Kultur Korea 2012/2 - Koreanisches Kulturzentrum
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Kultur Korea 2012/2 - Koreanisches Kulturzentrum
한국 문화 Kultur SPEZIAL: RELIGION UND GLAUBE IN KOREA Wo die Mönche Kampfsport machen. Ein Tag im Golgulsa-Tempel Kirche der Superlative. Die Yoido Full Gospel Church Islam in Korea – gestern und heute „Gottesstaat“ Nordkorea? Ausgabe 2/2012 Titelbild: © Set Byol Oh Eine 1906 im Stil eines traditionellen koreanischen Hauses (한옥/ Hanok) erbaute Kirche der Anglican Church of Korea (Anglikanische Kirche Korea) in Onsuri auf der Insel Ganghwa. Von außen betrachtet lässt das Gebäude nicht erkennen, ob es sich um einen buddhistischen Tempel oder um ein christliches Gotteshaus handelt. Die Kirche ist nach St. Andreas, dem Hauptschutzheiligen der Kirche, benannt. Foto: Nils Clauss Durihana Church Seoul 2009 Die Durihana Church Seoul nimmt sich vieler nordkoreanischer Flüchtlinge an. Auf dem Holzschnitt links sind Süd- und Nordkorea ohne Grenzverlauf als vereintes Land dargestellt. Editorial Auch wenn sich weniger als 50 Prozent der Koreaner zu einer Religion bekennen, ist ihr Leben doch viel stärker von religiösen Einflüssen bestimmt, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Traditionen aus dem Buddhismus und dem Volksglauben haben ebenso Einfluss auf den koreanischen Alltag wie der Konfuzianismus, der als philosophischer Leitgedanke alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt. In dieser Ausgabe von Kultur Korea möchten wir Ihnen Bekanntes und Überraschendes aus der koreanischen Glaubenswelt präsentieren. Wussten Sie, dass erste Kontakte zwischen Korea und dem Islam bereits im neunten Jahrhundert existierten oder dass der nordkoreanische Staatsgründer Kim Il-sung aus einer Familie überzeugter Christen stammt? Des Weiteren erfahren Sie mehr über die Yoido Full Gospel Church - die größte Einzelkirche der Welt, deren Gottesdienste ganze Fußballstadien füllen - und über buddhistische Mönche, die nicht nur im Gebet, sondern auch im Kampfsport bewandert sind. Eine in Seoul lebende, moderne Schamanin stellt den koreanischen Volksglauben vor und eine Berliner Imbissbesitzerin aus Korea versorgt ihre Gäste nicht nur mit Suppe, sondern auch mit Bibelversen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen! Die Mitarbeiter des Koreanischen Kulturzentrums 1 INHALT 1 Editorial 2 Inhalt ÜBERBLICK 4 Zum Verständnis der Religionen in Korea von Prof. Dr. Hee-Sung Keel 9 7 Buchbesprechung – Myung-Hwa Cho. „Blaue Jade”, ein deutscher Roman aus Korea von Dr. Knut Lohmann 9 Religionen in Korea - ein Überblick von Dr. Heinz-Jürgen Loth BUDDHISMUS 25 14 Haeinsa, „Tempel der Reflexionen auf ruhiger See” von Bodo Hartwig 18 Die buddhistische Jungto-Gesellschaft in Deutschland von Gesine Stoyke 22 Wo die Mönche Kampfsport machen. Ein Tag im Golgulsa-Tempel von Rainer Rippe CHRISTENTUM 25 Missionare mit Charisma & Marketingtalent. Karl Gützlaff & Norbert Weber von Dr. Sylvia Bräsel 29 Priester Alwin Schmid. Baumeister koreanischer Kirchen von Gesine Stoyke 30 Interview mit Mike Lee, deutschsprachiger Pastor in der koreanischen Kirchengemeinde „Full Gospel Church Düsseldorf“ (FGCD) von Gesine Stoyke 34 34 Südkoreaner auf Seelenfang von Malte E. Kollenberg 46 36 Interview mit Park Young Ai, Inhaberin des koreanischen Restaurants „IXTHYS“ in Berlin von Dr. Stefanie Grote 38 Kirche der Superlative. Die Yoido Full Gospel Church von Anne Schneppen 40 Interview mit Rev. Myung-chul Jung, Senior Pastor der Dorim Church der Yeong Dong Po Presbytery von Gesine Stoyke 43 Evangelische koreanische Gemeinde Berlin e.V. - Interview mit Pastor Sungho Cho von Dr. Stefanie Grote ISLAM 46 Islam in Korea von Dr. Stefanie Grote 48 Interview mit Don Baker, Professor für Koreanische Kultur an der University of British Columbia von Dr. Stefanie Grote 53 2 18 VOLKSGLAUBE 50 Das Jahr des „Schwarzen Drachens“ von Ha Phuong Le 53 Schamanismus: ein Glaube, der die koreanische Seele immer noch anspricht von Myung-Ok Yoo 56 Wahrsagepraktiken in Korea – aktuell wie eh und je von Gesine Stoyke KALEIDOSKOP 58 Namuamitabul... Ave Maria...von Anne Stern-Ko 30 60 „Gottesstaat“ Nordkorea? von Malte E. Kollenberg 63 Gedichte von Reiner Kunze 64 Obdachlos in Korea von Su-Zi Schütz EXTRAWELT 66 Wanderer zwischen zwei Welten von Neil Dowling (Text) und Nils Clauss (Fotos) KULTUR 72 KLTI Essay-Wettbewerb: „Meine Eindrücke beim Lesen koreanischer Literatur“ von Edgar Vogel 74 Transfer Korea - NRW 2011/12/13. Das 9. Internationale Künstler- und Kunstaustauschprogramm von Dr. Christian Esch PORTRÄT 77 Interview mit dem in Korea lebenden, deutschen Jazz-Musiker 66 Martin Zenker von Dr. Stefanie Grote KOREA IM ALLTAG 80 Koreanischer Sprachführer 81 Rezept VERANSTALTUNGEN VERANSTALTUNGEN - Rückblick 82 10. Deutsch - Koreanisches Forum (17.-18. Nov. 2011) von Rhan Gunderlach KOREANISCHES KULTURZENTRUM - Vorschau 77 85 Kurse 86 Ausstellungen 87 BUNDESWEITE VERANSTALTUNGEN APRIL - JUNI 2012 3 ÜBERBLICK Zum Verständnis der Religionen in Korea Von Prof. Dr. Hee-Sung Keel Professor emeritus der Sogang University Foto: privat R Prof. Dr. Hee-Sung Keel studierte Philosophie an der Seoul National University und Theologie an der Yale University in den USA. 1977 erwarb er den Doktor der Philosophie in Vergleichenden Religionswissenschaften von der Harvard University. Ab 1977 war er Professor für Religionswissenschaft an der St. Olaf University in den USA, ab 1982 Professor für Philosophie an der Seoul National University und von 1984 bis 2004 Professor für Religionswissenschaft an der Sogang University. Er ist Autor zahlreicher Bücher mit religionswissenschaftlichem Hintergrund wie z.B. Denken und Handeln des Seon: Zur Begründung des koreanischen ZenBuddhismus durch Chinul (Harassowitz Verlag, 2005), Meister Eckhart: An Asian Perspective (Peeters Press, Louvain, 2007), Understanding Shinran: A Dialogical Approach (Asian Humanities Press, 1995) und Bosal Yesu (보살 예수, Verlag Hyeonamsa, Seoul 2004). 4 eligion kann man als die Methode umschreiben, aus einem transzendentalen Blickwinkel die ultimativen Fragen des Lebens zu verstehen und darauf zu reagieren. Während ihrer langen Geschichte von mehreren tausend Jahren haben die Koreaner entweder an den von außen auf die koreanische Halbinsel einströmenden religiösen Traditionen oder an den in Korea gewachsenen religiösen Traditionen partizipiert und sich in ihrem Leben von einem transzendentalen Blickwinkel leiten lassen. Als religiöses Wesen (Homo religiosus) möchte die Menschheit immer ein Leben führen, das auf einem ewigen und absoluten Fundament begründet ist. Auch in der heutigen Welt hat sich dieser religiöse Anspruch nicht geändert. Ungeachtet der Tendenz einer weltweiten Säkularisierung lebt der Großteil der Menschheit immer noch unter dem Einfluss irgendeiner religiösen Tradition. Dies bezieht sich nicht nur auf diejenigen Länder, in denen der Islam eine vorherrschende Stellung hat, sondern auch auf die europäischen Staaten, die am frühesten in das Zeitalter der „Postreligion“ eingetreten sind. Auch wenn das Christentum dort viel von seinem gesellschaftlichen Einfluss verloren hat, übt es nach wie vor als Lebenskonvention auf die Wertvorstellungen oder Lebensanschauungen der Menschen einen Einfluss aus. Auch in den ehemaligen sozialistischen Ländern, in denen sich ein vollständiger Bruch mit religiösen Traditionen vollzog, erlebt die Religion eine Wiederauferstehung. Im „sozialistischen“ China mit seiner Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen blühen der Taoismus, der Buddhismus und der Konfuzianismus wieder auf. Die Gesellschaft und Kultur Indiens, eines Landes mit einer Einwohnerschaft von 1,2 Milliarden Menschen, ist abgesehen vom Hinduismus für einen Außenstehenden schwer nachzuvollziehen. In Südamerika und auf den Philippinen hat die katholische Kirche niemals ihren gesellschaftlichen Einfluss verloren, ebenso wenig wie der Theravada-Buddhismus in südostasiatischen Staaten wie Thailand. Laut einer Erhebung über die religiöse Zugehörigkeit der Bevölkerung betrachtet sich etwa die Hälfte der Koreaner als einer Religion zugehörig. Die Religion spielt im Leben der modernen Menschen eine wichtige Rolle. Als säkularer Staat, der auf einer freien demokratischen politischen Ordnung mit einer Verfassung basiert, wird in Korea die religiöse Freiheit des Einzelnen vollständig gewahrt. Die koreanische Gesellschaft ist eine pluralistische Gesellschaft, in der verschiedene Religionen vergleichsweise friedlich koexistieren: Dazu zählen Buddhismus, Christentum (Katholizismus und Protestantismus), Glaubensrichtungen mit einer langen Tradition wie der Schamanismus sowie Cheondogyo, WonBuddhismus, Jeungsangyo und andere Religionen, die sich während der großen historischen Umwälzungen Ende des 19. Jahrhunderts auf koreanischem Boden herausgebildet haben. In Korea gibt es keine Religion, die sich des Status einer „Staatsreligion“ erfreut. Die verschiedenen Bekenntnisse befinden sich in einem Zustand der Konkurrenz und der gegenseitigen Beeinflussung und entfalten sich aktiv. In der koreanischen Gesellschaft führen diverse Religionen eine vergleichsweise friedliche Koexistenz - ein Phänomen, für das sich weltweit wenige Entsprechungen finden lassen. Dass dies in Korea so ist, während in anderen Ländern auf der Welt aufgrund religiöser Differenzen schwerwiegende gesellschaftliche Konflikte ausgetragen werden, bedarf einer besonderen Erklärung. In Korea koexistieren mit dem Buddhismus und dem Christentum zwei wichtige religiöse Traditionen, die fast das gleiche Ansehen genießen. Trotz einer minimalen Zahl von fanatischen Anhängern des protestantischen Glaubens, die sich feindselig gegenüber dem Buddhismus verhalten, existiert in Korea zwischen den beiden großen Religionen kein Konflikt, der den Zusammenhalt innerhalb der koreanischen Gesellschaft gefährden würde. Die koreanische Gesellschaft zeichnet sich durch eine sprachliche und ethnische Homogenität aus, obgleich natürlich in den letzten Jahrzehnten die Zahl der ausländischen Arbeitsmigranten rapide angestiegen ist, sodass in Korea zunehmend eine multikulturelle und multiethnische Gesellschaft entsteht. Weil in der koreanischen Gesellschaft die ethnische Identität generell stärker ausgeprägt ist als die religiöse Identität, wirken die religiösen Unterschiede nicht als gesellschaftliche Spalter. Zum besseren Verständnis der koreanischen Religionen muss man noch einen weiteren wichtigen Punkt erwähnen: Sie alle basieren auf der religiösen und kulturellen Tradition des Konfuzianismus. Mehr noch als irgendeine Religion hat der Konfuzianismus in der Realität den stärksten Einfluss auf die Wertvorstellungen, die Lebensanschauungen und die moralische Lebensführung der Koreaner. Als Religion, die im Joseon-Reich (1392 – 1910) mit seiner über 500-jährigen Tradition Koreas Gesellschaft und Kultur beherrschte, hat der Konfuzianismus zwar im Zuge von Koreas Transformationsprozess in einen modernen Staat seine Vormachtstellung als politische Ideologie oder als politisches System verloren. Durch die Familien- und Schulerziehung übt er jedoch bis heute einen dauerhaften Einfluss auf die generellen Denkweisen und die Art der Lebensführung der Koreaner aus. In diesem Sinne kann man den Konfuzianismus in Korea nicht einfach als eine Religion bezeichnen, sondern eher als eine kulturelle Tradition, die die Grenzen zwischen den einzelnen Religionen sowie regionale und soziokulturelle Unterschiede überwindet und das geistige Bindeglied aller Koreaner darstellt. So ist es nicht übertrieben, zu sagen, dass die Buddhisten Koreas alle „konfuzianistische Buddhisten“ sind und die Christen Koreas alle ausnahmslos „konfuzianistische Christen“. Tatsächlich ist dies ein allgemeines Phänomen, das sich nicht nur in Korea, sondern in allen Ländern, die zum Kulturkreis des Konfuzianismus gehören, findet. Dazu zählen China, Japan, Vietnam und andere Staaten. In Ländern des ostasiatischen Kulturraums wie China, Korea, Vietnam und Japan spielte der Buddhismus traditionell eine ergänzende Rolle zum Konfuzianismus. Beim Buddhismus steht der Gedanke einer Erlösung im Mittelpunkt, die dadurch erzielt wird, dass man die irdische Welt hinter sich lässt. Was die moralische Ordnung der irdischen Welt im ostasiatischen Kulturkreis betrifft, ist der Buddhismus in hohem Maße von den Moralvorstellungen des Konfuzianismus abhängig. Auch das Christentum unterscheidet sich in diesem Punkt nicht wesentlich vom Buddhismus. In der Vergangenheit geriet es in China und Korea aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Riten der konfuzianistischen Ahnenverehrung in einen ernsthaften Konflikt mit dem Konfuzianismus. Andererseits zeigt das Christentum in vielen Punkten wie der Himmelsverehrung, der Nächstenliebe und der Pietät gegenüber den Eltern mit der konfuzianistischen Tradition verwandte Elemente und erzielt eine Ordnung und Harmonie, die konfuzianistischen Maßstäben entspricht. In der koreanischen Gesellschaft vollzog sich eine Transformation von der konfuzianistisch geprägten Gesellschaft der Joseon-Zeit zu einer modernen pluralistischen Gesellschaft, die die Freiheit der Religion wahrt. Dieser Wandlungsprozess war mit nicht unerheblichen Geburtswehen verbunden. Die Herrscher des Joseon-Reiches, die nach einem Staat und einer Ge- sellschaft strebten, die sich an konfuzianistischen Richtlinien orientierten, begannen ab Gründung der Dynastie, den Buddhismus zu unterdrücken, der im Goryeo-Reich (918 – 1392) die Rolle der Staatsreligion gespielt hatte. Der Buddhismus wurde im Joseon-Reich als religiöse Hauptströmung verdrängt und führte ein Schattendasein in abgelegenen Bergregionen. Die katholische Lehre begann ab Mitte der JoseonZeit, insbesondere bei einem Teil der intellektuellen Beamtenschicht unter dem Namen „westliche Lehre“ (서학/ Seohak) Interesse zu wecken und verbreitete sich selbst unter den Menschen der niederen Klassen. Von der Staatsmacht, die an der konfuzianistischen Gesellschaftsstruktur festhalten wollte, wurde die katholische Lehre als Gefahr für die bestehende Ordnung eingestuft. Deshalb wurden die Anhänger des katholischen Glaubens aufs Intensivste verfolgt. Viele Gläubige starben als Märtyrer, und lange Zeit konnte der Katholizismus nur als Untergrundreligion bestehen. Die Periode der Katholikenverfolgung ging Ende des 19. Jahrhunderts vorüber, und der Protestantismus, der durch westliche Missionare nach Korea gebracht wurde, erfreute sich einer missionarischen Freiheit und leistete einen großen Beitrag zur Modernisierung/ Verwestlichung der koreanischen Gesellschaft und Kultur. Die protestantische Kirche spielte für die Einführung und Verbreitung der modernen westlichen Zivilisation in Korea in vielen Bereichen eine wichtige Rolle. Neuartige westliche Erziehungsund medizinische Behandlungsmethoden wurden übernommen, das koreanische Alphabet Hangeul (한글) wurde durch das Studium der Bibel im 5 Volk verbreitet, eine Jugendbewegung wurde gegründet, Musik und Sport im westlichen Stil wurden eingeführt und erste Magazine veröffentlicht. In der Phase des Übergangs zu einem modernen Staat musste Korea einen hohen Preis zahlen: Die Kolonialisierung Koreas durch Japan (1910 – 1945), das früher als Korea die westliche Zivilisation übernommen und die „Modernisierung“ vollzogen hatte. Indem die japanische Zwangsherrschaft das nationale Bewusstsein und den Widerstandsgeist der Koreaner weckte, gab sie den Ausschlag für die Gründung der Unabhängigkeitsbewegung und brachte viele geistige Führer der großen Religionen wie Buddhismus, Christentum und den in Korea gewachsenen Volksreligionen hervor, die die Unabhängigkeitsbewegung anführten. Dafür, dass unter verschiedenen Ländern Asiens nur in Korea das Christentum derart gedeihen konnte, gibt es einen wichtigen Grund: Anders als andere asiatische Länder, die die Kolonialisierung durch christliche Staaten des Westens erlitten hatten, hatte sich in dem von Japan kolonialisierten Korea das Christentum gemeinsam mit dem Nationalbewusstsein entwickeln können. Ein weiterer wichtiger Grund lag darin, dass zur Zeit, als sich das Christentum in Korea auszubreiten begann, der Buddhismus, der während der Herrschaft des Joseon-Reiches lange unterdrückt und immer weiter zurückgedrängt worden war, in der koreanischen Gesellschaft keinen Einfluss mehr hatte. Der Freiraum, der durch die Verdrängung des Buddhismus entstand, wurde vom Christentum ausgefüllt. 6 Heute hat sich jedoch die religiöse Situation verändert: Der Buddhismus hat sich aus einer lange währenden Stagnation befreit. Seit den 1970er Jahren hat er seine Lebensenergie zurückerlangt und sich gemeinsam mit dem Christentum als eine der beiden großen religiösen Hauptströmungen in der koreanischen Gesellschaft etabliert. Durch eine lebendige Missionsarbeit hat sich der frühere „Waldbuddhismus“ zu einem „Stadtbuddhismus“ entwickelt und von einem hauptsächlich von Mönchen getragenen Buddhismus zu einem Buddhismus, der sich um die Realisierung aller Arten von gesellschaftlichen Bewegungen bemüht und von Laiengläubigen getragen wird, die zu Hause die Lehren Buddhas studieren. Das Christentum (der Katholizismus und der Protestantismus) hat zu Zeiten der Militärdiktaturen der 1970er und 1980er Jahre einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der Menschenrechtsbewegung, der Arbeiterbewegung und der politischen Demokratisierungsbewegung geleistet. Aber in den Bemühungen um Dialog und Harmonie zwischen den Religionen, die die Grundlage für ein tiefes Verständnis anderer Religionen bilden, hat das koreanische Christentum – insbesondere die protestantische Welt – noch eine große Aufgabe zu bewältigen. Übersetzung aus dem Koreanischen: Gesine Stoyke ÜBERBLICK Buchbesprechung – Myung-Hwa Cho: „Blaue Jade”, ein deutscher Roman aus Korea Von Dr. Knut Lohmann D ie Koreanerin Myung-Hwa Cho, in Deutschland lebende Literaturwissenschaftlerin, hat in dem Roman „Blaue Jade” die Geschichte einer Ehe und einer Familie im Korea der Zeit zwischen 1919 und 1989 porträtiert. Der Versuch, durch literarische Darstellung ihren Vater richtig kennenzulernen, wird zu einer Reise in die Geschichte Koreas. „Denn er ist zweifelsohne Produkt einer turbulenten Zeit dieses Landes in seiner jüngsten Geschichte.” Der letzte Teil ihres Romans hat die Form einer Ich-Erzählung. Das Werk ist gespickt mit Informationen über koreanische Sitten und Gebräuche und mit plastischen Erzählungen von Auseinandersetzungen zwischen Korea und Japan und der Erinnerung an Ereignisse der Spaltung nach 1945. Ein wesentliches Spannungsmoment entsteht aus der Konstellation, dass der buddhistisch aufgewachsene Textilingenieur Namok aus Koreas Süden die gläubige Christin Maria aus dem Norden heiratet. So erlebt der Leser mit dem ungleichen Ehepaar die politischen und religiösen Konflikte des Landes. Das Buch zeichnet sich durch eine sehr klare Sprache aus und kann deutsche Leser zusätzlich durch den Reiz des Exotischen faszinieren. Textauszug: „Maria besucht eine schamanistische (teils auch buddhistische) Trauerzeremonie“ Fotos: KUUUK Verlag Verwundert näherte sie sich dem Haus ihrer Freundin und sah eine Traube von Menschen dicht vor der niedrigen Haustür stehen. Sie unterhielten sich und warfen gelegentlich ihren Blick zum Haus, zwischen den Erwachsenen liefen Kinder fröhlich herum. Maria wunderte sich, dass ausgerechnet vor dem Haus ihrer sterbenskranken Freundin eine solch rege und heitere Stimmung herrschte. Plötzlich nahm sie den Geruch des Weihrauchs wahr und bemerkte eine schwere Luft, die langsam durch den Hof wanderte, in dem Menschen in Trauerkleidung standen. »Ach!«, stieß Maria aus; ihre Freundin musste gestorben sein. Nun kam ihr in den Sinn, dass die Mutter ihrer Freundin eine eifrige Anhängerin des schamanistischen Glaubens war. Ich muss von hier weg, schoss es ihr durch den Kopf; als Christin wollte sie auf keinen Fall einer schamanistischen Zeremonie beiwohnen. Aber ich kann doch nicht einfach weggehen, ohne mich von Oksun zu verabschieden, dachte sie und überwand ihren Widerwillen. So wurde Maria Zeugin einer schamanistischen Todeszeremonie, in der eine imaginäre Welt, ja eine Zwischenzeit ins Leben gerufen wird, während der die Toten ihren Weg zum Totenreich antreten. Drei Schamaninnen in traditionellem Gewand saßen auf der linken Seite des zu einer Zeremonienhalle verwandelten Wohnzimmers, die Schamanin in der Mitte hielt eine links und rechts bespannte koreanische Trommel vor ihren Füßen. Hinter ihnen hockten drei Musiker, ebenfalls mit einem Instrument auf dem Schoß; eine kleine Trommel oder eine Flöte aus Bambus. Im Rücken der Musiker hingen Bilder der zehn Götter des Totenreichs und des Bodhisattvas sowie ein regenbogenfarbenes Stoffband, das die Götter mit der Menschenwelt des Schicksals und Leidens, Siechtums und Sterbens verbinden sollte. In der leichten Brise wellten sich diese Bilder, als freuten sich die Götter auf die bevorstehende Zeremonie, während die Mutter Oksuns in ihrer Trauerkleidung aus grobem Hanfleinen und einem aus ebendiesem Stoff geflochtenen Trauerkranz auf dem Boden saß und sich ständig die Tränen aus den Augen wischte. 7 In der Mitte des Zimmers war ein Torbogen aus Holz sichtbar, über dem ein getrockneter Kabeljau lose hing, hinter diesem Gerüst standen zwei Flaschen auf dem Boden, dahinter ein kleiner Tisch mit einem Weihrauchfass und einem Napf mit Räucherstäbchen. Ein mit Obst, Eintopf, Reiskuchen, gebratenem Fisch und Gemüsepfannkuchen gedeckter Tisch, auf dem des weiteren mit Reis gefüllte Schalen und zwei leere Becher standen, zog durch dessen Üppigkeit die Aufmerksamkeit Marias auf sich. […] Mitten in ihrer lustigen Erzählung, in der Oksun als Kind beschrieben wurde, warf die Schamanin plötzlich das eine Ende des Stoffbandes treffsicher auf die Seelenmünze, die über einer weißen Papierblume lag; die Tote sollte endlich mitkommen. Oksuns Mutter aber stellte sich davor, hob beide Hände nach oben, um es zu verhindern. Diesen Widerstand nahm die Schamanin mit einem Scherz auf und sagte zufrieden: »Na, warum nicht von Anfang an so? Hast du geglaubt, dass ich deine Tochter gleich mitnehme? Mir wurde nämlich befohlen, einen Riesenbeutel mitzubringen. Aber was sehe ich hier? Nur ein paar Blätter!« Sie sprach in einem solch amüsanten Ton, dass alle Trauergäste und Anwesenden in schallendes Gelächter ausbrachen. Selbst Oksuns Mutter lachte. Maria aber versuchte, das Lachen zu unterdrücken, da für sie Lachen nicht zur Trauerfeier gehörte, konnte jedoch nicht umhin, zu schmunzeln. »Ohne großzügige Geschenke wird der Weg für Oksun sehr beschwerlich, vielleicht kommt sie in die Hölle, wo giftige Schlangen oder ein heißes Ölbad auf sie warten.« Der Drohung der Schamanin entgegnete Oksuns Mutter mit einer verzweifelten Geste und sagte: »Bitte, bitte, nur das nicht! Behandeln Sie meine Tochter bitte sanft!« – »Aber welcher Scheißkerl würde einen solchen Speisetisch annehmen, auf dem nichts Leckeres dasteht, hm?«, meckerte die Schamanin über den Gabentisch, steckte die Nase fast in die Speisen, roch hier und 8 da und sagte spöttisch: »Die hier riecht nach Hundescheiße, die dort aber gar nicht so schlecht, duftet sogar ein bisschen.« Nach diesen Worten spuckte sie Speichel auf ihre Handfläche, rieb damit die Augen und stichelte gegen Oksuns Mutter: »So, so! Du hast wohl sehnsüchtig auf den Tod deiner Tochter gewartet, wie ich an deiner trockenen Wange merke.« Oksuns Mutter brach in ein Schluchzen aus, während die Schamanin mit allen erdenklichen Worten die Anwesenden der Trauerfeier zu belustigen und zu amüsieren versuchte. Nur einmal nahm sie kurz eine ernste Miene an und klagte über ihre Aufgabe: »Der Buddha macht mir keine Schwierigkeit in der Unterwelt, aber die unzähligen Götter, Götter der verletzten Seelen und blutig Verreckten, sie verlangen viele Gaben und machen mir das Leben ungemein schwer.« […] Die letzte Abfolge der Zeremonie, bei der die Ahnin aller Schamanen, BariGongju, die Seele der Verstorbenen ins Paradies begleitet, fand im Innenhof statt. Gefolgt von Oksuns Mutter und ihren engsten Verwandten trat die Schamanin in den Hof, wo bereits ein Schrein mit einem Bild von Buddha und ein Scheintor ins Jenseits aufgebaut worden waren. Die Weidenzweige im Hof schienen sie zu grüßen, sie wogten sanft in der Brise hin und her, die alten Kiefern jedoch standen stumm, als würden sie bereits ahnen, dass die Verstorbene ihren letzten Schritt antritt. Oksuns Mutter hielt das Namensschild ihrer Tochter vor der Brust, die anderen trugen Kerzen und Räucherstäbchen, gefolgt von zwei Personen, die gemeinsam eine Bambusmatte hielten, auf der ein rotes Laken lag. Nachdem sie die Bambusmatte vorsichtig auf die Erde gelegt hatten, holten sie Oksuns Kleid, legten es über das Laken und bedeckten es mit einem blauen Stoff, an dem grobmaschige Stoffe locker hingen. Mit einer raschen Bewegung der Arme drehte sich die Schamanin vor dem Schrein, als wolle sie einen Flugversuch starten. Maria verstand nicht, was diese Geste bedeuten sollte. Wortlos wandte sie sich ihrem Nachbarn zu und suchte seinen Blick. Er verstand ihre stumme Frage und erklärte leise, dass die Schamanin der Verstorbenen den Weg frei machen wolle. Die Schamanin ging dreimal ums Tor, schlug dabei den Fächer auf, hob ihn über ihren Kopf, schwang gleichzeitig die Glocke mit ihrer linken Hand und drehte sich einmal nach links. Die Art, wie der Fächer über ihrem Kopf aufging, erinnerte Maria an Vögel, die ihre Flügel aufschlagen und flatternd davonfliegen, und sie wünschte sich in diesem Augenblick, die Seele ihrer Freundin flöge wie ein Vöglein. Nun drehte sich die Schamanin nach rechts, hielt dabei den Fächer auf der Brust gesenkt, schloss bald den Fächer, trug ihn über die Schulter und schwang die Glocke noch einmal kräftig. Doch die Seele Oksuns war noch lange nicht frei; eine harte Verhandlung um das Reisegeld stand noch bevor. […] Als mehrere Scheine vor den Füßen der Torwächter lagen und diese sich zufrieden zeigten, trat die als Prinzessin Bari verkleidete Schamanin vor den Schrein, verbeugte sich vor dem Buddha und bat ihn um Gnade. Von ihrer schluchzenden Mutter mit Speise und Trank versorgt, konnte die Verstorbene in Begleitung einer feierlichen Musik endlich ihre Reise ins Jenseits antreten. Myung-Hwa Cho: “Blaue Jade” Roman. Kuuuk Verlag, Königswinter bei Bonn. Erste Auflage Februar 2012; 495 Seiten ISBN 978-3-939832-40-9 28,00 € Fotos: Dr. Heinz-Jürgen Loth ÜBERBLICK Religionen in Korea - ein Überblick Von Dr. Heinz-Jürgen Loth D ie Republik Korea ist ein Hightech-Land, in dem zahlreiche Religionen offenbar ein Revival erleben. Es handelt sich um einen Pluralismus bestehend aus der genuin koreanischen Volksreligion, Buddhismus, Konfuzianismus, Daoismus, Christentum und Neureligionen. Das Besondere ist jedoch, dass mit Ausnahme der christlichen Kirchen eine klare Grenze zwischen diesen Religionen nicht gezogen werden kann. Nach der Statistik vom 1. November 2005 gehören 53,1% der Koreaner einer Religion an: 22,8% sind Buddhisten, 18,3% Protestanten, 10,9% Katholiken, und der Rest verteilt sich auf kleinere Religionen. Nach der alten koreanischen Religion, dem „Schamanismus“, wurde nicht gefragt. Die genuine Religion Koreas wird mu (무, 巫), mugyo (무교, 巫教) oder auch musokkyo (무속교, 巫俗敎) genannt. Gemeint ist die Religion der mudang (무당 巫棠), die als Schamanismus (샤머니즘) bezeichnet wird. Das Hanjazeichen [한자, chinesisches Schriftzeichen] „巫“, chinesisch wu, bezeichnet jedoch keineswegs „Schamanen“ oder gar „tanzende Schamanen“. Eher ist an medial begabte Menschen zu denken, die diese Welt mit der anderen Welt verbinden und das Erscheinen von Geistern bewirken. „Schamanismus“ ist ein eurozentrischer Begriff, der zunächst von christlichen Missionaren benutzt wurde und danach von Ethnologen. Für eventuelle schamanistische Vorstellungen der bronzezeitlichen Yemaek-Tungusen, die auf der koreanischen Halbinsel siedelten, gibt es jedoch keine Dokumente und archäologischen Hinweise (Hyung Il Pai). Nicht wenige Religionswissenschaftler fordern, den Schamanismus-Begriff aufzugeben. Zu Recht fragt Boudewijn Walraven, ob es Sinn macht, die alte koreanische Religion als „Schamanismus“ zu bezeichnen. 9 Foto: privat Dr. Heinz-Jürgen Loth ist Theologe. Neben religionswissenschaftlichen Publikationen und der Lehre an deutschen Universitäten führten seine Forschungsreisen ihn in die Karibik und nach Brasilien. Eine Forschungsreise durch Japan 2010 ließ die Frage nach dem Einfluss Koreas auf den frühen japanischen Buddhismus aufkommen. Da Korea in der religionswissenschaftlichen Forschung kaum zur Kenntnis genommen wird, fasste er den Entschluss, 2011 einige Wochen in Seoul zu verbringen. Diese erste Reise nach Südkorea brachte unerwartete, reichhaltige Erkenntnisse. Was aber ist nun koreanische Religion? Der bekannte Dangun-Mythos, enthalten in dem von dem buddhistischen Mönch Iryeon (1206 1289) verfassten Samguk Yusa („Memorabilien der drei Königreiche“), berichtet über Hwanin (환인-) bzw. Hananim (하나님), den Herrn des Himmels, seinen Sohn Hwanung (환웅), den Himmlischen König, und schließlich Dangun Wanggeom (단군 왕검, „unsterblicher Herrscher des Paktalbaumes“). Hwanin wollte den Menschen Wohltaten erweisen und sandte seinen Sohn, der die Menschheit erlösen sollte, auf den Berg Taebaeksan (태백산) hinab. Hwanung zeugte mit der in eine Frau verwandelten Bärin Ungnyeo (웅녀) den Dangun. Dieser gründete dem Mythos folgend 2333 v.Chr. nicht nur das erste koreanische Königreich Joseon (조선), er brachte auch seinem göttlichen Ahnen, dem Gott des Himmels, auf dem Berg Mani-San das erste Opfer dar. Gegen Ende seines langen Lebens von 1908 Jahren wird Dangun zum Berggott San-shin (산신). Heute wird Dangun in Tempeln verehrt. Hier fließen viele Traditionen zusammen: die Verehrung heiliger Berge, sibirische Vorstellungen von der Verwandlung der Bärin in eine Frau sowie der heilige Paktalbaum als Weltenbaum, koreanisch-daoistische Vorstellungen von der Vielheit in der Einheit, daoistische Vorstellungen von einem langen Leben sowie das wohl aus China stammende Ahnenopfer. Diese Sichtweise, die verschiedenste Traditionen zu einem Ursprungsmythos des HanVolkes vereinigt, erinnert an den koreanischen Gelehrten Chiwon Choe (857-?), der in dem Geschichtswerk Samguk Yusa mit der Aussage angeführt wird, dass es ein esoterisches Dao gibt, genannt pungryudo (풍류도), das die drei Religionen Konfuzianismus, Buddhismus und Daoismus zusammenführt und die Menschheit erleuchtet. Die Einheit in der Vielheit ist wohl eine Grundanschauung koreanischer Religiosität. Und diese hat ein religiöses Kontinuum hervorgebracht, auf dem die Religionsgemeinschaften sich bewegen, sich einander begegnen und austauschen. Nicht das eurozentrische Modell von Synkretismus wirkt hier, sondern Transkulturation, die auch aus anderen Teilen Asiens bekannt ist. Das wird deutlich, wenn man Götter und Geister im mugyo [genuine Religion Koreas] untersucht. Nach Kim Tae-gon gibt es 237 10 Gottheiten, auf der Insel Jeju sollen es sogar um die 18.000 sein. Man kann zwischen den Hauptgöttern, untergeordneten Göttern sowie den untergeordneten Geistern unterscheiden. Letztlich ist die Anzahl von Göttern und Geistern abhängig von der mudang bzw. dem baksu (박수, wenn es sich um einen Mann handelt) und ihrem jeweiligen Schrein. Auch die Zielsetzung des gut-Rituals entscheidet darüber. Von grundlegender Bedeutung ist der momju (몸주), der „Herr des Körpers“, also die Gottheit, die sich als erste in einer mudang inkorporiert hat. Man unterscheidet heute in Korea vier Typen von Ritualexperten: mudang, dangol (단골), shimbang (심방) und myeongdu (명두). Mudang und myeongdu besitzen die Gaben der Trance und Inbesitznahme durch Götter und Geister und unterhalten einen Schrein mit Hilfsgeistern. Dangol und shimbang besitzen diese Gaben nicht und sind hereditäre Ritualexperten. Sie besitzen keine Schreine, allerdings ist der shimbang auf der Insel Jeju zuständig für Dorfschreine. Trance sowie Inbesitznahme („Besessenheit“) durch Götter oder Geister findet sich auch in pfingstlerischen Kreisen sowie in Neureligionen. Der gut (굿) ist das zentrale Ritual, um Götter und Geister herab- und herbeizurufen. Mudang und myeongdu werden dabei von Göttern/ Geistern vom Kopf her in Besitz genommen. Gesang, Tanz, rhythmisches Trommeln, vor allem aber die richtige Kleidung, die dem Gott/ Geist entspricht, gehören zum Ritual. Manches ähnelt darin dem brasilianischen Candomblé und Umbanda. Dazu gehört auch die vergleichbare Ausbildung der Novizin durch die spirituelle Mutter sowie die Initiation der shinbyeong (신벙), die krank ist, weil der Gott/Geist sie in Besitz nehmen will. Neben diesem naerim-gut gibt es auch Rituale für persönliche und häusliche Belange, aber auch für gemeinschaftliche (z.B. der Yeongdeung-gut in Jeju), städtische und dörfliche Rituale. Faktisch geht es darum, die Ursache eines Unglücks herauszufinden, die daran beteiligten bösen Geister zu besänftigen, um so das Unglück zu vertreiben und die damit verbundenen Probleme zu beseitigen (Park Hee Seok). Anders ist es bei dem gut für einen Toten, dessen Seele zu einem guten Platz in der anderen Welt geleitet wird. Die ethnische koreanische Religion hat ein Revival erlebt, insofern sie in den Protesten der 1970er und 1980er Jahre für die ursprüngliche Religion und Kultur Koreas stand. Während Buddhismus und Christentum die Erlösung in einen nachtodlichen Zustand verschieben, bietet sie Lösungen für die Probleme des Lebens an. Mit der Urbanisierung des Landes zog sie auch in die großen Städte. Eine Hochburg ist Seoul mit seinem heiligen Berg Inwangsan, auf dem sich ein “Schamanen-Dorf“ befindet, d.h. ein Komplex von “schamanistisch“-buddhistischen Tempeln. Dessen berühmtester ist der Guksadang-Schrein. Heute gibt es im Lande mindestens 100.000 Ritualexperten! Einige mudang wurden zu „bedeutenden immateriellen Kulturgütern“ erklärt und sind wie z.B. Kim Kum-Hwa international bekannt. Die erste nichtkoreanische Religion, die ins Land kam, war der Buddhismus in Gestalt des Mahāyāna („Großes Fahrzeug“, 대승불교). Im 4. und 5. Jahrhundert gelangte er von China in die koreanischen Königreiche und von dort aus 552 nach Japan. Im Goryeo-Reich (918 - 1392) stieg der Buddhismus zur Staatsreligion auf, um dann aber unter dem neu-konfuzianistischen Joseon-Reich (1392-1910) verfolgt, aus dem öffentlichen Leben verbannt und in die Berge abgedrängt zu werden. Unter japanischer Besatzung erreichten japanische Buddhisten, dass Mönche und Nonnen wieder die Städte betreten durften, und ermunterten diese zur Eheschließung. Der Buddhismus hat die alte Religion tolerieren können: Unter den Joseon-Herrschern lebten beide Gemeinschaften in den Bergen Seite an Seite und befruchteten sich gegenseitig. Dennoch hat der Buddhismus im Silla-Reich (668-935) zwei Besonderheiten entwickelt, die ihn von den anderen Schulen unterscheidet: Das ist einmal tongbulgyo (통불교), d.h. ein auf Einheit ausgerichteter Buddhismus, in dem sich alle Schulen gegenseitig durchdringen - gemäß der einen Wirklichkeit dieser Welt. Das war das Werk des großen Wonhyo (원효, 617 - 686). Er übernahm die Praxis des yeombul (염불), d.h. die Anrufung des Namens von Buddha Amitābha (아미타불), aus dem Buddhismus des Reinen Landes (정토 종). Die zweite Besonderheit ist seon (선), das im Westen eher unter dem japanischen Namen zen bekannt ist. Aber seon kam bereits Jahrhunderte früher nach Korea, der Jogye-Orden von 826 war sein erster Repräsentant. Er überlebte die 500 Jahre Verfolgung im Joseon-Reich, wurde 1941 neu gegründet und bekennt sich zu den folgenden Zielen: Training und Erziehung, Mission und Übersetzung