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B Seite 8 DIE WELT M ag a z i n B Dienstag, 16. August 2005 „Wie sind Sie denn über diese Mauer gekommen?“ Interview mit dem Streikführer von einst DIE WELT: Mit welcher Begebenheit beginnt für Sie persönlich der große Streik? Lech Walesa: Nur Gott weiß, warum ich diesen Streik führen sollte. Ich hatte schon seit zehn Jahren Streiks organisiert, wir haben immer verloren. Für mich begann der Streik, als ich am ersten Tag zu spät in der Werft eintraf. Mit Absicht, so hatte ich die Geheimpolizei abgelenkt, die mich ständig beschattete. Meine Freunde konnten so alles vorbereiten. DIE WELT: Andere sehen nicht zuletzt in der Untätigkeit während Ihrer Amtszeit den Beweis dafür, Sie seien Agent der Geheimpolizei gewesen. Wie übrigens viele der damaligen Oppositionellen, beispielsweise der Anführer des Aufstandes in Stettin, Jurczyk. Lech Walesa: Ich war nie ein Agent. Ich bin sauber. Wir alle haben ja irgendwie am kommunistischen System teilhaben müssen. In der Schule, der Universität, überall. Die Kommunisten haben Dokumente über mich gefälscht. Ich hatte einen Doppelgänger. Ich kenne denjenigen, der meine Handschrift zu kopieren gelernt hat. FOTO: GÖTZ SCHLESER DIE WELT: Sie brachten in den nächsten Tagen Zehntausende Arbeiter hinter sich. Was wollten diese Menschen? Lech Walesa: Das, was die DIE WELT: Was für DoMenschen überall im kumente sind das? Ostblock wollten: Sie Lech Walesa: Das weiß gingen in den sechziger ich nicht. Ich habe sie und siebziger Jahren auf noch nicht gesehen. Es die Straßen, um gegen Lech Walesa will aus das sowjetische System Solidarnosc austreten gibt ja so unendlich viele. aufzubegehren. Niemand mochte den Ostblock, wir nicht, der Westen auch nicht. Aber DIE WELT: Wo liegen für Sie die niemand wußte, wie ihn bekämp- Gründe für den Erfolg des Streiks fen. Die Geheimpolizei war über- in Danzig? Normalerweise ließ all, wir wußten: Verlieren wir, ster- die Kommunistische Partei im Ernstfall die Panzer sprechen. ben wir. Dann passierte etwas Besonde- Lech Walesa: Die Regierung bekam res: Die Polen bekamen einen einfach Angst, gegen ZehntausenPapst. 22 Jahre lang hatte ich ver- de Gewalt einzusetzen. Natürlich sucht, Leute für meinen Kampf zu waren sie gefährlich, vor allem die finden. Es fanden sich aber nur Geheimpolizei. Nicht zu vergessen zehn Leute. Zehn Tage nach der die 200 000 sowjetischen Soldaten Papstwahl schaute die ganze Welt in Polen und noch einmal eine Milnach Polen. Johannes Paul II. or- lion um uns herum. Das war die ganisierte uns nicht, aber er for- große Kraft in Polen. Wir hatten derte die Menschen auf nachzu- eigentlich keine Chance. Die frieddenken. Aus den zehn Leuten wur- liche Lösung war der einzige Weg. den zehn Millionen Mitglieder für Solidarnosc. Vor diesen zehn Mil- DIE WELT: Nun haben Sie, der Relionen hatte sogar Moskau Angst. volutionär von einst, ausgerechSie wählten später Gorbatschow, net den Ex-Kommunisten Kwasum Reformen einzuleiten. Aber niewski zu Ihrer privaten NaGorbatschow war ein schlechter menstagsfeier in Ihr Haus eingeStratege. Ich war besser. Ich habe laden. Ihre Kritiker sagen, Sie treffen sich heute offiziell mit den gewonnen. Leuten, mit denen Sie früher DIE WELT: Zurück zum Streik. heimlich zusammenarbeiteten. Können Sie uns Ihren „histori- Lech Walesa: Herr Kwasniewski