Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala

Transcription

Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Fallstudie über die internationale Begleitarbeit von Menschenrechtsaktivisten im
Konfliktkontext von Megaprojekten in Guatemala
Masterarbeit
Zur Erlangung des
Mastergrades
der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Luzern
vorgelegt von
Spetzler, Julia
Von Zürich / ZH
Eingereicht am: 2. September 2009
Erstgutachter: Ph. D. Boris Holzer
Zweitgutachterin: Prof. Dr. Sandra Lavenex
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Abstract
In dieser Arbeit wird aufgezeigt, dass in einem fragilen Staat wie Guatemala Megaprojekte
von transnationalen Unternehmen zu einem eskalationsträchtigen Konflikt beitragen. Die
Gründe dafür sind vielschichtig. Megaprojekte, insbesondere extraktive Ressourcenprojekte,
führen zu sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen für die lokal betroffene
Bevölkerung. Die lokal betroffene Bevölkerung opponiert Megaprojekte, weil sich die
Bevölkerung ungenügend konsultiert und informiert fühlt, was auf die soziale und politische
Exklusion zurückzuführen ist. Der Widerstand rührt auch daher, dass sich die lokal betroffene
Bevölkerung als Verlierer solcher Projekte sieht. Die Planung und Umsetzung von
Megaprojekten spaltet die Lokalbevölkerung weil unterschiedliche Visionen zu Entwicklung
existieren. Megaprojekte in Guatemala bergen auch aufgrund historisch begründeter
Konfliktmuster ein gewaltgeladenes Konfliktpotenzial.
In Guatemala verstärken Megaprojekte das vorhandene Ungleichgewicht zwischen
Staat/Unternehmen und der Zivilbevölkerung. Die internationale Begleitarbeit von CAIGAcoguate ist ein mögliches Instrument diese ungleichen Machtverhältnisse auszugleichen und
einen Beitrag zur Verminderung oder Verhinderung von Gewaltkonflikten im Kontext von
Megaprojekten zu leisten. Die Berücksichtigung der Prinzipien Nicht-Einmischung und
Unparteilichkeit, die Professionalisierung der Begleitpersonen und eine intensiviertere
Informationsverbreitung sollten dabei berücksichtigt werden, weil ansonsten der Konflikt
verstärkt werden kann. So kann die internationale Begleitarbeit einen Beitrag zur Umsetzung
der Friedensabkommen leisten, indem für die Bevölkerung ein politischer Raum geschaffen
wird, um sich selber organisieren und an der Wirtschaftsentwicklung des Landes teilnehmen
zu können.
Der Mechanismus von CAIG-Acoguate zur Druckerzeugung auf transnationale Unternehmen
basiert auf dem Bumerang-Modell von Margaret Keck und Kathryn Sikkink. Die aus der
internationalen
Begleitarbeit
erhaltene
Information
wird
auf
lokaler,
nationaler,
internationaler Ebene verbreitet, um auf Regierungen und transnationale Unternehmen Druck
auszuüben. Dabei wird auch die Strategie verfolgt, Konsumenten und Investoren in den
Herkunftsländern der freiwilligen Begleitpersonen über Menschenrechtsverletzungen im
Kontext von Megaprojekten zu informieren, damit die Regierung und das transnationale
Unternehmen ihre Politik verändern.
I
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Inhaltsverzeichnis
Abstract.......................................................................................................... I
Inhaltsverzeichnis ......................................................................................... II
Abbildungsverzeichnis.................................................................................IV
Tabellenverzeichnis .....................................................................................IV
Abkürzungsverzeichnis ...............................................................................IV
Synonym verwendete Begriffe................................................................... VII
1
Einleitung ................................................................................................. 1
1.1
Forschungsstand ..................................................................................... 3
1.2
Methodisches Vorgehen.......................................................................... 4
1.3
Methodische Einschränkungen.............................................................. 10
1.4
Klärung zentraler Begriffe .................................................................... 11
1.4.1 “Transnational Advocacy Network”................................................... 11
1.4.2 Menschenrechtsaktivist ...................................................................... 12
1.4.3 Menschenrechtsbeobachter/Menschenrechtsbegleiter ......................... 12
1.4.4 Megaprojekte ..................................................................................... 13
1.4.5 Konfliktbegriff und Konflikttheorien.................................................. 14
2
Konfliktkontext von Megaprojekten..................................................... 16
2.1
Megaprojekte und ihr Konfliktpotenzial................................................ 17
2.2
Megaprojekte in Guatemala .................................................................. 20
2.2.1 Neoliberale Wirtschaftsentwicklung und Widerstand in Guatemala.... 21
2.3
Indigene, neoliberale Wirtschaftsentwicklung und Megaprojekte .......... 27
2.4
Bürgerkrieg und Friedensprozess in Guatemala – historischer Rückblick29
2.5
Die Fragilität des Staates Guatemala ..................................................... 32
2.5.1 Schwacher Rechtsstaat und Straflosigkeit........................................... 33
2.5.2 Illegale Gruppierungen einer „verborgenen“ Macht............................ 34
2.5.3 Korruption und fehlende Transparenz ................................................ 35
2.6
Indigene Bevölkerung in Guatemala .................................................... 37
2.6.1 Armut ................................................................................................ 37
2.6.2 Soziale und politische Exklusion........................................................ 39
2.7
Gewalt in Guatemala............................................................................. 41
2.8
Guatemalas Menschenrechtssituation.................................................... 43
3
Rolle von NGOs im internationalen System ......................................... 48
II
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
3.1
Erfolgsbedingungen von NGOs im internationalen System ................... 50
3.2
Einfluss mit Hilfe von Öffentlichkeits- und Überwachungsstrategien .... 52
3.3
Die internationale Begleitarbeit für Menschenrechte in Guatemala........ 54
3.3.1 PBI in Guatemala............................................................................... 56
3.3.2 Nonviolent Peaceforce ....................................................................... 57
3.3.3 CAIG-Acoguate ................................................................................. 58
4
4.1
Resultate und Analyse der empirischen Forschungsdaten................... 64
Konfliktfaktoren im Kontext des Megaprojektes Mine Marlin............... 65
4.1.1 Landkonflikte..................................................................................... 65
4.1.2 Partizipation und Mitbestimmung versus Exklusion ........................... 67
4.1.3 Rolle des Staates und der (transnationalen) Wirtschaftsunternehmen.. 71
4.1.4 Unterschiedliche Visionen zu Entwicklung ........................................ 76
4.2
Begleitarbeit von CAIG-Acoguate im Kontext von Megaprojekten....... 78
4.2.1 Rollendefinition einer internationalen Begleitperson .......................... 80
4.2.2 Prinzip der Unparteilichkeit und der Nicht-Einmischung.................... 81
4.2.3 Abschreckung .................................................................................... 87
4.2.4 Erzeugung nationalen und internationalen Drucks.............................. 92
4.2.5 Schaffung eines politischen Raumes................................................. 104
4.2.6 Moralische Unterstützung ................................................................ 106
5
Konklusionen ....................................................................................... 108
Literaturverzeichnis .................................................................................. 116
A.
Anhang ............................................................................................... 124
A.1. Minenlizenzen in Guatemala ............................................................. 125
A.2. Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger in Guatemala ................. 126
A.3. Bumerang-Modell ............................................................................. 127
A.4. Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Arbeitsbereichen von
Menschenrechtsverteidigern........................................................... 128
A.5. Franja Transversal del Norte (FTN)................................................... 129
A.6. Organigramm CAIG-Acoguate.......................................................... 130
A.7. Globale Statistik zu Bestechung ........................................................ 131
A.8. Brief von NGOs an die kanadische Botschafterin .............................. 132
A.9. Zivile und politische Rechte in Guatemala zwischen 1980-2006........ 135
A.10. Unterstützungsbrief von der Botschaft............................................. 136
A.11. Druckbrief an staatliche Adresssaten in Guatemala ......................... 137
III
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.12. Brief an d en guatemaltekischen Präsidenten Alvaro Colom ............ 138
A.13. Urgent Action Alert Mine Marlin .................................................... 142
A.14. Chronologie Begleitarbeit in Guatemala.......................................... 144
A.15. Abkommen zwischen Flüchtlingskommission und Staat Guatemala 146
A.16. Inhaltsverzeichnis CD ..................................................................... 148
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modell zur Druckerzeugung auf Regierungen und transnationale Unternehmen.
.................................................................................................. 101
Abbildung 2: Republica de Guatemala - Derechos Mineros Otorgados y en Solicitud. 125
Abbildung 3: Ataques a defendores y defendoras en Guatemala por año...... 126
Abbildung 4: Bumerang-Modell. ................................................................. 127
Abbildung 5: Tipos de riesgo a que se enfrentan defendores y defendoras en sus áreas de
trabajo. ...................................................................................... 128
Abbildung 6: Corredor de integración frontera México - Guatemala – Honduras. 129
Abbildung 7: Organigrama de la estructura de trabajo de Acoguate. ............ 130
Abbildung 8: Länder und die Verbreitung von Bestechung. ......................... 131
Abbildung 9: Brief von NGOs an kanadische Botschafterin......................... 134
Abbildung 10: Freedom in Guatemala 1980-2006........................................ 135
Abbildung 11: Carta de aval. ....................................................................... 136
Abbildung 12: Urgent Action Brief für Bauern San Miguel Ixtahuacan........ 137
Abbildung 13: Brief an Präsidenten Guatemalas. ......................................... 141
Abbildung 14: Urgent Action Alert Mine Marlin. ........................................ 143
Abbildung 15: Acuerdo suscrito entre las comisiones permanentes de representantes de los
refugiados guatemaltecos en México y el gobierno de Guatemala, Acuerdo
suscrito...................................................................................... 147
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Interviewverzeichnis aller durchgeführter Interviews zwischen November 2008 und
Februar 2009. ............................................................................ 124
Abkürzungsverzeichnis
Acoguate:
Acompañamiento Guatemala
Ada:
Acompanamiento de Austria
AJR:
Associacion para la Justicia y Reconciliacion
AMAC:
Asociación de Monitoreo Ambiental Comunitario (Community
Environmental Monitoring Committee)
IV
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
BTS:
Breaking the Silence
Cacif:
Camara de agricultura, Comercio, Industria y Finanzas
CAIG:
Comite de Acompanamiento International en Guatemala
CALAS:
Centro de Acción Legal, Ambiental y Social de Guatemala
CALDH:
Centro para acciones legales derechos humanos
CAREA:
Cadena para un Retorno Acompañado
CEH:
Comisión para el Esclarecimiento Histórico (Historical Clarification
Commission)
CESEM:
Centro de Estudios Superiores de Energia y Minas
CG:
Collectif Guatemala
CICIG:
Comision internacional contra la impunidad en Guatemala
COCIP:
Coordinadora Campesina e Indigena de El Petén
Coprede:
Cordinadora de Proyectos de Educación y Desarrollo Ecológico
COSAR:
Coordinación Suiza de Acompañamiento de Refugiados guatemaltecos
CP:
Corto Plazo, kurzfristigere Begleiteinsätze
DR-CAFTA:
Dominican Republic-Central America Free Trade Agreement (span.
Tratado de Libre Comercio entre Estados Unidos, Centroamérica y
República Dominicana)
ECAP:
Equipo de Estudios Comunitarios y Accion Psicosocial
FENVEMEGUA:
Frente Nacional de Vendedores de Mercado y de la Economia
Informal de Guatemala
FRG:
Frente Republicano Guatemalteco
FTN :
Franja Transversal del Norte
GANA:
Gran Alianza Nacional
GAM:
Grupo de Apoyo Mutuo
GSN:
Guatemala Solidarity Network
GUAPA:
Guatemala Poverty Assessment
JSCA:
Justice Studies Center of the Americas
LP:
Largo
Plazo,
längerfristige
Begleiteinsätze
im
Rahmen
des
Zeugenschutzprogrammes
MEM:
Ministerio de Energia y Mineria
V
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
MR:
Menschenrechte
MINUGUA:
United Nations Verification Mission in Guatemala
Nisgua:
Network in Solidarity with the People of Guatemala
ONEG:
Organizacion Nacional de Estudiantes de Guatemala
OVE:
Office of Evaluation and Oversight
PAC:
Patrullas de Autodefensa Civil (Civil Defense Patrols)
PAQG:
Projecto de Acompanamiento Quebec Guatemala
PBI:
Peace Brigades Internacional
PDH:
Procuraduria de los Derechos Humanos
PNC:
Policía Nacional Civil
PPP:
Plan Pueblo Panama
PWS:
Peace Watch Switzerland
UNCAC:
UN Convention against Corruption
UDEFEGUA:
Unidad de Protección a Defendores y Defendoras de Derechos
Humanos de Guatemala
UNDP:
United Nations Development Programme
UNESCO:
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
UNIS:
United Nations Information Service
UNO:
United Nations Organization
URNG:
Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca
USAC:
Universidad San Carlos
Sepaz:
Servicios y Asesoría para la Paz
Serpaj:
Servicio Paz y Justicia
Swefor:
Swedish Fellowship of Reconciliation
TI:
Transparency International
VI
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Synonym verwendete Begriffe
Internationale Menschenrechtsbegleiter/Menschenrechtsbeobachter:
 Freiwillige
 freiwillige Begleitpersonen
 Acos1
 Begleitpersonen
 freiwillige Begleiter
 Einsatzwillige
Vertreter der Organisationen in CAIG (vor Ort in Guatemala):
 Organisationsvertreter
 Koordinatoren
 Verantwortliche der Region
 Regionsverantwortliche
1
Aus dem Spanischen „acompañante“.
VII
Masterarbeit
1
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Einleitung
Weltweit kommt es immer wieder zu grossen und kleinen Konflikten, wenn Staaten mit Hilfe
transnationaler Unternehmen und internationaler Finanzinstitute grosse Projekte (Minen,
Wasserkraftwerke, Staudämme etc.) lancieren, um die Entwicklung des Lands voranzutreiben.
Auch die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen lässt grosse Ressourcenprojekte entstehen.
In der Fachliteratur ist man sich weitgehend einig, dass solche neoliberalen ökonomischen
Globalisierungsprozesse auf der ganzen Welt die Arbeits- und Lebensverhältnisse
beeinflussen und verändern. Diese ökonomischen Entwicklungen, zu denen Megaprojekte
gehören, bringen weltweit Widerstand hervor. Oft sind in den Ländern des Südens indigene
Bevölkerungsteile stark betroffen von den Auswirkungen und Folgen von Megaprojekten,
insbesondere von extraktiven Ressourcenprojekten (Bergbau, Erdöl, Erdgas). Woher stammt
dieses Konfliktpotenzial im Zusammenhang mit Megaprojekten in Guatemala?
Treibende Kraft hinter den Maßnahmen wirtschaftlicher Akteure für die Menschenrechte sind
heute vorwiegend NGOs. Sei es durch öffentlichen Druck, der Unternehmen erste Schritte zur
Respektierung der Menschenrechte in ihrer Geschäftspolitik tun lässt, sei es durch
langwierige Verhandlungen mit Unternehmen, die zur einvernehmlichen Etablierung von
Gütesiegeln und Verhaltenskodices führen – der Anstoß für eine Änderung im Verhalten
wirtschaftlicher Akteure geht aktuell meist von der Zivilgesellschaft. Internationale und
nationale NGOs setzen sich in Guatemala an der Seite der Megaprojektgegner (meist die
betroffene Lokalbevölkerung) für die Bewahrung von Menschen- und Umweltrechten ein. So
auch das transnationale Komitee „CAIG“ (Comite de Acompañamiento International en
Guatemala) mit dem gemeinsamen Begleitarbeitprojekt von Menschenrechtsaktivisten
„Acoguate“ (Acompañamiento Guatemala).
Die Untersuchungen in dieser Arbeit widmen sich dem Ursprung von Konflikten im
Zusammenhang mit Megaprojekten in Guatemala und deren Umgang von Seiten des
transnationalen Menschenrechtskomitees CAIG-Acoguate für internationale Begleitarbeit in
Guatemala.
Die
internationale
Begleitarbeit
von
Menschenrechtsaktivisten
des
Begleitprojektes Acoguate basiert auf Freiwilligeneinsätzen.
Die internationale Begleitarbeit in Guatemala eignet sich als Fall für diese Untersuchung, weil
einerseits die Organisationen im transnationalen Komitee CAIG wie auch die internationale
Begleitarbeit in Guatemala eine längere Tradition kennen und sich andererseits die neoliberale
Wirtschaftsentwicklung durch Megaprojekte in den letzen Jahren stark intensivierte und zu
1
Masterarbeit
sozialen
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Spannungen
und
Konflikten
zwischen
Staat/Wirtschaftsunternehmen
und
Zivilgesellschaft führte.
Der
Untersuchungsgegenstand
dieser
Arbeit,
die
internationale
Begleitarbeit
im
Konfliktkontext von Megaprojekten, wird anhand folgender Fragestellungen erforscht:
 Wie kann die internationale Begleitarbeit von CAIG-Acoguate im Konfliktkontext
von
Megaprojekten
in
Guatemala
Beiträge
zur
Verbesserung
der
Menschenrechtssituation leisten?
 Ist die internationale Begleitarbeit ein mögliches Instrument, um zu verhindern, dass
konfliktive
Konstellationen
im
Kontext
von
Megaprojekten
zu
einer
Konflikteskalation führen?
Um die Fragestellung beantworten zu können, ist die Arbeit in drei Teile gegliedert. In einem
ersten Teil der Arbeit wird untersucht, welche Faktoren im Kontext von Megaprojekten
generell zu Konflikten führen können, wobei der historische, soziale, politische und
ökonomische Kontext
Forschungsberichtes
Konfliktfaktoren
bei
Guatemalas aufgezeigt
des
internationalen
wird.
Untersuchungsergebnisse eines
Konversionszentrums
Ressourcenprojekten
dienen
als
Basis.
Bonn
Die
(BICC)
Analyse
zu
dieses
Konfliktkontextes Guatemalas wurde mit Hilfe von Literatur- und Quellenrecherche
durchgeführt. Die daraus resultierenden Erkenntnisse stellen immer wieder einen wichtigen
Bezugspunkt für die Analyse und Interpretation der empirischen Daten im dritten Teil der
Arbeit dar.
Im zweiten Teil der Arbeit, in dem es um transnationale Netzwerke geht, steht die Rolle von
NGOs auf nationaler und internationaler Ebene im Bereich der Menschenrechte im Zentrum.
Es wird davon ausgegangen, dass der innenpolitische Kontext Guatemalas transnationale
Interaktionen beeinflusst, wie auch der deutsche Politikwissenschaftler Thomas Risse-Kappen
in seinem Werk „Bringing Transnational Relations Back In“2 darlegt. Einerseits soll
allgemein und insbesondere im Falle Guatemalas am Beispiel der internationalen
Begleitarbeit
aufgezeigt
werden,
wie
NGOs
vorgehen
um
Menschenrechte
und
Menschenrechtsaktivisten zu schützen, wobei auch die Menschenrechtssituation Guatemalas
beleuchtet wird.
In einem dritten Teil werden die Resultate des Feldeinsatzes in Guatemala dargelegt und
diskutiert. Einerseits werden die Konfliktursachen bei Megaprojekten (insbesondere im Falle
der Goldmine Marlin) erforscht und mit der Theorie aus dem ersten Teil der Arbeit in
2
Vgl. Risse-Kappen (1995), Bringing Transnational Relations Back In.
2
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Verbindung gestellt. Andererseits wird analysiert wie (Prinzipien, Ziele, mit welchen
Strategien und mit welchen Akteuren) CAIG-Acoguate als internationale Begleitorganisation
von Menschenrechtsaktivisten/Menschenrechtsorganisationen in Guatemala im Kontext von
Megaprojekten arbeitet, wobei eine generelle Analyse der Arbeitsweise CAIG-Acoguates die
Besonderheiten der Begleitarbeit im Rahmen von Megaprojekten hervorheben soll. Damit
kann erforscht werden, welchen Beitrag die internationale Begleitarbeit von CAIG-Acoguate
im Konfliktkontext von Megaprojekten in Guatemala leisten kann.
1.1
Forschungsstand
Das Ergebnis der Recherchearbeit zum Phänomen „internationale Begleitarbeit im
Konfliktkontext Megaprojekte“ fiel in den Disziplinen Politikwissenschaften, Soziologie und
Friedensforschung spärlich aus.
Die Erforschung von NGOs als transnationale, politische Akteure3 und transnationalen
Netzwerken ist in den Sozial- und Politikwissenschaften mittlerweile ein Gebiet, das
theoretisch wie empirisch nicht mehr unbekannt ist. Dass NGOs im internationalen System
mit ihren Öffentlichkeitsstrategien Druck auf Regierungen ausüben können und so im
internationalen System als Überwacher der Menschenrechte eine wichtige Aufgabe
wahrnehmen, ist heute in der Fachliteratur eher unbestritten. Weniger erforscht hingegen sind
die Strategien transnationaler Netzwerke im Zusammenhang mit der Verletzung von
Menschenrechten durch transnationale Unternehmen. Diese Erkenntnisse liefern Theorien für
die Erklärung des Untersuchungsgegenstandes (Internationale Begleitarbeit) dieser Arbeit.
Die internationale Begleitarbeit als Methode zur zivilen Konfliktbearbeitung mit gewaltfreien
Mitteln wurde insbesondere in der Friedensforschung behandelt. Zu CAIG-Acoguate
hingegen existiert keine Literatur, nur Quellenmaterial. In der Theorie der internationalen
Beziehungen wurden internationale NGOs, die wie das Begleitprojekt Acoguate von einem
internationalen Voluntarismus getragen werden bisher nur wenig berücksichtigt.4 Die
Erforschung der internationalen Begleitarbeit im Konfliktkontext von Megaprojekten, ist
daher noch ein eher unbekanntes Forschungsgebiet. Aufgrund der spärlichen Literatur über
die internationale Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten, entschied sich die Forscherin
für eine explorative und induktive Untersuchung.
3
4
Der Lesbarkeit halber beinhaltet in dieser Arbeit die männliche Form immer auch die weibliche.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 6.
3
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Das Phänomen „internationale Begleitarbeit im Konfliktkontext von Megaprojekten“ wurde
im Rahmen eines vier monatigen Feldaufenthaltes (November 2008 bis Ende Februar 2009)
in Guatemala erforscht, wobei die Autorin dieser Arbeit während drei Monaten als freiwillige,
internationale Menschenrechtsbegleiterin im Projekt CAIG-Acoguate arbeitete und u.a. im
Kontext eines Megaprojektes, der Goldmine Marlin, einen Menschenrechtsaktivisten
begleitete.
1.2
Methodisches Vorgehen
Das in dieser Arbeit angewandte Verfahren basiert auf dem Ansatz der so genannten
„Grounded
Theory“5,
einem
systematischen
Versuch,
qualitative
Daten
(wie
Interviewtranskripte und Beobachtungsprotokolle) systematisch auszuwerten, um theoretische
Einsichten generieren zu können. Hinter diesem sozialwissenschaftlichen Ansatz wird eher
ein Forschungsstil als eine Methode gesehen, da er eine Reihe ineinander greifender
Verfahren beinhaltet. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, eine realitätsnahe Theorie für die Praxis
zu entwickeln.6 Dieser Ansatz wurde für diese Arbeit gewählt, weil die Untersuchungen zur
Begleitarbeit praxisorientiert sind, das untersuchte Phänomen verschiedene Aspekte aufweist
und daher eine komplexe Analysemethode erfordert wird.
In der vorliegenden Arbeit wird auf unterschiedliche Datenquellen und Methoden
zurückgegriffen, weil davon ausgegangen wird, dass eine Methodenvielfalt eine
Kreuzvalidierung der Ergebnisse ermöglicht.
Die Rollenwahl der Forscherin als Menschenrechtsbegleiterin wurde bewusst gewählt, um in
der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit möglichst viele wertvolle Daten zu erhalten. Die
Rollenwahl erleichterte den Zugang zum Untersuchungsgegenstand (die Sicht von innen) wie
auch zu verschiedenen Akteuren, insbesondere auch solcher, die aus Sicherheitsgründen
schwer zugänglich sind. Auf Transparenz gegenüber der Organisation CAIG-Acoguate, die
Teil der Untersuchung war, wurde aus forschungsethischen Gründen grossen Wert gelegt und
das wissenschaftliche Vorhaben im Vorfeld des Einsatzes abgeklärt, weil die Arbeit der
Organisation für Menschenrechte in keiner Weise beeinträchtigt oder gefährdet werden
wollte.
Die Forscherin konnte durch ihren Einsatz als Menschenrechtsbeobachterin eine definierte
Rolle im sozialen Feld übernehmen, was eine aktiv teilnehmende Beobachtung zuliess. Der
5
Der Begriff Grounded Theory wird im Deustchen als gegenstandsverankerte/gegenstandsnahe/gegenstandsbezogene Theoriebildung
übersetzt.
6
Vgl. Glaser/Strauss (1967), The Discovery of Grounded Theory: Strategies for Qualitative Research.
4
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Forscherin war bewusst, dass dieser Feldzugang über den Einsatz im Projekt eine objektive
Distanz zum Forschungsfeld erschweren könnte und war sich der Gefahr des getrübten
Blickes im
Sinne von
„going
native“7
bewusst.
Die Rolle
als internationaler
Menschenrechtsbegleiter im Feld ist eher passiv und beobachtend, was die gleichzeitige
Ausübung der Rolle als Menschenrechtsbeobachterin und beobachtende Forscherin
ermöglichte. Es war auch genügend Zeit vorhanden im Feld, Beobachtungen und Gehörtes zu
protokollieren. Während des gesamten Einsatzes wurden Feldnotizen gemacht, in dem
Beobachtungen, Gespräche und Erkenntnisse schriftlich festgehalten wurden. Die
teilnehmende
Beobachtung
war
qualitativer
Art,
also
ohne
ein
strukturiertes
Beobachtungsschema. Die Beobachtung war Teil der Menschenrechtsbegleiterrolle und somit
keine verdeckte Beobachtung.
Eine andere Methode zur Analyse des Phänomens war die Durchführung teilstrukturierter,
qualitativer Leitfadeninterviews mit unterschiedlichen Akteuren8 in Guatemala. Im Gegensatz
zur quantitativen Sozialforschung wird in der qualitativen Sozialforschung die maximal
mögliche Standardisierung von Fragebogen nicht als die geeignete Forschungsstrategie
gesehen. Kritisiert werden die mangelnde Offenheit und Künstlichkeit der Interviewsituation
der strukturierten Befragungen.9
Solche Interviews eigenen sich für die Generierung von Daten, die auf persönlichen und
praxisbezogenen Einschätzungen und Erfahrungen beruhen. Zudem erlauben sie die
Rekonstruktion von Sinnzusammenhängen, d.h. sie ermöglichen eine tiefgründige Analyse
des Themas und eröffnen Einsichten in die Thematik, die nicht ausschliesslich auf
vordefinierten Annahmen basieren.10
Für die Stichprobenauswahl wurden im Vorfeld der Interviews sechs Akteurskategorien
gebildet, um möglichst viele Sichtweisen auf den Untersuchungsgegenstand zu erhalten,
welche aus dem Interviewverzeichnis im Anhang hervorgehen. Die Kategoriebildung basiert
auf der Funktion der Akteure:
7
8
9
1) Freiwillige (F)
7 Interviewpartner
2) Komitee-Vertreter in CAIG (K)
8 Interviewpartner
3) Begleitete Organisationen/Personen (BP)
7 Interviewpartner
4) Botschaftsvertreter (B)
5 Interviewpartner
Vgl. Diekmann (2006): Empirische Sozialforschung, S. 470.
Siehe Anhang 0: Interviewverzeichnis, S. 124.
Vgl. Diekmann (2006): Empirische Sozialforschung, S. 443.
10
Vgl. Atteslander (2006), S. 104 f.
5
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
5) Vertreter nationaler/internationaler Menschenrechts-NGOs (NV) 4 Interviewpartner
6) Vertreter staatlicher Institutionen (SO)
3 Interviewpartner
Insgesamt wurden 34 Interviews geführt, die durchschnittlich eine Stunde dauerten. Nur zwei
Interviewpartner wünschten aus Sicherheitsgründen keine Aufzeichnung, daher wurden
Notizen genommen. Teils werden persönliche Daten von Interviewten in der Arbeit bewusst
nicht aufgeführt um die Sicherheit der Befragten nicht zu gefährden.
Es wurde bei der Auswahl der Interviewpartner darauf geachtet, dass ein Bezug zu CAIGAcoguate besteht und in den Kategorien F und K Vertreter möglichst aller Organisationen im
Komitee CAIG vorkommen. Freiwillige aller in CAIG vertretenen Organisationen, mit
Ausnahme von NISGUA-Freiwilligen, wurden befragt, wobei Einsatzleistende aus dem Corto
Plazo (kurzfristige Einsätze) wie Largo Plazo (langfristige Einsätze) vertreten sind. Bei den
Komitee-Vertretern fehlt nur eine Organisationsvertretung (BTS). Die Vertreter der Kategorie
BP werden/wurden mit Ausnahme einer Person von CAIG-Acoguate begleitet. Die Auswahl
der Botschaftsvertreter (B) wurde nach Landeszugehörigkeit der Organisationen im Komitee
CAIG getroffen: Kanada, Frankreich, Schweiz, Schweden, Deutschland. Von der
amerikanischen Botschaft kam auf zwei Interviewanfragen per Mail nie eine Antwort zurück.
Österreich (Ada) hat in Guatemala nur ein Konsulat. Die Vertreter nationaler und
internationaler Menschenrechts-NGOs wurden
nach den Kriterien „Erfahrung mit
internationaler Begleitarbeit“ und „Bekanntheitsgrad“ (Organisationen mit grossem
nationalem und internationalem Netzwerk - Kontakte zu Botschaften, UNO beispielsweise)
ausgewählt. Vertreter der staatlichen Institutionen ist zum einen ein Mitarbeiter von PDH, der
Menschenrechtsverwaltung (Procuraduría de los Derechos Humanos), der die indigenen
Rechte verteidigt. Die beiden anderen staatlichen Interviewpartner wurden in Bezug auf
Megaprojekte ausgewählt. Die eine Person arbeitet seit vielen Jahren im Ministerium für
Energie und Minen (MEM) und die andere Person an der Universität USAC als Leiter des
Zentrums für höhere Studien über Energie und Minen (CESEM) in der Fakultät für
Ingenieure.
Auf der Basis der offenen Fragestellung „wie arbeitet CAIG-Acoguate um die
Menschenrechte in Guatemala zu überwachen“ wurden zu Beginn der Untersuchung
Interviewleitfäden11 pro Akteurskategorie mit denselben/ähnlichen Themenfeldern entworfen.
Die Leitfäden wurden während der Datenerhebung laufend aufgrund neuer Erkenntnisse
11
Siehe Dokument „Leitfäden“ auf CD.
6
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
angepasst, ausgebessert und ergänzt. Alle Leitfadeninterviews enthalten grob drei
Themenblöcke: die Menschenrechtssituation und Menschenrechtsarbeit in Guatemala und
deren Wandel (inkl. Situation der Menschenrechtsaktivisten), die Menschenrechtsarbeit
(Netzwerke/Strategien) des jeweiligen befragten Akteurs und Megaprojekte in Guatemala.
Die Themenfelder beinhalten vorwiegend offene wie auch präzisere Fragen. Prinzipiell
wurden zu Beginn eines Themenblocks offenere Einstiegsfragen aufgestellt, die sich gegen
Ende eines Themenblockes präzisierten. Durch den offenen Charakter der Fragen sollte
erreicht werden, dass die Befragten ihre Antworten selbstständig formulieren und eigene
Schwerpunkte setzten können. Zudem können Themen, die sich während des Gesprächs
entwickeln, aufgenommen und näher betrachtet werden. Die Interviewerin hielt sich nicht
strikt an die Reihenfolge im Leitfaden, er diente vor allem zur Orientierung und Überprüfung
ob alle Themen und zentralen Fragen angesprochen wurden. Die Wahl derselben
Themenblocks mit akteursangepassten Fragen, sollte bei der Auswertung einen besseren
Vergleich der Antworten der unterschiedlichen Akteure ermöglichen.
Bei der Durchführung der Interviews wurde darauf geachtet die Antwortverzerrung
möglichst klein zu halten. Der Grossteil der Befragungen wurde auf Spanisch durchgeführt.
Trotz Fremdsprache kam es selten zu Verständigungsproblemen. Die persönlichen „face-toface“-Interviews wurden in einer möglichst ruhigen und abgeschirmten Umgebung
durchgeführt. Der Interviewstil kann als passiv bezeichnet werden, da die Forscherin
versuchte, sich selbst stark zurückzunehmen um die Gesprächspartner möglichst selbständig
sprechen zu lassen. Nebst den formellen Interviews ergab sich bei der Arbeit als
Menschenrechtsbegleiterin immer wieder die Gelegenheit spontaner, informeller Gespräche
mit verschiedenen Akteuren, die möglichst präzise im Forschungstagebuch festgehalten
wurden.
Ebenfalls in die Arbeit fliesen quantitative Daten von offiziellen Stellen, wie demographische
Daten des nationalen Statistikamtes (INE) in Guatemala, Jahresberichte des Ministerium für
Energie und Minen in Guatemala, Landesprogrammevaluationen zu Guatemala der Weltbank
und
Inter-American
Development
Bank,
Korruptionsbarometer
von
Transparancy
International (TI), Messungen zum Freiheitsgrad von Freedom House, Gewaltstatistiken der
UNDP und Statistiken zu Attacken auf Menschenrechtsaktivisten von der NGO UDEFEGUA
in Guatemala.
7
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Auswertung und Interpretation des Datenmaterials
Der
Untersuchungsgegenstand
kann
in
zwei
Hauptdimensionen
und
mehrere
Unterdimensionen unterteilt werden, die von verschiedenen Disziplinen untersucht wurden:
 Die internationale Begleitarbeit
o Die
internationale
Begleitarbeit
als
Form
der
zivilen,
gewaltlosen
Konfliktbearbeitung in Guatemala
o Prinzipien und Ziele
o CAIG-Acoguate als transnationales Netzwerk im Bereich der Menschenrechte
o Entwicklung der Menschenrechtssituation in Guatemala
 Konfliktkontext Megaprojekte
o Konfliktparteien bei Megaprojekten (in Guatemala) und ihre Rolle im Konflikt
o Konfliktursachen (Indigenenrechte, Umweltzerstörung)
o Wirtschaftsentwicklung Guatemalas
o Globaler Ressourcenkampf
Aufgrund dieser komplexen Mehrdimensionalität wurde ein interdisziplinärer Ansatz
gewählt. Bei der Auswertung und Interpretation der eigenen Forschungsdaten stützt sich die
Autorin der Arbeit auf Untersuchungsdaten und Theorien aus den
Disziplinen
Friedensforschung, Politikwissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit.
Alle
geführten
und
mehrheitlich
digital
aufgezeichneten
Interviews
haben
im
Erkenntnisprozess die Meinungsbildung der Forscherin mit beeinflusst. Da die Forscherin das
Forschungsfeld zum ersten Mal betrat, wurden bestimmte Interviewpartner ausgewählt, um
das Feld kennenzulernen und sich ein Bild des Kontextes machen zu können, in dem der
Untersuchungsgegenstand eingebettet ist. Mit diesen Eingangsinterviews konnte der
Forschungsgegenstand besser eingegrenzt und die Forschungsfrage präziser formuliert
werden. Aus diesem Grund und aus Kapazitätsgründen wurden zwölf digitalisierte Interviews
transkribiert und bei zwei nicht digitalisierten Interviews die Notizen aufgearbeitet.
Die Transkriptionen auf Spanisch geführter Interviews wurden zur Vereinfachung der
Datenauswertung direkt auf Deutsch übersetzt.
Die Auswahl der Interviews zur Transkription wurde aufgrund des Interviewinhaltes mit
wichtigen Informationen für die Beantwortung der Forschungsfragen getroffen. Die Autorin
setzte den Schwerpunkt bei der Auswahl der zu transkribierenden Interviews auf die
8
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
freiwilligen Begleitpersonen und Vertreter anderer Akteurskategorien, da diese im Einsatz
zum Schutz der Menschenrechte an der Front des Geschehens stehen (direkter Kontakt mit
begleiteten Personen).
Nach der Transkription der Freiwilligeninterviews wurde in einem ersten Schritt die
relevanten Interviewantworten für die Untersuchung systematisiert, indem die Antworten aller
Freiwilligen in einer Tabelle12 mit den gestellten Fragen dargestellt wurden. Diese
Auswertungstabelle diente einer besseren Übersicht des transkribierten Materials. Mit diesem
ersten Schritt konnten erste Kategorien gebildet werden, die sich im Laufe der Zeit aufgrund
neuer Erkenntnisse aus Theorie und anderem Datenmaterial modifizierten. Schlussendlich
haben sich neun relevante Kategorien herauskristallisiert.13 In einem zweiten Schritt wurden
die
Interviewfragen
den
Themenblocks
Menschenrechtssituation/Situation
der
Menschenrechtsaktivisten, Analyse zum Kontext Megaprojekte und Zusammenhang
Megaprojektkontext
und
internationale
Begleitarbeit
zugeordnet.14
Mit
dieser
Systematisierung wurde klarer, welche Interviewfragen die Forschungsfragen zu beantworten
helfen. In einem dritten Schritt erfolgte eine Überarbeitung der Kategorien in Hinblick auf
theoretische Annahmen: In Anlehnung an die Theorien zur zivilen Konfliktbearbeitung mit
gewaltfreien Methoden, Ressourcenkonflikte und „advocacy“-Netzwerke sowie durch die
intensive Beschäftigung mit den Transkriptionen wurden geeignete Kategorien für die
Auswertung der Interviews erstellt. Alle vierzehn Interviews wurden also in Hinblick auf die
schlussendlich gebildeten Kategorien durchgearbeitet, wobei die Auswertungstabelle der
Freiwilligen eine Hilfe war um zutreffende Interviewpassagen zusammenzufassen und der
jeweiligen
Kategorie
zuordnen
zu
können.
Die
sieben
Interviews
aus
anderen
Akteurskategorien als der Freiwilligenkategorie wurden jeweils einzeln aufgrund der
Kategorien, die sich bei der Auswertung der Freiwilligeninterviews ergeben haben,
durchgearbeitet
und
die
Inhalte
der
entsprechenden
Kategorie
zugeteilt.
Die
Zusammenfassung signifikanter Aussagen diente dann als Basis für die Bestimmung der
Ausprägungen, die im Resultatenteil dargestellt und analysiert werden. Eine Interpretation der
gewonnen Daten in Hinblick auf die theoretischen Annahmen ist Teil der Konklusion.
Alle Interviewtranskriptionen und Auswertungsdokumente können auf der beigelegten CD
eingesehen werden.
12
13
14
Siehe Dokument „Auswertungstabelle“ auf CD.
Siehe Dokument „Kategorien“ auf CD.
Siehe Dokument „Systematisierung Interviews“ auf CD.
9
Masterarbeit
1.3
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Methodische Einschränkungen
In Bezug auf die Daten, die durch die qualitativen Interviews erhoben wurden, gibt es
verschiedene Limitationen. Die Datenmenge, bestehend aus vierzehn Interviews und die
Fallauswahl einer Begleitorganisation, erschwert eine Generalisierung der Ergebnisse und
schränkt die Relevanz der Schlussfolgerungen und Interpretationen ein. Zum anderen ist jede
Interviewsituation selbst eine soziale Situation, welche die Befragten und ihre Aussagen
beeinflussen kann. Die Art der Fragestellung des Forschenden, sprachliche wie inhaltliche
Verständigungsprobleme während des Interviews, der Grad der Ehrlichkeit einer Antwort
oder die Meinung des Interviewten darüber, was von ihm erwartet wird, können die Validität
und Reliabilität der Ergebnisse beeinträchtigen.15 Auch hinsichtlich der in dieser Arbeit
durchgeführten Interviews sind sicherlich derartige Aspekte in die Untersuchung mit
eingeflossen. Konkrete Schwierigkeiten oder gänzlich unbrauchbare Interviews gab es jedoch
nicht.
In der Methodenforschung wird davon ausgegangen, dass die Ergebnisse bei „sensiblen“
Fragen (in diesem Fall z.B. Sicherheit von Menschenrechtsaktivisten, Machteinflüsse von
Botschaften) um so weniger verzerrt sind, je geringer die soziale Distanz zwischen
Interviewern und Befragten.16 Je nach befragter Akteurskategorie ist dies in dieser Arbeit
unterschiedlich einzuschätzen. Die soziale Distanz zu Freiwilligen, Organisationsvertretern
von CAIG-Acoguate und lokaler und internationaler Menschenrechtsaktivisten beurteilt die
Forscherin als gering, da durch den Feldzugang „Einsatz als Menschenrechtsbegleiterin“ eine
Vertrauensbasis vorhanden war. Um keine Rollenvermischung zu verhindern, erklärte die
Interviewerin zu Beginn jedes formellen Interviews, dass sie als Wissenschaftlerin und nicht
als
Menschenrechtsbegleiterin
diese
Befragung
durchführe.
Bei
Interviews
der
Akteurskategorie „Botschaftsvertreter“ und „staatliche Akteure“ wurde der persönliche
Einsatz
als
Menschenrechtsbeobachterin
nicht
erwähnt,
um
keine
Abwehr-
und
Rechtfertigungshaltungen zu provozieren. Die Bereitschaft zu einem Interview von Seiten
Diplomaten und staatlichen Beamten war gross. Allerdings ist bei der Befragung der
Akteurskategorien „Botschaftsvertreter“ und „staatliche Akteure“ die soziale Distanz
sicherlich grösser als bei den anderen Interviewpartnern, da die Beziehung nur auf einem
einmaligen Treffen beruhte. Nur von Seiten des Minenunternehmens kam nie eine Antwort
auf die Interviewanfrage zurück.
15
16
Vgl. Atteslander (2006).
Vgl. Diekmann (2006), Empirische Sozialforschung, S. 399.
10
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Sofern während der Transkription diesbezügliche Probleme aufgefallen sind, wurden die
Interviewpassagen nicht für die Auswertung verwendet.
Eine weitere Einschränkung bezieht sich auf die Auswertung der Interviews. Auch wenn
versucht wurde, diese so transparent und nachvollziehbar wie möglich darzustellen,
beschränkt sie sich dennoch auf die Interpretation einer Forscherin und enthält keine
Überprüfung oder Re-Codierung durch eine zusätzlichen Person, was die Gültigkeit der
Ergebnisse erhöht hätte.
Zum anderen ist keine Datenlage zur internationalen Begleitkomitee CAIG-Acoguate
vorhanden. Es existiert keine einheitliche Dokumentation über die Aktivitäten der
Organisation. Die in dieser Arbeit verwendeten Daten zu CAIG-Acoguate sind alle so korrekt
wie möglich gesammelt und aufgearbeitet, können aber nicht eine fehlerlose Abbildung der
Verhältnisse garantieren.
1.4
Klärung zentraler Begriffe
1.4.1 “Transnational Advocacy Network”
Netzwerke
sind
Organisationsformen,
die
charakterisiert
sind
durch
freiwilligen,
gegenseitigen und horizontalen Kommunikationsaustausch.17 Laut Walter Powell sind
Netzwerke geeignet, wenn es darum geht, effiziente und verlässliche Information zu
erhalten.18 Die Beziehungen von Akteuren innerhalb eines Netzwerkes, die in verschiedenen
Themenbereichen arbeiten, sind fliessend und offen.
Margaret E. Keck und Kathryn Sikkink verstehen unter “advocacy networks” Netzwerke, die
wie Anwälte im Rechtsstreit für andere und deren Vorschläge einstehen und diese
verteidigen.19
“Advocacy”-Netzwerke sind vor allem im Bereich der Menschenrechte stark vertreten.
Als Akteure in einem solchen Netzwerk vertreten sein, können kirchliche Institutionen,
internationale wie nationale nicht-staatliche Wissenschaftsinstitutionen, international und
national tätige “advocacy”- NGOs (wie Amnesty International), lokale, soziale Bewegungen,
Stiftungen, Medien, zwischenstaatliche Organisationen.20
17
18
19
20
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 8.
Vgl. Powell (1990), Research in Organizational Behavior, S. 295-304.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 8.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 9.
11
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Das Hauptziel solcher “advocacy”-Netzwerke liegt in der Verbreitung von Information durch
diverse Aktionen, um internationalen Druck auf Regierungen auszuüben, die gegen
internationale Normen verstossen.
1.4.2 Menschenrechtsaktivist
In Anlehnung an die Definition der Politikwissenschaftlerin Laurie S. Wiseberg21, wird in
dieser
Arbeit
unter
Menschenrechtsaktivisten
eine
grosse
Vielfalt
an
Zugehörigkeitskategorien gesehen. Diese grosse Bandbreite rührt daher, dass es keine
offizielle Instanz gibt, die einen Menschenrechtsaktivisten als Mitgleid auszeichnet. Mehrere
“Berufs”-Kategorien
wie
Anwälte
oder
NGO-Mitarbeiter
fallen
unter
Menschenrechtsaktivisten. Der Menschenrechtsaktivist kann als Individuum gekennzeichnet
werden, das sich entschied seine Menschenrechte oder die Menschenrechte anderer zu fördern
und zu verteidigen. Die Vielfalt an Menschenrechtsaktivisten ist nur durch die Fähigkeiten
der einzelnen Individuen begrenzt, die Menschenrechte zu verfechten und verlässliche
Machtstrukturen
zu
unterhalten
um
Verletzungen
der
international
anerkannten
Menschenrechte zu verhindern.
1.4.3 Menschenrechtsbeobachter/Menschenrechtsbegleiter
Menschenrechtsbegleiter und Menschenrechtsbeobachter werden in dieser Arbeit als
Synonyme behandelt. Unter diesen Bezeichnungen versteht die Autorin dieser Arbeit
Personen aus nördlichen Industrieländern (USA/Kanada/Europa), die sich freiwillig oder
professionell für einen Einsatz zur Beobachtung von Menschenrechten und Begleitung von
Menschenrechtsaktivisten/Menschenrechtsverteidigern einer NGO zu Verfügung stellen.
