wir im Haus des Organisationschefs gearbeitet. Die
zwei Jahre waren eine schreckliche Zeit.
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Straßen-Kinder
In der Nähe unseres Heimes trafen wir immer wieder eine Amerikanerin.
Sie begann, uns mit Essen zu versorgen und interessierte sich sehr für uns
und die Lebensumstände im Waisenhaus. Langsam begann ich, ihr alles
zu erzählen, vom Betteln gehen, der Arbeit im Haus, der Gewalt und den
anderen Dingen.
Sie versprach uns zu helfen. Wir begannen, uns über die Umstände zu
beschweren. Ich sprach u.a. mit den Leuten vom Nepal Child Welfare
Board. Nach einer Weile kamen sie, um das „Angels Home“ zu besichtigen. Ich erzählte ihnen alles, dass wir mit einem Rohr geschlagen wurden
und von den anderen Dingen.
In einer der nächsten Nächte kam der Chef betrunken nach Hause, er
begann mich zu schlagen und aus dem Haus zu jagen. In dieser Nacht
landete ich wieder auf der Straße.
Ich machte mich auf den Weg zum Haus der Amerikanerin. Ich sagte ihr,
dass ich zurück auf die Straße gehen würde, da es keinen anderen Platz für
mich gäbe. Sie sagte: „Nein Sushil, du bist so talentiert und die anderen Kinder
vom Angels Home brauchen deine Hilfe!“ Sie gab mir zwei- oder dreitausend
Rupien (ca. 20 oder 30 Euro) und kontaktierte jemanden von der Umbrella
Foundation um mich dort vorzustellen.
Jacky Buk, der damalige Landesdirektor war glücklich, mich in der
Umbrella Foundation willkommen heißen zu dürfen. Da ich schon eines
der älteren Kinder war – ich war ja mittlerweile 15 Jahre alt – habe ich
begonnen dort zu arbeiten.
Man bat mich um Hilfe bei der Suche nach den anderen Kindern aus dem
„Angels Home“, da sich das Waisenhaus nicht mehr an dem Ort befand,
an dem es war, als ich dort rausgeschmissen wurde. Ich hatte die Idee in
Kirchen nach den Kindern zu suchen, da wir oft samstags dort zum Beten
waren und dort auch Geld bekommen hatten. Schließlich konnte ich sie
dort auch aufspüren, alle 17 Kinder lebten zusammen in einem kleinen
Raum. All meine Schwestern und Brüder waren krank, ihre Körper waren
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so sehr gezeichnet. Ich war so glücklich, dass wir mit der Hilfe des Nepal Welfare Boards und
in Zusammenarbeit mit der Polizei alle retten konnten.
Seitdem ich neun oder zehn Jahre alt bin, ist es mein Traum Filmemacher zu sein. Als ich
auf der Straße war, sind Ausschnitte des Alltäglichen oft zu einer Art Film in meinem Kopf
verschmolzen. Jetzt, nachdem alle 17 geretteten Kinder wieder aufgepäppelt waren, begann
ich mit allen Leuten und Freiwilligen bei Umbrella ins Gespräch zu kommen, um von ihnen zu
lernen. Ich wollte jetzt nicht mehr in die Schule, ich wollte mir alles selbst beibringen.
Ich habe bei den Freiwilligen gebettelt um mir ihre Laptops zum Filme anschauen ausleihen
zu dürfen. Langsam verbesserte ich mein Englisch. Immer, wenn ich den Tee im Büro serviert
hatte, setzte ich mich neben den Computer-Verantwortlichen und lernte so, wie man Computer und das Internet benutzt. Ich habe immer versucht mir Kameras von den Freiwilligen zu
leihen, um mehr über die Fotografie zu lernen. All diese wunderbaren Menschen dort waren
meine größten Lehrer. Ich bin allen gegenüber, die ihr Wissen mit mir geteilt haben, so sehr
zu Dank verpflichtet.
Mit 17 Jahren begann ich meinen ersten Film zu drehen. Ein
Film über die Arbeit von Umbrella. Man kann diesen noch in
meinem Youtube Channel sehen.
Es war eine wirklich wunderschöne Zeit mit diesen wunderbaren,
unterschiedlichen Menschen, mit komplett verschiedenen religiösen und kulturellen Hintergründen und Ideen. Wir alle hatten
das Glück in einer so schönen Umgebung aufwachsen zu dürfen:
Es war alles da, wir bekamen Kleidung, hatten eine Waschmaschine, jeden Tag etwas zu essen und ein richtiges Bett.
Und doch: Als ich 18 Jahre alt war, wollte ich nicht mehr abhängig sein und entschied mich Umbrella zu verlassen, um meinen
eigenen Weg zu gehen.
Von den 2000 Rupien (ca. 20 Euro) in meiner Geldbörse habe ich mir für zwei Tage eine
Kamera ausgeliehen und ging zurück nach Thamel, dem Ort, an dem ich mein Dasein als
Straßenkind gefristet hatte. Mein Plan war es, Freunde von damals zu treffen, ihre verblüfften
Gesichter zu sehen. Kaum jemanden habe ich wiedergefunden oder erkannt. Entweder waren
sie tot oder die Drogen hatten komplett Besitz von ihnen ergriffen.
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Straßen-Kinder
Ich habe noch etwas Neues gesehen, was ich zuvor so nicht kannte: viele
indische Kinder, die bettelten und die ganze Nacht Plastik sammelten.
Viele sehr arme Familien aus Indien kommen mit der Hoffnung, in Nepal
ein besseres Leben führen zu können. Leider ist dies kaum der Fall, sie
müssen auch ihre Kinder zum Arbeiten schicken.
Das war u.a. Hauptthema meines zweiten Films, den ich an Interessierte
und Schulen gegeben habe. Ich bekam sehr viel positives Feedback, aber
auch oft die Frage gestellt, welche Hilfe sinnvoll sei. Das war eine sehr
große Frage, eigentlich die wichtigste für mich. Ich kam auf die Idee einen
Fonds einzurichten, welcher die Schulgebühren jeden Monat für ein Kind
übernahm – so fing ich an.
In dieser Zeit machte ich Bekanntschaft mit Dr. Gambling, dem Gründer
von Naga Hope. Er war bereit mich zu unterstützen und mir sein Wissen
über Soziale Arbeit in Nepal weiterzugeben. Durch seine Hilfe war es mir
möglich zwei Zimmer in Kalimati, Kathmandu zu mieten – dies wurde
mein Center. Die Kinder kamen am Morgen und wir machten sie für die
Schule fertig. Dort waren sie von 10 bis 16 Uhr, dann kamen sie zurück
und wir haben bei den Hausaufgaben geholfen.
Es hat sich alles sehr gut entwickelt, 50 Kinder besuchen jetzt regelmäßig
die Schule. Das Center habe ich sechs Monate ganz allein betreut, es war
sehr erfüllend aber nach wie vor war es mein Traum Filme zu machen.
um eine Anlaufstelle und gleichzeitig auch Anreize zu schaffen, in den Dörfern zu bleiben. Die
Schulclubs bilden die Grundlage für das eigentliche Projekt: Ich möchte eine Art aufklärendes
Kinder-Online-Fernsehen – produziert von Kindern – etablieren. Über dieses Medium soll den
Kindern eine starke Stimme gegeben werden und den Erwachsenen klar gemacht werden, das
Kinder genauso ein Teil der Gesellschaft sind – mit Rechten. Es soll über soziale Missstände in
Nepal, über die Rechte und Bedürfnisse der Kinder berichtet werden.
Wir möchten Hilfsorganisationen und deren Arbeit eine Plattform geben, damit diese eine
breitere Öffentlichkeit erreichen. Sobald die ersten Ergebnisse vorzeigbar sind, werden wir
diese ins Netz stellen und beginnen für das Projekt zu werben. Im Moment arbeite ich so gut
wie allein an diesem Projekt, aber ich halte immer Ausschau nach kreativen Menschen, welche
sich mir anschließen möchten.