der Tripitaka Koreana, d.h. der Drei Körbe [buddhistischer Schriften] aus dem Chinesischen ins Koreanische. Die Holzblockdrucke im Haeinsa-Tempel gelten als Standardausgabe Ostasiens. Besonderer Beliebtheit erfreut sich in Korea (wie dann auch in Japan) der Buddha der Zukunft, Mireuk Bosal (미륵보살). Wenn man heute von einem buddhistischen Revival in Südkorea sprechen kann, so hat das sicherlich mit den Reformbewegungen nach 1945 zu tun. Den größten Einfluss übte der Seon-Meister Seongcheol (1912 - 1993) aus, der noch zu Lebzeiten als Buddha angesehen wurde. Ihm ging es um die Rückkehr zum strikten Code des Vinaya, zu Besitzlosigkeit und zölibatärem Leben. Damit waren Auseinandersetzungen zum einen mit den verheirateten Mönchen sowie Kämpfe um den Besitz von Tempeln verbunden, ja selbst um den Jogyesa, dem Haupttempel des Jogye-Ordens in Seoul. Ein zweites Ziel war die Rückkehr zur koreanischen Seon-Praxis und damit das Streben nach plötzlicher Erleuchtung („Erwachen“) mit Hilfe der gongan-Meditation (공안, japan. kōan), die alle karmischen Rückstände beseitigt. Die japanische Zenpraxis der graduellen Annäherung lehnte er ab. 1967 wurde er Patriarch des Haeinsa-Tempels und 1981 Patriarch des Jogye-Ordens und blieb das bis zu seinem Tode 1993. Auch wenn es immer wieder zu Konflikten mit den Regierungen und den fundamentalistischen Christen kam — selbst die Gegenwart ist nicht frei von Konflikten —, so hat der Buddhismus Urbanisierung und Modernisierung der Gesellschaft gut überstanden. Die Zahl der Mönche und Nonnen hat sich verdreifacht, die Anzahl der buddhistischen Tempel mit etwa 11.000 hat sich fast verfünffacht. Wie bei den Kirchen gehören heute zu den urbanen Tempeln Kindergärten und bei sonntäglichen Tempelriten wird auch gesungen. Die größte Gruppe ist der Jogye-Orden, dann folgt der kleinere Taego-Orden, dessen Zentrum der schöne, mehr als 1000 Jahre alte Bongweonsa-Tempel in Seoul ist. Der nicht-zölibatäre Orden entstand 1970 als eine Abspaltung vom Jogye-Orden. Aber wie dieser praktiziert er ebenfalls die Seon-Praxis, neben buddhistischem Tanz, Gesang und Malerei. Des Weiteren sind zu nennen der Cheontae-Orden mit seinem großen Haupttempel auf dem Sobaeksan (nahe von Danyang), der Jingak-Orden, die Kwan Um School of Zen u.a.m. Buddhas Geburtstag Ende Mai ist wie auch Weihnachten gesetzlicher Feiertag. Zu den Missionsaktivitäten der buddhistischen Orden gehören der Templestay, der insbesondere auch viele Ausländer anzieht, und die Globalisierung. Viele koreanische Orden und Seon-Meister bzw. -Meisterinnen sind bereits im Ausland, auch in Deutschland, vertreten. Das gegenwärtige Oberhaupt von Jogye, der Venerable Jaesung, hat auf seinen Auslandsreisen wiederholt verkündet, den koreanischen Buddhismus zu globalisieren. Mit der chinesischen Kultur kam der Konfuzianismus (유교) im 4. Jahrhundert nach Goguryeo und Baekje. Im GoryeoReich, insbesondere unter König Seongjong (960 - 997), 11 Ist der Konfuzianismus überhaupt eine Religion? In seiner Ausrichtung auf das Hier und Jetzt geht es auch um die Einheit von Himmel und Erde, die der Weise zu verwirklichen sucht. Daneben gibt es die Rituale für die Kommunikation mit dem „Geist“ (귀신 gwisin) und den Ahnen. Da mehr als die Hälfte der Koreaner die Riten für die Ahnen vollziehen — neben den Buddhisten auch die Katholiken —, könnte man annehmen, dass die konfuzianische Gemeinschaft die größte im Lande sei. Faktisch bekennt sich aber nur eine kleine Minderheit von nicht einmal einem Prozent zu dieser Religion. durchdrang er das Bildungswesen, um dann unter den Joseon-Herrschern zur Staatsreligion aufzusteigen. In der Spätzeit war es dann Dasan (다산) — eigentlich Jeong Yakyong (정약용, 1762-1836) —, der herausragende Denker der progressiven Silhak-Bewegung (실학, „praktisches Denken), der den Neu-Konfuzianismus aus seinem Formalismus und Ritualismus herausführte. Einige seiner Lehren wie die Zuneigung zwischen Vater und Sohn, die unterschiedlichen Funktionen von Mann und Frau, die Ordnung zwischen Alt und Jung, das Vertrauen zwischen Freunden und die Rechtschaffenheit zwischen Herrscher und Beherrschten prägen noch immer die koreanische Gesellschaft. Aus diesen durchaus hierarchischen Beziehungen resultiert auch der gegenseitige Respekt, der nach individueller Selbstkontrolle verlangt, um so gute menschliche Beziehungen aufzubauen. Höchste Tugend (인) ist dabei ein zentraler Wert, zu dem auch das Lernen als Akt menschlicher Selbstschöpfung gehört. Zentrum des religiösen Konfuzianismus ist der Munmyo (문묘), der Nationale Kofuzianische Schrein von 1398, der heute auf dem Gelände der Sungkyunkwan-Universität in Seoul liegt. Im frühen Februar und August werden dort und in weiteren 330 Konfuzius-Schreinen im Lande Rituale zu Ehren von Konfuzius und allen Weisen seiner Lehren vollzogen. Auf familiärer Ebene werden für die Ahnen vor allem vier Rituale durchgeführt: myoje (묘제) am Grab des verstorbenen Ahnen, sije (시제) als Jahresritual, charye (차례), das Ahnenritual z.B. zu Seollal oder Chuseok und jesa (제 사) bzw. gijesa (기제사) am Todestag des Ahnen. Statt eines shinwi (신위) oder Ahnentafel haben heute viele Familien ein Foto als Repräsentanz des Verstorbenen. Der Verehrung der Ahnen der Joseon-Dynastie dient das am 1. Sonntag im Mai am Jongmyo-Schrein in Seoul abgehaltene JongmyoDaeje (종묘대제)-Ritual mit Prozession, das 1971 wieder eingeführt wurde. 12 Der Daoismus (도교) ist Bestandteil des koreanischen Weltverständnisses, auch wenn er heute nicht über Tempel und religiöse Experten verfügt. Die Flagge Südkoreas, der Taegeukgi (태극기) enthält neben den Trigrammen aus dem IGing das daoistische Ying-Yang-Symbol (음양) als Ausdruck der Harmonie. Vermutlich gab es vor der Einführung des Daoismus aus China (7. Jahrhundert) bereits eine Art koreanischen Daoismus, wie Dangun-Mythos und die jugendlichen Elitekämpfer Hwarangdo (화랑도) im Königreich Silla nahelegen. Hwarangdo wurde 1960 als Kampfsport neu gegründet. Auch unter den Joseon-Herrschern gab es noch, bis zur japanischen Invasion von 1592, die „Halle der Glücksquelle“, in der der Jadekaiser verehrt wurde. Im Volksdaoismus überlebte die Verehrung des Jilseong sowie des Kriegsgottes Kwanu, aber auch die lokalen Gottheiten vor Dörfern, in kleinen Tempeln und die Berggötter, die dann mit Sanshin verschmolzen. Die daoistische Geomantik des Feng-shui (풍수) ist Teil des Weltverständnisses geworden wie auch die Suche nach Lebensverlängerung durch die Innere Alchemie, Neidan (내단), die auf die Ansammlung von ki (기) abzielt. Mit Schulen für Dantian-Atmung (단전 호흡) erlebt der Daoismus in Korea und im Ausland ein Revival. Heute gibt es nur noch wenige daoistische Eremiten in Korea; einer von ihnen, Be-Kyung, lehrte 1968 in Seoul einen Berg-Daoismus, der inzwischen als Sun Do (선도) weltweit erfolgreich ist. Direkte Nachfolger des alten Daoismus sind Neureligionen wie z.B. die 1974 von Gang Il-Sun gegründete Jeung San Do (증산도, d.h. Dao des Jeung-san). Die große nationale Religion Koreas ist die Cheondogyo (천도교), die „Religion des himmlischen Weges“, die auf der von Choe Je-u 1860 gegründeten Donghak (동학, d.h. „Östliches Lernen“) basiert und ihren Hauptsitz in Seoul hat. Cheondogyo hatte während der japanischen Besatzung zwischen drei und sechs Mio. Gläubige, die in dieser Zeit entschieden gegen die Fremdherrschaft kämpften. Heute sind es etwa 200.000 Anhänger. Cheondogyo will den Pluralismus der Religionen überbrücken und hat auch christliche Elemente integriert wie z.B. den Sonntagsgottesdienst. Das Hauptgebäude in Seoul erinnert äußerlich an eine katholische Kathedrale. Nach Aussagen ihres Führers Yim Woon-kil (Korea Times, 02-28-2011) versteht sich Cheondogyo zwar als eine native koreanische Religion, aber gleichzeitig als Universalreligion. Im Zentrum des Glaubens steht Hanulnim (하늘님), der Herr des Himmels, was an die altkoreanische Religion erinnert. Dieser Gott füllt Himmel und Erde, ist im gesamten Kosmos gegenwärtig, also auch im Menschen. Daraus folgt die zentrale Lehre von sicheonju (시천주), d.h. die Menschen dienen Gott, der in ihnen ist, und folglich sind sie Gott. Das Christentum kam mit dem Katholizismus ab 1784 nach Korea und wandte sich zunächst an die Eliten. Bis 1873 haben die Joseon-Herrscher die katholische Kirche verfolgt. Die protestantische Mission — überwiegend amerikanischer Herkunft — begann 1884 mit der Evangelisierung, insbesondere der Arbeiter. Wie Buddhisten und Cheondogyo nahmen auch die Christen am Widerstand gegen die japanische Kolonisation teil. Im Koreakrieg (1950 - 1953) flohen Millionen Christen nach Südkorea. Das Christentum erlebte seinen großen Erfolg während der Industrialisierung des Landes unter den Militärdiktaturen. Das war auch eine Zeit der Demokratiebewegung, in der wiederum die koreanische Befreiungstheologie, die „Theologie des Volkes“ (minjung shinhak, 민중신학) entstand, die ihrerseits bis in die Silhak-Bewegung zurückreicht. Die im neugotischen Stil erbaute Myeongdong-Kathedrale in Seoul ist Zentrum des Katholizismus. Was Jesus in den Evangelien vollbringt, zählt auch zu den Aufgaben der mudang. Die Erfahrung des Heiligen Geistes haben ihre Parallele im mugyo, so auch die Glossolalie, die mit dem Sprechen von Geistern oder Ahnen aus dem Mund der mudang vergleichbar ist. Die Erfüllung materieller Wünsche als Zeichen göttlichen Wohlwollens entspricht der diesseitigen Ausrichtung im mugyo. Der „dreifache Segen“ der Yoido Full Gospel Church, nämlich Seelenheit, Prosperität und Gesundheit (3. Johannesbrief 2), beinhaltet jene Dinge, die man beim Besuch der mudang von den Göttern/ Geistern erfüllt sehen möchte. Auch der „Prayer Mountain“ (Paju, Gyeonggi-do) —„wo Gebete, Gnade und Glaube fließen“ — mit seinen 211 Gebetsgrotten erinnert an buddhistische Praxis, aber auch an Pilgerfahrten der mudang zu heiligen Bergen. Abschließend sei die Vereinigungskirche, TongilKyo (통일교), angeführt, die Sun Myung Moon 1954 gründete und die ihren Hauptsitz in Seoul hat. Auch wenn wesentliche Elemente christlicher Herkunft sind, so ist Tongil-Kyo jedoch dem koreanischen religiösem Kontinuum weitaus stärker verhaftet: Buddhistische, konfuzianistische und daoistische Elemente lassen sie eher als eine der Neureligionen erscheinen, von denen es in Korea viele gibt. Das Christentum stand für Modernisierung und gewann sehr schnell eine wachsende Anhängerschaft. Heute gibt es rund 170 protestantische Denominationen. Die größten Gemeinschaften sind die Presbyterianer, Methodisten, Heiligungskirchen („Holiness churches“), Baptisten, Anglikaner und die überaus erfolgreiche Yoido Full Gospel Church. Letztere entstammt der Sunbogeum (순복음, das „reine/ volle Evangelium“)-Bewegung, die den Heiligen Geist in den Vordergrund rückte. Die von David Yonggi Cho 1958 gegründete Megachurch im Herzen Seouls, die Yoido Full Gospel Church (여의도순복음교희), ist mit 1 Million Gläubigen der Welt größte christliche Gemeinde, die Missionare in die ganze Welt entsendet. Wenn Seoul heute als eine „Stadt der Kirchen“ bezeichnet werden kann, dann hat das auch damit zu tun, dass das Christentum sich in das religiöse Kontinuum Koreas eingeordnet hat. Das beginnt mit der Übernahme der alten Gottesnamen Hananim (하나님, der „Große Eine“) oder Haneunim (하느님, der „Herr des Himmels“), die bereits für eine monotheistische Tradition stehen. Weitere Elemente sind die Heilung von körperlichen und psychischen Krankheiten durch Glauben sowie der Exorzismus böser Geister, d.h. der „spirituelle Krieg gegen die bösen Seelen“ (David Yonggi Cho). 13 해 인 사 BUDDHISMUS Unter der Halle des Großen Stillen Lichts – Haupthalle des Haeinsa-Tempels mit 1200-jähriger Steinpagode Haeinsa, „Tempel der Reflexionen auf ruhiger See” Von Bodo Hartwig D er Buddhismus hat in Korea eine lange Tradition, die bis ins vierte Jahrhundert zurückreicht. Obwohl nicht immer offizielle Religion, wurde er dennoch von vielen Menschen und selbst von einigen Staatslenkern, fernab des politischen Getriebes, privat ausgeübt. So befinden sich die meisten buddhistischen Tempel außerhalb der Stadt. In idyllischen Landschaften gelegen sind sie heute ein beliebtes Ausflugsziel, nicht nur für Buddhisten. „Wenn die See, die der menschliche Geist ist, von den wilden Wogen der weltlichen Wünsche und Begierden befreit ist, wird sie schließlich den Stand einer spiegelgleichen Friedlichkeit erreichen, in der sich das wahre Bild aller Existenz klar und deutlich widerspiegelt.“ Diese Zeilen aus dem Avatamsaka-Sutra standen Pate für den Namen eines der drei bedeutendsten Tempel Koreas: Haeinsa (해 인사) gilt als Symbol für Buddhas Lehre und ist ein Ort von mystischer Kraft und Schönheit. 14 Dicke Wolken hängen an diesem Sommertag über den Bergwipfeln des Gayasan-Nationalparks. Immer wieder regnet es in Strömen. - Es ist Monsunzeit, dazu mitten in der Woche. Nur wenige Menschen kommen an einem solchen Tag die steile, serpentinenartige Straße heraufgefahren, mit dem Bus, aus einer der umliegenden Großstädte wie Daegu, Hapcheon oder Goryong. Hier, am Fuße des heiligen Bergs Gaya (가야산), wo ein munterer Gebirgsbach moosbewachsene Felsbrocken umspült, wo grünes Dickicht aus Farnen und Sträuchern zwischen jahrhundertealten Gingko- und Kiefernbäumen wuchert, ließen sich einst die beiden Mönche Suneung (순응스님) und Yijeong (이정스님) nieder. Sie waren aus China heimgekehrt, wo sie den Mahayana-Buddhismus studiert hatten. Mönch Joung Hyun (종현스님) - hellgraue Robe, glattrasierter Kopf - ist im Haeinsa zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Sein Blick schweift in die Ferne, wenn er die überlieferte Geschichte erzählt: „Während ihrer Praxis in China Foto: Bodo Hartwig hatte Suneung einen ziemlich konkreten Traum. Er träumte vom Gayaberg, als einem Ort, der geschützt ist vor den Gefahren der drei Elemente Wasser, Feuer und Wind, also Naturgewalten. Und als die Mönche zurückkamen, bauten sie hier dann eine kleine Hütte. Damit war Haeinsa an einem vermeintlich sicheren Standort gegründet.“ Wir schreiben das Jahr 802. Auf der koreanischen Halbinsel, dem damaligen Silla-Reich [57 v.Chr. – 935 n. Chr.], regiert König Aejang (애장왕). Als dessen Frau plötzlich schwer erkrankt, schickt er seine Dienerschaft, um Hilfe zu holen. „Ärzte als solche gab es zu dieser Zeit nicht“, fährt Mönch Joung Hyun fort, „aber Mönche galten als geschätzte Gelehrte und Heilsbringer. Als die königlichen Diener am Berg einen Lichtstrahl bemerkten, trafen sie dort auf die beiden meditierenden Mönche. Doch statt mit ihnen in den Palast zu gehen, gaben diese ihnen nur den Rat: „Bindet einen Faden um den Finger der Königin und das andere Ende an einen Bambusbaum vor dem Palast. Richtet auf einem Altar feine Speisen und betet inständig die ganze Nacht.“ Sie taten, wie ihnen die Mönche auftrugen. Und als am nächsten Tag die Königin erwachte, war sie genesen. Der Baum hingegen war verwelkt und tot.“ Als Zeichen seines tiefen Dankes lässt der Monarch vor der Hütte der beiden Mönche eine Zelkove pflanzen. In König Aejang sollten sie fortan einen großzügigen Gönner haben, der Haeinsa mit prunkvoll verzierten Gebäuden und Zeremonienhallen ausstattet. Die Zelkove ist noch heute dort. Als Teil des Mythos der Entstehungsgeschichte Haeinsas steht der stattliche, hohle Baumstamm im Eingangsbereich des Tempels. „Sie kommen ja an den Tempel heran auf einem langen Weg, der durch einen Wald führt“, erzählt Prof. Dr. Werner Sasse - graues Haar, Brille, Bart. Der emeritierte Professor für Koreanistik an der Universität Hamburg lebt schon lange in Korea, wo er sich eingehend mit der Kultur und Mythologie des Landes beschäftigt. Er geht gerne diesen Weg durch das Naturparadies. Dort, am Eingangstor, dem Iljumun (일주문), welches sich in schlichter Schönheit harmonisch in die Landschaft einfügt, sollen zunächst alle Sorgen und Begierden abgelegt werden. „Man muss hier mehrere Stufen hochsteigen und dann kommt ein weiteres Tor, wo links und rechts die Torwächter sind - furchterregende Gestalten - das sind die Gottheiten der verschiedenen Himmelsrichtungen, die die bösen Geister von dem Tempelbezirk fernhalten.“ An diesem Tag kommen sie dann doch noch, ... die Reisegruppen aus China und Japan. Mit ihren Kameras wollen sie nur einen flüchtigen Blick erhaschen, von den goldenen Buddhas in prächtigen Hallen aus weinroten Säulen und grünlich-bunt verziertem Holz, mit ausladenden schwarzen Ziegeldächern, an deren geschwungenen Enden kleine Glocken aus Bronze hängen. Sie haben Glück, denn die große Trommel verkündet gerade die Botschaft Buddhas an alle Lebewe- sen. Ein Mönch in grau-brauner Robe wirbelt die Schlegel im Kreis. Nur drei Mal am Tag erschallen unter dem Dach des Glockenpavillons die heiligen Instrumente: Trommel (Beopgo: 법고, 法鼓), Glocke (Beomjong: 범종,梵鐘), Fisch (Mokeo: 목어, 木魚) und Gong (Unpan: 운판, 雲 板). „Das sind alles Instrumente, die benutzt werden, um die Zeit anzusagen und zugleich das Tal mit dem Wort Buddhas zu füllen“, erklärt Professor Sasse. In der Tat lässt der meditative Ton der zwei Meter hohen Bronzeglocke selbst die geschäftigsten Touristen innehalten, was nicht verwundert. Schließlich ist ihr Klang der Erlösung von allen menschlichen Leiden gewidmet. Viele der Mönche versammeln sich nun zum abendlichen Gebet in der höher gelegenen Haupthalle. Auf dem weitläufigen Platz neben dem Glockenpavillon verlieren sich langsam die Touristen. Ein Mann, Ende 20, steht dort am Tempelbrunnen und gönnt sich eine Kelle heiliges Wasser. „Ich bin zum ersten Mal an einem regnerischen Tag im Haeinsa“, schwärmt der junge Architekt, während er sichtlich die Atmosphäre des Tempels genießt. „Ich komme aus Seoul, dieser ja ziemlich hektischen und lauten Stadt. Aber hier ist alles so ruhig und entspannt. Die Geräusche der Regentropfen und der Windspiele an den Dächern inspirieren mich. Ich glaube, das ist der perfekte Ort, sich mal so richtig vom Alltag zu befreien.“ Obwohl er eigentlich Atheist sei, sympathisiere er durchaus mit der buddhistischen Lehre, gesteht er und fügt hinzu: „Natürlich habe ich auch schon Erfahrungen mit dem Christentum gemacht. Aber am Buddhismus beeindruckt mich, dass er so gar nicht dogmatisch rüberkommt. Die Mönche sprechen viel über Weisheit und Toleranz, was sehr lebensnah und praktisch für den Alltag ist. Deshalb finde ich den Buddhismus als Religion am sympathischsten.“ Mönch Joung Hyun ist nun ebenfalls auf dem Weg in Richtung Haupthalle. Gerade noch hat er in seinem Büro an der aktuellen Ausgabe des Tempelmagazins gearbeitet. Jetzt läuft er die steinernen Treppen zur nächsthöheren Ebene hinauf. „Haeinsa hat ja vier Ebenen und insgesamt 108 Treppen. Daran lässt sich eine gewisse Hierarchie erkennen“, sagt er und zeigt auf die verschiedenen Gebäude. „Da unten zum Beispiel praktizieren die Laien, hier drüben studieren die Mönche, und dort oben finden die Zeremonien statt.“ Auf einem quadratischen Platz unterhalb der Haupthalle bleibt der Mönch kurz stehen und verneigt sich. Dabei legt er die Handflächen auf Brusthöhe zusammen. Wind fährt durch seine Robe und lässt auch das helle Glockenspiel an der sechs Meter hohen Steinpagode rechts vor ihm erklingen. „Diese dreistöckige Pagode ist ein Reliquienschrein“, berichtet er, „dem Stil und der Form nach stammt sie aus der späten Silla-Zeit vor gut 1200 Jahren. Wahrscheinlich wurde sie zusammen mit der Steinlaterne hier vorne bei der Gründung von Haeinsa errichtet“. Die nächsten Stufen sind 15 16 Vor über 750 Jahren eingraviert in hölzerne Druckplatten – das UNESCO Welterbe Tripitaka Koreana, der heilige Schatz desTempels Haeinsa ruht in Lagerhallen aus dem 15. Jahrhundert Jahre in Salzwasser. Harz von Lackbäumen schließlich sorgte für die Konservierung ihrer Oberfläche. „Und sie sind untergebracht in Gebäuden, wo eines der wichtigsten Elemente der traditionellen koreanischen Architektur wirksam eingesetzt worden ist, nämlich der Luftzirkulation“, sagt Professor Sasse, der selber jahrelang in einem traditionellen Hanok (한옥) Haus lebte. „Im Haeinsa ist das so: Sie haben Fenster verschiedener Größe, und die sind an verschiedenen Höhen angebracht, und zwar so, dass ein ständiger Luftstrom, den Sie im Normalfall noch nicht einmal merken, die Luft im Innenraum auswechselt.“ Das wiederum hält die Luftfeuchtigkeit konstant und bewahrt das Holz vor dem Schimmelbefall. Die schlichten Lagerhallen aus Lehm und Holz aus dem 15. Jahrhundert erfüllen diesen Zweck bis heute und haben Naturgewalten, Feuersbrünsten und selbst Kriegen getrotzt. Es scheint, sie stehen buchstäblich unter höherem Schutz. Im Koreakrieg [1950 - 53] etwa weigerte sich der südkoreanische Jagdflieger Kim Young-Hwan (김영환), den Tempel zu bombardieren, als sich rund 900 nordkoreanische Soldaten darin verschanzt hatten. Mit seinem selbstlosen Mut bewahrte er so den wertvollen und heiligen Schatz vor der endgültigen Zerstörung. Manche sehen in der fast wundersamen Beständigkeit der Gebäude und der Druckplatten nicht weniger als eine Bestätigung für die kluge Standortwahl durch die beiden Gründer Haeinsas, die Mönche Suneung und Yijeong. Für Professor Sasse ist die Sache noch konkreter: „Das hier ist wirklich geradezu ein Normbeispiel für einen geomantisch positiven Ort, wo die Naturkräfte - symbolisch Wasser und Wind - in Harmonie sind“, sagt Foto: Korean Culture and Information Service schon steiler und führen hoch zur Halle des Großen Stillen Lichts namens Daejeokgwangjeon (대적광전), der Haupthalle des Tempels. Diese steht im Zentrum der Klosteranlage und beherbergt den Vairocana-Buddha. Die weit geöffneten Flügeltüren geben den Blick frei ins Innere der Halle. Von einem breiten, mit Kerzen geschmückten Altar strahlen hell drei riesige, goldene Buddha-Statuen. In festliches Licht gehüllt, lächeln sie milde, mit halb ge schlossenen Augen auf die versammelten Mönche herab, die dort im Lotussitz ehrerbietende Gesänge rezitieren. Ihre vollen, entschlossenen Stimmen sind weit im Tempelgelände zu hören. „Die Rezitation der Mönche ist eine Methode der Praxis“, erläutert Mönch Joung Hyun. „Sie wird drei Mal am Tag durchgeführt, und zwar frühmorgens, vormittags und abends. Sie dient der Verehrung Buddhas, seiner Jünger und aller praktizierenden Mönche, die seine Lehre bis heute weitergegeben haben“. Auch einige Laien haben in den hinteren Reihen Platz genommen und rezitieren die ihnen vertrauten Sutras mit. Im Takt des Moktak (목탁, 木鐸), einem hohlen, hölzernen Perkussionsinstrument, das von dem leitenden Mönch geschlagen wird, verbeugen sie sich hiernach immer wieder und lassen dabei ihre Gebetsketten durch die Finger gleiten. Mönch Joung Hyun geht um das kunstvoll, im Dancheong (단청)-Stil verzierte Gebäude herum auf eine noch steilere Treppe zu. „Normalerweise steht ja in den Tempeln die Gebetshalle an höchster Stelle“, erklärt er, „aber hier im Haeinsa werden auf höchster Ebene die Palman-daejangkyeong (팔만대장경) aufbewahrt. Ein großes Heiligtum, das die Lehre Buddhas - die Essenz des Buddhismus beinhaltet.“ Palman-daejangkyeong heißt wörtlich übersetzt 80.000 große, lange Bücher. Was sich dahinter verbirgt, ist die weltweit älteste und vollständigste Sammlung buddhistischer Lehrtexte - vor mehr als 750 Jahren eingraviert in hölzerne Druckplatten. Ein Schatz ohnegleichen, der, wie Professor Sasse weiß, auch politische Aspekte hat: „Die Druckplatten sind, wenn man so will, ein militärisches Mittel gewesen. Die Mongolen hatten ja Korea besetzt, das ging los im 13. Jahrhundert.“ Schon vor dieser Zeit existierte bereits ein vollständiger Satz solcher Druckplatten. Dieser fiel jedoch den Brandschatzungen der Mongolen zum Opfer. Die Unbill der Fremdherrschaft wiederum stärkte den eisernen Willen der Koreaner, dieser militärischen Übermacht zumindest eine geistige Kraft entgegenzusetzen. „Eines der Mittel, um letztlich die Mongolen wieder zu vertreiben, war, dass man sich also an Buddha wandte und hoffte, durch das Wiedererstellen eines solch grandiosen Werkes - durch diese gute Tat - zu erstarken, und die Mongolen wieder loszuwerden“, erzählt der Professor und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Das hat ja auch funktioniert, ... die Mongolen sind weg!“ Dass die Druckstöcke bis heute unversehrt sind, hat zum einen mit der ausgeklügelten Sorgfalt ihrer Herstellung zu tun. So lagerte das Holz vor der Gravur erst mehrere „Zum Glück, muss man sagen, begnügen sich auch die meisten Leute damit, diese Hauptgebäude zu sehen, und machen sich nicht die Mühe, zu den kleineren Tempelchen und Orten des Rückzugs [Retreats] in den Berg zu gehen, wo eigentlich die Schönheit des koreanischen Buddhismus noch deutlicher wird“, verrät Professor Sasse, und meint damit die zahlreichen, in der Umgebung verstreuten Einsiedeleien, in die Mönche sich für eine bestimmte Zeit zu Meditation und Praxis zurückziehen. Steil nach oben führt der schmale Weg zum Baekryonnam (백련암)-Retreat, in gut 1000 m Höhe. Dort praktizierte bis zu seinem Tod 1993 der berühmte Zen (선)-Meister Seong Cheol (성철스님), aus dessen Schule viele namhafte Mönche hervorgegangen sind. Oben angekommen, offenbart sich ein grandioses Bergpanorama. An üppig bewachsene Felsen schmiegen sich kleinere, schlicht gehaltene, traditionelle Tempelbauten aus Holz. Doch wie ein Rückzugsgebiet für Mönche wirkt Baekryeonnam an diesem Tag nicht, denn laute Kinderstimmen mischen sich in das typische Geräusch von Moktak [hölzernes Perkussionsinstrument] und Rezitation. Mönch Ilji (일지스님), Anfang 30 und stellvertretender Abt, hat dafür eine einfache Erklärung: „Baekryeonnam Foto: Karsten Bartel er. 1995 überzeugte die Einzigartigkeit der Stätte auch die UNESCO, die die Druckplatten unter der Bezeichnung Tripitaka Koreana - und später auch die Lagerhallen - in die Liste des Weltkulturerbes aufnahm. Darüber hinaus beherbergt der Tempel weitere nationale Kulturschätze und bedeutende Baudenkmäler. bietet zwei Mal im Jahr einen Ferien-Tempelaufenthalt für junge Leute an. Hier lernen sie gemeinsam mit den Mönchen die heiligen Stätten kennen, erfahren von rituellem Essen oder der Niederwerfungspraxis. Auch buddhistisches Kunsthandwerk, wie das Basteln von Lotuslaternen oder Gebetsketten.“ Während die Kinder die kurze Pause und den erneut hereinbrechenden Regen zum Toben nutzen, übt sich oben in der Gebetshalle gerade eine junge Frau in der Niederwerfungspraxis. Mit schweißnassem Rücken sinkt sie immer wieder auf die Knie, um sich anschließend auf der Matte, vornüber, halb auf dem Boden auszustrecken, und dann mit gefalteten Händen wieder aufzurichten. „Haeinsa Baekryeonnam ist ja berühmt für die Niederwerfungspraxis“, erklärt Mönch Ilji, „ ‘Mach 3000 Niederwerfungen und triff Dich selbst‘, pflegte Meister Seong Cheol zu sagen. Der Sinn mag dem Unwissenden nicht einleuchten: Wozu sollte ich mich so quälen? Ein schwacher Körper jedoch sollte trainiert werden, um gesund zu bleiben. Das gleiche gilt für einen schwachen Geist. Die Zahl 3000 ist dabei gar nicht wichtig. Es ist ja kein Leistungssport, vielmehr eine Übung für die Ausdauer: Wie lange bin ich imstande, unnütze Gedanken auszublenden, während ich für das Glück aller anderen Lebewesen bete? Auf diese Weise lassen sich das eigene Ego und die Leiden überwinden, um schließlich Freude und Glückseligkeit zu erfahren“, sagt der Mönch. Die Kinder um ihn herum erzählen, dass sie hier morgens um drei Uhr aufstehen und alles manchmal ziemlich anstrengend sei. Aber morgen schon sei ihr letzter Tag, und dann gehe es wieder nach Hause. Ob das wirklich so gut ist, darüber scheint man sich nicht ganz einig. Denn ein bisschen angefreundet haben sich die Kinder bereits mit dem Leben und der Ordnung hier oben, fernab von Großstadt und Schulstress. Am heiligen Gayaberg zumindest beruhigen sich dann erst einmal wieder die wilden Wogen der weltlichen See. Bodo Hartwig lebt in Berlin und arbeitet als freier Tonmeister und Autor für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit 2007 reist er regelmäßig zu Recherchezwecken und Tonaufnahmen nach Südkorea. Im Sommer 2011 hat er im Rahmen einer Radiofeature-Produktion für den Deutschlandfunk den Tempel Haeinsa besucht. 17 BUDDHISMUS Pilgerreise nach Indien: am Dungeshwari-Höhlen-Tempel, in dem Buddha jahrelang Buße tat. Ganz vorn steht der Zen-Meister Pomnyun Sunim. Die buddhistische Jungto-Gesellschaft in Deutschland Ü ber den Buddhismus heißt es: „Er unterscheidet sich in vielerlei Weise von der Vorstellung, die üblicherweise mit dem Wort ‚Religion‘ verbunden ist. Buddhismus kennt keinen Schöpfergott, dem man gehorchen müßte oder auf dessen Kraft man bei der Lösung eigener Probleme bauen könnte. Buddhismus kennt kein Dogma, an das man glauben müßte. Er fordert nicht auf, Freiheit und Individualität bei einer höheren Macht abzugeben. Im Gegenteil. Buddhismus ermutigt, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und sich durch eigene Bemühung geistig weiterzuentwickeln.“1 Der Buddhismus ist eine sehr praxisorientierte Lehre, die die Menschen darin unterstützt, ihr Wesen zu verändern und auf diese Weise dauerhaftes Glück zu erreichen. Um eine Wesensveränderung zu erzielen, gibt es vielerlei Methoden, von denen die Meditation die größte Rolle spielt. Am Ende dieses Prozesses steht die Erleuchtung, auch „Nirwana“ genannt. 18 Von Gesine Stoyke In der Association of Korean Buddhist Orders (Vereinigung koreanischer buddhistischer Orden) sind zurzeit 26 buddhistische Orden vertreten.2 Der älteste und wichtigste unter ihnen heißt Jogye. Als dessen Unterorganisation entstand 1988 die buddhistische Jungto-Gesellschaft (www. jungto.org). Sie hat insgesamt 91 Zentren in Südkorea und 19 in Übersee, darunter vier in Deutschland: in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und München (www.jungtogermany.org). „Jungto“ (정토, 淨土)3 bedeutet so viel wie „reines Land“ oder „Land der Wonne“. Um eine Welt zu erschaffen, „in der die Menschen glücklich sind und friedvoll in einer schönen Natur miteinander leben können“4, werden die Gläubigen aufgerufen, sich in der individuellen Selbstreflexion zu üben. Die drei großen Ziele, denen sich alle Praktizierenden der Jungto-Gesellschaft verschreiben, lauten „Aufgeschlossenheit“, „Gute Freunde“ und „Reine Welt“. Damit verpflichten sie sich jeden Tag zur Offenheit gegenüber ihren Mitmenschen, zu einem freundschaftlichen Verhältnis gegenüber allen Lebewesen und zu einer Existenz in Harmonie mit der Natur. In der Gemeinschaft, wie sie die Jungto-Gesellschaft anstrebt, sollen weder Diskriminierung noch Isolation herrschen. Doch die Jungto-Gesellschaft ist nicht nur ein religiöses Zentrum und eine Gemeinschaft von Individuen, die alle für sich versuchen, individuelle und gesellschaftliche Veränderungen zu erzielen, sondern sie bündelt ihre Kräfte auch in verschiedenen sozialen Projekten, die sich für den Kampf gegen Umweltverschmutzung, Hunger und Bildungsarmut, die Förderung von Frieden und Menschenrechten und die Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel einsetzen. Foto: Jungto Gesellschaft Heejeong Lee ist die Hauptverantwortliche für die Koordination der Treffen und Veranstaltungen der Berliner Niederlassung. Bereits rund zehn Jahre ist es nun her, dass sie durch Zufall auf einen Vortrag des Großen ZenMeisters Pomnyun Sunim (스님, Mönch), dem Begründer der Jungto-Gesellschaft, in einem Seminarraum an der Technischen Universität Berlin aufmerksam wurde. Es war der erste offizielle Vortrag des Zen-Meisters in der deutschen Hauptstadt. Die Offenheit und Ungezwungenheit des geistigen Oberhaupts, das entgegen ihren Vorstellungen von religiösen Persönlichkeiten nichts Formelles an sich hatte, sowie sein Vortrag, der direkt aus dem Leben gegriffen zu sein schien, faszinierten Frau Lee und veranlassten sie dazu, das Buch von Pomnyun Sunim zu lesen und seine Vorträge weiterhin zu besuchen, wann immer er nach Deutschland kam. Um mehr über den Buddhismus zu erfahren, nahm sie auch an den Meditationsprogrammen, den Buddhismus-Seminaren und einer Pilgerreise nach Indien teil, die von Pomnyun Sunim begleitet wurden. In Korea sei sie überhaupt nicht religiös gewesen und habe nie ein buddhistisches Ritual vollzogen, wie sie unumwunden zugibt. „Tempel kannte ich nur als Touristin“, erzählt sie lachend. Am ehesten habe sie noch die Tempelarchitektur interessiert. In Berlin war Heejeong Lee anfangs ganz offen in ihrer religiösen Orientierung und besuchte mit ihren Freunden auch des Öfteren die evangelischen oder katho- lischen Gottesdienste der dort ansässigen koreanischen Gemeinden. Die Entscheidung für die Jungto-Gesellschaft traf sie schließlich, weil ihr die Art und Weise, wie die Niederlassung in Berlin geführt wird, gut gefiel: „Ich mag keine strenge Disziplin oder ausgeprägte Hierarchie. Wenn eine Religion versucht, mir etwas aufzuzwingen, dann reagiere ich ablehnend. Aber bei Jungto zwingt mich niemand, etwas Bestimmtes zu tun, obwohl die Gesellschaft natürlich klare Prinzipien vertritt. Auch muss ich die religiösen Anschauungen einer Glaubensgemeinschaft logisch nachvollziehen können, um mich dafür zu begeistern.“ Der Begründer der Jungto-Gesellschaft, der Große ZenMeister Pomnyun Sunim, kommt gewöhnlich ein Mal im Jahr zu einer Vortragsreise nach Deutschland. In seinen sogenannten „Dharma-Gesprächen“ beginnt er in der Regel mit einer kurzen Ausführung, in der es meist um das Thema „Lebensglück“ geht. Im Anschluss daran können die Teilnehmer Fragen an ihn richten, um sich praktischen Rat für die Dinge zu holen, die sie momentan in ihrem Leben beschäftigen (wenn jemand sich nicht traut, seine Frage offen auszusprechen, liegen Papierbögen bereit, auf denen die Zuhörer ihre Probleme formulieren können). Die Fragen werden anschließend vom Meister Pomnyun Sunim sofort beantwortet. Diese Art des Fragens und Antwortens (즉문즉설, Jeukmun Jeukseol) soll bereits von Buddha selbst praktiziert worden sein, wie Heejeong Lee zu berichten weiß. Sie fügt hinzu: „Unser Meister sagt immer: ‚Wenn jemand sich in der Lage sieht, in Anwesenheit anderer Zuhörer eine Frage zu stellen, dann ist schon die Hälfte des Problems gelöst. Man braucht großen Mut, ein eigenes Lebensproblem, das oft sehr eng mit der persönlichen Geschichte zu tun hat, vor Publikum offenzulegen. Tut jemand das, bedeutet es, dass diese Person einen starken Willen hat, das Problem zu lösen.“ Die Fragestellungen und Problembeschreibungen lassen die Anwesenden darüber hinaus erkennen, dass andere mit ähnlichen Schwierigkeiten wie sie selbst zu kämpfen haben. Inzwischen stößt der Große Zen-Meister Pomnyun Sunim auf eine breite Zuhörerschaft, wenn er ein Mal im Jahr nach Deutschland reist. In Berlin nahmen an seinem letzten Vortrag rund 100 Personen teil, in Frankfurt und Düsseldorf waren es sogar 150 bis 200. Das Besondere an der Jungto-Gesellschaft ist, dass insgesamt nur zwei ausgebildete buddhistische Geistliche existieren – der besagte Begründer der Gesellschaft, der Große Zen-Meister Pomnyun Sunim, und dessen Stellvertreter Yusoo Sunim. Die Leitung der einzelnen Niederlassungen 19 Foto: privat übernehmen Laien. Die Treffen der Gruppen in Deutschland finden gewöhnlich zwei Mal pro Monat statt, und in der Regel nehmen zwischen 10 und 15 Personen daran teil. Gesine Stoyke, Redaktion Kultur Korea Bislang ist die Jungto-Gesellschaft in Deutschland nur für Menschen geöffnet, die Koreanisch verstehen; aber in Zukunft sollen mehr Materialien ins Deutsche übersetzt werden und Dolmetscher dafür sorgen, dass auch diejenigen, die die koreanische Sprache nicht beherrschen, an den Treffen teilnehmen können. Der Zen-Meister Pomnyun Sunim bemüht sich international um die Verbreitung seiner Lehre. Vor kurzem ist bereits sein zweites Buch in englischer Sprache erschienen. Eine der wichtigsten Aufgaben der JungtoGesellschaft ist die so genannte „ZehntausendTage-Praxis“, die einem Zeitraum von ca. 30 Jahren entspricht. Sie begann im Jahr 1993 mit dem Anliegen, in der Welt „Jungto“, einen Ort, an dem die Menschen glücklich leben können, zu verwirklichen. Dieser Zustand des „Jungto“ ist nicht in kurzer Zeit zu erreichen, da alle Veränderungen ihre Zeit brauchen. Um sich ein realistischeres Ziel zu setzen, beginnen die Praktizierenden gewöhnlich zunächst mit hundert Tagen. Über die einzelnen Stadien der Zehntausend-Tage-Praxis heißt es in den Worten des Zen-Meisters Pomnyun Sunim: „Wenn du eine Hundert-Tage-Praxis durchführst, kannst du dein wahres Selbst erreichen. Wenn du eine Tausend-Tage-Praxis durchführst, kannst du dich selbst und dein Karma verändern. Wenn du eine Zehntausend-Tage-Praxis durchführst, kannst du die Welt, in der du lebst, verändern.