nummer 11 winter 2006 - Städtische Galerie Nordhorn

Transcription

nummer 11 winter 2006 - Städtische Galerie Nordhorn
NUMMER 11
WINTER 2006
D A S K U LT U R M A G A Z I N F Ü R D I E G A N Z E F A M I L I E
D A S K U LT U R M A G A Z I N F Ü R D I E G A N Z E F A M I L I E
GALERIE
Der Griff
zur Stichsäge
KUNSTSCHULE
Rollentausch
PORTRAIT
Torsten
Kaufmann
THEMENHEFT
Franka
Hörnschemeyer
3
Editorial
Willkommen,
IMPRESSUM
Inhalt
3
4
6
8
10
11
12
13
25
26
28
30
31
32
34
Editorial
Lieblingsbilder Angelo Palmisano und Teresa Mendes Rehbock
Galerie Die letzte Lösung: Der Griff zur Stichsäge
Portrait Torsten Kaufmann: Das Leben – ein Gesamtkunstwerk
Standpunkt Karin Adrian von Roques: Kunst und Politik im Orient
Was ist eigentlich… Impressionismus?
schöne Tipps
Themenheft
kunstwegen „Akribische Beobachtungen” von Till Krause
Herausgeber
Städtische Galerie Nordhorn
Vechteaue 2, 48529 Nordhorn
Tel.: (0 59 21) 97 11 00
Fax: (0 59 21) 97 11 05
kontakt@staedtische-galerie.nordhorn.de
Redaktion
Daniel Klause (verantwortlich)
Marianne Begemann
Andre Berends
Carolin Ernst
Thomas Kern
Roland Nachtigäller
Dagmar Thiel
Fotos
Gerold Meppelink (S. 13, 28, 32, 33)
Jürgen Lüken (S. 1, 4–9, 32–34, 36)
Andre Berends (S. 12, 26, 27)
Daniel Klause (S. 29)
Titel
Jürgen Lüken
Kunstschule Rollentausch
Illustrationen
Frank Ulmer
Reportage Mauerrund – Noch eine Geschichte vom Rawe-Ring-Center
Gestaltung
Lorena Volkmer
Kochkünstler Ubbo Kügler: Labskaus
Druck
A. Hellendoorn KG, Bad Bentheim
Bücherecke
„schön”erscheint mit
freundlicher Unterstützung
des Landes Niedersachsen.
Der andere Blick … in die Auslage
Die bunte Seite
Bilder gehören zu einem Restaurant oder einer Kneipe wie die Küche,
die Theke, die Tische und Stühle. Manchmal bedeuten sie für die
Wirte jedoch mehr als nur schmückendes Beiwerk. Zwei Nordhorner
Gastronomen berichten in schön, warum sie ihre Lieblingsbilder
am Arbeitsplatz aufgehängt haben.
Kaum noch Platz, um alle seine Bilder und Skulpturen zu hängen
und zu stellen, hat Torsten Kaufmann. Der Lehrer, Maler und Bildhauer gewährte schön einen Blick in seine eigenen vier Wände
und sein Seelenleben. Welche Inspiration und Intention hinter den
Werken islamischer Künstler steckt, ist für uns Mitteleuropäer nicht
immer leicht zu verstehen. schön-Gastautorin und Islamexpertin
Karin Adrians von Roques versucht einen Perspektivenwechsel.
Die Rollen getauscht haben die Lehrer an der Kunstschule.
schön war dabei, als sie bei einer Fortbildung wieder die Schulbank
drückten. Und schließlich: Darf ein Kulturmagazin beim Thema
Nummer eins in Nordhorn, dem Rawe-Ring-Center, abseits stehen?
Wir meinen nein und haben uns auf der Baustelle umgesehen.
Gute Unterhaltung
Daniel Klause
Lieblingsbilder
4
5
Dieses Bild
finde ich gut …
Teresa Mendes Rehbock
Alter 44
Beruf Wirtin
ie ist allgegenwärtig: auf einer Uhr, als
Muster in einem Vorhang, auf einem
Zierteller – die Mona Lisa. Ist es da verwunderlich, dass Teresa Mendes Rehbock ihr Musikcafé an der Neuenhauser Straße in Nordhorn
nach jener Muse Leonardo da Vincis benannte?
Eigentlich nicht, sollte man meinen. Wohl aber
für die Gastronomin selbst. Denn als sie vor
15 Jahren ihre Bar eröffnete und kurzfristig
einen Namen suchte, besaß sie diesen ganzen
hübschen Schnickschnack mit dem interpretationswürdigen Konterfei noch gar nicht.
„Ich musste eine Entscheidung treffen –
und plötzlich war dieser Name in meinem
Kopf“, erinnert sich die heute 44-Jährige, die
von den meisten ihrer Gäste nur bei ihrem
S
Vornamen gerufen wird.
Seitdem sammelt Teresa
allerlei Krimskrams mit
dem Bild jener Frau,
dessen weltberühmtes
Original wohl Anfang des
16. Jahrhunderts entstand und wahrscheinlich
die Gattin eines Kaufmanns aus Florenz zeigt.
„Ich habe fast alles
geschenkt bekommen“,
sagt Teresa. Dazu
gehören auch die vielen,
bunten Postkarten hinter
der Theke.
Über die Befindlichkeit der Porträtierten
wird seit Jahrhunderten spekuliert. Ist sie traurig, glücklich, entspannt oder genervt vom
langen Stillsitzen? Zumindest ist sie eine vielseitige Frau, das zeigen die – nicht immer ganz
ernst gemeinten – Postkartenmotive: Mal versteckt sie sich hinter einem Vorhang, zieht eine
Schnute, gibt sich ungewohnt offenherzig,
schielt, hat sich als Weihnachtsmann verkleidet, trägt eine schwarze Sonnenbrille, genehmigt sich einen Schluck aus der Pulle. Welches
Motiv aber ist Teresas Lieblingsbild?
„Das Original natürlich“, sagt die Portugiesin todernst und zeigt auf ein Bild, das zwischen Theke und Dartscheibe hängt. So, so.
„Na gut, es ist ein Repro“, fügt sie schmun-
zelnd hinzu. Aber immerhin aus dem Louvre.
Das Museum in Paris ist mit einigen Unterbrechungen seit der französischen Revolution
Ende des 18. Jahrhunderts das Domizil der
Mona Lisa.Teresa hat sie vor elf Jahren besucht
– und war sofort hin und weg: „Es liegt ein
Schleier der Ruhe auf der Mona Lisa. Ich war
entspannt, spürte eine tiefe Sehnsucht in mir.“
Eine Bestätigung also, vier Jahre zuvor die
richtige Entscheidung getroffen zu haben. So
genau erklären kann Teresa die Verbindung
zwischen ihr und der Mona Lisa zwar nicht –
beim Besuch im Louvre sei ihr aber gleich klar
gewesen: Das ist Magie. Das Bild ist ihr wichtig, auch wenn es sich nur um einen Kunstdruck handelt und der dunkle Holzrahmen mit
der schützenden Glasplatte und der Goldverzierung ein Vielfaches von dem kostete, was sie
in Paris für das Poster, fast so groß wie das
Original, auf den Tisch blätterte.
Teresa ist mit ihrer und ihrem Mona Lisa
glücklich. Das Café hat sich in den vergangenen Jahren in Nordhorn fest etabliert. „Es ist
ein Haus des Friedens“, sagt die Portugiesin,
die in Porto geboren wurde und mit ihrer Familie im Jahr 1975 nach Deutschland zog. Seit
rund 20 Jahren ist Teresa, die in Nordhorn und
Bad Bentheim zu Hause ist, in der Gastronomie
tätig. Natürlich habe es da schon mal einen Tag
gegeben, an dem nicht so viele Gäste gekommen seien – aber ein Blick zur „alten Freundin
Andre Berends
Mona Lisa“ gleiche vieles aus.