Die beste langfristige Hilfe für Straßenkinder ist es diese auszubilden und Möglichkeiten zu
schaffen, damit die Kinder auf eigenen Beinen stehen können. Getreu dem Motto: Gib mir
kein Brot, sondern zeig mir, wie man es backt!
Interview und Übersetzung: Sebastian Wolligandt
Kontakt und Filme:
Film Flowers in Dust: www.youtube.com/watch?v=aslep0ivZmw
Trailer Film Mero Ateet: www.youtube.com/watch?v=TQKilEYIOkM
Youtube: www.youtube.com/channel/UCkjidQ-8bhL09BY7fOrdAsw?feature=watch
Facebook: www.facebook.com/sushil.b.chhetri.1
Das ist nicht einfach für einen wie mich, der keine Schulklasse abgeschlossen hat und sich alles selbst aneignet. Dennoch habe ich einen Spielfilm
gemacht, der Titel ist Mero Ateet. Der Film ist 90 Minuten lang. Mit
diesem Film im Gepäck bin ich fast durch ganz Nepal gereist und habe
an den Schulen mit sehr vielen Kindern, Lehrern und Eltern gesprochen,
sie auf die Gefahren der Drogen und der Stadt aufmerksam gemacht.
Anhand meiner Lebensgeschichten vermittelte ich, wie das Leben auf der
Straße ist und wie es wohl enden wird: Städte sind nur ein Traum. Im
Moment bin ich in einige soziale Projekte hier in Kathmandu involviert.
Zum Beispiel versuche ich Schulclubs in entlegenen Dörfern zu gründen
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Sushil: zweiter
von links
Umbrella Foundation
Geschichte
NGOs die helfen
Im Folgenden werden vier
NGO`s vorgestellt, die ­S ebastian
Wolligandt kennen gelernt
hat. Natürlich sind in Nepal
noch weitere NGO`s in diesem
Bereich tätig.
Die nordirische Autorin und Lehrerin Viva Bell hat eine Zeit lang in Nepal
gelebt. In den Jahren des Bürgerkrieges sah sie das Land, das sie so sehr
liebte, im Chaos untergehen. Kinder waren die größten Opfer des zehn
Jahre andauernden Bürgerkrieges. Viva fühlte sich machtlos und frustriert
über die Geschehnisse um sie herum. Einfach regungslos zuschauen konnte
sie nicht.
Die Geburt der Umbrella Foundation: 2005
Viva gründete 2005 zusammen mit Dave Cutler die Umbrella Foundation. Mit Hilfe des Nepal Social Welfare Board wurde ein Waisenhaus nach
höchsten Standards gebaut.
Im selben Jahr half die Umbrella Foundation dabei mit, korrupte, in die
eigene Tasche wirtschaftende Kinderheime zu schließen, 48 Kinder wurden
in das neu errichtete Heim aufgenommen, in welchem sie auch heute noch
leben. Viele waren unterernährt und hatten zudem weitere Krankheiten.
Keiner von ihnen hatte eine Schule besucht.
Durch die liebevolle und professionelle Betreuung schöpften die Kinder
erstmals wieder Mut für Ihre eigene Zukunft.
Ein neues Kapitel: 2009
Den Idealen und Visionen – der in den letzten vier Jahren von Viva und
ihrem Ehemann Jacky geleiteten Organisation folgend – engagierte sich
seit 2009 ein junges dynamisches Team aus Dublin.
Es wurde u. a. ein Projekt gestartet, welches die Kinder – unterstützt durch
verschiedene Trainings – dabei begleitete sich wieder in ihre Familien zu
integrieren. Zudem wurden die Bereiche Freiwilligenarbeit und Fundraising ausgebaut.
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Straßen-Kinder
Seit 2010 ergänzen einige nepalesische Sozialarbeiter_innen das nun internationale Team von Umbrella.
Im Laufe des Jahres 2011 verließen die Gründer und weitere Verantwortlich Nepal und kehrten nach Irland zurück. Von dort aus sind sie weiterhin
sehr aktiv bei der Umbrella Foundation in der Funktion von Vorstandsmitgliedern tätig.
Das Team des Jahres 2011-2012
Ende des Jahres 2011 vergrößerte sich das Team und Shan Cogan wurde
der neue Landesdirektor. Vom neuen Team initiiert, entstanden zwei weitere erfolgreiche Projekte:
1_Teaching Placements:
Einer der Gründe, warum Kinder nach Kathmandu kommen, ist, dass sie
in den abgelegenen ländlichen Regionen West- und Ostnepals meist eine
schlechtere Schulbildung bekommen. Genau an diesem Punkt wirkt das
Projekt „Teaching Placements“, in dem Lehrer qualifiziert und Schulen
besser ausgestattet werden, so dass die Kinder eine gute schulische Grundausbildung zu Hause in ihrem Dorf erhalten können.
2_Ein anderes neues Programm heißt „Umbrella Trekking“ und ist eine
Non-Profit Trekking Agentur. Jungen Nepalesen_innen wird die Möglichkeit gegeben im Tourismus Erfahrungen zu sammeln und „UmbrellaKinder“ werden durch dieses Projekt qualifiziert, sie bekommen eine
Perspektive, ein Einkommen und verlassen dadurch die Abhängigkeit.
Fortlaufende Projekte der Umbrella Foundation: Rescue Children
Viele der sogenannten Waisenhäuser vernachlässigen die Grundbedürfnisse
der Kinder komplett – Essen, Bildung, eine sichere Unterkunft, medizinische Versorgung und Liebe.
In Zusammenarbeit mit dem Nepal Child Welfare Board wurden bis heute
350 Kinder aus solchen Situationen befreit.
Children´s Homes
Im Moment sind in der Umbrella Foudation 130 Kinder in fünf unterschiedlichen Häusern untergebracht – eine Art Generationendorf.
In diesen fünf Häusern leben 15–35 Kinder, je nach Alter und Geschlecht
zusammen, zwei Mädchen-Häuser, zwei für kleine und eines für ältere
Jungen.
Jedes dieser Häuser wird von einem nepalesischen Paar mit eigenen Kindern
verwaltet und betreut. Sie fungieren auch als eine Art Eltern; der Umbrella
Foudation ist es wichtig einen Schutzraum mit Familienatmosphäre zu schaffen.
Die älteren Umbrella Kids werden dazu ermutigt sich als „große Schwester“ oder „großer Bruder“ um ein Kind aus einem jüngeren Haus zu
kümmern – in einer Art Patenschaft.
Studierende übernehmen die Funktion von Tutoren_innen. Sie helfen den
Kindern bei den Hausaufgaben und geben Nachhilfe. Die Tutoren_innen
stammen zumeist aus sozial schwachen Familien, im Gegenzug werden sie
von der Umbrella Foundation bei der Begleichung des Schulgeldes finanziell unterstützt.
Re-Integration
Der beste Ort, an dem sich ein Kind gemäß den Traditionen, Werten und
Normen der eigenen Herkunft entwickeln kann und zur Weitergabe dieser
an folgende Generationen beiträgt, ist zu Hause. Ein Großteil der Umbrella-Kids stammt vom Land, aus sehr abgeschiedenen Regionen.
Weil die Eltern ihren Kindern zusätzliche Möglichkeiten eröffnen möchten, schicken sie diese nach Kathmandu. Oft vertrauen die Eltern blind
und der vermeintliche Sozialarbeiter aus der Landeshauptstadt entpuppt
sich als Menschenhändler.
Viele dieser Kinder landen in korrupten Waisenhäusern oder im Ausland
als billige Arbeitskräfte bzw. Sexsklaven. Umbrella versucht, die Kinder
wieder zu integrieren, bei deren Familien es möglich ist.
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Bis heute wurden 130 Kinder in ihre Familien zurück gebracht. Die Kinder
werden weiterhin von der Umbrella Foundation unterstützt, indem sie,
wenn nötig einen kleinen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten bekommen und einen Zuschuss zum Schulgeld erhalten. Der Fortschritt der
Kinder wird regelmäßig von einem Field-Team überprüft, da es leider einige Eltern gibt, welche in Menschenhandel-Aktivitäten involviert sind und
z.B. ihre Kinder in Ziegeleien anstatt in die Schule schicken.
