Kultur Korea 2012/2 - Koreanisches Kulturzentrum

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Kultur Korea 2012/2 - Koreanisches Kulturzentrum
한국
문화
Kultur
SPEZIAL: RELIGION UND GLAUBE IN KOREA
Wo die Mönche Kampfsport machen. Ein Tag im Golgulsa-Tempel
Kirche der Superlative. Die Yoido Full Gospel Church
Islam in Korea – gestern und heute
„Gottesstaat“ Nordkorea?
Ausgabe 2/2012
Titelbild: © Set Byol Oh
Eine 1906 im Stil eines traditionellen koreanischen Hauses (한옥/ Hanok)
erbaute Kirche der Anglican Church of Korea (Anglikanische Kirche Korea)
in Onsuri auf der Insel Ganghwa. Von außen betrachtet lässt das Gebäude nicht erkennen, ob es sich um einen buddhistischen Tempel oder um
ein christliches Gotteshaus handelt. Die Kirche ist nach St. Andreas, dem
Hauptschutzheiligen der Kirche, benannt.
Foto: Nils Clauss
Durihana Church
Seoul 2009
Die Durihana Church Seoul
nimmt sich vieler nordkoreanischer
Flüchtlinge an. Auf dem Holzschnitt
links sind Süd- und Nordkorea ohne
Grenzverlauf als vereintes Land
dargestellt.
Editorial
Auch wenn sich weniger als 50 Prozent der Koreaner zu einer Religion bekennen, ist
ihr Leben doch viel stärker von religiösen Einflüssen bestimmt, als es auf den ersten
Blick scheinen mag. Traditionen aus dem Buddhismus und dem Volksglauben haben
ebenso Einfluss auf den koreanischen Alltag wie der Konfuzianismus, der als philosophischer Leitgedanke alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt.
In dieser Ausgabe von Kultur Korea möchten wir Ihnen Bekanntes und Überraschendes aus der koreanischen Glaubenswelt präsentieren. Wussten Sie, dass erste
Kontakte zwischen Korea und dem Islam bereits im neunten Jahrhundert existierten
oder dass der nordkoreanische Staatsgründer Kim Il-sung aus einer Familie überzeugter Christen stammt? Des Weiteren erfahren Sie mehr über die Yoido Full Gospel
Church - die größte Einzelkirche der Welt, deren Gottesdienste ganze Fußballstadien
füllen - und über buddhistische Mönche, die nicht nur im Gebet, sondern auch im
Kampfsport bewandert sind.
Eine in Seoul lebende, moderne Schamanin stellt den koreanischen Volksglauben
vor und eine Berliner Imbissbesitzerin aus Korea versorgt ihre Gäste nicht nur mit
Suppe, sondern auch mit Bibelversen.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!
Die Mitarbeiter des Koreanischen Kulturzentrums
1
INHALT
1 Editorial
2 Inhalt
ÜBERBLICK
4 Zum Verständnis der Religionen in Korea von Prof. Dr. Hee-Sung Keel
9
7 Buchbesprechung – Myung-Hwa Cho. „Blaue Jade”, ein deutscher Roman
aus Korea von Dr. Knut Lohmann
9 Religionen in Korea - ein Überblick von Dr. Heinz-Jürgen Loth
BUDDHISMUS
25
14 Haeinsa, „Tempel der Reflexionen auf ruhiger See” von Bodo Hartwig
18 Die buddhistische Jungto-Gesellschaft in Deutschland von Gesine Stoyke
22 Wo die Mönche Kampfsport machen. Ein Tag im Golgulsa-Tempel
von Rainer Rippe
CHRISTENTUM
25 Missionare mit Charisma & Marketingtalent. Karl Gützlaff & Norbert Weber
von Dr. Sylvia Bräsel
29 Priester Alwin Schmid. Baumeister koreanischer Kirchen von Gesine Stoyke
30 Interview mit Mike Lee, deutschsprachiger Pastor in der koreanischen Kirchengemeinde „Full Gospel Church Düsseldorf“ (FGCD) von Gesine Stoyke
34
34 Südkoreaner auf Seelenfang von Malte E. Kollenberg
46
36 Interview mit Park Young Ai, Inhaberin des koreanischen Restaurants „IXTHYS“
in Berlin von Dr. Stefanie Grote
38 Kirche der Superlative. Die Yoido Full Gospel Church von Anne Schneppen
40 Interview mit Rev. Myung-chul Jung, Senior Pastor der Dorim Church der
Yeong Dong Po Presbytery von Gesine Stoyke
43 Evangelische koreanische Gemeinde Berlin e.V. - Interview mit
Pastor Sungho Cho von Dr. Stefanie Grote
ISLAM
46 Islam in Korea von Dr. Stefanie Grote
48 Interview mit Don Baker, Professor für Koreanische Kultur an der University of
British Columbia von Dr. Stefanie Grote
53
2
18
VOLKSGLAUBE
50 Das Jahr des „Schwarzen Drachens“ von Ha Phuong Le
53 Schamanismus: ein Glaube, der die koreanische Seele immer noch
anspricht von Myung-Ok Yoo
56 Wahrsagepraktiken in Korea – aktuell wie eh und je von Gesine Stoyke
KALEIDOSKOP
58 Namuamitabul... Ave Maria...von Anne Stern-Ko
30
60 „Gottesstaat“ Nordkorea? von Malte E. Kollenberg
63 Gedichte von Reiner Kunze
64 Obdachlos in Korea von Su-Zi Schütz
EXTRAWELT
66 Wanderer zwischen zwei Welten
von Neil Dowling (Text) und Nils Clauss (Fotos)
KULTUR
72 KLTI Essay-Wettbewerb: „Meine Eindrücke beim Lesen koreanischer
Literatur“ von Edgar Vogel
74 Transfer Korea - NRW 2011/12/13. Das 9. Internationale Künstler- und
Kunstaustauschprogramm von Dr. Christian Esch
PORTRÄT
77 Interview mit dem in Korea lebenden, deutschen Jazz-Musiker
66
Martin Zenker von Dr. Stefanie Grote
KOREA IM ALLTAG
80 Koreanischer Sprachführer
81 Rezept
VERANSTALTUNGEN
VERANSTALTUNGEN - Rückblick
82 10. Deutsch - Koreanisches Forum (17.-18. Nov. 2011)
von Rhan Gunderlach
KOREANISCHES KULTURZENTRUM - Vorschau
77
85 Kurse
86 Ausstellungen
87 BUNDESWEITE VERANSTALTUNGEN APRIL - JUNI 2012
3
ÜBERBLICK
Zum Verständnis der Religionen in Korea
Von Prof. Dr. Hee-Sung Keel
Professor emeritus der Sogang University
Foto: privat
R
Prof. Dr. Hee-Sung Keel
studierte
Philosophie
an der Seoul National
University und Theologie an der Yale University in den USA. 1977
erwarb er den Doktor
der Philosophie in Vergleichenden Religionswissenschaften von der
Harvard University. Ab
1977 war er Professor
für
Religionswissenschaft an der St. Olaf
University in den USA,
ab 1982 Professor für
Philosophie an der Seoul
National University und
von 1984 bis 2004 Professor für Religionswissenschaft an der Sogang
University. Er ist Autor
zahlreicher Bücher mit
religionswissenschaftlichem Hintergrund wie
z.B. Denken und Handeln
des Seon: Zur Begründung
des koreanischen ZenBuddhismus durch Chinul
(Harassowitz
Verlag,
2005), Meister Eckhart:
An Asian Perspective
(Peeters Press, Louvain,
2007),
Understanding
Shinran: A Dialogical Approach (Asian Humanities Press, 1995) und
Bosal Yesu (보살 예수,
Verlag Hyeonamsa, Seoul 2004).
4
eligion kann man als die Methode umschreiben, aus einem transzendentalen
Blickwinkel die ultimativen Fragen des
Lebens zu verstehen und darauf zu reagieren.
Während ihrer langen Geschichte von mehreren
tausend Jahren haben die Koreaner entweder
an den von außen auf die koreanische Halbinsel
einströmenden religiösen Traditionen oder an
den in Korea gewachsenen religiösen Traditionen partizipiert und sich in ihrem Leben von einem transzendentalen Blickwinkel leiten lassen.
Als religiöses Wesen (Homo religiosus) möchte
die Menschheit immer ein Leben führen, das
auf einem ewigen und absoluten Fundament
begründet ist. Auch in der heutigen Welt hat
sich dieser religiöse Anspruch nicht geändert.
Ungeachtet der Tendenz einer weltweiten
Säkularisierung lebt der Großteil der Menschheit
immer noch unter dem Einfluss irgendeiner
religiösen Tradition. Dies bezieht sich nicht nur
auf diejenigen Länder, in denen der Islam eine
vorherrschende Stellung hat, sondern auch auf
die europäischen Staaten, die am frühesten
in das Zeitalter der „Postreligion“ eingetreten
sind. Auch wenn das Christentum dort viel von
seinem gesellschaftlichen Einfluss verloren hat,
übt es nach wie vor als Lebenskonvention auf
die Wertvorstellungen oder Lebensanschauungen der Menschen einen Einfluss aus. Auch
in den ehemaligen sozialistischen Ländern, in
denen sich ein vollständiger Bruch mit religiösen Traditionen vollzog, erlebt die Religion
eine Wiederauferstehung. Im „sozialistischen“
China mit seiner Bevölkerung von 1,3 Milliarden
Menschen blühen der Taoismus, der Buddhismus und der Konfuzianismus wieder auf. Die
Gesellschaft und Kultur Indiens, eines Landes
mit einer Einwohnerschaft von 1,2 Milliarden
Menschen, ist abgesehen vom Hinduismus für
einen Außenstehenden schwer nachzuvollziehen. In Südamerika und auf den Philippinen hat
die katholische Kirche niemals ihren gesellschaftlichen Einfluss verloren, ebenso wenig wie
der Theravada-Buddhismus in südostasiatischen
Staaten wie Thailand.
Laut einer Erhebung über die religiöse Zugehörigkeit der Bevölkerung betrachtet sich etwa die
Hälfte der Koreaner als einer Religion zugehörig.
Die Religion spielt im Leben der modernen Menschen eine wichtige Rolle. Als säkularer Staat,
der auf einer freien demokratischen politischen
Ordnung mit einer Verfassung basiert, wird in
Korea die religiöse Freiheit des Einzelnen vollständig gewahrt. Die koreanische Gesellschaft
ist eine pluralistische Gesellschaft, in der verschiedene Religionen vergleichsweise friedlich
koexistieren: Dazu zählen Buddhismus, Christentum (Katholizismus und Protestantismus), Glaubensrichtungen mit einer langen Tradition wie
der Schamanismus sowie Cheondogyo, WonBuddhismus, Jeungsangyo und andere Religionen, die sich während der großen historischen
Umwälzungen Ende des 19. Jahrhunderts auf
koreanischem Boden herausgebildet haben. In
Korea gibt es keine Religion, die sich des Status
einer „Staatsreligion“ erfreut. Die verschiedenen
Bekenntnisse befinden sich in einem Zustand
der Konkurrenz und der gegenseitigen Beeinflussung und entfalten sich aktiv.
In der koreanischen Gesellschaft führen diverse
Religionen eine vergleichsweise friedliche Koexistenz - ein Phänomen, für das sich weltweit
wenige Entsprechungen finden lassen. Dass dies
in Korea so ist, während in anderen Ländern auf
der Welt aufgrund religiöser Differenzen schwerwiegende gesellschaftliche Konflikte ausgetragen werden, bedarf einer besonderen Erklärung.
In Korea koexistieren mit dem Buddhismus und
dem Christentum zwei wichtige religiöse Traditionen, die fast das gleiche Ansehen genießen.
Trotz einer minimalen Zahl von fanatischen
Anhängern des protestantischen Glaubens,
die sich feindselig gegenüber dem Buddhismus verhalten, existiert in Korea zwischen den
beiden großen Religionen kein Konflikt, der
den Zusammenhalt innerhalb der koreanischen
Gesellschaft gefährden würde. Die koreanische
Gesellschaft zeichnet sich durch eine sprachliche und ethnische Homogenität aus, obgleich
natürlich in den letzten Jahrzehnten die Zahl
der ausländischen Arbeitsmigranten
rapide angestiegen ist, sodass in Korea
zunehmend eine multikulturelle und
multiethnische Gesellschaft entsteht.
Weil in der koreanischen Gesellschaft
die ethnische Identität generell stärker
ausgeprägt ist als die religiöse Identität, wirken die religiösen Unterschiede
nicht als gesellschaftliche Spalter.
Zum besseren Verständnis der koreanischen Religionen muss man
noch einen weiteren wichtigen Punkt
erwähnen: Sie alle basieren auf der
religiösen und kulturellen Tradition
des Konfuzianismus. Mehr noch als
irgendeine Religion hat der Konfuzianismus in der Realität den stärksten
Einfluss auf die Wertvorstellungen, die
Lebensanschauungen und die moralische Lebensführung der Koreaner. Als
Religion, die im Joseon-Reich (1392 –
1910) mit seiner über 500-jährigen Tradition Koreas Gesellschaft und Kultur
beherrschte, hat der Konfuzianismus
zwar im Zuge von Koreas Transformationsprozess in einen modernen Staat
seine Vormachtstellung als politische
Ideologie oder als politisches System
verloren. Durch die Familien- und
Schulerziehung übt er jedoch bis heute
einen dauerhaften Einfluss auf die
generellen Denkweisen und die Art der
Lebensführung der Koreaner aus. In
diesem Sinne kann man den Konfuzianismus in Korea nicht einfach als eine
Religion bezeichnen, sondern eher als
eine kulturelle Tradition, die die Grenzen zwischen den einzelnen Religionen
sowie regionale und soziokulturelle
Unterschiede überwindet und das geistige Bindeglied aller Koreaner darstellt.
So ist es nicht übertrieben, zu sagen,
dass die Buddhisten Koreas alle „konfuzianistische Buddhisten“ sind und
die Christen Koreas alle ausnahmslos
„konfuzianistische Christen“. Tatsächlich ist dies ein allgemeines Phänomen,
das sich nicht nur in Korea, sondern
in allen Ländern, die zum Kulturkreis
des Konfuzianismus gehören, findet.
Dazu zählen China, Japan, Vietnam
und andere Staaten. In Ländern des
ostasiatischen Kulturraums wie China,
Korea, Vietnam und Japan spielte der
Buddhismus traditionell eine ergänzende Rolle zum Konfuzianismus. Beim
Buddhismus steht der Gedanke einer
Erlösung im Mittelpunkt, die dadurch
erzielt wird, dass man die irdische Welt
hinter sich lässt. Was die moralische
Ordnung der irdischen Welt im ostasiatischen Kulturkreis betrifft, ist der
Buddhismus in hohem Maße von den
Moralvorstellungen des Konfuzianismus abhängig. Auch das Christentum
unterscheidet sich in diesem Punkt
nicht wesentlich vom Buddhismus. In
der Vergangenheit geriet es in China
und Korea aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Riten der
konfuzianistischen Ahnenverehrung
in einen ernsthaften Konflikt mit dem
Konfuzianismus. Andererseits zeigt das
Christentum in vielen Punkten wie der
Himmelsverehrung, der Nächstenliebe
und der Pietät gegenüber den Eltern
mit der konfuzianistischen Tradition
verwandte Elemente und erzielt eine
Ordnung und Harmonie, die konfuzianistischen Maßstäben entspricht.
In der koreanischen Gesellschaft
vollzog sich eine Transformation
von der konfuzianistisch geprägten
Gesellschaft der Joseon-Zeit zu einer
modernen pluralistischen Gesellschaft,
die die Freiheit der Religion wahrt.
Dieser Wandlungsprozess war mit nicht
unerheblichen Geburtswehen verbunden. Die Herrscher des Joseon-Reiches,
die nach einem Staat und einer Ge-
sellschaft strebten, die sich an konfuzianistischen Richtlinien orientierten,
begannen ab Gründung der Dynastie,
den Buddhismus zu unterdrücken, der
im Goryeo-Reich (918 – 1392) die Rolle
der Staatsreligion gespielt hatte. Der
Buddhismus wurde im Joseon-Reich
als religiöse Hauptströmung verdrängt
und führte ein Schattendasein in abgelegenen Bergregionen. Die katholische
Lehre begann ab Mitte der JoseonZeit, insbesondere bei einem Teil der
intellektuellen Beamtenschicht unter
dem Namen „westliche Lehre“ (서학/
Seohak) Interesse zu wecken und
verbreitete sich selbst unter den Menschen der niederen Klassen. Von der
Staatsmacht, die an der konfuzianistischen Gesellschaftsstruktur festhalten
wollte, wurde die katholische Lehre
als Gefahr für die bestehende Ordnung eingestuft. Deshalb wurden die
Anhänger des katholischen Glaubens
aufs Intensivste verfolgt. Viele Gläubige
starben als Märtyrer, und lange Zeit
konnte der Katholizismus nur als Untergrundreligion bestehen.
Die Periode der Katholikenverfolgung ging Ende des 19. Jahrhunderts
vorüber, und der Protestantismus,
der durch westliche Missionare nach
Korea gebracht wurde, erfreute sich
einer missionarischen Freiheit und
leistete einen großen Beitrag zur
Modernisierung/ Verwestlichung der
koreanischen Gesellschaft und Kultur.
Die protestantische Kirche spielte für
die Einführung und Verbreitung der
modernen westlichen Zivilisation in
Korea in vielen Bereichen eine wichtige
Rolle. Neuartige westliche Erziehungsund medizinische Behandlungsmethoden wurden übernommen, das
koreanische Alphabet Hangeul (한글)
wurde durch das Studium der Bibel im
5
Volk verbreitet, eine Jugendbewegung
wurde gegründet, Musik und Sport im
westlichen Stil wurden eingeführt und
erste Magazine veröffentlicht.
In der Phase des Übergangs zu einem
modernen Staat musste Korea einen
hohen Preis zahlen: Die Kolonialisierung Koreas durch Japan (1910 – 1945),
das früher als Korea die westliche
Zivilisation übernommen und die
„Modernisierung“ vollzogen hatte.
Indem die japanische Zwangsherrschaft das nationale Bewusstsein und
den Widerstandsgeist der Koreaner
weckte, gab sie den Ausschlag für die
Gründung der Unabhängigkeitsbewegung und brachte viele geistige Führer
der großen Religionen wie Buddhismus, Christentum und den in Korea
gewachsenen Volksreligionen hervor,
die die Unabhängigkeitsbewegung
anführten. Dafür, dass unter verschiedenen Ländern Asiens nur in Korea das
Christentum derart gedeihen konnte,
gibt es einen wichtigen Grund: Anders
als andere asiatische Länder, die die
Kolonialisierung durch christliche Staaten des Westens erlitten hatten, hatte
sich in dem von Japan kolonialisierten
Korea das Christentum gemeinsam mit
dem Nationalbewusstsein entwickeln
können. Ein weiterer wichtiger Grund
lag darin, dass zur Zeit, als sich das
Christentum in Korea auszubreiten
begann, der Buddhismus, der während
der Herrschaft des Joseon-Reiches
lange unterdrückt und immer weiter
zurückgedrängt worden war, in der
koreanischen Gesellschaft keinen
Einfluss mehr hatte. Der Freiraum, der
durch die Verdrängung des Buddhismus entstand, wurde vom Christentum
ausgefüllt.
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Heute hat sich jedoch die religiöse
Situation verändert: Der Buddhismus
hat sich aus einer lange währenden
Stagnation befreit. Seit den 1970er
Jahren hat er seine Lebensenergie
zurückerlangt und sich gemeinsam mit
dem Christentum als eine der beiden
großen religiösen Hauptströmungen in
der koreanischen Gesellschaft etabliert.
Durch eine lebendige Missionsarbeit
hat sich der frühere „Waldbuddhismus“
zu einem „Stadtbuddhismus“ entwickelt und von einem hauptsächlich von
Mönchen getragenen Buddhismus zu
einem Buddhismus, der sich um die
Realisierung aller Arten von gesellschaftlichen Bewegungen bemüht und
von Laiengläubigen getragen wird, die
zu Hause die Lehren Buddhas studieren. Das Christentum (der Katholizismus und der Protestantismus) hat zu
Zeiten der Militärdiktaturen der 1970er
und 1980er Jahre einen wesentlichen
Beitrag zur Entstehung der Menschenrechtsbewegung, der Arbeiterbewegung und der politischen Demokratisierungsbewegung geleistet. Aber in
den Bemühungen um Dialog und Harmonie zwischen den Religionen, die
die Grundlage für ein tiefes Verständnis
anderer Religionen bilden, hat das koreanische Christentum – insbesondere
die protestantische Welt – noch eine
große Aufgabe zu bewältigen.
