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DAS MAGAZIN VON 01 � MÄRZ � MAI 2014 Gut gebrüllt, Tiger 8JSLÊNQGFOGàS*OEPOFTJFOT3FHFOXÊMEFS Alarm für die Arktis %JFSJTLBOUF½MGÚSEFSVOHIBUCFHPOOFO Bedrohte Umweltstandards %JF(FGBISFOEFT'SFJIBOEFMTBCLPNNFOT55*1 ÖSTERREICH I N H A LT 04 Zahlen, News, Kommentar Greenpeace in Aktion 06 Gut gebrüllt, Tiger Greenpeace-Kampagnen bringen erste Erfolge für den indonesischen Regenwald Mode unter der Lupe In Kleidung, ob für Erwachsene 12 Tickende Ölbombe In der Arktis hat die Ölförderung 15 Gier nach Gold Wie Greenpeace-Aktivisten ein 16 Gefahr für Europa Das Freihandelsabkommen 18 Überfischung Gibt das Meer an einem Ort nichts oder Kinder, stecken gefährliche Chemikalien begonnen. Die Heimat der Eisbären ist akut in Gefahr umstrittenes Gesetz in Rumänien verhinderten TTIP droht uns zu überrollen C o v e r f o t o : P a u l H i l t o n / G P ; F o t o s : G e o r g M a y e r / G P, N i c k T a p p / G P 10 mehr her, gehen die Raubzüge anderswo weiter 20 Atomstromfrei Österreich als Vorbild für Europa 21 Anpacken Aktivistin Karin Spalt im Porträt 22 Ihr Beitrag Spenden für unsere Umwelt E d it o r ial Mit Ihnen an unserer Seite kämpfen wir für den Schutz unserer Erde. Liebe Leserinnen und Leser! Nur etwa 400 Sumatra-Tiger leben heute in freier Wildbahn. Ihre Artgenossen, die Bali- und Java-Tiger, sind bereits ausgestorben. Den Sumatra-Tiger können wir jetzt noch retten – indem wir seine Heimat, den indonesischen Regenwald, vor der Zerstörung durch Palmöl- und Papierindustrie schützen. Nach jahrelanger Greenpeace-Kampagne haben 2013 mehrere Konzerne zugesagt, die Abholzung zu beenden. Das gibt mir Hoffnung. Der Weg ist noch weit. Doch gemeinsam können wir das Überleben der majestätischen Tiger sichern. Danke, dass Sie an unserer Seite bleiben. Mit einem kleinen Segelschiff mächtige Dampfer aufhalten. Das waren die Anfänge von Greenpeace – und es ist heute noch ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Vor der Westküste Neuseelands stellen sich Greenpeace-Aktivisten dem Ölbohrschiff „Noble Bob Douglas“ in den Weg. Sonja Weiss Chefredakteurin ACT 2 3 Z Ä H L W E R K K A K T I O N E N A U S A L L E R W E LT O L U Aktivistinnen und Aktivisten sowie zwei freie Journalisten, zusammen die „Arctic 30“ genannt, landeten nach einer friedlichen Aktion für die Arktis in russischen Gefängnissen. Fo t o s : P i e r re Ba ë l e n / G P ; D ea n Se we l l / G P ; A n d r i Ta m b u n a n / G P Rettet das Riff 50.616 Australien gefährdet seinen eigenen Naturschatz. Drei Unterstützer und Unterstützerinnen nahmen auf der ganzen Welt an insgesamt 1.010 Solidaritätskundgebungen für die „Arctic 30“ teil. Petitions-E-Mails sind beim russischen Botschafter in Wien eingegangen. Millionen Tonnen Schlamm, die beim Bau des weltgrößten Kohlehafens anfallen, sollen in das empfindliche Meeresreservat Great Barrier Reef gekippt werden. Greenpeace-Taucher schlagen mit einer UnterwasserAktion Alarm: Diese Entscheidung könnte das Ende für das beeindruckende Riff bedeuten. ● Illegaler Holzimport „Rettet Kongos Wald“ steht auf dem Transparent französischer Greenpeace-Aktivisten. Ihre Kollegen stellen währenddessen einen Stamm als Beweismittel sicher. Die Firma Sicobois hat das illegal geschlägerte Holz in der Demokratischen Republik Kongo verkauft. Das französische Unternehmen Peltier Bois hat es illegal nach Frankreich importiert, wo es Greenpeace im Hafen von Caen entdeckte und das zuständige Ministerium aufforderte, die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten. ● ← Genuss ohne Gentech-Reis Bio-Bauern feiern auf der philippinischen Insel egros mit Greenpeace ein Festival. Das Treffen ist N ein Fest der unterschiedlichen Speisen und Produkte der Philippinen. Der Koch Vincent Mercado zeigt dort, wie man ohne gentechnisch veränderte Lebensmittel köstliche Gerichte zubereitet. Greenpeace ist überzeugt, dass Mangelernährung langfristig nur bekämpft werden kann, wenn die gesamte Bevölkerung Zugang zu einem ausgewogenen Angebot von ökologisch produzierten Lebensmitteln hat – etwa durch Haus- und Gemeinschaftsgärten. ● 5.037.907 Personen haben auf www.savethearctic.org bereits die GreenpeacePetition zum Schutz der Arktis unterzeichnet. 4 Im Hafen von Caen in Frankreich stellt Greenpeace illegal geschlägertes Holz aus dem Kongo sicher. GreenpeaceAktivisten warnen vor der Zerstörung des Great Barrier Reefs an der Nordostküste Australiens. „Ich liebe meinen Reis gentechnikfrei“, zeigt Greenpeace auf den Philippinen. Das Büro des Umweltministers ruft bei meinem Kollegen Maciej an. Der Minister will mit ihm einen Baum pflanzen. Was ist passiert? Polen ist das größte Land in Zentraleuropa und ein Schwergewicht in der EU. Greenpeace in Polen aufzubauen, war für uns eine besondere Herausforderung. Maciej war der erste polnische Greenpeacer und ist immer noch Leiter des Büros in Warschau. Er hat mit dem Kampf gegen Gentechnik begonnen, ihn gewonnen und kämpft jetzt vor allem gegen die Kohlekraftwerke in seinem Land. Letzten Herbst war Polen Gastgeber der Welt klimakonferenz. Ein Treppenwitz, denn Polen ist das Kohleland schlechthin und bremst jeden Fortschritt beim Klimaschutz in der EU. Diese Rolle Polens international aufzuzeigen, war ein Hauptanliegen für Greenpeace. Dementsprechend haben wir eine Reihe von Aktionen gesetzt. Bei einer davon demonstrierten 40 Greenpeace-Aktivisten auf dem Dach des polnischen Wirtschaftsminis teriums. „Wer regiert Polen? Die Kohleindustrie oder das Volk?