“ Im Rahmen der Zehntausend-TagePraxis verpflichten sich die Teilnehmer vor sich selbst, täglich bestimmte Praktiken durchzuführen. Gewöhnlich sollten sie ihren Tag um 5.00 Uhr in der Frühe mit einer Herz-Sutra (Sutra der höchsten Weisheit: 반야심경, Banya Simgyeong), 108 Niederbeugungen (108 배, Bae), Meditation (명상, Myeongsang) und Vorsätzen der Jungto-Praktizierenden (정토행자의 서원, Jungto Haengja-ui Seoweon) beginnen und die eigenen Gedanken in einem Tagebuch (수행일지, Suhaeng Ilji) festhalten. Auch versuchen sie, sich bei jeder Handlung noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie sie sich im Einklang mit der buddhistischen Lehre verhalten sollten. Darüber hinaus streben sie an, 20 täglich etwas Gutes zu tun. Dazu gehört auch das Spenden von einem Euro (für Studenten 50 Cent) pro Tag. Frau Lee fügt hinzu: „Auf einen Euro am Tag kann ich verzichten, das entspricht gerade einer Tasse Kaffee. Stattdessen kann ich mit Hilfe der Jungto-Gesellschaft hungernde und bedürftige Kinder in Indien, Nordkorea oder anderswo unterstützen. Schließlich sind wir nicht allein auf dieser Welt.“ Der Gedanke, dass der Mensch nicht allein auf dieser Welt sei, spiegelt sich auch in der starken Hinwendung Jungtos zum Umweltgedanken wider. Eine ihrer Initiativen ist beispielsweise die „Null-Abfall-Kampagne“, die zum Verzicht auf Einwegprodukte und zur Vermeidung von Müll aufruft. Diese Bewegung will das Bewusstsein darüber vermitteln, dass die Ressourcen, die die Menschen von der Erde erhalten, begrenzt sind. „Hinter dem starken Konsumverhalten steckt oft der unbewusst Wunsch, die Leere des eigenen Lebens mit Gütern anzureichern“, so Frau Lee. So legen die Mitglieder der Jungto-Gesellschaft großen Wert auf ein schlichtes Leben. Das reine religiöse Missionieren steht bei der Gesellschaft nicht im Vordergrund. Der Buddhismus ist anderen Glaubensbekenntnissen gegenüber offen, und seine Lehren und Praktiken stehen jedem als Angebot zur Verfügung. Dazu meint Heejeong Lee: „Unser Zen-Meister sagt, dass es nicht wichtig sei, welcher Religion man angehöre. Wenn man wolle, könne man in den buddhistischen Zeremonien auch Jesus danken. Unabhängig von dem religiösen Hintergrund haben wir das gemeinsame Ziel, mit allen Menschen zusammen ein glückliches Leben zu führen.“ Mit dem Buddhismus halten es alle Ausübenden unterschiedlich. Manche wählen für sich einen Buddhismus „auf Probe“ und testen ihn über einen festgelegten Zeitraum, andere integrieren den Glauben nur in bestimmte Lebensbereiche. Andere wiederum entscheiden sich schon früh dafür, ihr gesamtes Leben auf ihre Religion auszurichten. Die Frage, seit wann sie Buddhistin sei, findet Frau Lee für sich persönlich schwer zu beantworten. Denn in den buddhistischen Glauben wird man nicht hineingeboren, und man erwirbt ihn auch nicht allein durch die Mitgliedschaft in einer buddhistischen Gemeinschaft. Vielmehr wird man Buddhist/Buddhistin durch die Bewusstheit, nach buddhistischen Lehren zu leben. Ausgewählte Programme und Einrichtungen der JungtoGesellschaft: ECOBUDDHA (www.ecobuddha.org), ein Programm zur Förderung des Umweltbewusstseins Good Friends (www.goodfriends.or.kr), ein Zentrum für Frieden, Menschenrechte und Flüchtlinge, das sich insbesondere für Flüchtlinge aus Nordkorea einsetzt Foto: privat JTS (Join Together Society, www.jts.or.kr), eine internationale Hilfsorganisation, die gegen Hunger, Krankheit und mangelnde Bildung in Indien, auf den Philippinen, in Sri Lanka und Nordkorea vorgeht und ihre Aktivitäten künftig auf weitere asiatische Länder ausdehnen will Heejeong Lee hat Kleinkindpädagogik an der Freien Universität Berlin studiert und arbeitet heute als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Forschungsinstitut. Die Peace Foundation (www.peacefoundation.or.kr), ein Forschungsinstitut, das Frieden, Stabilität und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel anstrebt 1 http://www.buddhanetz.org/dharma.htm, aus der Schrift der „Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens“ 2 http://www.kboa.or.kr/ 3 Nach der offiziellen Regierungsumschrift „Jeongto“ geschrieben Fotos: Jungto Germany 4 Quelle: offizielle Broschüre der Jungto-Gesellschaft in Deutschland Basar (Verkauf Lotuskerzenleuchter) auf einem Vesakfest (Frankfurt) für die Kinder in Nordkorea Meditation mit Zen-Meister Pommnyun Sunim 21 BUDDHISMUS Wo die Mönche Kampfsport machen Ein Tag im Golgulsa-Tempel Von Rainer Rippe Foto: Inga Sommer „Tock. Tock. Tock. Tock.“ Rainer Rippe wurde 1969 in Bremen geboren. Er kam 2008 nach Korea und unterrichtete zunächst ein halbes Jahr an der Seoul Foreign Language High School Deutsch, anschließend drei Jahre an der Hankuk University of Foreign Studies. 2009 besuchte er den Golgulsa-Tempel und bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland ein Dutzend weitere Tempel. Seine Fotos findet man unter web. me.com/rainer.rippe/ home Ein hohles, hölzernes Klopfen drang sacht durch die morgendliche Stille und kam langsam näher. Ich erhob mich von meinem Nachtlager im Schlafsaal des GolgulsaTempels [골굴사] und schob die Tür ins Freie zur Seite. Aus dem Dunkel tauchte ein grau gekleideter, kahlgeschorener Mönch auf, der im ruhigen Takt seines Gesangs auf ein Moktak [목탁, hölzerner Gong] schlug. Es war vier Uhr früh und obwohl ich nur sechs Stunden geschlafen hatte, fühlte ich mich frisch und ausgeruht. Ich wusch mich, zog mich an und machte mich rasch auf den Weg zur Buddha-Halle. Wer die Morgenandacht um 4.30 Uhr verpasste, musste zur Strafe 3000 Verbeugungen machen, hatte es geheißen. Der Humor gefiel mir – oder war das womöglich ernst gemeint? Als ich ankam, füllte sich der Gebetsraum bereits mit Mönchen und Gästen, die wie ich für einen Tag am Leben in einem buddhistischen Tempel teilnehmen wollten. Zunächst sangen wir, erneut begleitet vom Klopfen eines Moktaks. Die Form dieses handgroßen Instruments aus Holz soll an einen Fisch erinnern. Da sie nie schlafen, symbolisieren Fische im Buddhismus Wachsamkeit. Es gab keine Noten, nur Zettel mit den Texten auf Koreanisch und Englisch, daher konnte ich den mir unbekannten Gesängen kaum folgen. Auch bei den Verbeugungen kam ich nur mit Mühe hinterher und war froh, dass ich keine 3000 machen musste. Nach einer halben Stunde setzten wir uns mit verschränkten Beinen auf den Boden, um zu meditieren. Im Zen-Buddhismus (Koreanisch: 선, Seon) ist die Sitzmeditation (좌선, Jwaseon) die wichtigste Übung. Seit 22 der Fußball-WM 2002 in Korea bieten immer mehr Tempel Programme mit Übernachtung und Meditation für Besucher an. Amely, Jagaa, Sebastian und ich hatten uns für Golgulsa entschieden, weil hier außerdem eine uralte Tempelkampfkunst namens Seonmudo [선무도] praktiziert wird. Sie soll Körper, Geist und Atem in Einklang bringen und zur vollkommenen spirituellen Versenkung führen. Tags zuvor hatten wir am SeonmudoTraining teilgenommen. Zunächst hatte sich jeder eine blaue Kunststoffmatte genommen und darauf anstrengende Dehn- und Streckübungen gemacht, die an Yoga oder Qigong erinnerten. Anschließend waren wir in verschiedenen Bewegungsabfolgen durch den Saal gehüpft und gesprungen. Wir hatten uns z.B. mit allen Vieren vom Boden abgestoßen, um dann wieder auf Händen und Füßen zu landen. Diese Figur hieß „Katze“ und machte Amely und Jagaa so viel Spaß, dass sie ein paar Tage später erneut vergnügt auf diese Weise umherhopsten, als wir an einem Lotusblumenteich in Gyeongju Fotos machten. Während wir Anfänger in der einen Hälfte des Raumes gehörig ins Schwitzen kamen, führten die Mönche in der anderen Hälfte scheinbar mühelos Übungen durch, die eine enorme Körperbeherrschung verlangten. Offenbar brauchte es jahrelanges diszipliniertes Training, um beim Seonmudo einen meditativen Zustand zu erreichen und nicht schon bei der Aufwärmgymnastik außer Atem zu kommen. Vielleicht hatte ich danach so gut geschlafen, weil ich vom Training erschöpft war? Nun fiel es mir schon schwer, mich beim Stillsitzen auf meinen Atem zu konzentrie- Foto: Sebastian Brunkow ren, weil meine Beine in der ungewohnten Sitzhaltung schmerzten und meine Gedanken abschweiften. Ich war froh, als die Meditation zu Ende war und es gegen sechs Uhr endlich Frühstück gab. Da Sonntag war, fand eine Barugongyang-Zeremonie [발우공양, besonderes Zeremoniell zur Einnahme einer mönchischen Mahlzeit] statt. Alle setzten sich auf den Boden des Speisesaals, und jeder erhielt vier ineinandergestellte Plastikschüsseln, die mit einem Tuch umwickelt waren, in dem ein Paar Stäbchen steckte. Nachdem wir alles anweisungsgemäß vor uns aufgebaut hatten, verteilten Novizen verschiedene Speisen, von denen wir uns nur so viel nehmen sollten, wie wir aufessen konnten, da kein Essen verschwendet werden durfte. In der Tempelküche wird nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Knoblauch und Zwiebeln verzichtet, daher schmeckten viele Speisen für koreanische Verhältnisse ungewohnt mild. Alle bekamen das Gleiche und aßen schweigend, denn die meditative Essenszeremonie sollte unsere Einheit und Harmonie fördern. In welche Schüsseln etwas zu essen oder zu trinken kam, war ebenso vorgeschrieben, wie die Reihenfolge, in der sie nach Abschluss des Mahls mit etwas dünnem Tee und einem Stück Kimchi gesäubert werden mussten. Nachdem wir den Tee getrunken und das Kimchi gegessen hatten, sollten wir die Schüsseln mit Wasser nachspülen und dieses dann in einen Behälter gießen, mit dem ein Novize reihum umherging. Hätte niemand einen Fehler gemacht, wäre darin am Ende klares Wasser gewesen. Aber irgendjemand hatte nicht aufgepasst und Tee oder schmutziges Wasser in den Behälter gegeben, ohne dass der Novize dies bemerkt hatte. Für seine Unachtsamkeit musste er sich vor uns allen eine Standpauke vom Großmeister des Tempels anhören, die mir überzogen vorkam. War das reine Wasser als Symbol des einheitlichen, klaren Geistes der Versammelten wichtiger als die Harmonie, die nun durch seine Standpauke getrübt war? Der Großmeister ließ sich bei der anschließenden Teezeit von einem jungen Mönch vertreten, der unsere Stimmung mit seiner besonders fröhlichen Art schlagartig wieder aufhellte. Wer eine spezielle Teezeremonie erwartet hatte, wurde allerdings enttäuscht. Wir saßen im Halbkreis auf dem Boden vor dem Mönch, der an einem niedrigen Tisch grünen Tee für uns zubereitete, in kleine, tönerne Schalen goss und uns reichte. Während wir in aller Ruhe das wohltuende Getränk genossen, hatten wir Gelegenheit, ihm Fragen zu stellen. Er erklärte die Standpauke des Großmeisters ganz banal damit, dass Untergebene eben die Anweisungen von Ranghöheren zu befolgen haben. 23 Der fröhliche Mönch war mindestens so neugierig wie wir, also stellten wir uns nacheinander vor. Unter den Gästen befanden sich nicht nur Ausländer, sondern auch zwei koreanische Studenten aus der etwas weiter südlich gelegenen Stadt Ulsan. Sie waren Christen und wollten mehr über das buddhistische Erbe ihres Landes erfahren. Meine beiden Freunde Amely und Sebastian aus Deutschland, die erst seit wenigen Tagen zu Besuch in Korea waren, schilderten dem Mönch ihre ersten Eindrücke. Sie waren beeindruckt von der Atmosphäre im Tempel. Jagaa interessierte sich für Taekwondo und kannte buddhistische Tempel aus der Mongolei. Sie hatte aber noch nie in einem übernachtet und erzählte ein wenig über die unterschiedlichen Praktiken des Buddhismus in ihrer Heimat. Eine junge Engländerin mit langen dunklen Haaren verriet dem Mönch, dass sie drei Monate im Tempel bleiben würde, woraufhin er begeistert „I’m so happy!“ ausrief und im Laufe des Gesprächs zweimal „You are so beautiful!“ zu ihr sagte. Die Engländerin schien darüber nicht besonders glücklich zu sein. Sie war den weiten Weg sicher aus spirituellen Gründen gekommen, und nicht, um von einem Mönch Komplimente für ihr Aussehen zu erhalten. Auf der anderen Seite wollte der Mönch bestimmt nicht sein Keuschheitsgelübde brechen. Im Buddhismus kommt es darauf an, alles so zu sehen, wie es wirklich ist, und die junge Engländerin war tatsächlich sehr schön. Inzwischen war es längst hell geworden an diesem sommerlich warmen Julimorgen. Während Amely und Sebastian einen Ausflug zum Unterwassergrab von König Munmu an der nahegelegenen Küste machten, erkundeten Jagaa und ich das Tempelgelände näher. Die Lage traditioneller koreanischer Tempel wurde nach den Prinzipien von Feng Shui (풍수, Pungsu) ausgewählt, damit sie sich harmonisch in die natürliche Umgebung einfügten. Sie befinden sich meist im Gebirge, so auch Golgulsa. Im 9. Jahrhundert wurde in den Berg Hamwolsan ein vier Meter hoher Buddha gemeißelt. Er ist von Felshöhlen umgeben, die seit der Gründung des Tempels im sechsten Jahrhundert als Gebetsräume genutzt werden. Auf dem Weg dorthin wurden wir ein Stück weit von einem zutraulichen Hund mit hellem Fell begleitet, der an seinem Halsband aus dicken Holzkugeln als Tempelhund erkennbar war. Die Mönche hatten einen seiner Vorfahren so sehr ins Herz geschlossen, dass sie ihm ein Denkmal gesetzt hatten. Der steinerne Hund trug dieselbe hölzerne Kette wie seine lebenden Artgenossen. Andere Statuen standen in auffälligem Kontrast zueinander: ein lachender, dickbäuchiger Buddha und grimmige, muskelbepackte Wächter. Das letzte Stück bergauf war besonders steil und felsig. 24 Wir hangelten uns an den zur Sicherheit befestigten Seilen entlang, dann endlich erreichten wir die Höhlen. In Wandnischen gab es Altäre und steinerne Buddha-Statuen zu sehen. Das eigentlich Spektakuläre aber waren der Anblick des riesigen, in den Fels geschlagenen Buddhas und die Aussicht auf das unter uns ausgebreitete Tal. Baumbewachsene Berge, so weit man sehen konnte, umgaben uns. Der krönende Abschluss war eine Seonmudo-Vorführung für die Templestay-Teilnehmer. Wenngleich buddhistische Mönche mehrfach in der koreanischen Geschichte gegen Invasoren gekämpft hatten, bekamen wir keine Zweikämpfe zu sehen. Vielmehr schien es mir, als kämpften die Mönche des Golgulsa-Tempels gegen unsichtbare Gegner. Aber wer könnten diese Gegner sein? Ich verließ den Tempel mit der Erkenntnis, dass Seonmudo kein gewöhnlicher Kampfsport ist und sich seine Geheimnisse nicht an einem Tag entschlüsseln lassen. Golgulsa Der Tempel befindet sich rund 20 km östlich der alten SillaHauptstadt Gyeongju. Örtliche Busse (Nr. 100 und 150) verkehren halbstündlich dorthin (Ticket: 1.500 Won [ca. 90 Cent]). Die Fahrt dauert eine Dreiviertelstunde, danach muss man eine Viertelstunde zu Fuß gehen. Mit dem Taxi kostet die Fahrt ca. 35.000 Won [ca. 23,30 Euro]. Die Anreise sollte zwischen 14 und 17 Uhr erfolgen, Check-out ist am darauffolgenden Tag um 13 Uhr. Ein Templestay kostet aktuell 50.000 Won [ca. 33,30 Euro], darin sind neben der Übernachtung alle Mahlzeiten enthalten. Weitere Informationen unter: www.golgulsa.com (Englisch). Templestay Gegenüber dem Jogyesa-Tempel im Zentrum von Seoul gibt es ein Templestay Information Center, das Broschüren über zahlreiche Tempel und ihre jeweiligen Programme bereithält, z.B. „Incredible Experiences in Ten Korean Temples“. Mehr unter www.templestay.com (Deutsch, Englisch). Englischsprachige Bücher „Guide to Korean Buddhist Temples“ von der International Dharma Instructors Association, herausgegeben vom Jogye Order of Korean Buddhism, Seoul, 1995, ISBN 89-86821-13-3, Preis: 7.000 Won [ca. 4,65 Euro]. Das Buch wird in dem Geschäft auf dem Gelände des Jogyesa-Tempels verkauft. „Journey to Korean Temples and Templestay“ von Jang Eunhwa, Her One Media, Seoul, 2009, ISBN 89-92162-17-3, Preis: 12.000 Won [ca. 8 Euro]. Videos www.youtube.com: „Golgulsa Templestay“ und „Golgulsa Sunmudo Training“. CHRISTENTUM Missionare mit Charisma & Marketingtalent Karl Gützlaff & Norbert Weber Foto: privat Von Dr. Sylvia Bräsel Dr. Sylvia Bräsel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Erfurt und hat zahlreiche Werke der koreanischen Literatur ins Deutsche übersetzt. Sie geht einer kontinuierlichen Lehr- und Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Kulturbeziehungsforschung und der vergleichenden Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Korea nach. Darüber hinaus setzt sie sich unter anderem für die Pflege der Austauschbeziehungen der Universität Erfurt zu Korea sowie für die Vorstellung moderner südkoreanischer Autoren in Deutschland ein. Bildnis Norbert Weber als Erzabt 25 „Aber das Bild ist nicht Wirklichkeit, sondern es schafft erst Wirklichkeit.“ (Gerhard Köpf) Christliche Missionare beider Konfessionen haben die Kontakte zwischen Deutschland und Korea in den letzten zwei Jahrhunderten auf vielschichtige Weise mitgestaltet. Nicht immer ist dabei die Nachwelt faktisch fundiert und seriös mit den Leistungen von Persönlichkeiten umgegangen. In dem 1966 veröffentlichten und 1986 in den USA verfilmten Trivialroman „Taipan“ von James Clavell (1924 - 1994) wird u.a. von einem „Referend Wolfgang Mauss“ erzählt, der - in das Opiumgeschäft verwickelt - saufend und hurend durch Hongkong zieht. Dabei diente als Vorbild für diese sträfliche Verzerrung eine von der Geschichte zu Unrecht vergessene Persönlichkeit, ein starker Charakter, ein Original mit genialen wie exzentrischen Zügen. Die Rede ist von dem verdienstvollen Ostasienkenner und Missionar Karl Friedrich August Gützlaff (1803 - 1851), der nachweislich als erster Deutscher und zugleich erster protestantischer Missionar am 17. Juli 1832 als Co-Leader und Dolmetscher einer Schiffsexpedition der British East India Company koreanischen Boden betrat. In einem Zeitalter, in dem der Westen sich als die höchste Stufe der menschlichen Evolution betrachtete, war die Hochschätzung Ostasiens durch Gützlaff besonders bemerkenswert - und nicht zuletzt Ausdruck einer Haltung, die Courage, Selbstbewusstsein und große persönliche Souveränität verlangte. Richtig ist, dass der Missionar Gützlaff in seiner Fähigkeit, sich in der Öffentlichkeit darzustellen und seine Projekte zu „vermarkten“, seiner Zeit weit voraus war. Das belegen neben seinen anschaulich geschriebenen Reiseberichten auch seine missionarischen und wissenschaftlichen Publikationen und seine äußerst publikumswirksame Vortragstätigkeit, die maßgeblich durch seine charismatische Persönlichkeit getragen wurde. Ähnliches kann über den rhetorisch begabten und mediengewandten Erzabt von St. Ottilien, Norbert Weber (1870 – 1956), berichtet werden, der aufgrund finanzieller Schwierigkeiten, in die die Abtei unter seiner Leitung geraten war, 1930 sein Amt niederlegen musste. Er starb als einfacher Missionar am 03.04.1956 in Litembo und fand auf dem Friedhof in Peramiho (Tansania) seine letzte Ruhestätte. Während seiner Amtszeit als Erzabt von 1902 - 1930 unternahm der charismatische Norbert Weber zahlreiche Reisen in die Missionsgebiete. Dabei zeigte er besonderes Interesse an der Missionsarbeit in Korea. Unter seiner Leitung wurden 1909 erstmals Benediktinermönche nach Korea entsandt. Durch Webers ehrgeiziges Engagement entstanden innerhalb von 25 Jahren zwei Abteien und mehrere blühende Missionsstationen, die zu einem nachhaltigen Austausch zwischen Ost und West beitrugen. 1911/1912 bereiste Weber von Amts wegen selbst Korea und 26 hielt seine Eindrücke in dem als Tagebuch publizierten Buch „Im Lande der Morgenstille“ fest. Diese subjektive Form des Tagebuches ermöglichte es dem medial geschickt agierenden Weber, Unmittelbarkeit und Neugier beim Leser zu erwecken. Zudem inszeniert sich Weber bewusst als ein „Mann der Moderne“, indem er sein „Tagebuch“ durch eigene Fotoarbeiten und Schmalfilmaufnahmen ergänzt. Diese ersten erhaltenen Filmdokumente über das alte Korea, die Norbert Weber zu verdanken sind, stammen aus den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Die Filmsequenzen von Weber gelten inzwischen als bedeutendes kulturhistorisches Zeugnis. Es wurde ca. 25 Jahre nach dem Tod seines Produzenten und ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung dieses Films auch im koreanischen Fernsehen mit Erfolg gezeigt. Die Foto- und Filmarbeiten wie das Reisetagebuch des Missionars Norbert Weber sind so einerseits wichtige Dokumente für das koreanische Selbstverständnis – und andererseits ein interessanter Beleg für die traditionsreiche Geschichte der deutsch-koreanischen Beziehungen bzw. der Begegnung der Kulturen. Wie Karl Gützlaff widmete sich auch Weber mit Eifer der fremden Kultur, wenn auch der missionarische Gedanke bei dem Benediktiner die Auslotung einer Annäherung von Ost und West teilweise überlagerte. Doch letztlich haben sich beide Persönlichkeiten nachhaltige Verdienste um die Bekanntmachung des Landes Korea erworben. Auch das für ihre Zeit ungewöhnliche Marketingtalent verbindet Weber und Gützlaff. Dabei wurde weder Gützlaff noch Weber eine solche Entwicklung in die Wiege gelegt. Gützlaff, 1803 im pommerschen Pyritz bei Stettin als Sohn eines einfachen Schneiders geboren, gelang es – wie später Weber – sich durch Fleiß einen Platz in der Gesellschaft zu erstreiten. Gützlaff half dabei sein großes Talent für Sprachen - gepaart mit Wissensdrang, Waghalsigkeit und Gottvertrauen. Diese Symbiose ließ den Musterschüler des britischen Missionars Walter Medhurst zu einer anerkannten Persönlichkeit seiner Zeit werden. Seine Reisebeschreibungen über die nicht wenig riskanten Expeditionen in die Seehäfen der verschlossenen Länder (Korea, Japan, China) machten ihn in der westlichen Öffentlichkeit bekannt. Sie lösten eine Kettenreaktion aus, die letztlich Ostasien auch entzauberte und zum Objekt westlicher imperialer Bestrebungen werden ließ. Andererseits trugen seine Schilderungen – gerade über das damals gänzlich unbekannte Korea – maßgeblich zur Wissenserweiterung über diesen Raum in Europa und Nordamerika bei. Der aus Pommern stammende Missionar lenkte somit das Interesse wieder (nach den Jesuiten) auf die ostasiatischen Kulturen. Hier wäre hervorzuheben, dass Gützlaff - im Gegensatz zu vielen Asienautoren seiner Zeit - um ein Verstehen des „Anderen“ im Kontext mit dem „Eigenen“ bemüht war. Er vermochte auf die Realitäten der Menschen einzugehen. Heute würde man sagen, er verstand es, Netzwerke an lokalen Beziehungen zu initiieren. Damit schaffte er eine Vertrauensbasis, die im Keim als Ausdruck einer ersten dialogischen Beziehung zwischen Ost und West bewertet werden kann. Er wollte die christliche Lehre bringen, ohne die Menschen zum Bruch mit ihrer Zivilisation zu bewegen. Die Übergabe einer Bittschrift zur Aufnahme von Handelsbeziehungen zur Weiterleitung an König Sun-Jo fand in feierlicher Form am 26. Juli 1832 statt. Gützlaff nutzte die Wochen bis zur (abschlägigen) Antwort auf die Petition zum intensiven Studium des Verhaltens der Menschen und ihrer Lebensweise. In diesem Sinne verdienen seine Bemerkungen über die damals in der westlichen Welt fast unbekannte koreanische Sprache besondere Beachtung. Es ist das bleibende Verdienst des protestantischen Missionars, die erste Abhandlung (mit Silbentabelle) über die koreanische Sprache veröffentlicht zu haben, die auf Informationen aus erster Hand beruht. Am 9. August 1832 wurde das Scheitern der Expeditionsziele durch den Abgesandten des Königs erklärt. Ohne seine Ziele erreicht zu haben, aber von den gastfreundlichen Koreanern noch gut mit Proviant ausgestattet, verließ der erste Deutsche an Bord der „Lord Amherst“ am 17. August 1832 koreanische Gewässer und segelte nach Macao zurück. Verschiedene koreanische Geschichtswerke und Quellen belegen die Richtigkeit des Reiseberichts. So setzt Paik Lak-Geoon in seinem erstmals 1929 veröffentlichten Stan- dardwerk „The History of Protestant Missions in Korea“ das Jahr 1832 - d. h. den Aufenthalt Karl Gützlaffs - als Beginn der protestantischen Missionsbestrebungen in Korea an. Auch er betont ausdrücklich den friedlichen Charakter der Expedition, die angesichts der Kürze in missionarischer Hinsicht keine konkreten Ergebnisse erbringen konnte. Diese Position wird erhärtet durch die Aufzeichnungen in den Annalen des 7. Monats des 32. Regierungsjahres von König Sun-Jo. Aus der Sicht unseres globalen Zeitalters gehört Karl Gützlaff in chinesischer Tracht © Steyler Verlag Weber, der das Priesterseminar in Dillingen an der Donau besuchte, wurde 1895 ordiniert und dem Missionshaus St. Ottilien als Kandidat vorgeschlagen. 1897 legte er das Ordensgelübde ab, und bereits im Dezember 1902 wurde der strebsame junge Mann zum Abt von St. Ottilien geweiht. Hervorzuheben ist sein frühes Interesse an der Missionsarbeit in Korea. Friedrich August Gützlaff, der nach einem rastlosen Leben im Alter von nur 48 Jahren in Hongkong verstarb, zu den herausragenden Persönlichkeiten eines auf Gleichrangigkeit und Respekt beruhenden Konzepts von Missionierung und Völkerbegegnung, zu den großen Wegbereitern eines produktiven Dialogs zwischen Deutschland und Korea, Europa und Ostasien. Sein Grabmal in Hongkong, der von der Deutschen Botschaft in Seoul 1982 errichtete Gedenkstein für Karl Gützlaff in Wonsan-do und nicht zuletzt die Neuherausgabe seiner Reiseberichte durch den im Dezember 2004 verstorbenen Journalisten Winfried Scharlau im Jahre 1997 im Abera Verlag Hamburg - sind Zeichen der Achtung und Anerkennung dieses Lebens im Dienste des Dialogs und der Verständigung. Dem Benediktiner Norbert Weber hingegen ist es zu verdanken, dass seit 1909 Benediktinermönche (mit Unterbrechung 27 durch den Korea-Krieg) erfolgreich mit konkreten sozialen Projekten für die Verständigung der Religionen bzw. die Annäherung an das abgeschottete Nordkorea tätig sind. Die eng mit Menschen, Sprache und Kultur verbundenen Brüder und Schwestern des Ordens haben maßgeblich zu einem Austausch auf ihre spezifische Weise beigetragen. Als Krankenschwestern, Ärzte, Landwirte oder Handwerker etc. leben bzw. arbeiten sie mit den Koreanern zusammen und teilten sogar bis hin zu Flucht und Vertreibung das bittere Schicksal der koreanischen Menschen zwischen 1950 - 1953. Davon berichten die 1953 aus nordkoreanischen Lagern endlich heimgeholten Missionare in ihrer bewegenden Dokumentation „Schicksal in Korea“, die 1974 zur Erinnerung an die Vertreibung der Benediktiner von St. Ottilien aus der nördlich des 38. Breitengrades liegenden Abtei Tokwon erschien. „Man muss viel gelernt haben, um über das, was man nicht weiß, fragen zu können“ (Jean-Jacques Rousseau) Buch und Filme von Norbert Weber haben dieses Interesse an Korea auf spezifische Weise befördert und eingeleitet. Schon in seinem Vorwort legt der Missionar seine Beweggründe für die Publikation des Buches dar: „ Drängende Sorge um unsere junge Missionsarbeit in Korea hatte mich zu Beginn des Jahres 1911 auf die hohe See getrieben... So ging`s dem äußersten Osten zu, und jeder Tag reizte zu neuen Beobachtungen. Wenn auch Ostasien nicht mehr jene verschlossene Welt ist, die sich vor dem Geiste des Westens hinter unübersteigbare Mauern flüchtet und diese mit Todesedikten besetzt, so liegt doch immer noch eine ganze Welt zwischen der Kultur Europas und Asiens.“ Adressat von Weber ist an erster Stelle das Lesepublikum in Europa. Die Sorge um die Missionsarbeit – also ein Eigenanliegen – treiben ihn zur Reise. Neben faktischen Informationen zu Land und Leuten und zur politischen Situation in Korea (u.a. die Rolle Japans als künftige Kolonialmacht) werden insbesondere die Befürchtungen des Ethnologen Weber bezüglich der Japanisierung und Industrialisierung Koreas artikuliert. Das ist für ihn Anlass, Stift 28 und Fotoapparat in die Hand zu nehmen und ein wertvolles Filmdokument über die Traditionen und Bräuche von Joseon zu schaffen. Die Entstehung dieser ethnologischen Zeugnisse verdeutlicht somit auch die Verquickung von wissenschaftlichen Interessen, Missionierung der Fremde und einen damit verbundenen Heilsgedanken im Zeitalter des Kolonialismus. So zeigen Bildauswahl und Themen (Missionierung, Missionsschule, Berufsausbildung) u.a. die Erziehung von Kindern und Erwachsenen zum christlichen Glauben. Auch die Schwere der Missionsarbeit in einem unerschlossenen Land wird nicht verschwiegen. Dies belegt, dass der Film auch zur Erschließung von finanziellen Ressourcen bzw. zur Nachwuchswerbung für die Mission gedreht wurde. Doch trotz dieser „Konstruktion des Fremden“ überwiegen eindeutig für den heutigen Betrachter die positiven Zeichen. Erstmals tritt mit dem Schmalfilm von Weber die Bedeutung des Mediums Film in den Korea-Diskurs ein. Damit hat sich Norbert Weber als kluger Beobachter und leidenschaftlicher Ethnologe bleibende Verdienste erworben. Nicht zuletzt dokumentiert er (gestellte) Szenen aus dem täglichen Leben der Koreaner in den Zwanzigerjahren (u.a. Hochzeit, Totenfeiern, Töpferei etc.), die nie zuvor eine Kamera festhielt. Dieser Teil des Filmmaterials bleibt ein wichtiger kulturhistorischer Beleg für das Selbstverständnis des koreanischen Volkes und verdeutlicht das traditionsreiche Miteinander von Deutschen und Koreanern über nicht einfache historische Phasen hinweg. Schreinerlehrlinge CHRISTENTUM Priester Alwin Schmid Baumeister koreanischer Kirchen Von Gesine Stoyke I n Korea finden sich heute christliche Kirchen verschiedensten Aussehens aus den unterschiedlichsten Epochen. Der erste christliche Sakralbau im westlichen Stil ist die 1892 von einem französischen Priester entworfene Yakhyeon-Kirche in Seoul, die heute den Namen Jungnimdong-Kirche trägt. Sie wurde im Gotik-Stil erbaut und ist Symbol für die Katholikenverfolgungen während des Joseon-Reiches (1392 – 1910). Eine Besonderheit christlicher koreanischer Sakralarchitektur sind die Kirchen, die traditionellen Häusern (한옥, Hanok) nachempfunden wurden. Durch eine Bauweise, die dem Volk vertraut war, sollte das Misstrauen gegenüber dem aus dem Ausland kommenden Christentum verringert werden. Das älteste Beispiel ist die Seonggonghoe-Kirche im Landkreis Ganghwa in Incheon, die aus dem Jahr 1900 stammt. Während die koreanische Kirchenarchitektur der japanischen Kolonialzeit (1910 – 45) vor allem auf westliche Architekten und Missionare zurückgeht, waren ab den 1950er Jahren koreanische Bauherren federführend. Dennoch sollte der Name eines deutschen Benediktinermönches nicht unerwähnt bleiben, der einen wesentlichen Anteil an der modernen koreanischen Kirchenarchitektur hatte, die in der Zeit zwischen dem Anfang der Sechzigerjahre und dem Ende der Siebzigerjahre entstand. vertrat die Auffassung, dass man für Menschen, die noch keinen Zugang zum christlichen Glauben haben, keine Barrieren errichten dürfe, und darüber hinaus wollte er der damaligen Situation Koreas Rechnung tragen, das sich in den Siebziger- und Achtzigerjahren in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befand. Um einfache Orte nicht mit prunkvollen Gebäuden zu überfachten, achtete er darauf, dass sie sich harmonisch in ihre Umgebung einfügten. Er errichtete seine Kirchen niemals an erhöhten Orten in der Mitte des Dorfes, da sie die anderen Häuser nicht überragen sollten und ordnete die Kirchenbänke im Inneren fächerförmig oder im Oval um den Altar herum an. Auf diese Weise sollte die Distanz zwischen den Gläubigen und dem Geistlichen verringert und allen Gottesdienstbesuchern eine optimale Sicht auf das Geschehen gewährt werden. Gleichzeitig wählte Schmid für seine Kirchenarchitektur eine dem koreanischen Baustil nachempfundene Form, die auch das zeitgenössische Korea widerspiegeln sollte. Zu den Gotteshäusern, die von dem deutschen Benediktinermönch entworfen wurden, gehören verschiedene Kirchen in den Provinzen Nord-Gyeongsang und NordChungcheong, die Haeundae-Kirche in Busan, die Kirche von Guro-3-dong in Seoul und viele weitere. Der Beitrag entstand auf der Grundlage eines Artikels von Lee Gwang-pyo in der Zeitung „Donga Ilbo“ aus dem Jahr 2008. Priester Alwin Schmid (1904 – 78) war Mitglied des koreanischen Benediktinerklosters Oegwan. 