Rasuwa Project
Dieses Projekt versucht u. a. einige der Ursachen des Menschenhandels zu
bekämpfen. Eines der Hauptziele ist es Bildung in die Dörfer zu bringen
und Perspektiven zu schaffen. Die Schulen und Materialien werden verbessert, zusätzliche Lehrer_innen und englischsprachige Freiwillige werden
eingesetzt.
Next Steps Youth & Education Programme
Die Arbeitslosenquote in Nepal ist sehr hoch, selbst
für gut ausgebildete Menschen ist es nicht leicht eine
Anstellung zu bekommen.
Deshalb richtet sich dieses Programm an junge
Menschen, welche die Sekundarschule abgeschlossen
haben. Sie werden auf schulischer, beruflicher und
persönlicher Ebene weiter gefördert, um sie auf ein
eigenständiges Leben – unabhängig von Umbrella –
vorzubereiten.
Quelle: Umbrella Foundation
Sebastian Wolligandt, Nepal
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Straßen-Kinder
Aktiv werden für die Umbrella Foundation:
Als Freiwillige_r:
Im Childrens Home Placement
Im Teaching Placement als Aushilfslehrer
www.umbrellanepal.org/Volunteer
Als Spender_in:
www.umbrellanepal.org/Donate
Als Sponsor_in:
www.umbrellanepal.org/Sponsor_a_Child
Curry Without
Worry
Healthy food for hungry souls
Es wird Abend in Kathmandu. Wie immer dienstags reihen sich Kinder,
Jugendliche und Erwachsene – meist mittel- sowie obdachlos auf dem
ehemaligen Königsplatz und seit vielen Jahren zum UNESCO Weltkulturerbe gehörenden Durbar Squares auf, um auf die Helfer der Organisation
„Curry Without Worry“ mit ihren großen Blechkesseln, gefüllt mit Reis,
Linsen und Gemüse zu warten.
Ziel ist es, nicht nur den Magen zu füllen, sondern auch die Seele und das
Herz erwärmen. Den armen und hungrigen Menschen wird das Gefühl
gegeben, dass jemand für sie da ist, und sie nicht am Rande der Gesellschaft zwar existent, doch unsichtbar sind.
Dieser regelmäßige Termin – immer dienstags, ist gleichzeitig auch eine
Konstante im Leben. Solch ein Gemeinschaftserlebnis schafft Raum für
Austausch und Interaktion, eine Gruppenatmosphäre und dadurch ein
Zusammengehörigkeitsgefühl.
Bei schönem Wetter bereitet das Team um den Präsidenten Mr. Hem Ratna
Shakya die Speisen unter freiem Himmel im Paropakar Orphanage zu. Für
bis zu 200 Menschen wird frisches Gemüse geschnitten, Reis gekocht und
Brotfladen werden ausgerollt.
12.45 Uhr: anderer Ort, anderer Kontinent – ein ähnliches Szenario spielt
sich ab. In San Francisco auf der United Nations Plaza verteilen Freiwillige Reis, Linsen und Gemüse. Der Grund: Nachdem Shrawan Nepali mit
acht Jahren seine Großmutter verloren hatte, lebte er bis zu seinem 16.
Lebensjahr im Paropakar Orphanage in Kathmandu. Nach Abschluss der
Highschool arbeitete er dort als Betreuer.
1985 bekam er die Chance eine Universität in den USA zu besuchen – dort
schloss er ab als MBA in International Business. In der Folge wurde er
ein erfolgreicher Geschäftsmann. Diese Welt verließ er 2001, um in seiner
Heimat etwas von seinem Glück im Leben zurückzugeben. 2001 wurde
die Ama Foundation gegründet, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat,
den ärmsten und schwächsten unserer Gesellschaft – den Kindern, ein
Dach über dem Kopf zu geben und einen Schulbesuch zu ermöglichen.
2006 zurück in den Staaten, gründete er „Curry Without Worry“ San
Francisco und 2011 folgte „Curry Without Worry“ Kathmandu.
Wie kann man helfen:
Man kann bei der Zubereitung mithelfen, einen
kleinen Beitrag für das Gemüse und Reis leisten –
das Essen pro Aktion kostet ca. 250 Euro – oder den
Verantwortlichen eine nette Mail schreiben, dass
man deren Arbeit sehr wichtig findet.
www.currywithoutworry.org.np
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Ebook / straßenkinder
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Straßen-Kinder
CWIN Nepal
Child Workers in Nepal Concerned
Centre
Nach einem Jahr Überlegungen entwickelten sie die grundlegenden
­Visionen, Philosophien, Strategien und Aktionspläne, um ihre neue Initiative zu starten. Ziel war der Aufbau einer sozialen Bewegung, gewidmet
den Kinderrechten, welche sich gegen alle Formen der Ausbeutung und
Knechtschaft von Kindern richten sollte.
Formal als Organisation wurde „Child Workers in Nepal Concerned
Zentrum (CWIN)“ am 1. Januar 1987 als erste Kinder-Rechte-Organisation in Nepal gegründet.
Geschichte
Projekte und Aufgaben (Auswahl):
An einem schönen Frühlingstag 1986 diskutierten junge Studierende im
Garten der Tribhuvan Universität Kathmandu über die eigene Zukunft
und der des Landes. Alle hatten einen unterschiedlichen sozialen Hintergrund, aber eines hatten sie gemeinsam: Sie waren studentische Aktivisten.
Sie waren ein Teil der Menschenrechts- und Pro-Demokratiebewegung der
80er Jahre in Nepal. Erschrocken waren sie vor allem, mit welcher Blindheit die Probleme und Ausbeutung der Kinder von einem Großteil der
Gesellschaft wahrgenommen wurden.
Forschungs- und Informationszentrum: Ziel ist, das Bewusstsein der
Menschen für solche Themen zu sensibilisieren und den Einfluss auf die
Politik zu vergrößern. Jedes Jahr werden von CWIN ein Bericht zur Situation der Kinder in Nepal und einigen anderen Themen wie Kinderheirat
und Menschenhandel publiziert.
Die schwerwiegendsten Probleme dieser Zeit und bisweilen heute noch
sind:
• Hohe Rate der Kindersterblichkeit,
• Missbrauch und Ausbeutung von Kindern,
• Beteiligung von Kindern in ausbeuterischen und
gesundheitsschädlichen Arbeitsbereichen,
• Existenziell notwendige Kinderarbeit,
• Menschenhandel
Zu dieser Zeit wurden die Rechte der Kinder und so etwas wie ein Sozialstaat lediglich als Akt der Nächstenliebe angesehen. Die Rechte der Kinder
aber sollten – so die Aktivisten – integraler Bestandteil der Gesellschaft
werden.
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Straßen-Kinder
Kindernottelefon – 1098 :
Das gebührenfreie Sorgentelefon ist eine Kooperation des Sozialministeriums (Ministry of Women, Children and Social Welfare), mit Nepal Telecom und der Nepal Telecommunications Corporation
Mittlerweile ist das Telefon aus fünf der größten Städte des Landes erreichbar – der Service in ländlichen Regionen befindet sich im Aufbau.
Häufig angefragte Unterstützung bzw. Hilfe:
• Notfall/Unfall-Hilfe: 41 Jungen, 30 Mädchen
• Notunterkunft: 51 Jungen, 27 Mädchen
• Ambulanz: 24 Jungen, 31 Mädchen
• Erste Hilfe: 4 Jungen, 5 Mädchen
• Krankenhausbehandlung: 4 Jungen, 9 Mädchen
• Psycho-soziale Beratung/Lebenshilfe: 85 Jungen, 59 Mädchen
• Rechtsbeistand: 12 Jungen, 23 Mädchen
• Familien-Reeintegration: 33 Jungen, 20 Mädchen
• Förderung (schulisch):12 Jungen, 17 Mädchen
• H
ilfe beim Auffinden vermisster Kinder: 42 Jungen, 21 Mädchen
• Nachfolge-Anrufe: 53 Jungen, 43 Mädchen
Kinderschutz Zentrum:
In der Nähe des zentralen Busplatzes in Kathmandu betreibt CWIN ein
Informationszentrum, welches einen dem Nottelefon ähnlichen Service
anbietet wie:
Psychosoziale Beratung/Lebenshilfe, Notfall/Unfall Hilfe, Familien-Reintegration, Rechtsbeistand.