“, stand auf einem Transparent. Die Wirkung blieb nicht aus. Der Minister will also mit Maciej einen Baum pflanzen. Als Anreiz bietet das Ministerbüro Straffreiheit für die bei der Aktion verhafteten Aktivisten an. Maciejs Gegenangebot einer gemeinsamen Pressekonferenz, wenn Polen seine Blockadehaltung gegenüber dem europäischen Klimaschutz aufgibt, blieb unbeantwortet. „Das Schweigen am anderen Ende der Leitung hat Bände gesprochen“, erzählte Maciej. Unsere Aktivisten kamen auch so frei. Kohle in Polen zu bekämpfen, ist, wie in Österreich gegen Skifahren zu argumentieren. Sehr tief ist der Mythos des polnischen Bergarbeiters in der nationalen Tradition verankert. Aber es gibt langsame Fortschritte. Ein Kraftwerksprojekt nach dem anderen muss aufgegeben werden. Es bleibt noch ein langer Weg, aber mit Kollegen wie Maciej kann man selbst gegen Kohle in Polen gewinnen. ● 5 Foto: Georg M ayer/GP Kohle in Polen Städte waren im Herbst 2013 weltweit Schauplatz von Aktionen für die „Arctic 30“. 20.655 E Bernhard Obermayr, Programmleiter, über: 380 Menschen demonstrierten beim „Solidarity Walk“ am 17. Oktober 2013 in Wien für die „Arctic 30“. N Greenpeace in Zentral- und Osteuropa 28 200 M — We r n e r S t u r m b e r g e r In den Regenwäldern von Sumatra jagen immer weniger Tiger nach Beute, dafür immer mehr Unternehmen nach Profiten. Aktuelle Erfolge der Greenpeace-Kampagne stimmen aber zuversichtlich, das Überleben der Tiger und das Wohlergehen der lokalen Bevölkerung zu sichern. Gut gebrüllt, Tiger „Wir haben im letzten Jahr viel erreicht“, erzählt Fo t o s : P a u l H i l t o n / G P ; To m Je f f e r s o n / G P Greenpeace-Waldsprecherin Jasmin Karer und ergänzt: „Aber natürlich bleibt noch viel zu tun.“ Den größten Erfolg erzielte die Greenpeace-Kampagne für die Rettung der Regenwälder 2013 zu Jahresende: Wilmar International, der weltweit größte Palmölhändler, verkündete einen Abholzungsstopp. Unsere Regenwälder sind die grüne Lunge des Planeten. Sie sorgen nicht nur für die Produktion von Sauerstoff, sondern binden auch riesige Mengen an Treibhausgasen. Allein in Indonesien jedoch gingen zwischen 2009 und 2011 Jahr für Jahr circa 620.000 Hektar Regenwald verloren – eine Fläche, fast so groß wie die Bundesländer Vorarlberg und Burgenland zusammen. 85 Prozent der indonesischen Treibhausgasemissionen rühren von Landnutzungsänderungen wie Rodungen für Plantagen und Landwirtschaft – etwa die Hälfte davon betrifft Torfflächen. So ist das Land der weltweit wichtigste Palmölproduzent und zählt zu den größten Verursachern von Kohlendioxid. Hunger nach Palmöl Der Regenwald Indonesiens ist bedroht. Die Papierund Palmölindustrie zerstört den Lebensraum von Mensch und Tier. Doch es gibt Anlass zur Hoffnung. 6 Vor allem die expandierende Palmölindustrie rafft den Regenwald Indonesiens dahin. Üppiges Grün muss öden Plantagen weichen. Das aus den Früchten und deren Kernen gewonnene Palmöl findet breite Verwendung in der Produktion von Lebensmitteln und Kosmetika. Auch biogenen Treibstoffen wird es beigemischt. Erst kürzlich konnte Greenpeace einen hohen Anteil an Palmöl in österreichischem Agrodiesel nachweisen und deckte damit einen Skandal auf. Eine Fläche größer als Österreich ist in Indonesien bereits von Ölpalmen-Monokulturen bedeckt, weitere Millionen Hektar sind in Planung. „Zwar speichern auch diese Monokulturen CO2. Einen Lebensraum für bedrohte Arten wie Orang-Utan, Sumatra-Nashorn oder Tiger bieten sie aber genauso wenig wie eine 7 Diese üppigen Wälder sind die Heimat des Sumatra-Tigers. Sie soll erhalten bleiben. Lebensgrundlage für die indigene Bevölkerung“, macht Jasmin Karer deutlich. „Gerade deshalb ist es auch so wichtig, die Regenwälder nicht nur als bloße CO2-Speicher, sondern als lebendige Ökosysteme zu begreifen.“ FSC (Forest Stewardship Council) ist das strengste Greenpeace-Waldsprecherin Jasmin Karer: „Wir haben schon viel erreicht, aber natürlich bleibt noch viel zu tun.“ Wilmar lenkt ein Mit engagierten Aktionen und wissenschaftlichen Beweisen hat Greenpeace die zerstörerische Vorgehensweise des Konzerns an die Öffentlichkeit gebracht. Jetzt hat Wilmar International eingelenkt und einen Entwaldungsstopp verkündet. Unter dem Slogan „No Deforestation, No Peat, No Exploitation“, „Keine Entwaldung, keine Torfmoore, keine Ausbeutung“, gab das Unternehmen bekannt, sich der Aufgabe zu verschreiben, eine ökologisch und sozial verantwortungsvolle Palmölindustrie voranzutreiben. „Das ist ein Riesenerfolg für Greenpeace und noch viel mehr für die Regenwälder. Die internationale Kampagne gegen schmutziges Palmöl hat Wirkung gezeigt und wird auch international Auswirkungen haben“, zeigt sich Jasmin Karer zuversichtlich. Als Branchenprimus könne Wilmar International zum Vorbild für die gesamte Industrie werden und das Netzwerk in 50 Staaten weltweit in Richtung eines nachhaltigen Wirtschaftens verändern. Die Selbstverpflichtung zu höheren Standards komme dann nicht nur indonesischen, sondern auch afrikanischen oder südamerikanischen Regenwäldern zugute. Mit Wilmars Zusage zum Abholzungsstopp ist die Arbeit für die Greenpeace-Kampaigner noch lange nicht beendet. Jetzt gilt es zu überprüfen, ob sich Wilmar 8 Greenpeace überwacht die Standards für nachhaltige Forstwirtschaft. Ein kanadisches Unternehmen hat das begehrte FSC-Siegel bereits verloren. „Protect paradise“, „Beschützt das Paradies“, fordern Greenpeace-Aktivisten in Indonesien. International an die gesteckten Ziele hält. Dass Greenpeace sich mit Versprechungen alleine nicht beschwichtigen lässt, haben andere Unternehmen bereits zu spüren bekommen: Auch die GreenpeaceKampagne gegen Asiens größten Hersteller von Zellulose und Papier, Asia Pulp and Paper (APP), zeigte 2013 Wirkung. Riesige Bestände des indonesischen Regenwaldes endeten bisher in den Sägewerken und Fabriken des Unternehmens. Als Reaktion auf den öffentlichen Druck bekannte sich das Unternehmen im Februar letzten Jahres zum Schutz der Regenwälder und zu einem – auch für seine Zulieferer gültigen – Rodungsstopp. In regelmäßigen Berichten überwacht Greenpeace nun die Fortschritte