Übersetzung aus dem Koreanischen:
Gesine Stoyke
ÜBERBLICK
Buchbesprechung – Myung-Hwa Cho:
„Blaue Jade”, ein deutscher Roman aus Korea
Von Dr. Knut Lohmann
D
ie Koreanerin Myung-Hwa Cho, in Deutschland lebende
Literaturwissenschaftlerin, hat in dem Roman „Blaue Jade”
die Geschichte einer Ehe und einer Familie im Korea der
Zeit zwischen 1919 und 1989 porträtiert. Der Versuch, durch literarische Darstellung ihren Vater richtig kennenzulernen, wird zu
einer Reise in die Geschichte Koreas. „Denn er ist zweifelsohne
Produkt einer turbulenten Zeit dieses Landes in seiner jüngsten Geschichte.” Der letzte Teil ihres Romans hat die Form einer
Ich-Erzählung. Das Werk ist gespickt mit Informationen über
koreanische Sitten und Gebräuche und mit plastischen Erzählungen von Auseinandersetzungen zwischen Korea und Japan
und der Erinnerung an Ereignisse der Spaltung nach 1945. Ein
wesentliches Spannungsmoment entsteht aus der Konstellation,
dass der buddhistisch aufgewachsene Textilingenieur Namok
aus Koreas Süden die gläubige Christin Maria aus dem Norden
heiratet. So erlebt der Leser mit dem ungleichen Ehepaar die
politischen und religiösen Konflikte des Landes. Das Buch zeichnet sich durch eine sehr klare
Sprache aus und kann deutsche Leser zusätzlich durch den Reiz des Exotischen faszinieren.
Textauszug: „Maria besucht eine schamanistische (teils auch buddhistische) Trauerzeremonie“
Fotos: KUUUK Verlag
Verwundert näherte sie sich dem Haus
ihrer Freundin und sah eine Traube
von Menschen dicht vor der niedrigen
Haustür stehen. Sie unterhielten sich
und warfen gelegentlich ihren Blick
zum Haus, zwischen den Erwachsenen
liefen Kinder fröhlich herum. Maria
wunderte sich, dass ausgerechnet
vor dem Haus ihrer sterbenskranken
Freundin eine solch rege und heitere
Stimmung herrschte.
Plötzlich nahm sie den Geruch des
Weihrauchs wahr und bemerkte eine
schwere Luft, die langsam durch den
Hof wanderte, in dem Menschen in
Trauerkleidung standen. »Ach!«, stieß
Maria aus; ihre Freundin musste gestorben sein. Nun kam ihr in den Sinn,
dass die Mutter ihrer Freundin eine
eifrige Anhängerin des schamanistischen Glaubens war. Ich muss von hier
weg, schoss es ihr durch den Kopf; als
Christin wollte sie auf keinen Fall einer
schamanistischen Zeremonie beiwohnen. Aber ich kann doch nicht einfach
weggehen, ohne mich von Oksun zu
verabschieden, dachte sie und überwand ihren Widerwillen. So wurde
Maria Zeugin einer schamanistischen
Todeszeremonie, in der eine imaginäre
Welt, ja eine Zwischenzeit ins Leben
gerufen wird, während der die Toten
ihren Weg zum Totenreich antreten.
Drei Schamaninnen in traditionellem
Gewand saßen auf der linken Seite des
zu einer Zeremonienhalle verwandelten Wohnzimmers, die Schamanin in
der Mitte hielt eine links und rechts
bespannte koreanische Trommel vor
ihren Füßen. Hinter ihnen hockten
drei Musiker, ebenfalls mit einem
Instrument auf dem Schoß; eine kleine
Trommel oder eine Flöte aus Bambus.
Im Rücken der Musiker hingen Bilder
der zehn Götter des Totenreichs und
des Bodhisattvas sowie ein regenbogenfarbenes Stoffband, das die Götter
mit der Menschenwelt des Schicksals
und Leidens, Siechtums und Sterbens
verbinden sollte. In der leichten Brise
wellten sich diese Bilder, als freuten
sich die Götter auf die bevorstehende Zeremonie, während die Mutter
Oksuns in ihrer Trauerkleidung aus
grobem Hanfleinen und einem aus
ebendiesem Stoff geflochtenen
Trauerkranz auf dem Boden saß und
sich ständig die Tränen aus den Augen
wischte.
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In der Mitte des Zimmers war ein Torbogen aus Holz sichtbar, über dem ein
getrockneter Kabeljau lose hing, hinter
diesem Gerüst standen zwei Flaschen
auf dem Boden, dahinter ein kleiner
Tisch mit einem Weihrauchfass und
einem Napf mit Räucherstäbchen. Ein
mit Obst, Eintopf, Reiskuchen, gebratenem Fisch und Gemüsepfannkuchen
gedeckter Tisch, auf dem des weiteren
mit Reis gefüllte Schalen und zwei leere
Becher standen, zog durch dessen
Üppigkeit die Aufmerksamkeit Marias
auf sich.
[…]
Mitten in ihrer lustigen Erzählung, in
der Oksun als Kind beschrieben wurde,
warf die Schamanin plötzlich das
eine Ende des Stoffbandes treffsicher
auf die Seelenmünze, die über einer
weißen Papierblume lag; die Tote sollte
endlich mitkommen. Oksuns Mutter
aber stellte sich davor, hob beide
Hände nach oben, um es zu verhindern. Diesen Widerstand nahm die
Schamanin mit einem Scherz auf und
sagte zufrieden: »Na, warum nicht von
Anfang an so? Hast du geglaubt, dass
ich deine Tochter gleich mitnehme?
Mir wurde nämlich befohlen, einen
Riesenbeutel mitzubringen. Aber was
sehe ich hier? Nur ein paar Blätter!« Sie
sprach in einem solch amüsanten Ton,
dass alle Trauergäste und Anwesenden
in schallendes Gelächter ausbrachen.
Selbst Oksuns Mutter lachte. Maria aber
versuchte, das Lachen zu unterdrücken,
da für sie Lachen nicht zur Trauerfeier
gehörte, konnte jedoch nicht umhin,
zu schmunzeln. »Ohne großzügige
Geschenke wird der Weg für Oksun
sehr beschwerlich, vielleicht kommt sie
in die Hölle, wo giftige Schlangen oder
ein heißes Ölbad auf sie warten.« Der
Drohung der Schamanin entgegnete
Oksuns Mutter mit einer verzweifelten
Geste und sagte: »Bitte, bitte, nur das
nicht! Behandeln Sie meine Tochter
bitte sanft!« – »Aber welcher Scheißkerl würde einen solchen Speisetisch
annehmen, auf dem nichts Leckeres
dasteht, hm?«, meckerte die Schamanin über den Gabentisch, steckte die
Nase fast in die Speisen, roch hier und
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da und sagte spöttisch: »Die hier riecht
nach Hundescheiße, die dort aber
gar nicht so schlecht, duftet sogar ein
bisschen.«
Nach diesen Worten spuckte sie Speichel auf ihre Handfläche, rieb damit
die Augen und stichelte gegen Oksuns
Mutter: »So, so! Du hast wohl sehnsüchtig auf den Tod deiner Tochter gewartet, wie ich an deiner trockenen Wange
merke.« Oksuns Mutter brach in ein
Schluchzen aus, während die Schamanin mit allen erdenklichen Worten die
Anwesenden der Trauerfeier zu belustigen und zu amüsieren versuchte. Nur
einmal nahm sie kurz eine ernste Miene
an und klagte über ihre Aufgabe: »Der
Buddha macht mir keine Schwierigkeit
in der Unterwelt, aber die unzähligen
Götter, Götter der verletzten Seelen
und blutig Verreckten, sie verlangen
viele Gaben und machen mir das Leben
ungemein schwer.«
[…]
Die letzte Abfolge der Zeremonie, bei
der die Ahnin aller Schamanen, BariGongju, die Seele der Verstorbenen ins
Paradies begleitet, fand im Innenhof
statt. Gefolgt von Oksuns Mutter und
ihren engsten Verwandten trat die
Schamanin in den Hof, wo bereits ein
Schrein mit einem Bild von Buddha und
ein Scheintor ins Jenseits aufgebaut
worden waren. Die Weidenzweige im
Hof schienen sie zu grüßen, sie wogten
sanft in der Brise hin und her, die alten
Kiefern jedoch standen stumm, als
würden sie bereits ahnen, dass die Verstorbene ihren letzten Schritt antritt.
Oksuns Mutter hielt das Namensschild
ihrer Tochter vor der Brust, die anderen
trugen Kerzen und Räucherstäbchen,
gefolgt von zwei Personen, die gemeinsam eine Bambusmatte hielten, auf der
ein rotes Laken lag. Nachdem sie die
Bambusmatte vorsichtig auf die Erde
gelegt hatten, holten sie Oksuns Kleid,
legten es über das Laken und bedeckten es mit einem blauen Stoff, an dem
grobmaschige Stoffe locker hingen.
Mit einer raschen Bewegung der Arme
drehte sich die Schamanin vor dem
Schrein, als wolle sie einen Flugversuch starten. Maria verstand nicht, was
diese Geste bedeuten sollte. Wortlos
wandte sie sich ihrem Nachbarn zu und
suchte seinen Blick. Er verstand ihre
stumme Frage und erklärte leise, dass
die Schamanin der Verstorbenen den
Weg frei machen wolle. Die Schamanin
ging dreimal ums Tor, schlug dabei den
Fächer auf, hob ihn über ihren Kopf,
schwang gleichzeitig die Glocke mit ihrer linken Hand und drehte sich einmal
nach links. Die Art, wie der Fächer über
ihrem Kopf aufging, erinnerte Maria
an Vögel, die ihre Flügel aufschlagen
und flatternd davonfliegen, und sie
wünschte sich in diesem Augenblick,
die Seele ihrer Freundin flöge wie ein
Vöglein. Nun drehte sich die Schamanin nach rechts, hielt dabei den Fächer
auf der Brust gesenkt, schloss bald
den Fächer, trug ihn über die Schulter
und schwang die Glocke noch einmal
kräftig.
Doch die Seele Oksuns war noch lange
nicht frei; eine harte Verhandlung um
das Reisegeld stand noch bevor.
[…]
Als mehrere Scheine vor den Füßen der
Torwächter lagen und diese sich zufrieden zeigten, trat die als Prinzessin Bari
verkleidete Schamanin vor den Schrein,
verbeugte sich vor dem Buddha und
bat ihn um Gnade. Von ihrer schluchzenden Mutter mit Speise und Trank
versorgt, konnte die Verstorbene in Begleitung einer feierlichen Musik endlich
ihre Reise ins Jenseits antreten.
Myung-Hwa Cho: “Blaue Jade” Roman. Kuuuk Verlag,
Königswinter bei Bonn. Erste Auflage Februar 2012;
495 Seiten
ISBN 978-3-939832-40-9
28,00 €
Fotos: Dr. Heinz-Jürgen Loth
ÜBERBLICK
Religionen in Korea - ein Überblick Von Dr. Heinz-Jürgen Loth
D
ie Republik Korea ist ein Hightech-Land, in dem
zahlreiche Religionen offenbar ein Revival erleben.
Es handelt sich um einen Pluralismus bestehend
aus der genuin koreanischen Volksreligion, Buddhismus,
Konfuzianismus, Daoismus, Christentum und Neureligionen. Das Besondere ist jedoch, dass mit Ausnahme der
christlichen Kirchen eine klare Grenze zwischen diesen
Religionen nicht gezogen werden kann. Nach der Statistik
vom 1. November 2005 gehören 53,1% der Koreaner einer
Religion an: 22,8% sind Buddhisten, 18,3% Protestanten,
10,9% Katholiken, und der Rest verteilt sich auf kleinere
Religionen. Nach der alten koreanischen Religion, dem
„Schamanismus“, wurde nicht gefragt.
Die genuine Religion Koreas wird mu (무, 巫), mugyo
(무교, 巫教) oder auch musokkyo (무속교, 巫俗敎) genannt. Gemeint ist die Religion der mudang (무당 巫棠),
die als Schamanismus (샤머니즘) bezeichnet wird. Das
Hanjazeichen [한자, chinesisches Schriftzeichen] „巫“, chinesisch wu, bezeichnet jedoch keineswegs „Schamanen“
oder gar „tanzende Schamanen“. Eher ist an medial begabte Menschen zu denken, die diese Welt mit der anderen
Welt verbinden und das Erscheinen von Geistern bewirken. „Schamanismus“ ist ein eurozentrischer Begriff, der
zunächst von christlichen Missionaren benutzt wurde und
danach von Ethnologen. Für eventuelle schamanistische
Vorstellungen der bronzezeitlichen Yemaek-Tungusen, die
auf der koreanischen Halbinsel siedelten, gibt es jedoch
keine Dokumente und archäologischen Hinweise (Hyung
Il Pai). Nicht wenige Religionswissenschaftler fordern, den
Schamanismus-Begriff aufzugeben. Zu Recht fragt Boudewijn Walraven, ob es Sinn macht, die alte koreanische
Religion als „Schamanismus“ zu bezeichnen.
9
Foto: privat
Dr. Heinz-Jürgen Loth
ist Theologe. Neben
religionswissenschaftlichen Publikationen
und der Lehre an
deutschen Universitäten führten seine
Forschungsreisen
ihn in die Karibik
und nach Brasilien.
Eine Forschungsreise
durch Japan 2010 ließ
die Frage nach dem
Einfluss Koreas auf
den frühen japanischen Buddhismus
aufkommen. Da Korea
in der religionswissenschaftlichen
Forschung kaum zur
Kenntnis genommen
wird, fasste er den
Entschluss, 2011 einige Wochen in Seoul
zu verbringen. Diese
erste Reise nach
Südkorea brachte
unerwartete, reichhaltige Erkenntnisse.
Was aber ist nun koreanische Religion? Der
bekannte Dangun-Mythos, enthalten in dem
von dem buddhistischen Mönch Iryeon (1206 1289) verfassten Samguk Yusa („Memorabilien
der drei Königreiche“), berichtet über Hwanin
(환인-) bzw. Hananim (하나님), den Herrn des
Himmels, seinen Sohn Hwanung (환웅), den
Himmlischen König, und schließlich Dangun
Wanggeom (단군 왕검, „unsterblicher Herrscher des Paktalbaumes“). Hwanin wollte den
Menschen Wohltaten erweisen und sandte
seinen Sohn, der die Menschheit erlösen sollte,
auf den Berg Taebaeksan (태백산) hinab. Hwanung zeugte mit der in eine Frau verwandelten
Bärin Ungnyeo (웅녀) den Dangun. Dieser
gründete dem Mythos folgend 2333 v.Chr.
nicht nur das erste koreanische Königreich
Joseon (조선), er brachte auch seinem göttlichen Ahnen, dem Gott des Himmels, auf dem
Berg Mani-San das erste Opfer dar. Gegen Ende
seines langen Lebens von 1908 Jahren wird
Dangun zum Berggott San-shin (산신). Heute
wird Dangun in Tempeln verehrt.
Hier fließen viele Traditionen zusammen: die
Verehrung heiliger Berge, sibirische Vorstellungen von der Verwandlung der Bärin in eine
Frau sowie der heilige Paktalbaum als Weltenbaum, koreanisch-daoistische Vorstellungen
von der Vielheit in der Einheit, daoistische
Vorstellungen von einem langen Leben sowie
das wohl aus China stammende Ahnenopfer.
Diese Sichtweise, die verschiedenste Traditionen zu einem Ursprungsmythos des HanVolkes vereinigt, erinnert an den koreanischen
Gelehrten Chiwon Choe (857-?), der in dem
Geschichtswerk Samguk Yusa mit der Aussage
angeführt wird, dass es ein esoterisches Dao
gibt, genannt pungryudo (풍류도), das die drei
Religionen Konfuzianismus, Buddhismus und
Daoismus zusammenführt und die Menschheit
erleuchtet. Die Einheit in der Vielheit ist wohl
eine Grundanschauung koreanischer Religiosität. Und diese hat ein religiöses Kontinuum
hervorgebracht, auf dem die Religionsgemeinschaften sich bewegen, sich einander begegnen und austauschen. Nicht das eurozentrische
Modell von Synkretismus wirkt hier, sondern
Transkulturation, die auch aus anderen Teilen
Asiens bekannt ist.
Das wird deutlich, wenn man Götter und
Geister im mugyo [genuine Religion Koreas]
untersucht. Nach Kim Tae-gon gibt es 237
10
Gottheiten, auf der Insel Jeju sollen es sogar
um die 18.000 sein. Man kann zwischen den
Hauptgöttern, untergeordneten Göttern sowie
den untergeordneten Geistern unterscheiden. Letztlich ist die Anzahl von Göttern und
Geistern abhängig von der mudang bzw. dem
baksu (박수, wenn es sich um einen Mann
handelt) und ihrem jeweiligen Schrein. Auch
die Zielsetzung des gut-Rituals entscheidet
darüber. Von grundlegender Bedeutung ist
der momju (몸주), der „Herr des Körpers“, also
die Gottheit, die sich als erste in einer mudang
inkorporiert hat.
Man unterscheidet heute in Korea vier Typen
von Ritualexperten: mudang, dangol (단골),
shimbang (심방) und myeongdu (명두).
Mudang und myeongdu besitzen die Gaben
der Trance und Inbesitznahme durch Götter
und Geister und unterhalten einen Schrein mit
Hilfsgeistern. Dangol und shimbang besitzen
diese Gaben nicht und sind hereditäre Ritualexperten. Sie besitzen keine Schreine, allerdings
ist der shimbang auf der Insel Jeju zuständig
für Dorfschreine. Trance sowie Inbesitznahme
(„Besessenheit“) durch Götter oder Geister findet sich auch in pfingstlerischen Kreisen sowie
in Neureligionen.
Der gut (굿) ist das zentrale Ritual, um Götter
und Geister herab- und herbeizurufen. Mudang
und myeongdu werden dabei von Göttern/
Geistern vom Kopf her in Besitz genommen.
Gesang, Tanz, rhythmisches Trommeln, vor
allem aber die richtige Kleidung, die dem Gott/
Geist entspricht, gehören zum Ritual. Manches
ähnelt darin dem brasilianischen Candomblé
und Umbanda. Dazu gehört auch die vergleichbare Ausbildung der Novizin durch die spirituelle Mutter sowie die Initiation der shinbyeong
(신벙), die krank ist, weil der Gott/Geist sie in
Besitz nehmen will. Neben diesem naerim-gut
gibt es auch Rituale für persönliche und häusliche Belange, aber auch für gemeinschaftliche
(z.B. der Yeongdeung-gut in Jeju), städtische
und dörfliche Rituale. Faktisch geht es darum,
die Ursache eines Unglücks herauszufinden, die
daran beteiligten bösen Geister zu besänftigen,
um so das Unglück zu vertreiben und die damit
verbundenen Probleme zu beseitigen (Park
Hee Seok). Anders ist es bei dem gut für einen
Toten, dessen Seele zu einem guten Platz in der
anderen Welt geleitet wird.
Die ethnische koreanische Religion hat ein Revival erlebt,
insofern sie in den Protesten der 1970er und 1980er Jahre
für die ursprüngliche Religion und Kultur Koreas stand. Während Buddhismus und Christentum die Erlösung in einen
nachtodlichen Zustand verschieben, bietet sie Lösungen
für die Probleme des Lebens an. Mit der Urbanisierung des
Landes zog sie auch in die großen Städte. Eine Hochburg
ist Seoul mit seinem heiligen Berg Inwangsan, auf dem
sich ein “Schamanen-Dorf“ befindet, d.h. ein Komplex von
“schamanistisch“-buddhistischen Tempeln. Dessen berühmtester ist der Guksadang-Schrein. Heute gibt es im Lande
mindestens 100.000 Ritualexperten! Einige mudang wurden
zu „bedeutenden immateriellen Kulturgütern“ erklärt und
sind wie z.B. Kim Kum-Hwa international bekannt.
Die erste nichtkoreanische Religion, die ins Land kam, war
der Buddhismus in Gestalt des Mahāyāna („Großes Fahrzeug“, 대승불교). Im 4. und 5. Jahrhundert gelangte er von
China in die koreanischen Königreiche und von dort aus
552 nach Japan. Im Goryeo-Reich (918 - 1392) stieg der
Buddhismus zur Staatsreligion auf, um dann aber unter dem
neu-konfuzianistischen Joseon-Reich (1392-1910) verfolgt,
aus dem öffentlichen Leben verbannt und in die Berge
abgedrängt zu werden. Unter japanischer Besatzung erreichten japanische Buddhisten, dass Mönche und Nonnen
wieder die Städte betreten durften, und ermunterten diese
zur Eheschließung.
Der Buddhismus hat die alte Religion tolerieren können:
Unter den Joseon-Herrschern lebten beide Gemeinschaften
in den Bergen Seite an Seite und befruchteten sich gegenseitig.
Dennoch hat der Buddhismus im Silla-Reich (668-935)
zwei Besonderheiten entwickelt, die ihn von den anderen
Schulen unterscheidet: Das ist einmal tongbulgyo (통불교),
d.h. ein auf Einheit ausgerichteter Buddhismus, in dem sich
alle Schulen gegenseitig durchdringen - gemäß der einen
Wirklichkeit dieser Welt. Das war das Werk des großen Wonhyo (원효, 617 - 686). Er übernahm die Praxis des yeombul
(염불), d.h. die Anrufung des Namens von Buddha Amitābha
(아미타불), aus dem Buddhismus des Reinen Landes (정토
종). Die zweite Besonderheit ist seon (선), das im Westen
eher unter dem japanischen Namen zen bekannt ist. Aber
seon kam bereits Jahrhunderte früher nach Korea, der
Jogye-Orden von 826 war sein erster Repräsentant. Er überlebte die 500 Jahre Verfolgung im Joseon-Reich, wurde 1941
neu gegründet und bekennt sich zu den folgenden Zielen:
Training und Erziehung, Mission und Übersetzung der Tripitaka Koreana, d.h. der Drei Körbe [buddhistischer Schriften]
aus dem Chinesischen ins Koreanische. Die Holzblockdrucke
im Haeinsa-Tempel gelten als Standardausgabe Ostasiens.