Lieblingsbilder
Angelo Palmisano
Alter 41
Beruf Gastronom
Familienstand ledig, 2 Kinder
ch habe ein Lieblingsbild, aber das ist vermutlich keine hohe Kunst. Trotzdem hängt es
seit 15 Jahren an einem besonderen Platz.“
Dass Kunst starke Gefühle auslösen kann,
wird schnell klar, wenn Angelo Palmisano
erzählt. Der Nordhorner Gastwirt der Pizzeria
„La Gondola“ weist auf ein Bild in dunklen
Ölfarben, das beim Betreten seines Restaurants nicht auf den ersten Blick zu entdecken
ist. Es zeigt eine süditalienische Straßenszene:
Wäsche hängt an den Balkonen, Frauen und
Kinder streifen durch die enge Gasse. „So hat
es bei mir Zuhause auch ausgesehen“, sagt
Angelo Palmisano. Und genau deshalb hängt
das Bild in einer Nische zwischen Eingang und
Theke. Unzählige Male läuft der Gastwirt
während der Arbeit an dem 110 mal 80 Zentimeter großen Bild vorbei: Ein kleiner Seitenblick – und die Heimat ist plötzlich ganz nah.
Der 41-Jährige hat die ersten 16 Jahre seines Lebens im 4000-Einwohner-Bergdorf Gagliano auf Sizilien verbracht. Dass er einmal in
Deutschland leben würde, hat aus seiner
Familie allerdings niemanden erstaunt.
Angelo Palmisano wurde 1965 nämlich völlig
überraschend in Düsseldorf geboren, als seine
Eltern hier nur kurz Verwandte besuchten.
1988 ist Palmisano nach Deutschland gekommen und hat auf der Nordseeinsel Borkum
seine Ausbildung gemacht. Nach verschiedenen Stationen in Deutschland eröffnete er
1989 „La Gondola“ in Nordhorn.
„In Italien gibt es kleine, nur 60 Zentimeter
breite Gassen zwischen den Häusern, die die
Straßen miteinander verbinden. Als Kinder
haben wir dort jeden Tag gespielt“, beschreibt
Angelo Palmisano sein Dorf Gagliano. „In
diesen Gässchen, die im Italienischen „viale“
heißen, war es auch immer dunkel. Daran erinnern mich die gedeckten Farben des Ölbildes“,
I
erklärt der Gastwirt. „Als Kinder haben wir uns
manchmal in den Gassen verlaufen. Wir wussten nie so genau, wo wir wieder herauskommen“, erinnert sich der Italiener an die verwunschenen Labyrinthe seiner Heimat.
Anfang der 1990er Jahre lernte Palmisano
den italienischen Künstler Toni Manta in
Rom kennen. Dessen Arbeiten in Ölfarben
gefielen dem Gastwirt. Er beauftragte den
Maler, innerhalb eines Jahres 15 Bilder für
das Restaurant „La Gondola“ anzufertigen –
bis heute hängen sie in den Gasträumen.
Die süditalienische Straßenszene hat es Palmisano besonders angetan. „Trotz der dunklen
Farben und der engen Gassen wirkt das Bild
lebendig und strahlt Fröhlichkeit aus.
Das gibt mir Ruhe und Gelassenheit“, sagte er.
In der Grafschaft gefallen ihm vor allem die
Skulpturen auf der kunstwegen-Route entlang
der Vechte. „Für Kunst braucht man Zeit und
Gefühle“, sagt der Gastwirt, der die Kunstwerke Michelangelos und Picassos schätzt.
Nicht wichtig sei es ihm, ein Bild eines bekannten Künstlers zu besitzen. Vielmehr zähle, dass
Kunst eine Botschaft habe, die den Betrachter
erreicht. Im Dezember 2006 wird Angelo Palmisano mit seinem Ristorante in neue Räume
schräg gegenüber in der Ochsenstraße einziehen. Die letzten Umbauarbeiten sind noch im
Gange, doch eines ist klar: Sein Lieblingsbild
wird auch hier wieder einen besonderen Platz
bekommen.
Dagmar Thiel
Galerie
6
7
Galerie
Die letzte Lösung:
Der Griff zur Stichsäge
Manchmal macht ein Ausstellungsabbau
so viel Arbeit wie ein Umzug
Während Kerstin Goedecke das Klebeband von der Wand nimmt entfernt Elisabeth Wollek die Vaseline der Wandzeichnung von Nik Nowak.
ie vier Frauen schaben, zerren und reißen
mit Engelsgeduld.Was der junge Künstler
Nik Nowak zwei Monate zuvor akribisch mit
Klebeband, Folien und Vaseline auf 66 Quadratmeter Wand der Städtischen Galerie Nordhorn
brachte, hängt bereits in Fetzen herunter. „Es ist
eine unglaubliche Fisselarbeit. Man ist schon
froh, wenn man ein größeres Stück Folie zu
packen bekommt“, sagt Elisabeth Wollek, technische Aufbauleiterin der Galerie. Dem widerspenstigen Material rückt sie an diesem Montagmorgen mit Spachtel, Cutter und den bloßen
Fingernägeln zu Leibe: In wenigen Stunden
muss die Wand blitzblank sein. Dann wird ein
Trockenbauer Unebenheiten ausbessern und die
Flächen neu streichen. Schoben hier bislang Nik
Nowaks gigantische Kettenfahrzeuge die splitternden Reste eines Bildraums wie Packeisschollen zusammen, heißt es an genau diesem Ort
nur vier Tage später auf der Messe „Lebens(t)räume“ „schöner Bauen und Wohnen“.
„Ein Ausstellungsabbau ist genau so viel
Arbeit wie ein Umzug“, sagt Elisabeth Wollek,
während sie oben auf der Leiter am Handy ein
D
Auch die Wandzeichnung von Christine Rusche wird nach
Ausstellungsende von den Malern wieder weiß überstrichen.
Gespräch annimmt und mit der freien Hand
weiter an der Folie knibbelt. Galerieleiter Roland
Nachtigäller kann dem stets wiederkehrenden
Finale nur wenig abgewinnen: „Es ist schrecklich, am liebsten würde ich jedes Mal verreisen“, sagt er über den Ausstellungsabbau. Die
Künstler hätten für „Wucherungen und Wandnahmen“ zwei Wochen vor Ort gearbeitet und
nächtelang darüber diskutiert. „Nach sechs
Wochen Ausstellung wird alles wieder übermalt
– furchtbar!“, so Nachtigäller.
Denn bei dem Wandzeichnungsprojekt lässt
sich vieles nicht erhalten. Die Künstler zeichneten und malten nicht nur, sie gestalteten auch
mit Klebebändern und Styropor, klebten Papierschichten oder zeichneten mit dem Luftgewehr
auf die Wand.
Zumindest Hannes Kater wird Teile seiner
Kunst zurückbekommen. Er hat seine Zeichnungen von Wänden und Decke über Styroporflächen wie ein Bühnenbild in den Raum wachsen lassen. Sie hängen noch im Halbdunkel an
der Zwischenwand zwischen den Pavillons und
warten darauf, behutsam abgenommmen zu
Virtueller Sommerausflug: Programmierer und Autoren haben lange daran gearbeitet, örtliche Historiker, Biologen und Kunstwissenschaftler haben ihr Fachwissen mit einfließen lassen – und nun liegt
sie endlich vor: Die kunstwegen-Multimedia-CD ist randvoll mit Bildern, kurzen Filmsequenzen, gesprochenen Texten und Karten. Per Mausklick durchs Vechtetal, das ist das Motto dieser Produktion, die das
Skulpturenprojekt nun auch auf PC und Mac-Rechner zugänglich macht. + + + + Experimenteller Galeriebesuch: Das www-Labor der Kunstschule ist auch in diesem Halbjahr wieder höchst aktiv. So gibt es
jetzt das erste Kunstschul-Gästebuch im Internet, das auf Kommentare und Nachrichten wartet. Und momentan experimentieren die TeilnehmerInnen sogar mit virtuellen begehbaren Räumen, in denen die
Besucher auf Entdeckungsreise gehen können. Unter der Leitung von Hilmar Hermens wird hier die ganze Welt der digitalen Medien erforscht. + + + + Geheimnisvolles Leuchten: Zum Auftakt der neuen
Theatersaison wurde im Nordhorner Konzert- und Theatersaal mit einem kleinen Festakt ein faszinierendes Lichtband der Öffentlichkeit vorgestellt. Gleich im Eingangsbereich trifft der Besucher nun auf
eine lange Reihe von Impressionen aus dem Vechtetal, Kunst, Natur und Geschichte im anregenden bildlichen Dialog. Die Theatergäste freut's, gibt es doch nun in den Pausen so manch einen unbekannten
Blick auf bekannte heimatliche Orte zu entdecken. Und nicht wenige rätseln über die scheinbar fehlende Lichtquelle für die leuchtenden Dias – ebenso wie im Theater „De Voorveghter“ in Hardenberg, wo
werden.Auch die 17 Meter breite Wandcollage
von Christian Schwarzwald wird abgezogen und
dem Künstler zurückgegeben. „Wahrscheinlich
spritzen wir eine Wasser-Alkohol-Lösung auf die
Wand, damit sich das Papier lösen lässt“, sagt
Wollek. Fingerspitzengefühl wird erforderlich
sein, damit die dünnen Bögen nicht reißen. Die
zeichnerischen Wandskizzen von Ubbo Kügler
dagegen haben Maler bereits in der Nacht nach
dem Ausstellungsende einfach übermalt.