Voraussetzungen für diese Funktion als Menschenrechtsbegleiter/–beobachter sind je nach
Begleit-NGO verschieden. Kriterien können sein:
-
die Kenntnisse der Landessprache (in einzelnen Fällen wie Palästina genügende
Englischkenntnisse),
-
Vorkenntnisse über das Land,
-
Alter,
-
müssen keine Experten in Themen wie Gesundheit, Recht, Landwirtschaft etc. sein.
Nicht zu den Aufgaben eines Menschenrechtsbeobachters/-begleiters gehören:
21
Vgl. Wiseberg, Laurie S. (1991), Protecting Human Rights Activists and NGOs, S. 526-528.
12
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
-
Entwicklungsprojekte zu fördern,
-
Finanzmittel an die begleiteten Personen/Gemeinden zu bringen.
1.4.4 Megaprojekte
Unter Megaprojekten werden allgemein grosse, oft mit Hilfe ausländischer Gelder finanzierte
Wirtschaftsprojekte
verstanden.
Der
Begriff
dient
als
Überbegriff
grosser
Entwicklungsprojekte und wird in der Fachliteratur zwischen folgenden vier MegaprojektTypen unterteilt:22
1) Infrastruktur (z.B. Häfen, Strassen, Siedlungswasserbau, Kanalisationssysteme)
2) Ausbeutung/Gewinnung (z.B. von Minerale, Öl, Gas)
3) Produktion (z.B. industrieller Plantagenanbau, Fabrikanlagen)
4) Konsum (z.B. Massentourismusanlagen, grosse Einkaufszentren)
In Guatemala sind folgende Megaprojekte existent oder in Planung:
 Tourismus
im
grossen
Stil
(Privatisierung
und
Kommerzialisierung
von
Reservatszonen)
 Landwirtschaft:
- Monokulturplantagen (Afrikanische Palmen, Zuckerrohr),
 Infrastrukturprojekte:
- Grosse Strassen- und Konstruktionsprojekte (Pazifikstrasse, nördliche Transversale
(Franja Transversal del Norte),
- Vergrösserung und Umwandlung von Häfen,
- Flughafenausbau,
 Projekte zur Nutzung natürlichen Ressourcen
-Wasserkraftwerke, Staudämme
 Projekte in den Bereichen der extraktiven Industrien
-
Bergbau, Erdöl23
In dieser Arbeit geht es mehrheitlich um Megaprojekte der Typen 2 und 3: Minen,
Wasserkraftwerke, industrieller Plantagenanbau.
22
23
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 16, Online-Version.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 15.
13
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Definiert werden Megaprojekte als Projekte, die vorsätzlich Landschaften schnell und stark
verändern. Diese Projekte benötigen eine koordinierte Einsatzplanung von Kapital und
Staatsmacht. Für die Umsetzung dieser Megaprojekte wird oft schweres Gerät und eine
ausgeklügelte Technologie benötigt, die meist aus dem Norden stammen.24
1.4.5 Konfliktbegriff und Konflikttheorien
Der Konfliktbegriff hat eine zentrale Bedeutung für verschiedene Analysefelder (u.a.
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft). Wie Peter Imbusch darlegt in einem Überblick zu
Sozialwissenschaftlichen Konflikttheorien25, haben sich bis heute eine ganze Menge an
Disziplinen mit dem Thema Konflikt auseinandergesetzt: Psychologie, Psychiatrie,
Pädagogik, Soziologie, Politikwissenschaften, Ökonomie. Der Grossteil der Literatur setzt
sich laut Peter Imbusch mit Konfliktverläufen, Konfliktregelung und Lenkung von Konflikten
auseinander. Der Begriff Konflikt kann allgemein als sozialen Tatbestand gekennzeichnet
werden, „an dem zwei oder mehr Parteien beteiligt sind und dessen Ausgangspunkt
Unterschiede in der sozialen Lage und/oder Unterschiede in der Interessenskonstellation
sind.“26 In der Theorie wird unterschieden zwischen einem weiteren und einem engeren
Konfliktverständnis. Anhänger einer engen Konfliktkonzeption weisen auf die Existenz
bedeutender Unterschiede zwischen den Phänomenen mit der Bezeichnung Konflikt hin.
Anhänger eines weiteren Konfliktverständnisses zeigen signifikante Ähnlichkeiten zwischen
einzelnen Konfliktkonzepten auf und warnen vor dem Ausschluss bestimmter Phänomene wie
Wettbewerb um die Konfliktanalyse nicht zu beeinträchtigen.27
Die Konflikttheorie wird in der Literatur in zwei Bereiche geteilt: Zum einen als spezifische
Theorie über Konflikte bzw. Konflikt an sich, wobei es um die abstrakt-analytische Erfassung
eines Phänomens geht. Zum anderen als umfassendere Theorie über die Organisation von
Gesellschaft und das Verhalten von Menschen und Gruppen um Formen und Veränderungen
von Strukturen in Gesellschaft und im internationalen System zu erklären.28 In der
Konflikttheorie existieren zwei Konfliktmodelle: das synthetische, das versucht die Realität
abzubilden und zu erklären. Der Fokus ist dabei auf das Konfliktumfeld die Ursachen und
Verlaufsformen
24
25
26
27
28
gerichtet.
Analytische
Konflikttheorien
setzen
den
Konflikt
als
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 15-16, Online-Version.
Vgl. Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 143.
Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 149.
Vgl. Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 146-150.
Vgl. Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 145.
14
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
soziologischen Tatbestand voraus und setzen sich im Wesentlichen mit den Instrumenten der
Konfliktanalyse auseinander um Konfliktaustragungsformen und Regelungsmechanismen
sozialer Konflikte erklären zu können.29
Peter Imbusch sieht ein Defizit in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit
Konfliktanalysen auf der gesellschaftlichen und internationalen Ebene. Er vertritt die
Meinung, dass die Konflikterforschung eine transdisziplinäre Angelegenheit sein sollte und
eine multidisziplinäre Zugangsweise zum Konflikt sinnvoll ist, da keine in sich geschlossene
Konflikttheorie existiere.30 Relevant für diese Arbeit ist die Erkenntnis, dass sichtbare
Konflikte wie Kämpfe und Kriege oft nur die Spitze des Eisberges bilden.31 Die Forscher des
Internationalen
Konversionszentrums
Bonn
(BICC)
haben
sich
näher
mit
Ressourcenextraktionskonflikten befasst und führen folgende Unterscheidungen auf:
Konflikte können in unterschiedlichen Formen ausgetragen werden und sich im Laufe der
Zeit
verändern.
Eine
grundsätzliche
Unterscheidung
in
Hinsicht
auf
die
Konfliktaustragungsform machen die Forscher des BICC zwischen gewaltförmigem und
nicht-gewaltförmigem Konfliktaustrag gemacht werden. Intensität und Reichweite eines
Gewaltkonfliktes lassen den Konflikt zwischen den Polen (transnationaler) ‚Krieg’ auf der
einen Seite und ‚lokaler Gewaltkonflikt niedriger Intensität’ auf der anderen Seite einordnen.
Nicht-gewaltsame Konflikte können kaum gewalteskalationsgefährdet sein, wenn sie
hochgradig verregelt sind oder das Risiko einer gewaltsamen Eskalation bergen, wenn sie
spontan und ungeregelt verlaufen. Die Forscher des BICC unterschieden zwischen
verschiedenen Phasen gewaltsamer Konfliktaustrags: Prä-Gewaltkonfliktphase, Phase des
gewaltsamen Konfliktaustrags und Post-Gewaltkonfliktphase. Laut den Forschern des BICC
lassen sich die Gewaltgeladenheit eines Konfliktes einschätzen um eine Krisen- und
Gewaltprävention vornehmen zu können.32
In dieser Arbeit geht es vor allem auch um Ressourcen-Konflikte im Zusammenhang mit
Megaprojekten, wobei dieser Konflikt auf lokaler, nationaler wie internationaler Ebene
ausgetragen wird. Dabei weist der Begriff Ressourcen im Zusammenhang mit Megaprojekten
mindestens zwei Dimensionen auf. Einerseits die industrielle Extraktion natürlicher
Ressourcen (z.B. Mineralien), die für die lokale Bevölkerung grosse Folgen haben kann.
Andererseits die durch die finanziellen Einnahmen der Extraktion bedingte RessourcenVerteilung in der Gesellschaft. Peter Imbusch schreibt dazu: „Die Art der Ressourcen und der
29
30
31
32
Vgl. Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 154.
Vgl. Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 150-151.
Vgl. Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 151-152.
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 9, Online-Version.
15
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Güterverteilung in einer Gesellschaft ist dabei stets das Resultat sozialer Kämpfe von
Gruppen und Individuen mit unterschiedlichen Interessen (...).“33
Als Konflikttheorie wird in dieser Arbeit jeder sozialwissenschaftliche Ansatz verstanden, in
dem Phänomene des sozialen Konfliktes zentrale Bedeutung für die Erklärung
gesellschaftlicher Beziehungen und Vorgänge zugewiesen wird. Als Basis zur Erforschung
des Konfliktphänomens in dieser Arbeit dient das synthetische Konfliktmodell.
2
Konfliktkontext von Megaprojekten
In diesem ersten Teil der Arbeit wird in einem ersten Schritt auf die globale Dimension von
Megaprojekten hingewiesen und generelle Konfliktursachen im Kontext von Megaprojekten
aufgezeigt. Diese theoretischen Ausführungen bilden die Basis für die Analyse des
Konflikthintergrundes Guatemalas, der in einem zweiten Schritt aus historischer,
ökonomischer, sozialer und politischer Sicht ausgeleuchtet wird und bei der Analyse der
empirischen Daten im dritten Teil der Arbeit wiederum als Referenzrahmen dient. Dieser
Kontext ist relevant in Hinblick auf die internationale Begleitarbeit für Menschenrechte, deren
Aktivitäten von diesem Umfeld beeinflusst wird.
Das Thema dieser Arbeit ist in einen globaleren Kontext einzubetten, weil Konflikte im
Zusammenhang mit Megaprojekten auch von ausserstaatlichen Einflüssen wie transnationalen
Wirtschaftsunternehmen, internationalen Finanzinstituten (Weltbank/IWF) und dem globalen
Wirtschaftsmarkt gesteuert werden. Megaprojekte beispielsweise, die nicht-erneuerbare
Ressourcen (Mineralien, Erdgas, Erdöl) ausbeuten, sind in ein globales Wirtschaftssystem
von Nachfrage und Angebot eingebunden. Die Nachfrage nach Rohstoffen in den
Industrieländern hängt unmittelbar mit dem Angebot an Rohstoffen in Entwicklungsländern
zusammen. Dazu kommt, dass die aufstrebenden Wirtschaftsakteure, wie die Schwellenländer
China
und
Indien,
mit
ihrem
industriellen
Wirtschaftsaufschwung
und
Bevölkerungswachstum weltweit für eine stärkere Rohstoffnachfrage und bei vielen
Rohstoffen für ein Hochpreisniveau gesorgt haben.34 In der Entwicklungspolitik herrschst
keine Einigkeit darüber, ob Protektionismus oder Liberalismus/Freihandel schneller zu
stetigem und möglichst nachhaltigem Wachstum führt. Die Verfechter des Protektionismus
weisen auf die magere Bilanz bei der Verringerung von Elend und Armut und die
Vergrösserung der Schere zwischen Reich und Arm hin. Für das andere Lager, die Anhänger
33
34
Imbusch (2006), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien, S. 152.
Vgl. Jakobeit (2006), Weltwirtschaft und Rohstoffe, S. 271.
16
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
des Liberalismus, sind ökonomische Entwicklung und rasches Wachstum eine wichtige
Voraussetzung für die Armutsbekämpfung.35 Der deutsche Politikwissenschaftler Cord
Jakobeit
gibt
zu
bedenken,
dass Internationale Organisationen
im
Bereich
des
Rohstoffhandels fehlen oder wie die OPEC an Bedeutung einbüssten, gravierende
Umweltbelastungen und sozioökonomische Fehlentwicklungen in der Rohstoffwirtschaft
jedoch einen verstärkten multilateralen Handlungsbedarf signalisieren.36 Deutlich zeigen sich
die Auswirkungen der steigenden Rohstoffnachfrage in Entwicklungs- und Schwellenländern.
In einem 2007 erschienenen Artikel über Weltwirtschaft und Rohstoffe wird auf die
Problematik zwischen Menschenrechten und Rohstoffmarkt hingewiesen. Es wird davon
ausgegangen, dass es für eine funktionierende Global Economic Governance einer besseren
Einbindung
von
Schwellen-
und
Entwicklungsländern
in
internationale
Weltwirtschaftsorganisationen bedarf, damit auch in Bezug auf die Einhaltung von
Menschenrechten im Rohstoffhandel Forderungen gestellt werden können.37
In diesen globalen Kontext des Rohstoffhandels ist auch Guatemala, ein Land mit diversen
Bodenschätzen, eingebunden. Insbesondere der steigende Weltmarktpreis von Edelmetallen
wie Gold, hat in den letzten Jahren die Minentätigkeiten mit der ansteigenden Lizenzvergabe
wieder verstärkt und 2005 zur Eröffnung der Goldmine Marlin geführt, auf die in dieser
Arbeit noch näher eingegangen wird. In der Vergangenheit haben grosse Megaprojekte,
insbesondere
Ressourcenextraktionsprojekte,
wesentlich
zur
Entstehung
von
Gewaltkonflikten und Kriegen beigetragen. Forscher von Ressourcenkonflikten sprechen bei
der Verhinderung/Verminderung solcher Konflikte von Good Resource Governance.38 Dieser
Konfliktkontext wird in den folgenden Kapiteln ausgeleuchtet.
2.1
Ein
Megaprojekte und ihr Konfliktpotenzial
Megaprojekt,
dessen
Konfliktkontext
in
dieser
Arbeit
hinsichtlich
der
Menschenrechtsbegleitung näher untersucht wird, ist die Goldmine Marlin im Tagabbau. Sie
befindet sich im Municipio San Miguel Ixtahuacan des Departements San Marcos, im Westen
Guatemalas.
35
36
37
38
Dieses
grosse
Ressourcenprojekt
ist
im
Besitz
des
kanadischen
Vgl. Jakobeit (2006), Weltwirtschaft und Rohstoffe, S. 269.
Vgl. Jakobeit (2006), Weltwirtschaft und Rohstoffe, S. 270.
Vgl. Jakobeit (2006), Weltwirtschaft und Rohstoffe, S. 271-272.
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 5-6, Online-Version.
17
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Minenunternehmens Goldcorp39 und die Ausbeute wird in Kooperation mit dem
guatemaltekischen Unternehmen Montana Exploradora durchgeführt.
In einem Forschungsbericht des internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC)40 zählen
die Autoren die Kombination folgender Faktoren auf, die zu konfliktiven Konstellationen
führen können:
•
Abbau natürlicher Ressourcen
•
Fragile staatliche Strukturen
•
Engagement externer (oft multinationaler) Unternehmen
•
Ökologisch und sozial gravierende Folgen der Ressourcenextraktion für die
einheimische Bevölkerung vor Ort41
Insbesondere bei grossen Ressourcenprojekten liegt der Grund für die Konfliktträchtigkeit
laut den Forschern des internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) in den
ökologischen und sozialen Folgen der Ressourcengewinnung und der Konkurrenz um die
Verteilung der Einkünfte. In solchen Konflikten spielen die Unternehmen, die lokale
Bevölkerung und der Staat die Schlüsselrollen.42
Auch der Standort spielt bei Megaprojekten eine zentrale Rolle. Wenn eine Mine
beispielsweise Rohstoffe aus einem Gebiet gewinnt, das unbesiedelt ist, dann ist keine lokale
Bevölkerung direkt betroffen von Umweltkonsequenzen oder Umsiedlung.
Megaprojekte, insbesondere grosse extraktive Projekte, gehen mit massiven Veränderungen
der lokalen gesellschaftlichen Strukturen einher und weisen eine ambivalente Seite auf.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass diejenigen, die innerhalb der MegaprojektUmgebung leben, „verlieren“, und diejenigen ausserhalb, nicht betroffen sind oder „dazu
gewinnen“. Die Entwicklung durch Megaprojekte kreiert neue ökonomische Möglichkeiten
wie soziale Räume und schliesst alte. Durch die Veränderungen entstehen neue kulturelle
Formen.43 Es kann daher zwischen einer „positiven Entwicklung“ (Verbesserung der
Infrastruktur, des Gesundheits- und Erziehungswesens, Aufschwung der formalen Wirtschaft,
Arbeitsplätze etc.) und einer „negativen Entwicklung“ (Umweltprobleme, massive
unkontrollierte Zuwanderung, Auflösung lokaler Sozialbeziehungen, Einschränkung oder
39
Zuvor gehörte die Mine der kanadischen Minenunternehmen Glamis Gold.
40
BICC: Die unabhängige NGO wurde 1994 gegründet und verfolgt die Absicht Frieden und Entwicklung zu fördern wie Gewaltonflikte zu
verhindern (siehe http://www.bicc.de).
41
42
43
Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 3, Online-Version.
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 5-6, Online-Version.
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 23, Online-Version.
18
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Zerstörung lokaler Landwirtschaft, kulturelle und spirituelle Verarmung etc.) unterschieden
werden.44
Zu den Verlierern zählen diejenigen, die mit den ökologischen, ökonomischen, kulturellen
und sozialen Auswirkungen eines Megaprojektes zu kämpfen haben. Vor allem die
Ausbeutung nicht-erneuerbarer Ressourcen führt zu ökologischer Degradation erneuerbarer
Ressourcen (Wasser, Böden, Wälder) und verändert die Lebensweise der lokal betroffenen
Bevölkerung radikal.45 Rodolfo Stavenhagen46, ein bekannter mexikanischer Soziologe und
Spezialist für indigene Völker, erklärte 2005 in einem Artikel im Rahmen der Global
Governance, dass gerade grosse Entwicklungsprojekte ernsthafte Konsequenzen für indigene
Völker bedeuten können, auf die in folgenden Kapiteln noch näher eingegangen wird.47
Eine bereits erwähnte negative Folge von Megaprojekten für die lokal betroffene
Bevölkerung ist die Vertreibung, die unmittelbar mit dem Megaprojektprozess ausgelöst
werden kann (primary displacement) oder erst nach längerer Zeit als indirekte Konsequenz
auftritt (secondary displacement).48 Vertreibung ist laut den UNESCO-Experten Paul K.
Gellert49 und Barbara D. Lynch50 der Entwicklung mit Megaprojekten inhärent und betrifft
von Machtzentren abgeschiedene Gesellschaften mehr, als Wohlstandsgesellschaften und
Mitglieder
dominanter
ethnischer
Gruppen.51 Zwangsräumungen
oder
unfreiwillige
Vertreibungen und erneute planlose Ansiedlung sind gerade bei Damm- oder Minenprojekten
weit verbreitet. Daher haben solche Projekte viel Widerstand und Proteste und, wie Rodolfo
Stavenhagen bestätigt, auch Gewalt hervorgerufen.52 Diese betroffenen Gemeinschaften, die
in der Regel schwache Akteure sind, sehen sich oft gezwungen mit den Projektunternehmen
direkt in Beziehung zu treten.53 Auch Rodolfo Stavenhagen erwähnt in seinem Artikel, dass
sich Indigene teils nicht gegen Megaprojekte in ihren Gebieten widersetzen, sondern um
Kompensationen oder Teile des erwarteten Gewinns dieser Projekte verhandeln.54 Der Grund
weshalb diese Gemeinschaften sich direkt an die Unternehmen wenden, ist laut der Forscher
44
45
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 5, Online-Version.
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 5, 7, Online-Version.
46
Rodolfo Stavenhagen wurde 2001 von der UN Menschenrechtskommission zum ersten UNO Spezial-Berichterstatter über die
Menschenrechtssituation und fundamentalen Freiheiten Indigener Völker ernannt. Bis 2008 hatte er dieses Amt inne.
47
48
49
Vgl. Stavenhagen, Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 3, Online-Version.
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 17, Online-Version.
Paul Gellert is Assistant Professor in the Department of Rural Sociology and the Southeast Asia Programme at Cornell University.
50
Barbara Lynch is Director of International Studies in Planning and Visiting Associate Professor of City and Regional Planning at Cornell
University.
51
52
53
54
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 23, Online-Version.
Vgl. Stavenhagen, Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 3, Online-Version.
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 7, Online-Version.
Vgl. Stavenhagen, Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 7, Online-Version.
19
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
des BICC in der schwachen Rolle der zuständigen staatlichen Institutionen zu sehen, die sich
teils auch bewusst der Verantwortung entziehen, die Interessen der lokalen Bevölkerung
wahrzunehmen. In schwachen Staaten besteht die erhöhte Gefahr, dass es zu einem
Gewaltkonflikt kommt, da den staatlichen Institutionen ausreichende Kapazitäten und/oder
der politische Wille fehlen, die Projekte zu kontrollieren und zu regulieren.55 Für die Forscher
des BICC ist diese Schwäche staatlicher Strukturen ein wesentliches Element dafür, wie der
Konflikt bei Ressourcenkonflikten ausgetragen wird. Die Schwäche könne auf eine
„Kombination lang anhaltender Gewaltkonflikte, weit verbreiteter Armut und wirtschaftlicher
Misere,
nicht-demokratischen,
intransparenten
und
zumeist
klientelistischen
Herrschaftsstrukturen sowie einem ungünstigen regionalen Umfeld“ zurückgeführt werden.56
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem (gewaltgeladenen) Konflikt kommt, wird auch
dadurch erhöht, wenn sich das Unternehmen und die lokal betroffene Bevölkerung nicht
(genügend) auf die Rechtstaatlichen Institutionen des Staates verlassen können. Ein
funktionierender Rechtsstaat garantiert bei einem Konflikt innerhalb einer Gesellschaft, dass
dieser
ohne
Gewaltausbruch
ausgetragen
werden
kann.
Auch
die
Schwäche,
Unzuverlässigkeit und Unkontrollierbarkeit staatlicher Sicherheitskräfte sind laut den BICCForschern ein Merkmal für fragile Staatlichkeit und tragen zum Konflikt bei. Fragile
Staatlichkeit wird auch durch Korruption bedingt. Wenn Akteure mehr an der eigenen
Bereicherung als an „Entwicklung“ interessiert sind und bei der Verteilung und Verwendung
der Gewinne aus Ressourcenprojekten Eigeninteressen verfolgen, dann trägt dies zur
Konfliktgeladenheit bei.57
2.2
Megaprojekte in Guatemala
In der Folge wird der Kontext Guatemalas in Hinblick auf das vorhandene Konfliktpotenzial
bei Megaprojekten auf regionaler und nationaler Ebene abgehandelt. Dabei werden die zuvor
erwähnten, theoretischen Ausführungen der BICC-Forscher zu den Konfliktkomponenten auf
den Kontext von Megaprojekten im Allgemeinen und auf Guatemala übertragen und mit
zusätzlichen Faktoren erweitert. Die Autorin dieser Arbeit geht davon aus, dass der soziale,
ökonomische, politische und historische Kontext eines Landes für die Konfliktursache und
den Konfliktverlauf bei Megaprojekten verschiedener Art (Ressourcen, Landwirtschaft,
Infrastruktur, etc.) mitverantwortlich ist, gerade auch in Bezug auf die fragile Staatlichkeit.
55
56
57
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 7-8, Online-Version.
Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 7, Online-Version.
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007), Ressourcen und Konflikte, S. 8, Online-Version.
20
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
2.2.1 Neoliberale Wirtschaftsentwicklung und Widerstand in Guatemala
Guatemala erlebte von 1960 bis 1980 das schnellste Wirtschaftswachstum in seiner
Geschichte.58 Ab den 1980ern fiel das Land während des Bürgerkrieges in eine schwere
Wirtschaftskrise. 1996 zum Zeitpunkt der Friedensabkommen wurde eine neoliberale
Wirtschaftspolitik eingeführt, die ausländischen Investoren und Megaprojekten die Tür
öffnete. Die Interamerikanische Entwicklungsbank IDB (ein Arm der Weltbank) deklarierte
2004, dass die Erholung der Wirtschaft mit einem Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP)
von 4.2% in den 90er Jahren nicht genügend war und es von 2001 bis 2003 wieder zu einem
Wachstumsrückgang des BIP auf 1.4% kam.59 Vor allem die Regierung Oscar Bergers von
2004 bis 2008 förderte die neoliberale Wirtschaftsentwicklung. 2009 veröffentlichte das OVE
(Office of Evaluation and Oversight) der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank eine
Evaluation mit den Resultaten zur Strategieperiode 2004-200760 um die Beziehungen zu
prüfen, die zwischen der Bank und Guatemala in dieser Zeitspanne aufgebaut wurden. Dabei
wird angegeben, dass die Wirtschaft durchschnittlich pro Jahr mehr als 4% gewachsen sei
zwischen 2004 und 2007. 2006 und 2007 sogar 6.3%, was das schnellste Wachstum in der
jüngeren Wirtschaftsgeschichte des Landes bedeute.61 Doch wird klar darauf hingewiesen,
dass die Mehrheit der Guatemalteken nicht von diesem Wachstum profitieren konnte: „The
economic and social policies of the period 2004-2007 were not sufficient to significantly
expand the economic and social opportunities of the majority of Guatemalans.“62
Für 2009 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,5% erwartet. Dieser Rückgang ist auch
beeinflusst von der weltweiten Finanzkrise.63
In der Wirtschaft Guatemalas spielen die Wirtschaftseliten des Landes eine zentrale Rolle, da
sie seit langer Zeit einflussreich mitwirken in der Wirtschaftspolitik des Landes. Bis heute
haben sie es geschafft ihre Privilegien zu sichern und so grössere Reformen im Land
verhindert. Vor allem die Grossgrundbesitzer konnten immer wieder die Landreformen
abwenden.64 In Guatemala kontrollieren heute immer noch ungefähr 2% der Bevölkerung
70% des Bodens um in erster Linie Exportprodukte herzustellen.65 Der Landwirtschaftssektor
58
59
Vgl. CEH (1999), Guatemala – Memory of Silence, S. 18, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Strategy 2004, S. 4, Online-Version.
60
Diese Evaluation der Strategieperiode 2004-2007 des IDB-Programmes ist die zweite Evaluation, die von OVE durchgeführt wurde. Die
vorherige Evaluation umfasste die Periode 1993-2003.
61
62
63
64
65
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 1, Online-Version.
IDB, Country Program Evaluation 2009, Executive Summary, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, Executive Summary, Online-Version.
Vgl. Inksater, Guatemala Country Context, S. 4.
Vgl. International Development Research Center, Projects in Guatemala, Online-Version.
21
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
macht 75% des Gesamtexportes Guatemalas aus (vorwiegend Kaffee, Zucker, Bananen).66
96% der Bauern bearbeiten knapp 20% des Bodens für die Subsistenzwirtschaft. Es wird
angenommen, dass 50-95% des Landeigentums nicht offiziell registriert sind. Oft wurde den
indigenen Bauern in der Vergangenheit das Land enteignet und wenn sie sich dagegen
wehrten, dann mussten sie um ihr Leben fürchten, wie 1978 als 100 Bauern vom Militär in
Panzos (Alta Verapaz) ermordet wurden, weil sie sich gegen die Enteignung ihres Bodens
durch offizielle Militärs wehrten. Viele indigene Bauern sind heute frustriert, weil die in den
Friedensabkommen 1996 versprochenen Reformen nur sehr langsam umgesetzt werden.67
Dieser Ungleichheitszustand, der aus der Landwirtschaft abgeleitet werden kann, bedeutet für
die indigenen Bauern Armut und Exklusion und bringt sie in eine Position, in der das sich
Einsetzen für bessre soziale Verhältnisse zur Überlebensfrage werde, erklärt die
Menschenrechtsaktivistin Claudia V. Samayoa in einem Forschungsbericht.68 Die Antwort
von staatlicher Seite auf diese Proteste ist meist Repression und Gewalt, damit der Status Quo
zugunsten der Eliten beibehalten werden kann.
Seit den Friedensabkommen hat sich die Landwirtschaftsproduktion im Zuge der neoliberalen
Wirtschaftspolitik des Landes gewandelt und soziale Konflikte geschaffen. Die sogenannten
„Finceros“ (Grossgrundbesitzer) setzen vermehrt auf grosse Monokulturen (Megaprojekttyp
3/Produktion) und haben in den letzten Jahren beispielsweise mit dem Anbau afrikanischer
Palmen begonnen um Pflanzenöl zu gewinnen.69 Die global gestiegene Nachfrage nach
Ethanol führte zum grossflächigen Anbau von Zuckerrohrfeldern.70 Für diese Anbauformen
wird viel Boden benötigt, was zu Hamsterkäufen führt. Gleichzeitig braucht es durch die
Mechanisierung weniger Arbeitskräfte, was zu mehr arbeitslosen Bauern ohne Land führt und
soziale Spannungen generiert. Diese Entwicklungen verursachten zwischen 2000 und 2008
einen beachtlichen Anstieg an Drohungen, Verfolgungen und Tötungen von anführenden
Bauern.71
Veränderungen durch die neoliberale Wirtschaftsentwicklung sind auch im Finanzsektor zu
sehen. Claudia Virginia Samayo schreibt 2009 in einer Analyse, dass in Guatemala seit
wenigen Jahren eine neue Etappe in Bezug auf den Kapitalismus einsetzte. Es sei zu neuen
Bereicherungsformen
66
67
68
69
70
71
gekommen,
zu
Gunsten
von
nationalen
und
internationalen
Vgl. The Fund for Peace (2009), Guatemala - Economic Indicators, S.2, Online-Version.
Vgl. International Development Research Center, Projects in Guatemala, Online-Version.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 2.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 3.
Vgl. The Fund for Peace (2009), Guatemala - Economic Indicators, S.2, Online-Version.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 3.
22
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Unternehmen in Zusammenarbeit mit Banken und Freihandelsabkommen. Ein Kapitalismus
bei dem es vor allem um Finanzkapital gehe und sich durch Allianzen zwischen nationalen
und internationalen Kapitalien auszeichne, die von privaten Kreisen aus gesteuert werden in
einem Prozess, in dem sich die Macht wieder konzentriere.72 Die Ansammlung von Kapital
werde von Familien und Gruppen der nationalen Oligarchie durchgeführt. Die Oligarchie des
Landes zieht nicht mehr nur Kapital aus der Landwirtschaftsproduktion, sondern investiert
unter anderem in Megaprojekte. Der Besitz von Natürlichen Ressourcen sei strategischer
Natur, weil sich dort die Akkumulation von Kapital ausdrücke. Zur Ansammlung von Kapital
werden mit Transnationalen Allianzen gebildet.73
In den nördlich gelegenen Regionen um die „Franja Transversal del Norte“74 (FTN Verbindungsroute durch Guatemala zwischen Mexiko und Honduras) kommt ein grosser Teil
des Reichtums Guatemalas vor: Wasser, Fauna, Flora, Wälder, Bodenschätze. Laut der
Menschenrechtsaktivistin Claudia V. Samayoa zeigt sich dort die neue Wirtschaftsphase. Der
geplante Ausbau der Strassen auf dieser Transversale ist strategisch fundamental für die
Förderung von Megaprojekten (Ölförderung, Minen, Pflanzungen afrikanischer Palmen,
Zucker, Maquilas).75
Megaprojekte im Bereich der industriellen Rohstoffextraktion werden in Zentralamerika seit
mehreren Jahren wieder intensiver gefördert. Einem Bericht über die Menschenrechtssituation
2004-2005 verschiedener Menschenrechtsorganisationen Zentralamerikas ist zu entnehmen,
dass das Thema der Ausbeutung durch Minen Anfang 2000 in ganz Zentralamerika an
Relevanz gewonnen habe. Erklärt wird dies, wie bereits erwähnt, mit den steigenden
Rohstoffpreisen auf dem Weltmarkt. Weil die Gesetzgebungen vieler Länder Lateinamerikas
sehr offen sind gegenüber Mineninvestitionen und von der Weltbank unterstützt werden,
wurden in Zentralamerika mehrere hundert Bewilligungen vergeben. Wie erwähnt, ist die
Minentätigkeit auch in Guatemala nichts Neues, sondern wurde bereits in der Kolonialzeit
industriell gefördert und seit der Grenzöffnung für den Handel 1871 intensiviert. Die
Intensität der Minentätigkeit in Guatemala unterlag im letzten Jahrhundert den internationalen
Marktpreisen und dem Bürgerkrieg, der den Rohstoffabbau in den 80ern und 90ern Pausieren
liess.76 In den letzten Jahren wurde die Ausbeutung natürlicher Ressourcen in der
Wirtschaftspolitik wieder stark gefördert. Das Ministerium für Energie und Minen sieht darin
72
73
74
75
76
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 11, 15.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 12.
Siehe Anhang A.5: Franja Transversal del Norte, S. 129.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 16-18.
Vgl. Peace Brigades International, Metal Mining and Human Rights in Guatemala, S. 8, Online-Version.
23
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
eine Quelle für die Entwicklung des Landes, insbesondere für die Verbesserung der
Lebensqualität der Guatemalteken, da Guatemala ein grosses Potenzial in den Bereichen
Energie, Öl und Minen aufweise.77 Ende 2003 wurde in Guatemala die industrielle Extraktion
von Metallen auf nationaler Ebene wieder zum aktuellen Thema und in den darauf folgenden
Jahren vergab der Staat mehr als 550 Bewilligungen78, was 10% des Landes ausmacht.79
Anfang 2009 waren für Minentätigkeiten mit Nicht-Metallen (153), Metallen (101) und
Konstruktionsmaterial (141) insgesamt 395 Lizenzen vergeben, wobei 259 davon eine
Erlaubnis für die Extraktion bedeutet. Die restlichen 136 sind Lizenzen zur Exploration80.81
383 Lizenzanträge (für die Erkennung, Exploration, Extraktion von Metallen, Nicht-Metallen
und Konstruktionsmaterialien) waren Anfang 2009 in Bearbeitung.82 Diese Zahlen zu
Lizenzvergaben, die bereits erteilt oder in Bearbeitung sind (insgesamt 778 Lizenzen) weisen
eine starke Zunahme gegenüber den 550 Bewilligungen im Jahre 2003 auf. Die meisten
Lizenzen wurden im Departement Guatemala vergeben, gefolgt von El Progreso und
Huehuetenango.83 In vielen der Gebiete mit Lizenzvergaben ist die NGO CAIG-Acoguate mit
ihrer internationalen Begleitarbeit präsent, auf die im Verlauf der Arbeit noch näher
eingegangen wird.
Die Mehrheit dieser Bewilligungen gingen an transnationale Unternehmen aus den USA und
Kanada.84 Das untersuchte Minenprojekt Marlin, in der seit Mai 2004 Silber und Gold
abgebaut werden. Die Weltbank unterstützte über die Internationale Finanzkooperation
(International Finance Corporation – IFC) das Minenprojekt Marlin im Tagabbau in
Guatemala mit 45 Millionen Dollar. Das Projekt wurde zuvor vom transnationalen
kanadischen Unternehmen Glamis Gold und deren guatemaltekischen Unterfirma Montana
Exploradora realisiert. Die ebenfalls kanadische Firma Goldcorp übernahm die Mine Marlin
2005 und ohne die Weltbankgelder.85
Auch der Plan Pueblo-Panama (PPP) ist in Guatemala ein Grund für die vermehrte Planung
und Umsetzung von Megaprojekten. Der Plan wurde 2001 von der mexikanischen Regierung
77
Vgl. Ministerio de Energía y Minas, Online-Version.
78
Es gibt drei Arten von Bewilligungen, wobei nur eine die Ausbeutung erlaubt. Die anderen dienen der Abklärung von
Rohstoffvorkomnissen. Der Grossteil der vergebenen Lizenzen dienen zur Abklärung.
79
Siehe Anhang A.1: Minenlizenzen in Guatemala, S. 125.
80
Eine „Explorations“-Lizenz erlaubt dem Lizenzinhaber die Vorkommen auf einem Territorium von 100km2 zu lokalisieren, studieren,
analysieren und evaluieren (vgl. http://www.mem.gob.gt/Portal/Home.aspx?secid=52).
81
82
83
84
85
Vgl. Ministerio de Energía y Minas, Licencias vigentes 2009, Online-Version. http://www.mem.gob.gt/Portal/Home.aspx?tabid=224
Vgl. Ministerio de Energía y Minas, Solicitudes en tramite 2009. Online-Version. http://www.mem.gob.gt/Portal/Home.aspx?tabid=225
Vgl. Ministerio de Energía y Minas, Licencias mineras por departamento 2009. Online-Version.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 48.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 48.
24
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
entwickelt. Es handelt sich um eine Strategie für die Wirtschaftsentwicklung Zentralamerikas,
mit dem Ziel die Unterentwicklung zu überwinden. Der Ökonom Miguel Pickard schrieb
2004 zur Entwicklung des PPP, dass der Plan zu Beginn frühzeitig zum Erlahmen kam.86
Unter anderem auch deshalb, weil für die Zivilbevölkerung Zentralamerikas die
Infrastrukturprojekte des PPP nicht mit sozialer Entwicklung einhergingen und Widerstand
leisteten.87 Dabei geht es nach Miguel Pickard bei solchen Projekten auch um Demokratie und
Mitspracherecht. Von den Bewohnern ist der Plan als eine neue neokoloniale Form
verstanden worden, bei der ihre natürlicher Reichtum und ihre billige Arbeitskraft ausgenutzt
würden. M. Pickard wirft dem Vorgehen der PPP-Initianten vor, dass die Bevölkerung, die zu
einem Grossteil indigen ist, nie konsultiert wurde, um herauszufinden wie die Menschen über
diesen Plan dachten.88 Miguel Pickard bezeichnet den PPP als einen Katalysator, der das
Denken und Handeln abgelegener Bevölkerungsteile als Teil der Welt vorantreibt. Der PPP
führte zu grossen Veranstaltungen in verschiedenen Zentralamerikanischen Ländern und gab
Anlass auch andere regionale Themen wie Wasserkraftwerkprojekte, Dämme, Biodiversität
und Autonomie zu diskutieren.89
Die Antwort von der Basis Guatemalas gegenüber dem PPP hat die
österreichische
Sozialanthropologin Eva Kalny 2006 im Rahmen eines Forschungsprojektes in Guatemala
näher untersucht, insbesondere die anti-neoliberalen Bewegungen im Departement Petén im
Norden Guatemalas. Sie ist der Meinung, dass sich die neoliberale Wirtschaftsglobalisierung
im Falle Guatemalas durch den Plan Pueblo Panama (PPP) und dem Freihandelsabkommen
(DR-CAFTA) zum Ausdruck komme, auf das in der Folge mit einem kurz Exkurs
eingegangen wird.90 Im März 2005 ratifizierte die guatemaltekische Regierung das
Freihandelsabkommen CAFTA zwischen den USA und Zentralamerika (Central American
Free Trade Agreement – heute DR-CAFTA da Dominikanische Republik dazu stiess)91. Die
Ethnologin Eva Kalny schreibt dazu in ihrem Artikel „Globalisierung von unten“, dass dieses
Ereignis Proteste im ganzen Land wie auch polizeiliche Repressionen auslöste.92 In der Folge
kam es vermehrt zu Aggressionen gegen soziale Aktivisten.93 2007 trat der CAFTA-Vertrag in
86
87
88
89
90
91
92
93
Vgl. Pickard (2004), The Plan Pueblo Panama Revived, S. 1, Online-Version.
Vgl. Pickard (2004), The Plan Pueblo Panama Revived, S. 2, Online-Version.
Vgl. Pickard (2004), The Plan Pueblo Panama Revived, S. 2, Online-Version.
Vgl. Pickard (2004), The Plan Pueblo Panama Revived, S. 2, Online-Version.
Vgl. Kalny, Globalizacion desde abajo, S. 196.
Heute offiziell DR-CAFTA, da 2004 neu die Dominikanische Republik hinzukam.
Vgl. Kalny, Globalizacion desde abajo, S. 197.
Siehe Anhang A.14: Chronologie Begleitarbeit in Guatemala, S.144.
25
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Kraft und löste in der Guatemaltekischen Bevölkerung weniger Proteste aus als zuvor bei der
Ratifizierung.94
In Guatemala ist der Widerstand gegen die neoliberalen Wirtschaftsprojekte weit verbreitet.
Nebst den Aktivitäten gegen den PPP und das Freihandelsabkommen DR-CAFTA, gibt es im
ganzen Land Widerstand gegen Megaprojekte. Die Ethnologin Eva Kalny beschreibt den
Widerstand gegen Megaprojekte spezifisch themenbezogen, wie beispielsweise der
Widerstand gegen die Goldmine Marlin.95 Eine sich im Widerstand befindende Person gegen
die Mine Marlin, sagte in einem Interview im Rahmen dieser Arbeit aus, dass die Wurzeln
des Widerstandes gegen die Mine bei den betroffenen Personen liege, die in der Nähe der
Mine wohnen und sich angefangen haben zu organisieren, als sie negative Auswirkungen der
Minenarbeit festgestellt hätten. Er zählte als negative Folgen die Austrocknung von
Wasserlöchern und Risse in den Hausmauern auf. Die davon Betroffenen verfolgen die
Strategie, Information über den Schaden, den die Mine anrichte, in anderen Gemeinden zu
verbreiten.96
Auch internationale Finanzinstitute wie die Weltbank sind mit ihrer neoliberalen
Entwicklungspolitik an der Planung und Umsetzung von Megaprojekten beteiligt. Die
Interamerikanische Entwicklungsbank,
(Inter-American
Development
Bank -
IDB)
präsentierte in der Landesstrategie 2004-2007 zu Guatemala die Entwicklungsziele:
„(...) the 2004 country strategy proposal reflects the general view of the 1996 Peace Accords,
establishing poverty reduction as a basic condition for building a firm and lasting peace that
will allow for full participation of the population in the process of economic and social
development (document CP-2877).“ 97
In den Augen der Bank hat Guatemala folgende Herausforderungen für ein nachhaltiges
Wachstum anzugehen und damit das „Business climate“ zu verbessern:
„Strengthening public finances; upgrading infrastructure; making the most of CAFTA
opportunities and better positioning itself in the global market place; spurring rural
development; and cushioning the risks of natural disasters.“98
Welche Auswirkungen die neoliberale Wirtschaftentwicklung, insbesondere die Realisierung
von Megaprojekte für die Bevölkerung haben kann, wird in der Folge diskutiert.
94
95
96
97
98
Vgl. Kalny, Widerstand lesiten, aber wie?, S.205.
Vgl. Kalny, Widerstand leisten, aber wie?, S. 205.
Vgl. Interview BP5, Zeile 29-35.
Vgl. IDB, Country Strategy 2004, Executive-Summary, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Strategy 2004, S. 4, Online-Version.
26
Masterarbeit
2.3
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Indigene, neoliberale Wirtschaftsentwicklung und Megaprojekte
Der Fokus auf die Betroffenheit indigener Bevölkerungsteile ist in dieser Arbeit von grosser
Bedeutung, weil ein Grossteil der Bevölkerung Guatemalas indigen und als Landbevölkerung
von Megaprojekten direkt betroffen ist.
Die Weltbank bringt in einer Stellungnahme an das Büro für „Evaluation and Oversight,
OVE“ der Interamerikanischen Entwicklungsbank IDB ihre Unterstützung gegenüber dem
Vorhaben in Guatemala zum Ausdruck, die schwachen Bevölkerungsgruppen schützen zu
wollen:
„We agree on the need to support the country in protecting the most vulnerable
population groups, particularly in the current world financial and econo mic crisis, and in
providing more and better social services. We also agree on the cooperation projects and
for stronger technical support.“99
In einigen Ländern sind indigene Völker heute als legitime Partner von Regierungen
anerkannt. Oft ist diese Anerkennung gesetzlich vorhanden, die Umsetzung jedoch verzögert.
So auch in Guatemala, in dessen Verfassung die Anerkennung der indigenen Lebensweise
verankert, die politische Repräsentation hingegen nur schwach vorhanden ist. Die offizielle
Anerkennung der Rechte indigener Völker bei der UNO ist erst wenige Jahre her. Die
Generalversammlung der UNO nahm 2004 nach langen Verhandlungen die Deklaration zur
Anerkennung der Rechte Indigener Völker an, die als Referenz für einen internationalen
Standart für den Schutz der Rechte indigener Völker dienen soll.100 Indigene Rechte sind laut
Margaret E.
Keck und Kathryn Sikkink auch immer zentralere Komponenten im
internationalen Umweltaktivismus, wie auch umgekehrt.101
Das Überleben ist für indigene Völker auf der ganzen Welt eine Herausforderung. Der
Soziologe Rodolfo Stavenhagen sieht den Grund dieser Herausforderung in einer Welt, „that
has systematically denied them the means and thus the right to existence as such“.102 Land
bedeutet für die indigenen Völker seit jeher die Quelle für ihre Lebensgrundlage, derer sie in
der Vergangenheit immer wieder beraubt wurden. Land gemeinsam zu besitzen, zu besetzten
und zu bebauen entspreche laut Rodolfo Stavenhagen, dem Eigenkonzept der indigenen
Völker. Rodolfo Stavenhagen erklärt in seinem Artikel über die Rechte der Indigenen, dass
Landrechte weltweit eine zentrale Angelegenheit für indigene Völker darstelle, da der Boden
mit ihrer Identität verbunden ist. Landrechte stehen im Zentrum vieler Konflikte mit
99
Vgl. Weltbank (2009), Management’s comments, S. 1, Online-Version.
100
101
102
Vgl. Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 8, Online-Version.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 9-10.
Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 2, Online-Version.
27
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
indigenen Bevölkerungen. R. Stavenhagen sieht den Grund der vielen Landkonflikte vor
allem auch als Resultat der Globalisierung, da neoliberale Entwicklungspolitiken viele
Indigene von ihrem Land vertrieben, anstatt ihnen zu helfen, ihre lokale Wirtschaft zu stärken.