Besonderer Beliebtheit erfreut sich in Korea (wie dann auch
in Japan) der Buddha der Zukunft, Mireuk Bosal (미륵보살).
Wenn man heute von einem buddhistischen Revival in Südkorea sprechen kann, so hat das sicherlich mit den Reformbewegungen nach 1945 zu tun. Den größten Einfluss übte
der Seon-Meister Seongcheol (1912 - 1993) aus, der noch
zu Lebzeiten als Buddha angesehen wurde. Ihm ging es um
die Rückkehr zum strikten Code des Vinaya, zu Besitzlosigkeit und zölibatärem Leben. Damit waren Auseinandersetzungen zum einen mit den verheirateten Mönchen sowie
Kämpfe um den Besitz von Tempeln verbunden, ja selbst
um den Jogyesa, dem Haupttempel des Jogye-Ordens in
Seoul. Ein zweites Ziel war die Rückkehr zur koreanischen
Seon-Praxis und damit das Streben nach plötzlicher Erleuchtung („Erwachen“) mit Hilfe der gongan-Meditation (공안,
japan. kōan), die alle karmischen Rückstände beseitigt. Die
japanische Zenpraxis der graduellen Annäherung lehnte er
ab. 1967 wurde er Patriarch des Haeinsa-Tempels und 1981
Patriarch des Jogye-Ordens und blieb das bis zu seinem
Tode 1993.
Auch wenn es immer wieder zu Konflikten mit den Regierungen und den fundamentalistischen Christen kam —
selbst die Gegenwart ist nicht frei von Konflikten —, so hat
der Buddhismus Urbanisierung und Modernisierung der
Gesellschaft gut überstanden. Die Zahl der Mönche und
Nonnen hat sich verdreifacht, die Anzahl der buddhistischen Tempel mit etwa 11.000 hat sich fast verfünffacht. Wie
bei den Kirchen gehören heute zu den urbanen Tempeln
Kindergärten und bei sonntäglichen Tempelriten wird auch
gesungen.
Die größte Gruppe ist der Jogye-Orden, dann folgt der
kleinere Taego-Orden, dessen Zentrum der schöne, mehr
als 1000 Jahre alte Bongweonsa-Tempel in Seoul ist. Der
nicht-zölibatäre Orden entstand 1970 als eine Abspaltung
vom Jogye-Orden. Aber wie dieser praktiziert er ebenfalls
die Seon-Praxis, neben buddhistischem Tanz, Gesang und
Malerei. Des Weiteren sind zu nennen der Cheontae-Orden
mit seinem großen Haupttempel auf dem Sobaeksan (nahe
von Danyang), der Jingak-Orden, die Kwan Um School of
Zen u.a.m. Buddhas Geburtstag Ende Mai ist wie auch Weihnachten gesetzlicher Feiertag.
Zu den Missionsaktivitäten der buddhistischen Orden
gehören der Templestay, der insbesondere auch viele
Ausländer anzieht, und die Globalisierung. Viele koreanische
Orden und Seon-Meister bzw. -Meisterinnen sind bereits im
Ausland, auch in Deutschland, vertreten. Das gegenwärtige
Oberhaupt von Jogye, der Venerable Jaesung, hat auf seinen
Auslandsreisen wiederholt verkündet, den koreanischen
Buddhismus zu globalisieren.
Mit der chinesischen Kultur kam der Konfuzianismus (유교)
im 4. Jahrhundert nach Goguryeo und Baekje. Im GoryeoReich, insbesondere unter König Seongjong (960 - 997),
11
Ist der Konfuzianismus überhaupt eine Religion? In seiner
Ausrichtung auf das Hier und Jetzt geht es auch um die Einheit von Himmel und Erde, die der Weise zu verwirklichen
sucht. Daneben gibt es die Rituale für die Kommunikation
mit dem „Geist“ (귀신 gwisin) und den Ahnen. Da mehr als
die Hälfte der Koreaner die Riten für die Ahnen vollziehen
— neben den Buddhisten auch die Katholiken —, könnte
man annehmen, dass die konfuzianische Gemeinschaft die
größte im Lande sei. Faktisch bekennt sich aber nur eine
kleine Minderheit von nicht einmal einem Prozent zu dieser
Religion.
durchdrang er das Bildungswesen, um dann unter den
Joseon-Herrschern zur Staatsreligion aufzusteigen. In der
Spätzeit war es dann Dasan (다산) — eigentlich Jeong Yakyong (정약용, 1762-1836) —, der herausragende Denker
der progressiven Silhak-Bewegung (실학, „praktisches Denken), der den Neu-Konfuzianismus aus seinem Formalismus
und Ritualismus herausführte. Einige seiner Lehren wie die
Zuneigung zwischen Vater und Sohn, die unterschiedlichen
Funktionen von Mann und Frau, die Ordnung zwischen
Alt und Jung, das Vertrauen zwischen Freunden und die
Rechtschaffenheit zwischen Herrscher und Beherrschten
prägen noch immer die koreanische Gesellschaft. Aus diesen durchaus hierarchischen Beziehungen resultiert auch
der gegenseitige Respekt, der nach individueller Selbstkontrolle verlangt, um so gute menschliche Beziehungen
aufzubauen. Höchste Tugend (인) ist dabei ein zentraler
Wert, zu dem auch das Lernen als Akt menschlicher Selbstschöpfung gehört.
Zentrum des religiösen Konfuzianismus ist der Munmyo
(문묘), der Nationale Kofuzianische Schrein von 1398, der
heute auf dem Gelände der Sungkyunkwan-Universität in
Seoul liegt. Im frühen Februar und August werden dort und
in weiteren 330 Konfuzius-Schreinen im Lande Rituale zu
Ehren von Konfuzius und allen Weisen seiner Lehren vollzogen. Auf familiärer Ebene werden für die Ahnen vor allem
vier Rituale durchgeführt: myoje (묘제) am Grab des verstorbenen Ahnen, sije (시제) als Jahresritual, charye (차례),
das Ahnenritual z.B. zu Seollal oder Chuseok und jesa (제
사) bzw. gijesa (기제사) am Todestag des Ahnen. Statt eines
shinwi (신위) oder Ahnentafel haben heute viele Familien
ein Foto als Repräsentanz des Verstorbenen. Der Verehrung
der Ahnen der Joseon-Dynastie dient das am 1. Sonntag im
Mai am Jongmyo-Schrein in Seoul abgehaltene JongmyoDaeje (종묘대제)-Ritual mit Prozession, das 1971 wieder
eingeführt wurde.
12
Der Daoismus (도교) ist Bestandteil des koreanischen Weltverständnisses, auch wenn er heute nicht über Tempel und
religiöse Experten verfügt. Die Flagge Südkoreas, der Taegeukgi (태극기) enthält neben den Trigrammen aus dem IGing das daoistische Ying-Yang-Symbol (음양) als Ausdruck
der Harmonie. Vermutlich gab es vor der Einführung des
Daoismus aus China (7. Jahrhundert) bereits eine Art koreanischen Daoismus, wie Dangun-Mythos und die jugendlichen Elitekämpfer Hwarangdo (화랑도) im Königreich
Silla nahelegen. Hwarangdo wurde 1960 als Kampfsport
neu gegründet. Auch unter den Joseon-Herrschern gab es
noch, bis zur japanischen Invasion von 1592, die „Halle der
Glücksquelle“, in der der Jadekaiser verehrt wurde. Im Volksdaoismus überlebte die Verehrung des Jilseong sowie des
Kriegsgottes Kwanu, aber auch die lokalen Gottheiten vor
Dörfern, in kleinen Tempeln und die Berggötter, die dann
mit Sanshin verschmolzen. Die daoistische Geomantik des
Feng-shui (풍수) ist Teil des Weltverständnisses geworden
wie auch die Suche nach Lebensverlängerung durch die Innere Alchemie, Neidan (내단), die auf die Ansammlung von
ki (기) abzielt. Mit Schulen für Dantian-Atmung (단전 호흡)
erlebt der Daoismus in Korea und im Ausland ein Revival.
Heute gibt es nur noch wenige daoistische Eremiten in Korea; einer von ihnen, Be-Kyung, lehrte 1968 in Seoul einen
Berg-Daoismus, der inzwischen als Sun Do (선도) weltweit
erfolgreich ist. Direkte Nachfolger des alten Daoismus sind
Neureligionen wie z.B. die 1974 von Gang Il-Sun gegründete Jeung San Do (증산도, d.h. Dao des Jeung-san).
Die große nationale Religion Koreas ist die Cheondogyo (천도교), die „Religion des himmlischen Weges“, die
auf der von Choe Je-u 1860 gegründeten Donghak (동학,
d.h. „Östliches Lernen“) basiert und ihren Hauptsitz in Seoul
hat. Cheondogyo hatte während der japanischen Besatzung zwischen drei und sechs Mio. Gläubige, die in dieser
Zeit entschieden gegen die Fremdherrschaft kämpften.
Heute sind es etwa 200.000 Anhänger. Cheondogyo will
den Pluralismus der Religionen überbrücken und hat auch
christliche Elemente integriert wie z.B. den Sonntagsgottesdienst. Das Hauptgebäude in Seoul erinnert äußerlich an
eine katholische Kathedrale.
Nach Aussagen ihres Führers Yim Woon-kil (Korea Times,
02-28-2011) versteht sich Cheondogyo zwar als eine native
koreanische Religion, aber gleichzeitig als Universalreligion.
Im Zentrum des Glaubens steht Hanulnim (하늘님), der Herr
des Himmels, was an die altkoreanische Religion erinnert.
Dieser Gott füllt Himmel und Erde, ist im gesamten Kosmos
gegenwärtig, also auch im Menschen. Daraus folgt die zentrale Lehre von sicheonju (시천주), d.h. die Menschen dienen
Gott, der in ihnen ist, und folglich sind sie Gott.
Das Christentum kam mit dem Katholizismus ab 1784 nach
Korea und wandte sich zunächst an die Eliten. Bis 1873 haben die Joseon-Herrscher die katholische Kirche verfolgt.
Die protestantische Mission — überwiegend amerikanischer Herkunft — begann 1884 mit der Evangelisierung,
insbesondere der Arbeiter. Wie Buddhisten und Cheondogyo nahmen auch die Christen am Widerstand gegen die
japanische Kolonisation teil. Im Koreakrieg (1950 - 1953)
flohen Millionen Christen nach Südkorea. Das Christentum
erlebte seinen großen Erfolg während der Industrialisierung des Landes unter den Militärdiktaturen. Das war auch
eine Zeit der Demokratiebewegung, in der wiederum die
koreanische Befreiungstheologie, die „Theologie des Volkes“
(minjung shinhak, 민중신학) entstand, die ihrerseits bis in
die Silhak-Bewegung zurückreicht. Die im neugotischen Stil
erbaute Myeongdong-Kathedrale in Seoul ist Zentrum des
Katholizismus.
Was Jesus in den Evangelien vollbringt, zählt auch zu den
Aufgaben der mudang. Die Erfahrung des Heiligen Geistes
haben ihre Parallele im mugyo, so auch die Glossolalie,
die mit dem Sprechen von Geistern oder Ahnen aus dem
Mund der mudang vergleichbar ist. Die Erfüllung materieller
Wünsche als Zeichen göttlichen Wohlwollens entspricht der
diesseitigen Ausrichtung im mugyo. Der „dreifache Segen“
der Yoido Full Gospel Church, nämlich Seelenheit, Prosperität und Gesundheit (3. Johannesbrief 2), beinhaltet jene
Dinge, die man beim Besuch der mudang von den Göttern/
Geistern erfüllt sehen möchte. Auch der „Prayer Mountain“
(Paju, Gyeonggi-do) —„wo Gebete, Gnade und Glaube
fließen“ — mit seinen 211 Gebetsgrotten erinnert an buddhistische Praxis, aber auch an Pilgerfahrten der mudang zu
heiligen Bergen.
Abschließend sei die Vereinigungskirche, TongilKyo (통일교), angeführt, die Sun Myung Moon 1954 gründete und die ihren Hauptsitz in Seoul hat. Auch wenn wesentliche Elemente christlicher Herkunft sind, so ist Tongil-Kyo
jedoch dem koreanischen religiösem Kontinuum weitaus
stärker verhaftet: Buddhistische, konfuzianistische und daoistische Elemente lassen sie eher als eine der Neureligionen
erscheinen, von denen es in Korea viele gibt.
Das Christentum stand für Modernisierung und gewann
sehr schnell eine wachsende Anhängerschaft. Heute gibt
es rund 170 protestantische Denominationen. Die größten Gemeinschaften sind die Presbyterianer, Methodisten,
Heiligungskirchen („Holiness churches“), Baptisten, Anglikaner und die überaus erfolgreiche Yoido Full Gospel Church.
Letztere entstammt der Sunbogeum (순복음, das „reine/
volle Evangelium“)-Bewegung, die den Heiligen Geist in
den Vordergrund rückte. Die von David Yonggi Cho 1958
gegründete Megachurch im Herzen Seouls, die Yoido Full
Gospel Church (여의도순복음교희), ist mit 1 Million Gläubigen der Welt größte christliche Gemeinde, die Missionare in
die ganze Welt entsendet.
Wenn Seoul heute als eine „Stadt der Kirchen“ bezeichnet
werden kann, dann hat das auch damit zu tun, dass das
Christentum sich in das religiöse Kontinuum Koreas eingeordnet hat. Das beginnt mit der Übernahme der alten
Gottesnamen Hananim (하나님, der „Große Eine“) oder
Haneunim (하느님, der „Herr des Himmels“), die bereits für
eine monotheistische Tradition stehen. Weitere Elemente
sind die Heilung von körperlichen und psychischen Krankheiten durch Glauben sowie der Exorzismus böser Geister,
d.h. der „spirituelle Krieg gegen die bösen Seelen“ (David
Yonggi Cho).
13
해
인
사
BUDDHISMUS
Unter der Halle des Großen Stillen Lichts – Haupthalle des Haeinsa-Tempels mit 1200-jähriger Steinpagode
Haeinsa,
„Tempel der Reflexionen auf ruhiger See”
Von Bodo Hartwig
D
er Buddhismus hat in Korea eine lange Tradition,
die bis ins vierte Jahrhundert zurück­reicht. Obwohl
nicht immer offizielle Religion, wurde er dennoch
von vielen Menschen und selbst von einigen Staatslenkern, fernab des politischen Getriebes, privat ausgeübt. So
be­finden sich die meisten buddhistischen Tempel außerhalb der Stadt. In idyllischen Land­schaften gelegen sind sie
heute ein beliebtes Ausflugsziel, nicht nur für Buddhisten.
„Wenn die See, die der menschliche Geist ist, von den
wilden Wogen der weltlichen Wün­sche und Begierden
befreit ist, wird sie schließlich den Stand einer spiegelgleichen Fried­lichkeit erreichen, in der sich das wahre Bild
aller Existenz klar und deutlich widerspiegelt.“ Diese Zeilen
aus dem Avatamsaka-Sutra standen Pate für den Namen
eines der drei be­deutendsten Tempel Koreas: Haeinsa (해
인사) gilt als Symbol für Buddhas Lehre und ist ein Ort von
mystischer Kraft und Schönheit.
14
Dicke Wolken hängen an diesem Sommertag über den
Bergwipfeln des Gayasan-Natio­nalparks. Immer wieder
regnet es in Strömen. - Es ist Monsunzeit, dazu mitten in
der Wo­che. Nur wenige Menschen kommen an einem
solchen Tag die steile, serpentinenartige Straße heraufgefahren, mit dem Bus, aus einer der umliegenden Großstädte wie Daegu, Hapcheon oder Goryong. Hier, am Fuße des
heiligen Bergs Gaya (가야산), wo ein munte­rer Gebirgsbach moosbewachsene Felsbrocken umspült, wo grünes
Dickicht aus Far­nen und Sträuchern zwischen jahrhundertealten Gingko- und Kiefernbäumen wuchert, lie­ßen sich
einst die beiden Mönche Suneung (순응스님) und Yijeong
(이정스님) nieder. Sie waren aus China heimgekehrt, wo
sie den Mahayana-Buddhismus studiert hatten. Mönch
Joung Hyun (종현스님) - hellgraue Robe, glattrasierter
Kopf - ist im Haeinsa zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Sein Blick schweift in die Ferne, wenn er die überlieferte Ge­schichte erzählt: „Während ihrer Praxis in China
Foto: Bodo Hartwig
hatte Suneung einen ziemlich konkreten Traum. Er träumte vom Gayaberg, als einem Ort, der geschützt ist vor
den Gefahren der drei Elemente Wasser, Feuer und Wind,
also Naturgewalten. Und als die Mönche zurückkamen,
bauten sie hier dann eine kleine Hütte. Damit war Haeinsa
an einem vermeintlich sicheren Standort gegründet.“ Wir
schreiben das Jahr 802. Auf der koreanischen Halbinsel,
dem damaligen Silla-Reich [57 v.Chr. – 935 n. Chr.], regiert
König Aejang (애장왕). Als dessen Frau plötzlich schwer
erkrankt, schickt er seine Dienerschaft, um Hilfe zu holen.
„Ärzte als solche gab es zu dieser Zeit nicht“, fährt Mönch
Joung Hyun fort, „aber Mönche galten als geschätzte
Gelehrte und Heilsbringer. Als die königlichen Diener
am Berg einen Lichtstrahl bemerkten, trafen sie dort auf
die beiden meditierenden Mönche. Doch statt mit ihnen
in den Palast zu gehen, gaben diese ihnen nur den Rat:
„Bindet einen Faden um den Finger der Königin und das
andere Ende an einen Bambusbaum vor dem Palast. Richtet auf einem Altar feine Speisen und betet inständig die
ganze Nacht.“ Sie taten, wie ihnen die Mönche auftrugen.
Und als am nächsten Tag die Königin erwachte, war sie
genesen. Der Baum hingegen war verwelkt und tot.“ Als
Zeichen seines tiefen Dankes lässt der Monarch vor der
Hütte der beiden Mönche eine Zelkove pflanzen. In König
Aejang sollten sie fortan einen großzügigen Gönner
haben, der Haeinsa mit prunkvoll verzierten Gebäuden
und Zeremonienhallen ausstattet. Die Zelkove ist noch
heute dort. Als Teil des Mythos der Entstehungsgeschichte Haeinsas steht der stattliche, hohle Baumstamm im
Eingangsbereich des Tempels.
„Sie kommen ja an den Tempel heran auf einem langen
Weg, der durch einen Wald führt“, erzählt Prof. Dr. Werner
Sasse - graues Haar, Brille, Bart. Der emeritierte Professor
für Koreanistik an der Universität Hamburg lebt schon
lange in Korea, wo er sich eingehend mit der Kultur und
Mythologie des Landes beschäftigt. Er geht gerne diesen
Weg durch das Naturparadies. Dort, am Eingangstor, dem
Iljumun (일주문), welches sich in schlichter Schönheit
harmonisch in die Landschaft einfügt, sollen zunächst alle
Sorgen und Begier­den abgelegt werden. „Man muss hier
mehrere Stufen hochsteigen und dann kommt ein weiteres Tor, wo links und rechts die Torwächter sind - furchterregende Gestalten - das sind die Gottheiten der verschiedenen Himmelsrichtungen, die die bösen Geister von
dem Tempelbezirk fernhalten.“ An diesem Tag kommen
sie dann doch noch, ... die Reisegrup­pen aus China und
Japan. Mit ihren Kameras wollen sie nur einen flüchtigen
Blick erha­schen, von den goldenen Buddhas in prächtigen
Hallen aus weinroten Säulen und grün­lich-bunt verziertem Holz, mit ausladenden schwarzen Ziegeldächern,
an deren ge­schwungenen Enden kleine Glocken aus
Bronze hängen. Sie haben Glück, denn die große Trommel
verkündet gerade die Botschaft Buddhas an alle Lebewe-
sen. Ein Mönch in grau-brauner Robe wirbelt die Schlegel
im Kreis. Nur drei Mal am Tag erschallen unter dem Dach
des Glockenpavillons die heiligen Instrumente: Trommel
(Beopgo: 법고, 法鼓), Glocke (Beomjong: 범종,梵鐘),
Fisch (Mokeo: 목어, 木魚) und Gong (Unpan: 운판, 雲
板). „Das sind alles Instrumente, die benutzt werden, um
die Zeit anzusagen und zugleich das Tal mit dem Wort
Buddhas zu füllen“, erklärt Professor Sasse. In der Tat lässt
der meditative Ton der zwei Meter hohen Bronzeglocke
selbst die geschäftigsten Touristen innehalten, was nicht
verwundert. Schließlich ist ihr Klang der Erlösung von
allen menschlichen Leiden gewidmet.