Im Schnitt dauert ein Ausstellungsabbau
anderthalb Wochen. „Am Anfang denkt man
immer, man schafft es nicht“, sagt Elisabeth
Wollek, für die dann Zehn-Stunden-Tage keine
Seltenheit sind.Auch eine einheitliche Vorgehensweise gibt es nicht. So wie jede Ausstellung
anders ist, ändert sich auch das Auf- und
Abbauen von Mal zu Mal. Meist werden Bilder
und Skulpturen an die Künstler, ihre Galerien
oder neue Ausstellungsorte geschickt. „Teure
Bilder sorgfältig zu verpacken und zu beschriften, ist aber noch viel aufwändiger, als hier die
Wände abzubauen und zu streichen“, vergleicht
Roland Nachtigäller.
Eher einfach gestaltete sich der Abbau der
Ausstellung „goldgelb“ von Sonja Ahlhäuser im
Frühjahr 2006. Die Ballen für die Strohlandschaften nahm der Landwirt, der sie zur Verfügung gestellt hatte, am Schluss einfach wieder
zurück und nutzte sie als Einstreu in seinen
Ställen. Kleinere Mengen gingen an Pferdehalter weg wie warme Semmeln. Doch nicht
immer findet übrig gebliebene Kunst so
reißenden Absatz.
Hermann Maier Neustadt überließ der
Galerie im Sommer 2006 die Skulptur „CAROORAC“. Der Künstler konnte die begehbare
Kapsel nach zweijähriger Tournee durch mehrere Ausstellungshallen leider nicht zurücknehmen, da er nicht über ausreichend große
Lagerräume verfügte, und auch ein Käufer fand
sich nicht.Also blieb als letzte Lösung nur der
Griff zur Stichsäge. „Diese Skulptur war das
erste Kunstwerk, das ich absichtlich vernichtet
habe“, erinnert sich Elisabeth Wollek. Mit
schwerem Gerät rückte Jens Wilke damals an
und zerlegte „CAROORAC“ in seine Einzelteile.
Ungezählte Ausstellungen hat der Mitarbeiter
im Fachbereich Öffentliche Flächen der Stadt
Nordhorn mit seinen Kollegen bereits auf- und
wieder abgebaut.
Die Künstler selbst haben oft gar kein Problem damit, dass ihre Kunstwerke nicht von
Dauer sind. Christine Rusche zum Beispiel, die
für „Wucherungen und Wandnahmen“ mit ihrer
großen schwarzweißen Wandzeichnung aus
gegenstandslosen Flächen einen großen Mauerwinkel optisch zum Schweben gebracht hatte,
legt ihre Kunst sogar explizit darauf an: „Dass
es verschwindet, ist Bestandteil des Werks“,
erklärt Elisabeth Wollek. Zeit, selbst wehmütig
zu werden, hat die technische Aufbauleiterin der
Galerie erst später.Am Ende einer Ausstellung
überlagern organisatorische Fragen die Gefühle
einfach. Elisabeth Wollek: „Es ist immer schade,
wenn ein Projekt zuende geht. Doch auch in der
Rückschau ist nichts einfach weg. Die Kunstwerke existieren zwar nicht mehr hier im realen
Ausstellungsraum, aber sie wirken im Kopf
Dagmar Thiel
weiter.“
bereits seit einiger Zeit eine Lichtinstallation für kunstwegen wirbt. + + + + Erfolgreiches Stühlerücken: Nachdem Arzu Sevimli nach zwei Jahren die Städische Galerie Nordhorn für neue Aufgaben
verlassen hat, wird das Büro seit Anfang Oktober von einer neuen Kraft geführt: Tina Meier ist 21 Jahre jung, arbeitete zuvor in der Euregio-Bücherei und hat sich mit großem Elan in die neuen Aufgaben
gestürzt. Ausstellungsbesucher werden sie spätestens zur nächsten Eröffnung kennen lernen. + + + + Ungewohnte Kunstbegegnung: Die Projekttage an den Nordhorner Berufsbildenden Schulen hielten
für eine Schülergruppe des Berufsvorbereitungsjahres eine ungewöhnliche Erfahrung bereit. Unter Anleitung der Kunstschuldozentin Heike Bluhm besuchten die Jungen und Mädchen, die bisher ohne
jeglichen Schulabschluss geblieben sind, zwei kunstwegen-Skulpturen und arbeiteten anschließend an eigenen Projekten. Mit Draht und Stoff erstellten sie plastische Arbeiten, die bei Lehrenden ebenso
wie bei den Schülern großes Staunen über ihre schlummernden Fähigkeiten hervorriefen. + + + + Fotografische Grüße: Das kunstwegen-Postkartenbuch war mit einem äußerst günstigen Preis und zwölf
attraktiven Motiven von Anfang an ein Renner. Seit Herbst ist es vergriffen, und pünktlich zum Weihnachtsfest gibt es nun die zweite Auflage. Zwölf neue kunstwegen-Fotos aus dem deutschen und niederländischen Vechtetal vom Starfotografen Helmut Claus laden dazu ein, einen heimatlichen Gruß in die Ferne zu schicken.
Portrait
8
9
Portrait
Das Leben –
ein Gesamtkunstwerk
Der Nordhorner Torsten Kaufmann
kennt (fast) keine Grenzen
ein, man kann nicht sagen, dass die Kunst
im Leben von Torsten Kaufmann einen
bestimmten Platz hat. Denn es ist vielmehr so,
dass sie überall im Alltag des Nordhorner
Künstlers eine Rolle spielt: In seinem Haus
haben Werke von ganz unterschiedlicher
Größe einen Platz gefunden, unzählige Bildbände füllen die zimmerhohen Regale und
auch beruflich hat er als Lehrer am Nordhorner
Gymnasium Tag ein, Tag aus mit Kunst zu tun.
N
„Meine Vorstellung ist es, mein ganzes Leben
lang Kunstwerke zu schaffen, die sich alle auf
sehr verschiedene Arten miteinander verknüpfen lassen. Keines steht einfach so für sich
allein. Mein Leben soll ein Gesamtkunstwerk
sein“, erklärt der 46-Jährige.