Oft wären die indigenen Wirtschaftsformen zwar durch das Gesetz geschützt, doch starke
ökonomische Interessen wandeln gemeinsamen Landbesitz in individuelles Eigentum oder
unternehmerisches Eigentum um. In Kanada und Skandinavien erhielten die Indigenen
finanzielle Entgeltung, in vielen Ländern in Lateinamerika jedoch müssen sie für sich selbst
aufkommen und emigrieren oft um der Armut entgehen zu können.103
Die für die Industrie notwendigen Rohstoffe kommen oft in ruralen Gebieten vor, in denen
indigene Völker von ihrer Subsistenzwirtschaft leben und durch die Gewinnung von
Rohstoffen und damit verbundene Ansiedlung von Megaprojekten wie Minen bedroht
werden. Auch die zur Entwicklung der Wirtschaft benötigte Energie betrifft oft ländliche,
indigene Bevölkerungsteile mit dem Bau von Stauseen und Wasserkraftwerken. R.
Stavenhagen meint zu diesen Entwicklungen: „Indigenous Peopels are the most recent
victims of global ‚development aggression’.“104 Indigene Gebiete fallen daher immer mehr
Transnationalen Unternehmen „zum Opfer“105. Viele multinationale Unternehmen entdecken
das kommerzielle Potenzial hinter dem traditionellen Wissen und Reichtum der indigenen
Lebenswelt, beispielsweise über die medizinische Wirkung von Pflanzen. Rodolfo
Stavenhagen spricht von einem weltweiten Wettlauf, der begonnen hat, das Erbe der
indigenen Völker zu patentieren, privatisieren und sich so zu eigen zu machen.106 Oft ist
diesen Investitionsprojekten aber die indigene Bevölkerung im Weg und es kommt zu
Entwurzelung und Vertreibung. Rodolfo Stavenhagen bezeichnet die von diesen
Entwicklungen betroffenen Indigenen „development refugees“107. Er schätzt die eigene soziale
und kulturelle Eigenheit dieser Völker als schwer bedroht ein, wenn diese Tendenzen in
Zukunft weiter zunehmen.
Rodolfo Stavenhagen erwähnt in seinem Artikel zu indigenen Rechten, dass die lokale Art
und Weise zu regieren, durch die Kolonialherren und im Zuge der Entwicklungen, zu einem
modernen Staat angepasst wurde, um den Interessen und Bedürfnissen des Staates zu dienen.
Diese oft unfreiwillige Einverleibung der indigenen Bevölkerung in die staatlichen
Strukturen, führte oft zu Konflikten. Indigene Organisationen versuchen das Recht auf eine
103
104
105
106
107
Vgl. Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 2, Online-Version.
Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 2, Online-Version
Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 2, Online-Version.
Vgl. Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 3, Online-Version.
Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 3, Online-Version.
28
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
lokale oder regionale Selbstherrschaft wiederzuerlangen.108 Indigene Organisationen fordern
daher vermehrt das Recht auf politische Repräsentation ein, das nicht immer mit der
vorherrschenden politischen Struktur übereinstimmt.109 Dies trifft auch für Guatemala zu, wo
in den letzten Jahren indigene Organisationen wie Pilze aus dem Boden schossen. Die
weltweit verteilten indigenen Vereinigungen würden mit vielen Stimmen sprechen, doch ihr
gemeinsames Ziel und Streben für die Menschenrechte führe zu einer erstaunlichen
Übereinkunft meint Rodolfo Stavenhagen.110
Die Konvention 169 der internationalen Arbeitsorganisation, die nebst Guatemala (1996) nur
von 17 weiteren Ländern ratifiziert wurde111, fordert Staaten auf, indigenes Land zu
respektieren und verkündet das Recht indigener Völker, über ihre natürlichen Ressourcen
selbst zu bestimmen. Die Konvention112 besagt unter anderem auch, dass indigene Völker
konsultiert werden müssen bevor eine Entwicklung auf ihrem Land vorgenommen wird und
am Entwicklungsprozess partizipieren können.113 Auf die Verletzung dieser Konvention wird
von Megaprojekt-Gegnern in Guatemala immer wieder hingewiesen und dient als
Gesetzesfundament des Widerstandes.
2.4
Bürgerkrieg und Friedensprozess in Guatemala – historischer Rückblick
Die historische Komponente in Guatemalas Konfliktkontext von Megaprojekten ist nicht zu
vernachlässigen, da ein Rückblick in die jüngere, gewaltgeladene Vergangenheit Aufschluss
über aktuelle Konfliktgeladenheit und Konfliktmuster gibt.
Ab 1944 erlebte Guatemala unter Präsident Arévalo (1944 bis 1949) und Jacobo Arbenz
Guzmán114 ein demokratisches Jahrzehnt.115 Unter anderem wurde auch das Gesetz der
Agrarreform genehmigt. Zu dieser Zeit besassen rund 2 % aller Großgrundbesitzer ca. 70 %
des landwirtschaftlich nutzbaren Landes. Die umfangreiche Landreform hatte zur Folge, dass
man begann, den Boden unter der Bauernbevölkerung aufzuteilen. Grosse Teile des Bodens
gehörten Nordamerikanischen Unternehmen. Diese wurden durch die Umsetzung der
Agrarreform enteignet, was zu einem Konflikt führte. 1954 wurde der guatemaltekische
108
109
110
111
112
113
Vgl. Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 7, Online-Version.
Vgl. Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 7, Online-Version.
Vgl. Stavenhagen (2005), Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 7, Online-Version.
Vgl. International Finance Corporation (2007), ILO Convention 169, S. 2, Online-Version.
Vgl. ILO, C169 Indigenous and Tribal Peoples Convention, Online-Version.
Vgl. International Finance Corporation (2007), ILO Convention 169, S. 2, Online-Version.
114
Jacobo Arbenz Guzmán war früherer Verteidigungsminister und wurde 1950 verfassungsgemäss für eine sechsjährige
Präsidentschaftslegislatur gewählt (vgl. Immerman (1980), Guatemala as Cold War History, S. 633).
115
Der Diktators Jorge Ubico war von 1931–1944 an der Macht und wurde 1944 im Zug de der Oktoberrevolution gestürzt.
29
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Präsident Jacobo Arbenz Guzmán mit der Unterstützung des FBI116 und CIA117 gestürzt, da die
USA in der Politik der Guatemaltekischen Regierung eine kommunistische Aggression sah.118
Auf den Regierungssturz von Jacobo Arbenz Guzmán folgte eine von den USA eingesetzte
Militärregierung. Der Grund und Auslöser des Bürgerkrieges in Guatemala ist daher im
Kontext des Kalten Krieges einzubetten, als die Polarisierung zwischen Kapitalismus und
Kommunismus das Weltgeschehen beeinflusste.
Am 13. November 1960 erhob sich ein Teil des Militärs um Wahlen für eine Zivilregierung
einzuberufen, die nicht von den USA beeinflusst war. Der Aufstand missglückte und die
Überlebenden Aufständischen zogen sich in die Berge zurück um mit der Unterstützung des
Volkes einen allgemeine Aufstand zu organisieren. So entstanden die GuerillaBewegungen.119 Von 1960 an wütete in Guatemala während sechsunddreissig Jahren ein
Bürgerkrieg. Mit der Hilfe der USA wurde ein Plan gegen den Aufstand umgesetzt, indem
systematische Terrorinstrumente und eine soziale Kontrolle aufgebaut wurden. Das hatte zur
Folge, dass diejenigen, die nicht schwiegen für das Militär als Guerilleros galten und
verschwanden. Die blutigste und gewalttätigste Phase war von 1978 bis 1985.120 Die
guatemaltekische Armee verübte gegen die indigene Maya-Bevölkerung einen Genozid121, bei
dem rund 200'000 Menschen getötet wurden, da sie diese als Verbündete der Guerilla
identifizierten.122 Die Massaker, Taktik der verbrannten Erde123, Verschwinden lassen,
Exekutionen von Maya Autoritäten, und spirituellen Führern zeugen laut CEH von der
Absicht, diejenigen kulturellen Werte zu zerstören, die einen Zusammenhalt und gemeinsame
Aktionen in Maya-Gemeinden ermöglichen.124
1986 wurde wieder demokratisch eine Zivilregierung gewählt, denn die Militärregierung
wollte ihr Bild gegen aussen verbessern um internationale Unterstützung zu erhalten. 1990
116
FBI: Federal Bureau of Investigation („Bundesamt für Ermittlung“) ist die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums
der Vereinigten Staaten.
117
118
119
120
CIA: Central Intelligence Agency (deutsch: „Zentraler Nachrichtendienst“), ist der Auslandsnachrichtendienst der Vereinigten Staaten.
Vgl. Immerman (1980), Guatemala as Cold War History, S. 637-649.
Vgl. PWS, México y Guatemala, S. 27.
Vgl. CEH (1999), Guatemala – Memory of Silence“, S. 22, Online-Version.
121
1999 reichten die Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchu und andere beim spanischen Gericht eine Klage gegen die verantwortlichen
Militärs vor wegen Genozid, Folter, Terror, Massenexekutionen und unrechtmässige Inhaftierung der indigenen Maya-Bevölkerung
zwischen 1970 und 1980 vor (vgl. Roht-Arriaza (2006), Guatemala Genocide Case, S. 207).
122
Vgl. CEH (1999), Guatemala – Memory of Silence, S. 17, 23, Online-Version.
123
Taktik der verbrannten Erde: bezeichnet eine seit 1907 völkerrechtswidrige Kriegstaktik, bei der eine Armee auf dem Vormarsch oder
auf dem Rückzug vor dem Feind alles zerstört, was dem Gegner in irgendeiner Weise nützen könnte, ihm also die Lebensgrundlage entzieht.
Diese Taktik der guatemaltekischen Armee war eine Möglichkeit, den Gegner (Guerilla) auf Kosten der Bevölkerung zu besiegen. Diese
Taktik hat schwerwiegendere Auswirkungen als Hungersnöte.
124
Vgl. CEH (1999), Guatemala – Memory of Silence“, S. 23, Online-Version.
30
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
setzte der offizielle Friedensprozess in Oslo zwischen der Guerilla (URNG125) und der
nationalen Versöhnungskommission (Comisión nacional de reconciliación) ein. Die
Verhandlungen im Friedensprozess, welche unter der Schirmherrschaft der UNO126
durchgeführt wurden, dauerten insgesamt 6 Jahre und endeten 1996 mit der Unterzeichnung
der Friedensabkommen zwischen der guatemaltekischen Regierung und der URNG. Laut
Bernardo Arévalo de León127 weisen die Friedensverhandlungen im Falle Guatemalas etwas
Spezielles auf: Im Gegensatz zu anderen Friedensverhandlungen ging es in Guatemala nicht
nur um Vereinbarungen zu Waffenstillstand, Demobilisierung und politische Reintegration,
sie deckten eine ambitionierte Agenda ab, die auf eine soziopolitische Transformation
abzielte.128
Ein wichtiger Schritt während den Friedensverhandlungen und in der Aufarbeitung der
Kriegsvergangenheit
war
die
Gründung
der
"Guatemalan
Historical
Clarification
Commission“ (CEH129) von 1994.130
Ein 1994 abgeschlossenes Friedensabkommen war „the Comprehensive Agreement on
Human Rights“131, worauf die UNO-Generalversammlung im September 1994 „the United
Nations Mission for the Verification of Human Rights and of Compliance with the
Commitments of the Comprehensive Agreement on Human Rights in Guatemala
(MINUGUA)“132 mit folgendem Mandat etablierte:
„MINUGUA carried out verification and institution-building activities throughout the
country. More than 250 human rights monitors, legal experts, indigenous specialists and
police were posted throughout Guatemala, including in its remotest areas. Their presence and
verification activities have focused public attention on human rights and the related problem
of impunity, reinforcing the declining trend in political violence.“133
Als 1996 der definitive Waffenstillstand zwischen der Guerilla (URNG) und der
guatemaltekischen Regierung unterschrieben wurde, entschied der UNO-Sicherheitsrat 1997:
125
126
URNG: Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca. 1982 haben sich vier Guerilla-Gruppen zur URNG zusammengeschlossen.
Vgl. UNO, Guatemala - MINUGUA, Background, Online-Version.
127
Dr. Bernardo Arévalo de León is a Guatemalan diplomat and social scientist. Since 2005, he is serving as the Director of the UNDP /
Interpeace Joint Program Unit for Participatory Strategies for Peace building and Development, a unit that supports the UN in the use of
research-based
dialogue
strategies
for
consolidation
of
peace
and
the
prevention
of
conflict
(vgl.
http://www.7isf.ethz.ch/program/topicspeakers/bernardo_arevalo_de_leon.cfm).
128
Vgl. Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 14.
129
CEH: Comisión para el Esclarecimiento Histórico; war Guatemalas Wahrheits- und Versöhnungskommission und veröffentlichte 1999
den Bericht „Memoria del Silencio“.
130
131
132
133
Vgl. Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 14.
UNO, Guatemala - MINUGUA, Background, Online-Version.
UNO, Guatemala - MINUGUA, Background, Online-Version.
UNO, Guatemala - MINUGUA, Background, Online-Version.
31
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
„(...) to attach to MINUGUA a group of 155 military observers and requisite medical
personnel for a three-month period. Although the expanded mission continued to be known as
MINUGUA, its official name was changed to the United Nations Verification Mission in
Guatemala in order to reflect the new mandate. The functions of the observer group were to
verify compliance by the Government of Guatemala and URNG with the Agreement on the
Definitive Ceasefire, including the formal cessation of hostilities, the separation and
concentration of the respective forces and disarmament and demobilization of former URNG
combatants.“134
Die Wunden des Bürgerkrieges in der Gesellschaft Guatemalas sind bis heute nicht verheilt
und werden gerade bei Megaprojektkonflikten wieder aufgerissen. Auf das Erbe des
Bürgerkrieges wird im folgenden Kapitel eingegangen.
2.5
Die Fragilität des Staates Guatemala
Im Kontext dieser Arbeit ist der Umstand von Bedeutung, dass die im vorhergehenden
Kapitel aufgezeigten Entwicklungen aus der Kolonialzeit und der Bürgerkriegszeit in der
Gegenwart weiterwirken und damit Erklärungsgrundlagen bilden, um die sozialen,
ökonomischen und politischen Verhältnisse im Kontext von Megaprojekten im heutigen
Guatemala erklären zu können. Von diesen Strukturen sind die Menschenrechtsaktivisten im
Kontext von Megaprojekten wie auch die Menschenrechtsbegleiter/-beobachter betroffen,
weil diese Strukturen das Konfliktpotenzial im Kontext von Megaprojekten erhöhen können.
In diesem Kapitel wird Bezug genommen auf die zu Beginn der Arbeit erwähnten
theoretischen Ausführungen der BICC-Forscher, die als Faktor für eine konfliktive
Konstellation bei Megaprojekten einen fragilen Staat angeben. In der Folge soll die Fragilität
des guatemaltekischen Staates analysiert werden. Als theoretische Basis dient das Konzept
der „Good Governance“135, das unter einer guten Regierungsführung prinzipiell eine
rechtsstaatliche, effiziente Staatsführung und Verwaltungspraxis unter zivilgesellschaftlicher
Mitwirkung versteht. Es gelten die Prinzipien der Transparenz, Partizipation und
Verantwortlichkeit. Eine erfolgreiche Governance wird auch durch eine mangelnde Trennung
von privatem und öffentlichem Sektor, durch ein unzuverlässiges Rechtssystem, willkürliche
Entscheidungen, Korruption, Misswirtschaft und Schröpfung des Staates durch die Eliten
(wenn sie sich Einnahmen ohne adäquate Leistung verschaffen), verhindert. 136
134
UNO, Guatemala - MINUGUA, Background, Online-Version.
135
Good Governance: Im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit wurde der Begriff 1992 durch die Weltbank eingeführt. Laut Weltbank
sind Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte die Kernindikatoren für die Qualität guter Regierungsführung.
136
Vgl. Hamm, Good Governance und Menschenrechte, S. 226-229.
32
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Viele Indizien aus unterschiedlichen Quellen weisen auf die Fragilität des Staates Guatemala
hin und lassen eine schlechte Regierungsführung vermuten. Laut der amerikanische NGO
„Fund for Peace“, die nach bestimmten Indikatoren die Fragilität eines Staates misst, nimmt
Guatemala 2009 auf der Rangliste des „failed States Index“ Platz 75 von 177 Ländern mit
knapp 81 Punkten ein. Der schlechteste Platz (Platz 1) besetzt Somalia mit 114 Punkten und
der beste Platz nimmt Norwegen mit 18,3 Punkten ein. Guatemala fällt damit von vier Stufen
(alert, warning, moderate, sustainable) in die zweite Stufe „warnend“. Diese Einordnung
entsteht durch die Messung sozialer, ökonomischer und politischer/militärischer Faktoren.
2.5.1 Schwacher Rechtsstaat und Straflosigkeit
Die bereits erwähnte historische Komponente ist der Grund für einen langen und
fortdauernden Gerechtigkeitsprozess für die Bürgerkriegsopfer. Dies betonte auch der
guatemaltekische Diplomat
und
Sozialwissenschaftler
Bernardo
Arévalo
de León
bezeichnenderweise mit dem Satz „The fight for justice still goes on“137 in einem
Konferenzdokument von Swisspeace138. Tatsache ist, dass die Mehrheit der Anklagen gegen
die Täter der Verbrechen während des Bürgerkrieges fehl schlugen; dies fast fünfzehn Jahre
nach der Unterzeichnung der Friedensabkommen.139 Fakt ist: die Straflosigkeit ist heute noch
Realität und ein sehr verbreitetes Phänomen in Guatemala.
Als Gründe für diesen schwachen Rechtsstaat und die Straflosigkeit werden in der Literatur
das dysfunktionale System der Justizadministration,140 das strukturell bedingte Problem des
Rechtssystems, Ineffizienz und/oder Absicht (fehlender politischer Wille die Probleme
anzugehen und nach Lösungen zu suchen) der juristischen Organe141, der beschädigte
Hauptmotor für Gesetzesreformen und schwache Institutionen genannt.142
Die Auswirkungen dieses schwachen Systems und der Straflosigkeit betreffen heute auch den
Durchschnittsbürger143 und die sozialen Konflikte verschlimmern sich, da repressive
Handlungen des Staates geschützt werden. 2007 gab es zur Bekämpfung der Straflosigkeit
137
Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 16.
138
Swisspeace wurde 1988 als Swiss Peace Stiftung gegründet mit dem Ziel einer unabhängigen Friedensforschung in der Schweiz
gegründet und ist heute ein praxisorientiertes Firedensforschungsinstitut (siehe http://www.swisspeace.ch).
139
140
141
142
143
Vgl. Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 15.
Vgl. Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 15-16.
Vgl. Mack, Helen (2003), Impunidad y Denegación de Justicia en Guatemala, Online-Version, S. 1.
Vgl. Mack, Helen (2003), Impunidad y Denegación de Justicia en Guatemala, Online-Version, S. 2, 8.
Vgl. Mack, Helen (2003), Impunidad y Denegación de Justicia en Guatemala, Online-Version, S. 8.
33
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
einen Lichtblick mit der in Kraft Tretung der CICIG144 (International Commission against
Impunity in Guatemala). Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank kommentiert dies in
einer Evaluationsanalyse zum Land so:
„Establishment of the International Commission against Impunity in Guatemala (CICIG) in
2007 was a bold step by the government to combat these worrying trends and an
acknowledgement of their gravity to the international community.“145
Viele internationale wie lokale Akteure sehen in der CICIG ein wertvolles Instrument, die
Straflosigkeit zu bekämpfen.146
2.5.2 Illegale Gruppierungen einer „verborgenen“ Macht
Die Stiftung Myrna Mack schrieb 2006 in einem Bericht147 zur instabilen Situation in
Guatemala, von einer Regierungskrise, die auch auf die Umwandlung der antiaufständischen
Strukturen (wie die Ex-PAC, El Sindicato148, La Cofradia149, Estado Mayor Presidencial –
EMP150) in verborgene Gruppen zurückzuführen ist, die politische Gewalt ausüben und damit
regelmässig dem organisierten Verbrechen dienen.151 In Zeiten nach dem Krieg haben sich
diese Gruppen, die während dem Krieg dem Staat dienten, zu einem starken Netz parallel zum
Staat umgewandelt und sind im Staatssystem eingebettet. Kimberly Inksater, Direktorin der
Organisation „Just Governance Group“ erläuterte 2007 zum Kontext Guatemalas, dass diese
illegalen Gruppen nicht selbständig handeln, sondern im Auftrag einer „versteckten Macht“
(hidden power) agieren, indem sie staatliche Abläufe und Bürokratie manipulieren, bestechen,
Zölle umgehen, Schmiergelder erpressen, damit die Zugehörigen dieser „versteckten Macht“
ihre Privilegien behalten können.152 Hinter dieser „versteckten Macht“ werden Mitglieder153
144
CICIG: „On December 12, 2006, the United Nations and the Guatemalan government signed an agreement to establish an independent
International Commission against Impunity in Guatemala (CICIG). The mandate of CICIG is to investigate and promote the prosecution of
illegal security organizations. These powerful clandestine groups are allegedly responsible for frequent attacks against human rights
defenders, as well as involved in corruption, organized crime, drug trafficking and political violence. On May 8, 2007, the Guatemalan
Constitutional Court held that the agreement to establish CICIG was constitutional.“ (Human Rights First, International Commission against
Impunity (CICIG), Online-Version).
145
146
147
IDB, Country Program Evaluation 2009, Executive Summary, Online-Version.
Vgl. Peacock/Beltrán (2003), Hidden Powers, S. 72.
Vgl. Fundación Myrna Mack (2006), Crisis de gobernabilidad, Online-Version.
148
El sindicato: Führer dieser Gruppe ist Otto Perez Molina, einer der Präsidentschaftsanwertern der Wahlen 2007 und unter Verdacht
Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben.
149
La Cofradia ist eine Militärverbindung mit Verbindungen zur Frente Republicano Guatemala (FRG), die vom angeklagten General Rios
Montt geführt wurde.
150
Estado Mayor Presidencial: Für den Geheimdienst und die Sicherheit Präsidenten zuständig. War in schwere Menschenrechtverbrechen
involviert und wurde 2000 aufgelöst.
151
152
Vgl. Fundación Myrna Mack (2006), Crisis de gobernabilidad, S. 1, Online-Version.
Vgl. Inksater, Guatemala Country Context, S. 3-4, Online-Version.
153
Zu diesen Mitgliedern zählen Peacock/Beltrán private Bürger, ehemalige Militärs und Regierungsbeamte (vgl. Peacock/Beltrán (2003),
Hidden Powers, S. 5).
34
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
einer miteinander verbundenen, aber gestaltlosen und geheimen Gruppe mächtiger
Guatemalteken vermutet.154 Dieses Netzwerk der „versteckten Mächte“ hat Beziehungen zu
politischen Parteien und Akteuren Guatemalas und schützen sich so durch politische
Beziehungen, Korruption, Einschüchterungen und Gewalt vor Anklagen. Es kann davon
ausgegangen werden, dass auch Megaprojekte von diesen Mächten beeinflusst oder gesteuert
werden.155 Diese illegalen Aktivitäten führen zu einer sich selbst erhaltenden und
abwärtsgerichteten Gewaltspirale, die Guatemalas Demokratiebestrebungen und Rechtsstaat
aufs Spiel setzt.156
Um die Sicherheit der Bürger besser gewährleisten zu können, kam es von Seiten der
Regierung in den letzten Jahren zu einer so genannten Remilitarisierung im ganzen Land, da
die Nationale Polizei (Policía Nacional Civil – PNC) die Sicherheit der Bürger nicht mehr
gewährleistet.157 Die amerikanische Friedensstiftung „Fund for Peace“ bestätigt diese Tendenz
und weist darauf hin, dass 1996 mit den Friedenabkommen die Rolle des Militärs nur auf
externe Angelegenheiten vorgesehen wurde.158 Das Militär wird auch immer wieder bei
Konflikten mit Megaprojekten eingesetzt, was regelmässig zu gewaltvollen Konfrontationen
zwischen Zivilbevölkerung und Armee führt. Zwischen Ende 2004 und Anfang 2005 kam es
beim Transport eines Zylinders für die Mine Marlin zu einer solchen Konfrontation, als die
Regierung 1500 Polizisten und 300 Soldaten an den Konfliktort sandte, wo Zivilisten den
Durchgang für den Transporter blockierten.159 2008 kam es auch im Zusammenhang mit dem
geplanten Bau einer Zementfabrik zu Militäreinsätzen, wobei die Regierung sogar den
Notstand ausrief.
2.5.3 Korruption und fehlende Transparenz
Laut Transparancy International (TI) ist Korruption „the misuse of entrusted power for private
gain“.160 In Lateinamerika sind die korruptesten Sektoren die politischen Parteien, gefolgt vom
Parlament/Gesetzgebung, der Polizei und dem Rechtssystem/Justiz.161 Während es in den 70er
154
155
156
157
158
159
160
161
Vgl. Peacock/Beltrán (2003), Hidden Powers, S. 1.
Vgl. Peacock/Beltrán (2003), Hidden Powers, S. 1.
Vgl. Peacock/Beltrán (2003), Hidden Powers, S. 1.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 9, Online-Version.
Vgl. Peace Fund (2009), Political/Military Indicators, S. 2, Online-Version.
Vgl. Peace Brigades International, Metal Mining and Human Rights in Guatemala, S. 13, Online-Version.
Vgl. Transparancy International, Frequently asked questions about corruption, Online-Version.
Vgl. Transparancy International, Korruptionsbarometer 2005, S. 8, Online-Version.
35
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
und 80er Jahre noch weit verbreitet war, Korruption als System stabilisierend einzustufen,
wird sie heute vermehrt verurteilt: Die UNO rief 2003 eine Konvention (UN Convention
against Corruption, UNCAC) zur Korruptionsbekämpfung ins Leben, die 2005 in Kraft trat.162
Die Inter-American Development Bank (IDB) notierte in ihrer Landesstrategie von 20042007 zu Guatemala Elemente, die das Geschäftsklima des Landes negativ beeinflussen, darin
aufgeführt werden ein tiefes Niveau an Bürgersicherheit, hohes Niveau an Informalität bei
ökonomischen
Aktivitäten,
schwache
öffentliche
Dienstleistungsinfrastruktur,
Regierungsprobleme mit niedriger Effizienz öffentlicher Institutionen und Korruption.163
Guatemala stand 2008 bei Transparency International „Corruption Perceptions Index“ auf
dem 96ten Platz von 180 Ländern.164 Dies ist zwar eine kleine Verbesserung zu 2006, als
Guatemala den 111ten Platz von 163 untersuchten Ländern besetzte, doch immer noch
bedenklich.165 Korruption und fehlende Transparenz sind in der öffentlichen Administration
weit verbreitet. Gründe dafür werden in kriminellen und illegalen Einflüssen, wie auch in der
Abwesenheit notwendiger Ressourcen gesehen.166 Auch die Nationale Polizei (PNC) ist stark
von Korruption betroffen und dadurch in ihrer Funktion stark beeinträchtigt.167
Die in diesem Kapitel aufgeführten Indizien für einen fragilen Staat lassen schlussfolgern,
dass die Beziehungen im sozialen Netz stark beeinträchtigt werden, indem ein grosser Mangel
an Vertrauen entsteht. Bei der Suche nach einem Dialog, Verhandlungen, Konsens und einer
gemeinsamen politischen Agenda (gerade in Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung des Landes)
zwischen
verschiedenen
zivilgesellschaftlichen
Akteuren,
der
politischen,
sozialen,
ökonomischen Elite und staatlichen Institutionen kann sich der Vertrauensmangel als
Hindernis herausstellen und birgt ein Konfliktpotenzial. Das Konfliktpotenzial im Kontext
von Megaprojekten beinhaltet, dass sich Staatsbeamte von transnationalen Unternehmen
bestechen lassen (würden).168 Andererseits besteht auch die Gefahr, dass die Einnahmen von
Megaprojekten nicht wie vorgesehen zum Wohle der Bevölkerung eingesetzt, sondern für
private Interessen (der Oligarchie) verwendet werden.
162
163
164
165
166
Vgl. Hamm (2006), Good Governance und Menschenrechte, S. 229.
Vgl. IDB, Country Strategy 2004, S. 5, Online-Version.
Vgl. Transparency International, Corruption Perceptions Index 2008, Online-Version.
Vgl. Transparency International, Corruption Perceptions Index 2006, Online-Version.
Vgl. Inksater (2007), Guatemala Country Context, S. 4.
167
Vgl. Peace Fund (2009), Political/Military Indicators, S. 2, Online-Version; vgl. Fundación Myrna Mack (2006), Crisis de
gobernabilidad, S. 4, Online-Version.
168
Siehe Anhang A.7: Globale Statistik zu Bestechung, S. 131.
36
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Die Analyse in diesem Kapitel lässt weiter die Schlussfolgerung zu, dass sich Guatemala in
der so genannten „Bad Governance Falle“ befindet. Diese Situation Guatemalas hat
Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation, in deren Kontext sich die internationale
Begleitarbeit bewegt. Die Deutsche Politikwissenschaftlerin Brigitte Hamm169 führt in einem
Artikel über Good Governance und Menschenrechte aus, dass Good Governance auch von der
Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen abhänge, die wiederum Voraussetzung für die
Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte ist. Die Fragilität
Guatemalas lässt folgern, dass die Leistungsfähigkeit des guatemaltekischen Staates, trotz
Demokratiestatus seit 1968, nicht vorausgesetzt werden kann und damit seinen
menschenrechtlichen Pflichten nicht nachkommt. Auch die erwähnte Korruption führt laut
Brigitte Hamm zu Menschenrechtsverletzungen, weil durch Korruption staatliche Aufgaben
nicht angemessen erfüllt werden können. Davon betroffen seien vor allem benachteiligte
Bevölkerungsgruppen, wie indigene Völker, was im Falle Guatemalas zutrifft, wie im
folgenden Kapitel aufgezeigt wird.170
2.6
Indigene Bevölkerung in Guatemala
Die Situation der indigenen Bevölkerung, die im Konfliktkontext von Megaprojekten eine
Schlüsselrolle spielt, wird in diesem Kapitel für den Fall Guatemala genauer analysiert, um
den Konflikthintergrund und das Konfliktpotenzial erklären zu können.
2.6.1 Armut
Indigene Völker gehören weltweit zu den ärmsten Gesellschaftsschichten und ihr Niveau an
Lebensqualität ist in vielerlei Hinsicht unterhalb des Standards.171 So auch in Guatemala, wo
heute 77% der indigenen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben.172 2006 war die
Armut bei der indigenen Bevölkerung mit 27% im Bereich der extremen Armut dreimal höher
als bei der nicht-indigenen Bevölkerung.173 Die grosse Ungleichheit von Wohlstand und
Reichtum in Guatemala zeichnet sich wie erwähnt vor allem auch im Landbesitz/in der
Landwirtschaft und im Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen ab. Fast 500'000
169
Dr. sc. pol. Brigitte Hamm ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet internationale Beziehungen/Außen- und
Entwicklungspolitik an der Universität Duisburg/Essen und am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) tätig.
170
171
172
173
Vgl. Hamm (2006), Good Governance und Menschenrechte, S. 225.
Vgl. Stavenhagen, Global Insights - The rights of indigeneous peoples, S. 7, Online-Version.
Vgl. Peace Fund (2009), Economic Indicators, S. 1, Online-Version.
Vgl. INE, Encuesta Nacional de Condiciones de Vida 2006, Online-Version.
37
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Bauernfamilien leben heute unterhalb der Existenzgrenze.174 Laut der Weltbank-Publikation
zur Evaluation der Armut in Guatemala von 2008, genannt GUAPA (Guatemala Poverty
Assessment), bleibt das Armutsniveau besorgniserregend und die Armutsrate ist eine der
höchsten Lateinamerikas.175 Der Prozentsatz an Menschen, die in Armut leben, ist zwar 2006 laut
dem ENCOVI (Encuesta Nacional de Condiciones de Vida) des Nationalen Statistikinstitut
Guatemalas (INE) von 57% auf 52% gefallen, doch der Indikator für die extreme Armut blieb
unverändert bei 15%.176 Fast 25% der Guatemaltekischen Bevölkerung (3,1 Millionen) haben
keinen Wasseranschluss im Haus. Fast 50% (6.5 Millionen) haben kein genügendes
Abwassersystem. Die Defizite bei ländlichen Strassen und deren schwache Unterhaltung
bedeuten, dass 13% der Haushalte keinen permanenten Zugang zu passablen Strassen haben.177
2007 hatten 85% der Haushalte Elektrizität.178
Im internationalen Vergleich ist Guatemala eines der Länder mit einem der höchsten Index an
ungleicher Verteilung und nimmt von 126 Ländern Rang 13 ein laut dem Gini
Koeffizienten179.180 Die ärmsten 10% der Bevölkerung Guatemalas erhalten 0,9% der
Landeseinkommen, während die 10% der Wohlhabendsten in der Bevölkerung 43,4% des
Gesamteinkommens erhalten.181 Auch der von der Weltbank veröffentlichte und von „Justice
Studies Center of the Americas“ (JSCA) 2007 verfasste Gerechtigkeitsbericht zu Guatemala
besagt, dass das Land zu den ungerechtesten Ländern auf der Welt gehört.182 CEH schreibt
dazu in ihrem Bericht: „The anti-democratic nature of the Guatemalan political tradition has
its roots in an economic structure, which is marked by the concentration of productive wealth
in the hands of a minority“.183
Ein Symptom dieser Armutssituation zeigt sich auch in der hohen Migrationsrate. Die
Situation verschlimmerte sich mit der weltweiten Wirtschaftskrise. 2008 wurden 28'000184
Guatemalteken, die illegal in den USA arbeiteten, zurück nach Guatemala deportiert. Viele
fanden wegen der Krise auch in Mexiko keinen Job mehr. Damit fallen für viele Familien in
Guatemala die überlebenswichtigen Einkünfte („remesas“) weg, die sie von ihren im Ausland
174
175
176
177
178
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 2.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 3, Online-Version.
Vgl. INE, Encuesta Nacional de Condiciones de Vida 2006, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 4, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 4, Online-Version.
179
Der Gini Koeffizient ist ein statistisches Streuungsmessinstrument und wurde 1912 vom italienischen Mathematiker Corrado Gini
entwickelt wurde. Es wird häufig zur Messung ungleicher Verteilung von Einkommen und Wohlstand verwendet.
180
181
182
183
184
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 5, Online-Version.
Vgl. Peace Fund (2009), Economic Indicators, S. 1-2, Online-Version.
Vgl. JSCA, Report of Justice (2006-2007), Online-Version.
CEH (1999), Guatemala – Memory of Silence“, S. 17, Online-Version.
Vgl. Prensa Libre, Deportaciones desde EE. UU., 12. Januar 2009, Online-Version.
38
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
arbeitenden Angehörigen erhielten.185 Diese Auslandüberweisungen entsprechen fast zwei
Dritteln der Exporteinnahmen.186
Diese Zahlen machen klar, dass eine Entwicklung für die Verbesserung der Lebenslage dieser
indigenen Bevölkerungsteile dringend notwendig ist.
2.6.2 Soziale und politische Exklusion
Armut und sozialer wie politischer Exklusion stehen in einer Wechselwirkung. In ihrer
Landesstrategie zu Guatemala beschrieb die Inter-American Development Bank 2004 den
sozialen Kontext Guatemalas wie folgt: „In the social context, high poverty levels based on
social exclusion, which particularly affect the indigenous and rural population, go hand-inhand with extreme inequality.“187
Die Friedensabkommen enthielten Elemente, welche innerhalb eines sozialen und politischen
Transformationsprozesses das Land befähigen sollten diese sozialen wie politischen
Ausgrenzungsmechanismen grosser Bevölkerungsteile (mehrheitlich indigen) zu verändern.
Guatemala komme laut Bernardo Arévalo de León zwar nur langsam mit dem sozialen und
politischen Transformationsprozess voran, doch Transformation sei vorhanden, wenn man
bedenke, dass demokratische Wahlen etabliert wurden (wenn auch beschränkt) und das Land
den Bürgerkrieg hinter sich liess.
Das Erbe des autoritären Regierungssystems zieht sich aber immer noch durch kulturelle,
soziale und politische Strukturen, die den Prozess zu einer friedlichen und gerechten
Gesellschaft erschweren.188 Aus der Evaluationsanalyse des OVE der Inter-Amerikanischen
Entwicklungsbank (IDB)geht hervor, dass die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin in
sozialer, ökonomischer, rechtlicher und politischer Hinsicht ausgeschlossen ist.189 Freedom
House190, eine amerikanische Forschungseinrichtung, stufte Guatemala 2009 als „teilweise
frei“ ein.191 Mit den Friedensabkommen 1996 verbesserten sich die zivilen und politischen
185
186
187
188
189
Vgl. Fundación Myrna Mack (2006), Crisis de gobernabilidad, S. 5, Online-Version.
Vgl. Peace Fund (2009), Economic Indicators, S. 2, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Strategy 2004, Executive-Summary, Online-Version.
Vgl. Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 20.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 8-9, Online-Version.
190
Freedom House verfolgt das Ziel, das Konzept der liberalen Demokratie weltweit zu fördern. In den jährlichen Berichten ist der Grad an
demokratischer Freiheit eines Landes dargestellt, indem der Stand der bürgerlichen und politischen Rechte gemessen wird. Die Messung von
Freiheit basiert auf den Menschenrechten (politische und zivile Rechte). Die Messkategorien beinhalten: „political rights and civil liberties.
Political rights enable people to participate freely in the political process, including the right to vote freely for distinct alternatives in
legitimate elections, compete for public office, join political parties and organizations, and elect representatives who have a decisive impact
on public policies and are accountable to the electorate. Civil liberties allow for the freedoms of expression and belief, associational and
organizational rights, rule of law, and personal autonomy without interference from the state“ (Freedom House, Methodology, OnlineVersion).
191
Vgl. Freedom House (2009), Country Report Guatemala, Online-Version.
39
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Rechte. Während die zivilen Rechte stabil blieben, sanken die politischen Rechte ab 2001 auf
das Niveau der zivilen Rechte.192 In der Literatur zur Entwicklungszusammenarbeit wird von
einer Wechselwirkung zwischen Demokratie und Menschenrechten ausgegangen, wobei
demokratische Verhältnisse, wie Partizipation, eine Voraussetzung für die Menschenrechte
sind und deren Verwirklichung ein grundlegender Bestandteil von Demokratie bilden.193
Carlos Martín Beristain, ein spanischer Physiker und Psychologe, erklärt in einem Artikel,
dass in Guatemala ein politischer Mechanismus, durch welchen die indigene Bevölkerung
ausserhalb politischer Parteien am politischen Prozess teilnehmen könnte, fehlt. Da das
politische System von den Interessen dominierender Wirtschafts- und Politikgruppierungen
gesteuert wird, dauert der ethnische Ausschluss der indigenen Menschen an.194
Wichtig ist auch die Rolle der internationalen Gemeinschaft kurz zu erwähnen, welche diese
Transformationsprozesse innerhalb des Friedensabkommens bis heute finanziell, politisch und
technisch beträchtlich unterstützt. Diese Unterstützung hat auch eine Kehrseite der Medaille
und kann zu einer Abhängigkeit, gar zu neoimperialistischen Abhängigkeitsstrukturen führen.
Die soziale und politische Exklusion basieren in Guatemala auch auf Rassismus und der
Diskriminierung indigener Bevölkerungsgruppen. Guatemala ist ein mehrsprachiges und
multiethnisches Land und zählte 2005 14.285.300195 Einwohner.196 Laut dem nationalen
Statistikinstitut (INE) macht die indigene Maya-Bevölkerung 39% der Gesamtbevölkerung
aus. Laut einer Quelle lokaler Maya-Organisationen macht der Maya-Anteil sogar 60% aus.197
Der Rassismus gegenüber Indigenen, der von den Kolonialherren „importiert“ wurde, spielte
auch im Bürgerkrieg eine Rolle. Carlos Martín Beristain gibt in seinem Artikel zum Genozid
an, dass 83% der Bürgerkriegsopfer Mayas waren.198
Die Regierung Guatemalas veröffentlichte einen Bericht über den Rassismus und
Möglichkeiten zu dessen Bekämpfung in Guatemala. Darin wird vom Direktor des Zentrums
für Humanistische Studien der Universität Rafael Landívar in Guatemala Amílcar Dávila E.
aufgezeigt, dass der Rassismus den Aggressionen Sinn und Struktur gebe. Diese
Aggressionen seien Teil eines Zustandes, der durch ein sozioökonomisches, politisches und
kulturelle Regime entwickelt wurde und die indigene Bevölkerung unterdrücke und
192
193
194
195
Siehe Anhang A.9: Zivile und politische Rechte in Guatemala zwischen 1980-2006, S.135.
Vgl. Hamm (2006), Good Governance und Menschenrechte, S. 226-229.
Vgl. Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 35.
Vgl. Transparency International, Guatemala, Online-Version.
196
Das nationale Statistkinstitut (INE) zählte bei der letzten Erhebung 2002 11'237’196 Einwohner (vgl. INE, XI Censo Nacional de
Población y VI de Habitación (CENSO 2002), Online-Version).
197
198
Vgl. Samayoa (2006), Front Line Guatemala, S. 35.
Vgl. Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 35.
40
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
ausschliesse. In Guatemala zeige sich der systematische Charakter des Rassismus in der
sozialen Anerkennung und unterstütze damit die Diskriminierung, die vor allem aus
schlechter Behandlung und Anschuldigungen bestehe.199 Der Autorin dieser Arbeit wurden bei
ihren
Nachforschungen
alltägliche
Diskriminierungssituationen
erzählt.
Traditionell
gekleideten Menschen wird beispielsweise der Eintritt in Lokale verweigert, werden nicht
bedient oder sie finden oft nur unter der Auflage, ihre traditionelle Bekleidung abzulegen,
eine Arbeitsstelle.
In einer post-konfliktiven Situation, insbesondere nach einem Genozid, ist eine kollektive
Bewegung beobachtbar, welche die unterdrückte ethnische Identität zu fördern zielt. Die
indigenen Menschen sollen sich emanzipieren und nach Kontrolle über ihr eigenes Leben
streben. Gemäss dem spanischen Physiker und Psychologe Carlos Martín Beristain trifft dies
in Guatemala zu.200 Die gemeinsamen Bestrebungen indigener Gruppen gegen Megaprojekte
können dieser kollektiven Bewegung zugeordnet werden.
2.7
Gewalt in Guatemala
Das Phänomen der Gewalt und Unterdrückung in Guatemalas Gesellschaft, insbesondere
gegen die indigene Bevölkerung, weist im negativen Sinne eine traditionsreiche
Vergangenheit auf. In Guatemala kann laut CEH von einer strukturellen und historischen
Dimension der Gewalt gesprochen werden: „(...) the structure and nature of economic,
cultural and social relations in Guatemala are marked by profound exclusion, antagonism
and conflict – a reflection of its colonial history“.201
Guatemala hat im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Ländern mit 18 Toten pro
Tausend202, den höchsten Prozentsatz an Gewalt im Bürgerkrieg erlitten. Zwei bis drei
Generationen wurden massiv mit dem Tod, mit Schweigen203 und Vertreibungen konfrontiert.
Die heutige Unsicherheits- und Gewaltsituation für die guatemaltekische Bevölkerung ist seit
dem Ende des Bürgerkrieges komplexer geworden.204 Die Gewalt hat graduell zugenommen
und deren Ursprung hat sich diversifiziert.205 Es existieren einerseits konstante Drohungen und
199
200
201
202
Vgl. Amílcar (2006), Abordajes, concepciones y acciones, S. 1042, Online-Version.
Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 36.
CEH (1999), Guatemala – Memory of Silence“, S. 17, Online-Version.
Vgl. Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 34.
203
Durch den konstanten Terror und die soziale Kontrolle, entwickelte sich eine Kultur des Schweigens, da man ansonsten um sein Leebn
fürchten musste. Es war unklar wem man trauen konnte und wem nicht.
204
205
Vgl. Rodríguez/García (2007), Informe estadístico de la violencia en Guatemala, S. 9, Online-Version.
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 8-9, Online-Version.
41
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Aggressionen von Menschen, die Angst haben, für vergangene Verbrechen während des
Bürgerkrieges zur Rechenschaft gezogen zu werden.206 Andererseits hat das Ausmass der
alltäglichen Gewalt, des organisierten Verbrechens und der Kriminalität unkontrollierbare
Ebenen erreicht.207
Die Gewaltsituation und mit ihr die Menschenrechtssituation hat sich ab 1999, trotz den 1996
unterzeichneten Friedensabkommen, wieder verschlimmert.208 Die Mitarbeiter des UNDP209Programms für Sicherheit und Gewaltprävention in Guatemala, Arturo Rodríguez Matute und
Iván García Santiago, haben 2007 einen statistischen Bericht zur Gewalt in Guatemala
veröffentlicht und schreiben zur Entwicklung seit der Unterzeichnung 1996 folgendes:
„Sin embargo, el establecimiento formal de la paz no ha permitido a Guatemala alcanzar niveles
significativamente mayores de desarrollo humano y la situación de inseguridad en que vive la
población se ha visto agravada luego de una mejoría inicial. El país atraviesa hoy por uno de los
momentos más violentos de su historia.“210
Die Verfasser des Statistikberichtes zeigen auf, dass in der Zeitspanne zwischen 1999 und
2006 die Tötungsgewalt um mehr als 120% gestiegen ist.211 Diese Zunahme entspricht einem
jährlichen Anstieg von 12%, was den Wert des Bevölkerungswachstums von 2,6% jährlich
weit übersteigt.212 Diese Zahlen positionieren Guatemala, ein Land das offiziell im
Friedenszustand lebt, als eines der weltweit gewalttätigsten Länder.213
Die Tötungsrate in Guatemala betrifft mehr Regionen mit geringer indigener Bevölkerung.