von APP. Greenpeace wird sich auch 2014 mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass in Zukunft im Regenwald seltener das Brüllen der Motorsägen, aber öfter das der 400 verbliebenen Sumatra-Tiger zu hören ist. ● Zertifizierungssystem für nachhaltige, sozial und ökologisch verträgliche Forstwirtschaft. „Greenpeace spielte bei der Gründung von FSC eine zentrale Rolle und widmet sich intensiv der Qualität der Kennzeichnung“, erklärt Greenpeace-Waldsprecherin Jasmin Karer. In jüngster Zeit hatte die Bezeichnung „controlled wood“ zu einer Aufweichung des Zertifikats beigetragen. Ursprünglich wurde die Klassifizierung eingeführt, um Produkte, die aus einem Mix von FSC-zertifizierten und herkömmlichen Hölzern bestehen, auszeichnen zu können, solange Firmen ihre Produktion nicht komplett auf FSC umgestellt haben. Viele Firmen begnügen sich aber mit der provisorischen Kennzeichnung, um das FSC-Logo führen zu können. Greenpeace-Studien zeigen, dass Firmen unter dem Schutz des FSC-Siegels Hölzer verwenden, die völlig konträr zu den Richtlinien hergestellt wurden. Das kanadische Holzunternehmen Resolute Forest Products bezieht nicht zertifiziertes Holz aus einer Region, die auch bedrohte Wälder umfasst und gefährdeten Tierarten als Lebensraum dient. Das Unternehmen sieht sich auch mit dem Vorwurf konfrontiert, die Rechte der indigenen Bevölkerung zu missachten. Das führte Ende 2013 zur Aberkennung des FSC-Siegels für Produkte, die Holz aus der betroffenen Region beinhalten. „Resolute kann seine fragwürdige Geschäftspraxis nun nicht mehr hinter dem FSC-Siegel verstecken. Das ist der richtige Schritt, um das Vertrauen von Herstellern und Konsumenten in das Label aufrechtzuerhalten“, sagt Karer. Dass dieses Vertrauen auch gerechtfertigt ist, zeigen Holzunternehmen wie Ecotrust Canada, die FSC-Standards teilweise sogar deutlich überbieten. ● Das FSC-Siegel steht für nachhaltige, sozial und ökologisch verträgliche Forstwirtschaft. Wer Wald zerstört, dem wird es entzogen. 9 Fotos: Mitja Kobal/GP; M arkus M authe/GP Fotos: Ulet Ifansasti/GP; A ndre Wiredja/GP Schmutziges Palmöl Wilmar International hält einen Anteil von mehr als einem Drittel am globalen Palmölverarbeitungsmarkt. Das Unternehmen verfügt über 450 Palmöl-Produktionsanlagen und ein Vertriebsnetz in 50 Staaten. Konzerne wie Colgate-Palmolive oder Procter & Gamble zählen zu seinen renommierten Geschäftspartnern. Auf der Firmenseite wirbt Wilmar International mit seinem „wachsenden globalen Fußabdruck“. Für die Regenwälder dieser Erde ist das angesichts der gängigen Geschäftspraxis von Palmfruchtproduzenten eine Hiobsbotschaft. Das Unternehmen gibt an, auf den eigenen ca. 256.000 Hektar nach Kriterien der Nachhaltigkeit zu produzieren. Greenpeace jedoch konnte nachweisen, dass sowohl Wilmar International als auch seine Zulieferer hoch schützenswerte Wälder für Anbauflächen zerstören. Die Zulieferer, die den Hauptteil der Palmfrüchte liefern, sehen sich darüber hinaus noch mit einer Liste weiterführender Vorwürfe konfrontiert: Brandrodungen, illegale Bepflanzungen, Vertreibung der indigenen Bevölkerung und Zerstörung der Tiger und Orang-Utan-Habitate. Besiegelter Waldschutz Im Rampenlicht Auf dem Detox Catwalk müssen die Marken jetzt zeigen, was noch oder nicht mehr in ihnen steckt. Trendsetter, Greenwasher und Schlusslichter —Uschi Sorz Seit Jahren kämpft Greenpeace gegen Gift in der Kleidung. 20 namhafte Firmen gelobten bereits Besserung. Jetzt gilt es, deren Versprechen zu überprüfen. und Asche gehen, weil Greenpeace giftige Chemikalien in Kleidung entdeckt hat. Aber Fashionistas, ModeBloggerinnen und alle, die sich gern gut anziehen, sollten genau hinschauen. Etwa auf einen besonderen Laufsteg, den Greenpeace aktuell installiert hat, den Detox Catwalk. Auch hier wird präsentiert, was angesagt ist: von leistbar bis luxuriös, von hip bis chic, von Sportkleidung bis Alltagskluft. Gemeinsames Merkmal der ausgewählten Marken: Sie haben Maßnahmen versprochen, bis 2020 auf die Verwendung schädlicher Chemikalien in der Produktion zu verzichten. Und zwar als Reaktion auf die Greenpeace-„Detox!“-Kampagne, die die Modewelt vor drei Jahren mit dem Einsatz von giftigen Chemikalien in der Textilindustrie konfrontierte. Detox Catwalk Wer von den beteilig ten Unternehmen am Detox Catwalk „top“ oder „flop“ ist, lässt sich im Detail nachle sen auf www.greenpeace.at/ detox-catwalk Gift im Stoff Was Chemikalien in der Kleidung bewirken, steht auf www.greenpeace. at/chemikalien-intextilien Kleine Monster im Kleiderschrank —Uschi Sorz Eine neue Greenpeace-Untersuchung weist gefährliche Chemikalien in Kinderkleidung bekannter Modemarken nach. 10 Auf dem Detox Catwalk marschieren Modemarken auf, die zugesagt haben, ihre Kleidung zu ent giften. Einige haben Wort gehalten, andere nur Alibi aktionen gestartet oder gar nichts unternommen. Illustrationen: Greenpeace Nein, wer auf Mode steht, muss nun nicht in Sack Auch Kinderkleidung und Kinderschuhe enthalten schädliche Chemikalien. Das hat ein jüngst veröffentlichter Greenpeace-Report gezeigt. Greenpeace hat 82 Kleidungsstücke für Kinder und Babys von 12 internationalen Modefirmen, eingekauft in 25 Ländern innerhalb und außerhalb der EU, untersucht. Zu den Marken gehörten Fast-Fashion-Labels wie American Apparel, C&A, Disney, GAP, H&M, Primark und Uniqio, Sportbekleidungsmarken wie z. B. von Adidas, LiNing, Nike und Puma sowie die Luxusmarke Burberry. Giftig, ob Luxusmarke oder Billig-Label Die Ergebnisse sind alarmierend: Die „kleinen chemischen Monster“ finden sich überall. Bei jedem der getesteten Labels, ob aus dem Luxus- oder BilligSegment, wurden bedenkliche Stoffe wie Weichmacher, Nonylphenolethoxylate (NPE) oder per- und Mehr zum Report auf www.greenpeace.at/ littlemonsters Hier kann man das Detox-Manifest auch unterzeichnen. Drei Kategorien sind am Detox Catwalk vertreten. Puma etwa hat sich zum „Trendsetter“ gemausert: Das Unternehmen setzt konkrete Umsetzungsschritte und glaubwürdige Fristen, den Einsatz schädlicher Chemikalien in der Produktion zu vermeiden. Andere Sportartikelhersteller wie Adidas oder Nike haben als „Greenwasher“ ihren Zusagen kaum Taten folgen lassen. Stattdessen handeln sie durch Industriegruppen wie die „Zero Discharge of Hazardous Chemicals Group“ (ZDHC), was auf Papierversprechen hinausläuft. Eines der Schlusslichter ist das Luxuslabel Armani. „Nur reden ist zu wenig“, konstatiert Gundi Schachl von Greenpeace. „Trendsetter Valentino hingegen zeigt vor, dass auch edle Mode nicht zu Lasten der Umwelt gehen muss.