Und so braucht er auch für seine Ausstellungen viel Raum, um die einzelnen Stücke richtig
zur Geltung kommen zu lassen. „Ich schaffe
stets ganze Serien von Werken, die um ein
Thema kreisen. So kann ich unterschiedliche
Blickwinkel darauf zeigen“, erklärt Kaufmann,
der seit zehn Jahren in Nordhorn wohnt und
seit zwei Jahren am Gymnasium Kunst unterrichtet. So hat er schon für eine Ausstellung an
einem früheren Arbeitsplatz ganze Räume zu
einem regelrechten Netzwerk gestaltet. „Jedes
Stück ist mit den anderen verbunden, auch
wenn es manchmal nicht auf den ersten Blick
auffällt. Man muss sich Zeit lassen. Je mehr
man betrachtet, umso mehr Verbindungen der
Werke untereinander werden deutlich“, führt
er weiter aus. „Da ich aber soviel Raum für
meine Ausstellung brauche, ist es nicht immer
leicht, geeignete Orte zu finden.“
Dafür ist er bei der Wahl der Materialien
für seine Kunstwerke alles andere als eingeschränkt. Von Bildern in Acrylfarben auf Leinwand über mannshohe Schaumstoffskulpturen
und Arbeiten aus Sandstein bis hin zu Schnitzereien, die nur wenige Zentimeter groß sind, ist
alles im Haus des Nordhorners zu finden. „Mir
ist es wichtig, selbst etwas mit den Händen zu
machen. Auch wenn ich zum Beispiel ein Foto
finde, das in eine meiner Serien passt, male ich
es lieber noch einmal ab, als lediglich die Fotografie zu benutzen“, erläutert Torsten Kaufmann.
Und der Nordhorner greift dabei nicht nur
zu Pinsel und Meißel sondern auch zu Nadel
Für seine Skulpturen probiert Torsten Kaufmann immer wieder neue Materialien
und Techniken aus.
und Faden: So schafft er zum Beispiel erst
Kokons aus Weidenruten, die er anschließend
mit durchscheinender Gaze umnäht. „Bislang
ist es mir noch nie passiert, dass ich eine Idee
hatte und diese dann handwerklich nicht
umsetzen konnte. Es kann aber natürlich auch
sein, dass man automatisch innerhalb seiner
Möglichkeiten denkt“, meint er.
Im Alter von 17 Jahren fing Torsten Kaufmann an, sich künstlerisch auszudrücken. „Es
gab keinen speziellen Auslöser dafür. Ich fing
an zu malen und hatte schon früh ein recht
breit angelegtes Interesse“, erinnert er sich.
Dabei standen vor allem die verschiedenen
Kombinationen von klassischen Techniken und
modernen Ansätzen im Mittelpunkt seiner
Arbeiten. Und das hat sich bis heute nicht
geändert: „Ich habe zwar die Techniken und
Aussagen verfeinert,
bin aber meinem
damaligen Verständnis
von Kunst treu geblieben.“
Die Themen, die der Nordhorner in seinen
Werken verarbeitet, sind vielschichtig. Oft findet er Anregungen in der Literatur, wie die Ausstellungen „Ikarus“ im Alten Rathaus in Neuenhaus und „Salomon“ im Nordhorner Rathaus beweisen. Aber auch aktuelle Probleme,
zum Beispiel die Volksernährung, finden sich in
seinen Arbeiten wieder. „Ich versuche stets,
einen ironischen Ansatz zu finden, etwas, das
den Betrachter zum Nachdenken bringt. Mir ist
der Inhalt der künstlerischen Werke sehr wichtig. Die Form muss natürlich auch dazu passen.
So ist die reine Formalästhetik in der Kunst
nicht meine Sache“, erklärt Kaufmann.
Neben der Arbeit und dem Familienleben
bleibt ihm aber meist nur wenig Zeit für die
Kunst. Immer wenn Torsten Kaufmann die
Möglichkeit hat, arbeitet er daher an seinen
Werken, „auch wenn manchmal eine halbe
Stunde ausreichen muss“. Seit der Geburt
seiner Zwillinge habe er immer seltener Zeit für
seine Arbeiten. „Die ist dafür dann sehr intensiv“, erläutert er.
Seine Arbeiten entwirft er meist ausschließlich im Kopf, Skizzen zu den Projekten gibt es
nur wenige. Das ermöglicht ihm, in den freien
Stunden ohne weitere Planung zu arbeiten.
„Ich bin in dieser Beziehung ein Kopfmensch.
Umso wichtiger ist es mir dann, mit den Händen die Werke selbst zu gestalten.“ Mit seiner
„neuen“ Heimat Nordhorn hat sich Torsten
Kaufmann in den vergangenen zehn Jahren
angefreundet. „Selbst wenn das kulturelle
Angebot hier noch besser sein könnte, kann
man doch von Nordhorn aus einige andere
interessante Städte leicht erreichen“, meint er.
Und auch die Geschichte der Stadt Nordhorn
interessiert ihn. Sein Traum: „Im alten RaweGebäude die Geschichte der Textilstadt auf
künstlerische Art noch einmal beleuchten.“
Carolin Ernst
Standpunkt 10
11
… Impressionismus?
Kunst, Künstler und Politik
im „real existierenden Orient“
Von Karin Adrian von Roques
ährend der Ausstellung „Sprachen der
Wüste“, die im Kunstmuseum Bonn 2005
und in diesem Jahr im Institut du Monde Arabe
in Paris zeitgenössische arabische Kunst aus
den Golfstaaten präsentierte, wurde mehrfach
die Frage gestellt, wo denn unter den Werken
die politische Kunst sei. Auf die Gegenfrage,
was unter politischer Kunst verstanden würde,
kam die Antwort: „Haben die Araber nichts
zum 11. September oder zum Terrorismus zu
sagen?“
Verbunden mit dieser Frage ist nicht nur
eine bestimmte Erwartung an die arabische
Kunst, vielfach steckt dahinter auch geradezu
die Forderung, zeitgenössische arabische
Künstler müssten politisch sein oder zumindest
eine klare politische Position erkennbar werden lassen, jedoch im westlichen Sinne von
„richtiger“ Kritik.
Es ist nicht so, als gäbe es keine politische
Kunst von arabischen Künstlern. Beispielsweise hat die saudi-arabische Künstlerin
Shadia Alem eine Installation zum 11. September gemacht, die in Frankreich mehrfach zu
sehen war und einen besonderen Rahmen
braucht, wenn man sie ausstellen will. Doch
angesichts des Unfassbaren des 11. Septembers fällt es arabischen Künstlern ebenso
schwer, sich mit einem Kunstwerk darauf zu
beziehen, wie westlichen Künstlern.
Worauf sich viele arabische Künstler in
ihren Werken beziehen, ist, wovon sie sich
am meisten betroffen fühlen, das sind der
Palästina-Konflikt, die Kriegsdramen im
Libanon, im Irak und deren Auswirkungen.
Arabische Künstler, wie der Marokkaner
Mounir Fatmi, der Palästinenser Rula
W
Halawani, der Libanese Roger Moukarzel oder
der Kuweiti Tarek Al Ghoussein, um nur einige
zu nennen, haben Werke geschaffen, die unter
die Haut gehen. Viele Künstler sind sich zudem
über die schwierige Position bewusst, die das
Araber-Sein durch Fundamentalismus und
Terrorismus im Bewusstsein der westlichen
Welt eingenommen hat. All diese Konflikte
fließen in ihre Werke ein, aber sie dominieren
sie nicht.
Karin Adrian
von Roques
ist Kunsthistorikerin
und Museumskuratorin.
Sie hat sich auf
zeitgenössische
Kunst islamischer
Länder spezialisiert.
Von Roques lebt
in Bonn.
Die Auseinandersetzung mit konfliktbeladenen Themen findet auf ihre eigene, ihnen
gemäße Weise statt. Im Westen unterliegen wir
der Gefahr, unsere Kriterien von „was Kunst
ist“, unseren „way of life“ als Maßstab zu
setzen. Fremde Kulturen werden häufig unreflektiert und ohne tieferes Verständnis rezipiert, und damit wird der Boden für Vorurteile
bereitet. Der islamische Orient liefert dafür ein
historisches Beispiel. Im Laufe der Jahrhunderte hat er die Phantasie der Europäer immer
wieder beflügelt bis hin zu den wildesten
Vorstellungen. Mit dem „real existierenden
Orient“ hatte das indes wenig gemein.
Das Verständnis für eine andere, uns fremde
Kultur entwickelt sich nur mit der Bereitschaft,
gewohnte Sichtweisen gelegentlich zu verlassen und immer wieder den Perspektivwechsel
zu wagen.