Die höchsten Mordraten kommen in Gegenden vor, die weniger als 50% indigene
Bevölkerungsanteile aufweisen.214 Laut Statistikbericht besteht kein Zusammenhang zwischen
Gewalt und Armut. In den ärmsten Gemeinden (mit mehr als 25% der Bevölkerung in einer
extremen Armutssituation) kommt nicht die höchste Tötungsrate vor.
Die Gewalt beeinträchtigt laut Inter-Amerikanischer Entwicklungsbank den sozialen
Zusammenhalt und begrenzt die ökonomischen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten des
Landes, indem sie private Investitionen verhindere, Produktion und Transporte teurer mache,
dem Tourismus schade, das soziale Budget strapaziere, Druck auf öffentliche und private
206
207
208
209
210
211
212
213
214
Vgl. Arévalo de León (2007), A Twister Path to Reconciliation?, S. 16.
Vgl. Fundación Myrna Mack (2006), Crisis de gobernabilidad, S. 1, Online-Version.
Vgl. Rodríguez/García (2007), Informe estadístico de la violencia en Guatemala, S. 19, Online-Version.
UNDP: United Nations Development Programme (auf Spanisch PNUD)
Rodríguez/García (2007), Informe estadístico de la violencia en Guatemala, S. 9, Online-Version.
1999 wurden 2'655 Tötungen registriert und 2006 bereits 5'885.
Vgl. Rodríguez/García (2007), Informe estadístico de la violencia en Guatemala, S. 21, Online-Version.
Vgl. Rodríguez/García (2007), Informe estadístico de la violencia en Guatemala, S. 22/23, Online-Version.
Vgl. Rodríguez/García (2007), Informe estadístico de la violencia en Guatemala, S. 25, 28, Online-Version..
42
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Sicherheitssysteme ausübe und öffentliche Willensbildung/Beschlussfassung beeinflusse.215
Im Kontext von Megaprojekten kann von physischer Gewalt (direkte Konfrontationen
zwischen Minengegnern und –befürwortern oder Zivilbevölkerung und Militär/Polizei) und
auch von einer psychischen Gewalt (Drohungen per Brief oder Telefon) sowie strukturellen
Gewalt216 (Systemstrukturen) gesprochen werden. Die allgemein hohe Gewaltsituation in
Guatemala, als Symptom eines fragilen Staates beeinträchtigt auch die Arbeit von
Menschenrechtsaktivisten, auf deren Lage im folgenden Kapitel eingegangen wird.
2.8
Guatemalas Menschenrechtssituation
Die in dieser Arbeit dokumentierte Fragilität Guatemalas bedroht die Menschenrechtslage und
gefährdet die Arbeit der Menschenrechtsaktivisten aus verschiedenen Bereichen. In diesem
Kapitel sollgezeigt werden, wie sich diese Fragilität seit den Friedensabkommen 1996 auf die
Menschenrechtslage, insbesondere auch im Kontext von Megaprojekten und die Arbeit der
Menschenrechtsverteidiger, ausgewirkt hat und heute auswirkt, da diese Lage, die Anfragen
von Menschenrechtsaktivisten nach internationaler Begleitung beeinflussen kann. Es soll
gezeigt werden, wie sich der ursprüngliche Begleitgrund und –kontext, in Hinblick auf die
Begleitarbeit von CAIG-Acoguate, aufgrund der sich wandelnden Menschenrechtslage
verändert hat.
Die sozialen Bewegungen während des Bürgerkrieges waren sehr schwach und operierten
(wenn überhaupt) im Versteckten. Ab Mitte der 80er Jahre, nachdem wieder eine zivile
Regierung demokratisch gewählt wurde, konnten sich die sozialen Bewegungen wieder
etablieren. Mit der Unterzeichnung der Friedensabkommen 1996 beruhigte sich die
Menschenrechtslage ein wenig, aber bald darauf kam es zu einer Einschüchterungskampagne
der Massakerverantwortlichen gegen die Bürgerkriegsopfer, da Gerichtsprozesse lanciert
wurden und Zeugenaussagen bevorstanden. Diese Entwicklung führte zu einer Eskalation von
Menschenrechtsverletzungen und Drohungen gegen Menschenrechtsorganisationen.217
Die sozialen Bewegungen in Guatemala, insbesondere die Opferbewegung, weist eine
markant indigene Komponente, mit einer starken Einbindung der Kirche auf. Die
Bewegungen spielen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Menschenrechte und für die
215
Vgl. IDB, Country Program Evaluation 2009, S. 8-9, Online-Version.
216
Strukturelle Gewalt bezeichnet ein Konzept des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung, das den klassischen Gewaltbegriff
umfassend erweitert. 1969 ergänzte er den traditionellen Begriff der Gewalt um die Dimension einer diffusen, nicht zurechenbaren
strukturellen Gewalt und definiert sie als vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse oder, allgemeiner
ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist.
217
Vgl. Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 37.
43
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Mobilisierung zivilen Widerstandes.218 Diese Charakteristik einer indigenen und kirchlichen
Komponente weist auch der Widerstand gegen Megaprojekte auf.
Die Begleitarbeit von CAIG-Acoguate ist stark mit den Opferbewegungen verbunden, wie in
Kapitel 3.1.3 noch umfassender beschrieben wird. Das NGO-Netzwerk hat seit der
international begleiteten Rückführung guatemaltekischer Flüchtlinge aus Mexiko und der
Begleitarbeit im Rahmen des Zeugenschutzprogrammes Kontakt mit Opferbewegungen.
Carlos Martín Beristain erklärte 2006 an der Jahreskonferenz von Swisspeace, dass die
Opferorganisationen vermehrt von Erschöpfung und Frustration in Bezug auf die
Anstrengungen gegen die Straflosigkeit sprechen. Er sieht die Lösung für die Einhaltung der
Menschenrechtsagenda als Voraussetzung für einen Demokratisierungsprozess in einer
tiefgehenden Strukturreform.219
Die Situation der Menschenrechtsverteidiger im Land kann als Spiegelbild der aktuellen
Situation in Guatemala gesehen werden. Die allgemeine Zunahme von Attacken gegen
Menschenrechtsverteidiger geht mit der allgemeinen Gewaltzunahme, die bereits in einem
vorhergehenden Kapitel aufgezeigt wurde, einher.220 Politische, ökonomische und soziale
Ereignisse haben direkten Einfluss auf Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger, wobei die
Arbeitsbereiche (Arbeit für Gerechtigkeit der Bürgerkriegsopfer, Arbeit um Landrechte,
Recht auf Entwicklung, etc.) der Menschenrechtsaktivisten eine Rolle spielen. Gerade bei
Megaprojekten sind auch Bauern als Menschenrechtsverteidiger involviert.
Die Menschenrechts-NGO UDEFEGUA221, die eng mit ausländischen Diplomaten und
internationalen
Netzwerken
zusammenarbeitet,
analysiert
regelmässig
die
Menschenrechtssituation Guatemalas um Menschenrechtsverteidiger schützen zu können.
Für diese Arbeit wurde das Quellenmaterial zu Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger
von UDEFEGUA mit Schwerpunktsetzung auf die Lage der Menschenrechtsverteidiger im
Kontext von Megaprojekten, insbesondere der Mine Marlin, ausgewertet. Eine eindeutige
Zuordnung der Attacken zum Megaprojektkontext ist jedoch schwierig, weil verschiedene
Arbeitsbereiche von Menschenrechtsverteidigern tangiert sind: Land, Umwelt, Indigene.
Die Attacken im Zeitraum von 2000 bis 2006 sind allgemein stetig gestiegen.222 2000 wurden
59 Attacken angegeben, 2006 waren es bereits 278. Unter der Regierung Alfonso Portillos223
218
219
220
221
222
Vgl. Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 37.
Vgl. Beristain (2007), The Legacy of Genocide in Guatemala, S. 37.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 22.
UDEFEGUA: Unidad de Proteccion a Defendores y Defendoras de Derechos Humanos de Guatemala
Siehe Anhang A.2: Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger in Guatemala, S. 126.
44
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
von 2000 bis 2003 wurden über vier Jahre insgesamt 382 Attacken registriert. Unter dem
Nachfolger Oscar Berger224 wurden innerhalb dreier Jahre (2004-2006) insgesamt 629
Attacken registriert. Dies ergibt innerhalb von drei Jahren einen Anstieg von fast 40%.225 2008
wurde mit 180 Aggressionen gegen Menschenrechtsverteidiger wieder ein Rückgang
registriert, obwohl dies fast 30% mehr sind im Vergleich zum ersten Amtsjahr des ehemaligen
Präsidenten Oscar Berger (2004-2008). UDEFEGUA geht davon aus, dass dieser Anstieg an
Attacken nicht alleine durch die Faktoren Straflosigkeit und ausbleibende Strafverfolgung von
staatlicher Seite zu erklären ist. Die Organisation führt den Anstieg auf ein „Klima“ zurück,
das Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger begünstige und meinen damit die zunehmende
Kriminalität durch das organisierte Verbrechen (illegale Gruppen, Drogenhandel).226
2006 lag San Marcos, dem Standort der Mine Marlin, mit 6 gemeldeten Attacken im
Mittelfeld untersuchter Departemente.227 In den Departementen Izabal, Petén und
Quetzaltenango ging die Mehrheit der Attacken gegen Verteidiger von Bauernrechten
(Land/Nahrung).228 Zwischen 2004 und 2006 gab es insgesamt eine Zunahme an Attacken
gegen Menschenrechtsverteidiger, die sich in ihrer Arbeit mit dem Recht auf Entwicklung229
auseinandersetzen: 2004 und 2005 wurden insgesamt 8 Attacken registriert und 2006 bereits
27.230 Am häufigsten waren 2006 mit 25% die Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger
deren Aktivitätsgegenstand Unternehmen/Grossgrundbesitzer waren.231 Im Gesamtvergleich
gesehen sind 2006 im Vergleich zu 2005 die Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger mit
dem Aktivitätsgegenstand Unternehmer/Grossgrundbesitzer jedoch abnehmend. UDEFEGUA
kommentiert diesen Rückgang als Ende der Regierungs-Lobbyarbeit durch die Unternehmer
und Grossgrundbesitzer.232 Bei den Aktivisten, die in ihrer Arbeit die ökonomischen, sozialen
und kulturellen Rechte verteidigen, sind die Attacken zwischen 2004 und 2006 gestiegen.
Umgekehrtes ist bei denjenigen Aktivisten zu verzeichnen, die sich für zivile und politische
Rechte einsetzten.233
223
224
225
226
227
228
Präsident Portillo gehörte der Partei FRG an, bei der auch José Efraín Ríos Montt Mitglied ist.
Oscar Berger gehärt der Partei Gran Alianza Nacional (GANA) an.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 5.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 5.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 7.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 8.
229
Unter Menschenrechtsverteidigern im Bereich Entwicklung werden leitende Aktivisten einer lokalen Entwicklungsorganisation
verstanden. Eine Organisatation, die mit ihrer Arbeit die Ziele verfolgt, Entwicklung zu fördern und/oder die Umwelt und Angestellte zu
verteidigen (vgl. Movimiento Nacional, Y el terror continua, S. 31).
230
231
232
233
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 10, 11.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 22, 23.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 24.
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, S. 24, 25.
45
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Die ländliche Bauernbevölkerung ist von Megaprojekten direkt betroffen. Insgesamt
registrierten die NGO zwischen 2000 und 2008 1'350 Aggressionen, wobei 129 davon
führenden Personen in der Bauernbewegung galten. Die Analyse von 2008 gibt an, dass
zwischen 2000 und 2008 von 92 registrierten Tötungen 38 an Bauernführern verübt wurden.
Die Hälfte dieser 38 Ermordungen geschahen von 2006 bis 2008. Seit 2004 ist das
Gewaltniveau im Landwirtschaftssektor gestiegen.234
2005 wurden mit 38 Attacken die grösste Aggression gegen Bauern registriert. 2006 kam es
wieder zu einem Rückgang auf 5 Attacken und stieg dann bis 2008 auf 18 an.235 Die
Kriminalisierung der Bauernbewegung zeigt sich vor allem auch in der Anzahl Haftbefehle
und Zwangsräumungen. Von 2004 bis 2007 wurden 172 Haftbefehle gegen Bauern
ausgesprochen, die sich für ihr Recht auf Boden und Nahrung einsetzten. Es wurden
Zwangsräumungen von Bauern mit privaten Sicherheitskräften durchgeführt, die laut
UDEFEGUA meist ausserhalb des gesetzlichen Rahmens lagen und zu Gewaltanwendung
führten, wie 2004 in den Fällen Finca Nueva Linda (Retalhuleu) und Finca la Mocca (Alta
Verapaz).236
Die vielen Attacken gegen Bauern zwischen 2000 und 2008 in Alta Verapaz und Izabal sind
laut UDEFEGUA durch den strategischen Wasserstandort der Region zu erklären. In dieser
Region wird der Anbau von Zuckerrohr und afrikanischer Palmen für die Herstellung von
Ethanol gefördert. Gleichzeitig ist der Bau von vier Wasserkraftwerken an den beiden
Nebenflüssen in der Region geplant; sechs weitere stehen zur Diskussion.237 Auf Platz fünf
von 13 Regionen wird San Marcos (Standort Mine Marlin) mit 34 Verletzungen zwischen
2004 und 2008 angegeben.238
Laut der Analyse verschiedener Menschenrechtsorganisationen Zentralamerikas kam es in
den letzten Jahren im Zusammenhang mit Minen zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen
in zentralamerikanischen Ländern und vielen Demonstrationen und Aktionen von den
Minentätigkeit betroffenen Gruppen (Bauern und Indigene).239 Auch Peace Brigades
Internationale vermerkte in einem Bericht zur Mine 2006, dass Ende 2003 in Guatemala die
Minenpläne auf nationaler Ebene vermehrt diskutiert wurden und es in der Folge vermehrt zu
234
235
236
237
238
239
Vgl. Samayoa, Nadie debe perder la Vida, S. 3, 9.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 9.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 26, 32.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 27.
Vgl. Samayoa (2008), Nadie debe perder la Vida, S. 26.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 48.
46
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Drohungen von Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten kam, die sich mit dem Thema
auseinandersetzten.240
Bei
einer
Befragung
von
Menschenrechtsverteidigern
im
Dezember
2008
aus
unterschiedlichsten Teilen des Landes durch UDEFEGUA, gaben alle Organisationsvertreter
an, dass sie in ihrer Arbeit konfrontiert sind mit dem organisierten Verbrechen, am meisten
mit dem Drogenhandel.241 Auch kam heraus, dass sich Menschenrechtsverteidiger in ihrer
Arbeit zunehmend mit Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen und
im Bereich der natürlichen Ressourcen konfrontiert sehen.242
Im
Analysebericht
2009
von
UDEFEGUA
sind
neu
Arbeitsrisiken
für
Menschenrechtsverteidiger in den Departementen San Marcos und Huehuetenango, in deren
Gebieten auch die Mine Marlin ist, untersucht worden. Als Analysegrund wird die
zunehmende Gefahr für die Menschenrechtsaktivisten gesehen, die vom Drogenhandel
ausgeht. Ziel der Analyse war herauszufinden, wie diese Netzwerke von den Impulsen der
Megaprojekte im
Land
profitieren.243 Die Autorin
des Berichtes und
bekannte
Menschenrechtsaktivistin, Claudia Virginia Samayoa, geht von einem tiefen Wandel aus in
der Art und Weise wie sich das organisierte Verbrechen aktuell gegenüber denjenigen, die
Menschenrechte
verteidigen,
Menschenrechtsverteidigern
präsentiert.
komplexer
Im
Feld
geworden
durch
sei
das
die
Arbeit
Zusammentreffen
von
des
organisierten Verbrechens, Grossgrundbesitzern und transnationalen Unternehmen. In diesem
Umfeld sei es der UDEFEGUA bisher nicht gelungen ein adäquates Instrument zum Schutz
der Menschenrechtsverteidiger zu finden.244
Es ist schwierig, bei Menschenrechtsverletzungen die Gewaltquelle zu identifizieren.
Attacken werden von den Autoritäten oft nicht als Gewalt gegen Menschenrechtsgruppen
wahrgenommen, sondern als gewöhnliche Kriminalität eingestuft.245 UDEFEGUA sieht im
Anstieg
der
Aktivitäten
des
organisierten
Verbrechens
die
Arbeit
von
Menschenrechtsverteidigern gefährdet.246 Viele der politisch motivierten Verbrechen und
Menschenrechtsverletzungen sind laut Susan C. Peacock und Adriana Beltrán, den
Autorinnen eines Bericht über die „versteckten Mächte“ in Guatemala, den
240
241
242
243
244
245
246
in einem
Vgl. Peace Brigades International, Metal Mining and Human Rights in Guatemala, S. 5, Online-Version.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 9.
Siehe Anhang A.4: Menschenrechtsverletzungen in verschiedenen Arbeitsbereichen, S. 128.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 5.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 6.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 23.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 7.
47
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
vorhergehenden
Kapitel
erwähnten
illegalen
Gruppen
zuzuordnen.247
Lokale
und
internationale Menschenrechtsorganisationen haben die Existenz dieser im Verborgenen
handelnden Gruppen und der dahinter stehenden „verborgenen Mächte“ öffentlich angeklagt
und die Regierung aufgefordert, diese zu enttarnen. Für die Autorinnen des Berichtes „Hidden
Powers“ Susan C. Peacock und Adriana Beltrán ist klar, dass diese Gruppen und Mächte
identifiziert
und
verurteilt
werden
müssen,
damit
die
Attacken
gegen
Menschenrechtsaktivisten aufhören und damit die Demokratie in Guatemala wieder eine
Chance bekommt.248
Es ist anzunehmen, dass diese „hidden powers“, zu der auch die Oligarchie gezählt werden
kann, hinter den Megaprojekten stehen. Was dies für die internationale Begleitarbeit bedeutet,
wird im letzten Teil dieser Arbeit näher analysiert und diskutiert. Im folgenden Teil wird auf
die Rolle von NGOs und Netzwerken im internationalen System eingegangen und
insbesondere die internationale Begleitarbeit in Guatemala näher vorgestellt.
3
Rolle von NGOs im internationalen System
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich das internationale System, v.a. durch
Globalisierungseinflüsse und technische Fortschritte, in Kommunikationsbereichen stark
gewandelt.
Internationale
politische
Interdependenzen
und
zivilgesellschaftliche
Vernetzungen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine neue Dimension erreicht.
Die Politologin Kathryn Sikkink zeigt in ihrem Artikel über Menschenrechte und
Staatssouveränität auf, dass die Menschenrechtspolitik und Menschenrechtspraktiken
transnationaler NGO-Netzwerke durch Erzeugung internationalen Drucks dazu beitrugen,
dass sich die Souveränitätsprämisse „Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten
eines Staates“ in den letzten knapp zwanzig Jahren am verändern ist. Die Berufung auf
Souveränität wird bei der Verletzung der Menschenrechte immer weniger als akzeptable
Rechtfertigung angesehen.249
Die deutsche Sozialwissenschaftlerin Kerstin Blome bezeichnet diese Veränderungen als
„grundlegenden Strukturwandel“.250 Durch diesen Strukturwandel auf internationaler Ebene
fällt es Regierungen von Nationalstaaten zunehmend schwerer, das Regieren vollständig
alleine zu kontrollieren und zu steuern. Die früheren Ordnungsmodelle der Staatenwelt
247
248
249
250
Vgl. Peacock/Beltrán (2003), Hidden Powers, S. 1.
Vgl. Peacock/Beltrán (2003), Hidden Powers, S. 2.
Vgl. Sikkink (1993), Human rights, principled issue-networks, and sovereignty in Latin America, S. 411-412.
Vgl. Blome (2004), Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S.1.
48
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
werden in Frage gestellt, weil der souveräne Nationalstaat immer weniger in der Lage zu sein
scheint, die aktuellen Herauforderungen, z.B. globale Umweltprobleme oder den
transnationalen Terrorismus, allein zu bewältigen. Durch die transnationale Zusammenarbeit
zwischen politischen und gesellschaftlichen, bzw. nicht-staatlichen und staatlichen Akteuren,
kann laut K. Blome dieses „Machtvakuum“, das durch den Steuerungsverlust auf
nationalstaatlicher Regierungsebene entstand, gefüllt werden. NGOs, die auf der
internationalen Bühne eine zunehmend wichtige Rolle spielen, nehmen dadurch vermehrt
traditionell staatliche Aufgaben im Inneren wie im Äußeren wahr.251 Die Weltpolitik wird
also, wie Margaret E. Keck und Kathryn Sikkink in ihrem Werk „Activists beyond Borders“
bestätigen, nebst Staaten vermehrt von NGOs beeinflusst, die mit Staaten und internationalen
Organisationen interagieren.252 Die deutschen Politikwissenschaftlerinnen Christiane Frantz
und Kerstin Martens sprechen sogar von einer „NGOisierung“ der Politik, die in den 1980er
Jahren ihren Anfang nahm: „NGOs sind heute in vielen Tätigkeitsbereichen anzutreffen und
aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken“.253
Auf dieser Idee einer gemeinsamen Politikgestaltung durch staatliche wie nicht-staatliche
Akteure basiert das Konzept der „Global Governance“254.
Auch die Theorieansätze der Internationalen Beziehungen wurden durch diesen Wandel und
die verstärkte Einbindung nicht-staatlicher Akteure beeinflusst. In den 1960er und 1970er
Jahren kamen in der Forschung vermehrt kritische Stimmen auf, welche die bisher
vornehmlich staatszentrierte Sichtweise vieler Theorieansätze hinterfragten. Der an der
Universität London dozierende Professor für Globale Politik Peter Willets255 hält dabei fest,
dass in den internationalen Beziehungen lange Zeit nur die Beziehungen zwischen Staaten
von Wichtigkeit waren und der Rolle nicht-staatlicher Akteure im internationalen System
wenig Gewicht beigemessen wurde.256 Laut Margaret E. Keck und Kathryn Sikkink würden
sich in der internationalen Politik vor allem transnationale Netzwerke zunehmend bemerkbar
machen. Sie bezeichnen diese Aktivisten-Netzwerke als „transnational advocacy networks“257.
Der Einfluss von NGOs scheint unproblematisch, solange sich ihre Tätigkeiten auf Bereiche
251
252
253
Vgl. Blome (2004), Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 1, 5.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 1.
Frantz/Martens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs), S. 12.
254
„Die Commission on Global Governance wurde 1992 auf Initiative des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt ins Leben
gerufen. Der Antrieb hierfür war die grundsätzliche Annahme, dass durch transnationale Kooperation positive Effekte für die Bewältigung
globaler Herausforderungen nutzbar gemacht werden können“ (Frantz/Martens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs), S. 80).
255
Peter Willetts Hauptforschungsgebiet ist im Bereich der zwischenstaatlichen Organisationen, besonders bei den „Non-aligned
Movements“.
256
257
Vgl. Willets (2006), Transnational actors and international organizations in global politics, S. 425.
Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 1.
49
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
wie Agenda-Setting und Lobbying beschränken. Denn dazu benötigen sie den
Völkerrechtsstatus nicht. Die mangelnde demokratische Legitimation von NGOs wird dann
problematisch,
wenn
es
um
die
tatsächliche
Einbeziehung
in
den
politischen
Entscheidungsprozess durch Zuerkennung eines eigenen Stimmrechts geht, da NGOs und
Nationalstaaten im Völkerrecht nicht über denselben Rechtsstatus verfügen. NGOs jedoch
generell einen Rechtsstatus abzusprechen, wäre für die internationale Zusammenarbeit wohl
ein Verlust, da sie mit ihrer Kontrollfunktion einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung
völkerrechtlicher Verpflichtungen durch die Staaten und zur Veröffentlichung von Verstößen
leisten. Derzeit ist die Einbindung von privaten Akteuren vor allem in den „soft-politics“258,
zu denen auch die Menschenrechte gezählt werden können, am weitesten fortgeschritten.259
3.1
Erfolgsbedingungen von NGOs im internationalen System
In der Fachliteratur wird den NGOs als Kontroll- und Überwachungsorgane bei der
Implementierung und Einhaltung von Menschenrechten sowie dem Agenda-Setting eine
zentrale Rolle zugewiesen. Bei der Beschlussfassung und internationalen Normbildung
werden ihre Einfluss- bzw. Handlungsmöglichkeiten hingegen beschränkt dargestellt.
Der Einfluss von NGOs und transnationalen Netzwerken wird je nach Theorieansätzen in den
internationalen Beziehungen unterschiedlich betrachtet und interpretiert. Der realistische
Theorieansatz gilt als staats-zentriert, da die internationalen Beziehungen nur als Beziehungen
zwischen Staaten definiert werden.260 Die realistische Sicht argumentiert, dass Staaten nur
dann Ziele und Interessen von NGOs unterstützen und vorantreiben, wenn diese mit ihren
eigenen Interessen und Zielen (vorwiegend zur Sicherheit, Wirtschaft) übereinstimmen.
Gemäss der realistischen Interpretationsweise, behandeln Staaten die Menschenrechtsanliegen
von NGOs nicht prioritär.261 Laut Kathryn Sikkink reicht der Realismus nicht aus, um zu
erklären, weshalb relativ schwache NGOs einen Einfluss auf die Staatspolitik haben können
oder weshalb sich Staaten, wenn es um Menschenrechte geht, in die inneren Angelegenheiten
anderer Staaten einmischen.262
258
Unter der Bezeichnung soft-politics werden hier Politikbereiche wie Menschenrechte oder Umwelt verstanden, die nicht
rechtsverbindliche Übereinkünfte, Absichtserklärungen oder Leitlinien aufweisen. Im Gegensatz zu Politikbereichen wie Wirtschaft,
Sicherheit, in denen der Vollzug sich die Beteiligten verbindlich verpflichten, stellen die soft-politics eine weniger strenge Selbstbindung
dar, wobei dies nicht zwangsläufig Wirkungslosigkeit impliziert.
259
260
261
262
Vgl. Blome (2004), Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 18-19.
Vgl. Willets (2006), Transnational actors and international organizations in global politics, S. 427.
Vgl. Risse (2006), Transnational actors and world politics, S. 264.
Vgl. Sikkink (1993), Human rights, principled issue-networks, and sovereignty in Latin America, S. 437.
50
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Gegner dieser Sicht, wie die Pluralisten beispielsweise, gehen davon aus, „(...) that all types
of actors can affect political outcomes“263 und argumentieren, dass die Unterstützung von
Grossmächten sicherlich hilfreich ist bei der Zielverfolgung von NGOs. Die Unterstützung
von Grossmächten allein ist jedoch keine genügende Erklärung, um den doch erheblichen
Einfluss von privaten Akteuren264 zu erklären. Ob die Aktivitäten von NGOs zur
Verbesserung einer Menschenrechtslage in einem Staat erfolgreich sind oder nicht hängt laut
dem deutschen Politikwissenschaftler Franz Nuscheler265 „von einer Vielzahl von allgemeinen
und je spezifischen und situationsbedingten Faktoren ab“266. Es kommt auf die Struktur eines
Herrschaftssystems an. Die Chance auf eine Veränderung vergrössert oder verkleinert sich, je
nachdem ob Opportunitätsstrukturen, wie öffentliche Kritik und Proteste innerhalb des
Systems, toleriert werden oder nicht. NGOs, als Teil transnationaler Netzwerke, ist es
möglich, durch äusseren Druck Regierungen zu politischen Änderungen zu bewegen – „sei es
durch Einflussnahme auf die Diplomatie und/oder Geschäftswelt, sei es durch
Imageschädigende Medienkampagnen oder durch Anklagen in UN-Gremien“267.Als weitere
Faktoren für den Erfolg von NGOs werden von Franz Nuscheler die Verwundbarkeit eines
Regimes
(durch
politische
und
wirtschaftliche
Destabilisierung,
Sanktionen),
das
Protestpotential, organisatorische Stärke, Handlungs- und Mobilisierungsfähigkeit, taktisches
Geschick (Koalitionen bilden), überzeugungsfähige Themen und Ziele genannt.268 Wenn es
NGOs gelingt, auf eine staatliche Regierung von innen (national) und von aussen
(international) Druck aufzusetzen, dann würden laut F. Nuscheler die Erfolgschancen zur
Verbesserung der Menschenrechtslage am besten stehen. Eine weitere Strategie, die den
Einfluss von NGOs verstärken kann, ist laut dem deutschen Thomas Risse269 der
Zusammenschluss verschiedener NGOs zu Netzwerkgruppen. Einerseits wird ihnen dadurch
ermöglicht auf Staaten und Internationale Organisationen (IO) verstärkten Druck ausüben zu
können und andererseits können durch die Netzwerkbildung verlässliche Informationen und
Wissen besser fliessen. Thomas Risse sieht als wichtigen Faktor für verstärkten Einfluss von
NGOs die hohe Netzwerkdichte, da sie am besten funktionieren können, wenn sie dicht mit
263
Willets (2006), Transnational actors and international organizations in global politics, S. 427.
264
Unter die Bezeichnung private Akteure fallen alle nichtstaatlichen Akteure und schliesst damit zivilgesellschaftliche Akteure wie NGOs,
aber auch Wirtschaftsunternehmen mit ein.
265
Franz Nuscheler war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 Professor für Internationale und Vergleichende Politik an der Universität
Duisburg-Essen.
266
267
268
Nuscheler, NGOs in Weltgesellschaft und Weltpolitik, S. 10, Online-Version.
Nuscheler, NGOs in Weltgesellschaft und Weltpolitik, S. 9, Online-Version.
Vgl. Nuscheler, NGOs in Weltgesellschaft und Weltpolitik, S. 10, Online-Version.
269
Thomas Risse ist ein deutscher Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Professor für Theorie und
Empirie der internationalen Politik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.
51
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
vielen anderen Akteuren operieren, starke Verbindungen zwischen Netzwerkgruppen haben
und dadurch verlässliche Informationen fliessen.270
3.2
Einfluss mit Hilfe von Öffentlichkeits- und Überwachungsstrategien
NGOs mobilisieren die Öffentlichkeit und leisten Aufklärungsarbeit, da die Beraterfunktion
und Lobbyarbeit nicht immer ausreicht, um auf internationale Organisationen, Nationalstaaten
und andere Akteure genügend Druck auszuüben. Die Medien sind für NGOs ein wichtiges
Instrument, um die Öffentlichkeit zu mobilisieren.271 Die Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet die
Aufklärung und Erziehung der Bevölkerung. Dabei werden Wissen und Informationen
vermittelt. Die Massenmobilisierung (Öffentlichkeit wird für Unterschriftenaktionen,
Boykotte und Massenproteste mobilisiert) wird als gezieltes Druckmittel gegen andere
Akteure wie Wirtschaftsunternehmen, Regierungen oder staatliche Institutionen eingesetzt.272
Laut Christiane Frantz und Kerstin Martens haben NGOs gezeigt, „dass sie mit Hilfe von
medienwirksamen Aktionen in der Lage sind, Druck aufzubauen, dem sich sowohl politische
Akteure als auch multinationale Konzerne beugen“.273
Durch die Zulieferung von Informationen machen NGOs mit Hilfe der „Naming and
Shaming“-Strategie274 auf Staaten aufmerksam, die sich nicht an die international vereinbarten
Regeln halten.275
Durch die Strategie des „monitoring“ können sich NGOs Informationen und Wissen
beschaffen, indem sie ihre Umwelt aktiv überwachen und sich mit anderen Akteuren
austauschen. Die Sozialwissenschaftlerin Janina Curbach beschreibt diese Strategie
folgendermassen:
„Die Strategie des ‚monitoring’ setzt sich zusammen aus der Informationsbeschaffung und –
aufarbeitung. Informationen über das definierte Problemfeld werden von NGOs durch
Vernetzung und Kooperation mit verschiedenen Institutionen, wie der Wissenschaft,
epistemischen Gruppierungen, Politikern, lokalen Organisationen etc. gewonnen.“276
NGOs, die auf dem Feld Daten und Fakten über die Menschenrechtslage sammeln, auswerten
und weiterleiten, leisten auch in den Augen von Thomas Risse einen wichtigen Beitrag zur
270
271
272
273
Vgl. Risse (2006), Transnational actors an world politics, S. 267, 268.
Vgl. Frantz/Mertens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs), S. 12-15.
Vgl. Curbach (2003), Global Governance und NGOs, S. 79-81.
Frantz/Mertens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs), S. 14.
274
Naming an shaming-Strategie: öffentliches Blossstellen, anprangern; vgl. Frantz/Martens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs),
89,90.
275
276
Vgl. Frantz/Martens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs), S. 89, 90.
Curbach (2003 ), Global Governance und NGOs, S. 73.
52
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Kontrolle und Durchsetzung von Normen und Gesetzen. Informationen die an internationale
Organisationen und Staaten weitergeleitet werden, dienen als wertvolle Grundlage im Kampf
gegen menschenrechtsverletzende Regime. Der Hauptgrund für die stärkere Einflussnahme
betreffend Agenda-Setting und Überwachungsfunktion bei der Implementierung von
Menschenrechten, besteht darin,, dass internationale Organisationen und Staaten oft auf die
Informationen und die Kontrolle von NGOs angewiesen sind, da sie an Souveränitätsregeln
(Nicht-Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten) gebunden sind. NGOs hingegen
können sich freier bewegen.277 Gemäss Christiane Frantz und Kerstin Martens haben NGOs
gegenüber Staaten und IOs folgende Vorteile:
„NGOs gelten als flexibel, schnell und unbürokratisch. Sie sind in der Lage, mit hoher
Wirksamkeit spezielle Probleme zu bekämpfen, während parteipolitische Akteure und
Regierungen in dem lähmenden Bedingungsgefüge der Parteiprogramme gefangen und dem
Prinzip der Allzuständigkeit und dem Gemeinwohl verpflichtet sind“.278
Die Aufgabe und Rolle von NGOs im internationalen System kann daher als Ergänzung zu
denjenigen von internationalen Organisationen und Staaten gesehen werden.
Der Einfluss von NGOs ist generell schwer messbar, insbesondere in Bezug auf informelle
Einflussstrategien wie Lobbying. In einer Studie im Rahmen eines mehrjährigen
Forschungsprojektes
von
Thomas
Risse
wurde
die
Wirkung
internationaler
Menschenrechtsnormen auf den politischen Wandel im Innern der Staaten279 untersucht. Die
Schlussfolgerung
dieser
ländervergleichenden
Studie
besagt,
dass
transnationale
Menschenrechtsnetzwerke, die sich auf international anerkannte Normen wie die
Menschenrechte berufen können, in der Lage sind, durch Mobilisierung von innerem (durch
gesellschaftliche Opposition im innern der Staaten) und äusserem Druck (durch
internationale, transnationale Menschenrechtsnetzwerke) repressive Regierungen zu einem
normgeleiteten Verhalten zu drängen und auf diese Weise zu einer nachhaltigen Verbesserung
der Menschenrechtspraxis beitragen können. Nebst den ökonomischen (Embargo,
Hafensperrung für Schiffe), politischen (Einreisesperre für Staatsangehörige, Abbruch
diplomatischer
Beziehungen)
und
militärischen
Druckmitteln,
ist
die
moralische
Druckausübung (durch „shaming“ und „the power of the better argument“280) durch NGOs,
277
278
279
Vgl. Risse (2006), Transnational actors and world politics, S. 265, 266.
Frantz/Martens (2006), Nichtregierungsorganisationen (NGOs), S. 17.
Vgl. Risse et al (2002), Die Macht der Menschenrechte, S. 5.
280
‘The power of the better argument’: NGOs müssen ihre Forderungen rechtfertigen und benutzen dazu Kommunikationsstrategien um die
Interessen und Politik der anderen zu verändern (vgl. Risse (2006), Transnational actors and world politics, S. 268).
53
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
internationale Organisationen und anderen Staaten ebenso effizient.281 1993 (drei Jahre vor
dem Friedensabkommen in Guatemala) schrieb Kathryn Sikkink in ihrer Arbeit über den
Einfluss von internationalem Menschenrechtsdruck, dass in Guatemala das internationale
Menschenrechtsnetzwerk nicht effektiv genug war, um das Menschenrechtsverständnis oder
die Menschenrechtspraxis zu verändern. Eine Voraussetzung für die Effektivität des
Menschenrechtsnetzwerkes sieht sie in der Arbeit lokaler NGOs, ohne deren Existenz, die
internationale Menschenrechtsarbeit stark behindert wird. Mächtige Staaten mit starken
nationalen Sicherheitsinteressen werden ebenfalls als immuner gegenüber internationalem
Druck auf staatliche Menschenrechtspraxen gesehen. Kathryn Sikkink sieht in der
Kombination
dieser
Druckmittel
die
Möglichkeit,
staatliches
Handeln
in
der
Menschenrechtspraxis zu beeinflussen.282
Wie die Menschenrechtslage und die staatliche Resistenz gegenüber internationalem Druck
transnationaler Netzwerke heute in Guatemala aussehen, soll in folgenden Kapiteln aufgezeigt
werden.
3.3
Die internationale Begleitarbeit für Menschenrechte in Guatemala
Lokale wie internationale Nichtregierungsorganisationen gibt es in Guatemala ungemein
viele, seit 1996 die Friedensabkommen unterschrieben wurden. Nebst privaten Geldern macht
die internationale Finanzhilfe von anderen Staaten oder supranationalen Gebilden wie der
Europäischen Union einen wichtigen Teil des Staatsbudgets Guatemalas aus. Ein
Guatemalteker, der von internationalen NGOs beauftragt ist, die von ihnen unterstützten,
lokalen NGOs zu überprüfen, damit sie bestimmten Qualitätsstandards für die Geldgeber
entsprechen, erklärte der Autorin in einem informellen Interview, dass in Guatemala in den
letzen Jahren NGOs wie Pilze aus dem Boden schossen, da die Gründung einer NGO eine
Überlebensstrategie geworden sei, um an Hilfsgelder zu kommen.
Dass NGOs vor allem als Überwacher eine zentrale Rolle spielen im internationalen System,
wurde in dieser Arbeit bereits aufgezeigt. Wie sie helfen, ist sehr unterschiedlich.
Internationale Hilfe kann in zwei Typen unterteilt werden: in materielle und immaterielle
Hilfe. In Guatemala trifft man auf beide Typen von internationaler Hilfe oder deren
Mischformen an: der erste Typ bringt materielle Unterstützung in Form von Geld und/oder
281
282
Vgl. Risse et al (2002), Die Macht der Menschenrechte.
Vgl. Sikkink (1993), Human rights, principled issue-networks, and sovereignty in Latin America, S. 437.
54
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Materialien (Baumaterial, Schulmaterial, etc.). Der zweite Typ konzentriert sich auf
Begleitarbeit (internationale Präsenz/Beobachtung), Advocacy- und Lobby-Arbeit.
Auf den letzteren Hilfstyp, insbesondere auf die internationale Begleitarbeit in Guatemala,
wird in der Folge näher eingegangen. Dies um herauszufinden, welchen Beitrag diese Art von
NGO-Arbeit für die Verbesserung der Menschenrechtssituation der Guatemalteker im
Kontext von Megaprojekten leisten kann und welchen nicht.
Bei einem historischen Rückblick erkennt man eine längere internationale Begleittradition zur
Sicherung und Überwachung der Menschenrechte in Guatemala. Mit der Toleranz
internationaler Begleitorganisationen zur Beobachtung der Menschenrechte im Land,
demonstriert Guatemala gegen aussen, dass das Land nichts zu verbergen hat.
Der Einsatz internationaler Begleitung in Guatemala ist stark verbunden mit dem politischen,
gesellschaftlichen, sozioökonomischen Kontext des Landes und wird bis heute von
verschiedenen internationalen Organisationen und Bewegungen durchgeführt, wobei erstens
Peace Brigades International (PBI), zweitens die in CAIG-Acoguate zusammengeschlossenen
internationalen Organisationen und drittens die Nonviolent Peaceforce (NP) die drei Pfeiler
der Begleittradition in Guatemala darstellen, wobei NP zur Zeit nicht mehr präsent ist. Die
NGO PBI setzt sich seit 1981 international gegen Gewalt und für die Menschenrechte ein.
Dabei vertritt sie die Prinzipien der Nicht-Einmischung und Unparteilichkeit bei der
Begleitung von Organisationen. Die NGO ist der Meinung, dass eine nachhaltige
Transformation von Konflikten nicht von aussen kommen kann, sondern aus den Kapazitäten
und Wünschen der lokalen Bevölkerung entspringen muss. Sie sieht ihre Aufgabe darin,
lokalen Aktivisten politischen Raum zu schaffen und sie moralisch zu unterstützen, damit
diese ihre Arbeit ohne Angst und Unterdrückung ausüben können. PBI erstellt weiter
Analysen zur politischen Situation, baut ein Unterstützungsnetzwerk auf und verbreitet
Informationen.
Der zweite Traditionsstrang in der Begleitarbeit entspringt der Begleitung zurückkehrender
Flüchtlinge
aus
Mexiko
Solidaritätsbewegungen
und
durch
führte
verschiedene
mit
der
internationale
Gründung
von
Organisationen
und
CAIG-Acoguate
zur
Institutionalisierung dieser zuvor eher losen Begleitbewegung. Auch Nonviolent Peaceforce
(NP) übernahm in der Vergangenheit Mandate zur Begleitung von guatemaltekischen
Personen und Organisationen, die juristisch gegen die Verantwortlichen der Massaker
vorgingen und deswegen internationalen Schutz anforderten.
55
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Diese drei Begleittraditionen werden in den folgenden drei Unterkapiteln näher vorgestellt,
wobei näher auf CAIG-Acoguate als Teil des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit
eingegangen wird.
3.3.1 PBI in Guatemala
PBI wurde 1983 in Guatemala aktiv, in einer Zeit als der Bürgerkrieg bereits seit 20 Jahren
tobte, Massaker verübt wurden und die „Taktik der verbrannten Erde“ kurz zuvor angewandt
worden war. Die sozialen Bewegungen waren durch den 36 Jahre dauernden Bürgerkrieg
lahm gelegt. Zu dieser Zeit gab es praktisch keine internationale Präsenz im Land und die
guatemaltekische
Regierung
verlor
immer
mehr
die
von
ausserhalb
stammende
Unterstützung. 1986 wurde mit dem Aufbau einer Zivilregierung begonnen, doch diese stand
immer
noch
im
Schatten
des
Militärs.
Der
Prozess
zur
Unterzeichnung
der
Friedensabkommen dauerte von 1986 bis 1996. In dieser Zeit kehrte das Interesse der
internationalen Gemeinschaft für Guatemala zurück: Kooperationsprogramme wurden
entwickelt, Flüchtlinge kehrten zurück, die Zahl der lokalen und internationalen NGOs stieg
an, darunter auch die der Begleitorganisationen.283
PBI versuchte von Anfang an, die sozialen Bewegungen zu unterstützen und schützen und die
Informationen zur Menschenrechtssituation ausserhalb von Guatemala zu verbreiten. PBI war
die erste internationale Organisation in Guatemala, die sich für den Frieden stark machte.
Dabei wendete die Organisation verschiedene Begleitformen an: Begleitung in der
Öffentlichkeit, Eskorte-Begleitung, als Verbindung, bei der Besetzung von Gebäuden, in
öffentlichen Protesten, bei der Rückführung von Flüchtlingen.
Nach der Unterzeichnung der Friedensabkommen 1996, schloss PBI 1999 das Projekt in
Guatemala.
Als 2000 die Republikanische Front Guatemala (FRG284) die Macht übernahm, verschlechterte
sich laut PBI die Menschenrechtssituation signifikant.285 Die Organisation erhielt von diversen
guatemaltekischen Organisationen Rückkehranfragen. 2001 schickte PBI eine Delegation zur
Analyse der Situation und entschied sich 2002 für eine permanente Präsenz im Land. Seit
April 2003 ist wider ein Inlandteam präsent.286
283
284
285
Vgl. Peace Brigades International, History of PBI in Guatemala, Online Version.
FRG: Frente Republicano Guatemalteco.
Vgl. Peace Brigades International, History of PBI in Guatemala, Online Version.
286
In Guatemala gibt es eine engere Zusammenarbeit zwischen PBI und CAIG-Acoguate. Jeden Monat werden an Treffen Informationen,
Analysen ausgetauscht und manchmal auch neue Anfragen/Fälle übergeben, wenn beispielsweise bei der einen Organisation die Kapazitäten
56
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
3.3.2 Nonviolent Peaceforce
NP wurde Ende 2002 von Menschen aus 47 Ländern gegründet, von acht FriedensNobelpreis-Trägern unterstützt und von über 90 Mitgliedsorganisationen getragen. Die rund
fünfzig "Staff"-Mitglieder kommen aus 24 Ländern (meist der Südhalbkugel). In Brüssel sind
die dortigen Mitarbeiter und Praktikanten vor allem mit dem Fundraising und der Lobbyarbeit
gegenüber der EU beschäftigt, aber auch mit der Koordination der europäischen
Mitgliedsorganisationen.287
Das Konzept von NP umfasst Aktivitäten, die als unparteiische 'Präsenz der internationalen
Zivilgesellschaft' in Konfliktregionen gelten, geht aber darüber hinaus, und bezieht sich vor
allem auf gewaltträchtige Gruppen-Konflikte: NP will als Drittpartei zur Eindämmung und
Überwindung von Feindseligkeit und Gewalt zivile Interventionen in größerem Maßstab
ermöglichen und dies ausschließlich auf Bitten von einheimischen Organisationen. Ziel des
Einsatzes ist die Verminderung und Prävention von Gewalt, um eine größere Sicherheit für
Zivilpersonen zu erreichen, so dass sie zu einem anhaltenden, gerechten Frieden beitragen
können.288
Zu den Methoden der Arbeit gehören u. a. die kritische Beobachtung politischer Ereignisse
(Monitoring), das „Zwischen-die-Fronten-Treten“, die schützende Begleitung und die
Ermöglichung von Gesprächen verfeindeter Gruppen durch 'Runde Tische'.