“ Auch große Ketten wie H&M oder Benetton zählen zu den Detox-Trendsettern. Enormer Handlungsbedarf Es ist ein globaler Kreislauf: In China, weltweit größter Textil- und Chemikalienhersteller, sind bereits 70 Prozent der Gewässer verunreinigt. Wenn wir dort hergestellte Sachen kaufen und waschen, landen die Gifte auch hier im Abwasser und in der Nahrungskette. „Indem Greenpeace die Trendsetter, Greenwasher und Schlusslichter ins Rampenlicht bringt, stellen wir sicher, dass die Firmen ihren Worten auch Taten folgen lassen“, so Schachl. ● polyfluorierte Chemikalien (PFC) gefunden. Einige dieser Stoffe sind hormonell wirksam oder krebser regend. Sie kontaminieren Flüsse und Trinkwasser in den Produktionsländern. „Kinderkleidung ist also genauso belastet wie Mode für Erwachsene“, sagt Nunu Kaller, Konsumentensprecherin bei Greenpeace. „Bereits beim ersten Waschen gelangen diese Chemikalien in unser Ökosystem und in weiterer Folge in die Nahrungskette von uns allen. Die ‚kleinen Monster‘ müssen unbedingt aus der Kleidung für Kinder verbannt werden.“ Seit dem Start der Detox-Kampagne 2011 fordert Greenpeace Textilunternehmen auf, bei der Herstellung ihrer Produkte auf gefährliche Substanzen zu verzichten. Die vorliegende Untersuchung zeigt, wie dringlich die Angelegenheit ist. Kinder sollen in einer Welt ohne gefährliche Chemikalien leben und groß werden können. ● 11 Tickende Ölbombe — S o n j a We i s s Foto: M arkus M authe/GP Die Arktisschützer sind aus dem russischen Gefängnis befreit. Doch in den arktischen Gewässern hat die Ölförderung begonnen. Die Heimat der Eisbären ist in größerer Gefahr als je zuvor. „Bei der Aktion in der Arktis habe ich aus tiefster Die Arktis schwebt in akuter Gefahr. Gazprom hat mit der Ölförderung begonnen. Zwei Jahre reiste der Naturfotograf Markus Mauthe im Auftrag von Greenpeace rund um den Globus. Die dabei entstandenen Bilder sind im Buch „Naturwunder Erde“ (Knesebeck) versammelt. 12 Überzeugung mitgemacht“, sagt der Greenpeace-Aktivist Marco Weber. „Der Schutz dieses einzigartigen Ökosystems ist für mich eine Herzensangelegenheit.“ Der Schweizer ist einer jener 30 engagierten Arktisschützer, die nach einer friedlichen Greenpeace-Aktion im russischen Gefängnis landeten. Die „Arctic 30“ wollten an einer Bohrinsel des Ölkonzerns Gazprom ein Transparent aufhängen, um auf die dramatischen Gefahren von Ölbohrungen in der Arktis aufmerksam zu machen. Die Reaktion der russischen Behörden: Sie entern das Greenpeace-Schiff „Arctic Sunrise“ und inhaftieren alle an Bord. Die Anklage lautet zunächst Piraterie, dann Rowdytum, den „Arctic 30“ drohen viele Jahre Haft. Marco Weber schreibt einen berührenden Brief aus seiner Einzelzelle und ruft die Öffentlichkeit auf, den Einsatz für die Arktis fortzusetzen. Die „Arctic 30“ wurden freigelassen … Eine unglaubliche Welle der Solidarität rollt um die Welt. Hunderttausende Menschen unterzeichnen Petitionen, nehmen an Aktionen teil und unterstützen die Arktis-Kampagne von Greenpeace mit Spenden. Gemeinsam befreien wir die Arktisschützer. Das russische Parlament gibt dem Druck der Weltöffentlichkeit nach und erlässt eine Amnestie für die „Arctic 30“. Nach mehr als drei Monaten in Russland steigt Marco Weber in Zürich aus dem Zug und macht 13 eine Umweltgefahr darstellt, die uns alle betrifft. „Es ist unmöglich, in den extremen Bedingungen mit treibenden Eisbergen und schnell aufziehenden Stürmen sicher nach Öl zu bohren. Eine Umweltkatastrophe mit verheerenden Folgen für das einmalige Ökosystem ist folglich nur eine Frage der Zeit“, sagt Meus. Gazprom gehört mit einer riesigen Zahl von Ölunfällen an Land bereits jetzt zu den schmutzigsten Unternehmen der Welt. Doch die Öffentlichkeit sieht nicht mehr tatenlos zu: Gerade hat Gazprom den gefürchteten „Public Eye Award“ gewonnen. Der „Preis“ wird jährlich an jene Firmen vergeben, die sich besonders rücksichtslos auf Kosten von Mensch und Umwelt bereichern. Alexandru Riza, Greenpeace Rumänien: „Unser Protest sollte zeigen, wie es enden kann: Dass jeder, der auf Bodenschätze scharf ist, schürft, wo es ihm gerade passt.“ … der Kampf für die Arktis geht weiter Fotos: GP; Patrick Gutenberg/GP; GP Wie skrupellos Gazprom vorgeht, zeigt sich darin, dass das Unternehmen plant, ab dem Sommer noch eine weitere Ölbohrplattform in der Petschorasee zu betreiben. Zudem kooperiert Gazprom mit dem Großkonzern Shell, um seine Arktis-Strategie noch mehr auszuweiten. Die Heimat von Eisbären, Robben und Narwalen ist in größerer Gefahr als je zuvor. Die Zeitbombe für einen Ölunfall in der Arktis ist aktiviert. „Nur ein internationales Schutzgebiet kann den einzigartigen Lebensraum rund um den Nordpol retten. Dafür kämpfen wir mit ganzer Kraft“, erklärt der Arktis-Kampaigner. „Die russischen Behörden haben unser Schiff ‚Arctic Sunrise‘ immer noch nicht freigegeben, obwohl sie das laut dem Urteil des Internationalen Seegerichtshofs längst hätten machen müssen“, sagt Meus. „Wir engagieren uns mit allen juristischen Möglichkeiten für die Herausgabe des Schiffs, damit die Greenpeace-Flotte wieder vollständig ist und wir den Einsatz für die Arktis mit voller Stärke weiterführen können.