Viele der Mönche versammeln sich nun zum abendlichen Gebet in der höher gelegenen Haupthalle. Auf dem
weitläufigen Platz neben dem Glockenpavillon verlieren
sich langsam die Touristen. Ein Mann, Ende 20, steht dort
am Tempelbrunnen und gönnt sich eine Kelle heiliges
Wasser. „Ich bin zum ersten Mal an einem regnerischen
Tag im Haeinsa“, schwärmt der junge Architekt, während
er sichtlich die Atmosphäre des Tempels genießt. „Ich
komme aus Seoul, dieser ja ziemlich hektischen und lauten Stadt. Aber hier ist alles so ruhig und entspannt. Die
Geräusche der Regentropfen und der Windspiele an den
Dä­chern inspirieren mich. Ich glaube, das ist der perfekte
Ort, sich mal so richtig vom Alltag zu befreien.“ Obwohl
er eigentlich Atheist sei, sympathisiere er durchaus mit
der buddhisti­schen Lehre, gesteht er und fügt hinzu:
„Natürlich habe ich auch schon Erfahrungen mit dem
Christentum gemacht. Aber am Buddhismus beeindruckt
mich, dass er so gar nicht dogmatisch rüberkommt. Die
Mönche sprechen viel über Weisheit und Toleranz, was
sehr lebensnah und praktisch für den Alltag ist. Deshalb
finde ich den Buddhismus als Religion am sympathischsten.“ Mönch Joung Hyun ist nun ebenfalls auf dem Weg
in Richtung Haupthalle. Gerade noch hat er in seinem
Büro an der aktuellen Ausgabe des Tempelma­gazins
gearbeitet. Jetzt läuft er die steinernen Treppen zur
nächsthöheren Ebene hinauf. „Haeinsa hat ja vier Ebenen
und insgesamt 108 Treppen. Daran lässt sich eine gewisse
Hierarchie erkennen“, sagt er und zeigt auf die verschiedenen Gebäude. „Da unten zum Beispiel praktizieren die
Laien, hier drüben studieren die Mönche, und dort oben
finden die Zeremonien statt.“ Auf einem quadratischen
Platz unterhalb der Haupthalle bleibt der Mönch kurz
stehen und verneigt sich. Dabei legt er die Handflächen
auf Brusthöhe zusam­men. Wind fährt durch seine Robe
und lässt auch das helle Glockenspiel an der sechs Meter
hohen Steinpagode rechts vor ihm erklingen. „Diese
dreistöckige Pagode ist ein Reliquienschrein“, berichtet er,
„dem Stil und der Form nach stammt sie aus der späten
Silla-Zeit vor gut 1200 Jahren. Wahrscheinlich wurde sie
zusammen mit der Steinlaterne hier vorne bei der Gründung von Haeinsa errichtet“. Die nächsten Stufen sind
15
16
Vor über 750 Jahren eingraviert in hölzerne Druckplatten – das UNESCO Welterbe Tripitaka Koreana, der heilige Schatz desTempels Haeinsa ruht in Lagerhallen
aus dem 15. Jahrhundert
Jahre in Salzwasser. Harz von Lackbäumen schließlich
sorgte für die Konservierung ihrer Oberflä­che. „Und sie
sind untergebracht in Gebäuden, wo eines der wichtigsten Elemente der tra­ditionellen koreanischen Architektur
wirksam eingesetzt worden ist, nämlich der Luftzirkulation“, sagt Professor Sasse, der selber jahrelang in einem
traditionellen Hanok (한옥) Haus lebte. „Im Haeinsa ist das
so: Sie haben Fenster verschiedener Größe, und die sind
an verschiedenen Höhen angebracht, und zwar so, dass
ein ständiger Luftstrom, den Sie im Normalfall noch nicht
einmal merken, die Luft im Innenraum auswechselt.“ Das
wiederum hält die Luftfeuchtigkeit konstant und bewahrt
das Holz vor dem Schimmelbefall. Die schlichten Lagerhallen aus Lehm und Holz aus dem 15. Jahrhundert erfüllen diesen Zweck bis heute und haben Naturgewalten,
Feuersbrünsten und selbst Kriegen getrotzt. Es scheint, sie
stehen buchstäblich unter höherem Schutz. Im Koreakrieg
[1950 - 53] etwa weigerte sich der südkoreanische Jagdflieger Kim Young-Hwan (김영환), den Tempel zu bombardieren, als sich rund 900 nordkoreanische Soldaten darin
verschanzt hatten. Mit seinem selbstlosen Mut bewahrte
er so den wertvollen und heiligen Schatz vor der endgültigen Zerstörung. Manche sehen in der fast wundersamen
Beständigkeit der Gebäude und der Druckplatten nicht
weniger als eine Bestätigung für die kluge Standortwahl
durch die beiden Gründer Haeinsas, die Mönche Suneung
und Yijeong. Für Professor Sasse ist die Sache noch konkreter: „Das hier ist wirklich geradezu ein Normbeispiel
für einen geomantisch positiven Ort, wo die Naturkräfte
- symbolisch Wasser und Wind - in Harmonie sind“, sagt
Foto: Korean Culture and Information Service
schon steiler und führen hoch zur Halle des Großen
Stillen Lichts namens Daejeokgwangjeon (대적광전),
der Haupthalle des Tempels. Diese steht im Zentrum der
Klosteranlage und beherbergt den Vairocana-Buddha. Die
weit geöffneten Flügeltüren geben den Blick frei ins Innere der Halle. Von einem breiten, mit Kerzen geschmückten
Altar strahlen hell drei riesige, goldene Buddha-Statuen.
In festliches Licht gehüllt, lächeln sie milde, mit halb ge­
schlossenen Augen auf die versammelten Mönche herab,
die dort im Lotussitz ehrerbie­tende Gesänge rezitieren. Ihre vollen, entschlossenen Stimmen sind weit im
Tempelgelän­de zu hören. „Die Rezitation der Mönche ist
eine Methode der Praxis“, erläutert Mönch Joung Hyun.
„Sie wird drei Mal am Tag durchgeführt, und zwar frühmorgens, vormittags und abends. Sie dient der Verehrung
Buddhas, seiner Jünger und aller praktizierenden Mönche,
die seine Lehre bis heute weitergegeben haben“. Auch einige Laien haben in den hinteren Reihen Platz genommen
und rezitieren die ihnen vertrauten Sutras mit. Im Takt des
Moktak (목탁, 木鐸), einem hohlen, hölzernen Perkussionsinstrument, das von dem leitenden Mönch geschlagen wird, verbeugen sie sich hiernach immer wieder und
lassen dabei ihre Gebetsketten durch die Finger gleiten.
Mönch Joung Hyun geht um das kunstvoll, im Dancheong
(단청)-Stil verzierte Gebäude herum auf eine noch steilere
Treppe zu. „Normalerweise steht ja in den Tempeln die
Ge­betshalle an höchster Stelle“, erklärt er, „aber hier im
Haeinsa werden auf höchster Ebene die Palman-daejangkyeong (팔만대장경) aufbewahrt. Ein großes Heiligtum,
das die Lehre Buddhas - die Essenz des Buddhismus beinhaltet.“ Palman-daejangkyeong heißt wörtlich übersetzt
80.000 große, lange Bücher. Was sich dahinter verbirgt,
ist die weltweit älteste und vollständigste Sammlung
buddhistischer Lehrtexte - vor mehr als 750 Jahren
eingra­viert in hölzerne Druckplatten. Ein Schatz ohnegleichen, der, wie Professor Sasse weiß, auch politische
Aspekte hat: „Die Druckplatten sind, wenn man so will,
ein militärisches Mittel gewesen. Die Mongolen hatten ja
Korea besetzt, das ging los im 13. Jahrhundert.“ Schon vor
dieser Zeit existierte bereits ein vollständiger Satz solcher
Druckplatten. Dieser fiel jedoch den Brandschatzungen
der Mongolen zum Opfer. Die Unbill der Fremdherr­schaft
wiederum stärkte den eisernen Willen der Koreaner,
dieser militärischen Übermacht zumindest eine geistige
Kraft entgegenzusetzen. „Eines der Mittel, um letztlich die
Mongo­len wieder zu vertreiben, war, dass man sich also
an Buddha wandte und hoffte, durch das Wiedererstellen
eines solch grandiosen Werkes - durch diese gute Tat - zu
erstarken, und die Mongolen wieder loszuwerden“, erzählt
der Professor und fügt mit einem Lächeln hin­zu: „Das hat
ja auch funktioniert, ... die Mongolen sind weg!“
Dass die Druckstöcke bis heute unversehrt sind, hat zum
einen mit der ausgeklügelten Sorgfalt ihrer Herstellung
zu tun. So lagerte das Holz vor der Gravur erst mehrere
„Zum Glück, muss man sagen, begnügen sich auch die
meisten Leute damit, diese Haupt­gebäude zu sehen,
und machen sich nicht die Mühe, zu den kleineren
Tempelchen und Orten des Rückzugs [Retreats] in den
Berg zu gehen, wo eigentlich die Schönheit des koreanischen Buddhismus noch deutlicher wird“, verrät
Professor Sasse, und meint damit die zahlreichen, in der
Umgebung verstreuten Einsiedeleien, in die Mönche
sich für eine bestimmte Zeit zu Meditation und Praxis
zurückziehen. Steil nach oben führt der schmale Weg zum
Baekryonnam (백련암)-Retreat, in gut 1000 m Höhe. Dort
praktizierte bis zu seinem Tod 1993 der berühmte Zen
(선)-Meister Seong Cheol (성철스님), aus dessen Schule
viele namhafte Mönche hervorgegangen sind. Oben
angekommen, offenbart sich ein grandioses Bergpanorama. An üppig bewachsene Felsen schmiegen sich
kleinere, schlicht gehaltene, traditionelle Tempelbauten
aus Holz. Doch wie ein Rückzugsgebiet für Mönche wirkt
Baekryeonnam an diesem Tag nicht, denn laute Kinderstimmen mischen sich in das typische Geräusch von
Moktak [hölzernes Perkussionsinstrument] und Rezitation.
Mönch Ilji (일지스님), Anfang 30 und stellvertretender
Abt, hat dafür eine einfache Erklärung: „Baekryeonnam
Foto: Karsten Bartel
er. 1995 überzeugte die Einzigartigkeit der Stätte auch
die UNESCO, die die Druckplatten unter der Bezeichnung
Tripitaka Koreana - und später auch die Lagerhallen - in
die Liste des Weltkulturerbes aufnahm. Darüber hinaus
beherbergt der Tempel weitere nationale Kulturschätze
und bedeutende Baudenkmäler.
bietet zwei Mal im Jahr einen Ferien-Tempelaufenthalt
für junge Leute an. Hier lernen sie gemeinsam mit den
Mönchen die heiligen Stätten kennen, erfahren von
rituellem Essen oder der Niederwerfungspraxis. Auch
buddhistisches Kunsthandwerk, wie das Basteln von
Lotuslaternen oder Gebetsketten.“ Während die Kinder
die kurze Pause und den erneut hereinbrechenden
Regen zum Toben nutzen, übt sich oben in der Gebetshalle gerade eine junge Frau in der Niederwerfungspraxis. Mit schweißnassem Rücken sinkt sie immer
wieder auf die Knie, um sich anschließend auf der
Matte, vornüber, halb auf dem Boden auszustrecken,
und dann mit gefalteten Händen wieder aufzurichten. „Haeinsa Baekryeonnam ist ja berühmt für die
Niederwerfungspraxis“, erklärt Mönch Ilji, „ ‘Mach 3000
Niederwerfungen und triff Dich selbst‘, pflegte Meister
Seong Cheol zu sagen. Der Sinn mag dem Unwissenden nicht einleuchten: Wozu sollte ich mich so quälen?
Ein schwacher Körper jedoch sollte trainiert werden,
um gesund zu bleiben. Das gleiche gilt für einen
schwachen Geist. Die Zahl 3000 ist dabei gar nicht
wichtig. Es ist ja kein Leistungssport, vielmehr eine
Übung für die Ausdauer: Wie lange bin ich imstande,
unnütze Gedanken auszublenden, während ich für das
Glück aller anderen Lebewesen bete? Auf diese Weise
lassen sich das eigene Ego und die Leiden überwinden,
um schließlich Freude und Glückseligkeit zu erfahren“,
sagt der Mönch. Die Kinder um ihn herum erzählen,
dass sie hier morgens um drei Uhr aufstehen und alles
manchmal ziemlich anstrengend sei. Aber morgen schon
sei ihr letzter Tag, und dann gehe es wieder nach Hause.
Ob das wirklich so gut ist, darüber scheint man sich nicht
ganz einig. Denn ein bisschen angefreundet haben sich
die Kinder bereits mit dem Leben und der Ordnung hier
oben, fernab von Großstadt und Schulstress. Am heiligen
Gayaberg zumindest beruhigen sich dann erst einmal
wieder die wilden Wogen der weltlichen See.
Bodo Hartwig lebt in Berlin und arbeitet
als freier Tonmeister und Autor für den
öffentlich-rechtlichen Rund­funk. Seit
2007 reist er regelmäßig zu Recherchezwecken und Tonaufnahmen nach
Südkorea. Im Sommer 2011 hat er im
Rahmen einer Radiofeature-Produktion
für den Deutschlandfunk den Tempel
Haeinsa besucht.
17
BUDDHISMUS
Pilgerreise nach Indien: am Dungeshwari-Höhlen-Tempel, in dem Buddha jahrelang Buße tat. Ganz vorn steht der Zen-Meister Pomnyun Sunim.
Die buddhistische Jungto-Gesellschaft
in Deutschland
Ü
ber den Buddhismus heißt es: „Er unterscheidet sich
in vielerlei Weise von der Vorstellung, die üblicherweise mit dem Wort ‚Religion‘ verbunden ist. Buddhismus kennt keinen Schöpfergott, dem man gehorchen
müßte oder auf dessen Kraft man bei der Lösung eigener
Probleme bauen könnte. Buddhismus kennt kein Dogma,
an das man glauben müßte. Er fordert nicht auf, Freiheit
und Individualität bei einer höheren Macht abzugeben.
Im Gegenteil. Buddhismus ermutigt, Verantwortung für
das eigene Leben zu übernehmen und sich durch eigene
Bemühung geistig weiterzuentwickeln.“1 Der Buddhismus
ist eine sehr praxisorientierte Lehre, die die Menschen darin
unterstützt, ihr Wesen zu verändern und auf diese Weise
dauerhaftes Glück zu erreichen. Um eine Wesensveränderung zu erzielen, gibt es vielerlei Methoden, von denen die
Meditation die größte Rolle spielt. Am Ende dieses Prozesses steht die Erleuchtung, auch „Nirwana“ genannt.
18
Von Gesine Stoyke
In der Association of Korean Buddhist Orders (Vereinigung koreanischer buddhistischer Orden) sind zurzeit 26
buddhistische Orden vertreten.2 Der älteste und wichtigste
unter ihnen heißt Jogye. Als dessen Unterorganisation entstand 1988 die buddhistische Jungto-Gesellschaft (www.
jungto.org). Sie hat insgesamt 91 Zentren in Südkorea und
19 in Übersee, darunter vier in Deutschland: in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und München (www.jungtogermany.org).
„Jungto“ (정토, 淨土)3 bedeutet so viel wie „reines Land“
oder „Land der Wonne“. Um eine Welt zu erschaffen, „in der
die Menschen glücklich sind und friedvoll in einer schönen
Natur miteinander leben können“4, werden die Gläubigen
aufgerufen, sich in der individuellen Selbstreflexion zu
üben. Die drei großen Ziele, denen sich alle Praktizierenden der Jungto-Gesellschaft verschreiben, lauten „Aufgeschlossenheit“, „Gute Freunde“ und „Reine Welt“. Damit
verpflichten sie sich jeden Tag zur Offenheit gegenüber
ihren Mitmenschen, zu einem freundschaftlichen Verhältnis gegenüber
allen Lebewesen und zu einer Existenz
in Harmonie mit der Natur. In der Gemeinschaft, wie sie die Jungto-Gesellschaft anstrebt, sollen weder Diskriminierung noch Isolation herrschen.
Doch die Jungto-Gesellschaft ist nicht
nur ein religiöses Zentrum und eine
Gemeinschaft von Individuen, die
alle für sich versuchen, individuelle
und gesellschaftliche Veränderungen
zu erzielen, sondern sie bündelt ihre
Kräfte auch in verschiedenen sozialen Projekten, die sich für den Kampf
gegen Umweltverschmutzung, Hunger
und Bildungsarmut, die Förderung von
Frieden und Menschenrechten und die
Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel einsetzen.
Foto: Jungto Gesellschaft
Heejeong Lee ist die Hauptverantwortliche für die Koordination der Treffen
und Veranstaltungen der Berliner
Niederlassung. Bereits rund zehn Jahre ist es nun her,
dass sie durch Zufall auf einen Vortrag des Großen ZenMeisters Pomnyun Sunim (스님, Mönch), dem Begründer
der Jungto-Gesellschaft, in einem Seminarraum an der
Technischen Universität Berlin aufmerksam wurde. Es war
der erste offizielle Vortrag des Zen-Meisters in der deutschen Hauptstadt. Die Offenheit und Ungezwungenheit
des geistigen Oberhaupts, das entgegen ihren Vorstellungen von religiösen Persönlichkeiten nichts Formelles an
sich hatte, sowie sein Vortrag, der direkt aus dem Leben
gegriffen zu sein schien, faszinierten Frau Lee und veranlassten sie dazu, das Buch von Pomnyun Sunim zu lesen
und seine Vorträge weiterhin zu besuchen, wann immer er
nach Deutschland kam. Um mehr über den Buddhismus zu
erfahren, nahm sie auch an den Meditationsprogrammen,
den Buddhismus-Seminaren und einer Pilgerreise nach
Indien teil, die von Pomnyun Sunim begleitet wurden.
In Korea sei sie überhaupt nicht religiös gewesen und habe
nie ein buddhistisches Ritual vollzogen, wie sie unumwunden zugibt. „Tempel kannte ich nur als Touristin“, erzählt sie
lachend. Am ehesten habe sie noch die Tempelarchitektur
interessiert. In Berlin war Heejeong Lee anfangs ganz offen
in ihrer religiösen Orientierung und besuchte mit ihren
Freunden auch des Öfteren die evangelischen oder katho-
lischen Gottesdienste der dort ansässigen koreanischen
Gemeinden. Die Entscheidung für die Jungto-Gesellschaft
traf sie schließlich, weil ihr die Art und Weise, wie die Niederlassung in Berlin geführt wird, gut gefiel: „Ich mag keine
strenge Disziplin oder ausgeprägte Hierarchie. Wenn eine
Religion versucht, mir etwas aufzuzwingen, dann reagiere
ich ablehnend. Aber bei Jungto zwingt mich niemand,
etwas Bestimmtes zu tun, obwohl die Gesellschaft natürlich klare Prinzipien vertritt. Auch muss ich die religiösen
Anschauungen einer Glaubensgemeinschaft logisch nachvollziehen können, um mich dafür zu begeistern.“
Der Begründer der Jungto-Gesellschaft, der Große ZenMeister Pomnyun Sunim, kommt gewöhnlich ein Mal im
Jahr zu einer Vortragsreise nach Deutschland. In seinen
sogenannten „Dharma-Gesprächen“ beginnt er in der
Regel mit einer kurzen Ausführung, in der es meist um das
Thema „Lebensglück“ geht. Im Anschluss daran können
die Teilnehmer Fragen an ihn richten, um sich praktischen
Rat für die Dinge zu holen, die sie momentan in ihrem
Leben beschäftigen (wenn jemand sich nicht traut, seine
Frage offen auszusprechen, liegen Papierbögen bereit, auf
denen die Zuhörer ihre Probleme formulieren können). Die
Fragen werden anschließend vom Meister Pomnyun Sunim
sofort beantwortet. Diese Art des Fragens und Antwortens
(즉문즉설, Jeukmun Jeukseol) soll bereits von Buddha
selbst praktiziert worden sein, wie Heejeong Lee zu berichten weiß. Sie fügt hinzu: „Unser Meister sagt immer: ‚Wenn
jemand sich in der Lage sieht, in Anwesenheit anderer
Zuhörer eine Frage zu stellen, dann ist schon die Hälfte des
Problems gelöst. Man braucht großen Mut, ein eigenes
Lebensproblem, das oft sehr eng mit der persönlichen
Geschichte zu tun hat, vor Publikum offenzulegen. Tut
jemand das, bedeutet es, dass diese Person einen starken
Willen hat, das Problem zu lösen.“ Die Fragestellungen und
Problembeschreibungen lassen die Anwesenden darüber
hinaus erkennen, dass andere mit ähnlichen Schwierigkeiten wie sie selbst zu kämpfen haben.
Inzwischen stößt der Große Zen-Meister Pomnyun Sunim
auf eine breite Zuhörerschaft, wenn er ein Mal im Jahr nach
Deutschland reist. In Berlin nahmen an seinem letzten
Vortrag rund 100 Personen teil, in Frankfurt und Düsseldorf
waren es sogar 150 bis 200.
Das Besondere an der Jungto-Gesellschaft ist, dass insgesamt nur zwei ausgebildete buddhistische Geistliche existieren – der besagte Begründer der Gesellschaft, der Große
Zen-Meister Pomnyun Sunim, und dessen Stellvertreter
Yusoo Sunim. Die Leitung der einzelnen Niederlassungen
19
Foto: privat
übernehmen Laien. Die Treffen der Gruppen in
Deutschland finden gewöhnlich zwei Mal pro
Monat statt, und in der Regel nehmen zwischen 10 und 15 Personen daran teil.