Unterscheidet sich zeitgenössische arabische Kunst von westlicher? Entscheidend ist,
wie etwas dargestellt ist und nicht so sehr was.
Es geht um die Eigenständigkeit eines Werkes.
Darum sind arabische Künstler ebenso bemüht
wie westliche. Insofern unterscheidet sich die
zeitgenössische arabische Kunst von westlicher lediglich aus den inhaltlichen Zusammenhängen heraus. Bei der Wahl der Mittel,
bei der Komposition eines Bildes, bei der
Gestaltung eines Videos, einer Skulptur oder
einer Installation spielen ihr soziales, kulturelles, politisches und ihr religiöses Umfeld eine
Rolle.
Bleibt noch die Frage, ob arabische Künstler
heftige Reaktionen fürchten müssen, wenn
sie ähnliches darstellten wie die Karikaturen
von Dänemark. Doch diese Frage stellt sich
nicht, da arabische Künstler den Propheten
niemals in verunglimpfender Weise darstellen
würden, von einer Darstellung des Propheten
selbst einmal ganz abgesehen. Das Eingebundensein in die Religion spielt für die arabische Gesellschaft wie für jeden einzelnen
eine große Rolle, wie der weitgehend säkularisierte Westen es oft nur schwer nachvollziehen kann. Respekt vor der Religion und
vor religiösen Gefühlen sitzen tief. Es gibt
durchaus noch Dinge, die Menschen heilig
sein können.
Was ist eigentlich ...
[lat.-frz.] der; –: 1860 – 70 in der franz. Malerei entstandene Stilrichtung
(Freilichtmalerei), die den zufälligen Ausschnitt aus der Wirklichkeit darstellt
Von links: „Brücke in Monets Garten”, 1895, Öl auf Leinwand, 89 x 92 cm, Privatbesitz
„Der Seerosenteich”, 1899, Öl auf Leinwand, 90 x 90 cm, The Art Museum, Princeton University
„Die Brücke über den Seerosenteich, Giverny”, 1900, Öl auf Leinwand, 89 x 100 cm, The Art Institute of Chicago
nde des 19. Jahrhunderts mietet sich ein
Maler in Rouen, einer französischen Stadt,
in ein Hotel ein. Einige Wochen will er bleiben, künstlerisch tätig werden. Er wählt ein
Zimmer mit Balkon mit Blick auf die gotische
Kathedrale. Er hat Ölfarben in Tuben dabei,
eine Staffelei, Pinsel, kurz: alles, was für das
Malen außerhalb seines Ateliers von Nutzen
ist. Nun fängt er an, stellt die Staffelei auf den
Balkon und malt. Nicht nur ein Bild, nein,
viele, eine ganze Serie von Bildern immer des
gleichen Motivs: die Kathedrale von Rouen.
Die Fassade mit dem Eingangsbereich hat es
ihm besonders angetan. Das Portal, die
Nischen, die Heiligenfiguren, kurz alles,
was die Fassade ausmacht und im Licht der
gleißenden Sonne seine Schatten wirft.
Wie zeigt sich das Portal im Morgenlicht, in
der Mittagsonne, am Abend? Welche Auswirkungen hat der morgendliche Dunst?
Verändert die Brechung des Lichts im Regen
die Wahrnehmung?
E
Natürlich schreibt sich der Künstler auch
mit seiner Frau, die daheim geblieben ist und
ihn nicht auf seinen Studien begleitet. Sie
fragt ihn in einem ihrer Briefe, wie denn die
Kathedrale von innen aussehe. Schweigen.
Er kann ihr darauf keine Antwort geben.
Selbst nach Wochen des Aufenthalts in Rouen
hat er die mächtige Kathedrale, die er tagtäglich von seinem Hotelzimmer aus beobachtet, nicht betreten. Für ihn zählt allein
die äußere Erscheinung.
Nichts bringt die Ziele und die Beweggründe der Impressionisten besser auf den
Punkt als diese Anekdote aus dem Leben
eines ihrer berühmtesten Vertreter: Claude
Monet. Schon mit seinem provokanten Werk
„Soleil levant“ (Aufgehende Sonne), das mit
seinem Untertitel und dem Spott der Kritiker
den Stilbegriff Impressionismus prägte, revoltierte er gegen den Zeitgeist und die zeitgenössische Kunst der Historienmalerei,
gegen „Pathos und Pseudreligiösität“.*
Die Wiedergabe der Oberflächenerscheinung,
Licht, Schatten, Reflexionen und Atmosphäre
sind von Interesse. Dazu ist es nötig, schnell
und spontan vor Ort zu malen. „Plein air“
(Freilichtmalerei) ist das Gebot der Stunde,
damit die Erscheinung direkt und ohne den
Umweg über das Atelier eingefangen werden
kann. Das Bild, das Abbild wird wichtiger als
der darzustellende Gegenstand. Genauigkeit
und Detailreichtum unterliegen dem Anspruch, den flüchtigen Augenblick einzufangen. Das optische Erscheinungsbild zählt,
skizziert mit schnellen, kommaartigen Pinselstrichen. Spontanes und intuitives Erfassen
des Bildausschnittes löst die ausgeklügelte,
wohlüberlegte Komposition ab. Schatten werden in ihrer flüchtigen Farbigkeit entdeckt,
Farbe und Duktus skizzieren und markieren
Blumen, Wasser, Rauch – ja vielleicht sogar
den Duft eines Gartens. Wer einmal Giverny,
den Park Monets, durchschreiten konnte,
weiß, wovon seine Bilder und die der anderen
Impressionisten sprechen.
*G. J. Janowitz, 1987
Thomas Kern
schöne Tipps 12
25
kunstwegen
Neues vom Schüler
und seinem Lehrer
as Otto-Pankok-Museum in Gildehaus feiert sein zehnjähriges
Bestehen mit einer neuen Ausstellung. Unter dem Titel „Blick
bricht auf“ zeigt der Verein im „Alten Rathaus“ Werke von Otto
Pankok und Günter Grass. Der Literaturnobelpreisträger, der vor kurzem
mit seiner Vergangenheit als Jugendlicher in der Waffen-SS für Diskussionen sorgte, ist ein ehemaliger Student Otto Pankoks. Dieser war zwischen 1947 und 1958 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, Günter Grass studierte bei ihm von 1949 bis 1952.
Es ist das zweite Mal, dass in Gildehaus Arbeiten beider Künstler zeitgleich zu sehen sind. Schon im Sommer 2003 hatte der Kunstverein aus
der Obergrafschaft mit einer Ausstellung auf die künstlerische Verbindung zwischen Otto Pankok und Günter Grass hingewiesen. Damals war
der wohl bekannteste zeitgenössische Schriftsteller Deutschlands auch
selbst nach Gildehaus gekommen und hatte sich den Zyklus „Günter
Grass und Otto Pankok – ein Schüler und sein Lehrer“ angeschaut. Der
Besuch hatte für viel Aufsehen gesorgt.
Der Nachfolger „Blick bricht auf“ zeigt in den Räumen des 350 Jahre
alten Gebäudes groß- und kleinformatige Lithographien, Radierungen
und Zeichnungen. Außerdem sind mehrere Plastiken ausgestellt.
Der größte Teil der Arbeiten stammt von Günter Grass. Der Betrachter
findet bekannte Figuren wie den Butt oder die Rättin wieder, die der
Schriftsteller in seinen Büchern verarbeitete. Seine wiederkehrenden
Motive versieht Grass in den Grafiken, die in der Obergrafschaft zu
sehen sind, zum Teil mit Selbstporträts.
Was aber wird durch den Blick der beiden Künstler (auf)gebrochen?
Da ist zum einen das Brillenglas, durch das der Betrachter die Welt bislang sah. Zum anderen ist da aber auch der Ausschnitt, das Detail – vom
Älteren und Jüngeren zu einem Ganzen zusammengefügt. Otto Pankok
und Günter Grass „machen Dinge fremd, sprengen den Rahmen, durchbrechen die Oberfläche, vermessen die Welt alltäglicher Beobachtungen
neu“, erklärt der Otto-Pankok-Verein.