“ ● Gier nach Gold Greenpeace-Aktivisten graben in Bukarest, Rumänien, den Parlamentsgarten um und verhindern so ein umstrittenes Gesetz. —Jochen Stadler Anfang Dezember 2013. Die Wiese vor dem rumä- Ein geplantes Gesetz sollte in Rumänien den ungehinderten Abbau von Bodenschätzen ermöglichen. Ohne Rücksicht auf die Umwelt. nischen Parlamentspalast in der Hauptstadt Bukarest ist mit Raureif bedeckt. Ein Lieferwagen hält. Fünfzig Personen in gelben Windjacken, darunter vier Österreicher, holen Spitzhacken und Schaufeln aus dem Laderaum. Sie klettern über die Mauer und den schmiedeeisernen Zaun und beginnen auf dem Rasen vor dem Prachtbau zu graben. Was suchen sie hier? Ein Transparent verrät es: Greenpeace hat das Gebiet zum Goldabbaugebiet erklärt. Abbau ohne Rücksicht Greenpeace-Aktivist Marco Weber, einer der „Arctic 30“, nach seiner Freilassung. Der Schutz der Arktis ist und bleibt für ihn eine Herzensange legenheit. 14 Die Aktivisten protestierten so gegen einen Gesetzesvorschlag, der es Unternehmen ermöglichen soll, überall ungehindert Gold und andere Ressourcen abzubauen. Alexandru Riza von Greenpeace Rumänien erklärt: „Der Abbau muss nur ,Projekt im nationalen Interesse‘ oder ,im öffentlichen Interesse‘ genannt werden, und schon ist es egal, ob dadurch Ortschaften, die Umwelt oder Bauwerke aus der Römerzeit zerstört werden.“ Das sei genauso absurd, wie vor einem öffentlichen Gebäude nach Gold zu buddeln. „Unser Protest sollte zeigen, wie es enden kann: Dass jeder, der auf Bodenschätze scharf ist, schürft, wo es ihm gerade passt“, fährt Riza fort. „Darum haben wir einfach zu graben begonnen, und zwar im Vorgarten jener staatlichen Institution, die solche Gesetzesvorschläge durchwinken oder ablehnen kann.“ Zurzeit will eine kanadische Aktiengesellschaft in Rosia Montana im Siebenbürgischen Erzgebirge im Tagbau nach Gold schürfen und das Edelmetall durch giftiges Zyanid aus dem Erz holen. Dabei würden nicht nur vier Berge, eine Ortschaft, mehrere Kirchen, Friedhöfe und die Reste der Römersiedlung Alburnus Maior verschwinden, sondern auch 215 Millionen Kubikmeter Zyanid-verseuchter Schlamm anfallen. Entsorgen will man diesen in einem Tal hinter einem fast 200 Meter hohen Damm. „Rund um so ein Staubecken wäre die Luft hochgiftig. Es wäre außerdem sehr wahrscheinlich, dass zyanidhaltiges Wasser das Grundwasser verseucht. Im schlimmsten Fall droht bei einem Dammbruch eine Mega-Umweltkatastrophe“, sagt Riza. Nach 17 Jahren, wenn in der Gegend nichts mehr zu holen ist und das Bergbauunternehmen wieder verschwindet, würde eine kahle Landschaft zurückbleiben, von der niemand leben kann, warnt Riza. Die kreative Aktion bringt einen sofortigen Erfolg: Das umstrittene Gesetz verpasst die erforderliche Mehrheit im Parlament. Alexandru Riza und die anderen Aktivisten machen sich bereit, weitere Gefahren für die Umwelt zu entschärfen. ● 15 F o t o s : B o g d a n B o j a / G P, I r i n a B a n d r a b u r / G P Greenpeace-Aktion gegen Gazprom bei einem ChampionsLeague-Spiel in Wien. Das Unternehmen ist großzügiger Sponsor zahlreicher Events und besonders rücksichtslos gegenüber der Umwelt. klar: „Ich bereue es ganz und gar nicht, mich in dieser Form für die Arktis eingesetzt zu haben.“ „Greenpeace ist deshalb Greenpeace, weil Freiwillige wie Marco Weber mit ganzem Einsatz für eine friedliche und umweltfreundliche Welt kämpfen“, ist Lukas Meus, Arktis-Kampaigner in Wien, überzeugt. Meus ist erleichtert über die Freilassung der „Arctic 30“, doch die Sorge um die Arktis ist ihm ins Gesicht geschrieben. Vor wenigen Wochen hat Gazprom tatsächlich begonnen, seine gefährlichen Pläne in die Tat umzusetzen, und fördert in arktischen Gewässern Öl. Öl, das als Import bald nach Europa kommen könnte. Öl, das Umweltgefahr aus Übersee Verbotene Feldfrüchte — We r n e r S t u r m b e r g e r Bei Umweltschutz und Lebens mittelsicherheit gelten in den USA andere Regeln als in Europa. Durch die „Transatlantic Trade and Invest ment Partnership“ (TTIP) könnten die niedrigeren Standards Europa überrollen. „Industrie lobbyisten wurden bereits im Vorfeld ein gebunden, doch das Abkommen betrifft nicht nur Unter nehmen, sondern uns alle.“ „Das Chlorhuhn wurde zum Symbol der unterschied- lichen Standards in der EU und den USA, doch es stehen nicht nur Umwelt- und Verbraucherschutz, sondern auch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel“, erklärt Florian Schweitzer von Greenpeace die möglichen Auswirkungen des Abkommens „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP). 1997 untersagte die EU die Einfuhr von Hühnerfleisch, das mit Chlor behandelt wurde. Die USA drängen nach wie vor auf eine Aufhebung des Verbots. Im Rahmen von TTIP könnte es dazu kommen. Geheime Verhandlungen, unbekannter Inhalt Welche Folgen TTIP wirklich hat, ist schwer einzuschätzen. Der konkrete Inhalt des Abkommens ist nämlich nicht bekannt. Die Verhandlungen werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Das erinnert fatal an jene des Anti-Counterfeiting Trade Agreements (ACTA). Auch sie waren geheim. Als die Öffentlichkeit schließlich davon erfuhr, war die Empörung so groß, dass ACTA ad acta gelegt wurde. „Man hat offenbar nichts gelernt“, sagt Schweitzer. „Industrielobbyisten wurden bereits im Vorfeld eingebunden, doch das Abkommen betrifft nicht nur Unternehmen, sondern uns alle.