1949, als er zwischenzeitlich in sein Heimatland Deutschland zurückkehrte, in dem die Schäden des Zweiten Weltkriegs noch deutlich sichtbar waren, erlebte er den Wiederaufbau kriegszerstörter Kirchen und begann, sich mit einer modernen Form der Sakralarchitektur auseinanderzusetzen. Nach seiner Rückkehr nach Korea im Jahre 1961 begann der selbst ernannte Kirchenarchitekt, dort einen neuen Baustil einzuführen, der auf Pomp verzichtet und auf die Funktion der Kirche als Ort der Gemeinschaftsmesse fokussiert. In den nächsten rund zwanzig Jahren entwarf er auf koreanischem Boden über 80 Kirchen und über 180 kirchliche Gebäude. Was alle von Schmid geplanten Bauten verbindet, ist ihre ausgeprägte Schlichtheit. Denn der Benediktinermönch 29 CHRISTENTUM „ Die zweite Generation vertritt die Überzeugung, dass Glaube aus freien Stücken gelebt und praktiziert werden muss, damit er authentisch ist vor Gott und den Menschen. “ Mike Kwang-Yul Lee wurde 1974 in Duisburg-Hamborn geboren. Er studierte Theologie in Kalifornien (A.Th.), Toronto (B.A. in Christian Studies) und Vancouver (M.Div.) und promoviert zurzeit an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Er ist deutschsprachiger Pastor in der koreanischen Full Gospel Church Düsseldorf Interview mit Mike Lee, deutschsprachiger Pastor in der koreanischen Kirchengemeinde „Full Gospel Church Düsseldorf“ (FGCD) Die FGC besteht in Düsseldorf seit 1974. Sie wurde von koreanischen Krankenschwestern gegründet, die in den Sechzigerjahren als Hilfsarbeiterinnen nach Deutschland gekommen waren. Die FGCD gehört der Yoido Full Gospel Church in Seoul, Südkorea an.1 Sie wird mit ca. einer Million Mitgliedern als größte Kirchengemeinde in Korea und auch in der Welt angesehen. Der Gründer dieser Gemeinde, die seit 1973 besteht, ist Pastor Yongi Cho. Die Glaubensrichtung der Yoido Full Gospel Church wurde überwiegend von dem Gründer geprägt. Sie ist pfingstlich-charismatisch mit fundamentalen Grundzügen, d.h. neben den typisch pfingstlerischen Manifestationen wie 30 Zungenrede, Heilungsgebete, Exorzismus und Wunderwirkungen wird auch eine große Betonung auf den Predigtdienst und auf feste Liturgie mit Hymnengesang im Gottesdienst gelegt. Koreanische Pfingstgemeinden unterscheiden sich von deutschen bzw. amerikanischen Pfingstgemeinden dadurch, dass sie einem strukturierten Schema der Liturgie im Gottesdienst folgen, obwohl es auch einen gewissen Raum für spirituelle Momente gibt. Wie viele Mitglieder hat Ihre Gemeinde, und worin sieht sie ihre Hauptaufgaben? Sie hat zurzeit ca. 300 eingetragene Mitglieder. Die FGCD nimmt es als ihre Hauptaufgabe wahr, den koreanischen Migrantenfamilien in Düsseldorf und in den umliegen- den Städten zu dienen. Unsere Gottesdienstbesucher Fotos: Kwang-Hyun Yom Wann wurde die Full Gospel Church in Düsseldorf gegründet, und welcher religiösen Glaubensrichtung gehört sie an? kommen aus verschiedenen Städten wie Mönchengladbach, Bochum, Neuss, Ratingen, Essen, Dortmund, Mülheim, u.a. Der Dienst an diesen Migrantenfamilien besteht hauptsächlich darin, sich um das geistliche Wohlsein zu kümmern durch Gottesdienste, Gebetsabende, Bibelkreise und Hauskreise. Darüber hinaus werden auch soziale Bedürfnisse beantwortet, indem man die Gemeinde zu einer Begegnungsstätte mit anderen koreanischen Migranten funktionalisiert. Die Begegnungsmöglichkeiten, die durch die koreanische Gemeinde geschaffen werden, stellen für Koreaner eine wichtige Komponente dar. Es ist Tatsache, dass viele Migranten nicht aus religiösen, sondern eher aus sozio-kulturellen Beweggründen die Migrantengemeinden aufsuchen. Auf diese Weise können Koreaner, die sich in der deutschen Gesellschaft marginalisiert fühlen, ihre Nähe zu den eigenen kulturellen Wurzeln wahren, indem z.B. neben den christlichen Festen auch koreanische Feiertage gefeiert werden. Als weitere Hauptaufgabe sieht es die FGCD an, den eigenen Horizont zu erweitern und Nichtkoreanern (natürlich überwiegend Deutsche) mit dem christlichen Glauben zu begegnen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein deutschsprachiger Gottesdienst eingeführt, der darauf fokussiert, Nichtkoreaner anzusprechen. Obwohl die Notwendigkeit einer solchen Ausrichtung allgemein erkannt wird, sind sich viele nicht der damit verbundenen Herausforderungen bewusst, wie z.B. die Bereitschaft zu einem interkulturellen Austausch mit Menschen anderer Herkunft. Oft ist es so, dass der Wunsch, die eigenen kulturellen Wurzeln zu bewahren, einer positiven Auseinandersetzung mit anderen Kulturen im Wege steht. Sie haben kürzlich ein überkonfessionelles Netzwerk aus „geistlichen Leitern der zweiten Generation“ gebildet, um den Pastoren koreanischer Abstammung, die in zweiter Generation in Deutschland leben, Gehör zu verschaffen. Wie kam es zur Gründung des Netzwerkes, und was sind dessen Ziele? Im Jahr 2008 haben koreanische Pastoren, die dem Bund des koreanischen NRW-Pastorenverbandes angehören, ihre Besorgnis über den Mangel an christlichen Veranstaltungen für junge Erwachsene der zweiten Generation, die nach und nach die Gemeinden verlassen, zum Ausdruck gebracht. Aufgrund dieser Feststellung wurde ich gebeten, ein Projekt zu starten, welches auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe eingeht. Daraufhin wurde mit zwei weiteren Leitern mit koreanischem Migrationshintergrund, Pastor Nam-Kyu Kim (Köln Hanbit Church) und Vikar Jung-Min Kim (Christusgemeinde Bremen FeG) nach vielen Gesprächs-Reflexionsrunden und Gebeten ein überkonfessionelles Projekt mit dem Namen „EXODUS“ im Jahr 2010 gestartet. Man kann sagen, dass EXODUS aufgrund eines gemeinsamen Konsenses zwischen Pastoren der ersten und zweiten Generation entstanden ist, weshalb uns der gemeinsame Dialog mit der ersten Generation ein großes Anliegen ist. Unser Ziel besteht darin, die jungen und älteren Erwachsenen mit koreanischem Migrationshintergrund durch Begleitung und Schulung für ihre geistliche Verantwortung auszubilden, damit sie als mündige christliche Mitarbeiter dienen können. Um dies zu erreichen, wollen wir gezielte Jüngerschaftsschulung2 anbieten, die in den meisten koreanischen Migrantengemeinden aufgrund der mangelnden sprachlichen Kompetenz nicht vorhanden ist. Dies versuchen wir mit den folgenden Schritten zu erreichen: • • • • Regionaltreffen zur Unterstützung der Ehrenamtlichen vor Ort in den Gemeinden Eine jährliche Exodus-Konferenz für die Schulung von geistlichen Leitern und Begegnung mit Gott und untereinander Angebot von Seminarthemen, die spezifisch auf interkulturelle Themen eingehen, die relevant für den Gemeindekontext sind Vermittlung zwischen den Generationen (erste und zweite Generation von koreanischen Migranten). Aus einem Artikel über Ihre Konferenz in der religiösen Zeitschrift „Charisma“ (1. Quartal 2012) geht hervor, dass die geistlichen Leiter der ersten Generation die der zweiten Generation als rebellisch ansehen. In welchen fundamentalen Glaubensfragen unterscheiden sich diese beiden Gruppen? Diese Wahrnehmung kann rein subjektiv sein, aber es stimmt schon, dass die erste Generation die Andersartigkeit der zweiten Generation sieht. Allerdings liegt der Unterschied mehr in der Glaubenspraxis als in dogmatischen Glaubensfragen. Natürlich gibt es einige Punkte, wo Leiter der zweiten Generation sich in dogmatischen Glaubensfragen von der ersten Generation unterscheiden - diese Differenzen machen sich sogar unter Leitern der zweiten Generation bemerkbar -, aber im Grunde lebt die zweite Generation ihren Glauben anders aus. Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass die zweite Generation sich von einem offensichtlichen und subtilen Pflichtbewusstsein in der Ausübung des Glaubens distanzieren will. Unsere Eltern haben ihren Glauben oft aus Pflichtgefühl ausgeübt, nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern mehr aus Angst, ihr Gesicht in der Gemeinschaft zu verlieren, und haben diesen aus Pflichtgefühl motivierten Glauben ‚Hingabe‘ genannt. Die zweite Generation vertritt die 31 Überzeugung, dass Glaube aus freien Stücken gelebt und praktiziert werden muss, damit er authentisch ist vor Gott und den Menschen. Ich würde sagen, dass es der zweiten Generation ganz stark auf Authentizität ankommt. Von daher hinterfragt die zweite Generation die festgefahrenen und zum Teil konfuzianistisch geprägten Verhaltensweisen der ersten Generation innerhalb der christlichen Gemeinschaft. Dieses Hinterfragen wird von der ersten Generation oft als rebellisch betrachtet, was aber eher dialektischkritisches Denkvermögen ist, das sich viele junge Koreaner in Deutschland durch ihre westliche Bildung als konstruktive Fähigkeit angeeignet haben. Auf der anderen Seite sollte man auch darauf achten, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet, denn es gibt viele Verhaltensnormen der ersten Generation, denen man kein zu großes religiöses Gewicht beimessen sollte, aber die dennoch maßgebend sind für das Gelingen eines harmonischen Zusammenlebens. Leider ist die zweite Generation so sehr von dem Individualismus des Westens geprägt worden, dass sie sich mit dem kollektivistischen Gedankengut der Koreaner schwertut, was das harmonische Zusammenleben beider Gruppen innerhalb einer Gemeinde erschwert. „Die zweite Generation Koreaner denkt nur an sich“ ist ein Vorwurf, den die zweite Generation oft von der ersten Generation hört. In der EXODUS-Konferenz 2011 begegneten sich innerhalb dieses Rahmens erstmals religiöse Leiter der ersten und der zweiten koreanischen Generation in Deutschland, um sich um die praktische Umsetzung gemeinsamer Ziele in ihren Gemeinden zu einigen. Welche Ergebnisse zeitigte die Konferenz? Welche verbindenden Punkte konnten beide Gruppen entdecken? Uns ging es vor allem darum, dass wir gegenüber den Leitern der ersten Generation unsere Vorstellungen von Dienst zum Ausdruck gebracht haben. Es ging uns nicht darum, ein Patentrezept für erfolgreichen Migrantendienst zu vermitteln, sondern eher darum, ins Gespräch zu kommen, um einen gemeinsamen Konsens zu erreichen. Mir scheint es, als ob die erste Generation zu der Einsicht gelangt ist, dass sie die geistliche Verantwortung für die zweite Generation nicht übernehmen kann und somit den geistlichen Leitern der zweiten Generation übergeben muss. Dieser Staffelwechsel ist jedoch bisher noch nicht gut gelungen, aber wir befinden uns in einem Prozess, der unweigerlich darauf hinausläuft, dass die zweite Generation von der ersten ‚empowered‘ (bevollmächtigt) wird, um diese Aufgabe zu erfüllen. Ich halte es für äußerst wichtig, dass christlicher Dienst an Migranten und darüber hinaus nur dann erfolgen kann, wenn beide Generationen sich gegenseitig ergänzen. Sowohl die erste als auch die zwei- 32 te Generation Koreaner haben gewisse Stärken, die - wenn gebündelt - den christlichen Glauben auf eine attraktive Weise verpacken. Sind Koreaner der zweiten Generation im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich religiös? Ehrlich gesagt fällt es mir sehr schwer, die zweite Generation als überdurchschnittlich religiös einzuschätzen. Die Schwierigkeit liegt wohl darin, dass sich kulturelle Normen und christliche Werte in der Spiritualität der koreanischen Christen nicht leicht unterscheiden lassen. Es ist zwar schon so, dass Koreaner der zweiten Generation einen starken Hang zum christlichen Glauben haben, aber die Frage stellt sich, ob sie den Glauben für sich selbst verinnerlicht haben, ob sie Besitz von dem ihnen vermittelten Glauben ergriffen haben. Ansonsten bleibt es nur ein‘ second-hand-faith‘, der von ihren Eltern oder anderen übermittelt wurde. Die Gefahr eines solchen secondhand-Glaubens liegt darin, dass sie den christlichen Glauben, der verdeckt liegt unter einer kulturellen Schicht, falsch interpretieren. So kommt es, dass viele Koreaner der zweiten Generation, die in ihren jungen Jahren ‚religiös‘ waren, Abstand nehmen von dem Glauben, sobald sie das Elternhaus verlassen. Auf der anderen Seite ist es nicht zu verkennen, dass der christliche Glaube eine starke Anziehungskraft auf junge Koreaner in Deutschland hat. Denn der christliche Glaube bietet Lösungen für die spezifischen Probleme, mit denen die Betreffenden konfrontiert sind wie z.B. Identitätssuche, mangelndes Selbstbewusstsein in einer stark konkurrierenden Gesellschaft, falsches Selbstbild usw. Da echter christlicher Glaube immer den Menschen mit seinen Problemen und Bedürfnissen im Blick hat, kann er wertvolle Lösungsansätze für junge Koreaner und andere Randgruppen anbieten. Ich bin der Überzeugung, dass der christliche Glaube für alle Menschen eine starke Anziehungskraft hat, wenn er auf richtige Weise vermittelt wird. In der deutschen Gesamtbevölkerung ist die Zahl der Christen rückläufig. Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Dem stehen sehr aktive und lebendige koreanische Gemeinden gegenüber. Was können die Kirchen in Deutschland von ihnen lernen? Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, der koreanischen Migrantengemeinde die Rolle einer Vorzeigegemeinde zuzuweisen, solange sie ihren Aktionismus nur in ihren eigenen vier Wänden auslebt. Meines Erachtens wird die Lebendigkeit einer Gemeinde darin sichtbar, dass sie missionarisch gesinnt ist, d.h. ihren Blick nach außen richtet, nämlich auf die umgebende Gesellschaft. Leider gibt es nur wenige koreanische Gemeinden in Deutschland, die diese Einstellung einnehmen. Nichtsdestotrotz kann man sagen, dass der christliche Glaube für viele Koreaner eine ganz entscheidende Rolle spielt, insbesondere darin, dass der Glaube immer einen praktischen Bezug hat. Dieser nimmt Bezug auf das Berufsleben, Studentenleben, Ehe, Familie, Bildung, Gemeinschaft, Karriere usw. Dieser praktische Bezug fehlt mir bei den nominalen Christen unter den Deutschen. Der christliche Glaube hier in Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten so sehr rationalisiert, dass er an Lebendigkeit und Relevanz fürs Leben verloren hat. Deshalb erscheint die Kirche in Deutschland für die Koreaner wie ‚tot‘. Für die Koreaner, die stark emotional veranlagt sind, steht im Gottesdienst die Erfahrung mit dem lebendigen Gott im Vordergrund. Diese Lebendigkeit äußert sich durch leidenschaftliches Singen, lautes und intensives Gebet, herzliche Gemeinschaft usw. Im Gespräch mit deutschen Besuchern ist mir aufgefallen, dass es gerade solche Komponenten sind, die attraktiv auf sie wirken, selbst wenn sie ihnen etwas befremdlich scheinen. Aber wie schon vorher erwähnt, dürfen solche Erfahrungen nicht dem Selbstzweck dienen, sondern müssen zugänglich gemacht werden (z.B. durch aktive Inlandmission) für Außenstehende. Sprache und Kultur sind die größten Herausforderungen, die zu überwinden sind, um die aktive und lebendige Glaubenspraxis der Koreaner zu anderen zu transportieren. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich wünsche mir, dass die koreanischen Migrantengemeinden einen missionarischen Weitblick bzw. Tiefblick entwickeln, d.h. dass sie offen und sensibel werden für die Bedürfnisse der deutschen Gesellschaft und nicht nur für die eigenen. Meiner Meinung nach besteht die Daseinsberechtigung einer Gemeinde (damit meine ich jede Gemeinde) darin, die hiesige Gesellschaft durch ihre Dienste zu bereichern. Eine Selbstbereicherung, die nur im Kontext der koreanischen Migranten stattfindet, scheint mir am eigentlichen Auftrag Jesu Christi nach Matthäus 28:18-20 vorbeizugehen. Allerdings bedarf es der Hilfe der zweiten Generation Koreaner, die gut in die deutsche Gesellschaft integriert ist und somit die besseren Voraussetzungen besitzt, den Glauben weiterzuvermitteln. Gleichzeitig ist es wichtig, dass eine Verbindung (oder besser gesagt Versöhnung) zwischen der ersten und der zweiten Generation Koreaner stattfindet, da viele Koreaner der zweiten Generation die Muttergemeinden aufgrund von Missverständnissen und den daraus resultierenden Verletzungen verlassen haben. Eine Annäherung kann nur dann zustande kommen, wenn beide Gruppen ihre Vorurteile ablegen und ihre Wertschätzung der jeweiligen Unterschiede zum Ausdruck bringen. Erst wenn diese Art von Versöhnung innerhalb der Gemeinde stattfindet, kann sie die Botschaft der Versöhnung nach 2. Korinther 5:17 glaubhaft weitergeben. Ich wünsche mir insbesondere einen regen Austausch zwischen geistlichen Leitern der ersten Generation und der zweiten Generation über die gemeinsame Zukunft. Das Interview führte Gesine Stoyke 1 Siehe dazu den Beitrag „Kirche der Superlative“ von Anne Schnep- pen in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.). 2 Eine Jüngerschaftsschulung ist ein Programm, welches in vielen Ge- meinden angeboten wird, um diejenigen, die im Glauben wachsen wollen, durch Lehre und Coaching anzuleiten. Solch ein Programm umfasst in der Regel mehrere Wochen, in denen man zusammenkommt, um über verschiedene Bereiche der Glaubenspraxis zu lernen, wie z.B. Gebet, Gottesdienstbesuch, Evangelisation, Mission, diakonischer Dienst. In vielen Fällen schließt eine Jüngerschaftsschulung mit einem missionarischen Kurzeinsatz in ein anderes Land ab, wo man das, was man gelernt hat, in die Praxis umsetzen kann. 33 CHRISTENTUM Südkoreaner auf Seelenfang Von Malte E. Kollenberg Missionare in Seouls berühmtem Einkaufsviertel Myeong-dong. Auf Englisch, Chinesisch und Japanisch versucht die Frau, die Touristen zu überzeugen. Nicht nur Händler und Warenhäuser machen ein gutes Geschäft mit den Touristen, auch christliche Missionare haben die bei Touristen beliebte Ecke entdeckt. Auf Chinesisch und Japanisch wird gegrüßt. „Konichiwa“ und „Ni hao“ wird den noch Un- oder Andersgläubigen entgegengerufen. Danach folgt eine kurze Auflistung der Vorteile des christlichen Glaubens. Ein Transparent, geheftet an einen mit einem Mikrofon verbundenen Lautsprecher bringt die Mis- 34 sion auf den Punkt: „Jesus ➔ Himmel! Kein Jesus ➔ Hölle“ steht darauf geschrieben. Nach den Philippinen mit weit über 80 Prozent Katholiken hat Korea den größten Anteil an Christen in der Bevölkerung Ostasiens. Etwa ein Drittel aller Südkoreaner gehören einer christlichen Glaubensrichtung an. Und der Trend zeigt weiterhin nach oben. Mit den Gläubigen lässt sich außerdem hervorragend Geld verdienen. Und je mehr Anhänger eine Kirche hat, desto mehr ist auf dem Konto. Missionare als Marketingexperten. Kaum ein öffentlicher Platz in Seoul, an dem einem kein Missionar begegnet. Vor dem Seouler Hauptbahnhof tummeln sie sich ebenso wie vor den Universitäten des Landes. Und selbst in abgelegensten Nebenstraßen kann es ohne Weiteres passieren, dass einem mit einem Lächeln ein Foto: Malte E. Kollenberg E s ist die belebteste Einkaufsstraße im Herzen Seouls. Myeong-dong wird jeden Tag von Tausenden Touristen heimgesucht. Menschenmassen drängen sich durch die Straßen. Sie schieben und schubsen sich vorbei an Schaufenstern und Imbissständen, immer auf der Suche nach einem noch besseren Angebot. Unter ihnen auch christliche Missionare. Auch sie auf der Suche - auf der Suche nach verirrten Seelen, auf Schnäppchenjagd. Foto: privat Päckchen Taschentücher überreicht wird. Auf die Packung gedruckt sind ein Psalm und die Gottesdienstzeiten. Malte E. Kollenberg, aufgewachsen in Bonn und Gummersbach, hat in Bamberg und Seoul Politik- und Kommunikationswissenschaft studiert. 2007 hat er zusammen mit einem Partner das Journalistenbüro KOLLENBECKER gegründet. Jetzt lebt und arbeitet er als Korrespondent in Seoul. Während Millionen Menschen in Metropolen wie Daegu, Busan und Seoul nebeneinanderher leben, bieten die Kirchen etwas, das selten geworden ist im hektischen Alltag und inmitten der kollektiven Suche nach dem Glück im Leben. Sie interessieren sich für die Einzelperson. Missionare zeigen starkes Interesse und nehmen sich Zeit, stellen persönliche Fragen. Wahrscheinlich wäre es nicht einmal zu viel zu sagen, Missionare in Korea legen eine Penetranz an den Tag, die ihresgleichen sucht. Pech, wer da den falschen Namen hat: „Wie heißt du?“ - „Christian“, lautet die Antwort des Austauschstudenten. „Ach, du heißt Christian, das ist ja toll, ein christlich-religiöser Name.“ Auf Englisch klingt das Gespräch aufgrund des Gleichklangs von Namen und dem englischen Wort für Christ noch um einiges witziger. Und schon haben die beiden selbsternannten „Gottesgesandten“ vor einer Universität im Seouler Stadtkern einen Anknüpfungspunkt gefunden. Christian wird nun bis nach Hause verfolgt und beharrlich über die Vorteile des Gottesglaubens im Allgemeinen und über die der Kirche der beiden Missionare im Besonderen aufgeklärt. Die beiden werden erst von ihm ablassen, als er zusagt, sich zumindest für den kommenden Sonntag den Kirchgang vorzunehmen. In Seoul hat auch die größte Kirchengemeinde der Welt ihren Sitz. Der Yoido Full Gospel Church gehören nach eigenen Angaben rund eine Million Gemeindemitglieder an.1 Dabei existiert die Kirche gerade einmal etwas länger als ein halbes Jahrhundert. In ihrer Selbstdarstellung ist die Kirche besonders stolz auf ihre Missionarstätigkeit. 600 Missionare predigen das Wort Jesu auf der ganzen Welt. Und auch an der heimatlichen Glaubensfront ist die Yoido Full Gospel Church vertreten. Mit Zeitungen und eigenem Fernsehsender, um gegen „die satanische Flut böser Medien, die die Kultur in Korea bedrohen“, anzukämpfen. Selbstverständlich gehören zu diesem Vorhaben auch eigene Bildungsinstitutionen in einem Land, das sich stark über Bildung definiert. Die enorme Aktivität koreanischer Christen kann überraschen, ist das Christentum in Südkorea doch wenig älter als 250 Jahre. Vielleicht sollte aber auch gerade deshalb der Eifer nicht überraschen. Auch Missionierung hat in Korea eine relativ kurze Tradition. Erst im Jahr 1777 begann eine kleine Gruppe junger konfuzianischer Gelehrter, sich mit dem Christentum zu beschäftigen. Einer von ihnen, Yi Sung-hun, ließ sich auf einer Reise nach Peking katholisch taufen und kehrte als erster Missionar zurück in seine Heimat. Für den Religionsforscher James Huntley Grayson ist es wichtig, darauf hinzuweisen: „Von Anfang an hat sich die Kirche in Korea selber missioniert.“ Heute gehen koreanische Missionare allerdings einen etwas anderen Weg. Korea sendet nach den USA die größte Anzahl Missionare hinaus in alle Welt. Allein die Anzahl evangelischer Missionare beläuft sich auf weit über 10.000. Hinzu kommen katholische Wanderprediger. Kaum ein Zwischenfall mit Missionaren im Mittleren Osten, in den nicht auch ein koreanischer Staatsbürger verwickelt ist. Hwang Tae-yun vom koreanischen Ableger der Global Mission Society (GMS), einer Presbyterianer-Vereinigung, erklärt die eigene Missionstätigkeit so: „Wir missionieren im interkulturellen Kontext.“ Übersetzt bedeutet das, die 2170 Missionare arbeiten aktiv an der Bekehrung von Nicht-Christen in über 100 Ländern. „Unser Schwerpunkt liegt aber in Asien“, erklärt Hwang. Anders als bei der Missionierung in Korea, wo die Gottesgesandten relativ leicht erkennbar sind, sind in Ländern wie Saudi Arabien, Pakistan oder dem Iran als Geschäftsleute oder Forscher getarnte Missionare unterwegs. Wie viele koreanische Missionare der GMS in diesen Ländern aktiv sind, möchte Hwang nicht sagen. „Wir geben keine Auskunft über Anzahl oder Identität“, erklärt er. Das habe Sicherheitsgründe. Dass die Missionstätigkeit in manchen Teilen der Welt und sogar in Korea auch mit Argwohn gesehen wird, ist für Hwang, den Verantwortlichen für das koreanische Trainings- und Forschungszentrum der GMS, kein Problem. „Unsere Arbeit verursacht Separatismus und zerstört Nationalbewusstsein“, gibt er zu, aber letztlich helfe der christliche Glaube den Menschen. 1 Siehe dazu den Beitrag „Kirche der Superlative“ von Anne Schneppen in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.). 35 CHRISTENTUM „ Ich habe das Restaurant eröffnet, um eine missionarische Aufgabe zu erfüllen. “ Interview mit Park Young Ai, Inhaberin des koreanischen Restaurants „IXTHYS“ in Berlin Ihr Imbiss heißt IXTHYS. Wofür steht der Name? Das griechische Wort für Fisch lautet „ichthys“. Das I-ChTh-Y-S-Symbol besteht aus zwei gekrümmten Linien, die einen Fisch darstellen. Dieses Fischsymbol spielte bereits im Urchristentum eine große Rolle. IX steht für „Jesus Christus“ - es bedeutet, dass Jesus Christus unser Heiland ist. Ich habe den Namen IXTHYS aber auch deshalb gewählt, um Menschen neugierig zu machen, weil sie nicht wissen, was das Wort bedeutet. Aus der Frage nach dem Namen ergibt sich die Gelegenheit, über Jesus Christus zu sprechen. An den Wänden Ihres Restaurants und in der Speisekarte sind Bibelzitate allgegenwärtig. Verbirgt sich dahinter eine missionarische Absicht? Ixthys Pallasstraße 21 10781 Berlin (Schöneberg) Öffnungszeiten: Mo-Sa 12-22 Uhr Ja, ich möchte eine missionarische Aufgabe erfüllen. Die Geschichte der Geburt Jesu Christi findet sich auf den Transparenten an den Wänden. Jesus ist der einzige Mensch ohne Sünde und hat darum die Macht, das Böse zu besiegen. Gott liebt alle Menschen, und sie müssen errettet werden - es ist eine missionarische Tätigkeit, den Menschen das zu sagen. Die Bibelzitate sind nur Buchstaben, solange Menschen den Heiligen Geist nicht empfangen haben, aber wenn wir mit ganzem Herzen lesen, dann erfahren wir Gottes Kraft. Unsere Gäste lesen das Wort Gottes, und für viele hat es keine Bedeutung. Aber eines Tages, wenn sie Probleme haben, wenn sie krank oder dem Tode nahe sind, dann erinnern sie sich hoffentlich an dieses Restaurant und an das Wort Gottes. Ich bete dafür. War die Eröffnung des Restaurants von Beginn an geknüpft an diese missionarische Aufgabe, oder haben Sie diese Idee erst im Laufe der Zeit entwickelt? Seit wann gibt es IXTHYS? An diesem Ort seit 2001. Vorher hatte ich ein Jahr lang einen Imbiss in Charlottenburg – das war Gottes Prüfung. Ich habe die Wände von Anfang an mit Bibeltexten verziert. 36 Foto: Dr. Stefanie Grote Ja, ich habe das Restaurant eröffnet, um eine missionarische Aufgabe zu erfüllen. In der deutschen Kirche gibt es nur noch alte Leute, die den Gottesdienst besuchen, und das liegt daran, dass die Pastoren Theologie nur als Beruf studiert, nicht aber den Heiligen Geist empfangen haben. Damit fehlen ihnen Macht und Kraft, die Menschen zu erreichen - sie predigen nur das tote Wort. Gebetspause des Personals zwischenzeitlich unterbrochen wird. Wer dann bestellen oder bezahlen will, muss warten. Hat Ihre Glaubenspraxis Vorrang vor der Serviceleistung? Ja. Unser Service ist mangelhaft (lacht). Sie bieten keinen Alkohol an. Im Christentum gibt es kein grundsätzliches Alkoholverbot – im Gegenteil: Der Genuss von Wein ist sogar fester Bestandteil der Liturgie. Welchen Grund gibt es, Ihr Angebot auf nicht-alkoholische Getränke zu beschränken? Wir trinken beim Abendmahl auch Wein, und Gott würde das Trinken von Alkohol oder den Verkauf von Alkohol nicht verneinen, das ist keine Sünde. Wenn Menschen aber zu viel trinken, sind sie betrunken, dann macht Alkohol sie kaputt. Unser Essen ist scharf, und wenn es warm ist im Sommer, würden die Gäste sicher drei oder vier Biere trinken, manche sogar mehr – das ist nicht gut für sie. Würden Sie einen Angehörigen einer anderen Konfession bei IXTHYS beschäftigen? Wenn der Betreffende sich nicht bekehren lassen würde, könnten wir nicht zusammenarbeiten, weil der Geist ein anderer ist. Das wäre nicht harmonisch. Meine Glaubensbrüder und –schwestern hatten Befürchtungen, dass die Gäste deshalb ausbleiben, weil sie das nicht mögen. Haben sich diese Befürchtungen bestätigt? Wie reagieren die Besucher auf diese Art der Gestaltung? Am Anfang haben viele gedacht, wir seien eine Sekte, ich habe das so oft gehört. Viele neue Gäste verlassen das Restaurant, wenn sie die Bibeltexte sehen. Ich kann das gut verstehen. Ein Gast sagte einmal, dass ihm das Leben nach dem Tod egal sei, er werde davon ja ohnehin nichts merken. Außerdem sei es in der Hölle warm, und deshalb wolle er dort sein. Ich habe geantwortet, dass nur der Körper vergänglich ist, die Seele aber ewig lebe. Er hat darauf nichts mehr gesagt. Was entgegnen Sie, wenn Gäste Ihr Konzept als rigoros und dogmatisch kritisieren? Wie gesagt, ich kann das verstehen. Wenn Gäste trotz ihrer Kritik interessiert sind, dann können wir ins Gespräch kommen, aber wenn nicht, dann akzeptiere ich die Kritik nicht. Manchmal weine ich, weil unsere Gäste das Wort Gottes nicht verstehen. Dann bete ich für sie. Ich habe einen Frieden in mir, der von Gott kommt. Das Interview führte Dr. Stefanie Grote Gibt es umgekehrt auch Besucher, die Ihren Imbiss gezielt aufgrund der Gestaltung besuchen, weil sie sich hier aufgehoben fühlen? Die meisten kommen einfach, weil sie das Essen mögen. Einige kommen aber auch wegen des Gotteswortes und wegen der Atmosphäre der Liebe, die sie hier umgibt. Es kann passieren, dass der Restaurantbetrieb wegen einer Park Young Ai 37 CHRISTENTUM Kirche der Superlative Die Yoido Full Gospel Church Von Anne Schneppen Foto: privat W Anne Schneppen lebte von 2005 bis 2007 mit ihrer Familie in Seoul und arbeitete von dort - wie schon zuvor aus Tokio - als Fernost-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In Korea beschäftigte sie sich vor allem mit politischen, aber auch gesellschaftlichen Themen. er die Yoido Full Gospel Church sucht, braucht keinen Stadtplan. Man kann sie gar nicht übersehen. Die Kirche hat Ausmaße wie ein Sportstadion. Hier auf der Insel Yoido in Seoul feiert die größte Gemeinde der Welt ihre Gottesdienste, und das ist jedes Mal eine Meisterleistung der Organisation. So groß ist die Schar der Gläubigen, dass es sonntags sieben Messen braucht, um sie alle aufzunehmen, zu jeder kommen an die 20.000 Menschen. Es wird nicht gedrängelt oder geschubst, wenn sich die Kirche im 80-MinutenTakt leert und wieder füllt wie eine gigantische Badewanne. Ein Heer von Helfern mit WalkieTalkies lenkt die Ströme. Am Haupteingang warten Saalordner in weißen Dinnerjacketts und fischen jene heraus, die noch unsicher wirken, weil sie zum ersten Mal da sind. Immer sind auch Ausländer darunter, denn eine Messe in der Yoido Full Gospel Church gehört fast schon zum Touristenprogramm. Die Gäste werden über den Fahrstuhl zu einer für sie reservierten Empore geleitet. „Halleluja! You are truly blessed to be here“ [„Halleluja! Sie sind wahrhaft gesegnet, hier zu sein!“], begrüßt sie der Platzanweiser auf Englisch. Dolmetscher und Kopfhörer stehen für die Übersetzung bereit, man hat die Wahl zwischen Englisch, Chinesisch, Japanisch, Russisch, Indonesisch, Spanisch und Französisch. Tief unten im gigantischen Saal bringen die vielen Sänger des Gospelchors - begleitet von einem beeindruckenden Orchester - die Gläubigen in Schwung. Später werden sie in hymnenartige Gesänge ausbrechen. Einige werden in Ekstase geraten, unter lautem Beten die Hände zum Himmel richten, sich wie in Trance vor und zurück wiegen. Halleluja! Die Sonntagsmessen erreichen hunderttausende Gläubige - nicht nur in der Kathedrale und ihren Nebenräumen, sondern auch in Außenkirchen, denn die Predigt wird auf Bildschirmen per Satellit übertragen. Man kann sie auch im Radio hören und mehrsprachig im Internet he- 38 runterladen. Die pfingstlerisch-charismatische Yoido Full Gospel Church ist eine Kirche der Superlative: Mehr als 500 Pastoren, ein Dutzend Chöre, Missionare in mehr als 50 Ländern. Zum Glaubensimperium gehören Hochhäuser, Zeitungen, Rundfunksender, Hochschulen, soziale und karitative Einrichtungen. 1993 wurde die Yoido Full Gospel Church als größte Einzelgemeinde der Welt ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen. Heute wird die Zahl ihrer Mitglieder mit rund 700.000 angegeben, manche sprechen gar von einer Million. Wie viele es tatsächlich auch sein mögen - die Kirche ist eine Erfolgsgeschichte der Evangelisation. Südkorea ist in Asien das christlichste Land nach den Philippinen, aber mehr protestantisch als römisch-katholisch geprägt. In Europa mögen die Kirchen an Anziehungskraft verlieren, nicht so in Korea. Im nächtlichen Seoul leuchten überall rote Neonkreuze. Niemand wundert sich über Laienprediger auf Straßenkreuzungen oder über Gläubige, die schon vor Morgengrauen zum Beten gehen. Seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 hat sich das Christentum mit großer Geschwindigkeit ausgebreitet: Fast ein Drittel der 48 Millionen Einwohner ist heute christlich. Von den zehn größten Kirchen der Welt befinden sich acht in Südkorea, die meisten dieser protestantischen Megakirchen entspringen wie die Yoido-Gemeinde der charismatischen Bewegung, beeinflusst von amerikanischen Missionaren, die Ende des 19. Jahrhunderts die ersten protestantischen Gemeinden gründeten. Die Geschichte der Yoido Full Gospel Church ist nicht von ihrem Gründer zu trennen. Cho Yong-gi kam 1936 in einfachen Verhältnissen zur Welt, Korea stand damals unter dem Joch japanischer Besatzung. Mit sechzehn erkrankte er an Tuberkulose, und die Ärzte eröffneten ihm, dass es keine Hoffnung mehr gebe. Eine Freundin seiner Schwester bekehrte ihn auf dem Krankenbett. Nach Darstellung seiner Kirche erschien ihm damals Christus in Gestalt Die Full Gospel Church in Yoido ist mit über 750.000 Mitgliedern die größte christliche Kirchengemeinde der Welt. Tausende Gläubige füllen die Kirche zu einem Gottesdienst bis auf den letzten Platz. Für ausländische Besucher wird der Gottesdienst simultan übersetzt. Foto: Malte E. Kollenberg eines Lichts. Cho wurde geheilt, studierte Theologie. 1958 gründete er die Full Gospel Church. Der Durchbruch kam, so heißt es in der Kirchenchronik, als Cho eine von Gicht gelähmte Frau gesund machte. Die Berichte über Wunder und Heilungen durch Handauflegen und Exorzismen verbreiteten sich wie Lauffeuer und führten der jungen Gemeinde neue Mitglieder zu, insbesondere Frauen. 1968 zählte die Yoido-Kirche 8000 Mitglieder, 1973 zog sie auf die damals kaum entwickelte Yoido-Insel im Han-Fluss, 1979 waren die 100.000 überschritten. Gestützt auf die persönliche Heilungserfahrung hat der geschäftstüchtige Pastor Cho ein außerordentlich erfolgreiches System geschaffen, das kritische Beobachter als „religiöses Business mit autoritären Strukturen“ beschreiben, beeinflusst vom amerikanischen Evangelikalismus, aber tief verwurzelt in der koreanischen Kultur, in der Volksglaube und Schamanismus noch lebendig sind. Cho bietet seinen Anhängern eine religiöse Erfahrung, er nutzt Prophetie, Vision, Heilung, Zungenrede und ist dabei doch auf das Diesseits konzentriert. Wer die Kirche betritt, muss vorbei an Tausenden mit Umschlägen gefüllten Holzfächern, die nach den Namen der Gläubigen geordnet sind. Die Mitglieder sind angehalten, jeden Monat ein Zehntel ihres Bruttoeinkommens der Kirche zu spenden. Die Botschaft des Glaubens ist einfach und pragmatisch: Wer gibt, erhält ein Vielfaches zurück, nicht erst im Jenseits, sondern hier und jetzt: Wohlstand und Erfolg als Beweis für Gottes Wohlgefallen. Für manche von Chos Kritikern ist dies allzu viel materialistischer Fundamentalismus, einmal abgesehen von Vorwürfen mangelnder Transparenz bei den Finanzen. Ende 2011 geriet Cho Yong-gi in die Schlagzeilen der heimischen Medien, es ging um den Verdacht der Veruntreuung von Kirchengeldern. Die Vorwürfe kamen aus den eigenen Reihen. Der Stimmung in der Megakirche tut das keinen Abbruch. Die perfekte Choreografie des Gottesdienstes endet mit dem Einnehmen der Geldspenden. Eine lange Prozession von Kollektensammlern bahnt sich den Weg nach vorn. Frauen im bunten Hanbok [한복, koreanische Nationaltracht] reichen große Samtsäcke herum. Vor dem Altar werden die Gaben zu Bergen aufgehäuft. Anschließend braucht es mehrere starke Männer, um sie aus dem Saal zu schleppen. Mit einem herzlichen „Halleluja“ entlässt uns der Saaldiener. Draußen warten schon wieder viele hundert Gläubige geduldig auf Einlass. 