Der erste Einsatzort war 2003 auf Sri Lanka, das von einem 30jährigen Bürgerkrieg
erschüttert war.289
Zu ihrer "Peacekeeping"-Arbeit gehören die Mitwirkung bei der Rückholung von
Kindersoldaten im Auftrag von UNICEF, die anhaltende Präsenz als internationale
Beobachter mit ihren blauen T-Shirts, besonders wenn andere NGOs wegen der Gefährdung
ihrer Mitarbeiter das Land verlassen, und die Unterstützung der örtlichen Verständigung unter
verfeindeten Volksgruppen.290
Nebst Sri Lanka ist auf der philippinischen Insel Mindanao ist im Mai 2007 ein neues
längerfristiges Projekt angelaufen.291
nicht vorhanden sind. Die beiden Organisationen sind meist in verschiedenen Regionen Guatemalas präsent und decken so unterschiedliche
Gebiete ab.
287
288
289
290
291
Vgl. Nonviolent Peaceforce, About us, Online-Version.
Vgl. Nonviolent Peaceforce, Mission, Online-Version.
Vgl. Nonviolent Peaceforce, Sri Lanka Project, Online-Version.
Vgl. Nonviolent Peaceforce, Mission, Online-Version.
Vgl. Nonviolent Peaceforce, Philippines Project, Online-Version.
57
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
„Rapid Response“ wird von den Verantwortlichen der Nonviolent Peaceforce als ein zweites
Standbein der Arbeit neben den Langzeitprojekten Sri Lanka und Mindanao angesehen. Es
soll ein Pool aus einigen 100 trainierten Frauen und Männern gebildet werden, die bei Bedarf
schneller verfügbar sind und für bis zu zwei Monate den nicht-militärischen Schutz solcher
lokaler und externer Menschenrechts-Aktivisten gewährleisten, die akuten Todesdrohungen
und körperlicher Gefährdung ausgesetzt sind. Damit soll eine kurzfristige Reaktion auf
aktuelle Konfliktverschärfungen in einem Land ermöglicht werden.292
Die Idee des Rapid Response wurde vom Mai 2007 bis Februar 2008 in Guatemala im Zuge
der Präsidentschaftswahlen erstmals umgesetzt, weil eine Zunahme der politischen Gewalt
bzw. Gewaltandrohung befürchtet wurde. Tatsächlich erhielten Mitglieder der Nationalen
Bewegung für Menschenrechte Morddrohungen und fragten um Präsenz bei der Nonviolent
Peaceforce an. Zum Einsatz in Guatemala schreiben sie auf ihrer Homepage:
„Nonviolent Peaceforce provided protective accompaniment to human rights defenders
under threat in Guatemala. National elections were held in Guatemala on September 7 and
November 9, 2007. The most violence was anticipated during the time leading up to and
after the elections. The situation normalized after that and NP ended its accompaniment by
February 2008. Nonviolent Peaceforce provided a team of four accompaniers, including a
Team Coordinator, from April 2007 up to Feb 2008. The other three accompaniers were
volunteers who served an average for three months in Guatemala. (...). The objective of the
project is to ensure the security of the human rights defenders against politically-motivated
violence through the volatile period before, during and after the September and November
elections. (...).“293
3.3.3 CAIG-Acoguate
Die Wurzeln der Begleitarbeit durch CAIG-Acoguate liegen in der Rückführung der
guatemaltekischen Flüchtlinge von Mexiko nach Guatemala. Viele der in den 1980er Jahren
aus Guatemala nach Mexiko Geflohenen, wollten in den 1990ern im Verlauf des
Friedensprozesses wieder in ihr Land zurückkehren. Die Flüchtlingsorganisation „Comisiones
Permanentes“ (CCPP) fragte 1991 die internationale Gemeinschaft an, sie auf dem Weg zu
begleiten, um ihnen Schutz vor Übergriffen zu gewähren. 1992 wurde in einem Abkommen
während des Friedensprozesses die internationale Begleitung von den Vertriebenen für die
Rückkehr von der guatemaltekischen Regierung gefordert und festgehalten.294 Ein ehemaliger
Flüchtling berichtete in einem für diese Arbeit durchgeführten Interview: „Wir wollten
zurück, hatten aber grosse Angst, dass uns das Militär massakriert.“295 Daraufhin begleiteten
292
293
294
295
Vgl. Nonviolent Peaceforce, Rapid Response Program, Online-Version.
Nonviolent Peaceforce, Guatemala Project, Online-Version.
Siehe A.15: Abkommen zwischen Flüchtlingskommission und Regierung, S. 146.
Interview BP1, Zeile 20-21.
58
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
diverse Solidaritätsgruppen aus aller Welt diese Rückkehrenden. Darunter waren auch
Organisationen, die sich später zu CAIG-Acoguate296 zusammenschlossen. Die Begleitung
bestand laut Augenzeugen nicht nur in der Begleitung auf dem Weg zurück nach Guatemala,
sondern auch als „internationales Auge“ bei der Überwachung der zwischen 1986 und 1996
von
der
guatemaltekischen
Regierung
unterzeichneten
Abkommen
während
den
Friedensverhandlungen, laut dessen das Militär nicht ins Territorium der zurückgekehrten
Flüchtlinge eindringen durfte.
Als 1996 die Friedensabkommen unterzeichnet wurden, kam es zu einer politischen
Stabilisierung. 1999 stellten die internationalen Begleitpersonen/Begleitorganisationen die
Rückführungsarbeit ein und es zogen sich viele der internationalen NGOs aus dem Land
zurück.297 NISGUA begleitete die Zurückgekehrten in bestimmten Gemeinden in Guatemala
noch ein paar Jahre weiter.298
Eine zweite Welle der internationalen Begleitung wurde 2000/2001 ausgelöst, als die Zeugen
und Überlebenden der Massaker während des Bürgerkrieges gegen die Verantwortlichen
Generäle Lucas Garcia und Rios Montt Klage erhoben. Sie befürchteten vermehrte Attacken
gegen die aussagenden Zeugen und die Organisationen, die sich mit der Klärung der
Massaker während des Bürgerkrieges befassten. Die Organisationen AJR299 und CALDH300
fragten internationale NGOs um Begleitung an, auch um dem Prozess Legitimation zu
verschaffen. Diese Anfrage basierte, wie ein Anwalt von CALDH und ehemaliger Rückkehrer
in einem Interview301 erwähnte, auf der Erfahrung von AJR-Mitglieder, die in den 1990er
Jahren als Rückkehrende international begleitet wurden. Auf diese Anfrage hin taten sich laut
der heutigen Koordinatorin von CAIG-Acoguate die Organisationen Nisgua, Ada und PAQG
zusammen und suchten nach einer Person, die dieses Begleitprojekt koordinierte.302 Als es
mehr Freiwillige brauchte, suchte man Allianzen mit weiteren internationalen Organisationen.
Schlussendlich waren es neun internationale NGOs, die sich für die Begleitung zu einem
Komitee (CAIG) zusammenschlossen und damit das gemeinsame Begleitprojekt Acoguate ins
Leben riefen. Diese Begleitung lief im Rahmen des Zeugenschutzprogrammes, das heute
296
297
298
299
300
301
302
CAIG-Acoguate: Comite de Acompañamiento International en Guatemala – Acompañamiento Guatemala.
Vgl. Peace Watch Switzerland, COSAR, Online-Version.
Siehe Anhang A.14: Chronologie Begleitarbeit in Guatemala, S. 144.
AJR: Associacion para la Justicia y Reconciliacion.
CALDH: Centro para acciones legales derechos humanos.
Interview BP1, Zeile 202-203.
Interview K1, Zeile 260-261.
59
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Largo Plazo303-Begleitung genannt wird. Die Schlüsselmomente dieser Begleitung waren von
2000 bis 2003.304 Nach 2003 erreichte die Begleitarbeit von CAIG-Acoguate eine dritte
Etappe, als die Notwendigkeit aufkam, guatemaltekische Menschenrechtsaktivisten und
Menschenrechtsorganisationen zu begleiten, da diese aufgrund ihrer Arbeit verstärkt
Drohungen erhielten. Es wurden neu Organisationen und Personen bei Exhumierungen305
begleitet. Damals hiess dieses Begleitprogramm „no estas solo306“, wurde 2005 in Corto
Plazo307-Begleitung umbenannt. Weil es in den Gerichtsprozessen der Genozidfälle nicht
voranging, begann CAIG-Acoguate die Corto Plazo-Arbeit (kurz CP) auszubauen und mehr
Freiwillige zu suchen um ein CP-Team bilden zu können.308 Peace Watch Switzerland309
(PWS) beispielsweise, rekrutiert seit 2004 in der Schweiz Freiwillige für den Einsatz im
Begleitprojekt Acoguate.
Im nationalen Kontext kam es 2004 zur Schliessung von MINUGUA310. Der ehemalige
Generalsekretär Kofi Anan liess an der Schliessungszeremonie in Guatemala Stadt folgende
Botschaft übermitteln:
„(...). The closure of MINUGUA should not be seen as the end of the peace process, but
rather, as the beginning of a new and necessary phase in which national actors assume full
responsibility for monitoring and promoting the goals of the peace accords in the future.
(...).The United Nations and Guatemala have signed agreements providing for the opening of
an Office of the High Commissioner for Human Rights and for the creation of a special body
to investigate clandestine groups. (...). But henceforth, the major protagonists in this story
will be the Guatemalans themselves, as it should be. (...). Civil society organizations in
particular are increasingly playing a healthy watchdog function, pressing the State to assume
its obligations.“311
Mit dieser Schliessung fiel ein Teil der internationalen Überwachung und Abschreckung auf
höherer Ebene weg und wie in vorhergehenden Kapiteln aufgezeigt, gelingt es
zivilgesellschaftlichen Gruppen nur schwer den Staat unter Druck zu setzen.
Im Juli 2005 wurde wie bei der Schliessung der MINUGUA angekündigt, das Büro des
Hochkommissariats für Menschenrechte der UNO in Guatemala Stadt eröffnet.312
303
304
305
306
307
308
Spanisch und bedeutet auf Deutsch übersetzt: langfristige Begleitung.
Interview K1, Zeile 263-264.
Ausgrabungen von Gräbern zur Bergung von Bürgerkriegsopfern und Aufklärung der Massaker.
Spanisch und bedeutet auf Deutsche übersetzt: du bist nicht allein.
Spanisch und bedeutet auf Deutsch übersetzt: kurzfristige Begleitung.
Interview K1, Zeile 315-321.
309
PWS war vor 2001 eine Interessensgemeinschaft. Die erste Anfrage kam aus Guatemala. Zwischen 1993 bis 1997 reisten ca. 120
SchweizerInnen für 3 Monate nach Guatemala.
310
MINUGUA: United Nations Verification Mission in Guatemala.
311
UNIS, Guatemala Mission Successful Example of UN Peace-Building, with Lessons for Other Operations, Says Secretary-General in
Message to Closing Ceremony, 17. November 2004, Online-Version.
312
Vgl. UNIS, Secretary-General Welcomes Planned Opening of UN Human Rights Office in Guatemala, 3. Juni 2005, Online-Version.
60
Masterarbeit
2006
kam
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
nochmals
Bewegung
in
die
Genozidfälle,
weil
eine
spanische
Anhörungskommission nach Guatemala gekommen war um die 1999 von Rigoberta
Menchú313 erhobene Anklage weiter voranzutreiben. In diesem Kontext veränderte sich auch
die Begleitarbeit, da es eine grossen Bedarf an Freiwilligen gab. Die Prozesse wurden von der
Verteidigung der Angeklagten mit Rekursen blockiert. Es wurden keine Zeugen verhört. In
den nationalen Fälle314 kam ebenfalls ein wenig Bewegung auf und als Alvaro Colom sein
Amt als Präsident antrat 2007 kam es zu kleineren Erfolgen. Er forderte die Öffnung der
Militärarchive.315
Als Mitglieder der Vereinigung AJR für Zeugenaussagen nach Spanien reisten, baten sie um
internationale Begleitung. Damit war der Fokus der Begleitarbeit wieder vermehrt auf die
Begleitung der AJR-Mitglieder in den Gemeinden gerichtet. Ende 2007 kam der Entscheid
des
Verfassungsgerichtes,
der
besagte,
dass
die
spanischen
Investigationen
auf
guatemaltekischem Boden nicht mehr möglich seien. Darauf hin beschloss ein
guatemaltekischer Richter die Zeugenaussagen durchzuführen und dann nach Spanien zu
schicken. Er forderte die Staatsanwaltschaft in Guatemala auf, diese Zeugenaussagen
ebenfalls in ihre Untersuchungen einzubeziehen die bereits seit Jahren liefen und zu keiner
Verhaftung führten.316
In diesem Kapitel kommt zum Ausdruck, dass zwischen Begleitarbeit und dem Kontext
Guatemalas eine Art
Wechselwirkung
besteht.
CAIG-Acoguate reagiert
auf
die
Begleitanfragen aus der Zivilbevölkerung, die sich mit dem sozialen, ökonomischen und
politischen Wandel in Guatemala verändern. Liam Mahony und Luis Enrique Eguren
bemerkten 1997 in ihrem Werk über die internationale Begleitarbeit „Unarmed Bodyguards“,
dass der Einsatz von Begleitarbeit sehr kontextabhängig sei und die Zukunft noch unzählige
Konflikte mit unterschiedlichen Gründen und Dimensionen bringen werde.317 Auf
Menschenrechtsverletzungen im Kontext von Megaprojekten können Begleitanfragen von
betroffenen Menschenrechtsaktivisten folgen. Die interviewte Koordinatorin sagte aus, dass
sich die Arbeit von CAIG-Acoguate aktuell durch den sich wandelnden Kontext (inkl.
Megaprojektentwicklung) stark am verändern ist.318 Die Richtung des neuen Kurses steht zur
Diskussion. 2009 wurde von CAIG-Acoguate eine Studie in Auftrag gegeben, die eine
313
314
315
316
317
318
Rigoberta Menchú Tum ist eine guatemaltekische Menschenrechtsaktivistin und erhielt 1992 den Nobelpreis.
Es gab nebst den nationalen Gerichtsfällen Fälle, die bis vor den interamerikanischen Gerichtshof gelangten.
Siehe Anhang A.14: Chronologie Begeitarbeit in Guatemala, S. 144.
Interview K1, Zeile 351-357.
Vgl. Mahony/Eguren (1997), Uarmed Bodyguards, S. 247.
Interview K1, Zeile 428-429.
61
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Situationsanalyse der Arbeit und Organisation und damit eine Entscheidungsbasis bringen
soll.
3.3.3.1 Organisationsstruktur CAIG-Acoguate
Aus dem Organigramm im Anhang319 geht hervor, dass das Komitee CAIG für internationale
Begleitarbeit aus neun (früher 10) internationalen Organisationen320 aus acht Ländern besteht,
wobei sechs davon eine Vertretung in Guatemala haben. Durch die „Mutterorganisationen“
im Ausland und das Netzwerk in Guatemala hat CAIG-Acoguate nationale und internationale
Rückendeckung und ist in ein transnationales „advocacy“-Netzwerk eingebettet. Die
Politologinnen Margaret Keck und Kathryn Sikkink nennen als Gründe für das in
Erschienung treten solcher transnationaler „advocacy“-Netzwerke die Blockierung der Kanäle
zwischen lokalen Gruppen und deren Regierung oder die Ineffizienz dieser Kanäle bei der
Konfliktlösung. Wenn dieser direkte Kanal zwischen lokalen Gruppen und Regierung nicht
funktioniert, wie dies durch die Landesanalyse aufgezeigt werden konnte, kommt es zum so
genannten Bumerang-Effekt321. Dieser beasgt, dass die lokalen NGOs (wie CALDH) die
eigene Regierung (Staat) umgehen und direkt internationale Verbündete (CAIG-Acoguate)
suchen, um von aussen Druck auf ihre Regierung ausüben zu können. Durch diese
Vorgehensweise erhalten Akteure aus südlichen Ländern den Zugang zu Einfluss,
Information und finanzielle Mittel, während die Akteure aus dem Norden in ihrem Einsatz für
eine Sache beteuert werden. Für die lokalen Akteure können internationale Kontakte ihre
Forderungen verstärken.322
Die Organisationen im Komitee CAIG rekrutieren in ihren Ländern Freiwillige für das
Begleitprojekt Acoguate. Die Organisationen mit Vertretung in Guatemala leiten gemeinsam
mit der Koordinatorin das Projekt Acoguate. Die Koordinationsstelle hat die Aufgaben, die
Beziehungen zu den Komitees zu pflegen und in Acoguate zu vertreten, die keine Vertretung
in Guatemala haben, die Einsätze der Freiwilligen zu koordinieren und Information auf
nationaler und internationaler Ebene zu verbreiten (politische Arbeit).
319
320
Siehe Anhang A.6: Organigramm CAIG-Acoguate, S. 130.
PAQG: Projecto de Acompanamiento Quebec Guatemala aus Kanada (seit 2009 ohne Vertretung);
Ada: Acompanamiento de Austria aus Österreich (mit Vertretung); Swefor: Swedisch fellowship of Reconciliation aus Schweden (mit
Vertretung); PWS: Peace Watch Switzerland aus der Schweiz (ohne Vertretung); BTS: Breaking the Silence aus Kanada (mit Vertretung);
Nisgua: Network in Solidarity with the People of Guatemala aus Amerika (mit Vertretungen); Collectif Guatemala: aus Frankreich (mit
Vertretung); GSN: Guatemala Solidarity Network aus England (ohne Vertretung).
321
322
Siehe Anhang A.3: Bumerang-Modell, S. 127.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 12-13.
62
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Die Organisationsvertreter im Projekt Acoguate machen eine politische Arbeit, indem sie mit
verschiedenen Akteuren (Botschaften, NGOs, etc.) Kontakte pflegen und Informationen
austauschen.
Es bestehen zwei Einsatzarten im Projekt Acoguate, die von den Freiwilligen wahrgenommen
werden: Largo Plazo (LP) und Corto Plazo (CP).
Bei der Largo-Plazo Begleitung (LP) werden in mehreren Verwaltungsbezirken323 Guatemalas
die Mitglieder der Vereinigung AJR von insgesamt zweiundzwanzig Gemeinden324 einmal im
Monat von zwei freiwilligen Begleitpersonen besucht.325
Der direkte und langjährige Kontakt mit der Zivilbevölkerung ist eine grosse Stärke dieser
Begleitung. Die Begleitpersonen gelangen in die abgelegensten Gemeinden, wo teils keine
andere internationale Institution hinkommt. Der regelmässige und langjährige Kontakt (acht
Jahre) baute eine Vertrauensbeziehung zu den indigenen Menschen auf. Damit können
Analysen erstellt werden, die in keiner Literatur zu den Regionen zu finden sind. Mit dieser
Präsenz ist man direkt an der Informationsquelle. Zurück in der Hauptstadt, können aktuellste
Entwicklungen in verschiedenen Regionen des Landes festgestellt werden. Der Hauptsitz von
CAIG-Acoguate
in
der
Hauptstadt
erlaubt
einen
einfachen
Zugang
zu
Menschenrechtsorganisationen, Botschaften sowie Organisationen aus der Zivilgesellschaft.
Aus der Weiterleitung dieser Informationen direkt aus dem Feld an verschiedene
Institutionen, erhoffen sich die NGOs politisch Einfluss nehmen zu können. Die
Koordinatorin
von
CAIG-Acoguate
beschreibt
diesen
Einfluss
am
Beispiel
der
Informationsübermittlung an Botschaften, deren Mitarbeiter die Zone 10 in der Stadt nicht
verlassen würden und ihr Wissen über das Land daher ganz verschieden sei zu demjenigen
von CAIG-Acoguate.326
Die Corto-Plazo Begleitung (CP) beinhaltet eine kurzfristige Begleitung über eine kürzere
Zeitspanne und ist eher punktuell. Das CP-Team ist in der Hauptstadt stationiert und
entscheidet mit den verantwortlichen Organisationsvertretern ob ein Fall begleitet wird oder
nicht. Alle zwei Wochen findet in der Hauptstadt im CP-Team eine Analysensitzung zur
aktuellen Lage im Land.
Die Begleitfälle hängen von der Menschenrechtssituation in Guatemala ab und variieren von
Gewerkschaften, Zeugenorganisationen über Anti-Minenorganisationen, die sich mit der
323
Guatemala ist in 22 Verwaltungsbezirke (departamentos) aufgeteilt; ein Verwaltungsbezirk wiederum ist in municipios
(Grossgemeinden) und weiter in comunidades (Gemeinden) aufgeteilt.
324
325
326
Eine Gemeinde wird in Guatemala als comunidad bezeichnet.
Interview K1, Zeile 360.
Vgl. Interview K1, Zeile 418-422.
63
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Straflosigkeit, Landkonflikten, Exhumierung, Arbeitsrechten und dem Widerstand gegen
Megaprojekte auseinandersetzen. Es wird an verschiedensten Anlässen im Bereich der
Menschenrechte begleitet: an Demonstrationen, Festivals, Buchvorstellungen etc. Es werden
Besuche auf die Staatsanwaltschaft begleitet. Auch regelmässige Bürobesuche bei
Menschenrechtsorganisationen gehören zur Arbeit im CP.
Das CP-Team nimmt weiter Aufgaben wahr, die der Analyse und Dokumentation der
Begleitfälle dienen. Darunter fallen das Sammeln fallspezifischer Zeitungsartikeln und
Communiqués anderer Institutionen.
Diese Aufarbeitung politischer, sozialer und ökonomischer Fakten dient der Erstellung einer
Situationsanalyse des Landes und der weiteren Einsatzplanung.
Merkmale der internationalen Begleitung von CAIG-Acoguate327
3.3.3.2
1. Die Begleitung ist eine internationale Präsenz in einer Gemeinde, die aus physischen
Sicherheitsgründen angefordert wurde.
2. Die Begleitung ist ein abschreckendes Element, das interveniert, wenn Umstände
potenzieller Menschenrechtsverletzungen vorliegen.
3. Die Begleitung beinhaltet die Beobachtung, Dokumentation und Sammlung von Daten
im Zusammenhang mit Vorfällen in Bezug auf Menschenrechte in einer Gemeinde
oder Region eines Landes.
4. Die Begleitung ist eine Solidaritätsarbeit, die einen direkten Kontakt und Austausch
zwischen dem guatemaltekischen Volk und Mitgliedern der internationalen
Gemeinschaft ermöglicht.
5. Die Begleitung beinhaltet Bildungsarbeit und Solidaritätsarbeit, die in den
Herkunftsländern der internationalen Begleitorganisationen realisiert wird.
4
Resultate und Analyse der empirischen Forschungsdaten
Nachdem in vorhergehenden Kapiteln dieser Arbeit Ursachen für das Konfliktpotenzial im
Kontext
mit
Megaprojekten
Menschenrechtssituation
inklusive
theoretisch
deren
bearbeitet
Auswirkungen
und
auf
die
die
allgemeine
Arbeit
von
Menschenrechtaktivisten und Menschenrechtbegleiter erläutert wurden, widmet sich der letzte
Teil dieser Arbeit der Frage nach dem möglichen Beitrag, den die internationale Begleitarbeit
327
Vgl. Acoguate (2009). Schulungsdossier „Bienvenid@s a la capacitacion de ACOGUATE“, S. 18.
64
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
im Kontext von Megaprojekten in Guatemala leisten kann. Die Frage nach dem Beitrag im
Kontext von Megaprojekten resultiert vor allem aus der Auswertung der Interviews. Die
Begleitpersonen von CAIG-Acoguate nehmen nebst den Faktoren Drogenkartelle/-handel,
Gewaltzunahme,
Remilitarisierung,
Kriminalität/Jugendbanden
auch
Megaprojekte
(Wirtschaftskonzerne/Wirtschaftsinteressen) als Herausforderungen in der Begleitarbeit wahr:
Diese Angaben widerspiegeln die Situationsanalyse zu Guatemala, die in Kapiteln zuvor
dargestellt wurden.
Um die Beitragsfrage beantworten zu können, werden in einem ersten Schritt die
Konfliktfaktoren im Kontext von Megaprojekten aus Sicht der Interviewten und der
Ausführungen im ersten Teil dieser Arbeit diskutiert, die sich auch durch die Feldforschung
vor Ort abzeichneten. Als Referenzbeispiel dient mehrheitlich das grosse extraktive
Ressourcenprojekt Mine Marlin. In einem zweiten Schritt werden die generellen Prinzipien
und Ziele der Begleitarbeit aufgezeigt und im Zusammenhang mit der Begleitung im Kontext
von Megaprojekten in Verbindung gebracht.
4.1
Konfliktfaktoren im Kontext des Megaprojektes Mine Marlin
Durch die Auswertung des Datenmaterials kristallisierten sich verschiedene Faktoren heraus,
die für die Konflikte mit Megaprojekten in Guatemala eine Rolle spielen:
•
Landkonflikte: ein Erbe aus früheren Zeiten
•
Partizipation: Exklusion der betroffenen Bevölkerung
•
Rolle des Staates und der transnationalen Unternehmen
•
unterschiedliche Vorstellungen von Entwicklung
4.1.1 Landkonflikte
Die historische, politische, soziale und ökonomische Dimension der Agrarprobleme in Bezug
auf die Kolonialzeit, den Bürgerkrieg und die Entwicklungen nach den Friedensabkommen im
Zuge der neoliberalen Wirtschaftsentwicklung, wurde in vorhergehenden Teilen bereits
angesprochen, wie auch als Potenzial für soziale Konflikte erkannt. Diese Erkenntnisse
werden in der Folge in Verbindung mit den Forschungsresultaten verglichen und diskutiert.
Die Konflikte mit Agrarproblemen können in zwei Ebenen unterteilt werden: Die Forderung
65
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
nach Boden und die Verletzung der Arbeitsrechte.328 Diese Ebenen bilden eine Basis für die
Konflikte rund um Megaprojekte. Auf die Auswirkung dieses Konfliktpotenzials im
Megaprojektkontext soll nun eingegangen werden.
Der kanadische Botschaftsvertreter in Guatemala sieht den Grund für die vielen Konflikte im
Zusammenhang mit Megaprojekten als ein weltweites Phänomen, da es vor allem um Land
geht.329 Die während dem Bürgerkrieg entstandenen Landkonflikte werden heute mit
Megaprojekten, die wiederum denselben Boden betreffen, weitergeführt. Es gibt Stimmen in
Guatemala, die sagen, dass zwischen den Massakern während des Bürgerkrieges und den
heute aktuellen Megaprojekten ein Zusammenhang bestehe, da an den Orten, wo Massaker
verübt wurden, heute oft ein Megaprojekt gebaut werde oder vorgesehen sei.330 Fest steht, der
bewaffnete Konflikt hinterliess Landkonflikte, und auf diesem Konfliktland werden heute
Megaprojekte geplant/gebaut, was die Landkonflikte verstärkt und neues Konfliktpotenzial
schafft. Dieses Konfliktpotenzial um Land wird auch durch die in Kapitel 2.8 aufgeführten
Analysen von UDEFEGUA gegen Menschenrechtsverteidiger bestätigt, die aufzeigen, dass
gerade die Attacken gegen Bauern in den letzten Jahren quantitativ wie qualitativ stark
zugenommen haben.
Der Rechtsstreit um den Boden zieht sich fort. Mit den Megaprojekten treten transnationale
Wirtschaftsunternehmen als neue Akteure in Erscheinung, die über finanzielle Mittel
verfügen und den Boden leicht aufkaufen können. In den Regionen mit vermehrtem
Vorkommen an natürlichen Ressourcen wird laut UDEFEGUA mit dem Land Handel
getrieben. Die Landpreise sind dadurch stark gestiegen. Oft wird das Land auch von einer Art
Zwischenhändlern (Strohmann) gekauft und dann an ein Unternehmen, das ein Megaprojekt
plant, weiter verkauft. Gerade bei den im ersten Teil der Arbeit erwähnten Monokulturen,
führen die Landkäufe zu Konflikten. Die Bauern erhalten zum Teil Drohungen, wenn sie ihr
Land nicht verkaufen wollen. Manchmal wird ihnen das Land einfach weggenommen oder sie
werden genötigt zu verkaufen.331 Die Forschungen der Autorin im Gebiet der Goldmine
Marlin bestätigen diese Konfliktgründe rund um den Boden. Indigene Bauern, die dem
kanadischen Unternehmen Goldcorp Land verkauften, sagen einerseits, dass sie beim
Landverkauf teils nicht richtig darüber informiert wurden, was mit dem Land geschieht und
328
329
330
331
Vgl. Fundación Myrna Mack (2006), Crisis de gobernabilidad, S. 2, Online-Version.
Interview B2, Zeilen 49-50.
Interview K1, Zeile 11-21.
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 17.
66
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
andererseits fühlen sie sich vom Unternehmen betrogen, da das Land viel mehr wert habe, als
man ihnen bezahlte und als Folge eine höhere finanzielle Entschädigung fordern.
Gerade in einer Gesellschaft wie Guatemala, wo ein Grossteil der Bevölkerung von der
Subsistenzwirtschaft lebt und davon abhängig ist, können die ökologischen Folgen für den
Boden die Existenz gefährden.
4.1.2 Partizipation und Mitbestimmung versus Exklusion
In diesem Unterkapitel soll die Frage beantwortet werden, weshalb sich die betroffene
Bevölkerung bei Megaprojekten ausgeschlossen fühlen und wie sie auf die Exklusion bei der
Mitbestimmung reagieren. Denn gerade bei diesen Reaktionen stellt sich für CAIG-Acoguate
die Frage, ob und wie international begleitet werden kann.
Auf die Ausführungen des ersten Teils dieser Arbeit gestützt, kann generell davon
ausgegangen werden, dass Modernisierungsideologien (assoziiert mit Kolonialismus,
kapitalistische Entwicklung und Globalisierung) von Gesellschaftsakteuren, die eine
Megaprojektentwicklung
fördern,
eine
schnelle,
massive
Landschaftsveränderung
begünstigen, wobei die potenziell betroffene Bevölkerung bei der Entscheidungsfindung
ausgeschlossen wird.332 Dies bestätigt auch die Koordinatorin von CAIG-Acoguate, die das
Problem in der fehlenden Repräsentation der indigenen Zivilbevölkerung in politischen
Institutionen sieht, ohne die vorhandene Bedürfnisse wenig Gehör finden.333 Hier spielt die
Frage nach dem Recht auf Mitbestimmung und Partizipation an Entscheidungsprozessen mit.
Die Leute möchten mitbestimmen, was mit ihrem Boden, ihrem Wasser in ihren Gemeinden
geschieht, werden jedoch von staatlicher Seite nicht erhört. Da die Bevölkerung auf dem Land
abgelegen lebt, arm ist und über eine schlechte Bildung verfügt, ist es für sie enorm
schwierig, in den Hauptort ihres Departements zu reisen und ihre Rechte einzufordern.
Bei der Konsultation der lokal betroffenen Bevölkerung stehen Aussage gegen Aussage. Die
Unternehmen und der Staat sprechen ihrerseits von einer erfüllten Konsultationspflicht,
während Megaprojektgegner diese kritisieren. Lokale und internationale Aktivisten kritisieren
an der Vorgehensweise, dass die betroffene Bevölkerung nicht genügend über mögliche
Auswirkungen und Konsequenzen eines Megaprojektes informiert werde. Die Koordinatorin
von CAIG-Acoguate meint dazu, dass die Unternehmen von Megaprojekten zwar sagen, dass
sie die lokale Bevölkerung konsultieren, doch es sich in Wirklichkeit nicht um
332
333
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 20, Online-Version.
Interview K1, Zeile 114-117.
67
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Konsultationssitzungen, sondern um Informationssitzungen handle.334 Magali Rey Rosa,
guatemaltekische Umweltaktivistin der NGO Madre Selva, reichte bei der Internationalen
Finanzgesellschaft (ein Arm der Weltbank) Klage ein gegen die Vergabe der vielen
Lizenzbewilligungen im Land und argumentierte, dass die Projektberichte, die den indigenen
Gemeindeführern präsentiert wurden, nicht genügend bewusst machen, welche möglichen
negativen Auswirkungen das Projekt Mine Marlin haben könnte. Damit wird die
Konsultationsweise der Weltbank kritisiert, die laut internen Vorgaben der Weltbank und der
ILO-Konvention 169 gefordert wird.335 Die Koordinatorin von CAIG-Acoguate erzählte, dass
in einem Fall in der nördlichen Region, in der das Wasserkraftwerk Xalalá geplant ist, die
Leute nicht wissen, dass die vom Wasserwerk produzierte Elektrizität primär nicht dazu
dienen wird, die Gemeinde mit Strom zu versorgen, sondern ins Ausland exportiert wird.336
Eine sich im Widerstand gegen die Mine Marlin befindende Person sagte in einem Interview
aus, dass sich seit Beginn der Minenarbeit 2005 die negativen Auswirkungen schrittweise
zeigten. Als sich das Minenunternehmen erstmals präsentierte, habe niemand daran gedacht,
wie sich die Situation entwickeln könnte. Die Person spricht in ihren Ausführungen von
„engaños que se utilizó“, was heissen würde, dass sich das Minenunternehmen durch
ungenügende oder falsche Information Land erschwindelt. Die Bevölkerung sei sich nie über
die Folgen des Projektes bewusst gewesen. Es sei nicht die notwendige Information mitgeteilt
worden. Man habe die Bevölkerung hinters Licht geführt, indem man sie Dokumente habe
unterschreiben lassen, damit das Unternehmen eine Bewilligung für die Rohstoffausbeutung
erhielt.337
Die kanadische NGO „Rights Action“ informierte an einer Sitzung338 mit indigenen
Gemeindevertretern in San Miguel Ixtahuacan über einen von Kanadiern und anderen NGOs
unterzeichneten Brief339 an die kanadische Botschafterin in Guatemala, die seit 2008 neu im
Amt ist. Der Brief besagt unter anderem, dass laut guatemaltekischem Gesetz bei grösseren
Projekten mit der Bevölkerung eine Einigung getroffen werden muss, da die Indigenen in der
guatemaltekischen Verfassung einen speziellen Status zur Anerkennung ihrer Lebensweise
haben. „Rights Action“ sieht als Konsequenzen der Nicht-Konsultation der Bevölkerung
334
335
336
337
Interview K1, Zeile 134.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 48.
Interview K1, Zeile 134-137 .
Vgl. Interview BP5, Zeile 13-26.
338
Die Sitzung im Rahmen der Alcaldia Indigena, auf die in diesem Kapitel noch eingegangen wird, wurde von zwei internationalen
Freiwilligen von CAIG-Acoguate begleitet fand am 23.11.2008 in San Miguel Ixtahuacan mit ca. 100 Teilnehmern statt, darunter knapp 60
Bürgermeister aus dem Municipio San Miguel Ixtahuacan.
339
Siehe Anhang A.8: Brief von NGOs an die kanadische Botschafterin, S. 132.
68
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
durch den Staat, dass sich die Bevölkerung nicht nach ihrem eigenen Verständnis entwickeln
kann. Es seien Folgen für Gesundheit und Umwelt zu beklagen, wie auch Folgen für das
gesellschaftliche Zusammenleben, da Familien und Gemeinden erneut gespalten würden.
Der Frage nachzugehen, welche der Konfliktparteien im Recht steht, ist nicht Ziel dieser
Arbeit und würde ihren Rahmen sprengen. Die Autorin erlebte selber, dass bei
Konfrontationen zwischen den Konfliktparteien oft Aussage gegen Aussage steht, weil
unterschiedliche Informationen für Verwirrung sorgen. Da nirgends genau festgehalten ist wie
konsultiert werden muss und was geschieht, wenn es bei einer Konsultation keine
Übereinkunft zwischen Staat/Unternehmen und der konsultierten Bevölkerung gibt, wird eine
Unsicherheitslage geschaffen, von der auch die internationale Begleitarbeit betroffen ist.
Denn bei der Analyse der Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten ist eine Orientierung
an klaren Menschenrechtsrichtlinien schwierig, wenn keine Attacken und Drohungen gegen
Menschenrechtsaktivisten vorliegen und der Entscheid, ob in diesem Kontext begleitet
werden kann/soll oder nicht, verstärkt subjektiver Interpretation und Auslegung unterliegt.
Beantwortet werden soll nun die Frage, wie die von Megaprojekten Betroffenen auf die
Exklusion reagieren. Die Volksbefragungen, die so genannten „Consultas Populares“, sind
eine Reaktionsform auf die Exklusion bei der Mitbestimmung von Megaprojekten. Im Juni
2005 wurde in Guatemala erstmals eine „Consulta Popular“ durchgeführt und die
Bevölkerung der Gemeinden im Municipio Sipacapa (Departement San Marcos) sprach sich
gegen die Präsenz der Mine Marlin aus.340 Im Bericht über die Menschenrechtssituation von
2004-2005 verschiedener zentralamerikanischer Menschenrechtsorganisationen, wird zur
ersten „Consulta“ bemerkt, dass weder das Unternehmen, noch die Regierung grosses
Interesse gegenüber dem Resultat der Veranstaltung zeigten, an der 98% der
Gemeindemitglieder teilgenommen haben. Zwölf der dreizehn Gemeinden des Municipios
Sipacapa haben sich klar gegen die Mine Marlin ausgesprochen.341 Im Municipio San Miguel
Ixtahuacan, auf dessen Territorium sich der Grossteil der Minentätigkeit abspielt, wurde
bisher noch keine „Consulta“ durchgeführt. Die Minengegner in San Miguel Ixtahuacan
planen eine „Consulta“, der eine Informationskampagne vorausgehen soll, um, wie die
interviewte Person im Widerstand argumentiert, einen Ausgleich herzustellen, indem in allen
Gemeinden des Municipios beide Seiten der Minentätigkeit bekannt werden.342 Die
Minengegner erhoffen sich durch eine Volkskonsultation, dass sich die Mehrheit der
340
341
342
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 48.
Vgl. Federacion Luterana Mundial (2006), Centroamerica 2004-2005, S. 48.
Vgl. Interview BP5, Zeile 206-212.
69
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Gemeinden im Municipio San Miguel Ixtahuacan gegen die Mine aussprechen und damit der
weitere Landkauf und die Ausbreitung des Unternehmens gestoppt werden kann. Andere
Minengegner erhoffen sich sogar die Schliessung der Mine, was eher unwahrscheinlich ist.
Denn das Unternehmen verfügt noch über mehr Lizenzen, die eine Ausbeute von Rohstoffen
in anderen Gemeinden des Municipios San Miguel Ixtahuacan ermöglichen, wenn das
Unternehmen das Land kaufen kann.343
Während des Einsatzes als internationale Begleiterin für die Menschenrechte konnte die
Autorin in San Miguel Ixtahuacan regelmässig an Treffen der so genannten „Alcaldia
Indigena“ teilnehmen. Die Wurzeln dieser indigenen Bürgermeister-Versammlung gehen
zurück in der Kolonialzeit. 2005 wurde die „Alcaldia Indigena“ im Municipio San Miguel
Ixtahuacan aufgelöst. Die Interviewten erklärten diese Aufhebung damit, dass die Behörden
Widerstand gegen die Mine verhindern wollten. Seit 2008 wurde die „Alcaldia Indigena“ von
Initianten der sozialen Bewegung gegen die Mine wieder ins Leben gerufen. Von den
Initianten wird diese Versammlung, dessen Gremium aus elf Bürgermeistern besteht, als
legitime Repräsentation der Gemeinden gesehen, die, im Gegensatz zu den staatlichen
Instanzen, das Volk und dessen Interessen vertrete.344 Der offizielle Bürgermeister wird durch
eine politische Partei und nicht durch das Volk gewählt und ist damit an das Parteiprogramm
gebunden. Das Volk werde dabei vergessen, so ein Initiant der „Alcaldia Indigena“.345 Denn
die offiziellen Gemeindeautoritäten würden auf die Interessen des politischen Systems, der
politischen Parteien und nicht auf die Bedürfnisse des Volkes antworten. Sie würden nur die
Interessen der übergeordneten Regierungsinstanzen erfüllen, vor denen sie sich fürchteten und
deshalb die Bevölkerung möglichst schweigsam und still halten. Die „Alcaldia Indigena“
hingegen, spiele eine wichtige Rolle, weil unabhängig von den externen Staatsinstanzen
Entscheidungen getroffen werden können.346 Diese Versammlung wird genutzt, um offen die
Bedenken und Auswirkungen zur Minentätigkeit zu besprechen und Massnahmen zu treffen.
Diese Vereinigung indigener Bürgermeister aus den angrenzenden Gemeinden des
Minengebietes wird als Instrument genutzt, den Widerstand zu organisieren und die
Interessen der indigenen Bevölkerung öffentlich vertreten zu können. Während des
Bürgerkrieges wäre diese soziale Bewegung vom Militärregime nicht geduldet worden und
noch heute werden dieselben gewalttätigen Mechanismen der Konfliktlösung wie im
Bürgerkrieg angewandt, um diesen aufkommenden Widerstand zu schwächen. Wie die
343
344
345
346
Vgl. Interview BP5, Zeile 206-219.
Vgl. Interview BP5, Zeile 74-78.
Vgl. Interview BP5, Zeile 88.
Vgl. Interview BP5, Zeile 78-83.
70
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Autorin dieser Arbeit bezeugen kann, wird versucht, mit Drohbriefen und Telefonaten die
Leute, die sich öffentlich gegen die Mine zu Wort melden, einzuschüchtern.
Verschiedene Akteure erklärten der Autorin, dass die landweiten Widerstandsbewegungen
gegen Megaprojekte die guatemaltekische Bevölkerung (insbesondere die Indigenen) das
erste Mal seit dem Bürgerkrieg wieder vereinen könnte. Diesen Prozess mit internationaler
Präsenz zu begleiten ist im Sinne des Friedensprozesses, wenn damit die Exklusion der
indigenen Bevölkerung vermindert und die demokratische Partizipation gestärkt werden kann.
4.1.3 Rolle des Staates und der (transnationalen) Wirtschaftsunternehmen
Staat und (transnationale) Wirtschaftsunternehmen wurden in dieser Arbeit bereits behandelt
und sollen hier anhand der Forschungsdaten unter dem Aspekt der internationalen
Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten nochmals durchleuchtet werden. Der Staat und
lokale Wirtschaftsunternehmen, die meist Unterfirmen von transnationalen Unternehmen
sind, werden im Kontext von Megaprojekten von verschiedenen Akteuren mit Drohungen und
Attacken gegen Menschenrechtsaktivisten in Verbindung gebracht. Was bedeuten die fragilen
Konstellationen, die im ersten Teil der Arbeit angesprochen wurden, für die internationale
Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten? Um dies beantworten zu können wird zuerst
auf die Rolle des Staates und danach auf diejenige (transnationaler) Unternehmen
eingegangen.
Einleitend soll eine Analyse von Amílcar Dávila E. (Direktor des Zentrums für
Humanistische Studien der Universität Rafael Landívar in Guatemala) dienen, die davon
ausgeht, dass der Staat eine Strategie der doppelten Agenda und Moral anwendet, was im
Zusammenhang mit Megaprojekten gut sichtbar wird. Diese Doppelagenda zeigt sich darin,
dass die Regierung die indigenen Rechte und kulturelle Anerkennung politisch umfangreich
entwickelte, doch gleichzeitig neoliberale Wirtschaftsreformen fördert, die für die indigene
Bevölkerung schwere Konsequenzen haben.347 Aus dieser Doppelstrategie entsteht ein
Ungleichgewicht, weil das auf staatlicher Ebene Vereinbarte nicht dem Handeln entspricht,
wobei mächtige Akteure eher davon profitieren. Das Ungleichgewicht im Kontext von
Megaprojekten und dessen Ursachen werden von Theorie und eigenen Forschungsdaten
gleichermassen bestätigt:
 Die beiden Mitarbeiter der UNESCO, Paul K. Gellert und Barbara D. Lynch, schreiben in
einem Artikel über Megaprojekte und Vertreibung, dass schwache Staaten meist nur den
347
Vgl. Amílcar (2006), Abordajes, concepciones y acciones, S. 1043, Online-Version.
71
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Akteuren des Privatsektors den Prozess ermöglichen, anstatt den Prozess fair zu steuern,
wovon in Guatemala infolge der Staatsfragilität ausgegangen werden kann.348
 Der kanadische Botschaftsvertreter sieht die Besonderheit im allgemeinen Konfliktkontext
Guatemalas nebst der post-konfliktiven Gesellschaft und der Regierungskrise, im
schwachen Staat, der keine Meditationsarbeit zwischen den Konfliktparteien mache, was
auch zu einem Ungleichgewicht im Kontext von Megaprojektkonflikten führt.349
 Der deutsche Botschaftsvertreter in Guatemala führt, wie bereits mit den theoretischen
Ausführungen von Rodolfo Stavenhagen erwähnt, den Grund für das Konfliktpotenzial bei
Megaprojekten auf den Status der Indigenen zurück, die sich durch die Megaprojekte
benachteiligt sehen, da sich die Regierung nicht genügend sensibel mit ihren Reklamationen
auseinandersetze. Die Regierung zeige keine Alternativen wie z.B. Umsiedlungs- und
Ausbildungsprojekte auf, denn die Interessen würden von der Oligarchie gesteuert. Es fehle
nicht nur an politischem Wille, sondern auch an einer fehlenden Kultur im Umgang mit
Problemen. Es fehle eine Verhandlungskultur und eine Dialogbereitschaft.350
 Die guatemaltekische Menschenrechtsaktivistin Claudia Virgina Samayoa ist der Ansicht,
dass die staatlichen Institutionen von privaten, ökonomischen Interessen geleitet und
durchdrungen sind.351
 Ein Interviewpartner aus der Minenregion sagte zur Rolle des Staates im Kontext der Mine
Marlin, dass dieser seine Aufgabe als Volksvertreter nicht wahrnehme. Der Staat habe die
konstitutionell verankerte Aufgabe die Entwicklung der Gemeinden zu fördern und nicht sie
zu zerstören. Der Staat sollte seiner Meinung nach das Wohlergehen der Bevölkerung
überwachen und im Sinne des Volkes entscheiden. Doch im Konflikt mit der Mine würde
die Regierung die Interessen einzelner weniger und des ausländischen Unternehmens
bevorzugen.352
 Der deutsche Botschaftsvertreter bemerkte im Interview, dass nebst dem Staat auch
internationale NGOs mit ihrer Hilfe eine Mitverantwortung tragen würden, da diese dem
Staat die Arbeit sozusagen abnehmen und Abhängigkeiten schaffen.353
 Das Ungleichgewicht ist auch in der Sicherheit der Bürger auszumachen. Die Bürger, die
sich in einer sozialen Bewegung gegen die Mine organisieren, können nicht auf einen
348
349
350
351
352
353
Vgl. Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 23, Online-Version.