“ Niedrigere Standards für Europa Die EU-Kommission will mit den USA die weltgrößte Freihandelszone schaffen und damit „globale Standards“ vorgeben. Zölle stehen kaum mehr im Weg. Sie machen nur einen Bruchteil des gemeinsamen Handelsvolumens aus. Auf der Agenda steht deshalb die Vereinheitlichung regulatorischer Standards. Gerade im Bereich des Umweltschutzes und der Lebens16 mittelsicherheit herrschen gravierende Unterschiede zwischen Europa und den USA. Dort gilt ein Produkt oder eine Technologie als sicher, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. In Europa muss jedoch zunächst die Unbedenklichkeit belegt sein. Bedrohung für Gentechnik-Anbauverbote Im Zentrum der Kritik stehen von der EU-Kommission geforderte Streitschlichtungsverfahren. Unternehmen soll es ermöglicht werden, außerhalb des bestehenden Rechtssystems direkt Staaten zu klagen, etwa wenn strengere Umweltgesetze deren Profite bedrohen. Derartige Investitionsschutzklauseln wurden bisher bei Abkommen mit Ländern geschlossen, deren Gerichte keine verlässlichen und fairen Verfahren garantieren können. „Solche Schiedsgerichte stellen sich über nationale Höchstgerichte. In einem Abkommen zwischen der EU und den USA sind sie völlig fehl am Platz. Unsere Gerichte sind unabhängig und garantieren auch ausländischen Investoren faire Verfahren“, erklärt Schweitzer. Unternehmen erhalten damit eine zweite Chance, vor nebenberuflichen „Richtern“, die mehrheitlich als Florian Schweitzer von Greenpeace warnt vor den Auswirkungen, die TTIP bringen könnte. Werden auch Sie zum Sprachrohr gegen TTIP und unter zeichnen Sie unsere Petition unter www.freihandels abkommen.at Rechtsanwälte für internationale Konzerne arbeiten, für Entscheidungen von Parlamenten Schadensersatz zu erhalten. Im schlimmsten Fall können Strafzahlungen so teuer werden, dass Gesetze aufgehoben werden müssen oder gar nicht in Kraft treten. „In Österreich können damit Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen oder ein Verbot von Fracking zur Förderung von Schiefergas genauso verhindert werden wie ein Atomausstieg in Schweden“, warnt Schweitzer. Aushebelung der Demokratie durch Konzerne Über eine Million Unterschriften hat Greenpeace europaweit gegen die Gentech-Kartoffel „Amflora“ gesammelt. Nun gab der Europäische Gerichtshof dem Widerstand von Konsumenten und Bauern recht. Inhalt der Klage, die gentechnikkritische Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, angestrengt hatten, war ein Versäumnis der EU-Kommission. Diese unterließ es, neuere Gutachten der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dem zuständigen Ausschuss der EU-Staaten zur Bewertung vorzulegen. „BASF hatte bereits eingestanden, dass die Kartoffel niemand will. Da die Zulassung aber noch gültig war, hätte sie jederzeit wieder angebaut werden können. Mit der Aufhebung der Zulassung ist das nun unmöglich“, erklärt Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Dagmar Urban die Bedeutung des Urteils. Doch leider, so Urban, handle es sich dabei nur um einen Etappensieg. Mit dem Mais „1507“ steht bereits eine neue gentechnisch veränderte Nutzpflanze in den Startlöchern – für Urban völlig verantwortungslos: „Wir wissen, dass sie Nützlinge wie Schmetterlinge schädigt. Gleichzeitig wird ihr Anbau die Verwendung des hochgiftigen Pestizids Glufosinat fördern, das in der EU bald ohnehin verboten werden wird.“ Wie bei der Gentech-Kartoffel hat die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten den Antrag vorgelegt, ohne aktuelle ESFA-Berichte von Experten diskutieren zu lassen. „Sie hat nichts aus dem ,Amflora-Urteil‘ gelernt“, resümiert Urban. „Wir fordern daher, dass die EU-Kommission den Antrag umgehend zurückzieht. Die Mitgliedsstaaten müssen das ,Amflora-Urteil‘ ernst nehmen und die Zulassungsempfehlung ablehnen.“ Längerfristig aber brauche es eine Reform des Zulassungsverfahrens, ist Urban überzeugt. ● „TTIP ist undemokratisch“, zieht Schweitzer Resümee. „Die Verhandlungen sind intransparent. Mit den Schiedsgerichten können Konzerne im Hinterzimmer demokratisch legitimierte Entscheidungen aushebeln. Das Recht auf Profit würde über jenes auf eine nachhaltige Zukunft und intakte Umwelt gestellt.“ Greenpeace fordert daher, die Geheimverhandlungen zu stoppen. Ein erster Teilerfolg konnte schon erzielt werden: Nach einem Besuch des EU-Chefverhandlers in Wien kündigte die EU-Kommission an, die Verhandlungen um die umstrittenen Schiedsgerichte auszusetzen und eine öffentliche Konsultation darüber zu starten. ● 17 Illustrationen: Greenpeace; Foto: Georg M ayer/GP Etappensieg in der GentechnikDebatte: Die Gentech-Kartoffel Amflora ist endgültig vom Feld. Exportierte Ausbeutung —Uschi Sorz Lokalaugenschein an Westafrikas Küste: Die klei- nen Schlauchboote der Greenpeace-Aktivisten verschwinden fast neben den riesigen „schwimmenden Fischfabriken“. Sie dokumentieren, wie die fischverarbeitenden europäischen Schiffe wahllos tonnenweise Fische aus dem Meer hieven. Das hat verheerende Folgen für das Ökosystem und den Fischbestand. „Einige dieser Netze könnten 13 Jumbojets fassen. Ungewollter Fang, darunter auch Jungfische, Delfine oder Schildkröten, landet sterbend im Meer. Es ist vergleichbar mit einem Raubzug“, sagt Melanie Aldrian, die auf den Greenpeace-Fahrten mit dabei war. Mittlerweile erkennt auch die EU-Politik, die wissenschaftliche Empfehlungen für Fangquoten zuvor ignoriert hat, das Problem der Überfischung. Bliebe alles wie es ist, würden kommende Generationen Fisch bald nur noch aus dem Lexikon kennen. Nur: Was nutzt es, geringere Fangkapazitäten anzuordnen, wenn diese nur verlagert werden? So geschehen in Schweden: Im eigenen Land ausrangierte schwedische Fangschiffe „überfischen“ nun einfach an der Küste der Westsahara und nehmen den saharauischen Fischern die Lebensgrundlage. „Sie plündern die Gewässer, während die Bevölkerung hungert“, so Aldrian. Greenpeace hat dieses Paradebeispiel misslungener Fischereipolitik im Report „Exporting Exploitation“ festgehalten (siehe www.greenpeace.at) – und bleibt in Aktion, bis jene Schiffe, die marine Lebensräume zerstören, verschrottet oder umgewidmet sind. Nachhaltige