Des Weiteren wird ein Beratungszentrum für über 14-jährige betrieben,
dort erhalten sie Unterstützung um in ein eigenständiges Leben zu starten.
Auch junge Handwerker und Unternehmen erhalten Unterstützung und
Beratung.
CWIN Bildungsprojekt:
Da die meisten Menschen in Nepal unterhalb der Armutsgrenze leben,
nimmt die Priorität der Bildung der Kinder eine untergeordnete Rolle
ein – Armut, Unterentwicklung, Analphabetismus, Unwissenheit, ländliche Rückständigkeit und Konservatismus berauben die Kinder um eines
ihrer grundlegenden Rechte: der Bildung. Weitere negative Faktoren, die
Bildung verhindern, sind: Kinderarbeit, Kinderehe, Mädchenhandel, das
System der Zwangsarbeit und die immer noch vorherrschende Benachteiligung und Diskriminierung einiger Bevölkerungsgruppen durch das mittlerweile abgeschaffte Kastensystem, das trotzdem noch wirkt.
Des Weiteren mangelt es an einer wirksamen Bildungspolitik seitens der
instabilen und oft lethargischen nepalesischen Regierung, an einer strategischen Planung, an alternativen Bildungssystemen und an Investitionen
in den Bildungssektor.
Deswegen sollen die Eltern sensibilisiert werden, die Nichtzugänge zur
Bildung nicht zu akzeptieren. Kinder sollen sich ihrer Chancen und Rechte
bewusst werden.
Dazu gibt es folgende spezifische Ziele:
• P
ädagogische Unterstützung durch Stipendien und Bereitstellung
von Lehrmaterialien für Kinder in Not und Gefahr.
• Aufklärung und Sensibilisierung der Vorteile von Bildung für die
Gemeinschaft – es wird auch besprochen, welche Gefahren und
Nachteile mit dem Analphabetismus einhergehen.
• Motivierung der Gemeinden für eine kindergerechte und
vor Ausbeutung und Missbrauch geschützte Umgebung zu
sorgen, damit die Kinder sich zu individuellen Persönlichkeiten
entwickeln und ihr volles Potential ausschöpfen können.
• Durchführung von Kampagnen zur Interessenvertretung und
Sensibilisierung
• Druck auf die verantwortlichen Behörden ausüben, Mitwirkung
bei der Formulierung und Umsetzung von Aktionsplänen im
Bereich Bildung.
www.cwin.org.np
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Ebook / straßenkinder
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Straßen-Kinder
Khushi
Helping street children
Auf Deutsch übersetzt bedeutet „Khushi“ so viel wie Freude und Glück –
das ist, was sie mit ihrer Arbeit in den Alltag der Kinder einkehren lassen
möchten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Organisationen nimmt Khushi keine
Kinder auf, die Organisation dient vielmehr als Vermittlungs- sowie Beratungsstelle, auch als eine Art Jugendclub.
Seit 2009 sind von Montag bis Freitag die Türen für Kinder und junge
Erwachsene geöffnet. Die Arbeit mit den Straßenkindern ist sehr unterschiedlich, abhängig von der Persönlichkeit und den individuellen Bedürfnissen der Kinder.
Khushi vermittelt die Kinder an vertrauenswürdige Waisenhäuser und
Schulen, überprüft ihren Gesundheitszustand oder stattet sie einfach nur
mir neuer Kleidung aus. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die moralische
Unterstützung der Kinder – mit schwester- und brüderlichen Ratschlägen.
Von Zeit zu Zeit beschäftigt Khushi auch Freiwillige.
Büro in Nepal:
KHUSHI NEPAL
khushinepal@gmail.com
Für Spenden:
http://khushihs4.wix.com/khushi#!__khushi-gb/donation
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Straßen-Kinder
Don`t give
me money,
give me a
future
Fallgeschichten
“The worst thing you can do is to give a street child money, but the next worse
thing you can do is nothing!” Aus dieser Überzeugung heraus und der Vision, aus Straßenkindern integrierte Mitglieder der Gesellschaft zu machen,
entstand vor gut zehn Jahren ICare. Diese Organisation wird nicht aus
wirtschaftlichen Interessen betrieben, sondern ist eine NGO (NichtRegierungs-Organisation) und NPO (Non-Profit-Organisation), die sich
allein aus Spenden finanziert und sich der Entwicklung von langfristigen
Lösungsstrategien für die Probleme von Straßenkindern verschrieben hat.
Gegründet wurde ICare in Durban, Südafrika, doch mittlerweile hat sich
das Arbeitsfeld auch auf Johannesburg ausgeweitet. Es besteht eine enge
Zusammenarbeit mit Schulen und Partnerorganisation, wie z.B. der FoodBank South Africa, die wie die Tafel in Deutschland Lebensmittel, die ansonsten vernichtet würden, an Hilfsbedürftige verteilt und anderen Projekten
wie Myschool, eine der größten Fundraising-Organisation Südafrikas, die
Gelder für Schulen und gemeinnützige Organisationen sammelt.
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Ebook / straßenkinder
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Straßen-Kinder
ICare, was so viel heißt wie: „Ich kümmere mich“, ist in seinem Engagement maßgeblich geprägt durch den christlichen Ethos, der der Gründung zugrunde lag. Die Mitarbeitenden sind allermeist von dem Wunsch
bestimmt, in den Kindern der Straße den Nächsten zu sehen,
der ihrer Zuwendung bedarf. Im Gegensatz zu anderen Straßenkinder-Organisationen verfolgt ICare einen nachhaltigen und
langfristigen Ansatz, um die Kinder aus dem Teufelskreis von
Armut, Hunger, Dro­gen­abhängigkeit, (sexueller) Gewalt und
medizinischer Unter­versorgung zu führen.
Zur Verwirklichung ihrer Vision, aus ehemaligen Straßenkindern verantwortungsbewusste Mitglieder der Gesellschaft zu
formen, entstand der eigens entwickelte ICare-Cycle, der dem
Teufelskreis eines „Straßenalltags“ in gewisser Weise symbolisch
gegenübersteht.
Der ICare-Cycle beginnt mit dem Ziel, auf die Probleme und
Gefahren, denen Straßenkinder ausgesetzt sind, aufmerksam zu
machen und ein Bewusstsein in der Bevölkerung dafür zu schaffen, welche Hilfe wirklich sinnvoll ist und welche nicht. Konkret
bedeutet das Schulbesuche und Gespräche mit Schülern, um
sie vor den Gefahren eines Lebens auf der Straße zu warnen
und Öffentlichkeitsarbeit durch das Verteilen von Aufklebern und Flyern
mit der eindeutigen Botschaft aus Sicht der Betroffenen: „Don’t give me
money… Give me a future!“ Dieser Slogan appelliert zum Beispiel an die
Autofahrer, die an Ampeln und auf Parkplätzen Geld geben, womit den
Straßenkindern langfristig nicht geholfen ist, sondern sie sogar im Teufelskreis der Armut gefangen hält.