Interview B2, Zeilen 51-56.
Interview B1, Zeilen 174-178; 197-199.
Vgl. Samayoa, Protegiéndonos ante las amenazas del Siglo XXI, S. 11.
Vgl. Interview BP5, Zeile 94-97.
Vgl. Interview B1, Zeile 200-201.
72
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
staatlichen Schutz zählen. Wer in irgendeiner Form opponiert, muss mit Drohungen und
Unterdrückung rechnen und wird von offiziellen Autoritäten wie der Polizei nicht geschützt,
dies bestätigen mehrere Zeugenaussagen in Interviews. Das Minenunternehmen wird von
der Armee und der Polizei zum Schutz bewacht.354 Die öffentliche Sicherheit reagiere laut
einem Interviewpartner auf ökonomische Interessen und nicht auf die Interessen der Bürger,
denn wenn jemand in einem abgelegenen Dorf erschossen werde, komme die Polizei oder
das Militär nicht, doch das Minenunternehmen werde jeden Tag bewacht, weil es um Geld
und ökonomische Interessen gehe. Das menschliche Leben aber zähle nicht viel.355
 Auch bezüglich dem Justizwesen scheint ein Ungleichgewicht im Kontext von
Megaprojekten (Wirtschaftsinteressen) vorzuherrschen. Infolge einer Konfrontation
zwischen Minenangestellten und lokalen Minengegnern 2007 funktionierte das Justizsystem
schnell und effizient und es kam innert kurzer Zeit zu zwei Haftbefehlen und Verfahren
gegen sieben Minengegner, die Minenarbeiter angegriffen haben sollen. Es wurden in einem
ersten Gerichtsprozess hohe Geldstrafen und eine hohe Anzahl Haftjahre (9 und 14
Jahre)ausgesprochen, die schlussendlich in zwei Haftjahre und geringere Geldstrafen
umgewandelt wurden.356 Mit diesem Vorgehen scheint der Staat mit Exempeln vor
Auflehnungsvorhaben gegen die Mine abschrecken zu wollen.
Welche Rolle spielen Wirtschaftsunternehmen insbesondere transnationale Unternehmen im
Begleitkontext von Megaprojekten?
Der guatemaltekische Staat ist grundsätzlich daran interessiert, dass Guatemala als sicheres
Land gilt, damit ausländische Firmen und Institutionen in das Land investieren.
Die Forscher des internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) bezeichnen die (meist
externen) Unternehmen von Ressourcenprojekten als relativ starke Akteure, deren
Kapitalkraft, Technologie und Know-How, für die Realisierung von Megaprojekten
unabdingbar sind und aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung wichtige Akteure im
nationalen Kontext sind. Gerade arme, ressourcenabhängige Entwicklungsländer seien für
ihre wirtschaftliche Entwicklung auf sie angewiesen.357 Damit ausländische Investoren und
internationale Unternehmen nach Guatemala kommen, werden möglichst attraktive
Rahmenbedingungen geschaffen. Darunter fallen auch die so genannten „regalías“
354
355
Interview BP5, Zeile 125-128.
Interview BP5, Zeile 130-135.
356
Vgl. La Coordinación de Acompañamiento Internacional en Guatemala, Juicio de la empresa minera Montana contra siete campesinos
maya Mam, Sonntag 23. Dezember 2007, Online-Version.
357
Vgl. Volker/Volker/Krieger (2007): Ressourcen und Konflikte, S. 6-7, Online-Version.
73
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
(Lizenzgebühren), die im Falle Guatemalas 1% des Gewinns ausmachen. Minengegner
kritisieren, dass das Unternehmen Goldcorp riesige Profitsummen aus verarmten IndigenenGemeinden ziehe und nur wenig zurückgebe.358 In einem Dokument des Ministeriums für
Energie und Minen (MEM) wird zum Gewinn für das Land folgendes geschrieben:
„Es importante mencionar, que la producción o extracción de minerales en el país no genera
únicamente ingresos para el Estado, ya que las municipalidades de las áreas en las que se
ubican los diferentes derechos mineros, también perciben el medio por ciento (0.5%) sobre la
explotación realizada por las empresas. En este sentido, las regalías pagadas a las
municipalidades en el 2006 experimentaron un crecimiento de 375.3%, pues las mismas
pasaron de Q 0.98 millones a Q 4.7 millones durante el año en análisis, incremento que
canalizado de forma correcta, permitiría una mejoría en el desarrollo y bienestar de las
comunidades en las que se llevan a cabo los proyectos mineros.“359
Für den Staat sind die Einnahmen aus dem Minenprojekt Marlin, als zweitgrösste
Steuereinnahmequelle, eine wichtige Einnahmequelle für Guatemala. Inwiefern die
Bevölkerung von diesem Geld profitiert, ist eine andere Frage. Laut dem kanadischen
Botschaftsvertreter wird dieses Geld nicht in die Verbesserung der Lebensgrundlage der
Bevölkerung investiert.360 In einem korrupten Land, stellt sich deshalb die Frage, wem diese
Einnahmen zu Gute kommen.
In Guatemala ist zu beobachten, dass nebst NGOs auch transnationale Unternehmen die
Aufgaben des Staates übernehmen, indem sie die öffentliche Infrastruktur finanzieren,
Lehrpersonen bezahlen und Schulen, Gesundheitsposten und Strassen bauen. Ein
Unternehmen, das ein Megaprojekt plant, ist gemäss ILO-Konvention 169 verpflichtet, die
Bevölkerung zu konsultieren. Betroffene der Mine Marlin erzählten der Autorin, dass das
Minenunternehmen den Gemeinden, auf deren Land sie vom Staat eine Lizenz zur
Ausbeutung von Rohstoffen erhielten, zuerst kleinere Projekte anbiete (Schulgebäude,
Schutzmauern), damit die Bevölkerung das Minenprojekt nicht in Frage stellt, wenn sie dann
für eine Bewilligung zur Ausbeute konsultieren. Die Absicht dahinter wird von den
Minengegnern als „Leute manipulierend“ und „Gewissen der Gemeindeführer kaufend“
verstanden, damit die Finanzierten ihre Stimme gegen die Mine nicht mehr erheben können.361
Die Mine investiert viel Geld in Werbung (grosse Plakate finden sich auch in der Hauptstadt)
und Informationskampagnen. Sie wirbt mit Arbeitsplätzen und der Verbesserung der
Infrastruktur. Die Frage, was diese Unternehmen für ihre Finanzhilfen als Gegenleistung vom
Staat erhalten, lässt vermuten, dass der Staat dem Unternehmen einen grossen Spielraum lässt
358
359
360
361
Vgl. BBC-News, Canadian mine accused of causing skin infections, 11 März 2009, Online-Version.
Ministerio de Energía y Minas, Anuario Estatistico 2006, Online-Version.
Interview B2, Zeilen 60-63.
Interview BP5, Zeile 115-121.
74
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
und diese vor der betroffenen Bevölkerung schützt. Damit wird die Staatskontrolle an
Privatunternehmen abgegeben.
Die Absicht hinter diesen Finanzierungen ist auch als Köderung von Projektinvestoren und
Rechtfertigung gegenüber diesen und anderen Institutionen zu sehen.
Auf den ersten Blick und auf kurze Frist sieht die Rolle der Wirtschaftsunternehmen mit
Megaprojekten gut aus, da Strassen gebaut, Schulen errichtet, Abwasserkanäle gebaut und
Arbeitsplätze geschaffen werden und sich dadurch die Lebenssituation der lokalen
Bevölkerung verbessert. Doch im Hinblick auf langfristige, nachhaltige Entwicklung muss
bedacht werden, dass diese Arbeitsplätze und der Infrastrukturaufbau auch in einem
Abhängigkeitsverhältnis zum Megaprojekt-Unternehmen stehen. Was wird in zehn Jahren
sein, wenn die Goldmine Marlin schliesst? Haben dann viele keinen Boden mehr, da sie
diesen an das Minenunternehmen verkauften und damit ihre Existenzgrundlage verloren ging?
Wie steht es dann um die Qualität des Bodens und Wassers? Inwiefern ist nach so vielen
Jahren Tagabbau die Umwelt noch in Takt und der Boden bebaubar? Wird der Staat für die
Infrastrukturerhaltung aufkommen? Eine von der Mine Marlin betroffene Person meinte dazu:
„Lo que siempre he tenido que ver es conservar a los recursos naturales, porque de eso
dependemos, no tiene sentido la vida si ya no existen estos recursos. Si el agua ya no esta, si
el bosque ya no esta ya no tiene sentido la vida. Por más que tenga dinero en la bolsa, ya no
puede regresar el agua. De la tierra dependemos. Si solamente del aire podíamos vivir, en el
aire estuviéramos pero tenemos que consumir y de la tierra viene todo.“362
Diese Ausführungen zeigen auf, dass in der Vorgehensweise bei Megaprojekten in einem
Land mit tiefem Bildungsniveau, grosser Armut und einer hohen Analphabetenrate die Gefahr
besteht, dass die Bevölkerung sich nicht bewusst ist, welche Konsequenzen solche Projekte
für sie, ihre Umwelt und ihre Zukunft haben können. Unklar bleibt hier, ob transnationale
Unternehmen bewusst eine Strategie der minimalen Information fahren, also Information
vorenthalten, um weniger Widerstand zu produzieren und ihre Interessen besser durchsetzen
zu können. Fest steht, dass in einem Land wie Guatemala eine hohe Sensibilität von Seiten
der Unternehmen an den Tag gelegt werden muss, um bereits vorhandene Konflikte zu
verstärken oder neue Konflikte hervorzurufen.
Im Fall der Mine Marlin wird dem Unternehmen Goldcorp von guatemaltekischen Gruppen
wie internationalen NGOs vorgeworfen, dass die Mine Gesundheitsschäden bei der
Bevölkerung
362
verursache,
unfaire
Praktiken
beim
Landkauf
anwende,
es
zu
Interview BP5, Zeile 199-203.
75
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Menschenrechtsverletzungen komme und die Minentätigkeit zu Umweltschäden führe.363 Der
interviewte Mitarbeiter des Ministeriums für Energie und Minen vertrat den Standpunkt, dass
Dank höchsten Sicherheitsmassnahmen keine Risiken für Mensch und Umwelt bestehen.
Auch
Goldcorp
weist
jegliche
Kritiken
zurück,
entschied
jedoch
2008
einen
Menschenrechtsbericht zu verfassen. Bill Brassington, der Chef einer kanadischen
Gewerkschaftspensionskasse, die in Goldcorp investiert, lancierte die Idee dieses Komitees
(HRIA) und äussert sich recht optimistisch, „(...) that the process is building trust and that
community groups ‚seem positive’.“364 Das Kanadische Beratungsunternehmen „Common
Ground“ wird diesen Bericht verfassen. Der Professor Douglas Cassel der amerikanischen
Universität Notre Dame des Zentrums für „Civil and Human Rights“ lehnte das Angebot von
Goldcorp ab mit der Begründung: „We were not confident that the terms set down by
Goldcorp would result in a full and independent picture emerging.“365
Kritiker vermissen beim Komitee HRIA, dass bisher kein Einbezug der Maya-Gemeinden
stattgefunden hatte, sie weder konsultiert, noch im Komitee repräsentiert seien. Die begleitete
Person im Widerstand gegen die Mine äusserte sich gegenüber der Autorin dieser Arbeit
ebenfalls skeptisch gegenüber dem Vorhaben Goldcorps und erwartet keinen unabhängigen
Bericht, da das Minenunternehmen die Firma „Common Ground“ bezahlt.
In Bezug auf die Frage nach dem Beitrag von Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten
kann aus den Kapitelausführungen abgeleitet werden, dass die Fragilität des Staatssystems
Guatemalas
für
eine
schwache
Prozesssteuerung
zugunsten
der
transnationalen
Wirtschaftsunternehmen spricht, wobei dadurch für die internationale Begleitarbeit die
Legitimation
entsteht,
dem
aufgezeigten
Machtungleichgewicht
zwischen
Staat/(transnationalen) Unternehmen und Menschenrechtsaktivisten mit Präsenz und
Beobachtung entgegenzuwirken, falls Menschenrechtsverteidiger dies wünschen.
Die angesprochene Dialogbereitschaft, die von Staatsseite fehlt, führt zur Frage, ob die
Begleitarbeit eine Vermittlerrolle einnehmen soll. Darauf wird in einem Folgenden Kapitel zu
den Prinzipien der Begleitarbeit näher eingegangen.
4.1.4 Unterschiedliche Visionen zu Entwicklung
Die Auswertungen der Forschungsdaten haben ergeben, dass unterschiedliche Vorstellungen
363
364
365
Vgl. BBC-News, Canadian mine accused of causing skin infections, 11 März 2009, Online-Version.
BBC-News, Canadian mine accused of causing skin infections, 11 März 2009, Online-Version.
BBC-News, Canadian mine accused of causing skin infections, 11 März 2009, Online-Version.
76
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
zur Entwicklung des Landes bestehen, die zum Konflikt beitragen. Ein Grund für diese
unterschiedlichen Ansichten ist auch in der Mayakultur zu sehen, die, wie bereits dargelegt,
diskriminiert wird. UNESCO-Experten Paul K. Gellert und Barbara D. Lynch halten in ihrem
Artikel über Vertreibung durch Megaprojekte fest, dass die Kombination von Rassismus und
Modernisierungsideologien diskriminierende Auswirkungen haben. Sie erklären dies
folgendermassen:
„The biases toward progress and freeing of labour from the land inherent in modernisation
ideology will be prejudicial to societies most dependent on the ecological status quo ante for
their livelihoods, occupations seen as ‚primitive’, and individuals in society who are least
able to pick up and move.“366
Die Unterschiedlichkeit der Visionen zu Entwicklung innerhalb der guatemaltekischen
Bevölkerung hängen laut dem Anwalt von CALDH auch von den Generationen ab. Ältere
Generationen, die mit der Natur und in einer selbstgenügsamen, selbsterhaltenden Welt leben,
würden sich solchen Entwicklungsprojekten sofort widersetzen. Jüngere Generationen, die in
die Stadt gingen, um Geld zu verdienen, befürworten diese Projekte eher, da sie sich Arbeit
erhoffen.367
Megaprojekte werden von den Befürwortern, wie auch der kanadische Botschaftsvertreter
sagte, als Chance für ökonomische Entwicklung und Fortschritt gesehen.368 Dass Entwicklung
zur Verbesserung des Lebensstandards in Guatemala eine Notwendigkeit ist, haben die
Zahlen zur Armut aufgezeigt.
Die Gegner der Megaprojekte verstehen unter Entwicklung etwas anderes. Für die eine
interviewte, indigene Person, ist es unwürdig, im Umfeld der Mine Marlin leben zu müssen.369
Eine interviewte, indigene Person erklärte, dass in der Weltanschauung der Mayas alles heilig
ist, alles einen Wert hat und alles vom anderen abhänge. Wenn also ein Teil der Natur
verschwinde, dann würde diese Abhängigkeitskette zerstört. Wichtig sei das Gleichgewicht
zwischen Mensch und Natur. Die Person erklärt ihre Motivation, sich gegen die Mine stark zu
machen, mit dieser traditionellen Maya-Vorstellung, dass die Zerstörung des Ökosystems
keine Zukunft bringe. Wenn der Mensch etwas des Ganzen zerstöre, dann würde er sich
selber töten, und dies sei der Bevölkerung teils nicht bewusst.370 Mit der von der Regierung
vorgegebenen Entwicklung gehe die eigene Identität, das kulturelle Maya-Erbe, verloren und
die Menschen würden mehr für ihr eigenes Wohlbefinden schauen, indem ökonomische
366
367
368
369
370
Gellert/Lynch (2003), Mega-projects as displacements, S. 23, Online-Version.
Vgl. Interview BP1, Zeile 267f.
Vgl. Interview B2, Zeile 58-63.
Vgl. Interview BP5, Zeile 23.
Vgl. Interview BP5, Zeile 139-152.
77
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Ambitionen entwickelt würden.371 Die interviewte Person sieht den Grund für diesen
gesellschaftlichen Wandel im Bildungssystem, das nicht der realen Lebenswelt der Indigenen
entspreche:
„Un sistema que desde la escuela nos enseña otras cosas, que a veces no son coherentes con
nuestra vida real, nos cambia psicológicamente, nos hace ver el mundo de otra manera, nos
hace llevar a otras dimensiones y no nos enseñas a donde vivimos. El sistema educativo
debería apuntar a que yo conozca a mi comunidad, a mi pueblo, a como vive. Pero no, me
lleva a tecnologías modernas, me enseña los ríos de Europa, tal personaje extranjero de tal
país. (...). Eso hace que el ser humano pierda toda una herencia cultural que tiene, se olvida
de su gente. El modernismo es bueno pero no es todo.“372
Für Personen, die sich gegen die Megaprojekte aussprechen, kann nicht von Entwicklung und
Gerechtigkeit gesprochen werden, wenn nur eine Minderheit der Bevölkerung (meist die Elite
des Landes) von der Modernisierung/Technologisierung der Wirtschaft profitiert und der
Grossteil weiterhin diskriminiert und ohne Fortschritt bleiben.
Die unterschiedlichen Ansichten über Entwicklung spielen in der Begleitarbeit vor allem in
Bezug auf das Unparteilichkeitsprinzip eine Rolle, auf das in einem folgenden Kapitel
eingegangen wird.
4.2
Begleitarbeit von CAIG-Acoguate im Kontext von Megaprojekten
Mit den Megaprojekten entstand auch für die internationale Begleitarbeit eine neue Dynamik,
die vor allem durch die bereits erwähnten Volksbefragungen („Consultas“) entstand. Die
Anwesenheit internationaler Begleiter bei den „Consultas“ war ein Novum für CAIGAcoguate und löste ab Juni 2005 innerhalb des Komitees CAIG Diskussionen aus zum Thema
Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten.373 Die Gemeinden baten um internationale
Beobachtung an den „Consultas“ und die Unterzeichnung der Abstimmungsakte, die von
CAIG-Acoguate nicht unterschrieben wurde. Die „Consultas Populares“ fanden zu einer Zeit
statt, als die Präsenz internationaler Gruppen kriminalisiert wurde. Es wurde gesagt, dass die
Ausländer mit diesen Volksbefragungen ihre okzidentalen Projekte und politischen Prozesse
nach Guatemala brächten und den Lokalen diese Idee überstülpten. Diese Argumentationen
fand man laut der Projekt-Koordinatorin vor allem 2005 bis 2007.374 2008 haben sich diese
Vorwürfe wieder gelegt und das Verfassungsgericht fällte den Entscheid, dass die
371
372
373
374
Vgl. Interview BP5, Zeile 155-161.
Interview BP5, Zeile 162-169.
Siehe Anhang A.14: Chronologie Begleitarbeit in Guatemala, S. 144.
Interview K1, Zeile 378-383.
78
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
„Consultas“ legal sind, jedoch nicht verbindlich. Dies gab der internationalen Präsenz die
Legitimation anwesend zu sein.
Alle interviewten Personen erachten die Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten
grundsätzlich als möglich und sinnvoll. Über die Art und Weise wie und warum begleitet
wird und werden soll, bestehen hingegen unterschiedliche Ansichten.
Mit der Auswertung der Forschungsdaten hat sich abgezeichnet, dass sowohl die
Organisationsvertreter in CAIG wie auch die Freiwilligen damit rechnen, dass in Zukunft
vermehrt Begeleitanfragen im Kontext von Megaprojekten eingehen werden. Dieser Wandel
in der Begleitarbeit ist angesichts der neoliberalen Wirtschaftsentwicklung und der
zunehmenden Gewalt und Diskriminierung von Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, zu
erwarten. Die Begleitung im Kontext von Megaprojekten geschah bei CAIG-Acoguate
mehrheitlich fliessend innerhalb der Largo Plazo-Begleitung, da viele der seit Jahren
besuchten
Gemeinden
mit
AJR-Mitgliedern
auch
von
der
neoliberalen
Wirtschaftsentwicklung und den damit verbundenen Megaprojekten, wie der Planung von
Wasserkraftwerken und dem Anbau von Monokulturen, betroffen sind. Anders ist es im Falle
der Begleitung einer einzelnen Person im Widerstand gegen die Mine Marlin, die neu dazu
kam und zum Corto-Plazo gezählt wird. Angefangen hat die Begleitung von CAIG-Acoguate
im Kontext der Goldmine Marlin mit der internationalen Präsenz an indigenen
Volksversammlungen (Consultas Populares375).376
Um beantworten zu können, welchen Einfluss das Phänomen Megaprojekte auf die
internationale Begleitarbeit hat, soll in der Folge aufgezeigt werden, mit welchen Prinzipien
und Zielen CAIG-Acoguate arbeitet und wie sich diese Prinzipien und Ziele in der
internationalen Begleitung im Kontext von Megaprojekten verhalten. Als Grundlage dienen
die Aussagen verschiedener Akteure, die sich zur Begleitarbeit im allgemeinen und im
spezifischen im Kontext von Megaprojekten äusserten.
Die Auswertungen377 der Interviews mit Freiwilligen zeigen, dass:
•
die einzelnen Organisationen in CAIG-Acoguate, abgesehen vom gemeinsamen
Begleitprojekt Acoguate sehr unabhängig arbeiten. Die einzelnen Organisationen
machen je nach zur Verfügung stehenden finanziellen wie personellen Ressourcen
eine unterschiedlich starke politische Arbeit378 und versuchen die Bedürfnisse und
375
376
377
Spanisch und bedeutet auf Deutsch übersetzt: Volksbefragung.
Siehe Anhang A.14:Chronologie Begleitarbeit in Guatemala, S. 144.
Siehe Dokument „Auswertungstabellen“ auf CD, Tabelle Freiwillige, Punkte 1-4.
378
Die politische Arbeit der NGOs umfasst Lobbyarbeit, Austausch mit Botschaften, Eilbriefaktionen, Aufklärungsarbeit im Herkunftsland
etc. Darauf wird in einem der folgenden Kapitel noch näher eingegangen.
79
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
„Kämpfe“ der Bevölkerung direkt zu unterstützen, indem sie mit unterschiedlichen
lokalen und internationalen Institutionen zusammenarbeiten. Bei den Organisationen,
mit denen sie in Guatemala zusammenarbeiten und durch das Begleitprojekt Acoguate
sammeln sie Informationen, analysieren und verbreiten diese in ihren Kanälen auf
nationaler und internationaler Ebene. Die einzelnen Organisationen können im
Gegensatz
zu
CAIG-Acoguate
öffentlich
eine
stärkere
Meinung
für
die
Menschenrechte vertreten. CAIG-Acoguate selbst beschränkt sich auf die Hinweisung
von Menschenrechtsverletzungen.
Immer wieder kommt es auch zu gemeinsamen Aktionen:
-
Versand von Briefen an guetamaltekische Institutionen und Botschaften, um über
eine besorgniserregende Situation aufmerksam zu machen und zum Handeln
aufzufordern
-
Rundreisen von Betroffenen im Ausland werden gemeinsam organisiert, welche
über die Geschehnisse in Guatemala informieren.
•
die Freiwilligen aus den verschiedenen Organisationen oder Solidaritätsgruppen mit
sehr unterschiedlichen Voraussetzungen im Begleitprojekt arbeiten. Dies zeigt sich
auch in der Zusammenarbeit mit ihrer Organisation. Es gibt Freiwillige, die gar keine
Verpflichtungen haben und andere, die regelmässig Artikel produzieren und Mails
verschicken müssen. Die Ausbildung im Herkunftsland ist von unterschiedlicher
Dauer und Intensität und reicht von Dokumente zugeschickt erhalten (GSN) bis zu
vier Wochen intensiver Ausbildung (Swefor).
4.2.1 Rollendefinition einer internationalen Begleitperson379
Das generelle Rollenverständnis internationaler Begleitpersonen zeigt, wie auch im Kontext
von Megaprojekten begleitet wird und hilft den möglichen Beitrag zu konkretisieren.
Die Freiwilligen zählen folgende Punkte zu ihrer Rolle und ihren Aufgaben als Begleitperson:
-
379
sich bei den Begleiteten über Sicherheitslage erkunden
wertfreie Haltung einnehmen
unparteiische Rolle/ Nicht-Einmischung (keine Stellung beziehen, nicht werten, nicht
über andere richten)
nur Beobachterstatus
Professionalität (keine persönlichen Sympathien zeigen, keine Freundschaften zu
Begleiteten aufbauen, emotionale Distanz)
durch Präsenz politischen Raum öffnen, damit die Menschen ihre
Beschwerden/Anliegen vorbringen können
Siehe Dokument „Auswertungstabellen“ auf CD, Tabelle Freiwillige, Punkt 8.
80
Masterarbeit
-
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
durch die Ermöglichung eines politischen Raumes einen demokratischen Prozess in
Bewegung setzen
präsent sein, damit die begleiteten Personen ohne sich zu gefährden in Opposition
gehen können
präsent sein um Gewaltkonflikt zu verhindern
Abschreckung (vor Menschenrechtsverletzungen abschrecken)
Informationsverbreitung: über die Situation in Guatemala informieren
Informationsübermittler zwischen Begleiteten (Gemeinden, Personen) und
Organisation
darauf aufmerksam zu machen, welche Menschenrechte nicht eingehalten werden
moralische Unterstützung
Solidarität zeigen
Zuhören
Nicht zu ihrer Rolle und ihren Aufgaben zählen sie:
-
politische Statements abzugeben
politische Funktionen zu erfüllen
sich politisch zu engagieren
begleitete Personen politisch zu beeinflussen
den Einheimischen zu sagen, wie sie den Widerstand organisieren sollen
Organisationsweise der lokalen Bevölkerung zu kritisieren
begleiteten Personen/Organisationen Entscheidungen abnehmen
Abhängigkeiten schaffen
Dieses dargelegte Rollenverständnis internationaler Begleitpersonen widerspiegelt die
Kernpunkte der internationalen Begleitung.
In der Folge wird den Fragen nachgegangen, wie sich die Grundprinzipien der Begleitarbeit
im allgemeinen Konfliktkontext Guatemalas mit Fokus auf von Megaprojektkontext
verhalten.
4.2.2 Prinzip der Unparteilichkeit und der Nicht-Einmischung
Dieses Grundprinzip von CAIG-Acoguate liegt dem Konzept der zivilen Konfliktbearbeitung
mit gewaltfreien Mitteln zu Grunde.380 Als CAIG-Acoguate anfing, an „Consultas Populares“
zu begleiten, setzte eine organisationsinterne Diskussion über die Rolle und Legitimität von
CAIG-Acoguate ein. Die einen waren besorgt um den Erhalt der Legitimation, andere
schlugen einen totalen Mandatswandel vor, um eine aktivistischere Organisation zu werden.
Die Koordinatorin kommentiert letzteren Vorschlag mit „Und das ist nicht was wir sind. Wir
beziehen viel Legitimation durch unser Mandat, nicht parteiisch zu sein“381.
380
381
Vgl. Büttner (1995), Friedensbrigaden, S. 56-60.
Interview K1, Zeile 388-389.
81
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Dieses Prinzip bedeutet, dass eine Begleitperson als unabhängige, unparteiische dritte Person
in einen Konflikt präsent ist. Die unparteiische Position beinhaltet laut der PBI-Erklärung von
1986 die „Offenheit allen Parteien gegenüber, eine möglichst objektive Beobachtung und
Berichterstattung, keine verurteilenden Stellungnahmen, offenes Vertreten aller Anliegen
gegenüber allen Konfliktparteien.“382
Dieses Prinzip bedeutet für eine internationale Begleitperson in der Praxis, dass den
begleiteten Personen/Organisationen nicht gesagt wird, wie sie ihre Arbeit machen müssen
oder ihren Konflikt zu lösen haben. Diese Haltung verhindert auch eine NeoKolonialisierung, der ausländischen Helfern in der Entwicklungsarbeit oft vorgeworfen wird.
Dieses Prinzip entspricht einem Ansatz, der den Einheimischen etwas zutraut und sie nicht
bevormundet.
Eine Begleitperson
wurde diesbezüglich
von
einem
Einheimischen
konfrontiert:
„Sie sagten, diese Spanier müssen nicht kommen und uns wieder sagen, was wir zu tun hätten,
geh zurück in dein Land und kümmere dich um deine Angelegenheiten. Ich sagte, nein ich
komme um zu beobachten, um Information zu vertreiben und zu helfen ohne zu sagen, was ihr
machen müsst.“383
Interviewte Begleitpersonen bemerkten zur Umsetzung und den Grenzen dieses Prinzips in
der Praxis:
„ (...) in der Praxis ist unsere Präsenz nicht so neutral. Wir haben bereits eine Seite des
Konfliktes ausgewählt. Wir haben bereits entschieden, Menschen zu unterstützen, die sich für
die Menschenrechte einsetzen. Damit sind wir bereits involviert um den Kampf für die
Menschenrechte zu unterstützen. Wir geben moralische Hilfe, Unterstützung, Beobachtung für
die Kämpfe, die sie verteidigen und sie möchten die Menschenrechtssituation verbessern. Wir
sind nicht neutral.“384
„Es gibt eine Tendenz, wen wir begleiten. Es muss die Menschenrechte betreffen, in einem
gewissen Sinn haben wir eine klare Linie, da wir Leute auswählen, die sich für die
Menschenrechte einsetzen und diese sind fast auf natürliche Weise antiimperialistisch gegen
den Neoliberalismus, den man jetzt sieht.“385
Mit diesem Prinzip unterscheiden sich internationale Begleitorganisationen grundlegend von
anderen internationalen NGOs, da sie keine materielle Hilfe leisten.
382
383
384
385
Büttner (1995), Friedensbrigaden, S. 59.
Interview F7, Zeile 173-176.
Interview F4, Zeile 113-120.
Interview F6, Zeile 326-329.
82
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Befragte Freiwillige zählten das „nur präsent sein und nicht handeln, sich nicht mehr
einmischen zu können“386 zu den Schwierigkeiten in der Arbeit als Begleitperson, da die
armen Lebensumstände der begleiteten Personen teils sehr belastend sein können.
Dieses Prinzip kann für Begleitpersonen eine Schwierigkeit in der Arbeit darstellen, wenn die
begleiteten Personen die unparteiische Haltung der Begeleitpersonen nicht verstehen und
davon ausgehen, dass die Begleitpersonen ihrem politischen Kampf eine politische
Legitimation und damit ihrem Standpunkt mehr Gewicht verleihen.
Eine interviewte Freiwillige argumentiert, dass unparteiisches Verhalten zur Legitimation des
einheimischen „Kampfes“ beitrage:
„Um die Legitimation der Demonstration zu erhalten, ist es wichtig, sie mit einer gewissen
Distanz zu begleiten, weil die Demo sonst als Ausländer-Demonstration hingestellt werden
kann und ihr jegliche Legitimationsgrundlage entnimmt. Das ist einer der Gründe, sich
unparteiisch zu verhalten.“387
Das Prinzip der Nicht-Einmischung und unparteiischen Haltung einer Begleitperson hängt
auch von ihrer persönlichen Einstellung ab:
„Ich glaube, es gibt Leute im Projekt, die denken, dass sie für ein sozialistischeres Guatemala
kämpfen und andere, die sich einfach dafür einsetzen, dass sie einen sicheren Raum öffnen,
damit die Guatemalteker kämpfen können.“388
Im Kontext von Megaprojekten wurde das Prinzip der Unparteilichkeit erstmals bei den
„Consultas Populares“ getestet. Laut der Koordinatorin von CAIG-Acoguate unterschrieb
CAIG-Acoguate die Akten an den Volksversammlungen nicht, weil es damals eine grosse
Konfusion und Polemik gab, ob diese Volksbefragungen legitim seien oder nicht. Die
Organisation verfügte über ungenügend Informationen und entschied sich vor allem gegen
das Unterschreiben der Akte um das Prinzip der Nicht-Einmischung zu wahren, indem CAIGAcoguate nicht an einer öffentlichen Handlung teilnahm. Die einzelnen Organisationen im
Komitee CAIG hingegen wollten unterzeichnen und so unterzeichneten die freiwilligen
Begleitpersonen im Namen ihrer Organisation und nicht im Namen von CAIG-Acoguate.389
Gerade bei der Begleitung von Personen im Widerstand gegen Megaprojekte weist dieses
Prinzip eine problematische Seite auf. Die Indigenen können in diesem Konfliktkontext nicht
als Einheit verstanden werden. Denn die einheimische Bevölkerung, deren Gemeinden von
386
387
388
389
Siehe Dokument „Auswertungstabellen“ auf CD, Tabelle Freiwillige, Punkt 12.
Interview F6, Zeile 128-132.
Interview F6, Zeile 320-323.
Vgl. Interview K1, Zeile 371-378.
83
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Megaprojekten betroffen sind, ist selbst gespalten, wie bereits aufgezeigt wurde. Es gibt
diejenigen, wenn auch eher in der Minderheit, die diese Wirtschaftsentwicklung gut heissen
und von den Projekten profitieren, während die anderen sich gegen diese Projekte wehren.
Die eine interviewte Person, die sich gegen das Megaprojekt Marlin wehrt, formulierte dies
so:
„In der Bevölkerung kann man feststellen, dass grosse Konfusion vorherrscht. Es gibt viele
Leute, die sagen, dass wir durch das Projekt nicht profitieren, doch es gibt auch andere, die
das Gegenteil sagen. Die Sache kann sich nur ändern, wenn man sich mit derselben Idee
vereint. Diejenigen Personen, die gegen die Mine sind, sehen die Probleme und nicht die
Gewinne, von denen nur wenige profitieren.“390
Diese befragte Person sagt weiter aus, dass die Verwirrung in der Bevölkerung daher komme,
dass man nicht wisse, wem zu glauben sei. Denn auf der einen Seite verbreite das
Minenunternehmen Informationen über die Mine, wobei laut Zeugen diese Informationen nur
die positiven Seiten aufzeige und die möglichen negativen Konsequenzen für Mensch und
Umwelt weglasse, um die Leute von diesem Projekt zu überzeugen. Auf der anderen Seite
haben auch die Minengegner angefangen, Informationen über die Minentätigkeit zu
verbreiten, als die ersten negativen Anzeichen ans Licht kamen. Sie starteten eine
Informations-Gegenoffensive: „Jetzt wo wir Information vertreiben über das was wirklich vor
sich geht, weiss die Bevölkerung nicht mehr, wem sie glauben soll. Es ist sehr schwierig.“391
Als weiterer Grund, weshalb die unparteiische Haltung im Kontext von Megaprojekten
schwieriger ist als bei der herkömmlichen Begleitung der Zeugen, wird die Dynamik des
Konfliktes genannt. Der Konfliktursprung für die Gerechtigkeit für die Überlebenden der
Bürgerkriegsmassaker liegt bereits mehr als zwanzig Jahre zurück und die Anstrengungen der
Opferbewegungen sind teils erlahmt und im Gegensatz zu den aktuellen Konflikten mit
Megaprojekten und dem aktiven Widerstand als eher passiv einzustufen. Für eine
Begleitperson bedeutet diese aktivere Dynamik, dass sie automatisch stärker ins aktuelle
Geschehen involviert ist und die eigene Rolle ständig hinterfragen und sich neu positionieren
muss, da sich laufend neue, unbekannte Situationen ergeben.
Auf lokaler wie internationaler Ebene gibt es Akteure, die sich für eine ökonomische
Entwicklungsweise mit Megaprojekten aussprechen (Liberalisten, siehe Kapitel 2) und
andere, die dagegen sind (Protektionisten). Es gab Stimmen bei den interviewten Freiwilligen
denen die Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten zu parteiisch ist, weil Mitarbeiter
(Koordinatoren wie Freiwillige) ihre persönliche Einstellung zu stark einfliessen lassen
390
391
Interview BP5, Zeile 57-61.
Interview BP5, Zeile 69-71.
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Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
würden. Megaprojekte würden von Grund auf als schlecht eingestuft und dabei gehe
vergessen, dass Megaprojekte auch Land und Bevölkerung einen Fortschritt bringen können,
der ihren Alltag verbessere.392
„Gefahr für Acoguate in Zukunft könnte sein, dass die Arbeit als Begleitung und
Unterstützung von wertefreien Menschenrechten durch politische Ideologie verfärbt wird,
wenn die politische Ideologie zu starken Einfluss erhält. Die Arbeit einer Begleitperson sollte
möglichst wertneutral sein und nicht als sozialistischer, antikapitalistischer oder
linksideologischer Kampf gesehen werden, sondern der Sicherung der Menschenrechte
dienen. Es ist doch möglich, neoliberale Wirtschaft gut zu heissen und trotzdem die
Menschenrechte als wichtig zu erachten. Kapitalismus und Menschenrechte müssen sich nicht
grundsätzlich ausschliessen. Ich erachte den Kapitalismus für die Entwicklung des Landes als
wichtig und die Menschenrechte müssen deswegen nicht darunter leiden. Acoguate
unterscheidet diese beiden Dinge nicht voneinander. Dies hat mit den Freiwilligen und den
Organisationsvertretern zu tun, die ihre politische Einstellung in die Arbeit einfliessen lassen.
Dies hat auch mit dem Selbstverständnis der Rolle als internationaler Begleiter zu tun. Einige
sehen diese Rolle nicht als wertfrei.“393
Es gab Stimmen bei den interviewten Freiwilligen, die den Verlust der Unparteilichkeit darin
sehen, dass die von ihnen gesammelte Information zu politischen Zwecken benutzt wird:
„Wenn das Projekt sich als „unparteiisch“ verkauft, die Informationen der Acos jedoch von
den einzelnen Organisation in CAIG für politische Ziele verwenden, kann dies scheinheilig
wirken und am Projekt Schaden, weil es durch diese Doppelspurigkeit an Glaubwürdigkeit
verliert.“394
Einige sehen eine geringere Begleitlegitimation, wenn der Konflikt um Megaprojekte ohne
Menschenrechtsverletzungen abläuft, weil die Begleitarbeit dann zu politisch sei. Eine
freiwillige Person beispielsweise, erhielt bei der Begleitarbeit von AJR-Mitgliedern, die in der
Region des geplanten Wasserkraftwerkes Xalalá leben, den Eindruck, dass die internationale
Präsenz vor allem dazu diene, den politischen Ansichten der lokalen Bevölkerung im
Widerstand mehr Gewicht zu geben, da die Personen keiner physischen oder psychischen
Bedrohung ausgesetzt seien, weder als AJR-Mitglieder noch als Megaprojekt-Gegner.
 „Acos werden hier [Begleitung AJR-Mitglieder, die von geplantem Megaprojekt Xalalá
betroffen sind] eingespannt um der politischen Ansicht und Einstellung der Indigenen im
Widerstand mehr Gewicht zu verleihen, anstatt ihnen durch unsere internationale Präsenz
die Möglichkeit zu geben, ihre Ansicht überhaupt vertreten zu können. (...). Die
begleiteten Personen haben oft den Eindruck, dass Acos kommen, um ihrem Kampf eine
politische Legitimation und ihrem Standpunkt mehr Gewicht zu verleihen.“395
 „Ich denke ja, es ist etwas Delikates, doch wir können es schaffen Begleitarbeit im
Kontext von Megaprojekten durchzuführen. Wenn wir klare Beweise haben, dass die Art
und Weise wie diese Megaprojekte die Menschenrechte verletzen und es
392
393
394
395
Interview F1, Zeile 123-129.
Interview F1, Zeile 146-159.
Interview F1, Zeile 93-96.
Interview F1, Zeile 135-138; 164-166.
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Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Gemeinschaftsführer gibt, die bedroht werden, wenn sie dagegen kämpfen. Ich denke, da
haben wir immer noch ein Erbe oder eine Diskurslinie um die Begleitung dort zu
rechtfertigen, weil es um die Menschenrechte geht. Bei einem Megaprojekt, das gut
durchgeführt wird, ohne Drohungen, hätten wir nicht viel Rechtfertigung zu begleiten.
Das wäre zu stark, eine politische Position einnehmend. Ich glaube, dass viele, die im
Projekt arbeiten, antikapitalistisch und so eingestellt sind, doch dies ist nicht das Ziel bei
der Begleitung im Kontext von Megaprojekten. Wir unterstützen diese Kämpfe, weil ihre
Menschenrechte verletzt wurden und aus dieser Sicht denke ich, dass die Begleitung da
seine Rolle erfüllt, dass Menschenrechtsverteidiger unterstützt werden, die um Begleitung
bitten.“396
Konkret werden im Kontext von Megaprojekten Landenteignung, Indigenenrechte (ILOKonvention 169397) und Drohungen gegen Menschen im Widerstand als Begleitlegitimation
ohne Verlust der Unparteilichkeit gesehen:
 „Landenteignung wegen einem Megaprojekt ist eine Menschenrechtsverletzung, da ist
Begleitarbeit legitim. Ich bin der Meinung, dass wir in diesem Kontext begleiten sollten,
weil es Konfliktsituationen sind, wo Menschenrechte gefährdet werden. Oft ist die
Situation so, dass Menschen sagen, ihr Land sei ihnen wegen einem Megaprojekt
unrechtmässig enteignet worden. Dies wäre eine Menschenrechtsverletzung.“398
 Die „Problematik bei den geplanten Staudämmen im Ixcil ist, dass Fincas das Land der
Indigenen einverleiben und weiterverkaufen und die Staudammunternehmen zu wenig
Kompensationsgelder bezahlen für das Land der Indigenen. Es geht vor allem um
Landfragen und dass heilige Maya-Orte überschwemmt würden. Dies sind meiner
Meinung nach nicht Menschenrechte, die man begleiten muss, da es teil ihres Prozesses
ist und wir dabei keinen Unterschied machen.“399
Für die begleitete Person im Widerstand gegen die Mine Marlin zeigt die Begleitung gegen
aussen auf, dass es sich um Menschenrechtsverletzungen handelt: „Internationale Begleitung
macht gegen aussen bewusst, ob eine Menschenrechtsverletzung vorliegt oder nicht. Sie zeigt
auf, ob das, was wir anklagen eine reale Tatsache ist oder nicht.“400
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Kontext von Megaprojekten aufgrund
dieses Prinzips Spannungsfelder bestehen. Diese können mit der aktiven Dynamik des
Begleitfeldes und der wirtschaftspolitischen Komponente des Megaprojektthemas erklärt
werden. Das automatische „Hineinrutschen“ in den Megaprojektkontext bei der AJRBegleitung ohne Mandatsanpassung und fehlenden Menschenrechtsverletzungen gefährdet
das Prinzip der Nicht-Einmischung. Die Trennung zwischen unparteiischer Haltung und
Begleitung des Minenwiderstandes gegen aussen ist in der Praxis eine Herausforderung.
Einerseits weil einige Komiteevertreter in CAIG wie auch Begleitpersonen, Megaprojekte
grundsätzlich als negativ einschätzen und dadurch die Offenheit gegenüber aller Parteien
396
397
398
399
400
Interview F6, Zeile 230-242.
Vgl. Interview F5, Zeile 293-294; Interview F6, Zeile 183-194.
Interview F2, Zeile 136-139.
Interview F1, Zeile 129-135.
Interview BP6, Zeile 13-16.
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Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
beeinträchtigt wird. Andererseits weil die lokal betroffene Bevölkerung zum Thema
Megaprojekte gespalten ist. Daraus resultiert, dass sich Begleitpersonen mit einer
liberalistischen Einstellung401 tendenziell als „Informationsräuber“ missbraucht fühlen.
Öffentliche
Handlungen
von
Begleitpersonen,
wie
die
Unterzeichnung
einer
Abstimmungsakte, bringt eine Rollenvermischung mit sich und lässt von aussen die
Unparteilichkeit anzweifeln.
Die Voraussetzung einer Anfrage für internationale Begleitung garantiert grundsätzlich das
Nicht-Einmischungsprinzip.
Nachweisbare
Menschenrechtsverletzungen
machen
die
unparteiische Begleitung im Kontext von Megaprojekten möglich. Ohne vorliegende
Menschenrechtsverletzungen läuft die Begleitarbeit Gefahr, wirtschaftspolitische Standpunkte
der Begleiteten zu unterstützen und die wertfreie Position zu verlieren.
4.2.3 Abschreckung
Die Begleitarbeit ist eine Art Präventivmassnahme, die vor Menschenrechtsverletzungen
abschreckend wirken soll, wobei der abschreckende Effekt am schwierigsten nachzuweisen
ist402, weil die Täter bei Drohungen, Einschüchterungen und Attacken meist unbekannt
bleiben.
In der Fachliteratur wird zwischen genereller und unmittelbarer Abschreckung unterschieden.
Die generelle Abschreckung beruht auf der Annahme, dass die von der internationalen
Gemeinschaft definierten Normen (Respektierung der Menschenrechte) und inakzeptables
Verhalten (Verletzung der Menschenrechte) abschreckende Strategie wirken können, weil die
negativen Konsequenzen gefürchtet werden, wenn die Verletzungen öffentlich werden. Wenn
Menschenrechtsaktivisten aufgrund ihrer Arbeit dennoch psychisch wie physisch bedroht
werden, dann werden die negativen Konsequenzen nicht gefürchtet und die generelle
Abschreckung wirkt nicht. In diesem Falle kommt die internationale Begleitung mit der
unmittelbaren
Abschreckung
durch
direkten
Schutz,
ins
Spiel.403
Kurz,
der
Abschreckungseffekt greift, wenn potenzielle Menschenrechtsverletzer die (juristischen)
Konsequenzen fürchten, wenn ihre kriminellen Taten durch die internationalen Begleiter ans
Licht kommen und dadurch vor weiteren Taten abgehalten werden. Luis E. Eguren und James
Lupton, die mit PBI in Kolumbien im Einsatz waren und die internationale Begleitarbeit als
401
In Kapitel 2 wurde aufgezeigt, dass in der Entwicklungspolitik die Anhänger des Liberalismus ökonomische Entwicklung und rasches
Wachstum als eine wichtige Voraussetzung für die Armutsbekämpfung sehen.