Gesine Stoyke,
Redaktion Kultur
Korea
Bislang ist die Jungto-Gesellschaft in Deutschland nur für Menschen geöffnet, die Koreanisch verstehen; aber in Zukunft sollen mehr
Materialien ins Deutsche übersetzt werden
und Dolmetscher dafür sorgen, dass auch
diejenigen, die die koreanische Sprache nicht
beherrschen, an den Treffen teilnehmen können. Der Zen-Meister Pomnyun Sunim bemüht
sich international um die Verbreitung seiner
Lehre. Vor kurzem ist bereits sein zweites Buch
in englischer Sprache erschienen.
Eine der wichtigsten Aufgaben der JungtoGesellschaft ist die so genannte „ZehntausendTage-Praxis“, die einem Zeitraum von ca. 30
Jahren entspricht. Sie begann im Jahr 1993
mit dem Anliegen, in der Welt „Jungto“, einen
Ort, an dem die Menschen glücklich leben
können, zu verwirklichen. Dieser Zustand des
„Jungto“ ist nicht in kurzer Zeit zu erreichen,
da alle Veränderungen ihre Zeit brauchen. Um
sich ein realistischeres Ziel zu setzen, beginnen
die Praktizierenden gewöhnlich zunächst mit
hundert Tagen. Über die einzelnen Stadien
der Zehntausend-Tage-Praxis heißt es in den
Worten des Zen-Meisters Pomnyun Sunim:
„Wenn du eine Hundert-Tage-Praxis durchführst, kannst du dein wahres Selbst erreichen.
Wenn du eine Tausend-Tage-Praxis durchführst,
kannst du dich selbst und dein Karma verändern. Wenn du eine Zehntausend-Tage-Praxis
durchführst, kannst du die Welt, in der du lebst,
verändern.“ Im Rahmen der Zehntausend-TagePraxis verpflichten sich die Teilnehmer vor sich
selbst, täglich bestimmte Praktiken durchzuführen. Gewöhnlich sollten sie ihren Tag um
5.00 Uhr in der Frühe mit einer Herz-Sutra
(Sutra der höchsten Weisheit: 반야심경, Banya
Simgyeong), 108 Niederbeugungen (108 배,
Bae), Meditation (명상, Myeongsang) und Vorsätzen der Jungto-Praktizierenden (정토행자의
서원, Jungto Haengja-ui Seoweon) beginnen
und die eigenen Gedanken in einem Tagebuch (수행일지, Suhaeng Ilji) festhalten. Auch
versuchen sie, sich bei jeder Handlung noch
einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie sie sich
im Einklang mit der buddhistischen Lehre verhalten sollten. Darüber hinaus streben sie an,
20
täglich etwas Gutes zu tun. Dazu gehört auch
das Spenden von einem Euro (für Studenten 50
Cent) pro Tag. Frau Lee fügt hinzu: „Auf einen
Euro am Tag kann ich verzichten, das entspricht
gerade einer Tasse Kaffee. Stattdessen kann ich
mit Hilfe der Jungto-Gesellschaft hungernde
und bedürftige Kinder in Indien, Nordkorea
oder anderswo unterstützen. Schließlich sind
wir nicht allein auf dieser Welt.“
Der Gedanke, dass der Mensch nicht allein auf
dieser Welt sei, spiegelt sich auch in der starken
Hinwendung Jungtos zum Umweltgedanken
wider. Eine ihrer Initiativen ist beispielsweise
die „Null-Abfall-Kampagne“, die zum Verzicht
auf Einwegprodukte und zur Vermeidung von
Müll aufruft. Diese Bewegung will das Bewusstsein darüber vermitteln, dass die Ressourcen,
die die Menschen von der Erde erhalten,
begrenzt sind. „Hinter dem starken Konsumverhalten steckt oft der unbewusst Wunsch, die
Leere des eigenen Lebens mit Gütern anzureichern“, so Frau Lee. So legen die Mitglieder
der Jungto-Gesellschaft großen Wert auf ein
schlichtes Leben.
Das reine religiöse Missionieren steht bei der
Gesellschaft nicht im Vordergrund. Der Buddhismus ist anderen Glaubensbekenntnissen
gegenüber offen, und seine Lehren und Praktiken stehen jedem als Angebot zur Verfügung.
Dazu meint Heejeong Lee: „Unser Zen-Meister
sagt, dass es nicht wichtig sei, welcher Religion man angehöre. Wenn man wolle, könne
man in den buddhistischen Zeremonien auch
Jesus danken. Unabhängig von dem religiösen
Hintergrund haben wir das gemeinsame Ziel,
mit allen Menschen zusammen ein glückliches
Leben zu führen.“
Mit dem Buddhismus halten es alle Ausübenden unterschiedlich. Manche wählen für sich
einen Buddhismus „auf Probe“ und testen ihn
über einen festgelegten Zeitraum, andere
integrieren den Glauben nur in bestimmte
Lebensbereiche. Andere wiederum entscheiden sich schon früh dafür, ihr gesamtes Leben
auf ihre Religion auszurichten. Die Frage, seit
wann sie Buddhistin sei, findet Frau Lee für sich
persönlich schwer zu beantworten. Denn in
den buddhistischen Glauben wird man nicht
hineingeboren, und man erwirbt ihn auch
nicht allein durch die Mitgliedschaft in einer
buddhistischen Gemeinschaft. Vielmehr wird man Buddhist/Buddhistin durch die Bewusstheit, nach buddhistischen Lehren zu leben.
Ausgewählte Programme und Einrichtungen der JungtoGesellschaft:
ECOBUDDHA (www.ecobuddha.org), ein Programm zur
Förderung des Umweltbewusstseins
Good Friends (www.goodfriends.or.kr), ein Zentrum für
Frieden, Menschenrechte und Flüchtlinge, das sich insbesondere für Flüchtlinge aus Nordkorea einsetzt
Foto: privat
JTS (Join Together Society, www.jts.or.kr), eine internationale Hilfsorganisation, die gegen Hunger, Krankheit und
mangelnde Bildung in Indien, auf den Philippinen, in Sri
Lanka und Nordkorea vorgeht und ihre Aktivitäten künftig
auf weitere asiatische Länder ausdehnen will
Heejeong Lee hat Kleinkindpädagogik an der Freien
Universität Berlin studiert und arbeitet heute als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Forschungsinstitut.
Die Peace Foundation (www.peacefoundation.or.kr), ein
Forschungsinstitut, das Frieden, Stabilität und Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel anstrebt
1 http://www.buddhanetz.org/dharma.htm, aus der Schrift der
„Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens“
2 http://www.kboa.or.kr/
3 Nach der offiziellen Regierungsumschrift „Jeongto“ geschrieben
Fotos: Jungto Germany
4 Quelle: offizielle Broschüre der Jungto-Gesellschaft in Deutschland
Basar (Verkauf Lotuskerzenleuchter) auf einem Vesakfest
(Frankfurt) für die Kinder in Nordkorea
Meditation mit Zen-Meister Pommnyun Sunim
21
BUDDHISMUS
Wo die Mönche Kampfsport machen
Ein Tag im Golgulsa-Tempel
Von Rainer Rippe
Foto: Inga Sommer
„Tock. Tock. Tock. Tock.“
Rainer Rippe wurde
1969 in Bremen
geboren. Er kam
2008 nach Korea und
unterrichtete zunächst
ein halbes Jahr an
der Seoul Foreign
Language High School
Deutsch, anschließend
drei Jahre an der
Hankuk University
of Foreign Studies.
2009 besuchte er den
Golgulsa-Tempel und
bis zu seiner Rückkehr
nach Deutschland
ein Dutzend weitere
Tempel. Seine Fotos
findet man unter web.
me.com/rainer.rippe/
home
Ein hohles, hölzernes Klopfen drang sacht
durch die morgendliche Stille und kam
langsam näher. Ich erhob mich von meinem
Nachtlager im Schlafsaal des GolgulsaTempels [골굴사] und schob die Tür ins Freie
zur Seite. Aus dem Dunkel tauchte ein grau
gekleideter, kahlgeschorener Mönch auf,
der im ruhigen Takt seines Gesangs auf ein
Moktak [목탁, hölzerner Gong] schlug.
Es war vier Uhr früh und obwohl ich nur
sechs Stunden geschlafen hatte, fühlte ich
mich frisch und ausgeruht. Ich wusch mich,
zog mich an und machte mich rasch auf den
Weg zur Buddha-Halle. Wer die Morgenandacht um 4.30 Uhr verpasste, musste zur
Strafe 3000 Verbeugungen machen, hatte
es geheißen. Der Humor gefiel mir – oder
war das womöglich ernst gemeint? Als ich
ankam, füllte sich der Gebetsraum bereits
mit Mönchen und Gästen, die wie ich für einen Tag am Leben in einem buddhistischen
Tempel teilnehmen wollten.
Zunächst sangen wir, erneut begleitet vom
Klopfen eines Moktaks. Die Form dieses
handgroßen Instruments aus Holz soll an einen Fisch erinnern. Da sie nie schlafen, symbolisieren Fische im Buddhismus Wachsamkeit. Es gab keine Noten, nur Zettel mit den
Texten auf Koreanisch und Englisch, daher
konnte ich den mir unbekannten Gesängen
kaum folgen. Auch bei den Verbeugungen
kam ich nur mit Mühe hinterher und war
froh, dass ich keine 3000 machen musste.
Nach einer halben Stunde setzten wir uns
mit verschränkten Beinen auf den Boden,
um zu meditieren. Im Zen-Buddhismus
(Koreanisch: 선, Seon) ist die Sitzmeditation
(좌선, Jwaseon) die wichtigste Übung. Seit
22
der Fußball-WM 2002 in Korea bieten immer
mehr Tempel Programme mit Übernachtung
und Meditation für Besucher an. Amely,
Jagaa, Sebastian und ich hatten uns für
Golgulsa entschieden, weil hier außerdem
eine uralte Tempelkampfkunst namens
Seonmudo [선무도] praktiziert wird. Sie soll
Körper, Geist und Atem in Einklang bringen
und zur vollkommenen spirituellen Versenkung führen.
Tags zuvor hatten wir am SeonmudoTraining teilgenommen. Zunächst hatte sich
jeder eine blaue Kunststoffmatte genommen und darauf anstrengende Dehn- und
Streckübungen gemacht, die an Yoga oder
Qigong erinnerten. Anschließend waren wir
in verschiedenen Bewegungsabfolgen durch
den Saal gehüpft und gesprungen. Wir
hatten uns z.B. mit allen Vieren vom Boden
abgestoßen, um dann wieder auf Händen
und Füßen zu landen. Diese Figur hieß
„Katze“ und machte Amely und Jagaa so viel
Spaß, dass sie ein paar Tage später erneut
vergnügt auf diese Weise umherhopsten, als
wir an einem Lotusblumenteich in Gyeongju
Fotos machten.
Während wir Anfänger in der einen Hälfte
des Raumes gehörig ins Schwitzen kamen,
führten die Mönche in der anderen Hälfte
scheinbar mühelos Übungen durch, die eine
enorme Körperbeherrschung verlangten.
Offenbar brauchte es jahrelanges diszipliniertes Training, um beim Seonmudo einen
meditativen Zustand zu erreichen und
nicht schon bei der Aufwärmgymnastik
außer Atem zu kommen. Vielleicht hatte
ich danach so gut geschlafen, weil ich vom
Training erschöpft war?
Nun fiel es mir schon schwer, mich beim
Stillsitzen auf meinen Atem zu konzentrie-
Foto: Sebastian Brunkow
ren, weil meine Beine in der ungewohnten Sitzhaltung
schmerzten und meine Gedanken abschweiften. Ich war
froh, als die Meditation zu Ende war und es gegen sechs
Uhr endlich Frühstück gab. Da Sonntag war, fand eine
Barugongyang-Zeremonie [발우공양, besonderes Zeremoniell zur Einnahme einer mönchischen Mahlzeit] statt.
Alle setzten sich auf den Boden des Speisesaals, und jeder
erhielt vier ineinandergestellte Plastikschüsseln, die mit
einem Tuch umwickelt waren, in dem ein Paar Stäbchen
steckte.
Nachdem wir alles anweisungsgemäß vor uns aufgebaut
hatten, verteilten Novizen verschiedene Speisen, von
denen wir uns nur so viel nehmen sollten, wie wir aufessen
konnten, da kein Essen verschwendet werden durfte. In
der Tempelküche wird nicht nur auf Fleisch, sondern auch
auf Knoblauch und Zwiebeln verzichtet, daher schmeckten
viele Speisen für koreanische Verhältnisse ungewohnt mild.
Alle bekamen das Gleiche und aßen schweigend, denn
die meditative Essenszeremonie sollte unsere Einheit und
Harmonie fördern.
In welche Schüsseln etwas zu essen oder zu trinken kam,
war ebenso vorgeschrieben, wie die Reihenfolge, in der
sie nach Abschluss des Mahls mit etwas dünnem Tee und
einem Stück Kimchi gesäubert werden mussten. Nachdem
wir den Tee getrunken und das Kimchi gegessen hatten,
sollten wir die Schüsseln mit Wasser nachspülen und dieses
dann in einen Behälter gießen, mit dem ein Novize reihum
umherging. Hätte niemand einen Fehler gemacht, wäre
darin am Ende klares Wasser gewesen.
Aber irgendjemand hatte nicht aufgepasst und Tee oder
schmutziges Wasser in den Behälter gegeben, ohne dass
der Novize dies bemerkt hatte. Für seine Unachtsamkeit
musste er sich vor uns allen eine Standpauke vom Großmeister des Tempels anhören, die mir überzogen vorkam.
War das reine Wasser als Symbol des einheitlichen, klaren
Geistes der Versammelten wichtiger als die Harmonie, die
nun durch seine Standpauke getrübt war?
Der Großmeister ließ sich bei der anschließenden Teezeit
von einem jungen Mönch vertreten, der unsere Stimmung
mit seiner besonders fröhlichen Art schlagartig wieder aufhellte. Wer eine spezielle Teezeremonie erwartet hatte, wurde allerdings enttäuscht. Wir saßen im Halbkreis auf dem
Boden vor dem Mönch, der an einem niedrigen Tisch grünen Tee für uns zubereitete, in kleine, tönerne Schalen goss
und uns reichte. Während wir in aller Ruhe das wohltuende
Getränk genossen, hatten wir Gelegenheit, ihm Fragen zu
stellen. Er erklärte die Standpauke des Großmeisters ganz
banal damit, dass Untergebene eben die Anweisungen von
Ranghöheren zu befolgen haben.
23
Der fröhliche Mönch war mindestens so neugierig wie wir,
also stellten wir uns nacheinander vor. Unter den Gästen
befanden sich nicht nur Ausländer, sondern auch zwei
koreanische Studenten aus der etwas weiter südlich gelegenen Stadt Ulsan. Sie waren Christen und wollten mehr
über das buddhistische Erbe ihres Landes erfahren. Meine
beiden Freunde Amely und Sebastian aus Deutschland, die
erst seit wenigen Tagen zu Besuch in Korea waren, schilderten dem Mönch ihre ersten Eindrücke. Sie waren beeindruckt von der Atmosphäre im Tempel. Jagaa interessierte
sich für Taekwondo und kannte buddhistische Tempel aus
der Mongolei. Sie hatte aber noch nie in einem übernachtet
und erzählte ein wenig über die unterschiedlichen Praktiken des Buddhismus in ihrer Heimat.
Eine junge Engländerin mit langen dunklen Haaren verriet
dem Mönch, dass sie drei Monate im Tempel bleiben
würde, woraufhin er begeistert „I’m so happy!“ ausrief und
im Laufe des Gesprächs zweimal „You are so beautiful!“
zu ihr sagte. Die Engländerin schien darüber nicht besonders glücklich zu sein. Sie war den weiten Weg sicher
aus spirituellen Gründen gekommen, und nicht, um von
einem Mönch Komplimente für ihr Aussehen zu erhalten.
Auf der anderen Seite wollte der Mönch bestimmt nicht
sein Keuschheitsgelübde brechen. Im Buddhismus kommt
es darauf an, alles so zu sehen, wie es wirklich ist, und die
junge Engländerin war tatsächlich sehr schön.
Inzwischen war es längst hell geworden an diesem sommerlich warmen Julimorgen. Während Amely und Sebastian einen Ausflug zum Unterwassergrab von König Munmu
an der nahegelegenen Küste machten, erkundeten Jagaa
und ich das Tempelgelände näher.
Die Lage traditioneller koreanischer Tempel wurde nach
den Prinzipien von Feng Shui (풍수, Pungsu) ausgewählt,
damit sie sich harmonisch in die natürliche Umgebung
einfügten. Sie befinden sich meist im Gebirge, so auch Golgulsa. Im 9. Jahrhundert wurde in den Berg Hamwolsan ein
vier Meter hoher Buddha gemeißelt. Er ist von Felshöhlen
umgeben, die seit der Gründung des Tempels im sechsten
Jahrhundert als Gebetsräume genutzt werden.
Auf dem Weg dorthin wurden wir ein Stück weit von einem
zutraulichen Hund mit hellem Fell begleitet, der an seinem
Halsband aus dicken Holzkugeln als Tempelhund erkennbar war. Die Mönche hatten einen seiner Vorfahren so sehr
ins Herz geschlossen, dass sie ihm ein Denkmal gesetzt
hatten. Der steinerne Hund trug dieselbe hölzerne Kette
wie seine lebenden Artgenossen. Andere Statuen standen
in auffälligem Kontrast zueinander: ein lachender, dickbäuchiger Buddha und grimmige, muskelbepackte Wächter.
Das letzte Stück bergauf war besonders steil und felsig.
24
Wir hangelten uns an den zur Sicherheit befestigten Seilen
entlang, dann endlich erreichten wir die Höhlen. In Wandnischen gab es Altäre und steinerne Buddha-Statuen zu
sehen. Das eigentlich Spektakuläre aber waren der Anblick
des riesigen, in den Fels geschlagenen Buddhas und die
Aussicht auf das unter uns ausgebreitete Tal. Baumbewachsene Berge, so weit man sehen konnte, umgaben uns.
Der krönende Abschluss war eine Seonmudo-Vorführung
für die Templestay-Teilnehmer. Wenngleich buddhistische
Mönche mehrfach in der koreanischen Geschichte gegen
Invasoren gekämpft hatten, bekamen wir keine Zweikämpfe zu sehen. Vielmehr schien es mir, als kämpften die
Mönche des Golgulsa-Tempels gegen unsichtbare Gegner.
Aber wer könnten diese Gegner sein? Ich verließ den Tempel mit der Erkenntnis, dass Seonmudo kein gewöhnlicher
Kampfsport ist und sich seine Geheimnisse nicht an einem
Tag entschlüsseln lassen.
Golgulsa
Der Tempel befindet sich rund 20 km östlich der alten SillaHauptstadt Gyeongju. Örtliche Busse (Nr. 100 und 150) verkehren halbstündlich dorthin (Ticket: 1.500 Won [ca. 90 Cent]).
Die Fahrt dauert eine Dreiviertelstunde, danach muss man
eine Viertelstunde zu Fuß gehen. Mit dem Taxi kostet die Fahrt
ca. 35.000 Won [ca. 23,30 Euro]. Die Anreise sollte zwischen
14 und 17 Uhr erfolgen, Check-out ist am darauffolgenden
Tag um 13 Uhr. Ein Templestay kostet aktuell 50.000 Won [ca.
33,30 Euro], darin sind neben der Übernachtung alle Mahlzeiten enthalten. Weitere Informationen unter:
www.golgulsa.com (Englisch).
Templestay
Gegenüber dem Jogyesa-Tempel im Zentrum von Seoul gibt
es ein Templestay Information Center, das Broschüren über
zahlreiche Tempel und ihre jeweiligen Programme bereithält,
z.B. „Incredible Experiences in Ten Korean Temples“. Mehr unter
www.templestay.com (Deutsch, Englisch).
Englischsprachige Bücher
„Guide to Korean Buddhist Temples“ von der International
Dharma Instructors Association, herausgegeben vom Jogye
Order of Korean Buddhism, Seoul, 1995, ISBN 89-86821-13-3,
Preis: 7.000 Won [ca. 4,65 Euro]. Das Buch wird in dem Geschäft auf dem Gelände des Jogyesa-Tempels verkauft.
„Journey to Korean Temples and Templestay“ von Jang Eunhwa, Her One Media, Seoul, 2009, ISBN 89-92162-17-3, Preis:
12.000 Won [ca. 8 Euro].
Videos
www.youtube.com: „Golgulsa Templestay“ und „Golgulsa
Sunmudo Training“.
CHRISTENTUM
Missionare mit Charisma & Marketingtalent
Karl Gützlaff & Norbert Weber
Foto: privat
Von Dr. Sylvia Bräsel
Dr. Sylvia Bräsel ist
wissenschaftliche
Mitarbeiterin im
Bereich Neuere
Deutsche Literaturwissenschaft
an der Universität
Erfurt und hat
zahlreiche Werke
der koreanischen
Literatur ins Deutsche übersetzt. Sie
geht einer kontinuierlichen Lehr- und
Forschungstätigkeit
auf dem Gebiet der
Kulturbeziehungsforschung und der
vergleichenden
Literaturwissenschaft mit dem
Schwerpunkt Korea
nach. Darüber
hinaus setzt sie sich
unter anderem für
die Pflege der Austauschbeziehungen
der Universität Erfurt zu Korea sowie
für die Vorstellung
moderner südkoreanischer Autoren in
Deutschland ein.
