Was ist meine Praxis wert?
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Was ist meine Praxis wert?
Was ist meine Praxis wert? Teil 3: BÄK-Richtlinie und Ertragswertmethode Günther und Oliver Frielingsdorf Teil 2 unseres Beitrags hat ausführlich die IBT-Methode erläutert, das sicherste Verfahren zur Praxisbewertung. Dieser Teil stellt Ihnen zwei weitere Verfahren vor und beurteilt ihre Anwendbarkeit: die BÄK-Richtlinie und die Ertragswertmethode. Die Werte von Arztpraxen lassen sich nur mit speziellen, auf freiberufliche Einrichtungen abgestellte Bewertungsverfahren zuverlässig berechnen. Andere Verfahren haben diesbezüglich Schwächen. Verschiedene Beispiele sollen darlegen, warum die BÄK-Richtlinie und die Ertragswertmethode nicht geeignet sind, Arztpraxen korrekt zu bewerten. BÄK-Richtlinie Die BÄK-Richtlinie war seit Anfang der 60er Jahre zunächst die Richtschnur zur Goodwill-Berechnung in Arzt- und Zahnarztpraxen. Etwas Vergleichbares hatte es zuvor nicht gegeben, zumal bis dahin nicht üblich war, für eine Praxis einen Goodwill zu verlangen. Die BÄK-Richtlinie diente den Ärzten als erste Möglichkeit, das zu tun. Auch wenn mitunter auf die Richtlinie verwiesen wird, ist sie für eine zuverlässige Goodwill-Berechnung prinzipiell nicht geeignet, weil die wesentlichen Determinanten für eine Unternehmensbewertung fehlen, so z.B. Praxisbesonderheiten. Neben dem Patientenstamm, der Praxislage, der Konkurrenzsituation, der Praxisorganisation und vielen anderen Einflussfaktoren sind insbesondere Gewinnerwartung, Angebot und Nachfrage nach Praxen, fachgruppenspezifische Besonderheiten, Marktgegebenheiten, Persönlichkeit der Praxisinhaber und Qualität des Mitarbeiterteams von entscheidender Bedeutung. Die weiteren Ausführungen erläutern, warum die BÄK-Richtlinie nicht verwendet werden sollte. n Unhaltbare Berechnungsansätze Nach der BÄK-Richtlinie von 1987 soll der Goodwill einer Praxis im Wesentlichen anhand einer festen Quote vom Umsatz bestimmt werden. Hingegen bleibt der für die Bewertung eines jeden Unternehmens maßgebliche Gewinn völlig unberücksichtigt. Zudem sieht die Richtlinie den Abzug eines Unternehmerlohns vor (wie in der Industrie üblich), bei Arztpraxen explizit eines Oberarztgehalts. Weiteres Manko: Das Sachanlagevermögen, in Großeinrichtungen mitunter die zentrale Größe, bleibt außer Acht. n Fragwürdige Bewertungsergebnisse Mit einer einheitlichen Quote vom Umsatz wird in gleicher Weise über eine hocheffiziente Praxis entschieden wie über eine defizitäre. Dadurch werden Praxen mit tendenziell hohen Kosten und relativ geringen Gewinnen überbewertet, umgekehrt werden erfolgreiche Praxen mit nachhaltig hohen Gewinnen unterbewertet. Im Fall einer Praxisabgabe zeigen sich die resultierenden Probleme deutlich: Ein Käufer müsste z.B. für eine verlustbringende, unrentable Praxis gleichviel zahlen wie für eine Praxis, die (hohe) Gewinne abwirft (s. Tab. 1). In der internationalen Bewertungslehre und -praxis wäre ein solches Vorgehen völlig undenkbar. Im anderen Fall müsste der Inhaber einer sehr erfolgreichen Praxis sein Unternehmen unter Preis anbieten. PRAXIS + ÖKONOMIE PRAXISMANAGEMENT n Fazit BÄK-Richtlinie Es bleibt festzuhalten: Die BÄK-Methode erfasst keine der Bestimmungsgrößen, die den Wert einer Praxis nachhaltig beeinflussen und Goodwill-Berechnung nach der BÄK-Methode Praxis 1 Durchschnittlicher Umsatz in den letzten drei Jahren Durchschnittliche Kostenquote Gewinn Praxis 2 Praxis 3 255.000 € 50 % 75 % 100 % 127.500 € 63.750 € 0€ Ermittlung des Goodwills rein umsatzorientiert Durchschnittsumsatz 255.000 € Abzgl. Oberarztgehalt 61.000 € Basiswert gemäß BÄK 194.000 € BÄK-Goodwill (33% vom Basiswert) 64.667 € Zum Vergleich Goodwill nach der IBT-Methode 87.529 € 59.990 € 0€ Tab. 1: Die Tabelle zeigt, wohin eine Praxiswertberechnung über die pauschale, rein umsatzorientierte BÄK-Richtlinie führt, und stellt die auf diesem Wege ermittelten Werte den tatsächlichen Verkehrswerten gegenüber, die nach der IBT-Methode bestimmt werden. FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 1057 PRAXIS + ÖKONOMIE Spezielle Berechnungsparameter der Ertragswert-Methode Anwendbar Parameter Zukunftsgewinn Kapitalzinsfuß Risikozuschlag Ja (x) (x) Substanzwert Auswirkungen Nein x Goodwill-Reichweite Bemerkungen X (X) Einzelheiten der auf die Gewinne einwirkenden Faktoren sind weitgehend nicht einbringbar Gewinne sind Basis für die Berechnung des Unternehmenswertes Mehr oder weniger frei bestimmbar. Üblich sind Renditepapiere mit langen Laufzeiten. Jedes Prozent der frei bestimmbaren Höhe führt zu zum Teil erheblichen Wertveränderungen Höhe nicht vorgeschrieben. Insoweit frei bestimmbar, wenn auch bei höheren Zuschlägen kaum begründbar. Jedes Prozent der frei bestimmbaren Höhe führt zu zum Teil erheblichen Wertveränderungen Fiskalische Größe. Für die Werbestimmung aber entscheidend, weil freie Manipulationsgröße Ein aus dem Gewinn nach der ewigen Rentenformel kapitalisierter Unternehmenswert wird völlig beliebig gekürz. Bergründung für Kürzung unmöglich. Nach der Ertragswertmetode erfolgt systembedingt orginär keine Erfassung und Berechnung des Sachanlagevermögens Darstellung von Goodwill und Sachvermögen unmöglich. Wichtige auf den Gewinn wirkende, aus dem Sachvermögen resultierende Größen bleiben unberücksichtigt. Tab. 2: Die speziellen Berechnungsparameter der Ew-Methode sind zur Ermittlung eines Praxiswerts nur bedingt abwendbar und in vielfacher Hinsicht zweifelhaft, da sie fast ausnahmslos manipuliert werden können. deshalb für eine zutreffende Unternehmensbewertung nötig sind. Deshalb ist eine Praxisbewertung nach der BÄK-Richtlinie ungeeignet. Der BGH indes hat in einem Verfahren die Ansicht vertreten, die BÄKRichtlinie sei anwendbar, und führt aus: „Es gehört zu den Aufgaben der Ärztekammern, sich im Bedarfsfall gutachterlich zur Bewertung von Arztpraxen zu äußern“. Diese Aussage ist schlichtweg unkorrekt! Weder in der Berufsordnung, noch in den Heilberufegesetzen, die als Grundlage für die Kammergesetze dienen, gibt es eine Vorschrift, die der Ärz- 1058 FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 tekammer eine derartige Kompetenz zuschreibt. Ertragswertmethode Die Ertragswertmethode (Ew-Methode) ist für Großunternehmen der Industrie entwickelt worden und eignet sich nach höchstrichterlichen Urteilen des BGH und BVerfG für freiberufliche Einrichtungen nicht. n Unrealistischer Berechnungsschlüssel Die Ew-Methode hinkt bei der Praxisbewertung bereits, wenn man betrachtet, welche Umsatzrendite sie unterstellt. Industrieunternehmen erwirtschaften maximal 4-5 Prozent Rendite, Discountbetriebe zumeist weniger als 1 Prozent, vielfach sogar nur 0,2 Prozent. Bei einer betriebswirtschaftlich gut geführten Arztpraxis liegt die Umsatzrendite in der Regel über 50 Prozent, also deutlich höher als in der Industrie. Schon deshalb kann die Ew-Methode als Industriebewertungsverfahren einer Arztpraxis nicht gerecht werden. n