402
403
Vgl. Interview K1, Zeile 490.
Vgl. Mahony/Eguren (1997), Unarmed Bodyguards, S. 85.
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Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Strategie untersuchten, hielten dazu fest, dass der Schutz durch internationale Begleitung auf
der Hypothese basiere, dass internationale Präsenz vor der Verletzung der Menschenrechte
der begleiteten Person abschreckt, weil der internationale Einfluss/Druck bei einer Verletzung
dieser Menschenrechte die politischen Kosten übersteigen würde.404
Die Abschreckung durch internationale Begleitpersonen spielt auch mit einer „positiven
Nutzung des Rassismus/der Diskriminierung“. Eine internationale Begleitperson nutzt ihre
Herkunft (ihr physisches Erschienungsbild) aus einem Industriestaat aus dem Norden um
abzuschrecken. Es hat sich gezeigt, dass die Hemmschwelle, jemanden zu attackieren, höher
ist, wenn eine ausländische Person präsent ist, da davon ausgegangen wird, dass diese Tat
nicht im Verborgenen und unbestraft bleibt.
Da in Guatemala oft auch ans Licht gebrachte Menschenrechtsverletzungen unbestraft
bleiben, könnte argumentiert werden, dass dieser Abschreckungsmechanismus nicht greift, da
der internationale Druck, sprich die Kosten/Konsequenzen einer Menschenrechtsverletzung,
nicht genügend hoch sind. Durch die jahrelang vorherrschende Straflosigkeit vermindert sich
der Abschreckungseffekt. Da noch keiner der Massakerhauptverantwortlichen vor Gericht
gezogen wurde, existiert kein Exempel, dass die hohen Kosten bei Verletzung der
Menschenrechte aufzeigt. Viele der interviewten Personen erwähnten daher ihre letzte
Hoffnung in die CICIG405.
Die Koordinatorin von CAIG-Acoguate schätzt die gegenwärtige Abschreckungskapazität zu
früher anders ein. Die Drohungen und Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger drückten
die soziale Konfliktgeladenheit aus, die sich in der allgemeinen Gewaltzunahme zeige. Es sei
heute noch schwieriger geworden, festzustellen, ob es sich um eine Drohung oder einen
gängigen kriminellen Akt handle. Die Angst vor Repressionen, würden viele davon abhalten,
Anzeige zu erstatten. Die Betroffenen würden internationale Organisationen auffordern, für
sie anzuzeigen. Doch dieses Vorgehen könne von staatlicher Seite nicht legitimiert werden,
indem gesagt werden kann, dass die internationalen Organisationen die Leute organisieren
und nicht sie selbst sich organisieren.406
Die Forschungsdaten, die im Rahmen dieser Arbeit gesammelt und analysiert wurden, zeigen
ein differenziertes Bild zum Abschreckungsmechanismus auf. In den AJR-Belgeitung hat sich
die Konfliktlage über die letzten Jahre beruhigt. Gemäss der Koordinatorin von CAIGAcoguate, sagten die begleiteten Personen 2007 in fast jeder Gemeinde aus, dass sie seit der
404
405
406
Vgl. Eguren/Lupton (1996), El Acompanamiento internacional como estrategia, S. 44.
CICIG: Comision Internacional Contra Impunidad en Guatemala (siehe Kapitel 2.5.1).
Interview K1, Zeile 628-630.
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Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
internationalen Begleitung nicht mehr mit Einschüchterungen belästigt würden.407 Diese
Beruhigung ist nicht nur auf die internationale Präsenz, sondern auch auf den Fast-Stillstand
der Genozidfälle zurückzuführen.408 Direkt abschreckend wirkt die Präsenz im Kontext der
AJR-Begleitung insbesondere während der Präsenz vor Ort. Die Befragten berichten, dass die
meisten Attacken und Drohungen geschehen, wenn keine Begleitpersonen vor Ort seien.
Auf die landesweite Gewaltentwicklung hat die internationale Präsenz offensichtlich keinen
Einfluss, dass zeigen die gestiegenen Gewaltzahlen in Kapitel 2.7. Eine befragte Freiwillige
schildert ihre Einsatzerfahrungen zum Abschreckungseffekt wie folgt:
„Doch wir [Begleitpersonen] können nicht beweisen, dass es durch unsere Präsenz weniger
Übergriffe, Bedrohungen oder Menschenrechtsverletzungen gibt. Der Anstieg an Übergriffen
auf Menschenrechtsaktivisten ist enorm gestiegen, trotz Begleitarbeit. Was jedoch sichtbar ist,
dass die Menschen, die begleitet werden, physisch nicht angegriffen wurden oder Opfer von
Telefonterror geworden sind. In dem Sinne fühlen sich die Menschen durch die Begleitung
sicherer, können dadurch ihre Arbeit für die Menschenrechte besser ausführen und dies ist
der Erfolg des Projektes. Dies ist die Wahrnehmung der wenigen Menschen, die begleitet
werden können (...) und für mich gibt das die Motivation, diese Arbeit zu machen.“409
Im Gegensatz zur Begleitung der AJR-Mitglieder, unterliegt die Abschreckungskapazität der
internationalen Begleitung im Kontext von Megaprojekten durch seine Aktualität einer
anderen Dynamik und ist schwierig auszumachen. Die Koordinatorin von CAIG-Acoguate
erklärt diese neue Dynamik damit, dass die transnationalen Unternehmen mit den immer noch
einflussreichen Ex-Militärs Guatemalas (Hidden Powers) zusammenarbeiten und daher trotz
Menschenrechtsverstössen bei der Umsetzung von Megaprojekten keine politischen Kosten
zu fürchten haben.410 Hier sieht sie die Herausforderung, vor der die internationale
Begleitarbeit in Guatemala heute steht: wie kann vor diesem Hintergrund abgeschreckt
werden? Denn auch die abschreckende Wirkung gegenüber Akteuren des organisierten
Verbrechens, die von der NGO UDEFEGUA im Kontext von Megaprojekten vermutet
werden, wird von den Befragten als sehr gering eingestuft. Die seit einem Jahr begleitete
Person im Widerstand gegen die Mine Marlin sagt, dass die Anzahl Drohungen seit der
internationalen Begleitung gleich blieb.411 Trotz den eben genannten Entwicklungen, die den
Abschreckungseffekt im Kontext Megaprojekte schwächer einschätzen lässt, sieht die von
407
408
409
410
411
Interview K1, Zeile 512-513.
Vgl. Interview K1, Zeile 498-500.
Interview F2, Zeile 249-257.
Interview K1, Zeile 515-518.
Vgl. Interview BP6, Zeile 35-37.
89
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Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
CAIG-Acoguate begleitete Person im Widerstand gegen die Mine Marlin, hinter ihrer
Begleitung eine abschreckende Wirkung412:
„Die Annahme hinter der Begleitanfrage, weshalb wir die internationale Begleitung nutzen
ist, dass mit der internationalen Präsenz zu einem grossen Teil die Verfolgung verringert
wird. Die Begleitung zeigt gegen aussen, dass Person nicht alleine ist, sondern Kontakte in
andere Gebiete bestehen.“413
Die beiden befragten Personen, die im Widerstand gegen die Mine Marlin organisiert sind,
sagten aus, dass die Abschreckungswirkung vorhanden sei, wenn die Acos vor Ort sind.
Sobald sie jedoch ohne Begleitung unterwegs seien, die Bedrohungen und Einschüchterungen
wiederkehren. Die begleitete Person im Widerstand sieht daher in der Begleitfrequenz (einmal
im Monat) einen Nachteil für die Abschreckungswirkung, weil „(...) es keine permanente
Präsenz an Ort und Stelle gibt sagen wir. Weil die Verletzungen sind konstant, sind nicht
nach Datum, also programmierbar, sondern konstant und auch unerwartet. (...) wir waren in
Gemeinden ohne internationale Begleitung und wir wurden bedroht, kontrolliert, kaputt
gemacht durch Arbeiter des Unternehmens.“414
Auf die Frage, ob sich die Situation seit der Begleitung verbessert hat, antwortete die
begleitete Person im Widerstand gegen die Mine Marlin: „Es hat sich gehalten, würde ich
sagen, es hat sich nicht verbessert, aber auch nicht verschlimmert. Es hat sich ein wenig die
Kontrolle bewahrt. Oder sagen wir vor allem die Sichtbarkeit, dass es Leute gibt, die
zuschauen indem sie hier sind, ich denke das ist ein wenig die Sache.“ 415
Einen stärkeren Abschreckungseffekt durch mehr Präsenz, wie die begleitete Person dies
wünscht416, hängt von den personellen und finanziellen Ressourcen von CAIG-Acoguate ab.
Die Abschreckung durch mehr visuelle Sichtbarkeit von Acos von CAIG-Acoguate ist in
Diskussion. Gewisse Begleitete möchten nicht, dass die Begleitpersonen mit einer
gekennzeichneten Jacke gekleidet sind, da sie Repressionen fürchten, wenn man sieht, dass es
um
Menschenrechte
geht.
Für
Corto
Plazo-Einsätze
werden
bereits
mit
dem
Begleitprojektnamen versehene, anheftbare Schilder getragen. Gerade beim Besuch von
öffentlichen Ämtern wurde die Erfahrung gemacht, dass die Anwesenheit von internationalen
Begleitpersonen zu einer schnelleren Abwicklung administrativer Vorgänge führte. Eine
interviewte Begleitperson erzählte folgendes Erlebnis dazu:
412
413
414
415
416
Vgl. Interview BP6, Zeile 80-85.
Interview BP6, Zeile 7-11.
Interview BP6, Zeile 21-25; 42-46.
Interview BP6, Zeile 28-34.
Vgl. Interview BP6, Zeile 88-94.
90
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
„Wir [zwei Acos] begleiteten eine Organisation bei einem Besuch beim Ministerio Publico
[Staatsanwaltschaft], um eine Legitimation zu holen für eine Exhumierung – das erste Mal,
dass wir uns mit Namensschildern von CAIG-Acoguate gekennzeichnet haben. Bisher hatte
meine Erscheinung als „Gringo“ gereicht, um „abschreckend“ zu wirken. Die Begleitung
wurde gemacht, um auf dem Amt Schikanen zu vermeiden. Oft müssen Indigene
Zusatzschlaufen machen, um zusätzliche Stempel holen zu müssen, was Geld kostet. Die
Prozedur ging dreieinhalb Stunden und die begleiteten Personen kommentierten nach dem
Besuch, dass dies ein schnelles Verfahren war.“417
Für mehr visuelle Sichtbarkeit im Kontext von Megaprojekten würde auch sprechen, dass die
Rolle als dritte unparteiische Partei gegen aussen klarer kommuniziert würde. Die Autorin
beobachtete in der Region der Mine Marlin, dass sehr viele internationale Personen von
NGOs, aber auch ausländische Minenangestellte vor Ort präsent waren und es für die lokale
Bevölkerung verwirrend ist, welcher Akteur welche Rolle und Aufgabe wahrnimmt. Eine
visuelle Kennzeichnung der Begleitpersonen würde die Rolle CAIG-Acoguates würde dieser
Verwirrung entgegenwirken und den Abschreckungseffekt stärken, da signalisiert und
bekannt wird, dass die Begleitpersonen nicht für die Mine, sondern zum Schutz der
Menschenrechte
arbeiten.
Diese
Signalwirkung
könnte
Menschenrechtsverletzungen
verhindern. Die Visualisierung kann Begleitpersonen aber auch zum Zielobjekt für Attacken
machen. Die besprochene konfliktive Konstellation in der Gesellschaft verringert auch im
Konfliktkontext von Megaprojekten die Sicherheit der Begleitpersonen. Bisher wurde nur
eine Begleitperson verbal angegriffen und bedroht. Ein Mitarbeiter einer lokalen, kirchlichen
Organisation in San Marcos, die sich ebenfalls gegen die Mine engagiert, äusserte sich
gegenüber der Autorin bei einem informellen Treffen zur Begleitarbeit kritisch und meinte,
dass die begleiteten Personen im Kontext der Mine auf die Begleitpersonen aufpassen und
nicht umgekehrt aufgrund der unsicheren und spannungsgeladenen Situation. Diese Aussage
weist darauf hin, dass die Begleitpersonen trotz ihres „Ausländerstatus“ eine geringe
Abschreckungswirkung für die begleiteten Personen haben, wie auch selbst nicht geschützt
sind.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die abschreckende Wirkung der
internationalen Begleitarbeit schwer zu messen ist. Der Abschreckungseffekt im Kontext von
Megaprojekten wird unterschiedlich eingeschätzt. Begleitete selbst sprechen von einem
Abschreckungseffekt, der aber nur während der Begleitung selbst andauert. Der Begleitgrund
liegt daher primär nicht im Abschreckungseffekt. Menschenrechtsorganisationen schätzen den
Abschreckungseffekt im Kontext von Megaprojekten als eher gering ein. Die „Immunität“ der
417
Interview F2, Zeile 241-248.
91
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
einflussreichen Wirtschaftselite, die mit dem organisierten Verbrechen verbunden ist und die
vorherrschende Straflosigkeit können als Grund dafür gesehen werden.
4.2.4 Erzeugung nationalen und internationalen Drucks
Wie im vorhergehenden Kapiteln angesprochen, muss die internationale Begleitung in einen
politischen, internationalen Kontext gestellt werden, um den Mechanismus zur Abschreckung
vor Menschenrechtsverletzungen aufzeigen zu können. In der Wissenschaft wurde die
Erzeugung internationalen Drucks, indem bekannte NGOs wie Amnesty International
Berichte über Menschenrechtsverletzungen veröffentlichen oder NGOs das UNOHochkommissariat
für
Menschenrechte
informieren,
erforscht.
Die
Internationale
Begleitarbeit von CAIG-Acoguate kann im politischen Kontext als eine Möglichkeit gesehen
werden, internationalen Druck zu erzeugen.418 Wie CAIG-Acoguate diesen internationalen
Druck erzeugt, wird im folgenden Kapitel anhand der Informationsverbreitung und
Netzwerkarbeit von CAIG-Acoguate aufgezeigt.
Um eine Abschreckungswirkung zu erhalten, müssen die Konsequenzen bei einer
Menschenrechtsverletzung
weiter
kommuniziert
werden,
damit
die
politischen/juristischen/ökonomischen Kosten genügend hoch werden.419 Internationale
Begleiter arbeiten vor Ort als Beobachter und werden so zu potenziellen Zeugen (oder
Opfern) von Menschenrechtsverletzungen wie Attacken gegen Menschenrechtsaktivisten.
Margaret E. Keck und Kathryn Sikkink zeigen in ihrem Werk „Activists beyond Borders“
auf, dass die transnational und lokal operierenden „advocacy networks“ die Kanalzugänge
zum internationalen System vervielfachen.420 Die Politikwissenschaftlerinnen formulieren
eine Aufgabe dieses Netzwerkes im Bereich Menschenrechte wie folgt: „(...), they also make
international resources available to new actors in domestic political and social struggles.“421
Die „Macht“, die NGO’s besitzen, ist also die Informationskapazität, die durch das so
genannte Lobbying und die öffentliche Anklage („blaming and shaming“) strategisch genutzt
wird, um internationalen Druck zu erzeugen, mit dem Ziel, dass Staaten oder internationale
Organisationen
ihr
Verhalten
ändern.422
Aktuelle
Information
über
Menschenrechtsverletzungen ist wichtig, um das Handeln von Personen oder Einheiten zu
418
419
420
421
422
Vgl. Eguren/Lupton (1996), El Acompanamiento internacional como estrategia, S. 45.
Vgl. Eguren/Lupton (1996), El Acompanamiento internacional como estrategia, S. 44.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 1.
Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 1.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 2, 23.
92
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
beeinflussen, die Entscheidungskraft besitzen. Die Information muss auf internationale Ebene
gelangen und deren Veröffentlichung sollte klare politische und wirtschaftliche Kosten mit
sich bringen.423
Guatemala hat während dem 36-jährigen Bürgerkrieg negative Erfahrungen mit der
internationalen Informationsverbreitung gemacht. Als in den 1980er Jahren die Leute
aufgrund der Massaker ausser Landes flohen, gelang die Information auf die internationale
Ebene. Rios Montt soll den General Lucas Garcia unter anderem mit dem Argument gestürzt
haben, dass das international schlechte Bild Guatemalas eine Wirtschaftskrise im Land
auslöste, weil die internationale Hilfe beendet wurde.424
Der interviewte Anwalt von CALDH geht davon aus, dass „es diese Erfahrung war, die den
Flüchtlingsbewegungen gelernt hatte, dass dies [Informationsverbreitung und darauf
folgende Kürzung der finanziellen Auslandhilfe] die Regierung schmerzte und sie deshalb
internationale Begleitung anforderten, als sie aus Mexiko zurückkehren wollten“.425 Damit
wird der Zusammenhang zwischen einer guten internationalen Reputation und finanzieller
Wirtschaftshilfe ersichtlich. Negative Schlagzeilen wie Menschenrechtsverletzungen, die nach
aussen dringen, können folglich als Druckmittel verwendet werden.
Im Kontext von Megaprojekten bedeutet diese Erkenntnis, dass die internationale
Begleitarbeit mit der Beobachtung vor Ort und Informationsverbreitung eine „Waffe“ in der
Hand hat, da weder der Staat, noch transnationale Unternehmen an einer schlechten
Reputation und möglichen negativen Konsequenzen interessiert sind. Wie diese „Waffe“
eingesetzt wird, soll in der Folge erläutert werden.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Informationswege von CAIG-Acoguate näher erforscht
und sollen in der Folge diskutiert werden, weil über diese Wege der Druck erzeugt wird, von
dem auch Liam Mahony und Luis Enrique Eguren in ihrem Buch „Unarmed bodyguards“
sprechen: „Accompaniment does not by itself end wars or resolve conflicts. It is but one tool
for pressure in a complicated interaction of many players. International presence affects
power relationships, (...), it shifts perceptions of aviable political spaces.“426
Mit der Informationsverbreitung von Menschenrechtsverletzungen und Erlangung öffentlicher
Aufmerksamkeit, kann der Straflosigkeit entgegengewirkt werden, obschon der schwache
Rechtsstaat die Erfolge einschränkt. Bei einer beobachteten Menschenrechtsverletzung, wird
423
424
425
426
Vgl. Eguren/Lupton (1996), El Acompanamiento internacional como estrategia, S. 45.
Interview BP1, Zeile 34-43.
Interview BP1, Zeile 47-49.
Mahony/Eguren (1997), Uarmed Bodyguards, S. 247.
93
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
bei CAIG-Acoguate in einem ersten Schritt mit der betroffenen Person/Organisation
abgeklärt, ob eine Anzeige eingereicht wird oder nicht. CAIG-Acoguate steht es aufgrund der
„Nicht-Einmischung“ nicht zu darüber zu entscheiden. In einem zweiten Schritt werden die
Informationen landesintern weitergeleitet, um den lokalen Autoritäten die Möglichkeit zu
geben, darauf reagieren zu können.427 In einem dritten Schritt werden Botschaften und das
Hochkommissariat für Menschenrechte informiert. Mit den Informationen werden auch
internationale Eilbriefaktion an verschiedenste Adressaten gestartet.428 Ein Beispiel ist die
„Urgent Action“-Aktion von NISGUA und Collectif Guatemala um auf die Situation von
Menschenrechtsverteidigern im Gebiet der Mine Marlin aufmerksam zu machen.429
In der Literatur ist nachzulesen, dass eine der stärksten Fähigkeiten transnationaler Netzwerke
die schnelle Sammlung von exakter Information ist, die effektiv genutzt wird und Teil ihrer
Identität darstellt.430 Bei CAIG-Acoguate wird die Information über Menschenrechtsverstösse
über die Begleitarbeit in vielen Regionen des Landes gesammelt und systematisiert. Nach
jedem Einsatz erstellen die Begleitpersonen einen schriftlichen Bericht, der archiviert wird.
Diese Berichte garantieren auch eine Kontinuität beim ständigen Begleitpersonenwechsel.
Anhand der Berichte können sich zukünftige Einsatzleistende einlesen. Das CP-Team
sammelt und archiviert Zeitungsartikel und Communiqués anderer Organisationen zu den
aktuell
begleiteten
Fällen.
Diese
dienen
den regelmässigen
Analysen
über
die
Menschenrechtssituation in Guatemala, die bei Begleitanfragen helfen zu entscheiden.
Das von Margaret E. Keck und Kathryn Sikkink entworfene „Bumerang-Modell“431 zeigt auf,
dass
transnationale
„advocacy“-Netzwerke
durch
die
Informationsverbreitung
auf
Regierungen, die gegen international anerkannte Normen verstossen, internationalen Druck
aufbauen. Doch wie gehen Mitglieder eines transnationalen „advocacy“-Netzwerkes im
Bereich der Menschenrechte vor, wenn nicht nur Regierungen, sondern auch transnationale
Unternehmen gegen Menschenrechte verstossen? Kann dieses Modell auch auf diese
Situation angewendet werden?
Die Untersuchungen für diese Arbeit haben ergeben, dass die Organisationen in CAIG wie
auch andere NGOs im Kontext von Megaprojekten über verschiedene Wege versuchen,
427
Verschiedene NGOs, darunter Organisationen in CAIG, schickten 2007 einen Brief (siehe Anhang A.11, S. 137) an verschiedene
Adressaten des guatemaltekischen Staates (Präsident, Verfassungsgerichtspräsident, Menschenrechtsprokurist, etc.) um Druck auszuüben,
damit das Gerichtsverfahren gegen sieben indigene Bauern eingestellt werde, die beschuldigt wurden Minenarbeiter angegriffen zu haben.
2008 wurde dem neuen Präsidenten Alvaro Colom zum Amtsantritt von verschiedenen NGOs ein Brief (siehe Anhang A.12, S. 138)
geschickt, der die Besorgnis über die Menschenrechtssituation und den Konflikt im Departement San Marcos ausdrückte.
428
429
430
431
Interview K1, Zeile 566-570 .
Siehe Anhang A.13: Urgent Action Alert Mine Marlin, S. 142.
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 10.
Siehe Anhang A.3: Bumerang-Modell, S. 127.
94
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Druck auf transnationale Unternehmen auszuüben. Wie dabei vorgegangen wird, soll in der
Folge aufgezeigt werden.
4.2.4.1 Informationsaustausch zwischen CAIG-Acoguate und den Einsatzregionen432
Die Untersuchung der Informationswege hat gezeigt, dass Informationen nicht nur von der
Einsatzregion in die Hauptstadt, sondern auch umgekehrt fliessen. Ein Weg CAIG-Acoguates
auf
transnationale
Unternehmen
indirekt
Druck
auszuüben,
geht
über
die
Informationsverbreitung von der Hauptstadt (Hauptsitz von CAIG-Acoguate) in die
Begleitregionen. Dieser Informationsweg besteht bei der Begleitung von AJR-Mitglieder
bereits länger. Informationen über die Entwicklungen in den Gerichtsprozessen werden so in
abgelegene Regionen mit erschwertem Zugang zu öffentlichen Medien weitergeleitet. Diese
langjährig begleiteten AJR-Mitglieder sind durch die neoliberale Wirtschaftsentwicklung
vermehrt durch Megaprojekte betroffen und konfrontiert auch die Begleitarbeitmit neuen
Realitäten. Einerseits sammeln die Begleitpersonen in ihren Largo Plazo-Einsätzen
Informationen
über
diese
Projekte
und
teilen
sie
an
der
Monatssitzung
den
Regionsverantwortlichen mit, wobei wichtige Vorkommnisse an das Netzwerk von CAIGAcoguate als Communiqués per Mail verschickt, von einzelnen Organisationen in CAIG zu
politischer Arbeit verwendet und in den Internet-Blog gestellt werden. Andererseits werden
Informationen über Megaprojektpläne und Widerstandsbewegungen gegen Megaprojekte im
Land an die begleiteten Personen weitergegeben. Das in Kapitel 4.2.2 bereits angesprochene
Spannungsfeld zwischen der unparteiischen, apolitischen Haltung als Begleitperson des
Projektes Acoguate und der politischen Arbeit der Komitee-Vertreter in CAIG wird mit der
Informationsverbreitung in den Regionen verdeutlicht. Freiwillige formulierten ihr Dilemma
zwischen Unparteilichkeit und politischer Arbeit so:
 „Einerseits gibt sich das Projekt Acoguate gegen aussen als unparteiisch, als rein
beobachtend, andererseits werden die Acos „instrumentalisiert“, indem sie für ihre
politischen Interessen Informationen sammeln lassen und diese dann politisch
verwenden.“433
 „Ja, ich fühle mich teils missbraucht im Projekt Acoguate als internationale
Begleitperson. Solange das Einstehen für Menschenrechte politische Arbeit ist, dann bin
ich auch politisch und kann dahinter stehen, denn deswegen bin ich da. (...). Doch wenn
es darum geht, Äusserungen zu machen über Sinn und Unsinn von Grossprojekten wie
Wasserkraftwerken oder Minen, wo es um die Wirtschaftspolitik des Landes geht und
Menschenrechte nicht direkt betroffen sind, sondern oft ein lokalpolitisches Problem ist,
weil ein Teil der Bevölkerung gegen und ein Teil für das Projekt ist. Dort möchte ich
432
433
Siehe Dokument „Auswertungstabellen“ auf CD, Tabelle Freiwillige, Punkt 9.
Interview F1, Zeile 96-99.
95
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
nicht, dass wir als Organisation dort tätig werden, oder nicht in dem Sinne unsere Sicht
aufdoktrinieren gehen.“434
Hinter der Informationsverbreitung in den Regionen, die von Megaprojekten betroffen sind
oder in naher Zukunft sein werden, sieht die Autorin dieser Arbeit die Absicht gegen lokale
und nationale Regierungsinstanzen Druck aufzubauen, damit diese bei der Planung und
Umsetzung von Megaprojekten die Menschenrechte zu respektieren. Eine informierte
Gemeinschaft kann sich besser organisieren als eine unwissende, um gegenüber
transnationalen Unternehmen und der eigenen Regierung ihre Bedürfnisse und Rechte
vertreten zu können. Bei dieser Strategie stellt sich allerdings die Frage, ob mit dieser aktiven
Informationsverbreitung über Begleitpersonen das Prinzip der Nicht-Einmischung und
Unparteilichkeit verletzt wird. Es kann argumentiert werden, dass diese Strategie im Kontext
Guatemalas als Hilfe gesehen werden kann, die durch den langen Krieg zerrüttete
Zivilgesellschaft zu stärken. Das Informieren über die Widerstandsbewegungen gegen
Megaprojekte im Land um den sozialen Widerstand gegen Megaprojekte zu vereinen, ist eine
aktive Handlung und vor dem Hintergrund der Begleitprinzipien eher grenzwertig.
4.2.4.2 Zusammenarbeit mit Botschaft435
Mit Ausnahme von Swefor besteht bei den Freiwilligen kein direkter Arbeitskontakt zu ihren
Botschaften, abgesehen vom Unterstützungsbrief436, den die Freiwilligen, mit Ausnahme der
amerikanischen, erhalten. Der ständige Wechsel unter den Freiwilligen erschwert eine
längerfristige und nachhaltige Zusammenarbeit mit den Botschaften. Es kommt immer wieder
vor, dass Freiwillige die Komitee-Vertreter an Botschaftstreffen begleiten, da sie als
Augenzeugen am authentischsten Bericht erstatten können.
Die Komitee-Vertreter in CAIG pflegen eine Arbeitsbeziehung zu ihren Botschaften um
Informationen weiterzuleiten. Die freiwillige Person der schwedischen Organisation Swefor,
erzählte im Interview von Treffen in der schwedischen Botschaft und von einem Besuch eines
Botschaftsmitarbeiters im Feld, bei dem auch Zeugenaussagen von Massakerüberlebenden
entgegengenommen wurden. Als Gründe für diese Zusammenarbeit nannte die freiwillige
Begleitperson, den Zugang der Botschaft zu wichtigen direkten Einflusskanälen auf die
guatemaltekische Regierung.437 Über diese Zusammenarbeit entstehe die Möglichkeit, über
434
435
436
437
Interview F2, Zeile 84-95.
Siehe Dokument „Auswertungstabellen“ auf CD, Tabelle Freiwillige, Punkt 5-7.
Siehe Anhang A.10: Unterstützungsbrief von Botschaft, S. 136.
Vgl. Interview F4, Zeile 23-25.
96
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
die Botschaften Druck auf guatemaltekische Institutionen, wie auch auf die schwedische
Regierung, ausüben zu können und so diese zum Handeln für mehr Gerechtigkeit zu
bewegen.438 Die Erfahrungen mit der Botschaftszusammenarbeit sind ambivalent. Die
freiwillige Begleitperson von Swefor machte in der Zusammenarbeit mit der schwedischen
Botschaft Erfahrungen, die ihn rückschliessen liessen, dass NGOs bei den Botschaften eher
zweitrangige Priorität haben. Auf diese Einschätzung kommt die Person einerseits, weil die
Botschaft aus Zeitgründen die NGO teils nicht empfing und er daraus fehlendes Interesse
interpretierte. Andererseits nahm an einem Treffen mit neun anwesenden Vertretern (eine
Koordinatorin und acht Begleitpersonen) der NGO Swefor nur ein Botschaftsvertreter.439 Die
Themenschwerpunktsetzung lasse jedoch darauf deuten, dass sich die Botschaft von den
Informationen der NGO-Berichte doch beeinflussen lasse, da sie mit der Agenda der NGO
übereinstimme.440 Auch sei ihm von den Botschaftsmitarbeitern gesagt worden, dass ihre
Arbeit wichtig sei und sie diese wertschätzten.441
Wie wird die Arbeit internationaler Begleitorganisationen in Guatemala aus Sicht der
Diplomatie wahrgenommen? Aus den Gesprächen mit Diplomaten aus den Ländern Kanada,
Schweiz, Deutschland, Schweden und Frankreich kann zusammenfassend festgehalten
werden, dass die Arbeit von NGOs in Guatemala generell als wichtig eingestuft und eine
Zusammenarbeit geschätzt wird. Mit Ausnahme der amerikanischen Botschaft pflegen alle
Organisationen in CAIG mehr oder weniger intensiven Kontakt mit ihrer jeweiligen
Botschaft. Der kanadische Botschaftsvertreter betonte im Kontakt mit NGOs vor allem die
Wichtigkeit des Informationsaustausches und wies darauf hin, dass die Zusammenarbeit auch
von der persönlichen Beziehung abhänge. Der deutsche Botschaftsvertreter beispielsweise ist
der Meinung, dass NGOs in Guatemala ihrer Rolle als Mahner gerecht würden, damit
Menschenrechte implementiert werden. Er schätzt die NGO-Arbeit als wichtig ein, weil
NGOs „mit den Ohren auf der Schiene liegen“.442 Sie seien für die Botschaften
Informationsquellen und Alarmglocken. Der Einfluss, den NGOs in der Zusammenarbeit auf
die Politik der Botschaften ausüben, scheint jedoch klar limitiert. Dies untermalt der deutsche
Botschaftsvertreter mit der Aussage, dass Botschaften durch NGOs zwar informiert,
Einschätzungen und Interpretationen jedoch nicht unbedingt geteilt werden. Botschaften
filtern aus den erhaltenen Informationen das heraus, was ihnen für die Menschenrechte und
438
439
440
441
442
Vgl. Interview F4, Zeile 300-304.
Vgl. Interview F4, Zeile 8-23.
Vgl. Interview F4, Zeile 29-33.
Vgl. Interview F4, Zeile 34-36.
Interview B1, Zeile 125.
97
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
die Aussenpolitik notwendig erscheine. Das bedeutet, dem Einfluss von NGOs auf
Botschaften sind Grenzen gesetzt, wenn die politischen Einschätzungen der Botschaft oder
die aussenpolitischen Interessen nicht mit den Einschätzungen und Aktivitäten der NGOs
vereinbar sind. 443 Der Unterstützungsbrief zeigt aber, dass die Botschaften die Begleitarbeit
von CAIG-Acoguate grundsätzlich gutheissen.444 Der deutsche Botschaftsvertreter wies im
Interview darauf hin, dass die Begleitarbeit die persönliche Integrität einer Begleitperson
gefährden könne, da die Präsenz internationaler Begleiter auch medial verfolgt wird.
Die Botschaften treffen sich regelmässig mit der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft, wo
die Botschaftsvertreter anhand der erhaltenen Information über Menschenrechtsverletzungen
nachfragen können, wie die Staatsanwaltschaft in diesem Fall gedenkt weiter zu verfahren.
Wenn viele Briefe von Landsleuten durch eine Eilbriefaktion an eine Botschaft gelangen, so
liegt es in der Verantwortung dieser Botschaft, darauf zu reagieren. Anfang 2007 verfasste
CAIG-Acoguate einen offenen Brief, der die Besorgnis über die zugenommenen Attacken
gegen Menschenrechtsaktivisten ausdrückte, die sich für die Suche nach Wahrheit und
Gerechtigkeit im Zusammenhang mit den Massakern einsetzten und innerhalb eines Monats
enorme Drohungen erhielten. Daraufhin entstand Handlungsdruck und das Hochkommissariat
für Flüchtlinge der UNO und verschiedene Botschafter waren daraufhin an einer öffentlichen
Solidaritätskundgebung zugegen. Danach sanken laut der Koordinatorin von CAIG-Acoguate
die Angriffe auf die Menschenrechtsaktivisten enorm.445
In Guatemala gibt es eine Gruppe von europäischen Botschaften (Grupo Filtro), die sich
einmal im Monat treffen (in dringenden Fällen ad hoc) und Menschenrechtsverletzungen
überarbeiten, die UDEFEGUA einreichte.446 An folgenden Sitzungen mit nationalen
Institutionen wollen die Botschaftsvertreter anhand der erhaltenen NGO-Informationen über
Menschenrechtsverletzungen politisch Einfluss nehmen. „Es hilft, doch schlussendlich bleibt
die alte Struktur [bestehen]“447, so die Koordinatorin von CAIG-Acoguate. Auch Diplomaten
nutzen wie Begleitpersonen ihre Präsenz als Druckinstrument: Botschaftsmitarbeiter nehmen
auch an Prozessen im Gerichtssaal teil, um als internationale Präsenz Druck auf den
Prozessverlauf auszuüben. Diplomaten wollen durch ihre physische Präsenz zeigen, dass sie
von der Justiz einen fairen Prozess erwarten.448
443
444
445
446
447
448
Vgl. Interview B1, Zeile 126-127; 147-149.
Vgl. Interview B1, Zeile 155-159.
Interview K1, Zeile 572-579.
Interview B1, Zeile 60-61.
Interview K1, Zeile 588 .
Interview B1, Zeile 67-71.
98
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Die Ausführungen in diesem Kapitel zeigen, dass die Zusammenarbeit mit Botschaften für die
internationale Begleitarbeit wichtig ist, um bei Menschenrechtsverletzungen im Kontext von
Megaprojekten auf nationaler und internationaler Ebene Druck zu erzeugen.
4.2.4.3 Informationskanal über Netzwerke im Herkunftsland
Die Informationen gelangen durch die Koordinatorin von CAIG-Acoguate, den Vertretern der
Organisationen in CAIG und über die Freiwilligen in die Herkunftsländer der Organisationen.
In diesen Ländern wird Lobbyarbeit betrieben, indem durch die erhaltenen Informationen aus
Guatemala Anklagen, Reportagen und Artikel veröffentlicht werden, die der eigenen und der
guatemaltekischen Regierung wie auch transnationalen Unternehmen Druck aufsetzen, sich
gegen Menschenrechtsverletzungen stark zu machen.
Einige der Organisationen wie Nisgua, Collectif, BTS und PAQG in CAIG machten das
Thema Megaprojekte zu einem Schwerpunktthema ihrer Arbeit. 2007 organisierten PAQG
und BTS Treffen von Megaprojekt-Betroffenen aus Guatemala mit Minenunternehmen in
Kanada und der kanadischen Zivilbevölkerung um ihre Bedenken mitzuteilen. Ende 2007
organisierte auch Nisgua eine Rundreise durch die USA mit Verteidigern natürlicher
Ressourcen (Xalalá-Staudammprojekt und Minentätigkeit). Regelmässig laden Nisgua und
BTS Gruppen (Studenten, Politiker, solidarisierende Personen) aus ihren Ländern ein, um
ihnen die Menschenrechtssituation in Guatemala zu zeigen.449
Nebst der Informationsverbreitung in die Netzwerke der Organisationen in CAIG, werden
bewusst
auch
die
persönlichen
Netzwerke
der
freiwilligen
Begleitpersonen
zu
Sensibilisierungszwecken genutzt450 Diese Sensibilisierung der Gesellschaft in den nördlichen
Herkunftsländern geschieht über (Intensität hängt von der Verpflichtung mit der eigenen
Organisation und der eigenen Motivation ab):
-
Mails und/oder Newsletters an Familie, Freunde und Bekannte während des Einsatzes
-
Verfassen von Artikeln in Zeitungen, Zeitschriften während und nach dem Einsatz
-
Durchführung von Infoabenden und Vorträgen (in Schulen, Arbeitsplatz,...),
Teilnahme an Schulungen für zukünftige Begleitpersonen, etc. nach der Rückkehr in
ihr Land
Die befragten Freiwilligen gaben als Ziel der Sensibilisierung im eigenen Land an, die
Zivilgesellschaft dazu zu bewegen, durch ihr Konsumverhalten oder ihre Investitionen die
449
450
Siehe Anhang A.14: Chronologie Begleitarbeit in Guatemala, S. 144.
Siehe Dokument „Auswertungstabellen“ auf CD, Tabelle Freiwillige, Punkt 18.
99
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
transnationalen Unternehmen dazu zu bringen, die Menschenrechte zu respektieren, wie auch
die eigene Regierung zum Handeln aufzufordern:
 „Ich denke die Internationale Präsenz ist hier in diesem Kontext [Megaprojekte] vor
allem wichtig für die Verbreitung der Information und in unseren Ländern darüber zu
berichten, weil diese Unternehmen aus unseren Ländern stammen und es damit die
Präsenz dieser Unternehmen auch unsere Verantwortung liegt und auch mit unserem
kapitalistischen System, mit unserer Art und Weise zu leben verbunden ist. Wir profitieren
von den natürlichen Ressourcen dieser Länder für unser Wohlergehen.“451
 „Ich glaube unsere Präsenz und den Einfluss, den wir hier haben, zu evaluieren, ist sehr
schwierig. Aber vielleicht haben unsere Berichterstattungen, die die schwedische
Bevölkerung sensibilisieren, Interesse wecken und ihre politische Analyse und ihre
Gedanken beeinflussen könnten, einmal Konsequenzen für die Aussenpolitik
Schwedens.“452
Es ist schwer die Wirkung dieser Sensibilisierungsarbeit in den Herkunftsländern zu messen,
doch CAIG-Acoguate nutzt diesen Kanal in die Herkunftsländer um internationalen Druck
auf Regierungen und transnationale Unternehmen zu erzeugen.
Das von der Autorin dieser Arbeit entworfene Modell, zeigt die bisher diskutierten
Informationsverbreitungswege auf, über die Druck auf transnationale Unternehmen mit
Megaprojekten und Regierungen generiert werden soll (siehe Abbildung 1).
451
452
Interview F1, Zeile 200-206.
Interview F4, Zeile 249-253.
100
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Abbildung 1: Modell zur Druckerzeugung auf Regierungen und transnationale Unternehmen.453
4.2.4.4 Internationale Druckerzeugung im Fall der Mine Marlin
Aus den vorhergehenden Ausführungen zu den Informationswegen und dem Modell ist
abzuleiten, dass die Einwände und Bedenken der betroffenen Bevölkerung zu einem
Megaprojekt nicht genügend Gehör fand bei der eigenen Regierung und dem transnationalen
Unternehmen im Land und sich deshalb an ausländische NGOs wenden, um auf diese
Unternehmen Druck ausüben zu können. Die in dieser Arbeit aufgezeigten Machtverhältnisse
in Guatemala erklären, weshalb die von einem Megaprojekt betroffene indigene Bevölkerung
453
Eigene Darstellung - Das Modell basiert auf dem Bumerang-Modell (siehe Anhang A.3, S.127).
101
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
wenig bis keinen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik nehmen kann und die Regierung oft die
Wirtschaftsinteressen der transnationalen Unternehmen unterstützt.
Wie wird im Kontext der Mine Marlin vorgegangen um Menschenrechte zu schützen?
Da das Minenunternehmen Goldcorp in Kanada angesiedelt ist, wird von NGOs versucht,
über die kanadische Botschaft auf das Unternehmen Druck auszuüben. Aus einem von Rights
Action 2008 verfassten Brief454, an die kanadische Botschafterin, der auch von Organisationen
in CAIG unterzeichnet wurde, wird dies ersichtlich.
Eine andere Strategie ist das Weiterleiten von Information über Menschenrechtsverletzungen
und Umweltschäden an Investoren, die in einem transnationalen Unternehmen ihre Gelder
anlegen. Wie in Kapitel 4.1.3 erwähnt, rief Goldcorp 2008 auf Druck von Investoren ein
„Human
Rights
Impact
Assessment
(HRIA)
committee“
ins
Leben
um
einen
Menschenrechtsbericht zur Situation der Mine Marlin zu verfassen. Kritiker sagen, dass
Goldcorp die Bezahlung dieses Komitees übernahm, weil das Unternehmen an der
Generalversammlung 2008 in Vancouver vor den Investoren nicht ins schlechte Licht gerückt
werden wollte, weil Beschuldigungen zu Menschenrechtverletzungen vorlagen.
Auch Schwedische Pensionskassen haben ihre im internationalen Minenunternehmen
Goldcorp angelegt. Der Vertreter von Swefor in Guatemala sieht darin eine Möglichkeit,
Druck auszuüben auf Goldcorp, die Umwelt- und Menschenrechtsstandards einzuhalten.455
An einer Sitzung in San Miguel Ixtahuacan im Februar 2009 erlebte die Autorin, wie die
lokalen Personen im Widerstand gegen die Mine Marlin vorgehen, um ihre Ziele zu erreichen.
An dieser Sitzung nahmen nebst internationalen Begleitpersonen Vertreter der Kirche,
internationale NGOs (Rights Action456 und CIEL457) und die zwei für diese Arbeit interviewten
Personen im Widerstand teil. Die internationalen NGOs zeigten Strategien auf, um durch
Informationsverbreitung internatonalen Druck auf den Staat Kanada und das Unternehmen
Goldcorp auszuüben:
1) Klage gegen die Verstösse Goldcorps bei der OECD und beim kanadischen Kongress
einreichen, mit der Anklage, dass Kanada als Mitglied der OECD mit dem kanadischen
454
455
Siehe Anhang A.8: Brief von NGOs an die kanadische Botschafterin, S. 132.
Vgl. Interview F4, Zeile 342.
456
Rights Action: funds community-controlled development, environmental, human rights and emergency-relief projects in Guatemala,
Honduras, Chiapas and Oaxaca (Mexico) and El Salvador, and does education and activism work with North Americans to address global
exploitation, repression, enviro-destruction and racism (siehe http://www.rightsaction.org/).
457
CIEL: Center for International Environmental Law. CIEL is a nonprofit organization working to use international law and institutions to
protect the environment, promote human health, and ensure a just and sustainable society. We provide a wide range of services including
legal counsel, policy research, analysis, advocacy, education, training, and capacity building (siehe http://www.ciel.org/reciel.html).
102
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Unternehmen in Guatemala gegen Menschenrechte verstösst. Diese Klage solle mit
Briefen internationaler NGOs und Medienmitteilungen unterstützt werden.
2) Briefe an Institutionen (Banken, Pensionskassen, Universitäten) schreiben, die
Goldcorp mitfinanzieren, um aufzuzeigen, dass Goldcorp seine Vorgaben nicht erfülle.
Es wurde vorgeschlagen, die Studenten der Harvard University, die in Goldcorp
investiert, zu informieren, damit diese Druck ausüben auf die Universität.
3) Druck auf die guatemaltekische Regierung ausüben über den interamerikanischen
Gerichtshof für Menschenrechte (dies dauert länger, da zuerst der nationale Rechtsweg
benutzt werden muss) und über CAFTA (Central American Free Trade Association).
Guatemala ist dem Freihandelsabkommen CAFTA beigetreten und unterliegt damit
auch den Artikeln zum Schutz der Umwelt.
4) Klageschrift an die ILO (International Labour Organization).
5) Klageschrift an das UNO-Komitee zur Eliminierung rassistischer Diskriminierung
(UN-Committee for the Elimination of all forms of Racial Discrimination).
6) Klageschrift an das Verfassungsgericht Guatemalas.
Die Personen im Widerstand gegen die Mine bedienen sich also mit Hilfe ausländischer
Kontakte dieser Druckmechanismen, was die theoretische Annahme zur Vervielfachung der
Kanalzugänge zum internationalen System von Margaret Keck und Kathryn Sikkink bestätigt.