Bildnis Norbert Weber als Erzabt
25
„Aber das Bild ist nicht Wirklichkeit, sondern es schafft erst Wirklichkeit.“
(Gerhard Köpf)
Christliche Missionare beider Konfessionen haben die Kontakte zwischen Deutschland und Korea in den letzten zwei
Jahrhunderten auf vielschichtige Weise mitgestaltet.
Nicht immer ist dabei die Nachwelt faktisch fundiert und seriös mit den Leistungen von Persönlichkeiten umgegangen.
In dem 1966 veröffentlichten und 1986 in den USA verfilmten Trivialroman „Taipan“ von James Clavell (1924 - 1994)
wird u.a. von einem „Referend Wolfgang Mauss“ erzählt,
der - in das Opiumgeschäft verwickelt - saufend und hurend
durch Hongkong zieht. Dabei diente als Vorbild für diese
sträfliche Verzerrung eine von der Geschichte zu Unrecht
vergessene Persönlichkeit, ein starker Charakter, ein Original
mit genialen wie exzentrischen Zügen. Die Rede ist von dem
verdienstvollen Ostasienkenner und Missionar Karl Friedrich
August Gützlaff (1803 - 1851), der nachweislich als erster
Deutscher und zugleich erster protestantischer Missionar am
17. Juli 1832 als Co-Leader und Dolmetscher einer Schiffsexpedition der British East India Company koreanischen
Boden betrat. In einem Zeitalter, in dem der Westen sich als
die höchste Stufe der menschlichen Evolution betrachtete,
war die Hochschätzung Ostasiens durch Gützlaff besonders
bemerkenswert - und nicht zuletzt Ausdruck einer Haltung,
die Courage, Selbstbewusstsein und große persönliche Souveränität verlangte.
Richtig ist, dass der Missionar Gützlaff in seiner Fähigkeit,
sich in der Öffentlichkeit darzustellen und seine Projekte zu
„vermarkten“, seiner Zeit weit voraus war. Das belegen neben
seinen anschaulich geschriebenen Reiseberichten auch seine
missionarischen und wissenschaftlichen Publikationen und
seine äußerst publikumswirksame Vortragstätigkeit, die maßgeblich durch seine charismatische Persönlichkeit getragen
wurde.
Ähnliches kann über den rhetorisch begabten und mediengewandten Erzabt von St. Ottilien, Norbert Weber (1870
– 1956), berichtet werden, der aufgrund finanzieller Schwierigkeiten, in die die Abtei unter seiner Leitung geraten war,
1930 sein Amt niederlegen musste. Er starb als einfacher Missionar am 03.04.1956 in Litembo und fand auf dem Friedhof
in Peramiho (Tansania) seine letzte Ruhestätte.
Während seiner Amtszeit als Erzabt von 1902 - 1930 unternahm der charismatische Norbert Weber zahlreiche Reisen
in die Missionsgebiete. Dabei zeigte er besonderes Interesse
an der Missionsarbeit in Korea. Unter seiner Leitung wurden
1909 erstmals Benediktinermönche nach Korea entsandt.
Durch Webers ehrgeiziges Engagement entstanden innerhalb von 25 Jahren zwei Abteien und mehrere blühende
Missionsstationen, die zu einem nachhaltigen Austausch
zwischen Ost und West beitrugen.
1911/1912 bereiste Weber von Amts wegen selbst Korea und
26
hielt seine Eindrücke in dem als Tagebuch publizierten Buch
„Im Lande der Morgenstille“ fest. Diese subjektive Form des
Tagebuches ermöglichte es dem medial geschickt agierenden Weber, Unmittelbarkeit und Neugier beim Leser zu erwecken. Zudem inszeniert sich Weber bewusst als ein „Mann der
Moderne“, indem er sein „Tagebuch“ durch eigene Fotoarbeiten und Schmalfilmaufnahmen ergänzt. Diese ersten erhaltenen Filmdokumente über das alte Korea, die Norbert Weber
zu verdanken sind, stammen aus den Zwanzigerjahren des
letzten Jahrhunderts. Die Filmsequenzen von Weber gelten
inzwischen als bedeutendes kulturhistorisches Zeugnis. Es
wurde ca. 25 Jahre nach dem Tod seines Produzenten und
ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung dieses Films
auch im koreanischen Fernsehen mit Erfolg gezeigt.
Die Foto- und Filmarbeiten wie das Reisetagebuch des Missionars Norbert Weber sind so einerseits wichtige Dokumente
für das koreanische Selbstverständnis – und andererseits ein
interessanter Beleg für die traditionsreiche Geschichte der
deutsch-koreanischen Beziehungen bzw. der Begegnung der
Kulturen.
Wie Karl Gützlaff widmete sich auch Weber mit Eifer der
fremden Kultur, wenn auch der missionarische Gedanke
bei dem Benediktiner die Auslotung einer Annäherung von
Ost und West teilweise überlagerte. Doch letztlich haben
sich beide Persönlichkeiten nachhaltige Verdienste um die
Bekanntmachung des Landes Korea erworben. Auch das für
ihre Zeit ungewöhnliche Marketingtalent verbindet Weber
und Gützlaff.
Dabei wurde weder Gützlaff noch Weber eine solche Entwicklung in die Wiege gelegt.
Gützlaff, 1803 im pommerschen Pyritz bei Stettin als Sohn
eines einfachen Schneiders geboren, gelang es – wie später
Weber – sich durch Fleiß einen Platz in der Gesellschaft zu
erstreiten. Gützlaff half dabei sein großes Talent für Sprachen
- gepaart mit Wissensdrang, Waghalsigkeit und Gottvertrauen. Diese Symbiose ließ den Musterschüler des britischen
Missionars Walter Medhurst zu einer anerkannten Persönlichkeit seiner Zeit werden. Seine Reisebeschreibungen über
die nicht wenig riskanten Expeditionen in die Seehäfen der
verschlossenen Länder (Korea, Japan, China) machten ihn
in der westlichen Öffentlichkeit bekannt. Sie lösten eine
Kettenreaktion aus, die letztlich Ostasien auch entzauberte
und zum Objekt westlicher imperialer Bestrebungen werden
ließ. Andererseits trugen seine Schilderungen – gerade über
das damals gänzlich unbekannte Korea – maßgeblich zur
Wissenserweiterung über diesen Raum in Europa und Nordamerika bei. Der aus Pommern stammende Missionar lenkte
somit das Interesse wieder (nach den Jesuiten) auf die ostasiatischen Kulturen. Hier wäre hervorzuheben, dass Gützlaff
- im Gegensatz zu vielen Asienautoren seiner Zeit - um ein
Verstehen des „Anderen“ im Kontext mit dem „Eigenen“
bemüht war. Er vermochte auf die Realitäten der Menschen
einzugehen. Heute würde man sagen, er verstand es, Netzwerke an lokalen Beziehungen zu initiieren. Damit schaffte er
eine Vertrauensbasis, die im Keim als Ausdruck einer ersten
dialogischen Beziehung zwischen Ost und West bewertet
werden kann. Er wollte die christliche Lehre bringen, ohne
die Menschen zum Bruch mit ihrer Zivilisation zu bewegen.
Die Übergabe einer Bittschrift zur Aufnahme von Handelsbeziehungen zur Weiterleitung an König Sun-Jo fand in
feierlicher Form am 26. Juli 1832 statt. Gützlaff nutzte die
Wochen bis zur (abschlägigen) Antwort auf die Petition zum
intensiven Studium des Verhaltens der Menschen und ihrer
Lebensweise. In diesem Sinne verdienen seine Bemerkungen
über die damals in der westlichen Welt fast unbekannte koreanische Sprache besondere Beachtung. Es ist das bleibende
Verdienst des protestantischen Missionars, die erste Abhandlung (mit Silbentabelle) über die koreanische Sprache veröffentlicht zu haben, die auf Informationen aus erster Hand
beruht. Am 9. August 1832 wurde das Scheitern der Expeditionsziele durch den Abgesandten des Königs erklärt. Ohne
seine Ziele erreicht zu haben, aber von den gastfreundlichen
Koreanern noch gut mit Proviant ausgestattet, verließ der
erste Deutsche an Bord der „Lord Amherst“ am 17. August
1832 koreanische Gewässer und segelte nach Macao zurück.
Verschiedene koreanische Geschichtswerke und Quellen
belegen die Richtigkeit des Reiseberichts. So setzt Paik
Lak-Geoon in seinem erstmals 1929 veröffentlichten Stan-
dardwerk „The History of Protestant Missions in Korea“ das
Jahr 1832 - d. h. den Aufenthalt Karl Gützlaffs - als Beginn der
protestantischen Missionsbestrebungen in Korea an. Auch er
betont ausdrücklich den friedlichen Charakter der Expedition, die angesichts der Kürze in missionarischer Hinsicht
keine konkreten Ergebnisse erbringen konnte. Diese Position
wird erhärtet durch die Aufzeichnungen in den Annalen des
7. Monats des 32. Regierungsjahres von König Sun-Jo.
Aus der Sicht unseres globalen Zeitalters gehört Karl
Gützlaff in chinesischer Tracht
© Steyler Verlag
Weber, der das Priesterseminar in Dillingen an der Donau
besuchte, wurde 1895 ordiniert und dem Missionshaus
St. Ottilien als Kandidat vorgeschlagen. 1897 legte er das
Ordensgelübde ab, und bereits im Dezember 1902 wurde
der strebsame junge Mann zum Abt von St. Ottilien geweiht.
Hervorzuheben ist sein frühes Interesse an der Missionsarbeit in Korea.
Friedrich August Gützlaff, der nach einem rastlosen Leben
im Alter von nur 48 Jahren in Hongkong verstarb, zu den
herausragenden Persönlichkeiten eines auf Gleichrangigkeit und Respekt beruhenden Konzepts von Missionierung
und Völkerbegegnung, zu den großen Wegbereitern eines
produktiven Dialogs zwischen Deutschland und Korea, Europa und Ostasien. Sein Grabmal in Hongkong, der von der
Deutschen Botschaft in Seoul 1982 errichtete Gedenkstein
für Karl Gützlaff in Wonsan-do und nicht zuletzt die Neuherausgabe seiner Reiseberichte durch den im Dezember 2004
verstorbenen Journalisten Winfried Scharlau im Jahre 1997
im Abera Verlag Hamburg - sind Zeichen der Achtung und
Anerkennung dieses Lebens im Dienste des Dialogs und der
Verständigung.
Dem Benediktiner Norbert Weber hingegen ist es zu verdanken, dass seit 1909 Benediktinermönche (mit Unterbrechung
27
durch den Korea-Krieg) erfolgreich mit konkreten sozialen
Projekten für die Verständigung der Religionen bzw. die
Annäherung an das abgeschottete Nordkorea tätig sind.
Die eng mit Menschen, Sprache und Kultur verbundenen
Brüder und Schwestern des Ordens haben maßgeblich zu
einem Austausch auf ihre spezifische Weise beigetragen. Als
Krankenschwestern, Ärzte, Landwirte oder Handwerker etc.
leben bzw. arbeiten sie mit den Koreanern zusammen und
teilten sogar bis hin zu Flucht und Vertreibung das bittere
Schicksal der koreanischen Menschen zwischen 1950 - 1953.
Davon berichten die 1953 aus nordkoreanischen Lagern
endlich heimgeholten Missionare in ihrer bewegenden
Dokumentation „Schicksal in Korea“, die 1974 zur Erinnerung
an die Vertreibung der Benediktiner von St. Ottilien aus der
nördlich des 38. Breitengrades liegenden Abtei Tokwon
erschien.
„Man muss viel gelernt haben, um über
das, was man nicht weiß, fragen zu können“
(Jean-Jacques Rousseau)
Buch und Filme von Norbert Weber haben dieses Interesse
an Korea auf spezifische Weise befördert und eingeleitet.
Schon in seinem Vorwort legt der Missionar seine Beweggründe für die Publikation des Buches dar: „ Drängende
Sorge um unsere junge Missionsarbeit in Korea hatte mich
zu Beginn des Jahres 1911 auf die hohe See getrieben...
So ging`s dem äußersten Osten zu, und jeder Tag reizte zu
neuen Beobachtungen. Wenn auch Ostasien nicht mehr
jene verschlossene Welt ist, die sich vor dem Geiste des
Westens hinter unübersteigbare Mauern flüchtet und diese
mit Todesedikten besetzt,
so liegt doch immer noch
eine ganze Welt zwischen
der Kultur Europas und
Asiens.“
Adressat von Weber ist an
erster Stelle das Lesepublikum in Europa. Die Sorge
um die Missionsarbeit
– also ein Eigenanliegen
– treiben ihn zur Reise. Neben faktischen Informationen zu Land und Leuten
und zur politischen
Situation in Korea (u.a. die
Rolle Japans als künftige
Kolonialmacht) werden
insbesondere die Befürchtungen des Ethnologen
Weber bezüglich der Japanisierung und Industrialisierung Koreas artikuliert.
Das ist für ihn Anlass, Stift
28
und Fotoapparat in die Hand zu nehmen und ein wertvolles
Filmdokument über die Traditionen und Bräuche von Joseon
zu schaffen.
Die Entstehung dieser ethnologischen Zeugnisse verdeutlicht somit auch die Verquickung von wissenschaftlichen
Interessen, Missionierung der Fremde und einen damit
verbundenen Heilsgedanken im Zeitalter des Kolonialismus. So zeigen Bildauswahl und Themen (Missionierung,
Missionsschule, Berufsausbildung) u.a. die Erziehung von
Kindern und Erwachsenen zum christlichen Glauben. Auch
die Schwere der Missionsarbeit in einem unerschlossenen
Land wird nicht verschwiegen. Dies belegt, dass der Film
auch zur Erschließung von finanziellen Ressourcen bzw. zur
Nachwuchswerbung für die Mission gedreht wurde.
Doch trotz dieser „Konstruktion des Fremden“ überwiegen
eindeutig für den heutigen Betrachter die positiven Zeichen.
Erstmals tritt mit dem Schmalfilm von Weber die Bedeutung
des Mediums Film in den Korea-Diskurs ein. Damit hat sich
Norbert Weber als kluger Beobachter und leidenschaftlicher
Ethnologe bleibende Verdienste erworben. Nicht zuletzt
dokumentiert er (gestellte) Szenen aus dem täglichen Leben
der Koreaner in den Zwanzigerjahren (u.a. Hochzeit, Totenfeiern, Töpferei etc.), die nie zuvor eine Kamera festhielt.
Dieser Teil des Filmmaterials bleibt ein wichtiger kulturhistorischer Beleg für das Selbstverständnis des koreanischen
Volkes und verdeutlicht das traditionsreiche Miteinander
von Deutschen und Koreanern über nicht einfache historische Phasen hinweg.
Schreinerlehrlinge
CHRISTENTUM
Priester Alwin Schmid
Baumeister koreanischer Kirchen
Von Gesine Stoyke
I
n Korea finden sich heute christliche Kirchen verschiedensten Aussehens aus den unterschiedlichsten
Epochen. Der erste christliche Sakralbau im westlichen
Stil ist die 1892 von einem französischen Priester entworfene Yakhyeon-Kirche in Seoul, die heute den Namen
Jungnimdong-Kirche trägt. Sie wurde im Gotik-Stil erbaut
und ist Symbol für die Katholikenverfolgungen während
des Joseon-Reiches (1392 – 1910).
Eine Besonderheit christlicher koreanischer Sakralarchitektur sind die Kirchen, die traditionellen Häusern (한옥,
Hanok) nachempfunden wurden. Durch eine Bauweise,
die dem Volk vertraut war, sollte das Misstrauen gegenüber dem aus dem Ausland kommenden Christentum
verringert werden. Das älteste Beispiel ist die Seonggonghoe-Kirche im Landkreis Ganghwa in Incheon, die aus
dem Jahr 1900 stammt.
Während die koreanische Kirchenarchitektur der japanischen Kolonialzeit (1910 – 45) vor allem auf westliche
Architekten und Missionare zurückgeht, waren ab den
1950er Jahren koreanische Bauherren federführend. Dennoch sollte der Name eines deutschen Benediktinermönches nicht unerwähnt bleiben, der einen wesentlichen
Anteil an der modernen koreanischen Kirchenarchitektur
hatte, die in der Zeit zwischen dem Anfang der Sechzigerjahre und dem Ende der Siebzigerjahre entstand.
vertrat die Auffassung, dass man für Menschen, die noch
keinen Zugang zum christlichen Glauben haben, keine
Barrieren errichten dürfe, und darüber hinaus wollte er
der damaligen Situation Koreas Rechnung tragen, das sich
in den Siebziger- und Achtzigerjahren in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befand. Um einfache Orte nicht mit
prunkvollen Gebäuden zu überfachten, achtete er darauf,
dass sie sich harmonisch in ihre Umgebung einfügten. Er
errichtete seine Kirchen niemals an erhöhten Orten in der
Mitte des Dorfes, da sie die anderen Häuser nicht überragen sollten und ordnete die Kirchenbänke im Inneren
fächerförmig oder im Oval um den Altar herum an. Auf
diese Weise sollte die Distanz zwischen den Gläubigen
und dem Geistlichen verringert und allen Gottesdienstbesuchern eine optimale Sicht auf das Geschehen gewährt
werden. Gleichzeitig wählte Schmid für seine Kirchenarchitektur eine dem koreanischen Baustil nachempfundene Form, die auch das zeitgenössische Korea widerspiegeln sollte.
Zu den Gotteshäusern, die von dem deutschen Benediktinermönch entworfen wurden, gehören verschiedene
Kirchen in den Provinzen Nord-Gyeongsang und NordChungcheong, die Haeundae-Kirche in Busan, die Kirche
von Guro-3-dong in Seoul und viele weitere.
Der Beitrag entstand auf der Grundlage eines Artikels von Lee
Gwang-pyo in der Zeitung „Donga Ilbo“ aus dem Jahr 2008.
Priester Alwin Schmid (1904 – 78) war Mitglied des
koreanischen Benediktinerklosters Oegwan. 1949, als er
zwischenzeitlich in sein Heimatland Deutschland zurückkehrte, in dem die Schäden des Zweiten Weltkriegs noch
deutlich sichtbar waren, erlebte er den Wiederaufbau
kriegszerstörter Kirchen und begann, sich mit einer modernen Form der Sakralarchitektur auseinanderzusetzen.
Nach seiner Rückkehr nach Korea im Jahre 1961 begann
der selbst ernannte Kirchenarchitekt, dort einen neuen
Baustil einzuführen, der auf Pomp verzichtet und auf
die Funktion der Kirche als Ort der Gemeinschaftsmesse
fokussiert. In den nächsten rund zwanzig Jahren entwarf
er auf koreanischem Boden über 80 Kirchen und über 180
kirchliche Gebäude.
Was alle von Schmid geplanten Bauten verbindet, ist ihre
ausgeprägte Schlichtheit. Denn der Benediktinermönch
29
CHRISTENTUM
„
Die zweite Generation
vertritt die Überzeugung, dass
Glaube aus freien Stücken gelebt
und praktiziert werden muss, damit
er authentisch ist vor Gott und den
Menschen.
“
Mike Kwang-Yul Lee wurde 1974 in Duisburg-Hamborn geboren. Er studierte Theologie in Kalifornien (A.Th.), Toronto (B.A.
in Christian Studies) und Vancouver (M.Div.) und promoviert
zurzeit an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Er ist
deutschsprachiger Pastor in der koreanischen Full Gospel
Church Düsseldorf
Interview mit Mike Lee, deutschsprachiger Pastor in der koreanischen Kirchengemeinde „Full Gospel Church Düsseldorf“ (FGCD)
Die FGC besteht in Düsseldorf seit 1974. Sie wurde von
koreanischen Krankenschwestern gegründet, die in den
Sechzigerjahren als Hilfsarbeiterinnen nach Deutschland
gekommen waren. Die FGCD gehört der Yoido Full Gospel
Church in Seoul, Südkorea an.1 Sie wird mit ca. einer
Million Mitgliedern als größte Kirchengemeinde in Korea
und auch in der Welt angesehen. Der Gründer dieser
Gemeinde, die seit 1973 besteht, ist Pastor Yongi Cho. Die
Glaubensrichtung der Yoido Full Gospel Church wurde
überwiegend von dem Gründer geprägt. Sie ist pfingstlich-charismatisch mit fundamentalen Grundzügen, d.h.
neben den typisch pfingstlerischen Manifestationen wie
30
Zungenrede, Heilungsgebete, Exorzismus und Wunderwirkungen wird auch eine große Betonung auf den
Predigtdienst und auf feste Liturgie mit Hymnengesang
im Gottesdienst gelegt. Koreanische Pfingstgemeinden
unterscheiden sich von deutschen bzw. amerikanischen
Pfingstgemeinden dadurch, dass sie einem strukturierten
Schema der Liturgie im Gottesdienst folgen, obwohl es
auch einen gewissen Raum für spirituelle Momente gibt.
Wie viele Mitglieder hat Ihre Gemeinde, und worin sieht sie
ihre Hauptaufgaben?