schen“ Sprung über die Werft- war in der Vergangenheit mein mauer schildern? Das betreffende großer Rivale, richtig. Aber jetzt Mauerstück ist noch immer auf geht es um die Zukunft, da können wir nur gemeinsam etwas aufbauder Werft ausgestellt. Lech Walesa: Ich war zu spät, wie en. Ich verzeihe ihm nicht, daß er gesagt, und ich wurde verfolgt. Da für Polen wichtige Chancen versprang ich eben über die Mauer. spielt hat. Aber beim Begräbnis von Johannes Paul II. haben wir DIE WELT: Ja, diesen Moment hät- uns versöhnt. ten wir gern genau beschrieben. DIE WELT: Noch mal zurück zu Die Mauer ist sehr hoch? Lech Walesa: Fragen Sie die Ge- Ihrem Mauersprung. Ihr einstiheimpolizei, die haben es gesehen. ger Mitstreiter Wyszkowski verEs gibt Zeugen, mehr sage ich da- suchte einmal, es Ihnen nachzuzu nicht. tun. Er konnte diese Mauer nur mit Hilfe von zwei Personen DIE WELT: Wie würden Sie die Psy- überwinden. Niemand außer che Ihrer kommunistischen Ver- Herrn Adamski hat diesen Mauhandlungspartner beschreiben? ersprung je gesehen, und der ist Den hochrangigen Politikern sa- als Agent enttarnt. Die Version ßen einfache Arbeiter gegenüber, Ihrer Kritiker wie Anna Walentyohne politische Erfahrung, viele nowicz besagt: Sie kamen mit waren gerade mal Anfang 20. einem Boot der polnischen MariLech Walesa: Ich habe damals alles ne in die Werft. in die Hand genommen. Ich war Lech Walesa: Daß sind absurde Besehr gut vorbereitet, habe alles hauptungen psychisch kranker kontrolliert, hatte politische Er- Leute, wie Wyszkowski oder Wafahrung. Die Kommunisten wuß- lentynowicz. Die sind verrückt. ten: Wenn man nett zu mir ist, bin Man weiß alles über mich, und alle ich auch nett. Ich hatte und habe wissen von meinem Sprung. Die vor niemandem Respekt, außer vor anderen sind doch nur neidisch, Gott. Sie hätten mich töten kön- weil ich Polen in die Freiheit genen, aber nicht bekämpfen. Heute führt habe und nicht sie. Ich glaubin ich überrascht, wie mutig ich be, sie waren selbst Agenten, aber ich habe keine Beweise. Leute wie damals war. Wyszkowski haben mir mehr DIE WELT: Letztlich stimmten die Schwierigkeiten gemacht als die Kommunisten allen Forderungen Geheimpolizei. zu. Sie wurden ein Held und später sogar Präsident. Später wen- DIE WELT: Was bedeutet der Streik von 1980 für Sie persönlich? dete sich das Volk von Ihnen ab. Lech Walesa: Die Gespräche zuvor Lech Walesa: Ich wollte nie Karrieam Runden Tisch endeten in einem re machen, ich war nur mutig. Es schlechten Kompromiß. Ich kann war besser für mich, als ich nur darüber nicht sprechen, aber die- Elektriker war. Ich hatte genug ser Kompromiß und das Ende des Geld. Diese ganzen Ereignisse Kommunismus waren schuld, daß brauchte ich eigentlich nicht. ich Präsident werden mußte. Jaruzelski hätte Polen doch nie in die DIE WELT: Kann Geschichte von einer Person geschrieben werNato geführt. Ich hatte eine schwierige Situa- den? tion. Das Ende des Kommunismus Lech Walesa: Ja. Ich meine, es bedeutete Kapitalismus. Viele ver- kommt auf die eine Person an. Es loren ihre Arbeit, die Probleme be- gab viele, die besser waren, aber gannen. Doch zu all meinen Ent- ich habe es eben gemacht. Außerscheidungen als Präsident gab es dem ist das Klima wichtig. Wenn keine Alternativen. Das Problem Sie im Winter Getreide säen, werbei meiner dritten Wahl im Jahr den Sie nichts ernten. 