Die Unterstützung von Seiten CAIG-Acoguate besteht aus der reinen Informationsverbreitung
über die bereits erwähnten Wege. Die Person, die von CAIG-Acoguate begleitet wird,
wünscht sich von Seiten CAIG-Acoguate mehr Engagement in Form einer stärker
systematisierten Informationsvertreibung, damit für die eigene Regierung Handlungsbedarf
für die Menschenrechte entsteht. Die begleitete Person schlug vor, mehr Berichte über die
Situation der Mine zu veröffentlichen, die auch an Sonderberichterstatter der UNOKommissionen für Menschenrechte und an die internationale Gemeinschaft gelangen. Ob
diese Berichte Wirkung zeigen und die Wirtschaftspolitik beeinflussen könnten, darüber ist
sich die Person hingegen nicht sicher.458
Eine interviewte Person im Widerstand ist der Meinung, dass es viel externe Unterstützung
brauche, um eine Bewegung aufzubauen, betonte aber, dass die einheimische Bevölkerung
Hauptakteur bleiben sollte und die Probleme selbst lösen müsse, damit sich etwas ändere.459
458
459
Vgl. Interview BP6, Zeile 55-74.
Vgl. Interview BP5, Zeile 47-53.
103
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Nach diesem Prinzip handelt die Begleitarbeit. Sie hilft den begleiteten Personen im
Widerstand nicht diese Strategien aktiv umzusetzen, sondern versucht ihnen durch ihre
Präsenz einen politischen Raum zu öffnen. Auf dieses Ziel der internationalen Begleitarbeit
wird in der Folge eingegangen um zu klären, was dieses Ziel im Kontext von Megaprojekten
bedeutet.
4.2.5 Schaffung eines politischen Raumes
Durch die internationale Präsenz und Informationsverbreitung über aufgezeigten Kanäle,
entsteht für die begleiteten Personen ein grösserer politischer Raum.460 In der Fachliteratur zur
internationalen Begleitung wird aufgezeigt, dass die Begleitarbeit den politischen Raum von
Menschenrechtsaktivisten
verändert
und
negative
Konsequenzen
bei
Menschenrechtsaktivitäten teils verhindern kann. Durch die Begleitung wird gleichzeitig auch
der politische Raum der Aggressoren für gewalttätige und repressive Handlungen
beeinträchtigt.461
Die theoretischen Ausführungen462 zur internationalen Begleitarbeit von Liam Mahony und
Luis Enrique Eguren lassen folgende Konklusionen zu den Effekten des Begleitschutzes in
Bezug auf politische Räume zu:
-
Heben die Sicherheitswahrnehmung auf Seiten der Menschenrechtsaktivisten an und
ermöglicht dadurch weitere Handlungen für die Menschenrechte
-
Vermindern die Straflosigkeitswahrnehmung bei Akteuren, die Menschenrechte
verletzen
Es ist bekannt, dass Menschenrechtsaktivisten, die attackiert oder bedroht werden, ihre Arbeit
öfters beenden möchten, da ihnen das Risiko für sich und ihre Familie zu gross wird. Dank
dem politischen Raum, bleiben lokale Bestrebungen für die Menschenrechte erhalten: „Ich
glaube, dadurch wird auf eine Art die Sichtbarkeit des Menschenrechtsproblems, des
Konfliktes, aufrechterhalten.“463
Auch wenn die Analyse der Wirkung der Begleitarbeit schwierig ist, kann nach der
Auswertung der Interviews generell gesagt werden, dass die Begleitarbeit von CAIGAcoguate einen politischen Raum öffnet, in dem sich lokale Menschenrechtsaktivisten
460
Der politische Raum entsteht durch die Aufmerksamkeit verschiedener (politischer) Akteure auf nationaler wie internationaler Ebene, die
über eine Menschenrechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurden.
461
462
463
Vgl. Mahony/Eguren, Unarmed Bodyguards, S. 93-95.
Vgl. Mahony/Eguren, Unarmed Bodyguards, S. 96-97.
Interview BP6, Zeile 26-27.
104
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
sicherer fühlen mit ihrer Arbeit fortzufahren. Die Koordinatorin des Projektes CAIGAcoguate findet es wichtig, dass im Kontext von Megaprojekten durch die Präsenz
internationaler Begleitpersonen ein politischer Raum geöffnet wird, damit sich die
Zivilbevölkerung organisieren kann.464 Die im zweiten Kapitel aufgezeigte Situation eines
Grossteils der guatemaltekischen Bevölkerung macht klar, dass es für sie grundsätzlich
schwierig ist, sich für ihre Rechte einzusetzen. Ein Grund ist die andauernde Armut (fehlende
Nahrung, Bildung und Gesundheit). Ein weiterer Grund liegt im beendeten Bürgerkrieg, der
in den Gemeinden eine Gesellschaft hinterliess, die sehr gespalten ist und deren Mitglieder
sich gegenseitig nicht vertrauen, teils nicht einmal unter Familienmitgliedern.
Die Begleitarbeit wird von Interviewten als Instrument gesehen, durch die Schaffung eines
politischen Raumes das Machtverhältnis zwischen Staat/Unternehmen und indigener
Bevölkerung auszugleichen. Ein Aktivist der nordamerikanischen NGO Rights Action räumte
bei einem informellen Gespräch im Feld die Wichtigkeit der internationalen Begleitarbeit im
Kontext der Mine Marlin ein, weil die Menschen in den Gemeinden Guatemalas
marginalisiert und isoliert seien, während das Unternehmen Goldcorp von der Regierung
Rückhalt erhalte. Mit der Schaffung eines politischen Raumes sollen die ungleichen
Machtverhältnisse ausgelotet werden.
Die Interviewten erachten bei der Begleitung im Kontext von Megaprojekten die Schaffung
eines politischen Raumes als wichtig, damit die Bedürfnisse und Vorstellungen der
Betroffenen öffentlich erhört werden, sie ihre Rechte einfordern können, ein demokratischer
Prozess in Gang gesetzt wird und ein Gewaltkonflikt verhindert oder weniger gewaltgeladen
verläuft:
 „Internationale Begleitpersonen bringen den Menschen im Widerstand gegen die Mine
mit
der
internationalen
Präsenz
Augen
von
ausserhalb,
die
bei
Menschenrechtsverletzungen als Zeugen fungieren und diese Information nach aussen
tragen können. Es wird gezeigt, dass sich jemand für den Konflikt interessiert. Ohne diese
Präsenz wäre der Druck auf die Menschen im Widerstand grösser und die Situation
gewalttätiger.“465
 „Als internationale Begleiter ist es sicherlich nicht falsch bei diesen Prozesse
beobachtend dabei zu sein und Menschenrechtsverletzungen damit zu verhindern. Präsent
sein um einen Konflikt nicht zu einem Gewaltkonflikt ausbrechen zu lassen, um den
Konflikt abzuschwächen.“466
464
465
466
Interview K1, Zeile 157.
Vgl. Interview F5, Zeile 183-194.
Interview F5, Zeile 140-144.
105
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Der politische Raum, der den lokalen Personen im Widerstand durch die Begleitarbeit
geöffnet wird, könne eine Konsultation aller Konfliktparteien und eine friedlichere
Konfliktkultur fördern:
„Internationale Begleiter können versuchen, durch ihre Präsenz vor Ort zu verhindern, dass
der Konflikt ausbricht. Weil hier in Guatemala Konflikte nicht zu Gunsten Indigener
entschieden werden, gerade wenn es um Wirtschaftsinteressen geht, wie es die Geschichte
gezeigt hat, ist es wichtig, dass der Gewaltkonflikt verhindert wird und eine Konfliktkultur
zustande kommen kann, in der alle Parteien einbezogen und konsultiert werden. Die Indigene
Bevölkerung muss trotz Megaprojekten in diesen Gebieten leben können, ihnen die
Lebengrundlage nicht entzogen wird, dies ist im Sinne des Menschenrechts.“467
Auch die begleitete Person selbst, sieht in der Begleitung eine abschwächende Wirkung des
Konfliktes.468
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die internationale Präsenz dem Widerstand
gegen ein Megaprojekt auf lokaler, nationaler wie internationaler Ebene Aufmerksamkeit
bringt, die politisch genutzt werden kann, um die ungleichen Machtverhältnisse
auszugleichen. Es kann eine friedliche Konfliktkultur entstehen, weil der politische Raum
unter internationaler Beobachtung steht und die Wahrscheinlichkeit von Gewalteskalationen
mindert.
4.2.6 Moralische Unterstützung
Auch die moralische Unterstützung als wichtiges Element der internationalen Begleitarbeit
wurde von den Interviewten immer wieder erwähnt. Die moralische Unterstützung ist
deswegen Relevant für die Begleiteten, weil sie von Seiten des Staates oder anderen lokalen
Institutionen im Land keine Unterstützung erhalten, ihre Anliegen vorzubringen und ihnen
internationales Interesse zeigt, dass ihre Anliegen nicht unbedeutend sind.
Freiwillige Personen formulierten es so:
 „Die Leute erhalten das Gefühl, dass sie existieren. Die Würdigung und Anerkennung
ihres Kampfes, lässt sie nicht alleine dastehen. Sie fühlen sich besser, dass Leute an sie
denken, nach so vielen Jahren des Leidens, der Straflosigkeit und Ungerechtigkeit. (...).
Die Empathie hilft zu teilen. Es stärkt sie, weiterzumachen mit ihrem Kampf.“469
 „In einem Ambiente von Drohungen, Mordversuchen und Ermordungen und wenig
positiven Rückmeldungen des guatemaltekischen Staates, ist die moralische Unterstützung
wichtig, damit sie mit ihren Gerechtigkeitskämpfen weitermachen, damit sie ihre Arbeit
weiterführen um die Menschenrechtssituation zu verbessern.“470
467
468
469
470
Interview F2, Zeile 146-153.
Vgl. Interview BP6, Zeile 40-41.
Interview F7, Zeile 212-219.
Interview F4, Zeile 263-267.
106
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
 „Für die Menschen in Guatemala, die für ihre Rechte kämpfen, ist es wichtig, von
ausserhalb Respekt zu erhalten, da sie in ihrem Land selbst keine Unterstützung finden
und nicht wahrgenommen werden. Uns wurde an einer Motivationsansprache vor Ort für
unsere Präsenz gedankt und dass wir so viele Entbehrungen auf uns nehmen. Sie
erwähnten, dass unsere Präsenz für sie eine moralische Unterstützung ist, da man sich
mit ihnen abgibt, ihnen Respekt entgegenbringt und sich ihrer Sache annimmt. Es wurde
Dankbarkeit ausgedrückt, dass man sich mit ihnen abgibt, dass man sie nicht wie gewohnt
als unwichtig abtut, als jemanden, der eh nie was verändern kann oder darf.“471
Im Gegensatz zum Abschreckungseffekt der Begleitarbeit, der schwierig nachzuweisen ist,
kann die moralische Unterstützung anhand von Zeugenaussagen der begleiteten Personen
nachgewiesen werden. Die Untersuchungen der Aussagen von Freiwilligen und begleiteten
Personen zeigen, dass bei den begeleiteten AJR-Mitglieder mittlerweile die moralische
Unterstützung eine grössere Rolle spielt als die Abschreckung. Dies hängt mit der
Entwicklung der Gerichtsfälle ab. Sobald wieder mehr Bewegung in die Gerichtsprozesse
kommt, kann die Gefahr für die Überlebenden und Zeugen der Massaker wieder akut steigen.
Die befragten AJR-Mitglieder empfinden die langjährige Begleitung als Bestätigung dafür,
dass sie von der Aussenwelt nicht vergessen wurden, es sich lohnt und sie ermutigt weiter
auszuharren und für Gerechtigkeit zu kämpfen.
Freiwillige
Begleitpersonen
machten
bezüglich
moralische
Unterstützung
bei
Massakerüberlebenden folgende Erfahrungen:
„Als moralische Unterstützung haben wir einen wichtigen Effekt. Kommt darauf an, mit wem
und bis zu welchem Punkt sie mit uns sprechen möchten. Mir passierte es oft, dass ich merkte,
dass in vielen Momenten der wichtigste Grund für meine Präsenz die menschliche und
persönliche Unterstützung war.“472
Für die begleiteten AJR-Mitglieder beinhaltet die moralische Unterstützung oft auch die
Verarbeitung ihrer gewaltvollen Vergangenheit. Ein Zeuge der Massaker erklärte der Autorin,
dass er seiner eigenen Familie nicht immer wieder dieselben Geschichten erzählen könne und
deshalb froh sei, dass immer wieder neue Freiwillige kämen. Auch andere Freiwillige
machten diese Erfahrung:
„In einer Region, in der ich AJR-Mitglieder besuche, dankten die Menschen vor allem für die
moralische Unterstützung und dankten für die Besuche, dass sie diese glücklich machen und
sie sich dadurch besser fühlen lässt, dass sie mit uns über die Gewalt in der Vergangenheit
sprechen können.“473
471
472
473
Interview F1, Zeile 193-202.
Interview F6, Zeile 186-189.
Interview F6, Zeile 337-341.
107
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Im Kontext von Megaprojekten, scheint die moralische Unterstützung nicht dieselbe Rolle zu
spielen wie bei der Begleitung der AJR-Mitglieder. Die begleiteten Personen im Widerstand
gegen die Mine erwähnten in den Interviews die moralische Unterstützung nicht explizit. Eine
interviewte Person im Widerstand erwähnte, dass die Begleitung ihr Profil ein wenig erhöhe.
Dies kann als Erhöhung des Ansehens, als Anerkennung von aussen interpretiert werden und
kann als eine Art moralische Unterstützung im Sinne einer Stärkung des Selbstvertrauens der
Person gesehen werden. Die Dauer des Kampfes um ihre Rechte ist im Vergleich zu den AJRMitglieder kurz und sie scheinen noch mehr Motivation und Energie zu haben. Der
Bildungsstand der Initianten der Widerstandsbewegung gegen die Mine ist höher als derjenige
der meisten AJR-Mitglieder. Die begleitete Person im Widerstand gegen die Mine Marlin
setzt die Mechanismen Abschreckung, Informationsverbreitung und internationaler Druck der
internationalen Begleitarbeit viel bewusster und strategischer ein als die AJR-Mitglieder.
5
Konklusionen
Auf der Makroebene betrachtet, ist die zunehmende Nachfrage nach Rohstoffen und
natürlichen Ressourcen weltweit ein Grund für viele Konflikte. Wenn man davon ausgeht,
dass in Zukunft die Nachfrage nach Rohstoffen und Ressourcen steigt, dann müssen aus einer
pazifistischen Sicht Instrumente gefunden werden, um diese Konflikte, insbesondere
gewaltsame, zu verhindern.
In dieser Arbeit wurde das Ziel verfolgt, die internationale Begleitarbeit zu untersuchen um
herauszufinden, wie die internationale Begleitarbeit einen Beitrag im konfliktgeladenen
Kontext von Megaprojekten leisten kann. Dazu wurden in einem ersten Schritt die
Konfliktursachen
und
das
Konfliktpotenzial
(bei
Megaprojekten)
untersucht.
Die
Arbeitsweise der internationalen Begleitarbeit (im Konfliktkontext von Megaprojekten)
wurde in einem zweiten Schritt erforscht.
Zu Konfliktursachen im Kontext von Megaprojekten kann in Bezug auf das von den BICC474Forschern entwickelte Modell über die konfliktiven Konstellationsfaktoren bei grossen
Ressourcenextraktionsprojekten gesagt werden, dass sich dieses auch auf die Erforschung von
Konflikten anderer Megaprojekttypen anwenden lässt, um das Konfliktpotenzial aufzuzeigen.
Im Falle Guatemala konnte aufgezeigt werden, dass alle vier Modell-Faktoren zutreffen und
damit die Konfliktgeladenheit im Konfliktkontext von Megaprojekten recht hoch einzustufen
ist:
474
BICC: Internationales Konversionszentrum Bonn.
108
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
 Megaprojekte verschiedenster Art (Abbau von natürlichen (nicht-erneuerbaren) Ressourcen,
Wasserkraftwerke, Monokulturen, Infrastrukturprojekte) werden von der Regierung mit einer
neoliberalen Wirtschaftspolitik (Plan Pueblo Panama, DR-CAFTA) stark gefördert, was auch
eine grosse Lizenzvergabe für Minenprojekte mit sich brachte.
 Die Fragilität und Instabilität des Staates wurde anhand verschiedenster Faktoren belegt, die
auf eine „Bad Governance“ schliessen lassen: schwacher Rechtsstaat (Straflosigkeit), Armut
(soziale Exklusion), Demokratiedefizite (politische Exklusion), Gewalt, Korruption, fehlende
Transparenz, „Hidden Powers“ und illegale Gruppierungen. Bei diesem Punkt muss das
Modell im Fall Guatemala erweitert bzw. präzisiert werden. Spezifisch für den
Konfliktkontext bei Megaprojekten ist die historische (fortdauernde Strukturen aus
Kolonialzeit und Bürgerkrieg wie Landkonflikte), die post-konfliktive (gesellschaftliche
Spannungen und Spaltung aus dem Bürgerkrieg) und indigene Komponente (Rassismus,
Ausgrenzung).
Die Untersuchungen zum Konfliktpotenzial bei Megaprojekten zeigen, dass Konflikte im
Kontext von Megaprojekten in Guatemala nur die Spitze des Eisberges darstellen. Das
historisch
bedingte Konfliktpotenzial
bildet die Basis des Konfliktkontextes bei
Megaprojekten. Im Falle Guatemalas ist das historisch gewachsene Konfliktmuster geprägt
von Einschüchterungen und Gewalt. In einer „post-konfliktiven“ Gesellschaft wie der
guatemaltekischen kann davon ausgegangen werden, dass Konflikte jeglicher Art,
insbesondere zwischen Staat und Zivilbevölkerung, schneller zu einem gewalttätigen
Ausbruch kommen.
Die Fragilität des Staates kann als Grund für das Nicht-Einstehen für die Bevölkerung
gesehen werden. Die Untersuchungen ergaben im Detail folgende Gründe:
- das politische System, das die Zivilbevölkerung nur durch Parteizugehörigkeit an
politischen Entscheidungsprozessen teilhaben lässt;
- die Interessen der Wirtschaftselite, die stark in der Regierung vertreten sind;
- mangelnder politischer Wille, auf die Bedürfnisse der indigenen Bevölkerung
einzugehen
Die Untersuchungen zum Megaprojekt Mine Marlin ergaben, dass die Folgen der Fragilität in
der lokal betroffenen Bevölkerung Verwirrung (durch unterschiedliche Informationen) und
Spaltung
(unterschiedlichen
Vorstellungen
von
Entwicklung)
sind.
Eine
Dialogbereitschaft/Konfliktkultur fehlt.
109
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
 Das Engagement transnationaler Unternehmen ist bei Megaprojekten in Guatemala
zutreffend, weil das nötige Know-How und Kapital fehlen, um Megaprojekte durchzuführen.
Die Untersuchungen zum Megaprojekt Mine Marlin zeigen, dass die transnationalen
Unternehmen Aufgaben des Staates übernehmen. Von Megaprojektgegnern wird dies als
Taktik des Unternehmens ausgelegt, um einerseits die Bevölkerung für ihr Projektvorhaben
zu gewinnen und andererseits um mit der Erfüllung von Standards zu Umwelt und
Menschenrechten Projektinvestoren zu gewinnen oder zu behalten.
Das Engagement von transnationalen Unternehmen führt zur Privatisierung der Regionen
(private Kontrolle über öffentliche Dienstleistungen Unternehmen).
Wenn transnationale Unternehmen in einem fragilen Land wie Guatemala ein Megaprojekt
haben, dann führen die vorhandenen Machtstrukturen dazu, dass Widerstand entsteht, weil
sich
die
lokal
betroffene
Bevölkerung
nicht
genügend
in
den
wirtschaftlichen
Entwicklungsprozess einbezogen fühlt. Die Bevölkerung befürchtet, dass private Interessen
auf lokaler wie nationaler Ebene dazu führen, dass die Gewinne aus diesen Megaprojekten
nicht zur Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards eingesetzt werden.
 Über die sozialen und ökologischen Folgen von Megaprojekten, insbesondere bei der
Rohstoffextraktion, wurde die vorherrschende Uneinigkeit dokumentiert. Minenbefürworter
(Regierung, MEM, transnationales Unternehmen) sehen keine Risiken für Mensch und
Umwelt aufgrund einer guten Überwachung, Wartung und Spitzentechnik. Die Minengegner
(Umweltaktivisten, Menschenrechtsaktivisten) sprechen von ersten Gesundheitsschäden und
Veränderungen in der Pflanzen- und Tierwelt, Wasserquellenversiegen). Nebst den sozialen
und ökologischen Folgen eines Megaprojektes, wurden bei der Untersuchung im Falle
Guatemalas auch politische (Nicht-Konsultation führt zu stärkerer politischer Exklusion der
Indigenen) und ökonomische (Existenzgefährdung durch erzwungenen Landverkauf) Folgen
als ausschlaggebend erkannt.
Im ersten Teil der Arbeit konnte aufgezeigt werden, dass eine Verbesserung des
Lebensstandards (Elektrizität,
Abwassersystem,
etc.) in
Guatemala für
viele ein
Grundbedürfnis ist. Guatemalas Entwicklungsstrategie mit der Förderung von Megaprojekten
basiert auf dem liberalistischen Ansatz. Die Untersuchungen in dieser Arbeit zeigen auf, dass
die Vorgehensweise und die Art von Megaprojekten ausschlaggebend sind, ob diese Projekte
bei der lokal betroffenen Bevölkerung auf Akzeptanz stossen oder Widerstand hervorrufen.
Infrastrukturprojekte, von denen die Zivilbevölkerung selbst profitiert und ihren
Lebensstandard verbessern, rufen weniger Widerstand hervor, als beispielsweise ein
Minenprojekt im Tagabbau, dessen Folgen für Mensch und Umwelt gross sein können.
110
Masterarbeit
Der
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Zusammenhang
zwischen
„Bad
Governance“
und
einer
Zunahme
von
Menschenrechtsverletzungen inklusive Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger kann
durch
die
Untersuchungen
bestätigt
werden.
Die
zunehmenden
Attacken
gegen
Menschenrechtsverteidiger, die sich in ihrer Arbeit mit Entwicklungsrechten, Landrechten
und natürlichen Ressourcen auseinandersetzen weisen auf das Konfliktpotenzial im Kontext
von Megaprojekten hin.
Hier kommt die internationale Begleitarbeit ins Spiel, deren Rolle im Konfliktkontext von
Megaprojekten genauer untersucht wurde. Auf der Mikroebene betrachtet, führt die
zunehmende Tendenz von Menschenrechtsverletzungen im Kontext von Megaprojekten zur
potenziellen Zunahme von Anfragen bei internationalen Begleitorganisationen. Im
untersuchten Fall CAIG-Acoguate haben die Begleitfälle quantitativ zwar nicht zugenommen,
doch die bisher begleiteten Personen und Gemeinden sind zunehmend von Megaprojekten
betroffen und mit ihnen das Begleitprojekt.
Wie versucht die internationale Begleitarbeit im Konfliktkontext von Megaprojekten Beiträge
zur Verbesserung der Menschenrechtslage zu leisten? Ist die internationale Begleitarbeit ein
mögliches Instrument, um zu verhindern, dass konfliktive Konstellationen im Kontext von
Megaprojekten zu einer Konflikteskalation führen?
Zu
den
Untersuchungen
der
internationalen
Begleitarbeit
in
Guatemala
kann
zusammenfassend festgehalten werden, dass sie sich, wie in dieser Arbeit dokumentiert, vom
Grossteil der Hilfsbemühungen anderer Akteure unterscheidet: sie ist immaterieller Art,
kommt nur auf Anfrage der Lokalbevölkerung zum Einsatz und basiert auf den Prinzipien und
Zielen:
Beobachtung,
Präsenz,
Nicht-Einmischung/Unparteilichkeit,
Abschreckung,
Informationsverbreitung zur Erzeugung nationalen und internationalen Drucks, Schaffung
eines politischen Raumes und moralische Unterstützung. In diesen Prinzipien sieht die
Autorin dieser Arbeit den wertvollen Beitrag der internationalen Begleitarbeit im
Allgemeinen und insbesondere im Kontext von Megaprojekten, weil dieses Konzept
verhindert:
- dass die Korruption unterstützt wird, da materieller Gewinn für die Hilfeempfänger
ausbleibt,
- dass die einheimische Bevölkerung bevormundet wird,
- dass neue Abhängigkeiten geschaffen werden, da die Arbeit und Rolle staatlicher
Institutionen übernommen wird.
111
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Angesicht der thematisierten Konfliktkultur, die in Guatemala vorherrscht, könnte sich CAIGAcoguate als dritte Partei vermehrt für die Vermittlung zwischen den Konfliktparteien im
Kontext von Megaprojekten einsetzen, um friedensfördernd und friedenssichernd zu wirken.
Als wirksame Arbeitstechnik könnte der »kritische Dialog« mit den wirtschaftlichen Akteuren
weiterentwickelt
werden. Dies setzt allerdings eine Akzeptanz gegenüber dieser
unparteiischen Rolle von Seiten der Konfliktparteien voraus und benötigt besser geschulte
freiwillige Begleitpersonen.
Die Untersuchungen zeigen, dass die Rolle der internationalen Begleitarbeit als
Überwachungsinstrument der Menschenrechte durch Beobachtung und Präsenz von
verschiedensten Akteuren auch im Kontext von Megaprojekten als ein anerkanntes und
erwünschtes Instrument gilt in Guatemala, der Einfluss über diplomatische Wege aber auch
beschränkt sein kann. Eine weitere Grenze der internationalen Begleitarbeit Guatemalas liegt
im Einfluss auf die Fragilität des Staates und die Gewalt. Doch es wurde gezeigt, dass die
Begleitaktivität im Kontext von Megaprojekten Gewalteskalationen verhindern und punktuell
einen friedvolleren Verlauf von Konflikten schaffen kann, indem sie die Konfliktintensität
dämpft oder stabilisiert. Damit leistet die internationale Begleitarbeit von CAIG-Acoguate
einen Beitrag zum fortdauernden Friedensprozess in Guatemala.
Die internationale Begleitarbeit von CAIG-Acoguate birgt auch ein Potenzial, Konflikte im
Kontext von Megaprojekten zu verstärken: Die komplexe Konfliktlage bei Megaprojekten
erfordert eine fundierte Analyse, damit die internationale Begleitung als positiver Beitrag und
nicht als Konfliktverstärker wirkt. Gerade auf der lokalen Ebene, auf der die freiwilligen
Begleitpersonen sich bewegen, ist es im Kontext von Megaprojekten wichtig, dass sich die
Freiwilligen professionell verhalten, um bereits vorhandene Spannungen nicht zu verstärken.
Die Professionalisierung sieht die Autorin in der Verlängerung der obligatorischen
Einsatzzeit, in der Visualisierung der Begleitarbeit durch ein äusseres Kennzeichen und in der
intensiveren Ausbildung zum
Thema Megaprojekte. Eine klarere Definition des
Begleitmandates im Kontext von Megaprojekten von Seiten CAIG-Acoguates würde die
Professionalisierung ebenfalls unterstützen.
Der Beitrag der Begleitarbeit aufgrund der Prinzipien und Ziele fällt im Kontext von
Megaprojekten anders aus als in der herkömmlichen Begleitung im Zeugenschutzprogramm.
Die Wirtschaftspolitische Komponente und die Aktualität beeinflussen die Begleitarbeit im
Kontext von Megaprojekten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene:
 Auf der lokalen Ebene trägt die internationale Begleitarbeit mit der Schaffung eines
politischen Raumes dazu bei, dass die guatemaltekische Bevölkerung durch interne Prozesse
112
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
aus eigener Kraft Konflikte löst und einen Frieden schafft, der nicht von aussen „diktiert“
wird, was die Nachhaltigkeit eines Friedens unterstützt. Die Schaffung eines politischen
Raumes ermöglicht begleiteten Personen im Widerstand gegen Megaprojekte einerseits die
Mitbestimmung und Partizipation an der Wirtschaftsentwicklung des Landes und andererseits
die Bestrebungen für ihre Menschenrechte weiter zu verfolgen.
Auf lokaler Ebene kann für Begleitpersonen ein Spannungsfeld zwischen ihrer unparteiischen
Rolle und der politischen Lobbyarbeit der Organisationen in CAIG entstehen, weil „ihre“
Informationen, die an die Organisationen in CAIG herantragen wird, zu politischer Arbeit wie
Kampagnen genutzt werden. Im Fall Marlin hat sich gezeigt, dass die Begleitung der Person
im Widerstand mehr für den Erhalt einer Informationsquelle dient, da die abschreckende
Wirkung der Begleitarbeit eher gering ist.
Der Beitrag auf lokaler Ebene ist problematisch, wenn die Präsenz dazu dient, Anliegen, zur
Schliessung einer Mine beispielsweise, gegen aussen aufzuwerten. Im Sinne der NichtEinmischung
und
Unparteilichkeit
bilden
nur
Menschenrechtsverletzungen
die
Begleitlegitimation. Die Unterstützung öffentlicher Handlungen auf lokaler Ebene gefährdet
das Begleitkonzept.
 Auf nationaler Ebene soll die Informationsverbreitung dazu beitragen, ein Gleichgewicht
zwischen den beiden Kräften Staat/transnationale Unternehmen und der Bevölkerung zu
schaffen. CAIG-Acoguate versucht durch Informationsverbreitung an Botschaften und
staatliche Institutionen Druck zur Verbesserung der Menschenrechtslage im Kontext von
Megaprojekten zu erzeugen. Mit der Informationsverbreitung über Megaprojektaktualitäten
im Land beabsichtigt CAIG-Acoguate, die Zivilbevölkerung zu stärken und die
Widerstandsbewegungen im Land zu vernetzen. Diese Vorgehensweise ist in Bezug auf die
Nicht-Einmischung und Unparteilichkeit grenzwertig.
 Auf der internationalen Ebene vervielfacht CAIG-Acoguate als transnationales Netzwerk die
Kanalzugänge für die begleiteten Personen.
Die
Untersuchungen
haben
gezeigt,
dass
das
Bumerang-Modell
zur
Erzeugung
internationalen Drucks auf Regierungen, auch auf die Situation mit transnationalen
Unternehmen angewendet werden kann. Megaprojekte von transnationalen Unternehmen
schaffen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene Interessensabhängigkeiten, die dazu
führen können, dass bei Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Megaprojekten
wenig internationaler Druck entsteht, was wiederum die unmittelbar abschreckende Wirkung
bei der internationalen Begleitung mindern kann. Mit der Informationsverbreitung auf
internationaler Ebene wird die Strategie verfolgt, Druck über private und staatliche
113
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Mitinvestoren von Megaprojekten auf transnationale Unternehmen auszuüben.
Damit der internationale Druck auf Regierung und auf transnationale Unternehmen stärker
wird, bräuchte es von Seiten der internationalen Begleitarbeit eine Intensivierung der
Informationsverbreitung. Das Mittel des »öffentlichen Drucks« auf transnationale
Unternehmen über die Sensibilisierung der Konsumenten in den Herkunftsländern der
Freiwilligen könnte noch weiterentwickelt werden. Eine Basis für die erfolgreiche Arbeit von
CAIG-Acoguate sind Sammlung, Verifizierung und Verarbeitung der notwendigen
Informationen mit hoher Qualität. Ziel sollte angesichts der Entwicklungen in Guatemala
sein, in den Zeiten globalen Wandels die notwendige Rolle eines effizienten »watchdog«
gegenüber Akteuren auf der wirtschaftlichen Bühne auszufüllen.
Die verstärkte Informationsverbreitung zur Erzeugung internationalen Drucks auf
transnationale Unternehmen ist
ein Beitrag zum Vorantreiben der Verrechtlichung im
Bereich von grossen Ressourcenextraktionsprojekten, damit die Menschenrechts- und
Umweltstandards respektiert werden.
Die Untersuchungen im Zusammenhang mit der Mine Marlin zeigen zwei Seiten des
Konfliktes mit Megaprojekten auf. Auf der einen Seite kommen in der Region der Mine
verstärkt Gewalt- und Unterdrückungsmuster, wie auch Konfliktbewältigungsstrategien zum
Ausbruch, die ihre Wurzeln im Bürgerkrieg haben und immer noch latent präsent sind in der
guatemaltekischen Gesellschaft: die Antwort auf Widerstand sind Drohungen und Gewalt.
Der Minenkonflikt widerspiegelt auch das politische, soziokulturelle und ökonomische
Ungleichgewicht im Land, zeigt also eine klare gesellschaftliche Spaltung der Bevölkerung
vor Ort auf. Auf der anderen Seite kann gesagt werden, dass auf nationaler Ebene diesem
Konflikt auch etwas Positives innewohnt. Er trägt dazu bei, dass sich die rurale, indigene
Bevölkerung, die durch den Bürgerkrieg stark gespalten wurde, wieder vereint wird. Das
gemeinsame Interesse am Erhalt ihres Umfeldes und ihrer Zukunft, verbindet und ermöglicht
ein “sich gemeinsam Organisieren” (Globalisierung von unten). Diese landesweite Bewegung
zur Mitgestaltung und Partizipation an der Landesentwicklung kann für den Friedensprozess
und im Speziellen für den Demokratisierungsprozess eine Katalysatorwirkung haben
(Consultas Populares, Alcaldia Indigena).
Von den Untersuchungen in dieser Arbeit werden folgende Thesen abgeleitet:
 In einem fragilen Staat führen Megaprojekte von transnationalen Unternehmen aufgrund
ihrer sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen unter Berücksichtigung ihrer
politischen und historischen Implikationen zu einem eskalationsträchtigen Konflikt im
114
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Dreiecksverhältnis von transnationalen Unternehmen, lokal betroffenen Gemeinschaften
und staatlichen Institutionen.
 Die internationale Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten in Guatemala leistet einen
Beitrag zur Umsetzung der Friedensabkommen, indem für die Bevölkerung ein politischer
Raum geschaffen wird, damit sie an der Wirtschaftsentwicklung des Landes teilnehmen
kann.
 Die internationale Begleitarbeit kann unter Berücksichtigung der Prinzipien NichtEinmischung
und
Unparteilichkeit,
Professionalisierung
der
Begleitpersonen
und
intensivierter Informationsverbreitung einen Beitrag zur Verminderung oder Verhinderung
von Gewaltkonflikten im Kontext von Megaprojekten leisten.
Vernachlässigt in dieser Arbeit wurden die Sichtweisen staatlicher und unternehmerischer
Akteure zu Megaprojekten in Guatemala. Die Rolle und das Verantwortungsbewusstsein
transnationaler Unternehmen mit Megaprojekten (in Guatemala) wäre Gegenstand für weitere
Untersuchungen. Insbesondere ihre (informelle) Verpflichtungen bezüglich internationalen
Standards und Richtlinien zur Einhaltung von Menschenrechten, könnten Aufschluss bringen
über die Verrechtlichung im Bereich von Megaprojekten.
Um die Legitimationsbasis der internationalen Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten
besser erfassen zu können, benötigt es auch weitere Untersuchungen zur gesetzlichen
Menschenrechtsbasis im Konfliktkontext von Megaprojekten.
Die Wirkung der Sensibilisierungsarbeit in den Herkunftsländern zu messen, ist eine
Herausforderung und benötigte breit angelegte Feldstudien.
Die Untersuchungen dieser Arbeit bleiben grösstenteils auf einer Mikroebene. Eine
Fallanalyse ist nicht genug, um die Argumente aus den Erkenntnissen dieser Arbeit zu
bestätigen und benötigt Untersuchungen weiterer Länder, in denen die internationale
Begleitarbeit im Kontext von Megaprojekten aktiv ist.
115
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
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123
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A. Anhang
Interviewverzeichnis
Tabelle 1: Interviewverzeichnis aller durchgeführter Interviews zwischen November 2008 und Februar 2009.
124
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.1. Minenlizenzen in Guatemala
Abbildung 2: Republica de Guatemala - Derechos Mineros Otorgados y en Solicitud.475
475
Vgl. Ministerio de Energía y Minas, Online-Version.
125
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.2. Attacken gegen Menschenrechtsverteidiger in Guatemala
Abbildung 3: Ataques a defendores y defendoras en Guatemala por año.476
476
Vgl. Samayoa (2007), Impunidad, UDEFEGUA, S. 5.
126
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.3. Bumerang-Modell
Abbildung 4: Bumerang-Modell.477
477
Vgl. Keck/Sikkink (1998), Activists beyond borders, S. 13.
127
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.4. Menschenrechtsverletzungen
in
verschiedenen
Arbeitsbereichen
von
Menschenrechtsverteidigern
Abbildung 5: Tipos de riesgo a que se enfrentan defendores y defendoras en sus áreas de trabajo.478
478
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos, UDEFEGUA, S. 10. (Abkürzung RRNN in Grafik: Natürliche Ressourcen).
128
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.5. Franja Transversal del Norte (FTN)
Abbildung 6: Corredor de integración frontera México - Guatemala – Honduras.479
479
Vgl. Samayoa (2009), Protegiéndonos, UDEFEGUA, S. 13.
129
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.6. Organigramm CAIG-Acoguate
Abbildung 7: Organigrama de la estructura de trabajo de Acoguate.480
480
Vor Ort im Feld von der Koordinatorin von CAIG-Acoguate erhalten.
130
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.7. Globale Statistik zu Bestechung
Abbildung 8: Länder und die Verbreitung von Bestechung.481
481
Vgl. Transparency International, Korruptionsbarometer 2005, S.5, Online-Version.
131
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.8. Brief von NGOs an die kanadische Botschafterin
132
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
133
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Abbildung 9: Brief von NGOs an kanadische Botschafterin.482
482
Brief während Feldeinsatz in Guatemala von Koordinatorin CAIG-Acoguate erhalten.
134
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.9. Zivile und politische Rechte in Guatemala zwischen 1980-2006
Abbildung 10: Freedom in Guatemala 1980-2006.483
483
Vgl. Freedom House (2009), Freedom in the Americas Today, S. 18, Online-Version.
135
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.10. Unterstützungsbrief von der Botschaft
Abbildung 11: Carta de aval.484
484
Dokument aus dem Feldeinsatz in Guatemala.
136
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.11. Druckbrief an staatliche Adresssaten in Guatemala
Abbildung 12: Urgent Action Brief für Bauern San Miguel Ixtahuacan.485
485
Dokument aus dem Feldeinsatz.
137
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.12. Brief an d en guatemaltekischen Präsidenten Alvaro Colom
138
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
139
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
140
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Abbildung 13: Brief an Präsidenten Guatemalas.486
486
Dokument aus dem Feldeinsatz.
141
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.13. Urgent Action Alert Mine Marlin
142
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Abbildung 14: Urgent Action Alert Mine Marlin.487
487
Dokument aus dem Feldeinsatz.
143
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.14. Chronologie488 Begleitarbeit in Guatemala
1991: Swefor contrata una acompañante/periodista para la oficina Infopress.
1991 – 1992: Swefor hace cabildeo y visitas a los campos de refugiados en Mexico. Se forma
un grupo de 9 organizaciones para el acopañamiento.
1992: Premio nobel a Rigoberta Menchú.
1993-1997: Swefor manda 2-3 Acos cada seis meses a Ixcán. Total 13 Acos.
1996: stabilización politica inplementación politica neoliberal
1999: Ultimo retorno de refugiados de forma organizada de Mexico a Guatemala NISGUA
continua acompañando en ciertas comunidades de retornos unos años más y hasta hoy
en dia cuando (hay amenazas por trabajo actual que estan haciendo por ejemplo en
Santa Maria Tzejá, Xamán Ixtahuacan Chiquito)
2000: Encuentro Europeo con grupos que trabajan en Chiapas
⇒ base de cooperación entre sobre todo los países aleman hablantes (Guatemala,
México) (CAREA)
2001 – 2007: Giras de representantes de AJR a lo largo de EEUU (con Nisgua)
2003: Conferencia para las elecciones “EL regreso de un dictador”? (PAQG)
2003: Participación al tribunal de opiñon en Montreal para juzgar a Rios Montt (PAQG)
2004: Gira con Carlos Paredes (ECAP), conflicto armado, caso Panzós, impunidad, trabajo
con mujeres violadas
2004: Salida/Cierre de Minugua
Falta de monitoreo internacional y disuasión de alto nivel
2005: Se reactivan las asambleas anuales de grupos / organizaciones solidarias con
Guatemala debido a la coyuntura en Guatemala (PWS, ada, Carea)
2005: Marzo – Trato de libre comercio (TLC)
⇒ agresiones hacia luchadores sociales
⇒ protestas sociales ⇒ subida de precios canasta básica
2005: Junio – Primera consulta popular sobre minería en Sipacapa
⇒Proceso acompañamiento por Acoguate empieza
2005: Llegada de oficinas del alto comisionado de la ONU
2005: Gira exposición de Marlon García - Panzós y empresas mineras
canadienses (PAQG)
2006: difusión de DVD
“Sipacapa no se vende” y oportunidades de hablar
sobre el tema de los acompañamientos de un proceso nuevo en el contexto de
mega proyectos (minería, recursos naturales, Plan Pueblo Panama); GSN
2006: Conferencia “Los efectos de la militarización” (PAQG)
2006: Noviembre –visita a Londres de Guillermo Chen de la fundación Nueva Linda
Esperanza. Gira y participación en un evento para marcar “10 años después de la firma
de los acuerdos de paz”. (GSN)
2007: Empiezan negociaciones por acuerdas de asociación
488
Diese Chronologie wurde von Mitarbeitern der Organisation CAIG-Acoguate zur Analyse als Wandbild
verfasst und von der Autorin in Guatemala abgeschrieben.
144
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
⇒ preparando el terreno para empresas transnacionales europeas (Enel, Union Fenoza)
⇒ enota de biocombustibles ⇒ efectos sociales, economicos y alimentarios
2007: Plan Mérida (empezó 2006) – cambio de gobierno méxicano
⇒ “Guerra” contra el narcotráfico en México afectando la seguridad (humana) en
Guatemala TB. Traslado de los carteles, narcos aún más metidos en Guatemala.
2007: Gira con Javier de León (ADISMI) sobre la minería y los pueblos indígenas (PAQG)
2008: Regresa de Ríos Montt al congreso y goza de impunidad
Álvaro Colóm asume la presidencia
2008: Junio – Gira Nueva Linda a Europa con Ada, derechos en acción, Collectif, CIFCA
como esfuerzo común lucha contra la impunidad
2008: Gira con Mariano y Carmen de la Finca Nueva Linda (PAQG)
2008: Firma del campo pagado para exigir avances en tema de justicia por genocidio Firmado
por 35 grupos internacionales (Prensa Libre)
2008: Octubre – Foro Social de las Americas - espacio de participación para partes de la
sociedad civil guatemalteca y intercambio de experiencias de resistencia en las
Americas
2007: Enero – Equipo de 5 personas de Rompiendo el Silencio realisa investigación sobre la
minería – visitas a comunidades afectadas en San Marcos y Izabál.
Consulta comunitaria concepción Tutuapa, reuniones con lideres comunitarias, actores y
religiosas; reunion con Skye Resources, 2 reuniones en embajada Canadiense, reuniones
con periodistas nacionales e internacionales
Resulta ⇒ informe difundido en Canada, entrevista sale en la radio nacional, mas
acciones con empresas canadienses, acercamiento de grupos, giras
⇒ Javier de León (SMI) a Colombia para conferencia por parte de RES, luego a
Canada, filochofo a Canada, Juan y Mario Tema (Sipacapa) a Canada, Vinicio Lopez y
Fausto Valentino (COPAE) a Canada, RES tiene acción en Goldcorp y invita a lideres
comunitarias a su reunión anual para compartir sus experiencias, visita y gira 3 meses
de Marlón García, luego delegación de sindicalistas, grupos de inversión e investigación
Resulta ⇒ Jantzi Research saca Goldcorp de su lista de empresas responsables (cuando
2008?). A la vez más criminalización de la lucha de los pueblos indígenas.
2007: Julio? – Visita a Londres a promovido por amnestía de Jorge Valesquez – papa de
Claudia Velásquez, mujer asesinado (GSN)
⇒ llamando atención a la violencia, especialmente de género z el feminicídio. También
el documentario de BBC “killers paradise” provocó mucha discusión y incremento
perfil del problema.
2007: Entrega de mil cartas de más de 20 países al Ministerio Publico (promovido por
NISGUA) exigiendo avances en los casos de genocídio. Congresistas de EEUU y
parlamento de UE presionan al gobierno e Guatemala enjuiciar a responables de
genocídio.
2007 – 2008: Gira de defendores en temas de recursos naturales, represa Xalalá, minería
(NISGUA)
2007/2008: Teatro de títeres “Un invierno rojo en Guatemala” (PAQG)
2007/2008: Película sobre acompañamiento “En toute solidarité” (PAQG)
2007 – 2009: Decisión de Collectif de diversificar su acción en Guatemala como nueva
modalidad para apoyar las luchas sociales contra los mega proyectos ⇒ talleres vidéos
2009: Se cierra la oficina de PAQG en Guatemala por falta de financimiento
145
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.15. Abkommen zwischen Flüchtlingskommission und Staat Guatemala
146
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
Abbildung 15: Acuerdo suscrito entre las comisiones permanentes de representantes de los refugiados
guatemaltecos en México y el gobierno de Guatemala, Acuerdo suscrito.489
489
Vgl. Comisiones permanentes de representantes de los refugiados guatemaltecos en México y el gobierno de Guatemala (1992), Acuerdo
suscrito, Online-Version.
147
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
A.16. Inhaltsverzeichnis CD
1. Ordner „Auswertungstabellen“
 Tabelle begleitete Personen
 Tabelle Freiwillige
2. Kategorien
3. Ordner „Leitfäden“
 Interview Vertreter Komitee CAIG
 Interview Actoras de cambio
 Interview begleitete Personen
 Interview CALDH
 Interview Fundacion Myrna Mack
 Interview mit ausländischer NGOs
 Interview mit Botschaften
 Interview mit Freiwilligen
 Interview PDH
 Interview Fundacion Myrna Mack
 Interview MEM/AMAC
4. Systematisierung Interviews
5. Ordner „Transkriptionen“
 Interview B1
 Interview B2
 Interview BP1
 Interview BP5
 Interview BP6
 Interview F1
 Interview F2
 Interview F3
 Interview F4
 Interview F5
 Interview F6
148
Masterarbeit
Megaprojekte und internationale Begleitarbeit in Guatemala
 Interview F7
 Interview K1
 Interview SO2
149