Sie hat zurzeit ca. 300 eingetragene Mitglieder. Die FGCD
nimmt es als ihre Hauptaufgabe wahr, den koreanischen
Migrantenfamilien in Düsseldorf und in den umliegen-
den Städten zu dienen. Unsere Gottesdienstbesucher
Fotos: Kwang-Hyun Yom
Wann wurde die Full Gospel Church in Düsseldorf gegründet, und welcher religiösen Glaubensrichtung gehört sie
an?
kommen aus verschiedenen Städten wie Mönchengladbach, Bochum, Neuss, Ratingen, Essen, Dortmund, Mülheim, u.a. Der Dienst an diesen Migrantenfamilien besteht
hauptsächlich darin, sich um das geistliche Wohlsein zu
kümmern durch Gottesdienste, Gebetsabende, Bibelkreise
und Hauskreise. Darüber hinaus werden auch soziale Bedürfnisse beantwortet, indem man die Gemeinde zu einer
Begegnungsstätte mit anderen koreanischen Migranten
funktionalisiert. Die Begegnungsmöglichkeiten, die durch
die koreanische Gemeinde geschaffen werden, stellen für
Koreaner eine wichtige Komponente dar. Es ist Tatsache,
dass viele Migranten nicht aus religiösen, sondern eher
aus sozio-kulturellen Beweggründen die Migrantengemeinden aufsuchen. Auf diese Weise können Koreaner, die
sich in der deutschen Gesellschaft marginalisiert fühlen,
ihre Nähe zu den eigenen kulturellen Wurzeln wahren, indem z.B. neben den christlichen Festen auch koreanische
Feiertage gefeiert werden.
Als weitere Hauptaufgabe sieht es die FGCD an, den
eigenen Horizont zu erweitern und Nichtkoreanern
(natürlich überwiegend Deutsche) mit dem christlichen
Glauben zu begegnen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde
ein deutschsprachiger Gottesdienst eingeführt, der
darauf fokussiert, Nichtkoreaner anzusprechen. Obwohl
die Notwendigkeit einer solchen Ausrichtung allgemein
erkannt wird, sind sich viele nicht der damit verbundenen
Herausforderungen bewusst, wie z.B. die Bereitschaft zu
einem interkulturellen Austausch mit Menschen anderer
Herkunft. Oft ist es so, dass der Wunsch, die eigenen kulturellen Wurzeln zu bewahren, einer positiven Auseinandersetzung mit anderen Kulturen im Wege steht.
Sie haben kürzlich ein überkonfessionelles Netzwerk aus
„geistlichen Leitern der zweiten Generation“ gebildet, um
den Pastoren koreanischer Abstammung, die in zweiter
Generation in Deutschland leben, Gehör zu verschaffen.
Wie kam es zur Gründung des Netzwerkes, und was sind
dessen Ziele?
Im Jahr 2008 haben koreanische Pastoren, die dem Bund
des koreanischen NRW-Pastorenverbandes angehören,
ihre Besorgnis über den Mangel an christlichen Veranstaltungen für junge Erwachsene der zweiten Generation, die
nach und nach die Gemeinden verlassen, zum Ausdruck
gebracht. Aufgrund dieser Feststellung wurde ich gebeten, ein Projekt zu starten, welches auf die Bedürfnisse
dieser Zielgruppe eingeht. Daraufhin wurde mit zwei
weiteren Leitern mit koreanischem Migrationshintergrund, Pastor Nam-Kyu Kim (Köln Hanbit Church) und
Vikar Jung-Min Kim (Christusgemeinde Bremen FeG) nach
vielen Gesprächs-Reflexionsrunden und Gebeten ein
überkonfessionelles Projekt mit dem Namen „EXODUS“
im Jahr 2010 gestartet. Man kann sagen, dass EXODUS
aufgrund eines gemeinsamen Konsenses zwischen
Pastoren der ersten und zweiten Generation entstanden
ist, weshalb uns der gemeinsame Dialog mit der ersten
Generation ein großes Anliegen ist. Unser Ziel besteht darin, die jungen und älteren Erwachsenen mit koreanischem
Migrationshintergrund durch Begleitung und Schulung
für ihre geistliche Verantwortung auszubilden, damit sie
als mündige christliche Mitarbeiter dienen können. Um
dies zu erreichen, wollen wir gezielte Jüngerschaftsschulung2 anbieten, die in den meisten koreanischen Migrantengemeinden aufgrund der mangelnden sprachlichen
Kompetenz nicht vorhanden ist.
Dies versuchen wir mit den folgenden Schritten zu erreichen:
•
•
•
•
Regionaltreffen zur Unterstützung der Ehrenamtlichen vor Ort in den Gemeinden
Eine jährliche Exodus-Konferenz für die Schulung
von geistlichen Leitern und Begegnung mit Gott und
untereinander
Angebot von Seminarthemen, die spezifisch auf
interkulturelle Themen eingehen, die relevant für den
Gemeindekontext sind
Vermittlung zwischen den Generationen (erste und
zweite Generation von koreanischen Migranten).
Aus einem Artikel über Ihre Konferenz in der religiösen
Zeitschrift „Charisma“ (1. Quartal 2012) geht hervor, dass
die geistlichen Leiter der ersten Generation die der zweiten
Generation als rebellisch ansehen. In welchen fundamentalen Glaubensfragen unterscheiden sich diese beiden
Gruppen?
Diese Wahrnehmung kann rein subjektiv sein, aber es
stimmt schon, dass die erste Generation die Andersartigkeit der zweiten Generation sieht. Allerdings liegt der Unterschied mehr in der Glaubenspraxis als in dogmatischen
Glaubensfragen. Natürlich gibt es einige Punkte, wo Leiter
der zweiten Generation sich in dogmatischen Glaubensfragen von der ersten Generation unterscheiden - diese
Differenzen machen sich sogar unter Leitern der zweiten
Generation bemerkbar -, aber im Grunde lebt die zweite
Generation ihren Glauben anders aus. Ein wesentlicher
Unterschied liegt darin, dass die zweite Generation sich
von einem offensichtlichen und subtilen Pflichtbewusstsein in der Ausübung des Glaubens distanzieren will. Unsere Eltern haben ihren Glauben oft aus Pflichtgefühl ausgeübt, nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern mehr
aus Angst, ihr Gesicht in der Gemeinschaft zu verlieren,
und haben diesen aus Pflichtgefühl motivierten Glauben
‚Hingabe‘ genannt. Die zweite Generation vertritt die
31
Überzeugung, dass Glaube aus freien Stücken gelebt und
praktiziert werden muss, damit er authentisch ist vor Gott
und den Menschen. Ich würde sagen, dass es der zweiten
Generation ganz stark auf Authentizität ankommt. Von daher hinterfragt die zweite Generation die festgefahrenen
und zum Teil konfuzianistisch geprägten Verhaltensweisen
der ersten Generation innerhalb der christlichen Gemeinschaft. Dieses Hinterfragen wird von der ersten Generation oft als rebellisch betrachtet, was aber eher dialektischkritisches Denkvermögen ist, das sich viele junge Koreaner
in Deutschland durch ihre westliche Bildung als konstruktive Fähigkeit angeeignet haben.
Auf der anderen Seite sollte man auch darauf achten, dass
man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet, denn es
gibt viele Verhaltensnormen der ersten Generation, denen
man kein zu großes religiöses Gewicht beimessen sollte,
aber die dennoch maßgebend sind für das Gelingen eines
harmonischen Zusammenlebens. Leider ist die zweite
Generation so sehr von dem Individualismus des Westens
geprägt worden, dass sie sich mit dem kollektivistischen
Gedankengut der Koreaner schwertut, was das harmonische Zusammenleben beider Gruppen innerhalb einer Gemeinde erschwert. „Die zweite Generation Koreaner denkt
nur an sich“ ist ein Vorwurf, den die zweite Generation oft
von der ersten Generation hört.
In der EXODUS-Konferenz 2011 begegneten sich innerhalb
dieses Rahmens erstmals religiöse Leiter der ersten und der
zweiten koreanischen Generation in Deutschland, um sich
um die praktische Umsetzung gemeinsamer Ziele in ihren
Gemeinden zu einigen. Welche Ergebnisse zeitigte die
Konferenz? Welche verbindenden Punkte konnten beide
Gruppen entdecken?
Uns ging es vor allem darum, dass wir gegenüber den
Leitern der ersten Generation unsere Vorstellungen von
Dienst zum Ausdruck gebracht haben. Es ging uns nicht
darum, ein Patentrezept für erfolgreichen Migrantendienst zu vermitteln, sondern eher darum, ins Gespräch zu
kommen, um einen gemeinsamen Konsens zu erreichen.
Mir scheint es, als ob die erste Generation zu der Einsicht
gelangt ist, dass sie die geistliche Verantwortung für die
zweite Generation nicht übernehmen kann und somit den
geistlichen Leitern der zweiten Generation übergeben
muss. Dieser Staffelwechsel ist jedoch bisher noch nicht
gut gelungen, aber wir befinden uns in einem Prozess, der
unweigerlich darauf hinausläuft, dass die zweite Generation von der ersten ‚empowered‘ (bevollmächtigt) wird, um
diese Aufgabe zu erfüllen. Ich halte es für äußerst wichtig,
dass christlicher Dienst an Migranten und darüber hinaus
nur dann erfolgen kann, wenn beide Generationen sich
gegenseitig ergänzen. Sowohl die erste als auch die zwei-
32
te Generation Koreaner haben gewisse Stärken, die - wenn
gebündelt - den christlichen Glauben auf eine attraktive
Weise verpacken.
Sind Koreaner der zweiten Generation im Vergleich zur
deutschen Gesamtbevölkerung überdurchschnittlich
religiös?
Ehrlich gesagt fällt es mir sehr schwer, die zweite Generation als überdurchschnittlich religiös einzuschätzen. Die
Schwierigkeit liegt wohl darin, dass sich kulturelle Normen
und christliche Werte in der Spiritualität der koreanischen
Christen nicht leicht unterscheiden lassen. Es ist zwar
schon so, dass Koreaner der zweiten Generation einen
starken Hang zum christlichen Glauben haben, aber
die Frage stellt sich, ob sie den Glauben für sich selbst
verinnerlicht haben, ob sie Besitz von dem ihnen vermittelten Glauben ergriffen haben. Ansonsten bleibt es nur
ein‘ second-hand-faith‘, der von ihren Eltern oder anderen
übermittelt wurde. Die Gefahr eines solchen secondhand-Glaubens liegt darin, dass sie den christlichen
Glauben, der verdeckt liegt unter einer kulturellen Schicht,
falsch interpretieren. So kommt es, dass viele Koreaner der
zweiten Generation, die in ihren jungen Jahren ‚religiös‘
waren, Abstand nehmen von dem Glauben, sobald sie das
Elternhaus verlassen. Auf der anderen Seite ist es nicht zu
verkennen, dass der christliche Glaube eine starke Anziehungskraft auf junge Koreaner in Deutschland hat. Denn
der christliche Glaube bietet Lösungen für die spezifischen
Probleme, mit denen die Betreffenden konfrontiert sind
wie z.B. Identitätssuche, mangelndes Selbstbewusstsein in
einer stark konkurrierenden Gesellschaft, falsches Selbstbild usw. Da echter christlicher Glaube immer den Menschen mit seinen Problemen und Bedürfnissen im Blick
hat, kann er wertvolle Lösungsansätze für junge Koreaner
und andere Randgruppen anbieten. Ich bin der Überzeugung, dass der christliche Glaube für alle Menschen eine
starke Anziehungskraft hat, wenn er auf richtige Weise
vermittelt wird.
In der deutschen Gesamtbevölkerung ist die Zahl der
Christen rückläufig. Die Zahl der Kirchenaustritte steigt.
Dem stehen sehr aktive und lebendige koreanische Gemeinden gegenüber. Was können die Kirchen in Deutschland von ihnen lernen?
Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, der koreanischen
Migrantengemeinde die Rolle einer Vorzeigegemeinde
zuzuweisen, solange sie ihren Aktionismus nur in ihren
eigenen vier Wänden auslebt. Meines Erachtens wird die
Lebendigkeit einer Gemeinde darin sichtbar, dass sie missionarisch gesinnt ist, d.h. ihren Blick nach außen richtet,
nämlich auf die umgebende Gesellschaft.
Leider gibt es nur wenige
koreanische Gemeinden
in Deutschland, die diese
Einstellung einnehmen.
Nichtsdestotrotz kann
man sagen, dass der
christliche Glaube für
viele Koreaner eine ganz
entscheidende Rolle
spielt, insbesondere
darin, dass der Glaube
immer einen praktischen
Bezug hat. Dieser nimmt
Bezug auf das Berufsleben, Studentenleben,
Ehe, Familie, Bildung,
Gemeinschaft, Karriere
usw. Dieser praktische Bezug fehlt mir bei den nominalen
Christen unter den Deutschen. Der christliche Glaube hier
in Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten
so sehr rationalisiert, dass er an Lebendigkeit und Relevanz fürs Leben verloren hat. Deshalb erscheint die Kirche
in Deutschland für die Koreaner wie ‚tot‘. Für die Koreaner,
die stark emotional veranlagt sind, steht im Gottesdienst
die Erfahrung mit dem lebendigen Gott im Vordergrund.
Diese Lebendigkeit äußert sich durch leidenschaftliches
Singen, lautes und intensives Gebet, herzliche Gemeinschaft usw. Im Gespräch mit deutschen Besuchern ist mir
aufgefallen, dass es gerade solche Komponenten sind,
die attraktiv auf sie wirken, selbst wenn sie ihnen etwas
befremdlich scheinen. Aber wie schon vorher erwähnt,
dürfen solche Erfahrungen nicht dem Selbstzweck dienen,
sondern müssen zugänglich gemacht werden (z.B. durch
aktive Inlandmission) für Außenstehende. Sprache und
Kultur sind die größten Herausforderungen, die zu überwinden sind, um die aktive und lebendige Glaubenspraxis
der Koreaner zu anderen zu transportieren.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die koreanischen Migrantengemeinden einen missionarischen Weitblick bzw. Tiefblick
entwickeln, d.h. dass sie offen und sensibel werden für
die Bedürfnisse der deutschen Gesellschaft und nicht
nur für die eigenen. Meiner Meinung nach besteht die
Daseinsberechtigung einer Gemeinde (damit meine ich
jede Gemeinde) darin, die hiesige Gesellschaft durch ihre
Dienste zu bereichern. Eine Selbstbereicherung, die nur im
Kontext der koreanischen Migranten stattfindet, scheint
mir am eigentlichen Auftrag Jesu Christi nach Matthäus
28:18-20 vorbeizugehen. Allerdings bedarf es der Hilfe
der zweiten Generation Koreaner, die gut in die deutsche
Gesellschaft integriert ist und somit die besseren Voraussetzungen besitzt, den Glauben weiterzuvermitteln.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass eine Verbindung (oder besser gesagt Versöhnung) zwischen der ersten und der zweiten Generation Koreaner stattfindet, da viele Koreaner
der zweiten Generation die Muttergemeinden aufgrund
von Missverständnissen und den daraus resultierenden
Verletzungen verlassen haben. Eine Annäherung kann
nur dann zustande kommen, wenn beide Gruppen ihre
Vorurteile ablegen und ihre Wertschätzung der jeweiligen
Unterschiede zum Ausdruck bringen. Erst wenn diese Art
von Versöhnung innerhalb der Gemeinde stattfindet, kann
sie die Botschaft der Versöhnung nach 2. Korinther 5:17
glaubhaft weitergeben. Ich wünsche mir insbesondere
einen regen Austausch zwischen geistlichen Leitern der
ersten Generation und der zweiten Generation über die
gemeinsame Zukunft.
Das Interview führte Gesine Stoyke
1 Siehe dazu den Beitrag „Kirche der Superlative“ von Anne Schnep-
pen in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).
2 Eine Jüngerschaftsschulung ist ein Programm, welches in vielen Ge-
meinden angeboten wird, um diejenigen, die im Glauben wachsen
wollen, durch Lehre und Coaching anzuleiten. Solch ein Programm
umfasst in der Regel mehrere Wochen, in denen man zusammenkommt, um über verschiedene Bereiche der Glaubenspraxis zu
lernen, wie z.B. Gebet, Gottesdienstbesuch, Evangelisation, Mission,
diakonischer Dienst. In vielen Fällen schließt eine Jüngerschaftsschulung mit einem missionarischen Kurzeinsatz in ein anderes Land ab,
wo man das, was man gelernt hat, in die Praxis umsetzen kann.
33
CHRISTENTUM
Südkoreaner auf Seelenfang
Von Malte E. Kollenberg
Missionare in Seouls berühmtem Einkaufsviertel Myeong-dong. Auf Englisch,
Chinesisch und Japanisch versucht die Frau, die Touristen zu überzeugen.
Nicht nur Händler und Warenhäuser machen ein gutes Geschäft mit den Touristen, auch christliche Missionare haben
die bei Touristen beliebte Ecke entdeckt. Auf Chinesisch
und Japanisch wird gegrüßt. „Konichiwa“ und „Ni hao“ wird
den noch Un- oder Andersgläubigen entgegengerufen.
Danach folgt eine kurze Auflistung der Vorteile des christlichen Glaubens. Ein Transparent, geheftet an einen mit
einem Mikrofon verbundenen Lautsprecher bringt die Mis-
34
sion auf den Punkt: „Jesus ➔ Himmel! Kein Jesus ➔ Hölle“
steht darauf geschrieben.
Nach den Philippinen mit weit über 80 Prozent Katholiken
hat Korea den größten Anteil an Christen in der Bevölkerung Ostasiens. Etwa ein Drittel aller Südkoreaner gehören
einer christlichen Glaubensrichtung an. Und der Trend zeigt
weiterhin nach oben. Mit den Gläubigen lässt sich außerdem hervorragend Geld verdienen. Und je mehr Anhänger
eine Kirche hat, desto mehr ist auf dem Konto. Missionare
als Marketingexperten.
Kaum ein öffentlicher Platz in Seoul, an dem einem kein
Missionar begegnet. Vor dem Seouler Hauptbahnhof
tummeln sie sich ebenso wie vor den Universitäten des
Landes. Und selbst in abgelegensten Nebenstraßen kann es
ohne Weiteres passieren, dass einem mit einem Lächeln ein
Foto: Malte E. Kollenberg
E
s ist die belebteste Einkaufsstraße im Herzen Seouls.
Myeong-dong wird jeden Tag von Tausenden Touristen heimgesucht. Menschenmassen drängen sich
durch die Straßen. Sie schieben und schubsen sich vorbei
an Schaufenstern und Imbissständen, immer auf der Suche
nach einem noch besseren Angebot. Unter ihnen auch
christliche Missionare. Auch sie auf der Suche - auf der
Suche nach verirrten Seelen, auf Schnäppchenjagd.
Foto: privat
Päckchen Taschentücher überreicht wird. Auf
die Packung gedruckt sind ein Psalm und die
Gottesdienstzeiten.
Malte E. Kollenberg,
aufgewachsen in
Bonn und Gummersbach, hat in
Bamberg und Seoul
Politik- und Kommunikationswissenschaft studiert. 2007
hat er zusammen
mit einem Partner
das Journalistenbüro
KOLLENBECKER
gegründet. Jetzt lebt
und arbeitet er als
Korrespondent in
Seoul.
Während Millionen Menschen in Metropolen
wie Daegu, Busan und Seoul nebeneinanderher leben, bieten die Kirchen etwas, das
selten geworden ist im hektischen Alltag und
inmitten der kollektiven Suche nach dem Glück
im Leben. Sie interessieren sich für die Einzelperson. Missionare zeigen starkes Interesse
und nehmen sich Zeit, stellen persönliche
Fragen. Wahrscheinlich wäre es nicht einmal zu
viel zu sagen, Missionare in Korea legen eine
Penetranz an den Tag, die ihresgleichen sucht.
Pech, wer da den falschen Namen hat: „Wie
heißt du?“ - „Christian“, lautet die Antwort des
Austauschstudenten. „Ach, du heißt Christian,
das ist ja toll, ein christlich-religiöser Name.“
Auf Englisch klingt das Gespräch aufgrund des
Gleichklangs von Namen und dem englischen
Wort für Christ noch um einiges witziger. Und
schon haben die beiden selbsternannten „Gottesgesandten“ vor einer Universität im Seouler
Stadtkern einen Anknüpfungspunkt gefunden.
Christian wird nun bis nach Hause verfolgt und
beharrlich über die Vorteile des Gottesglaubens
im Allgemeinen und über die der Kirche der
beiden Missionare im Besonderen aufgeklärt.
Die beiden werden erst von ihm ablassen, als
er zusagt, sich zumindest für den kommenden
Sonntag den Kirchgang vorzunehmen.
In Seoul hat auch die größte Kirchengemeinde der Welt ihren Sitz. Der Yoido Full Gospel
Church gehören nach eigenen Angaben rund
eine Million Gemeindemitglieder an.1 Dabei
existiert die Kirche gerade einmal etwas länger
als ein halbes Jahrhundert. In ihrer Selbstdarstellung ist die Kirche besonders stolz auf ihre
Missionarstätigkeit. 600 Missionare predigen
das Wort Jesu auf der ganzen Welt. Und auch
an der heimatlichen Glaubensfront ist die Yoido
Full Gospel Church vertreten. Mit Zeitungen
und eigenem Fernsehsender, um gegen „die
satanische Flut böser Medien, die die Kultur
in Korea bedrohen“, anzukämpfen. Selbstverständlich gehören zu diesem Vorhaben auch
eigene Bildungsinstitutionen in einem Land,
das sich stark über Bildung definiert.
Die enorme Aktivität koreanischer Christen
kann überraschen, ist das Christentum in Südkorea doch wenig älter als 250 Jahre. Vielleicht
sollte aber auch gerade deshalb der Eifer nicht
überraschen.