39 CHRISTENTUM „Die koreanische Kirche […] hat noch viel nachzuholen, was den Konsens zwischen verschiedenen Kirchenrichtungen angeht“ Interview mit Rev. Myung-chul Jung, Senior Pastor der Dorim Church und Vorsitzender des KoreaGermany-Ghana Church Relations Committee1 der Yeong Dong Po Presbytery Die Dorim Church ist Teil der Yeong Dong Po Presbytery. Können Sie das Presbyterium einmal vorstellen? Wie viele Mitglieder hat es? der Presbytarian Church of Korea (PCK) und der Pfälzischen Landeskirche. Welche Austauschprogramme finden regelmäßig statt? Die Yeong Dong Po Presbytery ist eines der 64 Presbyterien2, die Teil der General Assembly of Presbyterian Churches (Hauptversammlung presbyterianischer Kirchen) in Korea sind. Zur Yeong Dong Po Presbytery gehören verschiedene Bezirke im Südwesten Seouls (Yeong Dong Po-gu, Guro-gu, Yangcheon-gu, Gangseogu und Geumcheon-gu) sowie die Stadt Gwangmyeong (Provinz Gyeonggi). Die Yeong Dong Po Presbytery, die 1958 gegründet wurde, blickt auf eine Geschichte von 54 Jahren zurück. Aus Statistiken vom Dezember 2010 geht hervor, dass die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder zum damaligen Zeitpunkt 83.192, die Zahl der dazugehörigen Kirchen 105 und die Zahl der Pfarrer 352 betrug. Als Ende der Sechzigerjahre koreanische Krankenschwestern und Bergarbeiter nach Deutschland entsandt wurden, führte dies dazu, dass zwischen koreanischen und deutschen Kirchen ein lebendiger Kontakt zustande kam. Daraus entwickelten sich 1979 auch grundlegende Kooperationsbeziehungen zwischen der Yeong Dong Po Presbytery Church und dem Evangelischen Missionswerk in Südwestdeutschland e.V. (EMS), das Teil des Zusammenschlusses Evangelischer Kirchen in Deutschland (EKD) ist. Welchen theologischen Grundgedanken vertreten Sie, und worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben? Die Yeong Dong Po Presbytery vertritt die theologische Linie der General Assembly of Presbyterian Churches in Korea. Sie basiert auf den Worten des Herrn (der Bibel) und folgt der Tradition der reformierten Kirche. Sie strebt nach einer Theologie, die sich vollständig nach dem Evangelium und der Bibel richtet. Sie vertritt auch den Gedanken der Ökumene und kooperiert mit der Katholischen Kirche, der Anglikanischen Kirche und anderen christlichen Kirchen auf der Welt. Darüber hinaus geht sie aktiv auf gesellschaftliche und historische Probleme und Fragestellungen ein. Unser Presbyterium setzt sich vorrangig für die soziale Missionsarbeit und die Verbreitung des Evangeliums ein. Auch bemüht es sich darum, im Einklang mit den Lehren Jesu Christi den Gedanken des Teilens und des Dienstes am Nächsten in die Realität umzusetzen. Wir beten für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt und setzten uns dafür ein, auf unserer Erde das Land Gottes zu verwirklichen. Seit über 20 Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen 40 Die Pfälzische Landeskirche, ein Mitglied des EMS, nahm 1984 Kontakt zur Presbyterian Church of Korea auf. Statt eines formellen Austausches wurde ein lebendiges Presbyterium mit einem grundlegenden Programm angestrebt. Deshalb unterhält die deutsche Seite seit November 1999 eine aktive Kooperation mit der Yeong Dong Po Presbytery. Auf den Rat der Pfälzischen Landeskirche hat unser Presbyterium im Jahre 2001 Kooperationsbeziehungen zu Ghana etabliert und das Korea-Germany-Ghana Church Relations Committee gegründet. Bis jetzt ist es gelungen, durch verschiedene Aktivitäten das gegenseitige Verständnis zu fördern. Es gab gegenseitige Besuche, um Glaubenserfahrungen miteinander zu teilen, und es wurden alle Arten von gesellschaftsbezogenen Informationen (über Geschichte, Kultur u.a.) ausgetauscht. Im Rahmen des Programms, welches das Korea-Germany-Ghana Church Relations Committee durchführt, übermitteln die Kirchenvertreter regelmäßig Neuigkeiten über ihre Kirche und die Mission und entsenden alljährlich Delegationen zu den Generalversammlungen der Kirchenverbände in den jeweils anderen Ländern. Jedes Jahr findet ein Austauschprogramm zwischen Jugendlichen aus Korea und Deutschland statt, um die Kirchengemeinde im Partnerland kennenzulernen. Auch werden Missionare und Praktikanten geschickt, die über einen kurzen Zeitraum bleiben. Die Yeong Dong Po Presbytery hat mit besonderer Unterstützung der Pfälzischen Landeskirche ein Zentrum für Computerausbildung im ghanaischen Akosombo gegründet. Durch die Entsendung von koreanischen Missionaren und die Kooperation mit den Kirchen vor Ort werden den jungen Menschen in Ghana Träume und Hoffnungen gegeben. Das Zentrum für Computerausbildung bringt pro Jahr rund 1000 Absolventen hervor. Viele Jugendliche in Ghana hoffen, dort eine Ausbildung machen zu können. Es wird im ganzen Land sehr gut angenommen. Darüber hinaus setzt sich unsere Kirche dafür ein, dass Pastoren aus Ghana am Presbyterian College and Theological Seminary (Universität und theologisches Seminar der presbyterianischen Kirche) in Korea studieren können. Was konnten Sie - die deutsche und die koreanische Seite voneinander lernen? Unser Presbyterium erhält durch die deutsche Partnerkirche einen Einblick in die christliche Kultur und in den Diakonischen Dienst. Dank dieses Einblicks haben wir ein großes Interesse für soziale Belange entwickelt und beteiligen uns nun aktiv an der öffentlichen Wohlfahrt. Die Kirche in Deutschland hat sich sehr darum bemüht, im Wiedervereinigungsprozess die Einheit eines geteilten Landes wiederherzustellen und erforscht die Faktoren, die zur Wiedervereinigung beigetragen haben. Unsere Kirche erhält auf diese Weise viele Lektionen, wie sie in Zukunft in Bezug auf die koreanische Wiedervereinigung vorgehen sollte. © Yeong Dong Po Presbytery Unter der Voraussetzung der Wahrung des jeweiligen Bekenntnisstandes hat die evangelische Kirche in Deutschland einen Konsens der evangelischen Kirchen (lutherische, unierte und reformierte Kirchen) erreicht und mit dem Zusammenschluss der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein riesiges Instrument für die Kooperation dieser selbständigen Gliedkirchen geschaffen. Die koreanische Kirche, die ein bemerkenswertes Wachstum erzielte, hat noch viel nachzuholen, was den Konsens zwischen verschiedenen Kirchenrichtungen angeht. Durch das Beispiel der evangelischen Kirchen in Deutschland erhält sie eine große Unterstützung auf ihrem Weg dorthin. Die Presbyterian Church of Korea ist mit rund 2,3 Mio. Mitgliedern die zweitgrößte presbyterianische Glaubensgemeinschaft weltweit. Warum ist es der presbyterianischen Kirche Ihrer Meinung nach gerade in Korea gelungen, so viele Mitglieder zu gewinnen? Die Presbyterian Church of Korea besitzt eine vergleichsweise kurze Geschichte von über 120 Jahren. In dieser Zeit Plakat für Frieden und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel, angefertigt im Rahmen des koreanisch-deutschen Besuchsprogramms. hat sich ein erstaunliches Wachstum vollzogen, für das man weltweit nur schwer eine Entsprechung finden kann. Für den Erfolg insbesondere der presbyterianischen Kirche in Korea gibt es verschiedene Gründe: Erstens ist dieser auf den traditionellen Einfluss zurückzuführen. Die Koreaner besitzen gegenüber dem Schamanismus, dem Buddhismus, dem Konfuzianismus und anderen Religionen eine große Offenheit. Aufgrund dieser Vorbedingungen fiel es ihnen leicht, das Evangelium des Christentums zu verstehen und anzunehmen. Insbesondere der konfuzianistische Einfluss ist in Korea sehr stark. Dieser trug zur Entstehung einer gesellschaftlichen Rangordnung bei. Dieser Einfluss hatte wiederum zur Folge, dass die Koreaner ohne ablehnende Haltung die Gottesverehrung sowie die Verwaltungs- und Führungsstrukturen der presbyterianischen Kirche akzeptieren konnten und diese sehr stark wachsen konnte. Zweitens sind die aktive Missionspolitik und die RevivalBewegung (Erlösungsbewegung) als Gründe zu nennen. Viele der ausländischen Missionare, die zu Anfangszeiten der Missionierung in Korea tätig waren, gehörten 41 Foto: privat der presbyterianischen Glaubensrichtung an. Unter den Missionaren, die von der presbyterianischen Kirche aus den USA, Kanada und Australien entsandt wurden, haben viele in Korea Kirchen gegründet und zur Ausbildung von koreanischen Geistlichen und Kirchenvertretern beigetragen. Im Zentrum Pastor Myung-chul Jung der großen Revival-Bewegung, die 1907 in der Jangdaehyeon-Kirche in Pjöngjang startete, standen presbyterianische koreanische Pastoren. Die Leidenschaft dieser Pastoren für den Erlösungsgedanken hatte einen enormen Einfluss auf das Wachstum der presbyterianischen Kirche. Drittens entsprach die presbyterianische Kirche den Anforderungen und gesellschaftlichen Veränderungen der damaligen Zeit. Sie hatte einen großen Einfluss auf den Modernisierungsprozess, der den gesellschaftlichen Veränderungen folgte. Indem sie zur gesellschaftlichen Gesamtentwicklung wie der Medizin, dem Erziehungswesen und der Jugendbewegung einen großen Beitrag leistete, erfuhr sie viel Anerkennung von der Bevölkerung. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Gottesdienste in Korea gut gefüllt und werden auch gerade von jungen Menschen besucht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Die Kirche in Korea zeigt ein großes Interesse an der religiösen Erziehung junger Menschen. Denn die junge Generation ist die Generation, die die koreanische Kirche schultern und weiterführen muss. Der Großteil der koreanischen Kirchen hat eine autonome Jugendabteilung, damit sich junge Menschen frei entfalten können. Unsere Kirche lässt es nicht an Unterstützung für sie fehlen. Welche Rolle kommt den Frauen in Ihrer Kirche zu? In der koreanischen Kirche existieren verschiedene Altersgruppen. Dabei darf man nicht die Bedeutung der Frauen übersehen, die innerhalb dieser Gruppen wichtige Rollen und Pflichten übernehmen. Für das schnelle Wachstum der koreanischen Kirchen waren die weiblichen Anhängerinnen von immenser Bedeutung. Durch ihren Dienst am Nächsten haben sie der Kirche und der koreanischen Gesellschaft gedient, und auf diese Weise hatten sie einen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum der koreanischen Kirche. Heute leisten die Frauen in den koreanischen Gemeinden 42 eine sehr aktive Arbeit. Durch die „Weibliche Missionsgesellschaft“, die ein autonomes Werkzeug ist, beteiligen sie sich an der Mission, dem Dienst am Nächsten, der Bildung und der Ausbreitung des Glaubens. Die Zahl der Pastorinnen und weiblichen Kirchenältesten nimmt zu. Selbstverständlich sind bislang im Vergleich zu Deutschland die Rolle und die Position der Frauen in der Kirche noch eher unzureichend. Durch eine Weiterführung der gesellschaftlichen und kirchlichen Aktivitäten wird die Position der Frauen Stück für Stück aufgewertet werden. Für welche Ziele will sich die Yeong Dong Po Presbytery in Zukunft besonders einsetzen? Die General Assembly of Presbyterian Churches hat sich folgende Ziele gesetzt: • • • • • • • Erzielen eines Konsenses im Leben und Glauben der Christen Eine aktive Rolle der Kirche in der Gesellschaft Eine friedliche Wiedervereinigung und Bemühungen um die Evangelisierung und Demokratisierung Nordkoreas Bemühungen um eine soziale Einheit, u.a. durch Heilung des Konfliktes, der durch die gesellschaftliche Polarisierung entsteht Strategien für die Ausbildung von Nachwuchs Verbesserung der Qualifikation der Pastoren (u.a. Standardisierung der theologischen Ausbildung) Eine erfolgreiche Durchführung des World Council of Churches (WCC) in Busan 2013 u.a. Zu den Zielen der Yeong Dong Po Presbytery Church zählen die aktive Missionsarbeit im In- und Ausland und die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Korea-GermanyGhana Church Relations Committee durch die Schule für Computerausbildung in Ghana. Übersetzung und Interview: Gesine Stoyke 1 Komitee für die kirchlichen Beziehungen zwischen Korea, Deutsch- land und Ghana 2 Das Presbyterium ist das in presbyterianischen Kirchen aus Pfarrern, weiteren ordinierten Theologen und leitenden Ältesten bestehende Leitungsgremium eines Verbandes von Kirchengemeinden (http:// de.wikipedia.org/wiki/Presbyterium). Presbyterianische Kirche: Die Presbyterianischen Kirchen sind der größte Zweig der reformierten Kirchen mit Ursprung in Schottland. Generell werden reformierte Kirchen mit schottischen Wurzeln als „presbyterianisch“, solche mit Wurzeln auf dem europäischen Festland als „reformiert“ bezeichnet (http://de.wikipedia.org/wiki/Presbyterianische_Kirchen). CHRISTENTUM Evangelische koreanische Gemeinde Berlin e.V. Foto: Park Kun Wook Interview mit Pastor Sungho Cho Wie groß ist die Evangelische koreanische Gemeinde Berlin e.V.? Sonntags kommen immer über 100 Gläubige zum Gottesdienst zusammen. In welcher Sprache werden die Gottesdienste abgehalten? Auf Koreanisch. Am ersten Sonntag jedes Monats oder im Rahmen eines sonntäglichen Sondergottesdienstes halten wir den Gottesdienst jedoch in deutscher Sprache ab. Welches persönliche Anliegen liegt Ihnen als Pastor der Gemeinde besonders am Herzen? Die meisten Mitglieder unserer Kirche sind Einwanderinnen, die als Krankenschwestern in den Sechziger- und Siebzigerjahren nach Deutschland kamen, heirateten und mit Deutschen oder Koreanern eine Familie gründeten. Als sie jung waren, haben sie viel gearbeitet und sich der deutschen Gesellschaft gut angepasst, aber heute sind sie alt und vermissen ihre Heimat. Deshalb möchte ich Ihnen über das Wort Gottes zunächst einmal Trost und Frieden vermitteln und ihnen helfen, eingehend über die Bedeutung und den Wert des Lebens nachzudenken. Ich sage ihnen, dass sie stolz auf sich und auf ihre Hingabe an die Familie sein können und auf ihr Heimatland. Darüber hinaus möchte ich, dass sie realisieren und bekräftigen, dass es für sie als Christen immer noch viel zu tun gibt für das Königreich Gottes - jetzt und hier in Deutschland. Ich hoffe also, dass unsere Kirche diese Art der Kirche sein wird, die ich nachfolgend beschreibe: 1. Eine Kirche als Raum, um innerhalb der Gemeinde zusammen zu lachen und zu weinen. 2. Eine Kirche, die Respekt hat vor dem Leben der Eltern, die sich ihrer Familie und ihrem Heimatland gewidmet haben und welche den Glauben und den Geist der Eltern auf kreative Weise weitergibt und entwickelt. 43 3. Eine Kirche, die Leidenschaft und Interesse an der multikulturellen Mission gegenüber Einwandererfamilien sowie an der religiösen Erziehung der zweiten Generation (der in Deutschland lebenden Koreaner, Anm. d. Red.) hat. 4. Eine Kirche, die sich immer reformiert mit Ausnahme der Wahrheit des Evangeliums. Um das zu tun, werde ich im Rahmen meines Missionsbereiches - Deutschland - die Traditionen und Hinterlassenschaften der Reformkirche studieren. Foto: privat 5. Eine Kirche, welche die Schmerzen der Trennung meines Landes teilt und an den Vereinigungsbemühungen der koreanischen Kirche teilhat. Zu diesem Zweck werde ich mich mit der Rolle und den Aktivitäten der Reformierten Kirche in Deutschland auseinandersetzen, die zur Vereinigung von West- und Ostdeutschland beigetragen haben. Pastor Sungho Cho Ich bin gemäß der Vereinbarung zwischen der Presbyterianischen Kirche der Republik Korea (PROK) und dem Berliner Missionswerk (BMW) als Missionar der Generalversammlung nach Deutschland gekommen. Ich werde versuchen, die Horizonte der gegenseitigen Missionarstätigkeiten zu erweitern, die auf der Partnerschaft zwischen der Kirche in Deutschland und der in Korea basiert. Das Christentum bildet heute mit über 14 Millionen Anhängern (29,2% der Bevölkerung) die größte Glaubensgemeinschaft in Südkorea, obwohl traditionell eher der Buddhismus auf der Halbinsel verwurzelt ist. Welches sind die Gründe für den Aufstieg und die große Popularität des Christentums in Korea? In erster Linie denke ich, dass emotionale und religiöse Leidenschaft der Koreaner die Basis für den Aufstieg des Christentums in Südkorea bilden. Das heißt, dass zum einen der kulturelle Kontext und die koreanische Mentalität maßgeblich bedeutsam sind. Zum anderen spielen die politische Situation und soziale Ängste eine Rolle. Menschen erfahren durch Religion Trost und Ermutigung, und wenn das Leben beängstigend und unsicher wird, wenden sie sich der Religion zu, um psychische Stabilität zu gewinnen oder in eine jenseitige, der Realität ferne Welt zu entfliehen. Ich glaube, dass die durch Militärdiktatur und nationale Teilung Koreas entstandene politische Verunsicherung und gesellschaftliche Spannungen paradoxerweise zum Aufstieg des Christentums beigetragen haben. Ein weiterer Faktor ist die wirtschaftliche Situation und der darin begründete Wertewandel. Seit den 1970er Jahren erlebte Korea ein enormes Wirtschaftswachstum, von dem jedoch nicht alle Menschen profitierten. Es gab ein zunehmendes Wohlstandsgefälle - die Reichen wurden reicher, die Armen 44 ärmer. Wenngleich es den Menschen besser ging als zuvor, litt der Großteil der Bevölkerung Mangel. Materielle Werte wurden bedeutsamer. Eine Religion, welche sichtbares und praktisches Glück verspricht und verfolgt, scheint für Menschen attraktiv zu sein, die sich nach Geld, Macht und Ehre sehnen. Zu der Zeit waren die beliebtesten Bibelverse der Christen in Südkorea beispielsweise: > „Beloved, I wish above all things that thou mayest prosper and be in health, even as thy soul prospereth“ (KJV, 3 John 1:2). > „I can do all things through Christ which strengtheneth me“ (KJV, Philippians 4:13). Darüber hinaus ist die kirchengeistliche Situation, die „Wachstumstheologie“, von Bedeutung für den Aufstieg des Christentums. Verschiedene Formen von Erweckungstreffen (Erweckungsbewegung) und die Heilig-Geist-Bewegung verstärkten die religiösen Emotionen der Koreaner und führten zur Vergrößerung der Kirchengemeinde. Diese Entwicklung löste unter den Kirchen eine Konkurrenzsituation aus, welche die Entstehung weiterer Kirchen begünstigte und eine Erhöhung der Mitgliederzahl bewirkte. In dieser Zeit hieß das aus den USA kommende, theologische Modell der Kirche in Korea „Wachstumstheologie“. Zahlreiche theologische Hochschulen wurden gegründet, die eine große Anzahl Pastoren ausbildeten und verschiedene Methoden entwickelten, um auf die steigende Zahl der Kirchenmitglieder zu reagieren. gleich mit den schweren Zeiten verbessert. Dienstleistungsindustrien wie Freizeit, Sport, Tourismus entwickelten sich, sodass die Fülle des Lebens sowie die Freizeitkultur die Religion und den Gottesdienst ersetzten. Das ist allerdings ein ‚äußerer‘ Grund. Es gibt noch einen anderen, schwerwiegenden Grund. Viele Kirchen haben sich der Welt zugewandt und den Geist des Evangeliums verzerrt, sodass sich die Werte und Lebensstile von Christen nicht mehr von denen der Nicht-Christen unterscheiden. Es verbreitete sich solch eine negative Auffassung über die Kirche und das Christentum, dass ich diesen Umstand für den entscheidenden Faktor in Bezug auf das nachlassende Wachstum der Kirche in Korea halte. Heute müssen sich die Kirche und das Christentum auf die vergangenen Zeiten besinnen, als es ein quantitatives Wachstum gab, und sie müssen ernsthaft über das Wesen der Kirche und des Christentums nachdenken. Sie müssen auch versuchen, die prophetische Mission gegenüber der Welt und den Menschen einzulösen, die im Ergebnis einer ernstlichen Polarisierung des Wohlstands in Armut leben. Interview und Übersetzung: Dr. Stefanie Grote Von diesen kulturellen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen waren jedoch nicht nur das Christentum, sondern auch andere Religionen wie z.B. der Buddhismus betroffen und haben insgesamt zu einer Vergrößerung der Glaubensgemeinschaften geführt. Darüber hinaus gab es kleine Kirchen, die gegen eine ungerechte Macht kämpften und an der Seite der Armen und Unterdrückten standen. Sie machten auf Gottes Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt aufmerksam und verstanden sich als Jünger von Jesus Christus. Sie verbreiteten Hoffnung inmitten von Verzweiflung. Weil es derart prophetische Kirchen gab, war das Christentum in Korea wie ein Licht im Dunkel der Welt. Seit den 1990er Jahren hat sich das Wachstum der Kirche in Korea verlangsamt. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Lebensqualität hatte sich im Ver- 45 ISLAM Zentralmoschee Seoul Islam in Korea gestern und heute Foto: Siqbal Von Dr. Stefanie Grote W er sich für Religion und Glaubensrichtungen in Südkorea interessiert, denkt gemeinhin an Buddhismus, Christentum, Schamanismus und vielleicht auch an die Philosophie des Konfuzianismus, aber vermutlich nicht an den Islam. Die muslimische Welt ist geografisch weit entfernt und im Lebensalltag der Koreaner wenig präsent - und mit ihr die Konfession. In der Tat zeigt die Aufteilung der Konfessionszugehörigkeiten, dass 46.5 Prozent der Südkoreaner ohne Religionszugehörigkeit sind, 29.2 Prozent dem Christentum, 22.8 Prozent dem Buddhismus und nur etwa 0.1 Prozent dem Islam angehören. Dennoch gab es bereits im Frühmittelalter Berührungen zwischen Korea und dem Islam. Die ersten nachweisbaren Kontakte gehen auf das 9. Jahrhundert zurück, als persische und arabische Seefahrer und Händler in Verbindung mit dem Vereinigten Silla-Reich (668 – 935) standen und sich teilweise dauerhaft in Korea niederließen. Bereits im Jahr 845 finden sich entsprechende Quellennachweise: „Over the sea beyond China lies a mountainous country called ‘Silla’, rich in gold. Muslims 46 who arrive there by accident are so attracted by its character that they stay there forever and do not want to leave.’’ („Auf der anderen Seite des Meeres jenseits von China liegt ein bergiges Land namens ‘Silla’, reich an Gold. Muslime, die zufällig dort hinkommen, sind vom Charakter des Landes derart fasziniert, dass sie für immer dort bleiben und nicht mehr gehen wollen.“). Die Handelsbeziehungen zwischen der islamischen Welt und der koreanischen Halbinsel erstreckten sich bis ins 15. Jahrhundert und führten zur Errichtung muslimischer Dörfer und zu Familiengründungen zwischen Muslimen verschiedenster Herkunft und Koreanerinnen. Während der Goryeo-Zeit (918 – 1392) eröffneten Muslime Geschäfte und bauten Moscheen in der damaligen Hauptstadt Gaeseong. Über China gelangten Einflüsse arabischer Muslime nach Korea. Sie haben zur Gewinnung medizinischer Substanzen eine Technologie zur Destillation entwickelt, die von den Koreanern zur Herstellung des beliebten alkoholischen Getränkes Soju („gebrannter Alkohol“) genutzt wurde. Einflüsse muslimischer Wissenschaftler zeigen Foto: privat sich auch im Bereich der Astronomie durch die Nutzung kalendarischer Techniken in Korea. Nichtsdestotrotz gibt es keinen Hinweis auf nennenswerte gesellschaftliche Prägungen durch Muslime in dieser Zeit. Dr. Stefanie Grote, Redaktion Kultur Korea Infolge der politischen Isolation Koreas während der sich anschließenden Joseon-Ära (1392 – 1910) und aufgrund einer Anordnung König Sejongs (Regierungszeit: 1418 – 1455), welche die vollständige Assimilation der Muslime verlangte, verschwand der Islam in Korea bis zum 20. Jahrhundert. Die ersten Koreaner, die in der Neuzeit wieder mit dem Islam in Berührung kamen, waren Arbeiter, die während der japanischen Besetzung Koreas (1910 - 45) zwangsweise in die Mandschurei umgesiedelt wurden. Einige von ihnen konvertierten infolge des Austausches mit den Muslimen zum Islam. In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts hieß die japanische Kolonialmacht Hunderte ethnisch türkische Muslime willkommen, die infolge der kommunistischen Revolution aus Russland geflohen waren. Nach 1945 verließen sie Korea aufgrund des aufkommenden Nationalismus jedoch wieder, ohne in der Kürze der Zeit bedeutende Spuren hinterlassen zu haben. Eine größere Islamisierung ergab sich erst infolge des Korea-Krieges (1950 - 53). Mit dem Einsatz türkischer Streitkräfte, die an der Seite des Südens und als enge Verbündete der Amerikaner im Korea-Krieg kämpfen, gewann der Islam wieder an Bedeutung. Sie zählten mit 15.000 Soldaten zu den größten Einheiten und waren auch in hohem Maße an humanitären Einsätzen beteiligt, bauten Schulen für koreanische Kinder und eröffneten verschiedene Mobilküchen für Bedürftige. Die türkischen Alliierten errichteten sogenannte „Zelt-Moscheen“, die ursprünglich nur den Soldaten dienten, schließlich aber zu Zentren missionarischer Tätigkeit wurden. Koreanische Konvertiten wurden eingeladen, an Gebeten und Predigten teilzunehmen - ab 1953 auch am Freitagsgebet. Seither verzeichnet der Islam ein stetiges Wachstum in Korea. 1955 gründeten die ersten Konvertiten die Korea Muslim Society, die 1967 zur offiziell von Regierungsseite anerkannten Korea Muslim Federation (KMF) wurde. Bis 1955 kann von der Existenz einer muslimischen Gemeinde nicht die Rede sein. Das sollte sich in den nachfolgenden Jahren ändern. 1956 wurde die erste Moschee eröffnet, die allerdings nur vorübergehend zur Verfügung stand. Bis zur Eröffnung der Zentralmoschee Seoul in Itaewon 1976 fanden sich gläubige Muslime in verschiedenen temporären Moscheen zusammen. Zu diesem Zeitpunkt belief sich die Zahl der Muslime landesweit nur auf 3700. Drei Jahre später, 1979, waren es bereits 15.000, was als Indiz dafür gewertet werden darf, dass die Zentralmoschee Seoul durchaus ihren Beitrag zur Entwicklung des Islam in Korea geleistet hat. Allen voran erlebte der Islam jedoch aufgrund der Entsendung Zehntausender koreanischer Arbeiter in die Länder des Mittleren Ostens während der Siebzigerjahre in Korea einen Aufschwung, weil die Rückkehrer in der Zeit ihres Auslandseinsatzes vielfach zum Islam konvertiert waren. Heute gibt es zudem Moscheen in Busan, Anyang, Gwangju, Jeongju und Daegu. Seit den Neunzigerjahren hat es eine langsame, aber stetige und vornehmlich muslimisch geprägte Immigration aus den Ländern Südasiens und des Mittleren Ostens gegeben - die Zuwanderer kommen zumeist als Fremdarbeiter nach Korea. Die muslimische Gemeinde ist in Seoul konzentriert und setzt sich aus Koreanern und Angehörigen anderer ethnischer Gruppen zusammen. Gemäß jüngsten Schätzungen leben derzeit etwa 100.000 Muslime in Südkorea, darunter etwa. 35.000 – 40.000 ethnische Koreaner. Wenngleich der Islam ein zunehmendes Wachstum verzeichnet, bleiben Muslime im Vergleich zu 14 Millionen Christen und mehr als 10 Millionen Buddhisten in Südkorea eine deutliche Minderheit.1 1 Im nachfolgenden Interview erläutert Professor Don Baker die gegenwärtigen Entwicklungen des Islam in der koreanischen Gesellschaft und erklärt, warum die Koreaner für diese Weltreligion so wenig empfänglich sind und was geschehen müsste, damit sich das änderte. Quellenauswahl: http://asiaquarterly.com/2006/06/01/ii-139/ http://world.kbs.co.kr/german/korea/korea_aboutreligion.htm http://www.islamawareness.net/Asia/KoreaSouth/ ks_news006.html http://www.islamkorea.com/english/articlean1.html 47 ISLAM „Um dem Islam in Korea zu mehr Popularität zu verhelfen, müssen sich muslimische Organisationen mehr in die Gesellschaft einbringen.“ Interview mit Don Baker, Professor für Koreanische Kultur an der University of British Columbia. Der Islam ist eine Minderheitenreligion in Korea. Aktuelle Schätzungen gehen von insgesamt etwa 100.000 Muslimen aus, darunter ca. 35.000 – 40.000 ethnische Koreaner. Während sich die Gemeinde nicht-koreanischer Muslime angesichts des wirtschaftlichen Bedarfs an Gastarbeitern in den Neunzigerjahren in Korea beachtlich vergrößerte, blieb die Zahl koreanischer Muslime in den letzten 20 Jahren fast unverändert. Welche Gründe vermuten Sie für diese Stagnation? Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Zunächst einmal sind viele der ersten koreanischen Muslime in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts während ihrer Zeit als Gastarbeiter im Bauwesen in Libyen, Ägypten oder Saudi Arabien zum Islam konvertiert. Heute entsendet Korea nicht mehr ansatzweise so viele Bauarbeiter in arabische Länder, sodass sich der Zuwachs neuer Konvertiten verlangsamt hat. Der bedeutendste Grund ist allerdings vermutlich, dass sich die Koreaner seit der Zunahme pakistanischer und indonesischer Muslime in den Moscheen Koreas nicht mehr so zu Hause fühlen, wie einst. Einige koreanische Muslime, mit denen ich sprach, erzählten mir, dass sie sich in der Moschee viel wohler gefühlt haben, als sie von Freunden umgeben waren, mit denen sie Koreanisch sprechen konnten. Sie betrachten sich immer noch als Muslime, aber sie gehen nicht mehr so häufig in die Moschee, weil sie - jenseits der Religion – mit den meisten Menschen dort nicht viel gemeinsam haben. In Ihrem Aufsatz „Islam Struggles for a Toehold in Korea“ („Der Islam versucht, in Korea Fuß zu fassen) erheben Sie die These, dass der Islam aufgrund des „Widerwillens…, seine ethischen und rituellen Ansprüche lokalen Gewohnheiten anzupassen“, in Korea eine Minderheiten-Religion 48 Don Baker ist Professor für Koreanische Kultur an der University of British Columbia/ Kanada - Abteilung für Asienstudien: Er beschäftigt sich seit 1971 mit koreanischer Geschichte und Religion. bleiben wird. Viele Muslime beklagen hingegen eine mangelnde Integrationsbereitschaft von Seiten der Koreaner und wenig Akzeptanz gegenüber fremden Bräuchen, wie beispielsweise dem Alkoholverbot im Islam. ,,Kein Geschäftsabschluss ohne gemeinsames Trinken“, bedauern muslimische Geschäftsleute beispielsweise. Die Gegenthese könnte also lauten, dass der Islam aufgrund der mangelnden Integrationsbereitschaft seitens der Koreaner eine Minderheiten-Religion bleiben wird. Was würden Sie entgegnen? Ich glaube nicht, dass das Alkoholverbot der Muslime das Problem ist. Über 20% der Südkoreaner sind protestantische Christen, sie trinken auch nicht. Ich denke, das Hauptproblem ist das täglich fünfmalige Gebet. Damit stehen Muslime abseits der Gesellschaft. Koreaner bevorzugen es jedoch, innerhalb der Gesellschaft einen Platz zu haben. Gleiches gilt für die Erwartungen einiger Muslime in Bezug auf den Kleidungsstil von Frauen. Koreaner wollen eingepasst sein in gesellschaftliche Strukturen, sie wollen sich nicht mit irgendwelchen bedeutenden Unterschieden befassen, mit denen sie z.B. durch Religion konfrontiert sind. Foto: privat Der Generalsekretär der Korea Muslim Federation (KMF), Kim Hwan-yoon, erklärte 2008 in einem Interview mit der Tageszeitung „Korea Times“: „Aufgrund einiger beunruhigender, durch Muslime begangene Vorfälle in der Vergangenheit haben viele Koreaner verzerrte Informationen über den Islam. Infolgedessen gibt es nur wenige Koreaner, die zum Islam konvertieren.“ Teilen Sie diese Ansicht? Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um dem Islam in Korea zu größerer Popularität zu verhelfen? Wenngleich es keinerlei terroristische Anschläge gab, an denen Muslime in Korea beteiligt waren, wissen die Koreaner um das Image, das der Islam in vielen Teilen der westlichen Welt hat. Sie haben viele Vorurteile der Nordamerikaner und der Europäer gegenüber Muslimen übernommen und betrachten sie als Menschen, die eine Anpassung an die Gesellschaften, in denen sie leben, verweigern. Um dem Islam in Korea zu mehr Popularität zu verhelfen, müssen sich muslimische Organisationen mehr in die Gesellschaft einbringen - auf eine Weise, die die Koreaner beeindruckt (z.B. Hilfe für Bedürftige, Förderung kultureller und künstlerischer Bemühungen usw.). Je mehr Muslime in Korea als aktive Mitglieder einer breiteren koreanischen Gesellschaft sichtbar werden, desto größer wird das Ansehen des Islam sein. Welche Prognose würden Sie in Bezug auf die zukünftige Entwicklung des Islam in Korea wagen? Die Pläne zur Öffnung weiterer Moscheen und muslimischer Bildungseinrichtungen wird die Solidarität der muslimischen Gemeinschaft in Korea stärken, aber gleichzeitig eine weitere Separierung der Muslime vom Rest der koreanischen Gesellschaft befördern. Vorträge über den Islam mögen das Verständnis für den Islam verbessern, aber sie werden auch verdeutlichen, inwiefern islamische Glaubensgrundsätze von den traditionellen koreanischen Überzeugungen abweichen. Die muslimische Gemeinschaft in Korea sollte über Möglichkeiten nachdenken, einen stärkeren Beitrag zur koreanischen Gesellschaft zu leisten, indem sie beispielsweise kostenlose Speisen für Bedürftige anbietet oder Stipendien für koreanische Studierende vergibt, um ihnen einen Besuch der Schule ihrer Wahl zu ermöglichen - nicht nur muslimischer Schulen. Interview und Übersetzung: Dr. Stefanie Grote Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beklagen viele Muslime starke Vorurteile innerhalb der koreanischen Gesellschaft. Zugleich hat das Interesse am Islam von diesem Tag an derart zugenommen, dass die Korea Muslim Federation (KMF) am Wochenende Vorträge über den Islam für die Öffentlichkeit anbietet. Seit 2004 gibt es den ersten muslimischen Friedhof und seit 2009 die erste islamische Grundschule. Korea zählt mittlerweile diverse Moscheen, Madrasa (islamische Schule), Musalla (offene Gebetsstätte im Islam) und islamische Zentren. Darüber hinaus gibt es Pläne, ein islamisches Bildungsinstitut, Sekundarschulen, ein islamisches College und eine Universität zu gründen. 49 VOLKSGLAUBE Das Jahr des „Schwarzen Drachens“ Von Ha Phuong Le 50 Bräutigam günstig ist, die Hochzeit zelebrieren zu können, sollten Heiratswillige so früh wie möglich mit den Vorbereitungen beginnen. Denn schon zu Beginn des Jahres sind die beliebtesten Orte für eine Hochzeitsfeier reserviert, was ein „spontanes” Fest sichtlich erschweren könnte, wenn man den Gästen ein exquisites Ambiente bieten möchte. Einige Hotels, unter anderem das „Westin Chosun Hotel”, das „Renaissance Seoul Hotel” oder das „Marriott Seoul Hotel” verzeichnen eine sensationelle Steigung der Buchungsraten im Vergleich zum Vorjahr. Einige Hochzeitssäle sind bereits ausgebucht. Auch auf Nachwuchs wartende Eltern haben so einen triftigen Grund, ihren heiratsscheuen Kindern ins Gewissen zu reden, bei denen das Alter nach koreanischer Ansicht bereits die Grenze der gesellschaftlichen Akzeptanz tangiert. Doch Vorsicht, Hellseher offenbaren, dass nicht alle im Drachenjahr geborenen Kinder mit vielversprechenden Eigenschaften gesegnet sein werden. Es hänge doch von einigen numerischen Kriterien ab, wie z.B. vom Geburtsmonat, -tag oder von der Geburtszeit, ob ein „Drachenbaby” von den positiven Energien profitieren könne. Doch all das kann den Optimismus werdender Mütter und Väter nicht trüben. Foto: KOREA Magazin D as Jahr des Drachens hat zwar schon längst in Asien begonnen, doch der Zauber um seine mystische Kraft, neuem Leben viel Glück und Segen zu bescheren, ist noch nicht verflogen. Der „Schwarze Drachen” (Koreanisch: 임진, „Imjin”), so sagt man ihm nach, ist ein Wasserdrache und komme alle 60 Jahre im chinesischen Tierkreiszeichen vor. Er repräsentiert sozusagen den Star schlechthin unter allen anderen Drachen des chinesischen Horoskops. Ganz besonders viel Glück, Wohlstand und Zufriedenheit solle er denjenigen bringen, die in diesem Jahr geboren werden oder sich das Ja-Wort geben wollen. Zweifellos haben sich der Babyboom und das Heiratsfieber zu diesem Anlass in den ostasiatischen und südostasiatischen Ländern zu einem regelrechten Trend entwickelt. Nicht wenige Paare schmieden daher noch in diesem Jahr den Plan, Hochzeit und die Geburt des ersten Kindes unter einen Hut zu bringen. Einige akzeptieren sogar eine Hochzeit in der eher unbeliebten Wintersaison, um ja noch im Glück verheißenden Jahr des Drachens den Bund der Ehe eingehen zu können. Der aufkommende Wunsch nach Eheschließung stimuliert ungemein die Nachfrage nach geeigneten Hochzeitslocations, wovon natürlich auch die gesamte Hochzeitsbranche profitiert. Um an einem geeigneten Tag, an dem die Sternenkonstellation für Braut und Foto: privat Ha Phuong Le ist in Vietnam geboren und wuchs seit ihrem fünften Lebensjahr in Berlin auf. Interessiert an kulturellen Verflechtungen zwischen ostund südostasiatischen Ländern studiert sie Koreanistik/Ostasienwissenschaften an der Freien Universität (FU) Berlin. Sie verbrachte fünf Monate in Busan und steht derzeit kurz vor ihrem Bachelor-Abschluss. Der sinkenden Geburtenrate kommt ein solch verheißungsvoller Aberglauben-Cocktail dennoch zu Gute, zumindest trifft dies auf Korea zu. Statistiken zufolge wurden in Korea 2007 (Jahr des Goldenen Schweins) und 2010 (Jahr des Weißen Tigers) tatsächlich mehr Babys geboren als in den weniger „umworbenen” Jahren. Anderswo könnte die Lage natürlich auch Negativauswirkungen haben. Das ohnehin schon bevölkerungsreiche Nachbarland China zum Beispiel sieht sich durchaus (in naher Zukunft) mit einigen Engpässen in den Bildungseinrichtungen konfrontiert. Spätestens dann, wenn die Eltern mit ihren „Drachenbabys” vor der Wahl einer guten Kindertagesstätte stehen. Doch dem Babyboom begegnen auch einige Koreaner nicht mit bloßem Entzücken. Einige zeigen sich zu Recht besorgt, da diese Generation einem höheren Wettbewerb ausgesetzt sein wird. Krankenhäuser und Fruchtbarkeitskliniken in China bereiten sich jedenfalls schon auf ein besonders geschäftiges Jahr vor. Die Bedeutung des Drachens in Korea Zwar ist der Drache sowohl in der okzidentalen Kultur als auch in der asiatischen eine imaginäre Gestalt, die dem volkstümlichen Brauchtum entsprungen ist, doch die Bedeutung des Drachens in den beiden Kulturen könnte unterschiedlicher nicht sein. Während der Drache in den abendländischen Märchen zumeist als feuerspuckendes Monster dargestellt wird und bestenfalls noch in den Köpfen der Kinder oder in Fantasygeschichten als Unheil bringendes Wesen präsent ist, wird dem Drachen in der asiatischen, darunter auch in der koreanischen Kultur, von alters her eine äußerst symbolhafte und nahezu gottähnliche Rolle zugesprochen. Drachenfiguren, die altertümliche und buddhistische Bauwerke oder das königliche Mobiliar verzieren, findet man fast überall in Korea. Diese architektonischen Elemente lassen sich darauf zurückführen, dass die Verehrung des Drachens bereits in der frühen Ära der königlichen Dynastie entflammte und dass ihre Spuren bis in die heutige Zeit reichen. Das erste Werk, das auf Hangeul [한글, koreanisches Alphabet] geschrieben wurde, war „Yongbieocheonga” (용비어천가), „Das Lied von den zum Himmel aufsteigenden Drachen”. Ein traditioneller Begräbniswagen ist in Korea mit einem Drachen geschmückt und soll den Verstorbenen auf seinem Weg ins Jenseits eskortieren. Selbst wenn man im Traum einem Drachen begegnet, ist das ein positives Zeichen. Doch ein Blick auf vergangene Ereignisse, die sich in den Jahren des „Schwarzen Drachens” (Imjin) zugetragen haben, lässt nicht nur Gutes für Korea erahnen. 