Die eigentliche Interaktion mit den Straßenkindern beginnt im zweiten
Modul des ICare-Cycle mit dem „Outreach“, was so viel heißt wie Kontakt­
knüpfen auf der Straße. Der dafür speziell ausgebildete Mitarbeiter, Donation, hat für seinen täglichen Einsatz ein Auto zur Verfügung. Ein gewöhnlicher Tag beginnt für ihn damit, die sogenannten current boys an ihrem
Schlafplatz abzuholen, um sie gegen 8 Uhr zum Hopecentre, einer ersten
Anlaufstelle von ICare, zu bringen. Am Nachmittag werden sie dann wieder
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Ebook / straßenkinder
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Straßen-Kinder
an gewünschtem Ort abgesetzt. In der Zwischenzeit ist Donation in und
um Durban unterwegs, um schon bekannte Kinder zu treffen und neue
Gesichter kennen zu lernen. Sein Ziel ist es, durch regelmäßigen Kontakt
allmählich Vertrauen aufzubauen und die Hintergründe zu erfahren, die
die Kinder auf die Straße trieben. Dafür gibt es spezielle Fragebögen, mit
denen Informationen nicht nur über den Namen und das Alter, sondern
auch über den gesundheitlichen Status, die familiären Verhältnisse und z.B.
den Drogenkonsum gesammelt werden. Das Ziel, ein so gutes Verhältnis aufzubauen, dass die Jungs mit zum Hopecentre kommen wollen, ist
normalerweise erst nach mehrwöchigem Outreach erreicht. Immer wieder
kommt es auch vor, dass Jungs, die schon für längere Zeit unter der Obhut
von ICare waren, rückfällig werden und wieder auf der Straße landen. In
diesem Fall beginnt die Arbeit für Donation wieder von neuem.
Für die current boys, die jeden Morgen gegen 8 Uhr von Donation abgeholt
werden, beginnt der Tag im Hopecentre mit der Gelegenheit zu duschen
und einem Frühstück, worauf ein vielfältiges Programm folgt, das sich mit
kleineren und größeren Pausen bis in den Nachmittag erstreckt. Aufgrund
der christlichen Prägung der Organisation nehmen Gesang, Gebet und
Andachten (die sogenannten bible studies) eine größere Rolle ein. Zum Teil
von außerhalb kommen dafür kirchliche Jugendarbeiter, um den Jungs
christliche Werte zu vermitteln. Zudem gibt es Theater- und Kunstunterricht oder freie Zeit zum Fußballspielen und Schwimmen.
Die Gruppenzusammensetzung im Hopecentre ist zum Teil sehr wechselhaft
und es dauert meist einige Wochen, bis sich eine Gruppe von 15-20 Jungs
herausgebildet hat, die täglich hierher gebracht werden und aus eigenem
Antrieb nach einer Veränderung in ihrem Leben streben. Dies ist für ICare
sehr wichtig, denn die Zeit im Hopecentre stellt in erster Linie eine Vorbereitung auf eine lang andauernde Entwicklung dar, bei der das eigene Interesse nach einer besseren Zukunft unerlässlich ist.
Das Rehabilitationszentrum Kuthaza, ein wenig außerhalb Durbans gelegen, ist eine weitere wichtige Einrichtung, in der die Kinder nach der Zeit
im Hopecentre ein zwölfwöchiges Programm durchlaufen können, wo sie nun
zum ersten Mal auch zusammen wohnen. Sozialarbeiter und Lehrer helfen
den Jungs dabei ihre Abhängigkeiten zu überwinden und sich in Stärkung
des Selbstwertgefühls, Zielorientierung und Beziehungsarbeit zu üben.
Mit einem Zertifikat für die Teilnahme und einer großen Feier bei gelungenem Abschluss endet dieses Rehabilitationsprogramm, jedoch nicht die
weitere Begleitung durch ICare. Während der Zeit, in der die Kinder im
Hopecentre oder Rehab integriert sind, findet zeitgleich eine enge Zusammenarbeit mit den Familien statt, um einerseits die häuslichen Probleme
zu erforschen, und andererseits zu bewerten, ob es sinnvoll ist, die Kinder
zu gegebenem Anlass wieder nach Hause zu entlassen. Falls sie wieder
zu ihren Familien zurückkehren können, beginnt für ICare das AftercareProgram, bei dem die Entwicklung der Kinder durch Besuche bei der Familie und in der Schule, überprüft wird. Im anderen Fall, wenn die familiären
Verhältnisse für eine Reintegration zu schwierig sind, bleiben die Jungs
weiterhin in der Obhut von ICare. Während des sogenannten Housings,
einem weiteren Angebot der Organisation, beginnt für die Kinder ebenso
wieder der schulische Betrieb, jedoch wohnt jeweils eine kleine Gruppe von
ihnen mit einem Betreuer weiterhin in Wohnhäusern von ICare.
Wenn all diese Teilbereiche mit Erfolg durchlaufen wurden, besteht die
gute Möglichkeit, dass aus den einstigen Straßenkindern Jugendliche und
Erwachsene mit Schulabschluss werden, die daraufhin einen Beruf ergreifen können und im besten Fall ihre Erfahrungen einsetzen, um selbst anderen Straßenkindern die so wichtige Hilfe anzubieten.
Benjamin Eichert, Südafrika
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Straßen-Kinder
Ajiko Mary 18 Jahre
Ich bin 18 Jahre alt und Ende des Jahres werde ich
meinen S4 Abschluss1 machen. Seit vier Jahren lebe
ich im Emmanuelshaus in Jinja. Wir sind 33 Mädchen,
die Jüngste ist sieben und die Älteste 22 Jahre alt. Jede
von uns hat eine eigene Geschichte, doch einen kleinen Teil haben unsere Geschichten gemeinsam: Wir
alle lebten eine Zeit auf der Straße und konnten aus
verschiedenen Gründen nicht nach Hause zurückkehren bzw. haben kein zu Hause mehr. Meine Geschichte
möchte ich euch heute erzählen.
Ich komme aus Masese, einem Slum in Jinja, in dem
fast nur Karamajongs2 leben. Meine Eltern wollten
hier eine neue Existenz aufbauen. Jobs gab es jedoch
keine und Land besaßen wir nicht. Mein Vater nahm
mich mit zwei Jahren das erste Mal mit zum Betteln
in die Stadt. Nachdem er gestorben war, musste ich
mit meinen älteren Schwestern allein auf die Straßen,
um abends Geld nach Hause zu bringen. Wir suchten
nach Brauchbarem im Müll, sammelten Kohle, sortierten Bohnen, Reis und Erdnüsse, bettelten.
Als ich sieben war, entdeckte mich ein Sozialarbeiter des CROs3 beim Betteln und brachte mich in das
Tageszentrum. Hier konnte ich in die Rehabilitationsklasse gehen, mich waschen, spielen und eine Mahlzeit
zu mir nehmen. Nach zwei Jahren Rehabilitationsprogramm begann ich die normale Schule. Es machte mir
Spaß, aber abends konnte ich meiner Mutter kein Geld
mehr bringen und wurde deshalb oft geschlagen. Als
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Straßen-Kinder
ich in der 3. Klasse war, war der Druck so groß, dass
ich das erste Mal die Schule abbrach. Ich schloss mich
meiner alten Gruppe rund um meine ältere Schwester
an.
Einige meiner Freundinnen erzählten mir, dass man in
Kampala mehr Geld verdienen könne – mehr Touristen, mehr Müll, bessere Jobs. Also beschlossen wir
nach Kampala zu gehen.
Unsere Hoffnungen wurden enttäuscht. Das Leben
in Kampala war sehr schwer. Wir arbeiteten hart und
kehrten doch nach zwei Jahren zurück nach Jinja. Als
ich gerade in den Müllcontainern nach Scrub4 suchte und mich die Sozialarbeiter des CROs entdeckten,
bekam ich erneut die Chance, in die Schule zu gehen
und schlief auch wieder zu Hause. Nach den Abschluss­
prüfungen der vierten Klasse haben mich einige
Mitschüler/innen gesehen, als ich dreckverschmiert in
einem Müllcontainer stand und darin wühlte. Ich habe
mich so sehr geschämt, dass ich nicht mehr zur Schule gehen wollte. Deswegen bin ich mit einer Freundin
wieder nach Kampala abgehauen. Hier wurden wir
von den Behörden verhaftet – es ist nicht erlaubt auf
der Straße zu schlafen – und kamen in ein Kindergefängnis. Zu meinem Glück wurden in dem Jahr die in
ganz Uganda verteilt lebenden Karamajongs zurück in
ihre Herkunftsregion geschickt. Die Beamten kamen
auch zu uns ins Gefängnis und nahmen alle Karamajongs mit nach Moroto5.