D
„Akribische
Beobachtungen …“
Die Ausstellung „Blick bricht auf“ ist noch bis zum 25. März in Gildehaus zu sehen. Das Otto-Pankok-Museum im gerade frisch renovierten
„Alten Rathaus“ ist mittwochs von 15 bis 17 Uhr sowie sonnabends
und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
Andre Berends
Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++ Kunst in der Region +++
Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster Hafenweg 28, 20. Januar bis April 2007, „Laura Owens – Malerei“, dienstags bis freitags
14 bis 19 Uhr, sonnabends und sonntags 12 bis 18 Uhr Kunstverein Grafschaft Bentheim Hauptstraße 37, 10. Dezember bis 18. Februar,
„Ursula Neugebauer – Film, Skulptur, Zeichnung“, mittwochs bis sonnabends 15 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr Kunstverein Lingen
Kaiserstraße, bis 17. Dezember, „Annelise Coste - Parmi les singes et les signes“; ab Januar, „Cross kick – Projekt mit Kunststudenten aus Krakau“,
dienstags, mittwochs und freitags 10 bis 17 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr, sonnabends und sonntags 11 bis 17 Uhr Volkshochschule
Bernhard-Niehues-Straße, bis 2. Januar, „moments“ – Aquarelle von Ursula Gnech, montags bis donnerstags 9 bis 20 Uhr, freitags 9 bis 18 Uhr
Städtische Galerie Nordhorn Alte Weberei, 2. Dezember bis 14. Januar, „Franka Hörnschemeyer – Kunstpreis der Stadt Nordhorn 2006“,
dienstags bis freitags 14 bis 17 Uhr, sonnabends 14 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr. 24., 25. und 31.12. geschlossen Atelier Sägemühle
Nordhorn, 11. Februar bis 18. März, „Harald Heinsch – Landschaftsmalereien“, sonnabends und sonntags 15 bis 18 Uhr.
arten geben ihren Betrachtern Informationen preis. Zum Beispiel über die Position
eines Ziels, die Entfernung und den Weg dorthin. Es gibt aber auch Karten, die weisen nicht
den Weg zu einem Ziel – ihr Ziel ist der Weg an
sich. In Hoogstede ist so eine Karte zu sehen,
und in Lage und Laar auch. Der Landschaftskünstler Till Krause hat sie im Jahr 2000 erstellt.
„Akribische Beobachtungen über eine
Wegeroute und ihre Landschaft“ hat der
Hamburger seine Arbeit genannt. Till Krause
machte sich auf den Weg durch das Vechtetal,
erkundete die Region zwischen Nordhorn und
Gramsbergen. Mal mit dem Auto, mal mit dem
Fahrrad, mal zu Fuß – und sogar auch mal mit
dem Flugzeug und dem Ultraleichtflieger.
K
Dabei achtete der damals 35-Jährige
darauf, wie sich der Handyempfang unterwegs
veränderte. Am Grenzübergang bei Laar fiel
Till Krause zum Beispiel in ein Funkloch.
Das ist auf seiner Karte an einer blauen
Markierung abzulesen. Es gibt sechs Farben,
mit denen Till Krause die Empfangsstärke
entlang der kunstwegen-Route exakt
festhielt.
von Till Krause
Der Künstler hat unterwegs aber nicht nur
auf sein Handydisplay geschaut, er hat auch
der Landschaft ein überaus waches Auge
geschenkt. Wie weit kann ich wo gucken?
Antworten liefert eine zweite Karte, auf der
das Blickfeld präzise vermerkt ist. Mit roten
Farbflächen kennzeichnete Till Krause das
Terrain, das er von seinem Weg aus überAndre Berends
blicken konnte.
Die Karten sind 116,5 mal 133,5 Zentimeter groß und in Edelstahl-Vitrinen
ausgestellt. Die Funkschattenkarte steht in Hoogstede an der Ecke Bahnhofstraße/Grüntalstraße in Höhe der Vechtebrücke. Die Blickfeld-Dokumentation
ist an der Grenzstraße von Lage nach Grasdorf gegenüber der Einmündung
zur Thesingfelder Straße neben einer Wanderhütte zu finden. Und die Blickabschnittskarte steht am Echteler Weg zwischen Emlichheim und Laar.
Kunstschule 26
27
rene Kunstvermittler zu Rate zu ziehen, und
zwar in Form einer Fortbildung, unterstützt von
der Emsländischen Landschaft. Die Wahl fällt
auf Constanze Eckert und Anna Zosik aus
Berlin. Und so verwandelt sich der Flur zwischen den Galerie-Pavillons schließlich doch
noch in so eine Art Lehrerzimmer.
Thema: Zeitgenössische Vermittlung oder
Vermittlung zeitgenössischer Kunst am Beispiel der Ausstellung „Wucherungen und
Wandnahmen“. Auf den Tischen liegen Filzstifte, Kulis, Füller, Neonmarker, Kameras, Zigarettenschachteln, stehen Tassen und ein leer
gefutterter Keksteller. Nervennahrung? Eigentlich nicht nötig. In Klausur zu gehen bedeutet
nicht unbedingt, auch eine schreiben zu müssen.
Es herrscht eine angenehme, entspannte
Atmosphäre.
Constanze Eckert und Anna Zosik haben
mehrere Kunstbücher und Aktenordner mit
dabei, auf einem Werkstattwagen steht ein
Beamer, außerdem ist ein Tageslichtprojektor
angekarrt worden. Einige der Nordhorner
Dozenten machen sich Notizen, andere belassen es beim Zuhören. Nebenan stehen noch
Tische, auf denen Ausstellungskataloge ausliegen. An Material soll es nicht mangeln.
Die Teilnehmer steigen ein in ihre Diskussion.
„Wann nennt ihr etwas eine Zeichnung?“,
fragt Constanze Eckert. Grübeln. Eigentlich
eine simple Frage. Aber vielleicht ist sie zu
einfach, zu grundsätzlich, zu unerwartet?
Ein wenig von allem. „Eine Zeichnung besteht
für mich aus Punkten und Strichen, Malen hat
mehr mit Farben und Kompositionen zu tun“,
wagt eine Teilnehmerin eine erste Definition
und schiebt etwas kleinlaut hinterher:
„Da habe ich mir noch nie Gedanken drüber
gemacht ...“
Linien und Flächen – wenn es nur so einfach
wäre. Die acht Künstler der Ausstellung
„Wucherungen und Wandnahmen“ scheinen
mit ihren Arbeiten so manch ungeschriebene
Gesetzmäßigkeit nicht nur in Frage gestellt,
sondern aufgehoben zu haben. „Bisher konnte
ich das immer trennen. Aber nach dieser Aus-
stellung sehe ich keine Begrenzung mehr
zwischen Malen und Zeichnen“, sagt Karin
Heidinger-Pena, selbst ein wenig verblüfft.
Es gehe gar nicht um eine feste Definition,
erklärt Anna Zosik, sondern um das Abstecken
eines Felds. Ein Feld, das die Dozenten später
wieder mit den Kindern und Jugendlichen
bestellen. Die Diskussionen und praktischen
Arbeiten der Fortbildung – unter anderem
zeichneten die 13 Teilnehmer Schattenrisse,
spannten ein Netz aus Schnüren und entwarfen Zeichen und Sticker – brächten tolle Idee
hervor, berichtet Heidinger-Pena.
Es sei wichtig, mal wieder in die SchülerRolle zu schlüpfen, die Arbeit mal aus einem
anderen Blickwinkel zu betrachten, sich neu
inspirieren zu lassen, sagt die Leiterin. Insbesondere bei den häufig sehr offenen Frageund Aufgabenstellungen in der Kunstschule,
die viel Freiheit erlaubten und keine konkreten
Lernziele vorgäben, komme es darauf an,
spontan zu bleiben, um das Gespür für Kunst
zu finden und zu wecken.