Manipulierbare Parameter Allem voran lässt sich das Ergebnis, z.B. der Praxiswert, mit der Ew-Me- PRAXIS + ÖKONOMIE Beispielrechnungen nach der Ew-Methode Basisdaten Fachrichtung: Gynäkologie Umsatz: 258.000 ,-- nachhaltig erzielbarer, bereinigter Gewinn Anzahl Ärzte: 1 Kosten: 142.932 ,-- Inhaberentgelt Überschu Laufzeit (Jahre) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 115.068 ,-- 115.068 ,-- Zins (%) inkl. Risikozuschlag (z.B. 6% Zins + 1,5 % Risikozuschlag) 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 8,5 9,0 9,5 10,0 10,5 11,0 11,5 108.555 108.045 107.540 107.040 106.544 106.053 105.567 105.085 104.607 104.134 103.665 103.200 210.965 209.496 208.045 206.612 205.197 203.799 202.417 201.053 199.705 198.373 197.057 195.756 307.578 304.755 301.975 299.237 296.541 293.886 291.271 288.695 286.157 283.657 281.193 278.766 398.723 394.200 389.760 385.400 381.120 376.916 372.788 368.733 364.750 360.837 356.992 353.214 484.708 478.186 471.802 465.552 459.433 453.442 447.574 441.828 436.198 430.683 425.279 419.984 565.827 557.046 548.476 540.112 531.946 523.972 516.186 508.580 501.151 493.892 486.800 479.867 642.353 631.093 620.135 609.469 599.087 588.977 579.132 569.542 560.199 551.095 542.223 533.574 714.549 700.620 687.105 673.988 661.254 648.890 636.881 625.215 613.879 602.863 592.154 581.742 782.657 765.905 749.695 734.006 718.817 704.108 689.861 676.057 662.679 649.711 637.137 624.942 846.910 827.204 808.189 789.836 772.116 755.001 738.467 722.489 707.043 692.108 677.662 663.686 1.917.800 1.770.277 1.643.829 1.534.240 1.438.350 1.353.741 1.278.533 1.211.242 1.150.680 1.095.886 1.046.073 1.000.591 Basisdaten Laufzeit (Jahre) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Fachrichtung: Gynäkologie Umsatz: 258.000 ,-- nachhaltig erzielbarer, bereinigter Gewinn Anzahl Ärzte: 1 Kosten: 142.932 ,-- Inhaberentgelt 65.000 ,-- Überschu 50.068 ,-- 6,0 47.234 91.794 133.832 173.491 210.905 246.201 279.499 310.912 340.547 368.505 834.467 6,5 47.012 91.155 132.604 171.523 208.067 242.380 274.599 304.852 333.258 359.930 770.277 7,0 46.793 90.524 131.394 169.591 205.289 238.651 269.831 298.971 326.205 351.657 715.257 Zins (%) inkl. Risikozuschlag (z.B. 6% Zins + 1,5 7,5 8,0 8,5 9,0 46.575 46.359 46.146 45.934 89.900 89.284 88.676 88.075 130.203 129.030 127.875 126.737 167.694 165.832 164.003 162.206 202.569 199.907 197.300 194.747 235.012 231.458 227.989 224.601 265.190 260.673 256.274 251.990 293.263 287.723 282.343 277.117 319.378 312.769 306.369 300.170 343.671 335.960 328.514 321.319 667.573 625.850 589.035 556.311 % Risikozuschlag) 9,5 10,0 45.724 45.516 87.481 86.895 125.616 124.512 160.442 158.709 192.247 189.797 221.292 218.059 247.817 243.752 272.041 267.109 294.164 288.343 314.367 307.646 527.032 500.680 115.068 ,-- 10,5 45.310 86.315 123.424 157.006 187.397 214.901 239.791 262.316 282.700 301.148 476.838 11,0 45.106 85.743 122.352 155.333 185.046 211.815 235.930 257.656 277.229 294.862 455.164 11,5 44.904 85.177 121.296 153.689 182.742 208.798 232.167 253.126 271.923 288.781 435.374 Tab. 3: oben: Die Ew-Methode kennt verschiedene Möglichkeiten, das Endergebnis wunschgemäß zu steuern. So lassen sich z.B. Zins und Laufzeit beliebig variieren, um einen unrealistischen Praxiswert durch Anwendung einer komplexen Zinsrechnung marktfähig zu machen oder den eigenen Vorstellungen anzupassen. unten: Diese Beispielrechnung zeigt im Vergleich zum Beispiel oben, wie sich die Werte verändern, wenn der Gewinn