2000 war, daß es keinen außer mir gab, der kandidieren wollte. Nicht DIE WELT: Stimmen Sie zu, daß mein Konzept hatte verloren, son- 1980 in Gdansk begann, was 1989 dern meine Kollegen aus der alten mit dem Fall der Berliner Mauer endete? Solidarnosc. Lech Walesa: Ohne Solidarnosc und DIE WELT: War es nicht eher so, den Papst wäre die Berliner Mauer daß die Polen Ihnen übelnahmen, nicht gefallen. Ich und der Papst daß Sie die Ex-Kommunisten haben dem russischen Bären die nicht zur Verantwortung zogen? Zähne ausgeschlagen. Die KomLech Walesa: Wir leben nun in munisten haben immer gesagt, sie einem demokratischen Land. Ich regieren die Massen. Doch sie hawollte Polen aufbauen, nicht zer- ben die Macht verloren und wurstören. Feinde hatte ich überall, den nackt. Ich habe der ganzen sogar unter meinen Kollegen. Ih- Welt gezeigt, daß sie nackt waren. ren Vorwurf weise ich zurück. Ich war immer unabhängig und or- Das Interview führte Dirk Böttdentlich. cher. August 1980 – zwei Streikende sitzen auf dem Tor der Schiffswerft in Danzig FOTO: ARAL/SIPA Demontage der Helden von Danzig V ON DIRK BÖTTCHER .............................................................................. E Streikführer Lech Walesa 1980 – nun kündigte er an, er werde aus der FOTO: PICTURE-ALLIANCE/ DPA Gewerkschaft Solidarnosc austreten 25 Jahre nach den Streiks auf der Danziger Werft feiert Polen die Freiheit – und bezweifelt den Mythos von Lech Walesa Die Legende besagt weiterhin, Walesa sei durch seinen berühmten Mauersprung auf das Werftgelände gelangt. Die betreffende Hürde ist heute auf dem Gelände ausgestellt. Daran wie an seinem Mauersprung nagen heute Zweifel. Denn die Geschichte des „Großen Streiks“ ist auch eine über das Konstruieren der Vergangenheit, sie kennt heute so viele Versionen, wie es Leute gibt, die ihren Platz darin haben wollen. So sind Helden zugleich Verräter und Feinde Komplizen. Je nachdem, mit wessen Augen man die Dinge betrachtet. Vor allem trifft das auf Lech Walesa zu. Der Sommer 1980 machte den Elektriker zum Nobelpreisträger und Staatsmann, zum berühmtesten Schnauzbart der Welt. Die „polnische Coca-Cola“, wie man in Polen heute sagt – Walesa, der mit seinem alleinigen Geschichtsanspruch erst seine Mitstreiter und dann sein Volk vergraulte, das ihm bei seiner letzten Präsidentschaftskandidatur nur noch 1,01 Prozent Stimmenanteil zubilligte. Walesa sieht es bescheiden als „Willen Gottes, daß ich diese Revolution führte“. Wie also schreibt man Geschichte? Dr. Bernard Wiaderny vom Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (O.) vermutet, es sei eine Frage des Gefühls: „Dieser Glaube, daß die andere Seite schwach ist und man selbst stark. Der Moment, jetzt oder nie zu sagen.“ Auch wenn dieser Glaube im Falle des Danziger Streiks, bezogen auf die bewaffnete Kraft der Kommunisten, schwer neben der Realität lag. 200 000 Sowjetsoldaten waren derzeit in Polen stationiert, eine weitere Million wartete an den Grenzen. Aber die Kreml-Führung verlangte von Armeechef Jaruzelski, das Problem „selbst“ zu lösen. Moskau hatte schon eine Hölle – in Afghanistan. Die kommunistische Führung in Warschau hatte sich zuvor auch nie schwergetan, Veränderungen notfalls mit Panzern aufzuhalten. Doch 1980 in Danzig gab man sich handzahm. „Weil wir wußten, die andere Seite ist moralisch im Recht, und wir