Andre Berends
Rollentausch
Dozenten der Kunstschule
drücken die Schulbank
ie Kunstschule der Städtischen Galerie
Nordhorn hatte ja nie so richtig was mit
einer normalen Schule gemeinsam. Es gibt
keine Noten, keine Zeugnisse, keine Klassenräume, ganz zu schweigen von gestressten
Paukern, die einen eng gesteckten Lehrplan
durchziehen müssen. Warum sollte dann ausgerechnet das Lehrerzimmer die Vorstellung
eines mit überquellenden Fächern und alten
Ledertaschen gefüllten Verschlags erfüllen?
Eigentlich braucht die Kunstschule gar kein
D
Lehrerzimmer. Es gibt ja schließlich keine
großen Pausen, und wer mal einen Kaffee
schlürfen will, findet im Büro sicher eine Tasse.
Dennoch wird hin und wieder ein Raum
benötigt, in dem sich das Dozenten-Team um
Karin Heidinger-Pena trifft, um zum Beispiel
das Kursprogramm in den Laboren, so heißen
die Kunstschulgruppen, vorzubereiten. Starre
Vorgaben gibt es wie gesagt nicht.
„Zu jeder Ausstellung ein passendes Konzept erarbeiten zu können, ist ein unglaub-
licher Luxus“, meint Karin Heidinger-Pena.
Gleichwohl stehen die Leiterin und ihre MitarbeiterInnen immer wieder vor neuen Herausforderungen:Was könnte die Kinder und Jugendlichen interessieren? Gibt es kreative Möglichkeiten, die wir noch nicht ausgeschöpft haben?
Erreichen wir unser Ziel, die pädagogische
Vermittlung zeitgenössischer Kunst?
Fragen, auf die es im eigenen Haus keine
klaren Antworten gibt und geben kann. Also
beschließt das Dozenten-Team, andere erfah-
Kunstschule
Unter der Leitung von Constanze Eckert und Anna Zosik
erarbeiteten 13 DozentInnen der Kunstschule neue
Wege der Vermittlung zeitgenössischer Kunst.
Das Ziel: bei Kindern und Jugendlichen ein Gespür
für Kunst zu finden und zu wecken.
Reportage 28
29
eo von Klenze hätte seine Freude gehabt an
diesem Bauwerk. Der Festungsarchitekt des
Bayernkönigs Ludwig I. liebte Bögen. Klenze
war so verliebt in die Ästhetik Stein gewordener Rundungen, dass er bisweilen die militärischen Absichten seines Auftraggebers aus den
Augen verlor. Der König verzieh es ihm gerne.
Auch Ludwig war eher ein Mann der Musen als
des Schwerts. Schön, dass nun auch Nordhorn
sein Bollwerk hat. Dabei soll das Rawe-RingCenter keinen Feind abwehren, sondern – ganz
im Gegenteil – konsumhungrige Heerscharen
anlocken. Die Schlacht um den Geldbeutel wird
im Innern geschlagen, inklusive 19 Prozent
Mehrwertsteuer.
Der bis zu sechs Meter hohe Betonbogen –
landestypisch mit rotem Klinker verhüllt –
umschließt einen Konsumtempel bemerkenswerten Ausmaßes. Gut 400 Meter lang ist das
Klinkerrund, durchbrochen von großen
Lichtöffnungen. Die Süd-West-Ausrichtung
lässt viel Sonne in die beiden 6000 Quadratmeter großen Hallen des SB- und Baumarkts,
die sieben vorgelagerten, insgesamt 4500
Quadratmeter großen Fachmärkte, den 2200
Quadratmeter großen Gartenmarkt und die
L
Mauerrund
Noch eine Geschichte
über das Rawe-Ring-Center
1700 Quadratmeter große Einkaufs-Mall mit
ihren kleinen Geschäften. 20 Millionen Euro
verbaut die Bocholter Ten-Brinke-Gruppe auf
der innerstädtischen Industriebrache. Hunderte
Arbeiter haben seit Juni dieses Jahres in
Rekordtempo das Ring-Center hochgezogen.
Zuvor war mit der Textilfabrik Rawe ein weiteres Zeugnis aus Nordhorns Industriegeschichte
unter der Abrissbirne zerbröselt.
Hinter den neuen Mauern aus Glas und
Beton werden ab März kommenden Jahres
Armeen von Frühlingsblumen nach Größe und
Farbe sortiert antreten, um den Weg in die Gärten und auf die Balkone zu finden. Die Garnison des Ring-Centers soll etwa 200 Männer
und Frauen zählen. Die meisten ziehen einfach
mit dem Inventar des Bau- und Gartenmarkts
von den grünen Marktkauf-Hallen an der Bentheimer Straße in ihre neue Wirkungsstätte um.
Aufgestockt wird die Belegschaft durch die
Verkäufer in den neuen Läden.
Die charakteristische Ringmauer war ein
Kompromiss, auf den sich Bauherr, Stadt und
Architekt nach langwierigen Verhandlungen
geeinigt haben. Auch die Ausrichtung des
Ring-Centers zur Vechte hin und nicht – wie
Reportage
ursprünglich geplant – zur Neuenhauser
Straße, kam erst nach zähem Ringen zustande.
„Der gestalterische Mehrwert war ein Auftrag
der Stadt“, sagt Jos van der Pas, der das
Projekt Rawe-Ring-Center für die Ten-BrinkeGruppe leitet. Die Umsetzung der städtischen
Forderungen übernahm das Stuttgarter Architekturbüro EPA. Die Planer haben es verstanden, wie ehedem Leo von Klenze vor 160 Jahren, profane Nutzung hinter eindrucksvoller
Fassade zu verstecken.
Und dann wäre da noch die neue Anbindung an die City, quasi die Nabelschnur für die
vom Massengeschäft abgekoppelten
Geschäfte in der „City“. Die Kinder, die beim
Holschenmarkt und Nordhorner Oktober ihre
ausrangierten Spielzeuge zu Geld machen
wollen, dürfen sich freuen: So viel Platz war
auf der Uferpromenade noch nie für die Auslagen des Flohmarkts. Und die Freizeitkapitäne, die künftig mit ihren Hightech-Kähnen
von der Vechtesee-Marina aus auf Nordhorns
Wasserstraßen kreuzen, sollten sich schon
einmal einen Liegeplatz im neuen Hafen direkt
unterhalb des Cafés am Ring-Center reservieDaniel Klause
ren lassen. Toll!
Kochkünstler 30
31
Bücherecke
Himmelsblick
mit Tiefgang
er Inbegriff glücklicher
Kindheitstage: Auf dem
Rücken im Gras zu liegen, den
vorüber ziehenden Wolken
zusehen und sich ganz den
Bild-Assoziationen zu den
flüchtigen Formationen hingeben. Dass man aus diesem
Klischee beladenen Kinderspiel ein ganzes Buch gestalten und dabei die Klippen
kitschiger Erbauungsliteratur
geschickt umschiffen kann,
das beweist der Wiener Fotograf Clemens Zahn mit seinem
Bildband „Wolken – Landschaften am Himmel“. Seine Fotos zeigen tägliche Himmelsschauspiele
in allen Farb- und Formnuancen, zarte Schäfchenwolken, dramatische
Gewitterberge ebenso wie blutrote Abendhimmel. Seinen besonderen
Esprit aber erhält dieses Buch durch die Texte: Da sind zum einen die
Wolkengedichte und -zitate von Goethe, Rilke, Brecht, Hesse, Enzensberger und vielen anderen, die zusammen mit einer kleinen Wolken-Wetterkunde die fotografischen Impressionen begleiten.