Fischer hingegen sollen belohnt werden. ● 18 Fo t o : C l é m e n t Ta rd i f / G P Die Ausbeutung überfischter Gewässer wird manchmal einfach von einem Kontinent auf den anderen verlagert. Greenpeace deckt auf und bleibt aktiv. Die Fischraubzüge verlagern sich: Ausrangierte schwedische Fangschiffe plündern jetzt die Gewässer vor der Küste der Westsahara. Fisch zu essen, ohne den Fischbestand zu zerstören, ist möglich. Der neue Greenpeace-Fischratgeber zeigt, wie. Online-Version auf www.greenpeace.at/ fisch-ratgeber 19 —Jochen Stadler Österreich als Vorbild für ganz Europa: Importierter Strom kann seine Herkunft nicht länger verbergen. Foto: Delia Wöhlert/GP Obwohl in Österreich kein Atommeiler steht, wird auch hierzulande Atomstrom verkauft. Nicht mehr lange – dank des großen Erfolgs einer langjährigen Greenpeace-Kampagne. Als sogenannter Graustrom konnte Atomenergie bisher unerkannt einreisen. Nach drei Gipfeltreffen von Regierung, Umweltorganisationen und Stromunternehmen hat das Parlament im Juli 2013 beschlossen, dass nur mehr Strom mit Herkunftszertifikat importiert werden darf. Gleichzeitig hat sich die E-Wirtschaft verpflichtet, Endkunden nicht mehr mit Atomstrom zu versorgen. Das Gesetz trete zwar erst im Jänner 2015 in Kraft, aber es wirke schon jetzt, erklärt Julia Kerschbaumsteiner, Atomsprecherin von Greenpeace Österreich: „Durch das Transparentmachen ist Atomstrom für die Energieunternehmen nicht mehr interessant. Wir sehen bereits, dass sie die Stromversorgung umstellen.“ Während 2012 noch etwa 14 Prozent Graustrom importiert wurden, waren es 2013 nur mehr sieben Prozent. Etwa ein Drittel davon ist Atomstrom. Alleingang mit Vorbildwirkung „Österreich ist das erste und einzige Land, das so eine Verordnung umgesetzt hat, und damit ein Vorbild für ganz Europa“, sagt Kerschbaumsteiner. Es sei ein klares Signal an die Märkte, dass zum Beispiel Tschechi- an unsere spender und spenderinnen Für Karin Spalt ist es selbstverständlich, auf die eine Erde, die es gibt, aufzupassen. Mutig klettert die Greenpeace-Aktivistin auf Masten und Türme. Ein Umstieg von fossilen Energieformen auf erneuer- bare Energien verringert Treibhausgas-Emissionen und kann den Klimawandel stoppen. Wir haben Reinhard Haas von der Technischen Universität Wien gefragt, wie es um die Energiewende steht. Reinhard Haas forscht am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien. Er untersucht, ob Energiesysteme wirtschaftlich sind und was man ändern muss, um bestimmte soziale und ökologische Ziele zu erreichen. Erneuerbare Energien werden gerne als unwirt schaftliche Kostentreiber gebrandmarkt. Kürzlich stand im „Standard“ die Schlagzeile „Ökostrom lässt Stromkosten steigen“. Stimmt das? R e i n h a r d H a a s : Wir profitieren heute von einer Strom-Infrastruktur, die vor allem in den 1950er- bis 1970er-Jahren gebaut und bis in die 1990er-Jahre von den Verbrauchern im Strompreis mitbezahlt wurde. In den vergangenen zehn Jahren haben die großen Stromkonzerne enorme Gewinne damit gemacht. Und jetzt tun wir so, als müsste man für die Stromversorgung nichts mehr investieren. Wenn die erneuerbaren Energien ausgebaut werden sollen – zum Klimaschutz, und damit man nicht mehr von Erdgas aus Russland und Katar oder Kohle aus Australien abhängig ist –, muss das natürlich auch jemand bezahlen. Was wird dabei vernachlässigt? H a a s : Auch wenn Atomkraftwerke gebaut werden, zahlen das die Haushaltskunden, und zwar über den Strompreis. Kernkraftwerke kann man allein von den Einnahmen am Strommarkt nicht finanzieren, also fordern Betreiber einen Atomkraftzuschlag, etwa in England, wo man den Bau neuer Atomkraftwerke diskutiert. Das sollen nach neuesten Informationen zwischen 10 und 12 Cent pro kWh sein. In Österreich fördert man etwa Windenergie mit bloß 8 Cent. Wären in Summe also erneuerbare Energien günstiger? H a a s : Wenn Solaranlagen und Windkraftwerke einmal stehen, haben sie praktisch keine Betriebskosten und natürlich keine Emissionen. Sie sind eine langfristige Investition, die auch Arbeitsplätze sowie Wertschöpfung in Österreich schafft. ● 20 da n ke en seinen Strom aus Temelín nicht mehr nach Österreich verkaufen kann. Der logische nächste Schritt sei nun, „dass Deutschland nachzieht, weil es als Atomausstiegsland das Risiko nicht in andere Länder auslagern darf “. „Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, vollständige Transparenz am Strommarkt durchzusetzen“, zeigt sich Julia Kerschbaumsteiner zufrieden. Doch noch gibt es Handlungsbedarf. Auch staatliche Beihilfen für den Bau neuer Atomkraftwerke, wie etwa aktuell in Hinkley Point in Großbritannien, sind der Expertin ein Dorn im Auge. Sie fordert: „Österreich muss sich als Vorbild auch dezidiert gegen diese Entwicklungen stellen.“ ● Anpacken, weil etwas zu tun ist —Elly Kiss Die steirische Aktivistin Karin Spalt setzt sich leidenschaftlich für den Umweltschutz ein und klettert dafür, wenn es sein muss, in schwindelerregende Höhen. „Es sollte selbstverständlich sein, auf die eine Erde, die es gibt, aufzupassen“, erklärt Karin Spalt ihr ehrenamtliches Engagement bei Greenpeace. „Es gibt im Moment keinen Grund für mich, nicht Aktivistin zu sein.