spürten, daß sie das auch wußten“, versucht Tadeusz Fiszbach eine Erklärung. Er verhandelte damals für die Kommunisten mit den Streikenden, heute ist er polnischer Botschafter in Lettland. Warum hatte die Moral dann nicht ausgereicht, um die Toten FOTOS: PHOTOPRESS/DPA ndlich mal wieder Aufregung im Gebäude der Solidarnosc, direkt neben der Danziger Werft. Feierlichkeiten werden vorbereitet. Staatsgäste aus aller Welt sind eingeladen. Sogar George W. Bush – der hat aber abgesagt. In diesen Tagen jährt sich zum 25. Mal, was Jerzy Borowczak den „wichtigsten Moment in meinem Leben“ nennt. Der Vorsitzende der Solidarnosc-Stiftung und oberster Zeremonienmeister der Feierstunde zündet eine Zigarette an, bevor er zu erzählen beginnt, wie im August 1980 in seinem Wohnzimmer der Anstoß zur Änderung des Weltenlaufs gegeben wurde. Dort diskutierte der damals 21jährige Werftarbeiter mit dem Elektriker Lech Walesa und drei weiteren Oppositionellen angeregt über einen Streik. Dann gingen sie spazieren, aus Angst vor den Wanzen der Geheimpolizei. Fünf einfache Arbeiter planten einen Aufstand, und es wurde eine Revolution, die der ersten freien Gewerkschaft des Ostblocks den Weg bereitete: Die Solidarnosc („Solidarität“). Einige Historiker sagen, die zwei Wochen des „Großen Streiks“ auf der Danziger Leninwerft waren der Anfang dessen, was 1989 mit dem Fall der Berliner Mauer endete: der Untergang des Kommunismus. Er stolperte am Ende über seine eigenen Füße, über ein paar tausend Werftarbeiter. Oder mischten noch höhere Mächte mit? Polen ist gerade dabei, seine jüngste Vergangenheit etwas genauer zu betrachten. Der polnische Filmemacher Andrzej Wajda nennt den Danziger Streik die „konstruktivste Revolution der Weltgeschichte“. Klemens Gniech, damals Direktor der Danziger Schiffswerft, stellt ihn gar in eine Linie mit der Revolution in Frankreich und der russischen Oktoberrevolution. Mit diesem Prolog beginnt er gemeinhin jede Fragerunde zu dem, was da 1980 auf der Leninwerft passierte. Gniech wurde am Morgen des 14. August 1980 von seinem Abteilungsleiter aus dem Bett geklingelt. Er müsse kommen, es braue sich etwas zusammen. Als Gniech gegen sieben Uhr auf der Werft eintraf, nahm die Geschichte bereits ihren Lauf. „Da war nichts mehr aufzuhalten“, sagt er. Einige tausend Arbeiter warteten vor seinem Büro. Er versuchte, sie zurück zur Arbeit zu schicken. Doch auf einmal stand der Elektriker Lech Walesa neben ihm. Der kleine Mann mit dem markanten Schnauzer rief: „Kennt ihr mich?“ Die Massen jubelten und blieben. Die Arbeiter auf der Werft und bald in ganz Polen hatten einen Anführer. beim gewaltsamen Niederschlagen des Werftaufstandes 1970 zu vermeiden? Der Historiker Wiaderny glaubt dagegen, daß die Kommunisten 1980 einfach organisatorisch und juristisch noch nicht soweit waren, das Kriegsrecht auszurufen. So kamen sie sämtlichen 21 Forderungen der Streikenden kompromißlos nach. Vorerst. Auch weil dem Streik eine „breite Bewegung“ im ganzen Land einherging, weil Einigkeit zwischen Kirche, Intellektuellen und Arbeitern herrschte. Das Volk schob ihre Helden dabei vor sich her, weshalb Dr. Wiaderny sagt: „Diesen Streik zu führen war nicht schwer.“ Wenn es eine Person gibt, der man ein Stück Geschichte zuschreiben kann, dann vielleicht Papst Johannes Paul II, der schon vor 1980 beschwor: „Der heilige Geist wird Polen verändern.