1232 überfielen die Mongolen das Goryeo-Reich (918 – 1392) und zwangen es, seine Hauptstadt auf die Insel Ganghwa zu verlegen. Der Invasionskrieg von 1592 unter dem japanischen Feldherren Toyotomi Hideyoshi fiel auch in das Jahr des Schwarzen Drachens, der demzufolge als Imjin-Krieg bezeichnet wird. In der Joseon-Zeit betrachtete man „Imjin“ daher als eine bedrohliche Kreatur. Im chinesischen Kalender bzw. im chinesischen Tierkreiszeichen verkörpert der Drache einen der zwölf Erdzweige. Zusammen mit den zehn Himmelsstämmen ergibt sich der 60-Jahreszyklus, der auf einem Nummerierungssystem basiert. Anders als beim Gregorianischen Kalender richten sich die Monate im chinesischen Kalender nach dem Mondzyklus. Deshalb wird er bekanntlich auch als Mondkalender (음력, Eumnyeok) bezeichnet. Geschichtliche Quellen deuten darüber hinaus auf eine enge Verbundenheit zwischen dem buddhistischen Glauben und dem Fabelwesen Drachen hin. Demnach sollen sich buddhistische Mönche vor Hunderten von Jahren ein Zubrot mit der Erstellung von Horoskopen verdient haben, die auf Basis der chinesischen Tierkreiszeichen konzipiert waren. Ähnlich wie in der westlichen Astrologie werden den zwölf Tierkreiszeichen bestimmte menschliche Charakterzüge zugeordnet. Der Drache personifiziert seit jeher den Vorboten des Glücks und des positiven Wandels. Menschen, die unter diesem Tierkreiszeichen geboren werden, gelangen leichter zu Ruhm, Reichtum und Prestige, nicht zuletzt auch dank ihrer gesegneten Eigenschaften, welche die besten Voraussetzungen für den Erfolg sind: Mut, Ehrgeiz, Intelligenz und Tüchtigkeit. Bei so vielen positiven Attributen wundert es niemanden, dass manch angehendes Elternpaar leicht ins Schwärmen gerät. Schließlich soll dem Nachwuchs nur das Beste in die Wiege gelegt werden. 51 Unternehmen reagieren besonders aufmerksam auf die Trends und gesellschaftlichen Phänomene. Den Trubel um das Jahr des „Schwarzen Drachens” macht sich natürlich auch der Handel zunutze und kurbelt seine Verkaufszahlen durch ein „drachenreiches” Angebot an, das zumeist als Glücksbringer die Herzen der Kundschaft erobert. Große Einkaufszentren wie „Lotte” ziehen die Aufmerksamkeit der Besucher mit extravaganten EyeCatchern an, wie z.B. mit einer überlebensgroßen Drachenfigur, die von 2012 traditionellen Taschen umschlungen ist. Ein anderes Kaufhaus lockt seine im Drachenjahr geborene Kundschaft mit Extrarabatten an. Jene, die 1952 geboren wurden - also in einem ImjinJahr - bekommen Gratis-Essen. Auch Luxusliebhaber kommen voll auf ihre Kosten. Der Kristallmacher Swarovski entwirft eigens für diesen Anlass eine strikt limitierte Sammlung von Drachenfiguren aus Kristallen. Kreationen wie Eiscremetorte in Form eines „Flying Dragon”, „Drachenwein” oder „Makgeolli” [막걸리, Reiswein] mit Drachenlabel versprühen eine Art Glückszauber, welcher durch Körper und Geist geht. Babyprodukte mit Drachenmotiven gibt es in allen erdenklichen Farben und Variationen. Sie sollen die angeregte Stimmung und die Vorfreude werdender Eltern steigern und noch zusätzlich zum Konsum verführen. Auch Geschäftsleute versprechen sich ein besonders erfolgreiches Jahr. Die Macht des Glaubens Es ist ein regelrechter Wettlauf, in dem das Glück jedem greifbar nahekommt, der es nur will. Doch Paare sollten ihr Eheglück nicht allein auf dem allgemeinen Volksglauben aufbauen. Sich auf traditionelle Weissagungen zu verlassen, hat bis jetzt noch niemandem zum Erfolg verholfen. Ein ähnliches Beispiel ist der Glaube an die Zahlensymbo- 52 lik. Paaren, die sich an sogenannten Schnapstagen (also z.B. am 11.11.11 oder am 12.12.12) dazu verleiten lassen, zu heiraten, prophezeien Psychologen ein eher kurzes Eheglück. Denn die Glückserwartungen einer höheren Macht anzuvertrauen, könnte durchaus unschöne Folgen haben. Doch von ein bisschen Aberglauben, der den Optimismus der Menschen anregt, könnte sich der Westen durchaus eine Scheibe abschneiden. Denn der Glaube an Glück und Wandel ist durchaus tröstlicher, als die Ankündigung eines Weltuntergangs, wie nach dem Kalender der Maya vorausgesagt... . Quellenauswahl: http://www.koreaherald.com/national/Detail. jsp?newsMLId=20111230000452 http://world.kbs.co.kr/english/news/news_ zoom_detail.htm?No=6541 http://www.koreatimes.co.kr/www/news/nation/2011/12/113_101898.html http://www.korea.net/detail.do?guid=60949 http://www.koreatimes.co.kr/www/news/ art/2012/01/248_102318.html Foto: Byeon Han Seop Profit durch Aberglauben VOLKSGLAUBE Schamanismus: ein Glaube, der die koreanische Seele immer noch anspricht Von der Schamanin Myung-Ok Yoo E Schamanin (무당, Mudang), die an einem Häckselmesser emporsteigt, um die seelische und die reale Welt miteinander zu verbinden. Soseul-Gut (솟을굿, „Ritual des Aufsteigens für die Gottheit und die Spiritualität des Schamanen selbst“) von Myung-Ok Yoo in berühmtes Seouler Café - beliebter Treffpunkt von Studenten und anderen Mitgliedern der jungen Generation. In seiner Mitte war eine große Birke errichtet worden, an der unzählige Zettel gelben Papiers hingen. Darauf hatten Menschen in kleinen Schriftzeichen ihre Wünsche geschrieben. Als ich die Birke sah, in deren Zweigen dicht an dicht beschriebene Zettel hingen, kam mir der „Birkenbaum der Schamanen“ in den Sinn. Gemeint ist der Birkenbaum, von dem der Religionswissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller M. Eliade sagte: „Die rituelle Birke erkletternd, steigt er (der Schamane) in Wirklichkeit zum Wipfel des kosmischen Baums. Kosmologisch betrachtet erhebt sich der Weltenbaum im Zentrum der Erde, in der Gegend ihres „Nabels“, und seine obersten Zweige rühren an den Palast Bai Ülgäns (Radlov, Aus Sibirien II, S.7)“.1 Der Birkenbaum der Schamanen ist ein Lager der heiligen Weisheit und für den Schamanen ein Baum des ewigen Lebens und der Erkenntnis. Der Weltenbaum symbolisiert das Universum, das sich ohne Unterlass reproduziert. Bei Eliade ist zu lesen: „Die Birke symbolisiert den Weltenbaum, die Sprossen stellen die verschiedenen Himmel dar, welche der Schamane im Laufe seiner ekstatischen Himmelsreise zu passieren hat; sehr wahrscheinlich ist das in diesem Ritual enthaltene kosmologische Schema von orientalischem Ursprung.“2 In einem Zustand, in dem die Schutzgeister von der Schamanin (koreanisch Mudang: 무당, 巫堂) Besitz ergreifen, steigt sie an einer Art traditionellem Häckselmesser hoch, das der Struktur des Birkenbaums der Schamanen ähnelt und stellt eine symbolische Verbindung zwischen der seelischen und der realen Welt her. Auf der Messerspitze stehend wehrt die Schamanin das schmerzhafte Schicksal der Menschen, die das Ritual in Aufrag gegeben haben, mit ihrem Körper ab, besänftigt und reinigt die Seelen der Ahnen, die mit viel Gram („Han“: 한, 恨) gefüllt sind, und entsendet sie in den Himmel. Sie fällt das Orakel der menschlichen Seele und stellt die Harmonie des aus den Fugen geratenen Lebens wieder her. Der Schamanismus war traditionell im Leben des koreanischen Volkes am lebendigsten verankert. Heute werden die Funktionen des Schamanismus auf verschiedene Weise fortgeführt: in den Dorf-Riten (Maeul Gut: 마을굿, 洞祭), in denen für Frieden, eine ertragreiche Landwirtschaft und einen üppigen Fischfang der dörflichen Gemeinschaft gebetet wird, in der Wahrsagerei (Jeombok: 점복, 占卜) sowie in schamanistischen Riten und nichtzeremoniellen Handlungen zum Heilen von Krankheiten, die dazu dienen, die Probleme und das Leid von Einzelpersonen oder Familien zu heilen. Zum Schamanismus in Korea existieren zwei unterschiedliche Meinungen. Die eine wird von Harvey Cox vertreten, der als größter Religions- und Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts verehrt wird. Er betrachtet den koreanischen Schamanismus als das ursprüngliche Glaubenssystem heutiger Koreaner. Die andere Meinung wird von den Missionaren der Vergangenheit und von denjenigen vertreten, die das Christentum als das exklusive Glaubenssystem betrachten: „Da die Vitalität des Schamanismus in Zeiten der Industrialisierung langsam abnimmt, wird es nicht lange dauern, bis er auf koreanischem Boden ausgestorben sein wird.“3 Diese Einschätzung sollte sich als falsch erweisen. Anders als vorhergesagt, stellte der Schamanismus seine zähe Lebenskraft unter Beweis und übt durch die wissenschaftliche Ergänzung mit den vielen, in 53 Heute ist in Korea insbesondere bei der jungen Generation die Wahrsagerei in Mode. Aktuell gibt es in der Umgebung der Universitätsstraßen viele entsprechende Cafés. Dort werden neben Getränken auch Weissagungen anhand von Saju (사주, 四柱: die „Vier Säulen“, die das Jahr, den Monat und den Tag der Geburt nach dem Mondkalender sowie die Geburtsstunde symbolisieren), Gesichtslesen (Gwansang: 관상, 觀相) und Tarot-Karten angeboten. Bei den jungen Menschen sind vor allem Prophezeiungen über die eheliche Harmonie zweier potenzieller Partner (Gunghap: 궁합, 宮合) gefragt. Der Schamanismus, der früher als Volksreligion anerkannt war, wird heute verweltlicht und kehrt in der postmodernen Zeit im Gewand einer neuen Kultur zurück. Was ist der Grund dafür, dass der Schamanismus, der auf dem Nährboden des Bewusstseins und Alltags der Koreaner entstanden ist, nach wie vor in der koreanischen Gesellschaft lebendig ist? Als Charakteristika des Schamanismus, der sich gegenwärtig in der koreanischen Gesellschaft herausbildet, fallen mir folgende Punkte ins Auge: 1) Der Schamanismus ist im religiösen Bewusstsein der Koreaner tief verwurzelt. Zwar hat er Elemente von Religionen in sich aufgenommen, die von außen nach Korea kamen, aber er hat seine Veränderungen und Weiterentwicklungen im Einklang mit der religiösen Denkweise der Koreaner vollzogen. Auf diese Weise hat er eine ausgeprägte Vitalität entwickelt, die die Gesamtheit der koreanischen Religion und Kultur durchdringt. 2) Die Weltanschauung des Schamanismus strebt nach Harmonie. Im Einklang mit der Mentalität des koreanischen Volkes löst er in 54 Foto: privat Foto: privat Myung-Ok Yoo erhielt am 28. August 1997 von ihrer „Geistigen Mutter“ Geum-hwa Kim das Sin-NaerimGut (신내림굿, „schamanistische Initiierungszeremonie, um Schutzgeister zu empfangen“) und wurde damit zur Schamanin geweiht. Sie studierte an der Hochschule für bildende Künste Hamburg im Fachbereich Visuelle Kommunikation/ Medien Dokumentarfilm im Hauptfach und nahm nach ihrem Studienabschluss an Aufbaustudien teil. Später belegte sie am C.G. Jung-Institut in Zürich eine berufsbezogene Fortbildung zur Anwendung auf eine seelsorgerische Tätigkeit. Heute ist die Schamanin Leiterin von „Futura Energia“, einer Beratungsstelle für Psyche und Seele in Seoul. Tel. (0082) 2 -34639916 E-Mail: avantgardeschaman@yahoo.de Blog: http://blog.naver. com/alephpearl.do der koreanischen Gesellschaft existierenden Religionen nach wie vor einen großen Einfluss auf das Leben der Menschen aus. Es ist jedoch bedauerlich, dass in der aktuellen religiösen Situation der Schamanismus, in dem die Harmonie und die Vereinigung von Seele und Natur eine wichtige Rolle spielt, nach und nach seine Funktion als Numen4 verliert. Das Heilige und das Profane werden langsam getrennt, und der Schamanismus wird in Form von Aufführungen, Kunst und Wahrsagerei (Jeombok) zunehmend säkularisiert. Verlust- und Krisensituationen wie Tod und Krankheit Probleme durch schamanistische Rituale und durch nichtzeremonielle heilende Handlungen. So beantwortet er in angemessenem Maße den Wunsch nach Stabilität im Leben und geht auf soziale Bedürfnisse ein. 3) Diejenigen, die durch schwierige Glaubensund Alltagssituationen schmerzhafte Erfahrungen machen, empfinden die Weltanschauung und die Rituale des Schamanismus als eine Art seelischer Heilung. Für diese Menschen bieten sie ein psychologisches Sicherheitsgefühl und eine Katharsisfunktion. Der Schamanismus liefert in Not- und Krisensituationen Weisheit und Kraft, die dabei helfen, die realen Probleme aktiv zu lösen. 4) Die Menschheit, die einen starken Freiheitswillen besitzt, lehnt sich gegen die Ordnung des Glaubens oder des Universums auf und Der Schrein der Mudang Lee Yeong-hee, die eine Bewahrerin der Tradition des Seoul Saenam-Rituals ist. will gegen das Schicksal ankämpfen, das ihr gegeben wurde. Deshalb entwickelt sie Handlungen, um durch Wahrsagerei, Prophezeiungen und schamanistische Praktiken (schamanistische Rituale, nichtzeremonielle Handlungen zur Heilung von Krankheiten) Gegenmaßnahmen zu ergreifen und das eigene Schicksal zu beeinflussen. 5) Wenn die Menschheit mit einem großen Schicksalsschlag konfrontiert wird, entwickelt sie eine deterministische Einstellung, die sie Schicksal nennt, statt die Auffassung zu vertreten, dass sie selbst für ihre Handlungen verantwortlich sei. Auf diese Weise erlangt sie Seelenruhe. Das menschliche Unterbewusstsein, das auf die Auslöschung des inneren Widerspruchs hofft, scheint sich zum Schamanismus hingezogen zu fühlen. In der koreanischen Gesellschaft ist eine „Renaissance des Schamanismus“ angebrochen. Der Schamanismus stößt insbesondere bei der jungen Generation auf große Resonanz. Der wichtigste Grund dafür ist, dass er die Hoffnung zu vermitteln scheint, dass er die Fragen nach dem Geist, der Materie, der Gottheit und der Natur zufriedenstellend beantworten kann, die bisher von der Vernunft und dem Nationalismus nicht beantwortet werden konnten. Auch scheint es, dass die menschliche Sehnsucht nach einer reinen Spiritualität in Form einer neuen Kultur - dem Schamanismus - zurückkehrt. In Zukunft werden die Koreaner in ihrem Leben nicht mehr einer passiv vorgegebenen Zukunft („Futura“) entgegensehen, sondern einer aktiv herbeigesehnten Zukunft („Avenir“). Übersetzung aus dem Koreanischen: Gesine Stoyke 1 Eliade, Mircea: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik, S. 259, suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2 Ebenda, S. 4. 3 Mun Sang-hui, Ist es Schamanismus oder ist es Christentum?, Sonderausgabe zum Aberglauben des 20. Jahrhunderts, S. 40. 4 In der älteren römischen Religion bezeichnet ,,Numen“ mehr das Wirken und den Willen einer Gottheit als diese selbst. Dieses Numen konnte Naturerscheinungen wie einem Fluss, einem Baum oder einem Stein innewohnen (http://de.wikipedia.org/wiki/Numen). 55 VOLKSGLAUBE Wahrsagepraktiken in Korea – aktuell wie eh und je D ie Wahrsagerei entspringt dem Verlangen der Menschheit, das eigene Schicksal in Erfahrung zu bringen und Einfluss darauf zu nehmen. In Korea hat sie eine lange Tradition, wie folgende historische Beispiele belegen: Eine der frühesten Erwähnungen stammt aus der Zeit der Drei Königreiche (57 v.Chr. – 668 n.Chr.)1, und im Königreich Silla (57 v.Chr. – 935 n.Chr.) gab es einen eigens dafür eingesetzten Beamten (일관, Ilgwan), dessen Aufgabe es war, den Herrscher über ungewöhnliche Naturphänomene zu unterrichten. In der Goryeo-Zeit (918 – 1392) wurde diese Funktion von einem „Doktor der Weissagung“ übernommen, der auf der Grundlage seiner Interpretation der Naturerscheinungen Vorhersagen über Einzelpersonen oder die Dynastie traf. In der Joseon-Zeit (1392 – 1910) soll der Gelehrte Yi Ji-ham (Gelehrtenname: 토정, Tojeong) das Wahrsagebuch „Tojeong Bigyeol“ (토정비결, „Geheimnisse des Tojeong“) verfasst haben.2 Der als Exzentriker bekannte Yi war in vielen Bereichen wie der Astronomie und der Geologie versiert. Nachdem er das Schicksal einiger Freunde vorhergesagt hatte, verbreitete sich sein Ruf, über besondere Fähigkeiten zu verfügen, im ganzen Land, und die Menschen kamen von weit her, um sich von ihm beraten zu lassen. Das „Tojeong Bigyeol“ soll der Gelehrte geschrieben haben, damit auch Laien auf einfache Weise Voraussagen über ihre Zukunft treffen konnten. Es enthält eine Sammlung von insgesamt 144 Vorhersagen und basiert auf Geburtsdaten und Trigrammen aus dem chinesischen „Buch des Wandels“, einem Klassiker auf dem Gebiet der Prophezeiungen. Auch im heutigen High-Tech-Land Korea verlassen sich viele Menschen auf jahrtausendealte Methoden wie die Wahrsagerei, wenn es um wichtige Lebensfragen und -entscheidungen geht. Zu Zeiten der asiatischen Finanzkrise Ende der Neunzigerjahre und ebenfalls in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise war und ist die Nachfrage nach den erhofften Heilsbringern groß. Manche witzeln sogar, dass die Wahrsagerei in der Asienkrise der Neunzigerjahre der einzige florierende Wirtschaftszweig gewesen sei. In Phasen der allgemeinen Instabilität suchen die Menschen ihre Zuflucht im Übernatürlichen, wie eine 2009 vom Internetportal „Career“ durchgeführte Umfrage nahelegt. Unter den 1557 befragten Arbeitssuchenden gaben rund 60 Prozent an, einen Wahrsager besucht zu haben oder zu 56 Von Gesine Stoyke planen, dies in naher Zukunft zu tun. Laut den Aussagen von Paik Woon-san, dem Vorsitzenden der Association of Korean Prophets (Verband koreanischer Wahrsager), hatte seine Organisation im gleichen Jahr mehr als 300.000 praktizierende Mitglieder. Selbst in der Politik greift man gern auf sie zurück. Kandidaten erhoffen sich vor den Wahlen eine Bestätigung ihrer Chancen, und renommierte Zeitungen publizieren die Prophezeiungen berühmter Wahrsager über den Wahlausgang. Auch im privaten oder geschäftlichen Bereich werden Vorhersagen erbeten. Ein klassisches Beispiel ist die Mutter, die den Wahrsager konsultiert, bevor ihr Kind die in Korea so wichtige Universitätsaufnahmeprüfung ablegt, ein weiteres der Geschäftsmann, der sich eine zweite Meinung zu einer besonders wichtigen Investition einholt und ein nächstes die junge Frau, die sich über die Beziehungstauglichkeit eines Partners informieren möchte. Besonders in den Monaten von Dezember bis Februar haben die Wahrsager in Südkorea Hochkonjunktur. Denn sowohl zum 1. Januar nach dem Sonnenkalender als auch zum Neuen Jahr nach dem Mondkalender möchten viele wissen, was ihr Schicksal in beruflicher wie privater Hinsicht in den nächsten zwölf Monaten für sie bereithält. An Straßenecken oder an öffentlichen Versammlungsorten sind zu diesen Zeiten ältere Herren, die mit dem Buch „Tojeong Bigyeol“ unter dem Arm auf Kundschaft warten, kein ungewöhnlicher Anblick. Auch heute noch hat der berühmte Klassiker des Gelehrten Yi Ji-ham nichts von seiner Aktualität verloren. Die Wahrsagerei wird aber das ganze Jahr über nachgefragt, sodass ganzjährig kleine Zelte mit entsprechenden Angeboten das Straßenbild prägen. Darin sitzen hinter halbtransparenten Vorhängen Ausübende ihrer Zunft, die rund 5000 Won (ca. 3,30 Euro) für einfaches Handlesen (손금보기, Songeum Pogi) und zwischen 10.000 Won und 15.000 Won (ca. 6,60 Euro und 9,90 Euro) für komplexere Dienstleistungen verlangen. Eine bekannte Institution ist die Wahrsagestraße in Miari (미아리) im Nordosten von Seoul, die als größte Ansammlung von traditionellen Wahrsagegeschäften in der Stadt gilt. Das Besondere an dem Bezirk ist, dass der Großteil der dort Tätigen blind ist, denn die Wahrsagerei war traditionell eine der wenigen Professionen, die Menschen mit Sehbehinderung in Korea ausüben konnten. Die blinden Weissager, die ursprünglich an der Straße Jongro-3-ga angesiedelt waren, zogen nach dem Ausbruch des Korea-Kriegs (1950) in das Gebiet um den Berg Namsan um und ließen sich schließlich in Miari nieder, nachdem sie die Nachbarschaft am Namsan in den Sechzigerjahren wegen städtebaulicher Maßnahmen verlassen mussten. Heute haben sich die Blinden von Miari zu einer Association of Blind Fortunetellers (Verband blinder Wahrsager) zusammengeschlossen. Insbesondere Politiker oder Geschäftsmogule lassen sich gern von ihnen beraten, denn durch das fehlende Augenlicht der Wahrsager können sie besser ihre Anonymität wahren. In einem moderneren Gewand präsentiert sich das Weissagungsgewerbe in so genannten „Philosophie-Instituten“, die von „Schicksals-Philosophen“ geleitet werden oder in den zahlreichen Wahrsage-Cafés, die insbesondere in der Nähe von Universitätsstraßen und an anderen Orten, die von jungen Menschen frequentiert werden, wie Pilze aus dem Boden schießen. In beliebten Vierteln Seouls wie Shincheon (신촌), Apgujeong (압구정) und Idae-Ap (이대앞) kann sich die Kundschaft bei einer Tasse Kaffee ihr Schicksal mittels der Saju, der so genannten „Vier Pfeiler“, oder mit Hilfe von Tarot-Karten deuten lassen. Saju, die Vier Pfeiler, stehen für das Jahr, den Monat, den Tag und die Stunde der Geburt eines Menschen. Mittels dieser Daten werden Aussagen über das eigene Selbst und die Art und Weise, wie man seiner Umwelt begegnen sollte, getroffen. Im traditionellen Korea wurden die Saju von der Familie eines heiratswilligen Mannes ermittelt und an die Familie einer potenziellen Braut geschickt. Bei Gefallen wählte die Familie der Frau ein günstiges Datum für die Eheschließung aus und sandte es an die Familie des Mannes zurück. Gunghap ist eine weitere Form des traditionellen Wahrsagens, die in früheren Zeiten vor der Heirat durchgeführt wurde. Dabei wurde mit Hilfe der Saju die Kompatibilität des betreffenden Paares ermittelt. Selbst heute noch sagen manche Koreaner eine bereits geplante Hochzeit wieder ab, wenn sich das Gunghap zweier Partner als zu negativ erweist. ein „Find-your-future-Spouse“ („Finden Sie Ihren zukünftigen Ehepartner“) anbieten. Während viele koreanische Christen dem Wahrsagen sehr ablehnend gegenüberstehen, haben Anhänger des Schamanismus oder des Buddhismus in aller Regel kein Problem damit. Selbst im kommunistisch geprägten Nordkorea konnten spirituelle Praktiken nicht vollständig beseitigt werden, wenn man den Aussagen nordkoreanischer Flüchtlinge Glauben schenken darf. Laut den Angaben eines Nordkoreaners gibt es wenigstens einige bekannte Wahrsager, deren Weissagungskünste nicht nur von der einfachen Bevölkerung, sondern auch von Parteikadern in Anspruch genommen werden. Die Wahrsagerei scheint ein Grundbedürfnis der Menschheit widerzuspiegeln, das eigene Schicksal beeinflussen zu können – über die Zeiten, gesellschaftlichen Schichten, politischen Systeme und Grenzen hinweg. 1 Die Drei Königreiche (Baekje, Silla und Goguryeo) existierten parallel bis zur Übernahme von Baekje und Goguryeo durch das Königreich Silla im Jahre 668, das als Vereinigtes Silla-Reich bis 935 bestand. 2 Einige Gelehrte zweifeln Yis Autorenschaft des Buches an. Fest steht jedoch, dass er eine ausgeprägte soziale Ader hatte und während seiner Zeit als Bürgermeister von Asan eine Behörde gründete, die Wohltätigkeitsorganisation, Ausbildungsstätte und Rehabilitationszentrum zugleich war (http://world.kbs.co.kr/german/program/program_koreanstory_detail.htm?No=25397). Quellenauswahl: http://www.korea4expats.com/article-fortune-tellers.html http://www.asianinfo.org/asianinfo/korea/cel/divination.htm http://world.kbs.co.kr/english/archive/culturenlife_beatenpath. htm?no=151¤t_page= http://articles.latimes.com/2009/mar/11/world/fg-korea-fortune11 http://kwlhistorymatters.blogspot.com/2011/03/fortune-telling-northkorea.html Eher als Spielerei angesehen werden sicher die Apps, die tagtäglich neu auf Smartphones auftauchen und Anwendungen für Saju, Gesichtslesen (관상, Gwansang) oder für 57 KALEIDOSKOP Namuamitabul... Ave Maria... Von Anne Stern-Ko Foto: Miriam Ko „Was?! Du willst nach Korea!! Wo ist das überhaupt??“ Meine Anneliese Stern-Ko ist verheiratet mit einem Koreaner und wohnt seit 1985 in Seoul. Sie ist Lektorin an der Graduate School of Interpretation and Translation der Hankuk University of Foreign Studies und übt verschiedene freiberufliche Tätigkeiten aus: Lehrbuchund Wörterbuchentwicklung für DaF, Mitarbeit bei EBS-TV und EBS-Radio, KBS World Radio (world. kbs.co.kr/german) und der Vierteljahreszeitschrift KOREANA (www.koreana.or.kr). 58 Mutter machte zunächst ein Heidenspektakel, als ich, die einzige Tochter, erklärte, nach Korea gehen zu wollen. 1985 war Korea noch Terra incognita im Bewusstsein der meisten Deutschen. Man musste zudem noch bei den Eskimos (Anchorage) oder Chinesen (Hongkong) Zwischenstopp machen - keine beruhigende Vorstellung für meine Mutter, die damals schon über 60 war, nie über Deutschland hinausgekommen und verankert in den Traditionen des Katholizismus. Und da wollte die Tochter zu ..., ja, waren denn das nicht auch noch Heiden in Korea? Die Kirche predigte zwar Nächstenliebe, aber hätte ich nicht auf den nächsten Lieben warten können, am besten aus dem nächsten Dorf mit der Kirche in der Mitte? Dieser Schwiegersohn in spe gehörte ja nun gar keiner Religionsgemeinschaft an, aber zumindest ging er widerstandslos mit in die Kirche, kannte das Vaterunser und las in der deutschen Bibel. Nebenbei gesagt auch in der englischen und russischen, da es in der Generation meines Mannes mangels Lehrbüchern nichts Ungewöhnliches war, Fremdsprachen via Bibellektüre zu lernen. Wie dem auch sei: Die Ungewissheit in Bezug auf mein Seelenheil führte dazu, dass wir das Band der Ehe regelrecht festzurren mussten: Standesamtlich, dann in einer traditionellen koreanischen Zeremonie und – nach der Geburt unserer Tochter Miriam – noch einmal in einer katholischen Kirche in Korea, praktischerweise direkt vor der Kindstaufe, womit endgültig Schluss war mit der wilden Ehe. Taufpatin von Miriam ist übrigens die Lieblingstante meines Mannes, die ich – wiewohl völlig unabsichtlich – zum Katholizismus „bekehrte“. Und das eigentlich nur, weil ich am ersten Weihnachtsfest in Korea unbedingt in die Messe wollte und die Tante es ermöglichte, die von dem damaligen, 2009 verstorbenen Kardinal Stephen Kim Sou-hwan, dem ersten Kardinal Ostasiens, zelebrierte Christmette um 00.00 Uhr in der Myeongdong-Kathedrale, dem Herzen der katholischen Kirche Koreas, zu besuchen. Der Eindruck war so nachhaltig, dass die Tante kurzerhand beschloss, sich taufen zu lassen. Und meine Mutter war etwas beruhigter... Sowieso hätte sie nach dem Heidenschreck, den sie ob meiner „Auswanderung ins Land der Heiden“ bekommen hatte, schon nicht schlecht gestaunt und ihre Heidenfreude gehabt, wenn sie den Anblick gesehen hätte, der sich meinen ungläubigen Augen auf meiner ersten Fahrt vom Internationalen Flughafen Gimpo bot: Überall leuchteten in der Schwärze der Nacht rote Kreuze. Sie krönten die Türme von Kirchen, wie man sich eben Kirchen vorstellt, aber auch die Dächer von Gebäuden, die eher an Wohnhäuser oder kommerziell genutzte Gebäude erinnerten. So viele Kreuze pro Quadratkilometer - oder Quadratmeter? - hatte ich noch nie gesehen. Auch heute noch erwartet den Seoul-Neuling bei der Fahrt in die Stadt ein Weg der Kreuze, allerdings fallen sie jetzt etwas weniger auf, da überall Neonreklamen für weltlichere Dinge als für Seelenheil werben. Blicke ich aus unserem Wohnzimmerfenster, habe ich gleich drei Kreuze im Blick, dasselbe beim Küchenfenster, weshalb ich es aufgegeben habe, den Weg zu uns mit Hinweis auf eine Kirche beschreiben zu wollen. Ich war also im wahrsten Sinne des Wortes „im Schoße der Kirche“ gelandet, fragte sich nur, in welcher. Die Auswahl ist groß. Nach einer 2005 gemachten Untersuchung der koreanischen Regierung bekannten sich 10,7 Mio. der damals knapp 47 Mio. Koreaner zum Buddhismus, 8,6 Mio. zum Protestantismus, 5,1 Mio. zum Katholizismus und 105.000 zum Konfuzianismus. Rund 22 Mio. gaben an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Zahlen über kleinere Religionsgemeinschaften wie Juden, Moslems, Zeugen Jehovas, Mormonen, Adventisten oder Russisch-Orthodoxe, die alle in Korea vertreten sind, fehlen. Es gibt ganze 121 protestantische Denominationen, 90% davon sind verschiedene presbyteriani- sche Gruppen, andere Methodisten, Baptisten, Lutheraner oder Anglikaner. In Korea herrscht also auf vergleichsweise kleiner Fläche eine enorme religiöse Vielfalt und – bei den Protestanten – ein enormes Sendungsbewusstsein: Das Land ist eins der missionsfreudigsten der Welt. Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert, eine Staatsreligion gibt es nicht, auch wenn seit Gründung der Republik Korea eine gewisse Neigung der Regierung zum Christentum besteht. Buddhas Geburtstag und Weihnachten sind die einzigen religiösen gesetzlichen Feiertage. Bei all dieser Vielfalt bemüht man sich um Eintracht und Ökumene: Der Council of Religious Leaders [Rat religiöser Leiter] veranstaltet z.B. jährlich ein Religiöses Kulturfestival, um gegenseitiges Verständnis und Toleranz zu propagieren. Interessant ist, dass hierzulande die sonst eher konservativere katholische Kirche seit jeher besonders offen ist. Beispiele: 2006 wurde das buddhistische Yeongsanjae-Ritual in der Myeongdong-Kathedrale abgehalten, und 2005 führte Kim Keum-hwa, eine der großen Mudang (무당, Schamanin) Koreas, an der Universität Rom einen Jinhon-gut [진혼굿, schamanistisches Ritual] für Papst Johannes Paul II. auf, ein Bittritual, um die Seele des Verstorbenen in ein gutes Jenseits zu geleiten. Und die Statue des Bodhisattva des Mitgefühls, die von dem Ehrwürdigen Mönch Beopjeong für den Tempel Gilsangsa in Auftrag gegeben wurde, stammt von dem katholischen Bildhauer Choi Jong-tae. Sie erinnert an die Gottesmutter, wozu Beopjeong öffentlich erklärte, dass der Boddhisattva und die Gottesmutter Maria letztendlich für dieselben Werte stünden. Ganz deutlich wird die Toleranz der Katholiken in der Haltung gegenüber Jesa, dem konfuzianistischen Ahnenverehrungsritual, bis heute wichtiger Bestandteil des koreanischen Lebens. Die katholische Kirche ist nicht dagegen, dass Katholiken vor der Ahnentafel Opfergaben darbringen oder Kotaus machen, wohl aber gegen den Ahnenschrein, da dieser symbolisch den Geist des Verstorbenen enthält, was Konfliktpotenzial mit dem Ersten Gebot [Du sollst nicht andere Götter haben neben mir] birgt. Mein jüngster Schwager mit seiner Familie ist z.B. katholisch. Es ist jedoch kein Problem, dass er bei den Ahnenverehrungszeremonien für Vater, Großeltern und Urgroßeltern mitmacht, zumal die Verantwortung nicht bei ihm liegt, sondern bei meinem Mann als ältestem Sohn. Hier erkennt der Katholizismus die Wichtigkeit der Ahnenverehrung im traditionellen Familienkontext an. Der Protestantismus steht hingegen Opfergaben, Kotaus und erst recht den Ahnenschreinen ablehnend gegenüber. Das führt leicht zu Familienkonflikten, nicht zuletzt deshalb, weil es oft die Frauen sind, die sich zum Protestantismus bekehren, und sich irgendwann aus Gewissensgründen, manchmal auch aus Bequemlichkeit, weigern, die Vorbereitungen für die Opfergaben, eine reine Frauensache, auszuführen. Heiratet der älteste Sohn einer nicht-christlichen Familie eine Christin, tut er also gut daran, diese Frage im Vorfeld abzuklären. Der Buddhismus hat hingegen keinerlei Probleme mit den konfuzianistischen Ahnenverehrungszeremonien, da jeder, der seinen buddhistischen Glauben aufrichtig lebt, Buddhatum [Erleuchtung] erreichen kann. Die Ahnenverehrung als moralisches Pflichtgebot des Konfuzianimus wird also problemlos ins buddhistische Verständnis eines aufrichtigen Lebens einbezogen. Opfergaben und Kotaus sind sowieso Bestandteile des Buddhismus. Meine Schwiegermutter ist eine gläubige Buddhistin, für die eine 200%ige Erfüllung ihrer konfuzianistischen Pflichten als Frau und Witwe des Familienoberhauptes zu ihrem Selbstverständnis als Buddhistin gehört. Das sollte man respektieren, denke ich, was auch mein zweiter Schwager und seine Frau, die vor einigen Jahren einer protestantischen Kirchengemeinde beigetreten sind, widerspruchslos tun. Unsere Familie ist also gelebte Ökumene. Und ich glaube, der Herrgott hat ein Auge zugedrückt, als ich – interessanterweise (?) als Einzige - am Sterbebett meines Schwiegervaters mit meiner Schwiegermutter zusammen eine gute Stunde Namuamitabul rezitierte, die buddhistische Bitte um einen friedlichen Tod. Habe allerdings einige Ave Maria dazwischengeschoben, für alle Fälle... . Quellenauswahl: http://www.seoul.co.kr/news/newsView.php?id=20071025023017 http://blog.donga.com/jwjh1004/archives/3 59 KALEIDOSKOP „Gottesstaat“ Nordkorea? Nordkorea und Religion? Das passt doch eigentlich gar nicht zusammen, oder? Also, der Protestantismus ist bereits im 19. Jahrhundert in Korea angekommen. Besonders in der Gegend um Pjöngjang hat sich der Glaube gut etabliert und - in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts während der japanischen Kolonialzeit - in weiten Teilen des heutigen Nordkorea ausgebreitet. Historisch gesehen wurde der Nordteil der koreanischen Halbinsel von der Zentralregierung in Seoul vernachlässigt. Als der Protestantismus aus Nordamerika nach Korea kam, hat er sich sehr schnell unter der Bevölkerung ausgebreitet, die von den japanischen Besatzern nicht besonders gut behandelt wurde. Die hat den christlichen 60 Glauben geradezu willkommen geheißen. Dann kamen die Kommunisten und haben das Christentum im Norden Koreas ersetzt. Die Kommunisten wollten sich mit aller Macht des christlich-religiösen Glaubens entledigen. Schnell verschwanden viele der aktiven Christen. Wer weiter glaubte, war gezwungen, in den Untergrund zu gehen. Ich habe mich damit noch nicht viel beschäftigt, aber die von Kim Il-sung etablierte Juche- Ideologie1 spielte selbstverständlich eine quasi-religiöse Rolle. Sie hat die Religion ersetzt. Hinzu kommt, dass für die Kommunisten der Glaube aus dem Westen in völligem Gegensatz zu ihrer eigenen Linie stand, war er doch ein Produkt aus Amerika. Foto: Malte E. Kollenberg Kim Il-sung-Statue auf der Erhebung „Mansudae“ im Herzen der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Park Jong-gou ist Professor für Religionsstudien an der Sogang Universität, einer Jesuitenhochschule in Seoul. Seine Hauptforschungsfelder sind Dogmatismus und Systematische Theologie. Malte E. Kollenberg, Korrespondent in Seoul (vgl. S. 35) hat ihn getroffen, um mit ihm über Nordkorea und die besondere Beziehung des Landes zum Christentum zu sprechen. Der nordkoreanische Staatsgründer Kim Il-sung war Spross einer sehr christlichen Familie, mit einem Pastor als Großvater und einem in der Kirche sehr aktiven Vater. Seit Bestehen des nordkoreanischen Staates wird Religion jedoch quasi nicht mehr geduldet. Ein Gespräch über den „Gottesstaat“ Nordkorea. Wie hat das praktisch funktioniert? Die meisten Koreaner zu der Zeit waren sich der Religion gar nicht bewusst, mal abgesehen vom Buddhismus. Diejenigen, die keine Buddhisten waren, bezeichneten sich selbst als „nicht religiös“. Das war ebenfalls zu Zeiten der japanischen Besatzung. Viele der Intellektuellen, die aktiv waren gegen die japanische Besatzung, waren in die Mandschurei geflohen und haben mit Moskau „angebandelt“. Ich weiß nicht genau, wie Kim Il-sung es angestellt hat, aber unbestritten ist, dass er so in Kontakt mit der ersten Generation von Kommunisten gekommen ist. Es war wahrscheinlich recht einfach, den christlichen Glauben durch eine kommunistische Weltanschauung zu ersetzen. Wieso war das so einfach, und warum war es überhaupt nötig, sich des Christentums zu entledigen? Das war relativ einfach, weil das Christentum ja nicht wirklich stark mit der Kultur verwurzelt war. Christentum war etwas Fremdes in Korea. Im buddhistischen Glauben – die meisten Koreaner waren Buddhisten – gibt es keinen einzelnen Gott. Aber im Christentum dominiert ein alleiniger Gott alles. Katholiken wie auch Protestanten verlangen den Glauben an einen alleinigen Gott. Gläubige und ein über ihnen stehender Gott befinden sich in einer Art Gemeinschaft. Das Christentum ist so gesehen auch der Glaube an eine Gemeinschaft. Außerdem war christliches Denken nicht wirklich kompatibel mit dem bewaffneten Kampf gegen eine Kolonialmacht. Es fanden sich keine Missionare, die bereit gewesen wären, zu kämpfen. Der Gemeinschaftsgedanke im Kommunismus dagegen konnte sehr gut den aktiven Kampf gegen die Besatzer rechtfertigen. Also war die Etablierung des Personenkultes um Kim-il Sung, also des „Kim-ismus“, etwas wie ein Ersatzglaube? Die Juche-Ideologie wie auch das Christentum sind auf eine Person bezogen, eine gottgleiche Figur, auf einen Gott, wenn man so will. Dieser ist die von allen zu respektierende Person. Aus religionswissenschaftlicher Sicht ist das sicher ein Punkt, der vergleichbar ist. Und der Konfuzianismus war ein gutes Fundament, um darauf einen Staat wie den nordkoreanischen aufzubauen? Es gibt Leute, die so argumentieren. Ich denke das allerdings nicht. Im Konfuzianismus gibt es nichts, das etwas Absolutem entspricht. Konfuzianismus spricht vom täglichen Leben. Ich halte den Konfuzianismus für eine der am besten entwickelten Geisteswissenschaften. Darum glaube ich nicht, dass es richtig ist, den nordkoreanischen „Kimismus“ als auf dem Konfuzianismus aufbauend anzusehen. Das starke Hierarchiedenken ist es, auf das sich hier immer bezogen wird. Aber der Vergleich ist nicht korrekt. Viele andere kommunistische Länder wurden auf dem Christentum aufgebaut. Wenn der Kommunismus etabliert wurde, hat man ihn einfach auf das bestehende System gesetzt. Was macht dann das Christentum zu so einem guten Fundament? Auch hier würde ich sagen, dass es problematisch ist, beides zu vergleichen. Kommunismus baut auf Unterdrückung auf und hat mit Zwang und Macht zur Beeinflussung zu tun. Aber im Christentum zählt unabhängiges Denken. Das gibt es in kommunistischen Systemen nicht, so wie in Nordkorea. Die Menschen werden gezwungen, das zu akzeptieren. Tun sie es nicht, riskieren sie ihr Leben. Unabhängigkeit ist hier das Stichwort. Aber individuelle Unabhängigkeit ist auch nicht gerade eine konfuzianische Tradition! In unserer traditionellen Gesellschaft wurden die Alten sehr von den Jungen respektiert. Nach dem Aufkommen westlicher Prinzipien, deren Einfluss auf das Sozialverhalten unserer Gesellschaft, hat sich das ganze System verändert. Die Gesellschaft hat angefangen, Vielfalt zu akzeptieren. Auch den Jungen wurde nun Respekt entgegengebracht, so, wie sie waren. So gesehen war das nordkoreanische System sehr lange von diesen Entwicklungen abgeschnitten, hatten die Nordkoreaner doch sehr wenig Kontakt zu anderen Gesellschaften. Das war bis zum Tod Kim Il-sungs so. Danach hat auch in Nordkorea ein Veränderungsprozess eingesetzt, als die Bevölkerung erkannt hat, dass auch der gottgleiche Großvater der Nation sterben kann. Zwar hat der Sohn die Macht übernommen, aber das Land ist ökonomisch kollabiert. Nach dem Tod von Kim Il-sung haben die Flüchtlingszahlen zugenommen, aufgrund von irdischer Verzweiflung. Die Diktatur konnte die ökonomischen Bedürfnisse der Menschen nicht bedienen. Die Zweifel nahmen graduell zu. Kim Il-sung war derjenige, der ein quasi-religiöses System definiert hat. Aber in der zweiten Generation unter Kim Jong-il ist diese Struktur zusammengebrochen. Nun, nach dem Tod Kim Jong-ils, wird sich das weiter fortsetzen. Außerdem darf auch dabei nicht der Einfluss ausländischer Mächte außer Acht gelassen werden. Wir haben den Rückgang der einer Religion gleichenden Glaubenskraft gesehen. Großvater Kim Il-sung war noch als Gott wahrgenommen worden, dann kam dessen imperfekter Sohn. Mit der dritten Generation steht jetzt alles auf der Kippe. Mein Punkt ist: Heute wird das nordkoreanische System vielmehr 61 in Bezug auf sein Verhältnis zu den Großmächten USA und China definiert als über einen pseudoreligiösen Kult. Soll das heißen, vor 50 Jahren war Nordkorea ein viel „pseudoreligiöserer“ Staat als heute? Ja, absolut! Feinde von Kim Il-sung waren vollständig eliminiert worden, es gab keinerlei Opposition im Land. Aber nach dessen Tod 1994 hat sich so etwas ganz leicht entwickelt. Nicht besonders stark, aber so, dass es das System destabilisiert. Etwas, das nun den Glauben der Bevölkerung an ihren göttlichen Übervater beeinträchtigt, könnte man sagen. Viele Nordkoreaner glauben, sie würden nach dem Tod mit Kim Il-sung vereint, ähnlich wie Christen dies über Gott und Jesus glauben. Sie sind ein Experte für Dogmatismus. Wie sehen Sie denn den gerade angesprochenen Personenkult und seine Funktion? Als die Nordkoreaner schwere Zeiten durchleben mussten, hat man ihnen damit auch die Zeit genommen, ihre eigene Situation zu reflektieren. Sie wurden einer Gehirnwäsche unterzogen. Das wird, glaube ich, die schwierigste Aufgabe im Falle einer Vereinigung mit Südkorea sein. Die ökonomischen und sozialen Probleme lösen sich irgendwie. Aber die Gehirnwäsche einer ganzen Nation wird zukünftig ein großes Problem werden. Nordkorea ist heute eigentlich kein „pseudoreligiöses“ Phänomen mehr, auch wenn es nach außen vielleicht noch als solches gesehen werden kann. Das eigentliche Problem ist vielmehr ein ideologischhumanistisches. Interview und Übersetzung: Malte E. Kollenberg 1 Juche ist eine vom Gründer des nordkoreanischen Staates entwickel- te Ideologie. In Nordkorea wird sie mit „Autarkie“ oder „Selbstständigkeit“ übersetzt. Absolute Loyalität gegenüber der kommunistischen Partei und besonders dem Führer des Landes wird darin propagiert. Park Jong-gou, Professor für Religionsstudien an der Sogang Universität, in seinem Büro. Seine Hauptforschungsfelder sind Dogmatismus und Systematische Theologie. 