“ Die heute 23-Jährige machte schon vor vier Jahren bei ihren ersten Aktionen mit. Innerhalb weniger Monate begann sie auch mit dem Industrieklettern, um aufmerksamkeitswirksam Transparente mit umweltrelevanten Botschaften an Gebäudefassaden, Schloten und Brücken in großer Höhe zu befestigen. Ihren Idealismus vereint Karin Spalt mit der Begeisterung für die Sache. „Ich könnte mir nicht vorstellen, meine Freizeit faul vor dem Fernseher zu verbringen“, sagt sie. Langeweile kommt bei den Einsätzen, die sie bereits nach Italien, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und in die Ukraine geführt haben, selten auf. So wirkte sie 2012 bei einer Aktion gegen eine noch aktive Kohlemine in dem tschechischen Naturschutzgebiet Beskydy mit. Der Einsatz hat sich gelohnt: Der Kohleabbau wurde dank des großen medialen Aufsehens, welches die Aktion hervorrief, eingestellt. Das sind Ergebnisse, die die junge Aktivistin besonders freuen und ermuntern weiterzumachen. Das BannerHängen auf den Türmen in der Kohlemine erforderte Mut. In solchen Ausnahmesituationen entstehen Freundschaften, „das gemeinsame Ziel verbindet“, erzählt sie. Sie freut sich auf ein zufälliges Wiedersehen, vielleicht hoch oben auf einem Gebäude, bei einem neuen Einsatz. Bereits als Kind bewunderte sie Bilder engagierter Umweltschützer im Greenpeace-Magazin ACT, dann folgte der Wunsch, selbst aktiv zu werden. Durch eine Kontaktaufnahme mit dem Greenpeace-Büro in Wien kam sie zur Freiwilligenarbeit im Umweltschutz und reist seither zu Aktionen. Das ist nicht immer einfach, doch „schwere Rucksäcke, kalte Finger und Pinkelflaschen sind mir lieber, als zu resignieren“, sagt die junge Aktivistin entschlossen. Augen und Ohren vor den Problemen unserer Zeit zu verschließen, sei für sie keine Alternative. Sie packt an, weil es etwas zu tun gibt. Weil mit unserer Erde so umgegangen wird, dass wir Umweltschutzorganisationen dringend brauchen, wird sie sich weiter einsetzen und, wenn es sein muss, dafür weite Zugstrecken auf sich nehmen und auf Kraftwerke klettern. ● Wolfgang Fietz, Softwaretester. „Ich fahre viel zu viel mit dem Auto und leider hat kein einziger Politiker die Eier, mir das zu verbieten. Also unterstütze ich Greenpeace, damit sie sich irgendwann durchsetzen gegen Leute wie mich.“ Isabell Kassl, technische Angestellte und Studentin. „Der Mensch sollte sich seiner Abhängigkeit von der Natur bewusst sein und alles daran setzen, diese zu bewahren. Greenpeace kämpft für genau diese Sache und hat jede Unterstützung mehr als verdient.“ Wauki Hall, AHS-Lehrerin im Ruhestand. „Hätten wir die politische Arbeit und die Aktionen von Greenpeace nicht, wäre das Umweltbewusstsein bei Weitem nicht so stark, wie es ist (wenn auch leider immer noch zu gering).“ 21 Fo t o s : G e o r g M a y e r / G P ( 2 ); p r i v a t ( 3 ) Atomstromfreie Zukunft Einsatz für die Umwelt Aufdecken von Umweltzerstörung, unabhängige Forschung und mutige Aktionen – die Arbeit von Greenpeace ist vielfältig. Doch eines gilt für jeden Einsatz: Er ist nur dank Ihrer Spende möglich. weltschutzes. Denn: Die weltweite Arbeit von Greenpeace finanziert sich nur aus privaten Spenden. Wir nehmen kein Geld von Konzernen oder Regierungen – und haben so die Freiheit, uns gegen jene Unternehmen und Politiker zu stellen, die unsere Wälder, Meere und Tierwelt gefährden. Manchmal dauert es Jahrzehnte, bis eine Kampagne gewonnen und ein bedrohter Lebensraum langfristig gerettet ist. Wir bleiben in Aktion, egal wie groß die Hürden oder wie lang der Weg ist. Dafür benötigen wir Ihre finanzielle Unterstützung: 20 Euro ermöglichen die Herstellung eines kleines Transparents, bemalt mit wasserlöslicher Siebdruckfarbe. 80 Euro finanzieren eine kleine Digitalkamera, mit der wir die Zerstörung des indonesischen Regenwaldes dokumentieren. 700 Euro macht der Druck von 2.000 Foldern aus, die über die Gefahren des Freihandelsabkommens TTIP informieren. Aus tiefstem Herzen richten wir heute eine Bitte an Sie: Bleiben Sie an unserer Seite und unterstützen Sie den Greenpeace-Einsatz für die Umwelt weiterhin mit Ihrer Spende. Danke, dass Ihnen die Umwelt ebenso wichtig ist wie uns! ● Der Great-BearRegenwald in Kanada ist Heimat dieses Grizzlybärs. Seit fast 20 Jahren kämpft Greenpeace für den Erhalt des Waldes. Ein Großteil ist inzwischen geschützt. Wir bleiben weiter dran. Foto: Oliver Salge/GP Plakat: Austrianfilm Sie bilden das Fundament des unabhängigen Um- 10 x 2 Kinokarten zu gewinnen Atom- und Klimakatastrophen, der Kampf um Öl und Gas – das sind die Auswirkungen des immer schneller steigenden Energiebedarfs. Kann es so weitergehen wie bisher? Im neuen Film „Macht Energie“ kommen Pioniere und Kritiker, Rebellen und Profiteure zu Wort. „Macht Energie“, ab 7. 3. 2014 im Kino. Greenpeace verlost 10 x 2 Kinokarten – gültig in ganz Österreich. Für die Teilnahme senden Sie eine SMS mit dem Kennwort „Energie“, Namen und Anschrift an 0664/660 30 30. Mit dem Absenden der SMS stimmen Sie zu, dass Greenpeace Sie kontaktieren darf. 22 I m p ressum Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, Fernkorngasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/545 45 80, www.greenpeace.at Spendenkonto: Erste Bank: 822 212 198 00, BLZ: 20111, www.greenpeace.at/spenden Chefredakteurin: Sonja Weiss Bildredak tion: Georg Mayer E-Mail: act@greenpeace.at Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft m. b. H., Bereich Corporate Publishing, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, T: 01/536 60-0, E: magazine@falter.at Grafik: Beton — Gruppe für Gestaltung. Druck: Niederösterreichisches Pressehaus Offenlegung: Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.greenpeace.at ständig abrufbar. ZVR 961128260 ACT erscheint viermal jährlich auf 100-%-Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen ACT gratis zugesandt. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2014. 23 Foto: A lex Hofford/GP Fischratgeber 2014 Drei Viertel der weltweiten Fischbestände sind überfischt, zahlreiche Fangmethoden verursachen massive Umweltschäden. Der Greenpeace-Fischratgeber bietet eine Übersicht, welche Fischarten bzw. -bestände noch empfehlenswert sind. Die Online-Version sowie eine exklusive Variante des Ratgebers mit Rezepten von Starköchin Sarah Wiener erhalten Sie auf www.greenpeace.at/fisch-ratgeber Jetzt spenden: Erste Bank – IBAN: AT24 20111 82221219800, BIC: GIBAATWWXXX oder unter www.greenpeace.at