So kam ich zum ersten Mal nach Karamoja. Natürlich kannte ich mich kein bisschen aus. Irgendwie
bekam ich trotzdem Unterschlupf und über komplizierte Zufälle erfuhr die Lehrerin des CRO von meinem
genauen Aufenthaltsort und ließ mich zurück nach
Jinja holen.
Nach heftigen Diskussionen erlaubte meine Mutter
meinen Schulbesuch. Endlich hatte ich das Gefühl an
der neuen Schule zur Ruhe zu kommen.
Als ich in der 6. Klasse war, kam meine ältere Schwester schwanger aus Kampala zurück. Nach der Geburt
eines Jungens namens Sadat wurde sie sehr krank und
verstarb nach drei Wochen im Krankenhaus. Kurz
vor ihrem Tod übergab sie mir die Verantwortung für
Sadat.
Ich war verzweifelt. Ich konnte nicht zur Schule gehen,
Geld auftreiben und mich um das Baby kümmern. In
meiner Verzweiflung hatte ich einen schweren Streit
mit meiner Mutter, woraufhin sie versuchte sich umzubringen. Ich nahm das Ersparte meiner Schwester, um
meiner Mutter jeden Tag ein bisschen davon für Milch
zu geben, ging aber selbst weiter zur Schule. Als dieses
Geld aufgebraucht war, wurde Sadat sehr krank. Ich
versuchte ein Kinderheim für ihn zu suchen, was meine
Mutter jedoch verweigerte. Glücklicherweise fand ich
eine Mitarbeiterin einer NGO, die uns regelmäßig
Nahrung für Sadat brachte. Die Situation zu Hause
wurde immer schwieriger. Meine Mutter begann zu
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trinken. Sie konnte sich nicht mehr kontrollieren,
wurde wieder gewalttätig.
Heute werde ich noch immer durch die Situation zu
Hause abgelenkt. Oft verpasse ich die Schule, weil
ich mit Sadat zum Arzt gehe. Aber ich bin sehr dankbar für die vielen Chancen, die ich in meinem Leben
bekommen habe. Ich bin die einzige Person aus meiner
Familie, die es so weit geschafft hat. Das Verhältnis
zu meiner Mutter hat sich gebessert. Wenn ich nach
Hause komme, schläft sie auf dem Boden, damit ich in
ihrem Bett schlafen kann.
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Straßen-Kinder
1 Vgl. 11. Klasse
2 Lange vertriebenes Nomadenvolk aus dem Nordosten
Ugandas, 400 km von Jinja entfernt
3 Child Restoration Outreach, 1992 gegründetes
Rehabilitationszentrum für Straßenkinder
4 Scrub: Schrott, genauer: alles im Müll, was von
Schrotthändlern angekauft wird, also kleine verrostete
Eisenstücke, alte Schrauben, leere Farbeimer, kaputte
Plastikteller
5 Hauptstadt Karamojas
Leonie Günster, Uganda
Juan Carlos
17 Jahre
Mein Name ist Juan Carlos. Ich bin 17 Jahre alt, seit
fünf Jahren lebe ich im Hogar Sucre, einem Zentrum
für Kinder, die ihre Eltern verloren haben, die abgegeben oder misshandelt worden sind, einige von uns sind
auch von Zuhause abgehauen. Wir sind nur Jungs, die
Mädchen leben in anderen Zentren in Sucre.
Meine Eltern leben noch. Doch das weiß ich auch
erst seit drei Monaten. Meine Geschichte ist lang und
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kompliziert. Am Anfang lebte ich mit meinen Großeltern auf dem Land in der Nähe von Sucre. Bis ich
ungefähr fünf Jahre alt war, so genau erinnere ich mich
nicht mehr. Meine Eltern habe ich nie kennengelernt.
Meine Oma hat mir mal erzählt, sie würden in Argentinien leben, um dort Geld zu verdienen. Mein Opa
war ein böser Mann, er hat mich geschlagen. Also bin
ich irgendwann abgehauen. In Sucre traf ich meine
„Tia“. Ich sagte zu ihr Tante, aber verwandt war ich
mit ihr nicht. Sie war nett und nahm mich mit nach
Cochabamba. Cochabamba kam mir riesig vor. Ich
verlor meine „Tia“ und so kam ich nach Chapare nicht
weit von Cochabamba. Die Gegend ist wunderschön.
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Straßen-Kinder
Es gibt Bäume, Affen, es ist heiß und du kannst in den
Flüssen baden. Jeden Tag waren wir baden. Dort bin
ich von Familie zu Familie gezogen. Ich kenne ganz
Chapare. Das war eine schöne Zeit. Die Menschen
haben mich gut behandelt. Ich bin nicht in die Schule
gegangen. Eines Tages nahm mich ein Ehepaar wieder
mit nach Cochabamba. Ich war so acht oder neun Jahre
alt. Dort brachten sie mich in einen Hogar, ähnlich wie
der Hogar Sucre. Dort habe ich mich wohlgefühlt.
Ich fand gute Freunde und ging das erste Mal in die
Schule. Dort gab es auch Voluntarias, die sich um uns
gekümmert haben. Sie machten Ausflüge mit uns und
kauften uns Eis. Als sie gingen, waren wir alle sehr
traurig. Einige haben sogar geweint.
Als ich 12 war, fand man meine Großeltern und
deshalb haben sie mich zurück nach Sucre geschickt.
Aber nicht zurück zu meinen Großeltern – man traute
es ihnen nicht zu auf mich aufzupassen und für mich
zu sorgen – sondern in den Hogar. Der Hogar hier ist
riesig. Wir haben zwei Fußballplätze und viel Platz
zum Anbauen von Gemüse. Als ich hier hingekommen bin, war alles grün. Wir haben Mais, Tomaten,
Kartoffeln und Salat geerntet. Feigen- und Pfirsichbäume gepflanzt, die heute noch da sind. Wir haben
Brot gebacken und es in der Straße verkauft. Heute
ist von all dem nicht mehr viel übrig. Brot backen wir
nur noch für uns selber und dort, wo wir früher Gemüse angebaut haben, wuchert heute das Unkraut. Alles
ist zugemüllt. Der Swimmingpool, in dem wir früher
täglich gebadet haben, wird heute nicht mehr gefüllt.
Er ist ein hässliches Betonloch, in das wir unseren
Müll werfen. Die Gebäude hier sind heruntergekommen. Eine Zeit lang habe ich in der zweiten Etage des
Hauptgebäudes gewohnt, wo der Boden Löcher hat.
Ich konnte direkt ins Büro des Psychologen gucken,
das eine Etage unter mir lag. Nachts ist es kalt, denn
die Türen schließen nicht und die Fenster sind eingeschlagen. Ich muss immer auf meine Sachen aufpassen. Wenn man mal was herumliegen lässt und dreht
sich einmal um, dann ist es schon verschwunden. Du
kannst niemandem vertrauen. Sowas wie Freundschaft
gibt es hier nicht. Jeder hat Angst, dass der Andere ihn
betrügt. Jeder passt nur auf sich selber auf.
Bald ist mein Geburtstag, dann werde ich 18. Ein Tag
wie jeder andere auch. Vielleicht bitte ich um Erlaubnis
und gehe ins Internetcafé. Geburtstage sind hier nichts
wert. Normalerweise feiern wir zwei Mal im Jahr die
Geburtstage aller zusammen. Ich weiß gar nicht, wie
man Geburtstage in einer Familie feiert. Mit meinem
18. Geburtstag muss ich mir auch langsam Gedanken
über meine Zukunft machen. Eigentlich schmeißen
sie uns raus, wenn wir 18 geworden sind. Verhalten
wir uns aber gut, dann können wir auch länger bleiben. Ich muss mir eine Wohnung suchen, eine Arbeit
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habe ich schon. Nachts passe ich auf die Produkte einer
Auslieferungsfirma auf. Ich möchte weiter zu Schule gehen. Ich brauche noch zwei Jahre, um fertig zu
werden. Also werde ich zur Schule gehen, arbeiten und
mich selbst versorgen. Danach möchte ich studieren,
am liebsten Musik.