um ein Inhaberentgelt gemindert wird. thode beliebig steuern, je nachdem, welche Parameter in welcher Form genutzt werden. Letztlich zäumt die Methode das Pferd von hinten auf: Wenn Sie wissen, welchen Praxiswert Sie erzielen wollen, können Sie alle einzelnen Rechengrößen danach ausrichten (s. Tab. 2 auf S. 1058 und Tab. 3). – Zukunftsgewinn Der Gewinn, der in die Berechnungen eingeht, ist quasi beliebig formbar. Denn ob z.B. AfA oder Fremd- 1060 FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr. 11 mittelzinsen Berücksichtigung finden und wenn ja, in welcher Höhe, bleibt unbestimmt. Und was ist mit zukünftigen Entwicklungen? Wie werden die gesetzlichen Auflagen und deren Auswirkungen auf die Honorare, die HVVs, die Budgetausgestaltung (Mengenbegrenzung), die Fallzahlentwicklung, die Fallwertentwicklung etc. berücksichtigt? Solche Parameter sind der Ew-Methode fremd und finden deshalb auch keinen Eingang in die Gewinn- berechnung, was zu falschen Ergebnissen führt. – Kapitalzinsfuß und Risikozuschlag Die Ew-Methode zielt auf eine Kapitalisierung des Gewinns ab (Berechnung des Gegenstandswerts). Zu diesem Zweck wird ein frei wählbarer Kapitalzinsfuß angesetzt der sich aus einem wahlweise banküblichen Zinssatz und einem frei wählbaren Risikozuschlag zusammensetzt, wobei man sich fragt, wie hoch bei der Pra- xisbewertung der Risikozuschlag liegen soll. Der Praxiswert errechnet sich dann z.B. bei einem Zinsfuß von 7,5 Prozent (6 Prozent Zinssatz + 1,5 Prozent Risikozuschlag) wie folgt: 100 : 7,5 = 13,3 Gewinn x 13,3 = Praxiswert Je niedriger der Zinsfuß, desto höher der resultierende Praxiswert (s. Tab. 3 auf S. 1060). Da die Höhe des auf diese Weise ermittelten Praxiswerts völlig unrealistisch ist, bedarf es weiterer Korrekturmöglichkeiten wie der Goodwill-Reichweite. – Goodwill-Reichweite Die Goodwill-Reichweite ist quasi eine Laufzeit in Jahren und wurde vom Bundesfinanzministerium als fiskalische Größe erdacht, um für den Goodwill einen Abschreibungszeitraum festlegen zu können. Die Ew-Methode zweckentfremdet diesen Parameter, um den errechneten Praxiswert marktfähig zu machen, d.h. letztlich nach Gutdünken zu verändern – laufzeit- und zinsabhängig (s. Tab. 3). Häufig werden Laufzeiten von bis zu fünf Jahren angegeben, die nicht nachvollzieh- bar sind und auch nicht begründet werden können. – Sachvermögenswert Die Ew-Methode sieht die Berechnung des Sachvermögenswerts grundsätzlich nicht vor, sondern ermittelt einen Gesamtunternehmenswert, ohne den Sachvermögenswert zu berücksichtigen. Das kann nur zu verzerrten Werten führen. – Inhaberentgelt Die Ew-Methode sieht vor, stellt es aber letztlich frei, vom Gewinn ein Inhaberentgelt in Abzug zu bringen, wodurch sich der verbleibende Überschuss verringern lässt. Dadurch lässt sich der resultierende Praxiswert wiederum steuern (s. Tab. 3). n Fazit Ew-Methode Die Ew-Methode ist für die zuverlässige Bewertung freiberuflicher Einrichtungen wie z.B. Arztpraxen ungeeignet. Das gilt vor allem, weil das Ergebnis durch gezielte Steuerung der einzelnen Berechnungsparameter beliebig verändert werden kann. Deshalb lehnen auch die obersten Gerichte die Anwendung der Ew-Methode grundsätzlich ab. Autoren Günther Frielingsdorf Oliver Frielingsdorf öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen G. + O. Frielingsdorf und Partner GbR Kaiser-Wilhelm-Ring 50, 50672 Köln Tel: +49 221 139836-77 Fax: +49 221 139836-65 E-Mail: info@frielingsdorf.de www.frielingsdorf-partner.de