Zudem gelang es Zahn aber auch, den großen Filmemacher Wim
Wenders (u. a. „Der Himmel über Berlin“) für ein poetisches Vorwort zu
gewinnen. Sein assoziativer Wolkentext führt in etwas feierlichem Tonfall auf viele gedankliche Seitenpfade rund um diese faszinierenden
Gebilde aus Luft und Wasser, die auch für das Licht des Films eine große
Rolle spielen. Kernstück ist aber sicherlich der Text des Schweizer Kunsthistorikers Beat Wismer über die Geschichte der Wolke in der bildenden
Kunst. In ebenso einfacher wie kluger Sprache und mit Beispielen von
Tiepolo bis Beuys legt er dar, wie eng die Entdeckung des Himmels mit
seiner künstlerischen Erfindung verbunden war. Ein Buch für Himmelsgucker ebenso wie für Wolkendenker.
Roland Nachtigäller
D
Ubbo Kügler
wurde 1964 in Wilhelmshaven
geboren und lebt heute mit Frau
und drei Kindern in Düsseldorf.
Er ist ein leidenschaftlicher
Zeichner, dessen Bilder fast wie
Tagebucheinträge funktionieren.
Von ihrem Ausgangspunkt aus
entspinnen sich seine Zeichnungen
über riesige Flächen zu dicht
geflochtenen Netzen. Einzelne
Motive reihen sich Gedankenketten
gleich aneinander, subjektiv,
versponnen und voller unerzählter
Geschichten. Der Künstler, der in
diesem Herbst in der Städtischen
Galerie Nordhorn eine große Wandzeichnung realisierte, schreibt zu
seinem zeichnerisch umgesetzten
Lieblingsgericht: „Mutter hat Labskaus immer so gemacht, dass der Saft
der Roten Beete unten aus dem nach
allem, aber nicht nach Essen aussehenden Matsch heraussickerte, wie aus
einem schlachtfrischen Steak.
Um dies für uns Kinder nicht so grausam
aussehen zu lassen – so dachte ich
jedenfalls – wurde ein gebratener
totgeborener Hühnerfötus [gemeint
ist ein Spiegelei] drübergelegt.
Man kann gar nichts falsch machen:
Die verdrehte Pampe ist wie die Welt –
sie schmeckt immer und sieht sie auch
furchtbar aus, sie bekommt ja einen
schneeweißen Mantel. Luxus ist der
Rollmops: ein silberglänzender Schmuck.“
Clemens Zahn: Wolken – Landschaften am Himmel
152 Seiten, 110 Abbildungen
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2005
19,95 Euro
Märchen
er kennt sie nicht, die Märchen von Hans Christian Andersen?
Seine Märchenwelt ist voller Fantasie und begleitet schon viele
Generationen. Die bekanntesten sind sicher „Die kleine Meerjungfrau“,
„Das hässliche Entlein“, „Die Prinzessin auf der Erbse“ und
„Des Kaisers neue Kleider“. Sie sind in mehr als 100 Sprachen übersetzt. Insgesamt hat der dänische Märchendichter 156 Geschichten
geschrieben.
Dieses großformatige Buch bringt 43 seiner Märchen – alle berühmten und dazu weniger bekannte, aber nicht minder reizvolle und
spannende. Das Besondere an diesem Buch sind sicher die traumhaft
schönen Zeichnungen, die die Märchen begleiten. Geschaffen hat sie
der Zeichner und Maler Nikolaus Heidelbach, der im Ausland noch
bekannter als in Deutschland ist. Seine farbigen Illustrationen sind
kleine Gemälde im „fotorealistischen Stil“ mit vielen Details, die zum
näheren Betrachten und weiteren Nachdenken über die Märchen
einladen. Dabei sind die Zeichnungen keineswegs immer nur nett oder
gar lieblich – aber das sind Märchen in der Regel ja auch nicht.
W
Marianne Begemann
Hans Christian Andersen: Märchen
374 Seiten, 120 Bilder von Nikolaus Heidelbach
Verlag Beltz & Gelberg 2004
38,00 Euro
Der andere Blick 32
Historisch: So muss es am Tag vor der Währungsreform ausgesehen haben.
2
1
Gefährlich:
Der Name verheißt nichts Gutes für
die Herzkranzgefäße.
4
Farbenfroh:
Und welcher Typ sind Sie?
Der Blaue, der Rote oder doch
eher der Weiße?
Zurückhaltend:
Hier soll allein die Qualität überzeugen.
3
... in die Auslage
7
8
Visionär:
Die Zukunft unserer
Innenstadt?
Märchenhaft:
Komm herein
in mein
Knusperhaus!
5
Mondän:
Fünf Freundinnen
müsst ihr sein.
6
Verheißungsvoll:
Ja, ist denn schon wieder Weihnachten?
Die bunte Seite 34
Alte Meister
SCHONE
Fragen ...
Everhard Hüseman
Biobauer aus Hesepe
Was gefällt Ihnen an der Grafschaft am Besten?
… die weitgehende Einhaltung der Sonntagsruhe.
Etwas, das Sie sammeln: Kartoffeln und Eier
Ein Künstler oder eine Künstlerin, die Sie sehr schätzen:
Reinhard Mey, seine Lieder haben in ungefähr 30 Jahren nichts
an Geist und Witz eingebüßt.
Eine Ausstellung, ein Konzert oder Theaterstück,
das Sie nachhaltig beeindruckt hat:
Anatevka.
Einen Ort in der Grafschaft, den Sie lieben:
Die Herrlichkeit in Lage
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Gelassener, wenn sie mich näher kennen würden, wüssten sie,
warum.
Von welchem Künstler hätten Sie am liebsten ein Bild
im Wohnzimmer? Von meiner Frau.
Etwas, das Ihnen an der Religion gefällt:
Dass die Geborgenheit, die mir mein Glaube schenkt, nicht an einen
Ort gebunden ist.
Eine Sache, die Sie gerne putzen:
Da fällt mir auch nach längerem Nachdenken nichts ein.
Kinder sind …
… die aufmerksamsten Zuhörer und die ehrlichsten Fragesteller.
In der Grafschaft fehlen mir immer noch …
… weitere Biobauern.
Ein Grund, weshalb Sie aus der Grafschaft wegziehen würden:
Wegen der Verbissenheit in der Einhaltung von ,,fragwürdigen“
Traditionen.
Sind Sie Mitglied in einem Verein? Im CVJM, weil ich selber als
Jugendlicher dort zu meinem Glauben fand. Außerdem bin ich aktiv
im Naturlandverband tätig, um eine faire und nachhaltige
Wirtschaftsweise zu unterstützen.
Hundertwasser: Schwarzer Garten
Eine schöne Tradition ist …
… das Amt des Taufpaten, wenn ein ,,Großer“ versucht,
einem ,,Kleinen“ zur Seite zu stehen.
Sind Sie schon Mitglied?
Seit vielen Jahren wird die Arbeit der Städtischen Galerie Nordhorn
von einem engagierten Förderkreis ideell wie finanziell begleitet.
Er ist ein unverzichtbarer Partner der Galerie für alle kulturellen und
künstlerischen Aktivitäten, die über das gewohnte Maß hinaus gehen.
Im Gegenzug bezieht die Städtische Galerie Nordhorn die Mitglieder
besonders eng in ihre Arbeit mit ein: Angeboten werden Sonderführungen, Essen und Gespräche mit Künstlern im kleinen Kreis, Reisen
zu besonderen Ereignissen außerhalb Nordhorns, Vorabinformationen
oder auch die kostenlose Zusendung des Magazins »schön« direkt nach
Erscheinen. Alle Mitgliede erhalten auf die hochwertigen Kataloge einen
Sonderrabatt von mindestens 30%.
Rücken Sie näher an die Städtische Galerie Nordhorn heran und stoßen
Sie zu einer interessanten, vielfältigen und aufgeschlossenen Gruppe
kulturbegeisteter Menschen. Mit einem Jahresbeitrag von 30 €
(Schüler u. Studenten 10 €) helfen Sie aktiv mit, dass Kunst und Kultur
in Nordhorn weiterhin lebendig und abwechslungsreich bleiben und
Außergewöhnliches zu bieten haben.
dabei sein
neugierig, aufgeschlossen,
interessiert, engagiert
förderkreis
städtische galerie nordhorn e. v.
herrn dr. hans michael schulz
vechteaue 2, 48529 nordhorn
tel. 05921-97 11 00, fax 97 11 05