62 Foto: Malte E. Kollenberg Das ist eine Idee, die von der nordkoreanischen Regierung unter das Volk gebracht wird. Auch als Kim Il-sung tot war, sollte er auf diese Weise in den Gedanken der Menschen am Leben gehalten werden. Jetzt, wo Kim Jong-il gestorben ist, halte ich es für fragwürdig, dasselbe Prinzip auch hier anwenden zu können. Kim Jong-il lebendig in den Gedanken der Bevölkerung? Er war als Machtfigur respektiert, aber nicht als ideologischer Dogmatiker. So gesehen hat sich viel getan seit Mitte der 1990er Jahre. Das religionsartige System liegt heute in Scherben. KALEIDOSKOP Gedichte MISSION IN SEOUL (2005) MEGAMETROPOLENBUCHHANDLUNG (2006) Seoul, nationalfeiertag Über den nächtlichen hochhausblöcken christuskreuze, neonlichtumrandet in rot, gelb, weiß, ein Disneyhimmel geöffnet rund um die uhr Schon hinter der tür abwesend anwesende, lesend An den regalen lehnend, sitzend auf dem fußboden, in der kapuze den schlafenden säugling SEOUL, KÖNIGSPALAST (2005) Auf den dächern, unterwegs zu den Heiligen schriften, mönch, affe, drache, schwein und fabelwesen Im gänsemarsch entlang den winkelfirsten in die vier richtungen der welt Alle wege führen zu Buddha Die dachtraufenbögen scheinen geschnitten nach seinem lächeln Seiende im fernen kosmos ihrer sprache, in der man nicht erblickt, sondern es sich zeigt In der man nicht hört, sondern dem ohr es sich mitteilt In der man nicht fühlt, sondern besitz es ergreift von der seele Der mensch ist nicht der handelnde, das handeln vollzieht sich Alles wird gelenkt durch das tao, den weg Nur du auf dem weg zu den büchern mußt deine schritte lenken, hinwegsteigen, dich schlank machen, bis auch du in diesem lesehungerlabyrinth dich fragst, wie herum die welt fließt © Jürgen Bauer Reiner Kunze, lindennacht. gedichte. 3. Auflage August 2008, © S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2007 ISBN 978-3-10-042024-4 Reiner Kunze wurde 1933 in Oelsnitz im Erzgebirge geboren. Er studierte Philosophie und Journalistik in Leipzig und siedelte 1977 in die Bundesrepublik über. Für sein umfassendes lyrisches, essayistisches und erzählendes Werk erhielt Reiner Kunze zahlreiche Literaturpreise, darunter den Georg-Büchner-Preis, den österreichischen Georg-Trakl-Preis und den Friedrich-Hölderlin-Preis. Seine Lyrik und Prosa wurden in dreißig Sprachen übersetzt. 63 KALEIDOSKOP Obdachlos in Korea Von Su-Zi Schütz W ann immer ich zur U-Bahn-Station gelaufen bin, saß die alte Frau unter der U-Bahn-Brücke der Sookmyung Women’s University. In sich zusammengekauert, frierend und den Kopf mit dem Blick zur Erde geneigt. Nur mit einer Pappmatte als Sitzunterlage und einem dünnen Tuch als Kopfbedeckung trotzt sie jedem noch so kalten Wetter und sitzt täglich an der gleichen Stelle. Jedes Mal, wenn ich sie gesehen habe, ging ich in den nächsten Laden, um ihr etwas Warmes zu trinken und Schokolade oder etwas zu essen zu kaufen. Dies übergab ich ihr in einer Tüte und legte noch ein wenig Geld dazu. Sie blickte dann immer zu mir auf, sodass man für einen kurzen Augenblick ihre weißen Haare aus dem kärglichen Kopftuch hervorstechen sehen konnte. Ihre Haut war vom Wetter und vom Leben auf der Straße ganz blass und erschlafft. Ihre erschöpften Augen schauten mich jedoch jedes Mal mit einem dankbaren Lächeln an und sie wiederholte immer wieder die Worte „감사합니다, 감사합니다!“ [Gamsahamnida! Gamsa-hamnida!, Danke! Danke!]. Auch bei minus siebzehn Grad harrt diese arme Frau von 64 Höchstwahrscheinlich hat tragischerweise eine andere Obdachlose diesen Winter ein tödliches Ende gefunden. Die Frau von Noksapyeong. Sie war es, die im vergangenen Sommer zum ersten Mal meine Aufmerksamkeit für Obdachlose in Korea geweckt und mein Herz berührt hatte. Zuvor noch in einer Universitäts-CampusWolke von einer heilen Scheinwelt umgeben, habe ich auch andere, harte, reale Seiten Seouls kennengelernt. Eine Frau in ihren Fünfzigern, die tagtäglich auf einer Bank neben einer viel befahrenen Straße schlief oder saß, neben ihr immer ihr kleiner, abgenutzter Einkaufstrolley. Ihre Pantoletten, die sie auch bei Minusgraden noch trug, lagen stets neben der Bank auf dem Boden. Sie trug täglich dieselbe Kleidung. Als es kälter wurde, hatte sie eine dünne rote Jacke und eine spärliche gelbe Haube auf. Dieser traurige Anblick traf mich so sehr, dass ich bis heute keine wirkliche Ruhe mehr finde. Niemals sah ich sie lächeln. Niemals war sie freundlich. Anfangs hatte ich ihr immer etwas hingelegt, während sie schlief. Als ich versuchte, ein Gespräch mit ihr anzufangen, unterbrach sie mich sofort und sagte nur barsch: „Ich habe nichts zu sagen.“ Erst war ich etwas getroffen, doch das hinderte mich nicht daran, ihr weiterhin etwas zu geben. Sie musste etwas sehr Schlimmes in ihrem Leben erlebt haben, dass sie so verbittert reagierte. Ich sah auch, wie sie einmal Monologe ins Leere sprach. Aber egal, wie sehr sie sich sträubte und sagte: „Ich brauche nichts“, ich blieb stetig und legte ihr dennoch eine Tüte mit Essen, Getränken und Geld hin und ging schnell weiter. An manchen Tagen sagte sie sogar gar nichts zu mir und schaute mich nur verwundert an. Aus der Foto: Su-Zi Schütz etwa neun Uhr morgens bis vierzehn Uhr nachmittags aus. Wo sie danach hingeht, weiß ich nicht. An einem dieser bitterkalten Tage im Dezember bin ich an ihr vorbeigegangen und habe ihr meine tägliche Spende hingelegt, als ich bemerkte, dass sie sich zum ersten Mal nicht bedankt hat. Das machte mich stutzig. Darum ging ich nochmals zurück und habe sie angetippt, um zu schauen, ob es ihr gut geht. Sie war eingeschlafen, was tödlich enden kann bei dieser Kälte. Fotos: privat Su-Zi Schütz ist Halbkoreanerin, kommt aus Berlin und hat im letzten Jahr ihren Master in Kommunikations- und Medienwissenschaften an der TU Berlin abgeschlossen (Masterarbeit mit dem Thema „Korea als Medienkonstruktion? Vorstellungen von Gesellschaft und Geschichte von Auslandskoreanerinnen“). Danach ging sie für neun Monate (März bis Dezember 2011) nach Seoul, um dort an der Yonsei-Universität ihre Koreanischkenntnisse zu erweitern und das Land und die Kultur besser kennenzulernen. Ferne beobachtete ich dann, wie sie die Banane schälte und hungrig aß. Je kälter es wurde, desto größere Sorgen machte ich mir um sie und ihre Gesundheit. Tagsüber sah ich, wie sie auf einer Bank in der U-Bahn-Station schlief, statt draußen in der Kälte. Aber diese schließt immer von etwa 23.30 Uhr bis 5.00 Uhr. Somit müsste sie knapp sechs Stunden draußen in der Kälte überstehen. Also kaufte ich ihr nach und nach Socken, Handschuhe und gab ihr einen Wollschal von mir. Ich konnte nur hoffen, dass sie diese Dinge annahm und benutzte. Einmal sah ich, wie sie nachts in Itaewon mit ihrem Einkaufstrolley herumlief. Sie hatte den Schal um. Ich hätte ihr gerne noch viel mehr geholfen und ein warmes Heim angeboten. Eine Freundin, die ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland gebeten habe, nach ihr zu schauen, hat sie seit Wochen nicht mehr angetroffen. So bleibt mir nur die traurige Vermutung, dass sie verstorben sein muss, da sie sonst bei jedem Wetter an jedem Tag dort war. Nach der großen Wirtschaftskrise 1997 in Korea stieg die Zahl der Obdachlosen immens an. Laut einer Studie der Seoul National University kommen Schätzungen zufolge jährlich 5.000 neue hinzu. Der Großteil der Obdachlosen hält sich am Hauptbahnhof Seoul Station auf. Obdachlosenheime gibt es zwar, doch bieten diese oft nur temporäre Aufenthalte und zu wenige Schlafplätze an. Außerdem zeichnen sie sich häufig durch unzureichende Ausstattung und Sicherheit aus. Es gibt zwar Organisationen, die Essen verteilen oder anderweitig helfen, aber diese haben, soweit ich recherchiert habe, fast alle einen kirchlichen Hintergrund. Das soll nicht negativ klingen, doch schrecken diese Tatsache und die strengen Regeln der Wohnheime einige Obdachlose ab. Es gibt demnach auch einen großen Bedarf an Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (NRG), die sich der Obdachlosen annehmen. Eine Bekannte teilte mir mit, dass der neu gewählte Bürgermeister Seouls, Park WonSoon, in diesem kalten Winter Schlafsäcke an Obdachlose der Seoul Station verteilen ließ. Das ist sicherlich ein erster Schritt, aber es ist noch ein langer Weg zu gehen, wenn man diesen Menschen effektiv und dauerhaft helfen möchte. Wenn es nicht-kirchliche Organisationen gibt, die sich engagieren, dann sind es ausländische. Ich bin durch Austauschstudenten auf eine Gruppe aufmerksam geworden und habe in einer Suppenküche und beim Verteilen von Essenspaketen an die Obdachlosen mitgeholfen. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Freiwilligen, die sich „PLUR“ (= Peace Love Unity Respect) nennt, und der man auf Facebook beitreten kann, um so zu den aktuellen Aktionen eingeladen zu werden. Sie arbeiten auch ehrenamtlich in Waisenheimen mit. Natürlich sind auch einige der Hauptakteure Koreaner, aber es ist erstaunlich, dass zu den Hilfsaktionen hauptsächlich Ausländer kommen. Ein Koreaner hilft öfter mit seiner Tochter beim Verteilen der Essenspakete an Sonntagen. Das ist sehr vorbildlich. Als ich eine Gruppe von Mittelstufenschülern in Seoul gefragt habe, was sie an ehrenamtlicher Arbeit leisten, hat niemand etwas von der Unterstützung für Obdachlose erwähnt. Korea legt an sich viel Wert auf ehrenamtliche Arbeit, aber der Fokus liegt eher bei den Kindern als bei den obdachlosen älteren Menschen. Leider erreichen ehrenamtliche Helfer wie die von PLUR auch meist nur die männlichen Obdachlosen, da sich die Frauen oft aus Angst vor Gewalt und Missbrauch der Männer zurückgezogen haben und an unbelebteren Orten als der Seoul Station aufhalten. Gegenseitiges Bestehlen und Missbrauch unter Obdachlosen sind leider keine Seltenheit. Auch die gemischten Wohnheime werden darum häufig von den Frauen gemieden. Da es aber bisher wohl nur ein Frauenwohnheim in Seoul gibt, ist der Bedarf zur Unterstützung obdachloser Frauen sehr hoch. Der letzte Standort dieses Frauenwohnheims soll nicht einmal über gefiltertes Leitungswasser verfügt haben. Die Zustände sind auf jeden Fall verbesserungswürdig. Dieses abermals kirchlich geleitete Wohnheim bietet Frauen eine Unterkunft, die meist psychische Probleme haben und daher kein normales Leben führen können, weil sie von der Familie oder der Gesellschaft ausgestoßen werden. Zurzeit befinden sich dort laut Angaben auf der Homepage 199 Frauen. Obdachlos sein, das ist ein totgeschwiegenes Thema in Korea. In einem Land, wo nichts mehr als der Status zählt, wo jeder das beste Auto, das neueste Handy und die Tasche von Louis Vuitton haben muss. Dabei werden die Menschen, denen es nicht so gut geht, schnell übersehen. Eine koreanische Freundin hat mir in ihrem Brief anlässlich meines Abschieds aus Korea geschrieben, wie dankbar sie sei, dass ich ihr durch Gespräche wieder die Augen für etwas geöffnet habe, das sie über die Jahre hinweg übersehen hatte: das Leid der Obdachlosen, an denen sie täglich vorbeigeht, aber die sie nicht mehr wahrgenommen hatte. 65 EXTRAWELT Neil Dowling (Text) und Nils Clauss (Fotos) Mehr als 16.000 Nordkoreaner leben im Bruderstaat Südkorea. Schlecht gerüstet für ein Leben in einem hochtechnisierten Land, versuchen sie, ihre Identität zu finden Die Schule Fotos: privat Die Sennet-Schule in Seoul befindet sich nur wenige Minuten von den Glas- und Betontürmen des Geschäftsviertels Yeouido entfernt, und ist doch eine halbe Weltreise weit weg. Im zweiten Stock des etwas verfallenen, vierstöckigen Gebäudes leitet Park Sang Young eine „Bildungsgruppe“. Der Direktor nimmt Jugendliche auf, die vor dem repressiven Regime des Nachbarstaats geflohen sind. In seiner Schule beginnen die jungen Nordkoreaner, sich ein neues Leben aufzubauen. Und werden dabei mit der Erkenntnis konfrontiert, dass die lang ersehnte Freiheit auch viele Herausforderungen mit sich bringt. Neil Dowling ist irischer Journalist und Filmemacher und lebt in Korea. Er hat für eine Reihe irischer und internationaler Medien über Film, Kultur und Künste geschrieben. Sein Debüt-Spielfilm „Finding Joy“ wurde Ende Februar 2012 beim Dublin International Film Festival gezeigt. Gemeinsam mit Nils Clauss produziert er für Contented Films Musikvideos und Commercials. Die meisten Schüler sind schlecht gerüstet für die Härten des südkoreanischen Bildungswesens, das stark auf Konkurrenzkampf ausgerichtet ist. Zwar sprechen Koreaner auf beiden Seiten dieselbe Sprache, doch haben 60 Jahre der Teilung auch eine sprachliche Kluft geschaffen. Das kommunistische Regime im Norden hat jeden fremden Einfluss auf die Sprache abgeblockt, während im Süden inzwischen viele Worte englischen Ursprungs gebraucht werden. Die Benutzung von Mobiltelefonen und Computern müssen die jungen Leute neu lernen. Südkorea gehört zu den technologiegläubigsten Gesellschaften der Welt, da kann man sich vorstellen, was es für einen Nordkoreaner heißt, dort mithalten zu können. Zwischen der Schulküche und dem Ruheraum hängen Bilder und Zeichnungen der Schüler. Das vorherrschende Thema ist, wenig überraschend, „Heimat“. Die Motive sind immer idyllisch: Sonne scheint über einem blauen Himmel, man sieht Gärten, Bäume, blühende Blumen. Vielleicht symbolisieren diese Bilder den fortwährenden Einfluss eines Landes, in dem Kunst ein wesentliches Mittel der Idealisierung ist, vielleicht manifestiert sich in ihnen auch nur die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Die meisten Flüchtlinge haben viel Leid erlebt auf ihrem Weg in die Freiheit, und die Narben sitzen tief. Im Ruheraum haben sich die Schüler zu einer Abschlussfeier versammelt. Lee Eun-hee, eine junge Frau, die eine lange Irrfahrt durch China und die Trennung von ihrer Familie hinter sich hat, bekommt einen Preis für herausragende Noten. Als der Direktor das Mädchen nach dem Sinn des Lernens fragt, antwortet Eun-hee: „Ich fühle mich dadurch menschlicher.“ Der Arbeiter Der Kulturschock beginnt in China. Die meisten Nordkoreaner fliehen über den Fluss Tumen, der zwei Drittel der 1400 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Ländern ausmacht. In China angekommen, müssen sie ein Schattendasein fristen. Von den Chinesen werden Nordkoreaner eher als Wirtschaftsflüchtlinge betrachtet denn als politisch Verfolgte. Werden sie gefasst, bringt man sie zurück in ihre Heimat, trotz der schweren Strafen, die die Flüchtlinge dort erwarten. Choi Sang-oh ist 26 Jahre alt. Nach fünf Jahren in China und einem Jahr in einem nordkoreanischen Gefängnis hat er es schließlich in die südkoreanische Hauptstadt Seoul geschafft. Dort bemühte er sich direkt um Arbeit, statt sich um eine Ausbildung zu kümmern. Sein kümmerli- 66 ches Dasein zwischen einer Reihe schlecht bezahlter Jobs war weit entfernt von dem glamourösen Leben mit glänzenden Autos und schicken Anzügen, die er in den koreanischen Musikvideos und Seifenopern in China gesehen hatte. Wenn er sich um einen besseren Job bemühe, sagt Sang-oh, werde er meist mit Vorurteilen konfrontiert. „Es gab natürlich Fälle, in denen südkoreanische Bewerber besser qualifiziert waren als ich. Aber bei vielen Jobs, die keinerlei besondere Fähigkeiten erforderten, wurde ich einfach übergangen. Ich habe mich oft unsichtbar gefühlt.“ Heute ist Sang-oh gut gelaunt: Er arbeitet jetzt für eine Organisation, die anderen Nordkoreanern hilft, nach Südkorea zu fliehen. Der junge Mann macht gern Scherze, auch an Tagen, an denen er traurig ist. Diese Traurigkeit wird wohl nie ganz verschwinden, solange er keinen Kontakt zu seiner Familie hat und nicht weiß, ob es den Angehörigen gut geht. Andere Leute zum Lachen zu bringen ist sein Überlebensmechanismus. Sang-oh weiß, dass seine Erwartungen an Südkorea naiv waren, aber er ist immer noch überzeugt davon, etwas erreichen zu können, wenn er nur weiter hart arbeitet. Der Glaube Im Gemeindehaus der Mission in einer lebendigen kleinen Nebenstraße abseits der Hauptverkehrsadern Seouls fühlt Ha-na sich zu Hause. Neben ihrem Studium arbeitet die junge Frau bei der Gemeinde, sie setzt ihre Sprachkenntnisse ein, um anderen bei der langen Reise durch China zu helfen; eine Reise, die für sie selbst mehr als sieben Jahre dauerte – inklusive Arrest, Abschiebung und Internierung in einem nordkoreanischen Arbeitslager. Der Gründer der Mission, Reverend Chun, weiß, dass viele Flüchtlinge hauptsächlich in seine Kirche kommen, um Schutz und Beistand zu erhalten. Für Ha-na ist der Glaube jedoch fundamental wichtig geworden. Er verleiht ihr eine Zugehörigkeit, die über die Nationalität hinausgeht. „In Nordkorea haben die Menschen keinen Bezug zu Gott“, sagt Ha-na. „In Nordkorea ist Kim Jong-il der Gott.“1 Sie möchte das gerne ändern und hofft, eines Tages in ihre Heimatstadt Chongjin im Nordosten Nordkoreas zurückzukehren und den Menschen dort von Jesus Christus erzählen zu können. Im Moment ist Ha-na zufrieden mit ihrem Leben, das sie sich in Seoul aufgebaut hat. Weder schämt sie sich für ihre Herkunft noch ist sie besonders stolz darauf. Aber tief in ihrem Herzen, sagt Ha-na, vergesse sie nie, woher sie komme. So ertappe sie sich zum Beispiel dabei, dass sie für den Norden jubelt, wenn Nord- und Südkorea gegeneinander Fußball spielen. Dieses Gefühl basiere auf der Zuneigung für die Menschen, mit denen sie aufgewachsen ist. Nicht auf der Loyalität zu einem Regime, dessen Führer sich selbst zum Gott erklärt haben. 1 Das Gespräch wurde vor dem Tod Kim Jong-ils geführt (Anm. d. Red.). Fotos: privat Park Ha-na passt nicht ganz zu ihren Kommilitonen an der Hangkuk-Universität in Seoul. Die Chinesischstudentin möchte einfach sie selbst sein, daher ändert sie auch ihren Akzent nicht. Mit 29 Jahren ist sie die Älteste in ihrem Studienfach. Obwohl sie einige Bekanntschaften an der Uni hat, ist ihr sozialer Halt die Kirche. Vor allem christliche Gruppen wie die Durihana-Mission unterstützen Zugezogene aus Nordkorea wie Ha-na. Die evangelische Bewegung verfolgt das ehrgeizige Ziel, „Korea durch Gospel zu vereinigen“. Nils Clauss, geboren 1976, lebt und arbeitet seit Ende 2005 als Fotograf und Filmemacher in Seoul. Urbaner Raum und Architektur sind seine wesentlichen Themenschwerpunkte. Kontakt und weitere Infos unter: www.nilsclauss.com 67 Fotos: Nils Clauss Einrichtungen wie die Sennet Schule in Seoul helfen jungen Einwanderern aus Nordkorea, sich im Nachbarland zurechtzufinden. Die Karte, die hier zu sehen ist, zeigt die Provinzen sowohl Süd- als auch Nordkoreas. Der Grenzverlauf zwischen beiden Staaten ist grafisch kaum erkennbar. In der Realität sind die Barrieren zwischen den Bewohnern der beiden Bruderstaaten umso höher. Sennet school, Seoul 2009 68 Ein Schüler der Sennet Schule. Aus Angst, ihre Familien in Nordkorea könnten für ihre Flucht bestraft werden, zeigen sich die wenigsten Flüchtlinge öffentlich. Sennet school, Seoul 2009 69 Die 29-jährige Studentin Park Ha-na hat ihre Heimat in der Durihana-Kirche gefunden. Sie hofft, eines Tages als Religionslehrerin nach Nordkorea zurückkehren zu können. Durihana church, Seoul 2009 70 Park Ha-nas Sitzplatz im Studien- und Aufenthaltsraum der Durihana Kirche in Seoul. Durihana church, Seoul 2009 71 KULTUR KLTI Essay-Wettbewerb: „Meine Eindrücke beim Lesen koreanischer Literatur“ Textgrundlage: Kim Young-ha: „Schwarze Blume“ Beitrag des zweiten Preisträgers Das Vaterland, das Transnationale, die Identität: Alles löst sich auf Von Edgar Vogel Foto: privat K Edgar Vogel wurde 1978 in Hamburg geboren und studiert Sinologie und Japanologie an der Universität Hamburg. Er absolvierte Studienaufenthalte an der National Taiwan University (Taiwan) und der Nanjing University (China) und übt eine Übersetzertätigkeit für Englisch, Chinesisch und Japanisch aus. 72 im Ijong, die Hauptfigur von Kim Younghas Roman „Schwarze Blume“, ist ein weißes Blatt. Er ist eine Waise, die nicht einmal die Namen ihrer Eltern kennt. Von einem fahrenden Händler aufgezogen, erhält er seinen Namen erst bei der Eintragung in die Passagierliste des Schiffes, das ihn und eintausend andere Auswanderer Anfang des letzten Jahrhunderts von Korea nach Mexiko bringt. Dieses weiße Blatt, dessen Heimatland, in dem es selbst nie ein Zuhause hatte, verschwindet, ist Kim Young-has Versuchsobjekt für seine Experimente mit der Identität und dem Gefühl der Zugehörigkeit. Ijong sucht nach seinem Platz in der Welt. Während viele der Auswanderer in der Erzählung ihr Schicksal ertragen, klagend aber widerstandslos, strebt er stets vorwärts. Während die anderen Auswanderer den Kontakt mit der ausländischen Besatzung meiden, dient er sich der Kombüsencrew an. Er fühlt sich wohl in der Männerwelt der Schiffskombüse, als einziger Koreaner unter japanischen Köchen. Später geht er gleichermaßen auf in der Männerwelt der Armee von Pancho Villa, als einziger Koreaner unter mexikanischen Soldaten. Zwischendurch war er aus der Vertragssklaverei einer Hazienda geflohen und hatte sich zu Fuß durch das ganze Land bis zur US-amerikanischen Grenze geschlagen. Erst der ausbrechende Bürgerkrieg in Mexiko hindert ihn an der Weiterwanderung in die USA. Schließlich übernimmt er, nach Villas Niederlage, die Führung einer koreanischen Söldnertruppe in Guatemala und versucht, dort einen eigenen Staat zu gründen. Ob unter den Smutjes auf dem Schiff, in der Armee oder im eigenen Zwergstaat: stets ist Ijong auf der Suche nach Zugehörigkeit, nach einer gefühlsmäßigen Heimat. Erst sein Tod im Dschungelkrieg mit den guatemaltekischen Streitkräften beendet sein Streben: „[I]n dieser brüllend heißen und feuchten Dampfmaschine namens Dschungel [würde sich] letzten Endes alles auflösen: Menschen, Verträge, Völker, Nationen, ja selbst Traurigkeit und Hass.“ (S. 425) Parallel zur Haupthandlung, der Geschichte der Auswanderer in Mexiko, wird der sich gleichzeitig in der alten Heimat abspielende Untergang des koreanischen Staates beschrieben. Der koreanische Widerstand gegen die japanische Besatzung wird parallel gesetzt zum Widerstand der Maya gegen ihre weißen Herren, der Untergang Koreas zum Untergang der alten Maya: „Ijong selbst dachte an die vielen Königreiche der Maya, die hier in Tikal gegründet worden waren. Nur Ruinen waren von ihnen übrig geblieben. Es deprimierte ihn, dass sie alle hatten zugrunde gehen müssen.“ (S. 432) Die Bedeutung des nationalen Kampfes der Koreaner wird so in einen weltweiten und welthistorischen Zusammenhang gestellt, im gleichen Zuge aber auch relativiert. Koreas Schicksal von Bedrohung, Untergang und Teilung ist nicht einmalig, sondern nur ein nationales Schicksal neben anderen. Das Ringen der Koreaner um ihr Land lässt die Mexikaner kalt: „Sie konnten Ijongs Wut gut nachempfinden und schimpften auf das Unrecht in der Welt. Aber schon bald ließ ihr Interesse an dem so fernen Land im Osten deutlich nach, zumal es ja nicht einmal mehr existierte.“ (S. 345) Auch sonst marschiert Kim Young-ha in der „Schwarzen Blume“ in die transnationale Richtung. Alles ist da: Sprachenvielfalt (Koreanisch, Chinesisch, Japanisch, Englisch, Spanisch und das Mayathan von Yucatán), Mischehen, Mischlingskinder, Migration (legale, illegale, an der Grenze aufgehaltene, geglückte, Kettenmigration), verschiedene Stufen der Akkulturation. Allerdings ist das Verhältnis des Romans zur Transnationalität nicht ungebrochen positiv. Die Darstellung der beiden koreanischen Dolmetscher, die zwischen Koreanern und Mexikanern vermitteln, steht ganz in der Tradition der Kritik am Kompradorentum. Die Erzählung vermittelt dem Leser, dass die Position des Mittelmanns zwischen mexikanischen Haziendero und asiatischem Arbeiter zwangsläufig zwielichtige Gestalten anzieht oder erschafft. Kim Young-has Roman vereinigt Versatzstücke eines älteren nationalistischen Diskurses und eines jüngeren Bewusstseins, eines Diskurses, der sich im Klaren ist, dass der nationalistische Diskurs eben ein Diskurs ist. Es handelt sich also um einen Metadiskurs über den nationalistischen Diskurs. Gleichzeitig kann dieser Metadiskurs aber nicht seinen Ursprung in diesem nationalistischen Diskurs völlig abschütteln. Das Vaterland wird immer wieder von den Protagonisten in den Mund genommen, der Erzähler enthält sich aber jeden Kommentars. Alle Hoffnungen auf das Vaterland, auf die Rettung durch das Vaterland, auf die Rettung des Vaterlands durch einen selbst, auf die Rückkehr ins Vaterland, auf die Neugründung des Vaterlands an einem anderen Ort werden zunichte gemacht. Wer sich für das Vaterland opfert, opfert sich sinnlos. Aber lösen kann sich der Roman von der nationalen Idee auch nicht, sie erscheint sinnlos und zugleich alternativlos. „Offenbar war es [die Gründung eines eigenen Vaterlandes im guatemaltekischen Regenwald] Ijongs tiefinnerer Wunsch und nicht das Ergebnis einer logisch schlüssigen Überlegung.“ (S. 419 f.) eine Parodie des Nationalstaatsgedankens verstanden werden, mit dem Söldnerführer Changyun als dem Typ des opportunistischen Politikers, für den nationale Politik ein Mittel zur Förderung seines eigenen Fortkommens ist, und Ijong als dem Typen des gläubig-emotionalen Idealisten, der die Nation braucht, um sich zugehörig zu fühlen. Es ist eine Parabel auf das sinnlose Scheitern dieser Idee. Der Opportunist Changyun flüchtet rechtzeitig und sucht seine Karriere anderswo weiterzuführen. Der Idealist Ijong opfert sich im ergebnislosen Dschungelkampf und seine Leiche verschwindet spurlos im Sumpf: Das ist der Endpunkt der Suche des Romanhelden, der Endpunkt, der schon in der Vorausblende auf der ersten Seite des Werks angedeutet wird. Die nationalistischen Gewissheiten sind verlorengegangen, und daraus hat der Autor eine Leidensgeschichte gemacht. Das Leiden aber ist bei ihm ironisiert, es gibt kein Martyrium, keinen Sinn. Eine Alternative zeichnet sich vielleicht im Transnationalen ab, aber festlegen lässt sich Kim Young-ha da auch nicht. Ähnlich wie mit der Nation verfährt Kim Young-ha mit der anderen großen heiligen Kuh: der Familie. Die Familie Yi, die zu Anfang vorbildlich die Tugenden des Adels vorführt, bricht unter dem Druck der Verhältnisse zusammen. Es sind aber nicht allein die Verhältnisse, die die Familie zerstören, auch ihr Festhalten an der sinnlos gewordenen konventionellen Tugendhaftigkeit zerstört sie. Demgegenüber stehen neue Formen der Familie: Mischehen, standesübergreifende Beziehungen, Adoption, Stiefkinder. Wenn ich sage, Kim Young-ha könne seinen Ursprung im nationalistischen Diskurs nicht abschütteln, heißt das nicht, dass Kim Young-ha an diesen Diskurs glaubt. Er ist sich bewusst, dass es sich um einen Diskurs handelt, formuliert seine Gedanken aber von diesem Anfangspunkt aus kommend. Das guatemaltekische Neukorea kann als 73 KULTUR Transfer Korea - NRW 2011/12/13 Das 9. Internationale Künstler- und Kunstaustauschprogramm 제9회 국제예술교류프로그램 Luka Fineisen Menue in the pump-swamp, 2005 Thickened and milk shake colored fluid, pump, slowly ascenting, big ait bubbles and their popping sound in the room, friends in gumboots eating cream-white food 74 © Seoung Won Won Seoung Won Won, Tomorrow-Village of dogs, 2008, c-print, 120x200cm Von Dr. Christian Esch D © Luka Fineisen er Kunst- und Künstleraustausch-Transfer blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Ins Leben gerufen wurde er 1989, als Deutschland noch aus zwei Teilen bestand. Tatsächlich verdankt sich auch der Name des Austauschprojekts der Beziehung zwischen den beiden deutschen Staaten: Denn es war im Kalten Krieg der Transfer von Personen und Waren durch die wenigen Maschen des schier undurchdringlichen Eisernen Vorhangs hindurch, der das vielleicht wichtigste, jedenfalls für die Menschen wirksamste Instrument war, diese Teilung praktisch erträglicher und auch politisch beweglicher zu gestalten. Die Parallelen zu der schwierigen politischen Situation der schmerzhaft geteilten koreanischen Halbinsel drängen sich natürlich auf. Als dann 1990 der erste Kunst- und Künstleraustausch zwischen dem größten westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen und DDR-Künstlerinnen und -Künstlern realisiert wurde, war die Mauer bereits gefallen und der Prozess der Vereinigung in vollem Gange. So viele Länder dann noch folgten, von Polen bis Israel, von Italien bis Spanien, bei allen Anpassungen und Veränderungen in der Arbeitsweise und Projektstruktur über die Jahrzehnte hinweg, blieb doch der zentrale Gedanke lebendig, künstlerische Beziehungen zwischen Menschen und Institutionen in den Mittelpunkt zu rücken. Denn nicht abstrakte politische und wirtschaftliche Setzungen sind hier ausschlaggebend, sondern das konkrete Interesse und die ganz eigene Kompetenz der Menschen und Einrichtungen, der Künstler sowie der Museen mit ihren Kuratoren und ihrer lokalen Infrastruktur. Nach dem Prinzip „Buttom up“ statt „top down“ ist insgesamt die Arbeit des NRW KULTURsekretariats angelegt, dieses Verbundes der 21 großen Städte Nordrhein-Westfalens (NRW). Aufgreifen, verbinden und initiieren: Diese Arbeitsweise korrespondiert mit der besonderen polyzentrischen Struktur des 18 Millionen-„Landes der Städte“, die wohl auch in Seoul und Umland von Bedeutung ist. Von Anfang an entfaltet dieser Ansatz auch für die Initiative dieses Transfers Wirkung, bei der Entwicklung der Projektdramaturgie ebenso wie beim Zusammenführen der in- und ausländischen Partnermuseen. Auch im weiteren Verlauf wird das Projekt vom Dialog mit und unter den Partnern sowie den gemeinsam ausgewählten Künstlern aus beiden Ländern geprägt sein. Gestaltend moderiert und 75 Fotos: privat Dr. Christian Esch Direktor NRW KULTURsekretariat gesteuert durch das NRW KULTURsekretariat, entsteht auch im Transfer eine Konstellation, die der ungeheuer vielfältigen und dichten Kulturszene NRWs mit ihren zahllosen einzelnen städtischen und regionalen Szenen entspricht. Die vergangenen erfolgreichen Transfers belegen es eindrucksvoll: Auf diese Weise kann es gelingen, mit ausländischen Partnern sowie mit deren Kultur und ganz eigener Kompetenz zu kooperieren und auf dieser Grundlage von Vielfalt ein gemeinschaftliches Projekt zu entwickeln - so auch mit Südkorea. Als dieses ferne Land mit seiner ganz eigenen großen Kultur und Geschichte Partner des 9. Kunst- und Künstleraustauschs Transfer wurde, war das natürlich ein Schritt von besonderer Reichweite. Denn obschon der Transfer bereits ein Mal an die asiatische Tür geklopft hatte, als nämlich von 2005 - 2007 der Austausch mit der Türkei auf dem Programm stand, war doch niemals zuvor ein Land außerhalb des europäischen Kulturraums Partner. Und doch liegt Korea näher, als es zunächst den Anschein hat. Und das nicht nur, weil mit der Globalisierung die Weltkugel bekanntlich zusammenschnurrt. Viel bedeutsamer ist, dass es zwischen Korea und Deutschland eine besondere kulturelle Verbindung gab und weiterhin gibt, lange bevor das Schlagwort Globalisierung überhaupt aufkam. So ist die von Düsseldorf und Wuppertal ausgehende Fluxus-Kunst wesentlich mit dem Videokünstler Nam Jun Paik verbunden, und der Komponist Isang Yun lebte viele Jahre in Deutschland. Ganz zu schweigen davon, dass an deutschen Akademien, Hochschulen und Universitäten koreanische Studierende seit Jahrzehnten zum Alltag gehören. Vor allem: Während Korea schon lange mit der westlichen Kunst vertraut ist, gilt es endlich, die aufregende und dynamische koreanische Kunstszene mit ihren eigenständigen Positionen hierzulande zu entdecken. Ohne Anmaßung darf gesagt werden, dass mit dem Transfer korea-nrw 2011-2013 eine neue Stufe der kulturellen Verbindungen zwischen beiden Ländern und damit der Kenntnis voneinander beschritten wird. Schon die erste Phase des Transfers, vor allem die Künstlerauswahl, hat im Spannungsfeld von Identität und Differenz zweier kultureller Welten zu 76 einem intensiven, interkulturellen Dialog und zu einem engagierten Austausch von Positionen geführt. Vor allem aber kommt es zur angesprochenen Verbindung zwischen den Menschen und Institutionen, die als Grundlage nicht nur für die Zeit dieses Kunst-und Künstleraustauschs dienen wird, sondern auch für Entwicklungen weit darüber hinaus. Wie schon die vergangenen Transfers, so wird auch wieder dieser aktuelle Dialog zwischen so unterschiedlichen Szenen wie NRW und Seoul belegen, welche langfristigen Prozesse jene Kunst des Zusammenarbeitens in der Kunst auslösen kann, die im Wesentlichen selbst einen kommunikativen Prozess darstellt. Welche Wirkungen es sind, die für die ausgewählten Künstler, für die sechs Kuratoren und die beteiligten Museen sowie für alle anderen Partner von diesem Projekt ausgehen werden; wie also diese „Saat aufgeht“, die mit der Entscheidung für den europäisch-asiatischen Transfer gelegt wurde, das werden zunächst die Projektjahre mit den abschließenden Ausstellungen Ende 2013 zeigen. Doch auch nach seinem Abschluss wird, wie seine Vorgänger, dieser 9. Kunst- und Künstleraustausch-Transfer wieder viele selbständige Begegnungen und Kooperationen nach sich ziehen, mit der besonderen Kraft der kreativen Freiheit von Kunst und Kultur. PORTRÄT Ich habe Freunde gewonnen, mit denen ich - außer der Musik - keine gemeinsame Sprache spreche“ Interview mit dem in Korea lebenden, deutschen Jazz-Musiker Martin Zenker Sie haben bereits im Alter von zwölf Jahren Ihre Liebe zum Jazz entdeckt. Gab es einen Auslöser dafür? Warum galt Ihr Interesse gerade dieser Musikrichtung? Foto: privat Martin Zenker, hier im Club Evans in Hongdae/Seoul, bereist seit 20 Jahren als Jazzmusiker die Welt. Seit 2008 tut er dies von Seoul aus, wo er an der Kyung Hee University eine Professur für Jazz, Kontrabass und Jazzgeschichte innehat. Jazz als Medium zu verstehen, das Kulturen und Grenzen überwinden kann, ist Martin Zenker ein großes Anliegen. In meinem Elternhaus wurde immer viel klassische Musik gehört, mein Vater spielt Cello, ich spielte damals schon einige Jahre Violine. Mit einem damaligen Schulfreund, der heute Schlagzeuger ist, begannen wir dann, uns für Jazz zu interessieren und haben die ersten Konzerte besucht. Sie sind Kontrabassist; worin begründet sich Ihre Faszination für dieses Instrument? Als ich 1982 anfing, mich für Jazz zu interessieren, war ja noch das Zeitalter der LP, das heißt, Aufnahmen waren nicht so einfach verfügbar wie heute. Ich habe also viel im Radio gehört. Eine legendäre Band, das Modern Jazz Quartet, hatte sich 1972 aufgelöst, und ihr erneuter Zusammenschluss nach zehn Jahren war eine große Sensation in Jazzkreisen, deshalb wurden sie oft im Radio gespielt. Ihr Bassist Percy Heath, der vor einigen Jahren verstorben ist, hat mich damals - wie auch noch heute - begeistert und mich dazu gebracht, Kontrabass zu lernen, zunächst gegen den Willen meiner Eltern. Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, in New York den alten Bass von Percy Heath zu spielen - das war natürlich ein emotionaler Moment für mich. 77 Ihre erste Reise nach Südkorea 2003 geht zurück auf die private und eher zufällige Initiative, einen Kontrabass für einen Freund zu kaufen. Fünf Jahre später haben Sie die Professur für Jazz, Kontrabass und Jazzgeschichte an der Kyeong Hee-Universität in Seoul übernommen. Wie würden Sie Ihre persönliche Beziehung zu dem Land beschreiben, und was hat Sie bewogen, diesen Schritt zu tun? Es gibt ja das Sprichwort, dass es woanders immer schöner ist. Zunächst einmal würde ich sagen, dass es woanders auf jeden Fall immer interessanter ist. Ich hatte ja schon sehr viel in Deutschland und Europa und auch in den USA gespielt, aber noch nicht so viel in Asien und wenn, dann eher zu offiziellen Anlässen und ohne viel Austausch mit der Szene vor Ort. Zwischen 2003 und 2008 habe ich dann viele Konzertreisen nach Korea gemacht mit Musikern aus der lokalen Szene - zum Teil Fremde, die dort leben oder eben koreanische Musiker. Erwähnen möchte ich hier vor allem den Saxophonisten Im Dalkyun. Das war natürlich reizvoll, und die Art, wie 78 mit Jazz umgegangen wird, der ja 2003 in Korea noch wesentlich exotischer war als heute, war sehr spannend: unkomplizierter, weniger voreingenommen und viele Dinge waren einfacher umzusetzen - andere wiederum auch nicht, aber es war zunächst einmal anders und neu. In dieser Zeit habe ich auch schon einige gute Freunde gewonnen in Korea, neben Im Dalkyun zum Beispiel auch die Sängerin Sunny Kim oder den Wahlkoreaner Chris Varga, der seit 15 Jahren in Seoul lebt und viel für die dortige Jazzszene getan hat. Die Aussicht, zu unterrichten, fand ich schon seit Jahren reizvoll, und als mir die Professur angeboten wurde, war das natürlich eine schöne Sache. Meine damalige Lebensgefährtin und jetzige Frau hat sich als Business Coach auf interkulturelle Aspekte mit Schwerpunkt Asien/Europa spezialisiert und ist somit auch international tätig. Über einen Tapetenwechsel hatten wir sowieso nachgedacht, und da kam die Aussicht auf einen interessanten Job sehr gelegen - zumal in einer Stadt, in der man sich auch sonst kulturell und als Musiker engagieren kann. Foto: Im Dajoung Konzert im Jazz-Club All That Jazz in Itaewon, Seoul. Internationalität und Interkulturalität sind Markenzeichen des Jazz: Der in Paris lebende, dänische Saxophonist Martin Jacobsen (2. v. li.) spielt regelmäßig mit Martin Zenker ( li.) und dem koreanischen Schlagzeuger Kim Minchan (re.) in Asien und Europa zusammen. Sie sind ein Vielreisender und verbringen ein Drittel des Jahres in Seoul, ein Drittel auf Tournee in Asien und ein Drittel auf Tournee in Europa. Sie arbeiten viel mit koreanischen Musikern zusammen. Worin unterscheiden sich die Jazz-Szene und das Publikum in Korea von denen anderer Länder? Zunächst einmal fällt mir und auch Kollegen, die mich in Korea besuchen, immer wieder auf, dass Jazz in Korea eine relativ junge Zielgruppe anspricht - verglichen mit anderen Ländern. Auf den ersten Blick ist das wohl der sichtbarste Unterschied. Nun ist Jazz - meinem Verständnis nach - ja eine Sprache, eine Kommunikationsform, in der Risikobereitschaft, Schlagfertigkeit und Improvisationsfähigkeit sehr wichtig sind. Studenten und auch einige professionelle Musiker lassen sich manchmal zu sehr von Vorsicht leiten, die Risikobereitschaft ist da etwas geringer. Für mich sind Persönlichkeit und Eigenständigkeit in der musikalischen Aussage die Hauptsache - Technik ist lediglich Handwerk, aber nicht Inhalt. Das versuche ich meinen Studenten zu vermitteln. Sie sind der Auffassung, dass insbesondere Jazz eine „länder- und kulturübergreifende Sprache“ ist. Worin begründet sich diese Überzeugung? Geschichtlich gesehen ist Jazz aus einem Zusammentreffen verschiedener Kulturen entstanden und diente auch schon immer als eine Kommunikationsform zwischen diesen Kulturen. Grenzen können durch den Fokus auf eine gemeinsame Leidenschaft verschwimmen, ohne die man ja sowieso nicht vernünftig Musik machen kann. Jazz im Speziellen legt noch mehr Wert auf unmittelbare Kommunikation, Aktion, Reaktion auf einem Terrain, auf dem alle dieselbe Sprache sprechen, dieselben - oder zumindest ähnliche - Vorbilder haben und trotzdem jeder seine Meinung haben und diese auch jedem verständlich machen kann. Stellen Sie sich irgendeine andere Situation vor, in der Sie mit vier oder fünf Menschen, die Sie nie gesehen haben, die alle aus unterschiedlichen Kulturen kommen und keine gemeinsame Sprache sprechen, ohne Absprache und Vorbereitung etwas Sinnvolles und Kreatives gestalten sollen. Das geht vielleicht noch mit einer Fußballmannschaft. Im Jazz ist das Realität, man lernt Leute kennen, ich habe sogar Freunde gewonnen, mit denen ich außer der Musik - keine gemeinsame Sprache spreche. Aber dazu gehört natürlich auch der Mut, diese Sprache der Musik zu sprechen und ihr zu vertrauen. Gibt es in Bezug auf Ihre Arbeit ein zentrales Anliegen, das Ihnen besonders am Herzen liegt? Da gibt es vieles! Ein Anliegen von mir ist es, durch meine Arbeit auch die Tradition als Fundament für wichtige Details und Feinheiten, die diese Musik lebendig machen, in einer Gesellschaft zu vermitteln, die sehr schnelllebig ist und in der Jazz erst eine relativ kurze Geschichte hat. Ein anderes und vielleicht wichtigeres Anliegen ist es, die beruflichen Aussichten für die vielen Musiker zu verbessern, die dort ausgebildet werden. Korea investiert viel in Kultur und Ausbildung, aber es gibt - wie in Deutschland übrigens auch - eine enorme Diskrepanz zwischen dem, was im Bereich Jazz für Ausbildung ausgegeben wird und dem, was danach an Arbeitsmöglichkeiten gefördert wird. Im Bereich der Klassischen Musik ist das ganz anders. Wir versuchen mit unseren Mitteln und sehr viel Eigeninitiative auf einer Ebene einen Austausch zwischen Korea und Europa herzustellen, auf der die Musiker wirklich selbständig zusammenarbeiten. Im Moment plane ich ein Projekt in Europa mit dem jungen koreanischen Bassisten Kim Daeho, dem Schlagzeuger Kim Minchan und dem schottischen Pianisten Paul Kirby, der als Klavierprofessor in Seoul arbeitet. Ein zentrales Anliegen meiner Arbeit und erklärtes Ziel ist es, solchen Initiativen mehr Gewicht und Gehör zu verschaffen und damit jungen Koreanern bessere Chancen zu vermitteln, in dem Beruf, für den sie ausgebildet werden, auch international zu bestehen. Das Interview führte Dr. Stefanie Grote Weitere Informationen unter: www.martinzenker.com 79 KOREA IM ALLTAG Koreanischer Sprachführer Im Kaufhaus 백화점에서 Beim Einkaufen (점원) 어서 오세요. 뭐 찾으세요? (Verkäufer) Guten Tag! Was suchen Sie? [Jeomwon: Eoseo oseyo. Mwo chajeuseyo] 카드로 계산할 수 있어요? Kann ich mit Kreditkarte zahlen? [Kadeuro gyesanhal su isseoyo] 그냥 구경할게요. Ich schaue mich nur um. [Geunyang gugyeonghalgeyo] 현금으로 할게요. Ich zahle bar. [Hyeongeumeuro halgeyo] 이거 얼마예요? Wieviel kostet das? [Igeo eolmayeyo] 입어 봐도 돼요? Darf ich anprobieren? [Ibeo bwado dwaeyo] 너무 커요. Das ist zu groß. [Neomu keoyo] 너무 작아요. Das ist zu klein. [Neomu jagayo] 더 작은 거 있어요? Haben Sie etwas Kleineres? [Deo jageun geo isseoyo] 더 큰 거 있어요? Haben Sie etwas Größeres? [Deo keun geo isseoyo] 다른 색 있어요? Haben Sie eine andere Farbe? [Dareun Saek isseoyo] 마음에 들어요. Es gefällt mir gut. [Maeume deureoyo] 잘 맞아요. Es passt mir gut. [Jal majayo] 이걸로 할게요. Ich nehme es. [Igeollo halgeyo] 80 Beim Umtauschen und Zurückgeben 마음에 안 들어요. 바꾸고 싶어요. Es gefällt mir nicht. Ich möchte es umtauschen. [Maeume an deureoyo. Bakkugo sipeoyo] 죄송하지만, 환불하고 싶어요. Entschuldigen Sie, aber ich möchte es zurückgeben. [Joesonghajiman, hwanbulhago sipeoyo] 영수증 여기 있어요. Hier ist die Quittung. [Yeongsujeung yeogi isseoyo] Nützliche Wörter 바지[Baji] die Hose 청바지 [Cheongbaji] die Jeans 치마 [Chima] der Rock 티셔츠 [Tisieocheu] das T-shirt 스웨터 [Seuweteo] der Pullover 원피스 [Wonpiseu] das Kleid 구두 [Gudu] klassische Schuhe 운동화 [Undonghwa] Sportschuhe 부츠 [Bucheu] Stiefel 샌들 [Sendeul] Sandalen 색 [Saek] die Farbe 빨간색 [Ppalgansaek] rot 파란색 [Paransaek] blau 갈색 [Galsaek] braun 하얀색 [Hayansaek] weiß 검정색 [Geomjeongsaek] schwarz 회색 [Hoesaek] grau KOREA IM ALLTAG Rezept Yukgaejang (육계장) Foto: KOREA Magazin Scharfer Rindfleischeintopf Für 2 Personen Hauptzutaten Zutaten für Rinderbrühe Sauce für Yukgaejang 300g Rinderbrust 100g Gosari (고사리, eingeweichter Adlerfarn, im Asia-Laden erhältlich) 100g Sojabohnensprossen 4 Stängel Lauchzwiebeln eine halbe Zwiebel eine Prise Salz 8 Tassen Wasser eine halbe Zwiebel 1 Lauchzwiebel 8 schwarze Pfefferkörner 4 Knoblauchzehen 2 TL Gukganjang (konzentrierte Sojasauce für Suppen) 2 TL rotes Pepperonipulver (고추가루, Gochugaru) 3 TL rote Pepperonipaste (고추장, Gochujang) 1 TL Sesamöl 1 TL gehackter Knoblauch Pfeffer • Den Gosari in kaltes Wasser einlegen, um den bitteren Geschmack zu entfernen. Danach gründlich abwaschen und auf 5 cm Länge schneiden. • Rinderbrust, Zwiebeln, 1 Lauchzwiebel, Pfefferkörner und Knoblauch in einen Topf geben. Wasser hinzufügen und zum Kochen bringen. Danach für eine Stunde bei mittlerer Hitze weiter köcheln lassen, bis das Fleisch durch ist. • Den Sud mit dem gesamten Inhalt durch ein Tuch oder durch ein Sieb geben. Die ausgekochten Gewürze dienen lediglich dem Geschmack der Brühe und können daher entsorgt werden. • Das Rindfleisch, die halbe Zwiebel und die restlichen Lauchzwiebeln in Streifen schneiden. • Die Zwiebeln und Sojasprossen kurz in Wasser ankochen, dem Topf entnehmen und gut abtropfen lassen. • Das Rindfleisch, Gosari, Lauchzwiebeln und Sojasprossen mit der vorbereiteten Sauce für Yukgaejang vermengen. Nachdem die Marinade gut eingezogen ist, brät man die Mischung kurz an. • Den Sud und die angebratenen Zutaten in einen Topf geben und 20 Minuten kochen lassen. Die fertige Suppe nach Bedarf mit Salz abschmecken: Sie kann je nach Geschmack mit Tofu oder Kartoffeln variiert werden. 81 VERANSTALTUNGEN - Rückblick 10. Deutsch-Koreanisches Forum (17.-18. Nov. 2011) Von Rhan Gunderlach © g+h communication D Rhan Gunderlach ist als Kind nach Deutschland gekommen und hat an der Ludwig-MaximiliansUniversität München (LMU) Deutsch und Geschichte studiert. Sie war über zehn Jahre als Fernsehjournalistin u.a. für die Deutsche Welle und den ARD-Sender mdr sowie als Pressesprecherin bei der EXPO 2000 in Hannover tätig. Seit 2001 ist sie Mit-Inhaberin einer Agentur für Presseund Öffentlichkeitsarbeit mit dem Schwerpunkt Internationale Politik / Entwicklungspolitik und seit 2009 Geschäftsführerin der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft. er nachweislich erste Kontakt zwischen einem Deutschen und einem Koreaner fand in Peking statt. Es war die Begegnung zwischen Kronprinz Sohyŏn, der als Geisel am chinesischen Hof lebte und dem deutschen Priester Johann Adam Schall von Bell. Seither sind rund 250 Jahre vergangen. Die deutsch-koreanischen Beziehungen sind längst über Einzelkontakte hinausgewachsen. Sichtbarer Ausdruck des wachsenden und kontinuierlichen Austausches beider Länder ist das DeutschKoreanische Forum, das vor zehn Jahren von Bundespräsident Johannes Rau ins Leben gerufen worden war und seither regelmäßig, alternierend in Deutschland und Korea, stattfindet. Zum 10. Mal trafen sich auf Einladung des deutschen Vorsitzenden des DeutschKoreanischen Forums, Hartmut Koschyk, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, hochkarätige Experten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft aus Korea und Deutschland. Im Fokus stand die Partnerschaft beider Länder in einer sich zunehmend globalisierenden Welt. Beide Länder stehen vor wachsenden Herausforderungen in einer immer stärker verflochtenen Welt. Einschneidende Ereignisse im letzten Jahr, wie der Atomunfall in Fukushima und die Schuldenkrise im Euro-Raum, beeinflussen die gesellschaftlichen Debatten in beiden Ländern. Wahlen und mögliche Regierungswechsel bei Partnern und Nachbarländern führen zu entscheidenden politischen Weichenstellungen. Das Treffen der insgesamt 51 koreanischen und deutschen Teilnehmer fand in freundschaftlicher Atmosphäre im Deutschen Bundestag in Berlin statt. Eröffnet wurde das Forum von Cornelia Pieper, MdB, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Kim 82 Jae Shin, Vize-Außenminister für Politische Angelegenheiten im Außenministerium der Republik Korea. Sie unterstrichen damit den hohen Stellenwert, den das Forum mittlerweile in beiden Ländern genießt. Das zweitägige Forum war in drei Themenfelder unterteilt: Deutsch-koreanische Kooperationen • im Bereich Politik: „Zukunft und Perspektiven der deutsch-koreanischen Beziehungen im Kontext der jeweiligen regionalen und globalen Integration“ • im Bereich Wirtschaft: „Perspektiven und wirtschaftliche Zusammenarbeit im Hinblick auf Energieversorgung und -sicherheit sowie Innovationsfähigkeit“ und • im Bereich Kultur: „Die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Korea und Deutschland angesichts der gesellschaftspolitischen Entwicklung und kulturellen Identität im regionalen, nationalen und globalen Kontext“ Als Novum wurde bei diesem Forum in kleinen Arbeitsgruppen diskutiert, und es wurden Ergebnisse erarbeitet, die dann in die große abschließende Diskussion hineingetragen wurden. Auch in diesem Jahr wurden von allen Teilnehmern Handlungsempfehlungen an beide Regierungen formuliert, die an beide Regierungschefs – an die Bundeskanzlerin Angela Merkel und an den koreanischen Präsidenten Lee Myung-bak - im Anschluss an die Konferenz übermittelt wurden. Das 11. Forum wird 2012 in Korea stattfinden. Mit größter Wahrscheinlichkeit in der Region Gyeoungju im Südosten Koreas. V.l.n.r. sitzend: Dr. Lee Gark Bum, President‘s Council on Information Strategies; Cornelia Pieper, MdB, Staatsministerin im Auswärtigen Amt; Dr. Kim Hakjoon, Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koranischen Forums (DKF) Stehend: Stefan Müller, MdB,Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages (CDU/CSU); Hartmut Koschyk, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Politik © DKF e.V. Deutschland und Korea suchen nach Lösungen für gemeinsame Herausforderungen wie z.B. den demografischen Wandel, den globalen Wettbewerb um Energie und Rohstoffe und die Bewältigung der Auswirkungen der Weltfinanzkrise. Als wichtige Mittelmächte sollten sie stärker dort zusammenarbeiten, wo sie sich bereits heute getrennt voneinander sicherheits- und entwicklungspolitisch engagieren. Eine deutsch-koreanische Zusammenarbeit kann alternative Optionen in einer sich zunehmend multipolar gestaltenden Welt eröffnen. Identische Interessenlagen in vielen Bereichen bilden ebenso eine gute Basis für intensivierte Kooperation wie das Partnerschaftsabkommen zwischen Korea und der Europäischen Union. Abgestimmtes Vorgehen empfiehlt sich auch in internationalen Gremien wie G20, Asia-Europe Meeting (ASEM), Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), World Trade Organization (WTO), Vereinte Nationen (VN), dem Internationalen Währungs- fond (IWF) u.a.. Die Situation auf der koreanischen Halbinsel bleibt nach wie vor eine Quelle der Instabilität. Nordkoreas aggressives Verhalten ist eine Bedrohung für die Sicherheit Südkoreas. Dieser Bedrohung muss angemessen begegnet werden. Dazu gehört auf der einen Seite eine erhöhte Wachsamkeit, auf der anderen Seite aber auch der umfassende politische Dialog, auch über Menschenrechte und die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel. Die Teilnehmer des deutsch-koreanischen Forums äußern ihre Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Nordkorea und bestärken ihre Regierungen in der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich einschließlich der Flüchtlingsfrage. Zusätzliche Dialogforen können durch die diplomatische Präsenz Deutschlands in Nordkorea gefördert werden; auch im humanitären Bereich sowie durch die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen und Kulturmittler leistet Deutschland bereits heute wichtige Beiträge zur Annäherung. 83 Für Korea wie auch für Deutschland ist China einer der wichtigsten Partner. Ein verstärkter Austausch über Chinas Entwicklung und Strategie liegt im Interesse der koreanischen wie der deutschen Seite. In Korea und Deutschland entstehen neue gesellschaftliche Bewegungen, die unter anderem Ausdruck von Zukunftsängsten sind. Diese spiegeln sich auch in einer Ausdifferenzierung des Parteiensystems und Protestbewegungen wider. Die Gesellschaften müssen diese Ängste ernst nehmen und politische Antworten darauf finden. Wirtschaft Korea und Deutschland blicken auf 50 Jahre erfolgreicher Wirtschaftszusammenarbeit zurück. Für Deutschland wie Korea sind - neben der Weltfinanzkrise - Energiefragen und Umweltschutz von größter Priorität wegen des Mangels an natürlichen Ressourcen, der großen Bevölkerungsdichte und des hohen Industrialisierungsgrades. Bevölkerung, Politik und Wirtschaft in beiden Ländern befürworten Energieeinsparungen. Wirtschaftswachstum sollte mittelfristig mit vermindertem Energieverbrauch einhergehen. Dazu muss sich die Einstellung von Industrie und Privathaushalten ändern. Der Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen sei eine noch stärkere Bedeutung zuzumessen, denn die globale Entwicklung ist besorgniserregend. Die koreanische Initiative zum grünen Wachstum, gerade auch im Rahmen des G20-Gipfels in Seoul, ist ein wichtiger Impuls. Deutschland hat mit der Energiewende und der völligen Abkehr von der Atomkraft einen richtungsweisenden Schritt getan, der aber nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragbar ist. Beide Seiten befürworten einen Wettbewerb der Energieträger, mit dem Ziel kleinstmöglicher Umweltbelastung. In diesem Zusammenhang ist der Entwicklung aller alternativen und regenerativen Energiequellen Vorrang einzuräumen. Das Forum stellt mit Befriedigung fest, dass beide Länder entschlossen sind, ihre technologische Kompetenz in diesem Feld zur Geltung zu bringen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen Geothermie, Photovoltaik, Wasser- und Windkraft sowie die umweltgerechte Stadtplanung, die auch die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden mit einschließt. Die Einführung von Emissionshandelssystemen trägt dazu bei, die Vorreiterposition unserer Länder im Klimaschutz zu verstärken. Angesichts der zwangsläufigen Schwankungen bei der Energieversorgung durch volatile Energieträger, die von Sonne und Wind abhängig sind, sind ausreichende Ener- 84 giespeicherkapazitäten und intelligente Auslastung der Netze (smart grids) von überragender Bedeutung. Beide Länder sind für die Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen aufgrund ihrer Fähigkeiten im Bereich der Chemie, Elektrotechnik, IT-Technologie und des Maschinen- und Anlagenbaus prädestiniert. Private Investoren können wesentlich zur Finanzierung langfristiger Infrastrukturprojekte beitragen. Forschungszusammenarbeit und industrielle Kooperation bieten große Chancen. Organisationen wie die Deutsch-Koreanische Handelskammer sowie die Korea Trade and Investment Promotion Agency (KOTRA) können diese Zusammenarbeit insbesondere unter Einbeziehung des Mittelstandes gezielt fördern. Kultur Der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und Korea kann auf einer historisch gewachsenen Sympathie für das jeweils andere Land aufbauen. Deutschland verfügt über eine hohe kulturelle Anziehungskraft für Koreaner, die entsprechend den neuen medialen Möglichkeiten weiterentwickelt werden sollte. Auch Korea verfügt über ein attraktives Kulturangebot sowohl an traditioneller als auch zeitgenössischer Kultur mit einer großen Ausstrahlung. Kultur und Kulturaustausch sind nicht nur Werte an sich. Sie sind zugleich ein wichtiger Faktor für Standortmarketing, Stadtentwicklung, Diplomatie, Wirtschaft und das Bild eines Landes in der Welt. Besonders betonen die Forumsteilnehmer dabei den Einfluss von kultureller Infrastruktur auf die Innovationsfähigkeit von Städten. Das Interesse am jeweils anderen Land sollte früh gefördert werden durch eine Intensivierung von Austauschprogrammen für Schüler, Studierende und junge Berufstätige. Das Forum unterstreicht in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Vermittlung der jeweiligen Landessprache. Die Aktivitäten von Mittlerorganisationen wie der Korea Foundation, Korea Institute of Science and Technology (KIST), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Alexander von HumboldtStiftung und dem Goethe-Institut e.V. sowie der Austausch von Kulturexperten sollten nachhaltig gefördert werden. VERANSTALTUNGEN des Koreanisches Kulturzentrums - Vorschau KURSE Sprachkurse Koreanisch Grundstufe 1A (1. Quartal: Absoluter Anfängerkurs) Dozentin: Frau Paek-Un Chong Montag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 16.04. – 25.06.12 (am 28.05. fällt der Kurs aus) Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student’s Book + Workbook) Grundstufe 1A (2. Quartal: Fortsetzung des Absoluten Anfängerkurses) Dozentin: Frau Paek-Un Chong Dienstag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 10.04. – 19.06.12 (am 01.05. fällt der Kurs aus) Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student’s Book + Workbook) Grundstufe 1A (2. Quartal: Fortsetzung des Absoluten Anfängerkurses) Dozentin: Frau Paek-Un Chong Donnerstag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 12.04. – 21.06.12 (am 17.05. fällt der Kurs aus) Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student’s Book + Workbook) Grundstufe 1A (3. Quartal) Dozentin: Frau Hyunjung Kim Freitag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 13.04. – 15.06.12 Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student’s Book + Workbook) Grundstufe 1B (2. Quartal) Dozentin: Frau Hyunjung Kim Dienstag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 10.04. – 19.06.12 (am 01.05. fällt der Kurs aus) Kursbuch: Sogang Korean New Series 1B (Student’s Book + Workbook) Grundstufe 2A (1. Quartal) Dozentin: Frau Hyunjung Kim Montag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 16.04. – 25.06.12 (am 28.05. fällt der Kurs aus) Kursbuch: Sogang Korean New Series 2A (Student’s Book + Workbook) Grundstufe 2B (1. Quartal) Dozentin: Frau Hyunjung Kim Donnerstag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 12.04. – 21.06.12 (am 17.05. fällt der Kurs aus) Kursbuch: Sogang Korean New Series 2B (Student’s Book + Workbook) Mittelstufe 3B (1. Quartal) Dozentin: Frau Paek-Un Chong Freitag, 17.30 – 20.00 Uhr Zeit: 13.04. – 15.06.12 Kursbuch: Sogang Korean New Series 3B (Student’s Book + Workbook) Gebühr für alle Sprachkurse: 40,00 Euro pro Quartal Die Anmeldung direkt bei den Kursleiterinnen per E-Mail vor Kursbeginn. Die Kursgebühr zahlen Sie bitte am ersten Kurstag in bar direkt an die Kursleiterinnen. Die Lehrbücher können die Kursteilnehmer bei www.koreanbook. de oder www.seoulselection.com erwerben. Weitere Informationen zu den Kursen erfragen Sie bitte per E-mail bei Frau Kim (hj_kim@web.de) bzw. bei Frau Chong (paekun@gmx.de). Kalligrafie Dozent: Zen-Meister Byong Oh Sunim Ein Einstieg in den Kurs ist jederzeit möglich. Mittwoch, 18.00-20.00 Uhr Veranstaltungsort für alle Kurse: Koreanisches Kulturzentrum Leipziger Platz 3 10117 Berlin (ab 17.00 Uhr Eingang über Erna-Berger-Str. 1)1 Kontakt: Tel. 030/ 269 52-0 Koreanisches Yoga* Dozentin: Seohee Jang Wochentag Zeit Programm Dienstag 18.00 – 19.00 Uhr Balance-Yoga 19.10 - 20.40 Uhr Mittelstufe Mittwoch 18.00 – 19.00 Uhr Figur-Yoga 19.20 – 20.20 Uhr Power-Yoga Samstag 11.00 – 12.00 Uhr Balance-Yoga 12.20 – 13.20 Uhr Figur-Yoga Programm 1. Balance-Yoga: Ausbalancierung des Körpers (für jeden geeignet) 2. Figur-Yoga: Figurformend/ Stärkung der Muskulatur Kursgebühr 1 Monat 3 Monate 1x/ Woche 20,00 Euro 50,00 Euro 2x/ Woche 30,00 Euro 70,00 Euro 3x/ Woche 40,00 Euro 90,00 Euro *Der Einstieg in alle Kurse ist jederzeit möglich. Mitzubringen: eine Yogamatte und bequeme Kleidung Kontakt: Tel. 030/7680-4759 (Seohee Jang) Musikkurse Gayageum Dozentin: Yujin Hong Mittelstufe Montag, 17.00 – 18.30 Uhr Anfänger Mittwoch, 14.00 – 15.30 Uhr und 16.00 – 17.30 Uhr Kursgebühr: 30,00 Euro für zehn Sitzungen Start: seit dem 13.02.12 Unterrichtssprache: Koreanisch/ Englisch Ein Einstieg in die Kurse ist zurzeit nicht möglich, da alle Plätze belegt sind. Kurs für Danso (kleine Bambusflöte) und Daegeum (große Bambusflöte) Dozent: Herr Hong Yoo Dienstag, 19.00-20.30 Uhr Kursgebühr: 30,00 Euro pro Quartal Ein Einstieg in den Kurs ist jederzeit möglich. Die Instrumente können im Koreanischen Kulturzentrum käuflich erworben werden. Danso: 5,00 Euro (aus Kunststoff) Daegeum: ca. 15,00 Euro Kursgebühr: 30,00 Euro pro Monat; bei Teilnehmern, die sich für eine dreimonatige Teilnahme am Kurs entscheiden, reduziert sich die Kursgebühr für drei Monate auf 80,00 Euro. 1 Bitte benutzen Sie aufgrund unserer geänderten Öffnungszeiten (siehe letzte Seite) ab 16.04.2012 den Haupteingang! 85 VERANSTALTUNGEN des Koreanisches Kulturzentrums - Vorschau Koreanisches Kulturzentrum GALERIE KOREA Leipziger Platz 3 10117 Berlin Foto: Donghwan Kang AUSSTELLUNGEN+KONZERT BIS 19. APRIL 2012 Donghwan Kang Zwei Prozesse Einzelausstellung (Installation & Zeichnung) Foto: YASSEMEQK 28. APRIL– 03. JUNI 2012 Gruppenausstellung Yassemeqk 프랑스 한국 청년 작가 (Malerei & Installation) Vernissage: Freitag, 27. April 2012, 18.00 Uhr 9. JUNI– 21. JUNI 2012 Textbild: In-Su Ha Gruppenausstellung - 지구의 반란 ( Malerei) 40 Künstlerinnen vom koreanischen Künstlerinnenverein aus Korea 17 Künstlerinnen vom Verein Berliner Künstler, Berlin 3 Gäste der GEDOK-BRANDENBURG Vernissage: Freitag, 8. Juni 2012, 18.00 Uhr 9. Juni – 21.Juni 2012 ,,Creative in Arts‘‘ 30. JUNI– 28. JULI 2012 Einzelausstellung (Malerei mit Stickerei) Vernissage: Freitag, 29. Juni 2012, 18.00 Uhr Foto: Gisoo Kim Gisoo Kim Genähte Landschaften 19. APRIL 2012, 19.00 UHR Konzert Il Ryun Chung Foto: Volker Blumenthaler „Untemperierte Gitarre“ 86 SONSTIGES AB 03. MAI Berlin Films from Busan International Film Festival New Films from Korea: A Spot on Asia Zeit: 03. - 13.05.2012 TOURNEE 19. MAI St. Wilhadi (Stade) Orgelkonzert mit Jakyung Oh Veranstaltung im Rahmen der “Orgeltage Elbe-Weser 2012 - ArpSchnitger-Fest” Zeit: 18.00 Uhr Ort: Orgelakademie Stade e. V., Im Johanniskloster (in der Nähe der St. Cosmae-Kirche), Johannisstr. 3, 21682 Stade Tel. 04141/ 77 83 85 SONSTIGES MUSIK 04. MAI Köln Hiah Park, Vorträge einer koreanischen Mudang (무당, Schamanin) Zeit: 04. - 06.05.12 Seminar inkl. Vortrag und Tanzvorstellung: Innere Ruhe (Tod des Egos): ,,Vereinigung mit Gott im täglichen Leben” Ort: CARDEA Akademie für Gesundheitsberufe; Barthonia-Forum im Innenhof, Vogelsanger Str. 80a, 50823 Köln Eintritt: Seminar inkl. Vortrag und Tanzveranstaltung: EUR 360,00 05. MAI Bernau Youn Sun Nah und Ulf Wakenius Zeit: 19.00 Uhr Ort: Wasserturm Bernau, Oranienburger Chaussee, 16321 Bernau 28. MAI Hamburg Koreanische Kalligrafie unter Anleitung von Zenmeister Byong-Oh Sunim Zeit: 15.00 Uhr Ort: Planten un Blomen, St. Petersburger Str. 22, 20355 Hamburg 05. MAI Berlin Oper Lucia di Lammermoor Mit Yosep Kang als Edgardo Ort: Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin Zeit: 19.30 Uhr Ort: Deutsche Oper Berlin, Bismarckstr. 35, 10627 Berlin Tel. 030/ 3438401 BIS 27. MAI Leipzig Ausstellung “Entdeckung Korea! Schätze aus deutschen Museen” Zeit: 10.00 -18.00 Uhr (Di – So) Ort: GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Johannisplatz 5 - 11, 04103 Leipzig 05. MAI Berlin Konzert: Hong Yoo (대금, Daegeum: koreanische Bambusflöte) Traditionelle Musik aus Korea Zeit: 17.00 Uhr Ort: Yun-Haus, Sakrower Kirchweg 47, 14089 Berlin Tel. 030/ 873 47 44 15. APRIL Berlin Kirschblütenfest in den asiatischen Gärten: Koreanischer, Chinesischer und Japanischer Garten Zeit: 12.00 – 17.00 Uhr Ort: Gärten der Welt - Erholungspark Marzahn, Eisenacher Str. 99, 12685 Berlin Eintritt: EUR 5,00, erm. EUR 2,50 Tel. 030/ 700906-699 08. APRIL Hamburg 1. K-Pop-Party in Deutschland Zeit: ab 23.00 Uhr Ort: Memberclub Privileg Hamburg, Mönckebergstr. 7, 20095 Hamburg Zutritt ab 18 Jahren Eintritt: EUR 10,00 www.asianteam.de MAI KUNST BIS 15. APRIL Darmstadt Ankabutas Netz Ausstellung der koreanischen Künstlerin Songie Seuk Zeit: 11.00 – 18.00 Uhr (Di bis So) Ort: Museum Künstlerkolonie, Olbrichweg 13a, 64287 Darmstadt 14. APRIL Berlin Namsadang-nori Zeit: 20.00 Uhr Ort: Ufa-Fabrik, Viktoriastr. 10 – 18, 12105 Berlin Tel. 030/ 803 3462 BIS 20. APRIL Königstein Young-Jae LEE Kunst im Alltag Zeit: 14.00 – 17.00 Uhr (Di u. Do), 10.00 – 13.00 Uhr (Mi, Fr u. Sa) Ort: Seilerbahnweg 1, 61462 Königstein BIS 13. APRIL Berlin Donghyun Son: WHERE EVIL DWELLS Ort: Aando Fine Art, Tucholskystr. 35, 10117 Berlin Tel. 030/ 28093418 APRIL KUNST BUNDESWEITE VERANSTALTUNGEN April - Juni 2012 Deutschlandtournee des Koreanischen Nationalchors 23. MAI Düsseldorf Zeit: 20.00 Uhr Ort: Robert-Schumann-Saal, Ehrenhof 4-5, Museum Kunstpalast, 40479 Düsseldorf Tickets ab EUR 20,80 87 25. MAI Stuttgart Zeit: 20.00 Uhr Ort: Katholische Kirchengemeinde St. Clemens, Fleckenwaldweg 25, 70195 Stuttgart Tel. 0711/ 69 25 69 28. MAI Saarbrücken Zeit: 17.00 Uhr Ort: Basilika St. Johann, Katholisch-Kirch-Str. 24, 66111 Saarbrücken/ St. Johann Tel. 0681/ 32964 01. JUNI Berlin Einzelausstellung Vio Choe Ort: Lee Galerie Berlin, Brunnenstr. 172, 10119 Berlin Zeit: 01.06. - 14.07.12 Di - Sa 12.00 -18.00 Uhr u.n.V. 01. JUNI Berlin Konzert mit der 11-jährigen Violinistin Sueye Park und dem jungen Sinfonieorchester Berlin Zeit: 20.00 Uhr Ort: Philharmonie Berlin, Kammermusiksaal, Herbert-von-Karajan-Str. 1, 10785 Berlin Eintritt: EUR 13,00 - 32,00 02. JUNI Berlin Ursula Holliger (Harfe) Erinnerungen an Isang Yun Dr. Harald Kunz Zeit: 17.00 Uhr Ort: Yun-Haus, Sakrower Kirchweg 47, 14089 Berlin Tel. 030/ 873 47 44 07. JUNI Berlin Yun+…. : Junge Musiker V Drei Werke von Isang Yun und jeweils eine Komposition von Jean-Baptiste Krumpholtz, Zoltán Kodály und Hans Zender Im Rahmen des Crescendo Festivals der Universität der Künste Berlin Zeit: 19.30 Uhr Ort: Joseph-Joachim-Saal (= Konzertsaal), Bundesallee 1-12, 10715 Berlin 28. JUNI Frankfurt a.M. Korea - Tradition und Gegenwart Zeit: 28.06. - 09.09.12 Ort: Museum für Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main 88 MUSIK TOURNEE KUNST MAI JUNI IMPRESSUM 14. JUNI Bielefeld Lee Yong-Kyu Pianisten der Welt 5 Werke von Schubert, Franck, Liadov und Scriabin. Zeit: 20.00 Uhr Ort: Altstädter Nicolaikirche (ev.), Niedernstr. 4, 33602 Bielefeld Eintritt: EUR 20,00 16. JUNI Darmstadt Klavierabend mit Yeol Eum-son Zeit: 19.00 Uhr Ort: Chopin-Gesellschaft, Kasinostr. 3, Kennedy-Haus, 64293 Darmstadt 30. JUNI Berlin Fest der Kulturen 2012 Koreanischer Konzertchor Berlin mit dem Dirigenten Seongju Oh Zeit: 20.00 Uhr Ort: Philharmonie Berlin, Großer Saal, Herbert-von-Karajan-Str. 1, 10785 Berlin HERAUSGEBER Koreanisches Kulturzentrum Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea Leipziger Platz 3, 10117 Berlin www.kulturkorea.de LEITER Gesandter-Botschaftsrat Jong Seok Yun REDAKTION Gesine Stoyke Dr. Stefanie Grote GESTALTUNG Setbyol Oh MITARBEIT Jongmin Lee KONTAKT Tel. (030) 269 52-0 Fax: (030) 269 52-134 E-Mail: redaktion@kulturkorea.de Auflage: 3.500 Exemplare DRUCK Pinguin Druck GmbH, Berlin VERTRIEB Koreanisches Kulturzentrum Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea Kultur Korea erscheint vierteljährlich als Print-, Digital- (PDF-Datei) und Online-Ausgabe unter: http://magazin.kulturkorea.de Bezug gratis über den Herausgeber. Sämtliche, von Redaktionsseite erfolgten Übersetzungen sind durch eckige Klammern kenntlich gemacht. 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