“ Vielleicht besiegelte Lech Walesa am 31. August die Streik-Vereinbarung deshalb so symbolisch mit einem Riesenkuli mit Papst-Emblem. Der Ostblock hatte damit seine erste freie Gewerkschaft und Walesa seinen Platz in der Geschichte. Der Solidarnosc traten über zehn Millionen Polen bei – das Land hatte rund 30 Millionen Einwohner. „Wir hatten einen Fuß in der Tür, und die Kommunisten bekamen sie nicht mehr zu“, sagt Solidarnosc-Chef Borowaczak. „Dabei ging es uns zu Anfang nur um mehr Geld. Um 2000 Zloty mehr Lohn und die Wiedereinstellung einer gekündigten Oppositionellen. Ein politischer Streik war es nicht.“ Aber es wurde einer. 1989 mußte sich Präsident Jaruzelski ausgerechnet auf Drängen der Solidarnosc, die er schon 1981 wieder verboten hatte, von seinem Amt trennen. Die kommunistische Ära endete. Oder auch nicht, wie Krzysztof Wyszkowski behauptet, der einst Oppositioneller war und heute Journalist ist. „Die Gewinner des Untergangs des Kommunismus sind die Kommunisten.“ Der Kommunist Kwasniewski sei heute Präsident und die Wirtschaft unter den Parteigenossen von damals aufgeteilt. Daß Lech Walesa unter seiner Präsidentschaft die Kommunisten nie belangte und seinen Foto links: Blumen und ein Kumpelhelm am Denkmal am SolidarnoscPlatz in Danzig. Links: Werbung für das Jubiläum der Gewerkschaft in der Werft (r.) + Namenstag in diesem Jahr ausgerechnet mit Kwasniewski und dem ehemaligen Werftdirektor Gniech feierte, sind für Wyszkowski die Spuren, aus denen er seine Version der Geschichte bastelt: „Walesa feiert heute mit den Leuten, mit denen er früher heimlich zusammenarbeitete.“ Wyszkowski sieht in Walesa einen Agenten der Geheimpolizei, den IM „Bolek“, wie er in den Akten vermerkt ist. Der Streik von Danzig ist für Wyszkowski ein gigantisches Ränkespiel um Macht innerhalb der kommunistischen Führung, über das sie am Ende die Kontrolle verlor. Den Russen war der damalige Staatspräsident Gierek wegen seines kommoden Umgangs mit dem Westen unbehaglich. Außerdem strebte Armeechef Jaruzelski in das Staatsamt. Ergebnis des Streiks waren auch die Absetzung Giereks und die Inthronisierung Jaruzelskis. Die Besetzung der oppositionellen Führung mit eigenen Schergen galt als gängiges Mittel der Geheimpolizei. Wyszkowski versuchte einmal, den berühmten Mauersprung Walesas nachzuahmen. „Es ist mir nicht gelungen, die Mauer war zu hoch.“ Tatsächlich hat außer einem Ex-Geheimpolizisten nie jemand Walesas Mauersprung gesehen (siehe nebenstehendes Interview). Anna Walentynowicz, Mitglied des Streik-Komitees von 1980, will Beweise haben, daß Walesa „mit einem Boot der polnischen Marine kam.“ Vielleicht läßt sich nach der Präsidentschaftswahl im September eine neue Version der Geschichte auf ein paar neuen Spuren aufbauen. Die aussichtsreiche „Bürgerplattform“ hat verkündet, im Falle eines Wahlsieges endlich die Akten der Vergangenheit zu öffnen. Lech Walesa dagegen, Friedensnobelpreisträger und einst polnischer Präsident, hat angekündigt, er wolle nun aus der einst von ihm selbst erkämpften Gewerkschaft Solidarnosc austreten: „Diese Solidarnosc ist eine andere. Wahrscheinlich ist sie sogar besser. Aber sie ist so anders, daß wir nicht mehr zusammenpassen.“ Walesa kündigte an, er wolle eine neue breite gesellschaftliche Bewegung anstreben – für den Aufbau von mehr Solidarität in der EU.