Aber vielleicht kommt ja doch alles anders, denn vor
zwei Monaten ist mein Vater aufgetaucht. Ein kleiner Mann, der mir überhaupt nicht ähnlich sieht. Er
hat gesagt, er arbeite jetzt in Argentinien und lebe
getrennt von meiner Mutter, die all die Jahre mit
einem anderen Mann in Chapare gewohnt hat. Witzig,
vielleicht bin ich ihr oder meinem Halbgeschwistern ja
mal über den Weg gelaufen. Jetzt sagt er, ich soll mit
nach Argentinien gehen und für ihn arbeiten. Argentinien ist bestimmt schön, aber eigentlich möchte ich
erst die Schule beenden.
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Straßen-Kinder
Ich bin nicht sauer auf meine Eltern, dass sie mich
all die Jahre nicht gesucht haben. Ich sag mir
immer, es gibt für alles, was passiert und auch für
ihre Entscheidung einen Grund.
„Hogar“ heißt wörtlich übersetzt Zuhause und ist
in Bolivien auch eine Bezeichnung für staatliche,
kirchliche und von NGOs geleitete Kinder- bzw.
Jugendheime. Juan Carlos lebt in einem staatlichen Kinderheim und hat mir seine Geschichte
so erzählt. Sein Name wurde geändert.
Lea Burwitz, Bolivien
Neue Strategien in Ruanda
Jedes Kind soll in einer Familie aufwachsen, so möchte es die ruandische
Regierung und führte dazu 2012 eine neue Strategie des Familienministeriums ein, die auch eine Deinstitutionalisierung beinhaltet: Bis 2014 sollen
z.B. alle Kinder aus den Waisenheimen in Familien integriert sein und die
Waisenheime in Ruanda geschlossen werden. Auch auf den Straßen sollen
künftig keine Kinder mehr leben.
Straßenkinder in Ruanda sind jedoch nicht nur Waisen. Manche laufen
auch von zu Hause weg. Meist, weil es nichts zu tun gibt, wenig zu Essen
oder oft auch wegen Streit mit den Stiefeltern. Um diese Kinder wieder in
die eigenen oder in fremde Familien zu reintegrieren, arbeiten Einrichtungen mit den Straßenkindern zusammen.
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Straßen-Kinder
In jeder größeren Stadt in Ruanda gibt es eine Einrichtung, die sich mit Streetworkern um
diese Zielgruppe kümmert. So z. B. das Bureau Social in Gitarama. Die dort bekannten Straßenkinder kennen ihre Ansprechpartner und melden neue Straßenkinder. Die Streetworker
vermitteln diese an sogenannte Transitzentren, wo sie betreut und versorgt werden.
Die Streetworker führen Gespräche mit den Kindern, suchen deren Familien auf und versuchen die Probleme und Konflikte zu schlichten. Diese sogenannte Reintegration klappt sehr
oft. Andernfalls kommt das Kind in eine Adoptivfamilie. Es ist geplant ruandaweit Familien
zu registrieren, die bereit sind Kinder aufzunehmen. Teil der Strategie ist auch ein Monitoring,
um eine gute Integration sicher zu stellen. Die Familien sollen den nötigen Rahmen sichern,
damit die Kinder zur Schule gehen können und so eine Zukunft mit vielen Möglichkeiten
erhalten, denn Bildungsförderung zur Armutsbekämpfung spielt in Ruanda eine große Rolle.
Die Straßenkinder werden über das Bureau social teilweise versorgt. Ihnen werden z.B. Mahlzeiten und Workshops angeboten, manchmal gibt es auch Kleidung, Seife und Ähnliches.
Außerdem wird den Kindern vom Gesundheitsministerium die Krankenversicherung bezahlt.
So haben sie Zugang zu medizinischer Versorgung. Häufig haben sie Atemprobleme, verursacht durch Staub, Wind und Kälte, denen sie ausgesetzt sind. Die schlechten hygienischen
Bedingungen führen zu Krätze und Parasitenbefall. Wenn die Kinder keine Schuhe haben,
werden sie oft von Hakenwürmern infiziert. Der Drogenkonsum führt zu mentalen Störungen und geistigen Behinderungen. Von Geschlechtserkrankungen sind in der Regel Mädchen
betroffen, da diese eher mit Prostitution Geld verdienen können als Jungen.
Trotz vieler Erfolge wird die Strategie ausführlich diskutiert und viele Ruander finden das
hochgesteckte Ziel und vor allem das Zeitlimit schwierig. Auch werden die Maßnahmen häufig
nicht als Lösung für die Probleme akzeptiert, die die Kinder in die Waisenheime bzw. auf die
Straße treibt. Nicht immer wird das versprochene Geld auch wirklich für die Kinder verwendet. Ruanda befindet sich jedoch auf dem richtigen Weg. Denn die Strategie signalisiert vor
allem eins: Kinder gilt es zu schützen.
Quelle: http://ncc.gov.rw/Bericht des Bureau Social Gitarama
Janinka Lutze, Ruanda
straßenkinder Informationen
Kinder gründen eine
­GewerkSchaft in Bolivien
StraSSenmädchen
Prinzipiell haben Mädchen, die auf der Straße leben,
die gleichen verschiedenen Probleme und Hintergründe wie Jungen. Auffallend ist jedoch, dass weltweit die
Anzahl der Jungen, die jeweils in einem Land auf der
Straße leben, die der Mädchen übersteigt.
Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass Mädchen
generell eher etwas häuslicher sind und der Zusammenhalt mit der Familie für sie eine größere Bedeutung hat
oder dass sie sich der großen Gefahr der Prostitution
bewusst sind, die ihnen bei einem Leben auf der Straße
droht. Zwar leiden auch Straßenjungen unter Prostitution, trotzdem ist die Prostitution von Mädchen weltweit verbreiteter als die von Jungen. Zudem werden
Mädchen von armen Familien oft an Bordelle verkauft
und landen somit nicht direkt auf der Straße.
Ein anderer Grund für einen niedrigeren Anteil von
Straßenmädchen könnte sein, dass Mädchen leichter
als Haushaltshilfe oder Dienerin bei einkommensstärkeren Familien unterkommen können als Jungen
und somit ihren Lebensunterhalt nicht auf der Straße verdienen müssen, sondern für eine fremde Familie
schuften.
Insgesamt ist es sehr schwierig aussagekräftige Zahlen
und Daten zu bekommen, da einerseits die Anzahl der
Straßenkinder in einem Land nach Art der Definition
variiert und andererseits die Dunkelziffer an unerkannten Fällen sehr hoch ist.
In Bolivien, dem ärmsten Land Lateinamerikas, leben
rund eine Million Straßenkinder (ein Zehntel der
Bevölkerung), die sich und teils ihre Familie durch
ihre Arbeit ernähren. Doch da Kinderarbeit illegal ist,
haben sie keine Rechte und erleben häufig Ausbeutung
und Misshandlung. Um zum Beispiel solche Fälle vor
Gericht bringen zu können, wurde eine Kindergewerkschaft gegründet. In den größeren Städten Boliviens gibt es Regionalgruppen, die in der UNATSBO
(Unión de Niños, Niñas y Adolescentes Trabajadores
de Bolivia/Vereinigung der arbeitenden Kinder und
Jugendlichen Boliviens) organisiert sind.
Die älteste und stärkste Gruppe ist die in der Silberminenstadt Potosí. Ihre Ziele sind ein Recht auf Arbeit,
schulkompatible Arbeitszeiten, faire Arbeitsbedingungen, Abschluss einer Krankenversicherung. Bereits
erreicht wurden höhere Löhne für Zeitungsjungen und
in Cochabamba z.B. weisen Arbeitsausweise sie als
legitime Arbeiter aus. Auch wurde die bolivianische
Verfassung geändert: Nun ist nicht länger „Kinderarbeit“ verboten, sondern „Die Ausbeutung von
Kindern“. Und gemeinsam haben die Kinder einen
Entwurf für ein neues Arbeitsgesetz ausgearbeitet.
Weitere Kindergewerkschaften haben sich zudem in
asiatischen, afrikanischen und anderen lateinamerikanischen Ländern gebildet.
Johanna Frommelt, Ecuador
Leonie Heckmann, Nepal
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Ebook / straßenkinder
gbook
Straßen-Kinder
Internationaler Tag der
StraSSenkinder
StraSSenkinder in
Deutschland
Weil weltweit Kinder auf der Straße leben und arbeiten und dort Krankheit, Hunger, Kinderhandel, Missbrauch, Kriminalität, Drogenhandel, Prostitution
ausgesetzt sind, hat „Jugend Eine Welt“ den 31. Januar zum Internationalen Tag der Straßenkinder ernannt,
um auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Der
31. Januar ist der Festtag des Heiligen Don Bosco und
so, wie er sich einst den benachteiligten Jugendlichen
angenommen hat, gibt es heute viele Straßenkinderprojekte des Salesianerordens Don Bosco in Lateinamerika, Afrika und Asien, in denen den Kindern
Zuwendung und die Möglichkeit für eine Schul- und
Berufsausbildung zugutekommen sollen.
Ebenso soll der 12. April ein Bewusstsein für die tägliche Not von Straßenkindern schaffen. Seit 2011 wird
dieser Tag von Consortium for Street Children, einem
Zusammenschluss von 60 Organisationen, die sich für
die Rechte von Straßenkindern einsetzen, mit verschiedenen Aktionen begangen. So wurden unter anderem
als Symbol für die Freiheit in der Kindheit weltweit
Luftballons steigen gelassen.
Die Situation von Straßenkindern in Deutschland
unterscheidet sich grundlegend von der von Straßenkindern in sogenannten Entwicklungsländern. In
Deutschland gibt es ein gut organisiertes Netzwerk an
Jugendhilfeeinrichtungen mit verschiedensten Beratungs- und Betreuungsangeboten: So zum Beispiel
Inobhutnahme-Stellen für Kinder und Jugendliche,
die es zu Hause nicht mehr aushalten und schnell eine
andere Unterkunft brauchen. Auch gibt es betreute
und begleitete Wiedereingliederung in die Herkunftsfamilie, Integration in eine betreute Wohngemeinschaft
oder andere Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten,
die so individuell sind wie die Ursachen und Geschichten der Straßenkinder. Häufig sind starke Probleme in
den Familien der Auslöser für die Flucht auf die Straße
wie zum Beispiel Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
der Eltern oder häusliche bzw. sexuelle Gewalt in der
Familie. Manche Jugendliche auf der Straße sind stark
drogenabhängig, dealen oder prostituieren sich. Straßenkinder in Deutschland kommen aus allen sozialen
Schichten und es gibt keinen Zusammenhang zu dem
Einkommen der Eltern.
Ein besonderer Fall sind die sogenannten „UMF“:
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die einerseits von den Asylbehörden und andererseits von der
Jugendhilfe betreut und versorgt werden müssen.
Johanna Frommelt, Ecuador
Leonie Heckmann, Nepal
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gbook
Straßen-Kinder
Impressum
gbook I, 2013
Vorstellung Autor_innen:
Sebastian Wolligandt war im Rahmen des weltwärtsProgramms mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 2011/2012 in Nepal.
Er beriet die NGO Madan Puraskar Pustakalaya (MPP) bei
der Planung, der Beschaffung und der Installation eines
Arbeitsplatzes für den nonlinearen Videoschnitt, sowie für
die Digitalisierung, vorrangig von analogen Magnetaufzeichnungen.
Als ausgebildeter Mediengestalter schulte er Mitarbeitende in dieser
neuen Technik. Sebastian erarbeitete eine Dokumentation zu den technischen Grundlagen der Video-und Audiotechnik.
Durch die Erschließung dieses neuen Arbeitsfeldes konnten in der Partnerorganisation zwei neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Er dokumentierte politische und soziale Graffitis und erarbeitete Fotodokumentationen
zu Kultur, Religion und sozialen Themen. Weitere Informationen erhalten
Sie unter www.sebastian-wolligandt.de
Sebastian beginnt im Herbst 2013 ein Fotojournalismus und Dokumentarfotografie Studium bei Prof. Rolf Nobel in Hannover.
Benjamin Eichert war mit dem Evangelisch-lutherischen
Missionswerk Niedersachsen während seines Freiwilligendienstes in Durban, Südafrika und arbeitete in der Straßenkinder-Organisation ICare.
Benjamin studiert im ersten Semester Psychologie an der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Leonie Günster hat 2011/2012 mit EIRENE – Internationaler Christlicher Friedensdienst e.V. ein weltwärts-Jahr im
Child Restoration Outreach, einem Tageszentrum für Straßenkinder, in Jinja (Uganda) geleistet.
Nach der Ausbildung zur Rettungssanitäterin studiert Leonie
seit April 2013 Medizin an der Westfälischen WilhelmsUniversität in Münster.
Lea Burwitz war während ihres weltwärts-Jahres mit Volunta (Deutsches Rotes Kreuz Hessen) in Sucre, Bolivien. Dort
hat sie den Hogar Sucre, ein staatliches Kinderheim, bei der
Hausaufgabenbetreuung und Freizeitgestaltung unterstützt.
Zurzeit studiert Lea an der Universität in Bonn Agrarwissenschaften.
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Janinka Lutze war während ihres
weltwärts-Jahres mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Gitarama, Ruanda.
Dort hat sie im Gesundheitszentrum
und Krankenhaus in Kabgayi gearbeitet. Sie hat auf den verschiedenen Stationen
geholfen und hauptsächlich die mangelernährten
Kinder unterstützt.
Janinka studiert Naturschutz und Landschaftsplanung an der Hochschule Anhalt in Bernburg.
Leonie Heckmann
betreute
während ihres weltwärts-Jahres
mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als
Freiwillige der „self-help-group for
cerebral palsy“ behinderte Kinder
und ihre Familien im ländlichen Nepal, indem sie
diese regelmäßig besuchte und mit ihnen gespielt,
gemalt und gelesen hat.
Nach einem sechsmonatigen Pflegepraktikum im
Krankenhaus bewirbt sie sich um einen Medizinstudienplatz in verschiedenen Ländern und
arbeitet ehrenamtlich bei der „Nummer gegen
Kummer“ als Beraterin am „Kinder- und Jugendtelefon“.
Johanna Frommelt war während
ihres weltwärts-Jahres mit der
Gesellschaft
für
Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) in Ecuador.
Dort hat sie im Centro Cultural Pablo
Narváez in Riobamba Klavierunterricht gegeben, das Jugendorchester bei Auftritten
begleitet und unterstützt sowie ein Notenbuch zur
Optimierung des Unterrichts erstellt.
Johanna studiert Sozial- und Kulturanthropologie
mit den Nebenfächern Kunstgeschichte und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an
der Freien Universität Berlin.
Ebook / Straßen-Kinder
Redaktionsteam: Elisabeth Marie Mars (Leitung),
Johanna Frommelt, Leonie Heckmann, Melanie
Heisterberg, Janinka Lutze, Bert Odenthal, Sebastian
Wolligandt
Grafik-Design: Bert Odenthal | www.bert-odenthal.de
Fotonachweise: Sebastian Wolligandt, Benjamin
Eichert, Leonie Günster, Lea Burwitz, Janinka Lutze
Verantwortlich für das Projekt globalista sind:
Arbeitsstelle Weltbilder e.V.,
info@arbeitsstelle-weltbilder.de
Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V.
Gefördert wird das Projekt aus Mitteln des
Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
www.globalista.org
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