Auch Missionierung hat in Korea eine relativ
kurze Tradition. Erst im Jahr 1777 begann eine
kleine Gruppe junger konfuzianischer Gelehrter, sich mit dem Christentum zu beschäftigen.
Einer von ihnen, Yi Sung-hun, ließ sich auf einer
Reise nach Peking katholisch taufen und kehrte
als erster Missionar zurück in seine Heimat. Für
den Religionsforscher James Huntley Grayson
ist es wichtig, darauf hinzuweisen: „Von Anfang
an hat sich die Kirche in Korea selber missioniert.“
Heute gehen koreanische Missionare allerdings
einen etwas anderen Weg. Korea sendet nach
den USA die größte Anzahl Missionare hinaus
in alle Welt. Allein die Anzahl evangelischer
Missionare beläuft sich auf weit über 10.000.
Hinzu kommen katholische Wanderprediger.
Kaum ein Zwischenfall mit Missionaren im Mittleren Osten, in den nicht auch ein koreanischer
Staatsbürger verwickelt ist. Hwang Tae-yun
vom koreanischen Ableger der Global Mission
Society (GMS), einer Presbyterianer-Vereinigung, erklärt die eigene Missionstätigkeit so:
„Wir missionieren im interkulturellen Kontext.“
Übersetzt bedeutet das, die 2170 Missionare arbeiten aktiv an der Bekehrung von Nicht-Christen in über 100 Ländern. „Unser Schwerpunkt
liegt aber in Asien“, erklärt Hwang. Anders als
bei der Missionierung in Korea, wo die Gottesgesandten relativ leicht erkennbar sind, sind in
Ländern wie Saudi Arabien, Pakistan oder dem
Iran als Geschäftsleute oder Forscher getarnte
Missionare unterwegs. Wie viele koreanische
Missionare der GMS in diesen Ländern aktiv
sind, möchte Hwang nicht sagen. „Wir geben
keine Auskunft über Anzahl oder Identität“,
erklärt er. Das habe Sicherheitsgründe.
Dass die Missionstätigkeit in manchen Teilen
der Welt und sogar in Korea auch mit Argwohn
gesehen wird, ist für Hwang, den Verantwortlichen für das koreanische Trainings- und Forschungszentrum der GMS, kein Problem. „Unsere Arbeit verursacht Separatismus und zerstört
Nationalbewusstsein“, gibt er zu, aber letztlich
helfe der christliche Glaube den Menschen.
1 Siehe dazu den Beitrag „Kirche der Superlative“ von
Anne Schneppen in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).
35
CHRISTENTUM
„
Ich habe das
Restaurant eröffnet,
um eine missionarische
Aufgabe zu erfüllen.
“
Interview mit Park Young Ai, Inhaberin des
koreanischen Restaurants „IXTHYS“ in Berlin
Ihr Imbiss heißt IXTHYS. Wofür steht der Name?
Das griechische Wort für Fisch lautet „ichthys“. Das I-ChTh-Y-S-Symbol besteht aus zwei gekrümmten Linien, die
einen Fisch darstellen. Dieses Fischsymbol spielte bereits im
Urchristentum eine große Rolle. IX steht für „Jesus Christus“ - es bedeutet, dass Jesus Christus unser Heiland ist. Ich
habe den Namen IXTHYS aber auch deshalb gewählt, um
Menschen neugierig zu machen, weil sie nicht wissen, was
das Wort bedeutet. Aus der Frage nach dem Namen ergibt
sich die Gelegenheit, über Jesus Christus zu sprechen.
An den Wänden Ihres Restaurants und in der Speisekarte
sind Bibelzitate allgegenwärtig. Verbirgt sich dahinter eine
missionarische Absicht?
Ixthys
Pallasstraße 21
10781 Berlin (Schöneberg)
Öffnungszeiten:
Mo-Sa 12-22 Uhr
Ja, ich möchte eine missionarische Aufgabe erfüllen. Die
Geschichte der Geburt Jesu Christi findet sich auf den
Transparenten an den Wänden. Jesus ist der einzige Mensch
ohne Sünde und hat darum die Macht, das Böse zu besiegen. Gott liebt alle Menschen, und sie müssen errettet
werden - es ist eine missionarische Tätigkeit, den Menschen
das zu sagen. Die Bibelzitate sind nur Buchstaben, solange
Menschen den Heiligen Geist nicht empfangen haben,
aber wenn wir mit ganzem Herzen lesen, dann erfahren wir
Gottes Kraft.
Unsere Gäste lesen das Wort Gottes, und für viele hat es keine Bedeutung. Aber eines Tages, wenn sie Probleme haben,
wenn sie krank oder dem Tode nahe sind, dann erinnern
sie sich hoffentlich an dieses Restaurant und an das Wort
Gottes. Ich bete dafür.
War die Eröffnung des Restaurants von Beginn an geknüpft
an diese missionarische Aufgabe, oder haben Sie diese Idee
erst im Laufe der Zeit entwickelt?
Seit wann gibt es IXTHYS?
An diesem Ort seit 2001. Vorher hatte ich ein Jahr lang
einen Imbiss in Charlottenburg – das war Gottes Prüfung.
Ich habe die Wände von Anfang an mit Bibeltexten verziert.
36
Foto: Dr. Stefanie Grote
Ja, ich habe das Restaurant eröffnet, um eine missionarische Aufgabe zu erfüllen. In der deutschen Kirche gibt es
nur noch alte Leute, die den Gottesdienst besuchen, und
das liegt daran, dass die Pastoren Theologie nur als Beruf
studiert, nicht aber den Heiligen Geist empfangen haben.
Damit fehlen ihnen Macht und Kraft, die Menschen zu erreichen - sie predigen nur das tote Wort.
Gebetspause des Personals zwischenzeitlich unterbrochen
wird. Wer dann bestellen oder bezahlen will, muss warten.
Hat Ihre Glaubenspraxis Vorrang vor der Serviceleistung?
Ja. Unser Service ist mangelhaft (lacht).
Sie bieten keinen Alkohol an. Im Christentum gibt es kein
grundsätzliches Alkoholverbot – im Gegenteil: Der Genuss
von Wein ist sogar fester Bestandteil der Liturgie. Welchen
Grund gibt es, Ihr Angebot auf nicht-alkoholische Getränke zu beschränken?
Wir trinken beim Abendmahl auch Wein, und Gott würde
das Trinken von Alkohol oder den Verkauf von Alkohol
nicht verneinen, das ist keine Sünde. Wenn Menschen aber
zu viel trinken, sind sie betrunken, dann macht Alkohol
sie kaputt. Unser Essen ist scharf, und wenn es warm ist
im Sommer, würden die Gäste sicher drei oder vier Biere
trinken, manche sogar mehr – das ist nicht gut für sie.
Würden Sie einen Angehörigen einer anderen Konfession
bei IXTHYS beschäftigen?
Wenn der Betreffende sich nicht bekehren lassen würde,
könnten wir nicht zusammenarbeiten, weil der Geist ein
anderer ist. Das wäre nicht harmonisch.
Meine Glaubensbrüder und –schwestern hatten Befürchtungen, dass die Gäste deshalb ausbleiben, weil sie das
nicht mögen.
Haben sich diese Befürchtungen bestätigt? Wie reagieren
die Besucher auf diese Art der Gestaltung?
Am Anfang haben viele gedacht, wir seien eine Sekte, ich
habe das so oft gehört. Viele neue Gäste verlassen das
Restaurant, wenn sie die Bibeltexte sehen. Ich kann das
gut verstehen.
Ein Gast sagte einmal, dass ihm das Leben nach dem Tod
egal sei, er werde davon ja ohnehin nichts merken. Außerdem sei es in der Hölle warm, und deshalb wolle er dort
sein. Ich habe geantwortet, dass nur der Körper vergänglich ist, die Seele aber ewig lebe. Er hat darauf nichts mehr
gesagt.
Was entgegnen Sie, wenn Gäste Ihr Konzept als rigoros
und dogmatisch kritisieren?
Wie gesagt, ich kann das verstehen. Wenn Gäste trotz ihrer
Kritik interessiert sind, dann können wir ins Gespräch kommen, aber wenn nicht, dann akzeptiere ich die Kritik nicht.
Manchmal weine ich, weil unsere Gäste das Wort Gottes
nicht verstehen. Dann bete ich für sie. Ich habe einen
Frieden in mir, der von Gott kommt.
Das Interview führte Dr. Stefanie Grote
Gibt es umgekehrt auch Besucher, die Ihren Imbiss gezielt
aufgrund der Gestaltung besuchen, weil sie sich hier aufgehoben fühlen?
Die meisten kommen einfach, weil sie das Essen mögen.
Einige kommen aber auch wegen des Gotteswortes und
wegen der Atmosphäre der Liebe, die sie hier umgibt.
Es kann passieren, dass der Restaurantbetrieb wegen einer
Park Young Ai
37
CHRISTENTUM
Kirche der Superlative
Die Yoido Full Gospel Church
Von Anne Schneppen
Foto: privat
W
Anne Schneppen lebte von 2005 bis 2007
mit ihrer Familie in
Seoul und arbeitete
von dort - wie schon
zuvor aus Tokio - als
Fernost-Korrespondentin der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung.
In Korea beschäftigte
sie sich vor allem mit
politischen, aber auch
gesellschaftlichen Themen.
er die Yoido Full Gospel Church sucht,
braucht keinen Stadtplan. Man kann
sie gar nicht übersehen. Die Kirche
hat Ausmaße wie ein Sportstadion. Hier auf der
Insel Yoido in Seoul feiert die größte Gemeinde
der Welt ihre Gottesdienste, und das ist jedes
Mal eine Meisterleistung der Organisation.
So groß ist die Schar der Gläubigen, dass es
sonntags sieben Messen braucht, um sie alle
aufzunehmen, zu jeder kommen an die 20.000
Menschen. Es wird nicht gedrängelt oder
geschubst, wenn sich die Kirche im 80-MinutenTakt leert und wieder füllt wie eine gigantische
Badewanne. Ein Heer von Helfern mit WalkieTalkies lenkt die Ströme. Am Haupteingang
warten Saalordner in weißen Dinnerjacketts
und fischen jene heraus, die noch unsicher
wirken, weil sie zum ersten Mal da sind.
Immer sind auch Ausländer darunter, denn eine
Messe in der Yoido Full Gospel Church gehört
fast schon zum Touristenprogramm. Die Gäste
werden über den Fahrstuhl zu einer für sie
reservierten Empore geleitet. „Halleluja! You are
truly blessed to be here“ [„Halleluja! Sie sind
wahrhaft gesegnet, hier zu sein!“], begrüßt sie
der Platzanweiser auf Englisch. Dolmetscher
und Kopfhörer stehen für die Übersetzung
bereit, man hat die Wahl zwischen Englisch,
Chinesisch, Japanisch, Russisch, Indonesisch,
Spanisch und Französisch. Tief unten im gigantischen Saal bringen die vielen Sänger des
Gospelchors - begleitet von einem beeindruckenden Orchester - die Gläubigen in Schwung.
Später werden sie in hymnenartige Gesänge
ausbrechen. Einige werden in Ekstase geraten,
unter lautem Beten die Hände zum Himmel
richten, sich wie in Trance vor und zurück wiegen. Halleluja!
Die Sonntagsmessen erreichen hunderttausende Gläubige - nicht nur in der Kathedrale und
ihren Nebenräumen, sondern auch in Außenkirchen, denn die Predigt wird auf Bildschirmen
per Satellit übertragen. Man kann sie auch im
Radio hören und mehrsprachig im Internet he-
38
runterladen. Die pfingstlerisch-charismatische
Yoido Full Gospel Church ist eine Kirche der
Superlative: Mehr als 500 Pastoren, ein Dutzend
Chöre, Missionare in mehr als 50 Ländern. Zum
Glaubensimperium gehören Hochhäuser, Zeitungen, Rundfunksender, Hochschulen, soziale
und karitative Einrichtungen. 1993 wurde die
Yoido Full Gospel Church als größte Einzelgemeinde der Welt ins Guinnessbuch der Rekorde
aufgenommen. Heute wird die Zahl ihrer Mitglieder mit rund 700.000 angegeben, manche
sprechen gar von einer Million. Wie viele es
tatsächlich auch sein mögen - die Kirche ist eine
Erfolgsgeschichte der Evangelisation.
Südkorea ist in Asien das christlichste Land
nach den Philippinen, aber mehr protestantisch
als römisch-katholisch geprägt. In Europa mögen die Kirchen an Anziehungskraft verlieren,
nicht so in Korea. Im nächtlichen Seoul leuchten überall rote Neonkreuze. Niemand wundert
sich über Laienprediger auf Straßenkreuzungen
oder über Gläubige, die schon vor Morgengrauen zum Beten gehen. Seit dem Ende des
Korea-Krieges 1953 hat sich das Christentum
mit großer Geschwindigkeit ausgebreitet:
Fast ein Drittel der 48 Millionen Einwohner ist
heute christlich. Von den zehn größten Kirchen
der Welt befinden sich acht in Südkorea, die
meisten dieser protestantischen Megakirchen
entspringen wie die Yoido-Gemeinde der
charismatischen Bewegung, beeinflusst von
amerikanischen Missionaren, die Ende des
19. Jahrhunderts die ersten protestantischen
Gemeinden gründeten.
Die Geschichte der Yoido Full Gospel Church
ist nicht von ihrem Gründer zu trennen. Cho
Yong-gi kam 1936 in einfachen Verhältnissen
zur Welt, Korea stand damals unter dem Joch
japanischer Besatzung. Mit sechzehn erkrankte
er an Tuberkulose, und die Ärzte eröffneten
ihm, dass es keine Hoffnung mehr gebe. Eine
Freundin seiner Schwester bekehrte ihn auf
dem Krankenbett. Nach Darstellung seiner
Kirche erschien ihm damals Christus in Gestalt
Die Full Gospel Church in Yoido ist mit über 750.000 Mitgliedern die größte christliche Kirchengemeinde der Welt. Tausende Gläubige
füllen die Kirche zu einem Gottesdienst bis auf den letzten Platz. Für ausländische Besucher wird der Gottesdienst simultan übersetzt.
Foto: Malte E. Kollenberg
eines Lichts. Cho wurde geheilt, studierte Theologie. 1958
gründete er die Full Gospel Church. Der Durchbruch kam,
so heißt es in der Kirchenchronik, als Cho eine von Gicht
gelähmte Frau gesund machte. Die Berichte über Wunder und Heilungen durch Handauflegen und Exorzismen
verbreiteten sich wie Lauffeuer und führten der jungen
Gemeinde neue Mitglieder zu, insbesondere Frauen. 1968
zählte die Yoido-Kirche 8000 Mitglieder, 1973 zog sie auf
die damals kaum entwickelte Yoido-Insel im Han-Fluss,
1979 waren die 100.000 überschritten.
Gestützt auf die persönliche Heilungserfahrung hat der
geschäftstüchtige Pastor Cho ein außerordentlich erfolgreiches System geschaffen, das kritische Beobachter als
„religiöses Business mit autoritären Strukturen“ beschreiben, beeinflusst vom amerikanischen Evangelikalismus,
aber tief verwurzelt in der koreanischen Kultur, in der
Volksglaube und Schamanismus noch lebendig sind. Cho
bietet seinen Anhängern eine religiöse Erfahrung, er nutzt
Prophetie, Vision, Heilung, Zungenrede und ist dabei doch
auf das Diesseits konzentriert.
Wer die Kirche betritt, muss vorbei an Tausenden mit
Umschlägen gefüllten Holzfächern, die nach den Namen
der Gläubigen geordnet sind. Die Mitglieder sind angehalten, jeden Monat ein Zehntel ihres Bruttoeinkommens der
Kirche zu spenden. Die Botschaft des Glaubens ist einfach
und pragmatisch: Wer gibt, erhält ein Vielfaches zurück,
nicht erst im Jenseits, sondern hier und jetzt: Wohlstand
und Erfolg als Beweis für Gottes Wohlgefallen. Für manche
von Chos Kritikern ist dies allzu viel materialistischer Fundamentalismus, einmal abgesehen von Vorwürfen mangelnder Transparenz bei den Finanzen. Ende 2011 geriet
Cho Yong-gi in die Schlagzeilen der heimischen Medien, es
ging um den Verdacht der Veruntreuung von Kirchengeldern. Die Vorwürfe kamen aus den eigenen Reihen.
Der Stimmung in der Megakirche tut das keinen Abbruch.
Die perfekte Choreografie des Gottesdienstes endet mit
dem Einnehmen der Geldspenden. Eine lange Prozession
von Kollektensammlern bahnt sich den Weg nach vorn.
Frauen im bunten Hanbok [한복, koreanische Nationaltracht] reichen große Samtsäcke herum. Vor dem Altar
werden die Gaben zu Bergen aufgehäuft. Anschließend
braucht es mehrere starke Männer, um sie aus dem Saal
zu schleppen. Mit einem herzlichen „Halleluja“ entlässt
uns der Saaldiener. Draußen warten schon wieder viele
hundert Gläubige geduldig auf Einlass.
39
CHRISTENTUM
„Die koreanische Kirche […] hat noch viel nachzuholen,
was den Konsens zwischen verschiedenen
Kirchenrichtungen angeht“
Interview mit Rev. Myung-chul Jung, Senior Pastor der Dorim Church und Vorsitzender des KoreaGermany-Ghana Church Relations Committee1 der Yeong Dong Po Presbytery
Die Dorim Church ist Teil der Yeong Dong Po Presbytery.
Können Sie das Presbyterium einmal vorstellen? Wie viele
Mitglieder hat es?
der Presbytarian Church of Korea (PCK) und der Pfälzischen Landeskirche. Welche Austauschprogramme finden
regelmäßig statt?
Die Yeong Dong Po Presbytery ist eines der 64 Presbyterien2, die Teil der General Assembly of Presbyterian
Churches (Hauptversammlung presbyterianischer
Kirchen) in Korea sind. Zur Yeong Dong Po Presbytery
gehören verschiedene Bezirke im Südwesten Seouls
(Yeong Dong Po-gu, Guro-gu, Yangcheon-gu, Gangseogu und Geumcheon-gu) sowie die Stadt Gwangmyeong
(Provinz Gyeonggi). Die Yeong Dong Po Presbytery, die
1958 gegründet wurde, blickt auf eine Geschichte von 54
Jahren zurück. Aus Statistiken vom Dezember 2010 geht
hervor, dass die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder
zum damaligen Zeitpunkt 83.192, die Zahl der dazugehörigen Kirchen 105 und die Zahl der Pfarrer 352 betrug.
Als Ende der Sechzigerjahre koreanische Krankenschwestern und Bergarbeiter nach Deutschland entsandt
wurden, führte dies dazu, dass zwischen koreanischen
und deutschen Kirchen ein lebendiger Kontakt zustande
kam. Daraus entwickelten sich 1979 auch grundlegende
Kooperationsbeziehungen zwischen der Yeong Dong Po
Presbytery Church und dem Evangelischen Missionswerk
in Südwestdeutschland e.V. (EMS), das Teil des Zusammenschlusses Evangelischer Kirchen in Deutschland
(EKD) ist.
Welchen theologischen Grundgedanken vertreten Sie,
und worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben?
Die Yeong Dong Po Presbytery vertritt die theologische
Linie der General Assembly of Presbyterian Churches in
Korea. Sie basiert auf den Worten des Herrn (der Bibel)
und folgt der Tradition der reformierten Kirche. Sie strebt
nach einer Theologie, die sich vollständig nach dem
Evangelium und der Bibel richtet. Sie vertritt auch den
Gedanken der Ökumene und kooperiert mit der Katholischen Kirche, der Anglikanischen Kirche und anderen
christlichen Kirchen auf der Welt. Darüber hinaus geht sie
aktiv auf gesellschaftliche und historische Probleme und
Fragestellungen ein.
Unser Presbyterium setzt sich vorrangig für die soziale
Missionsarbeit und die Verbreitung des Evangeliums ein.
Auch bemüht es sich darum, im Einklang mit den Lehren
Jesu Christi den Gedanken des Teilens und des Dienstes
am Nächsten in die Realität umzusetzen. Wir beten für
Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt und setzten uns
dafür ein, auf unserer Erde das Land Gottes zu verwirklichen.
Seit über 20 Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen
40
Die Pfälzische Landeskirche, ein Mitglied des EMS, nahm
1984 Kontakt zur Presbyterian Church of Korea auf. Statt
eines formellen Austausches wurde ein lebendiges
Presbyterium mit einem grundlegenden Programm
angestrebt. Deshalb unterhält die deutsche Seite seit
November 1999 eine aktive Kooperation mit der Yeong
Dong Po Presbytery.
Auf den Rat der Pfälzischen Landeskirche hat unser Presbyterium im Jahre 2001 Kooperationsbeziehungen zu
Ghana etabliert und das Korea-Germany-Ghana Church
Relations Committee gegründet. Bis jetzt ist es gelungen, durch verschiedene Aktivitäten das gegenseitige
Verständnis zu fördern. Es gab gegenseitige Besuche,
um Glaubenserfahrungen miteinander zu teilen, und es
wurden alle Arten von gesellschaftsbezogenen Informationen (über Geschichte, Kultur u.a.) ausgetauscht.
Im Rahmen des Programms, welches das Korea-Germany-Ghana Church Relations Committee durchführt,
übermitteln die Kirchenvertreter regelmäßig Neuigkeiten
über ihre Kirche und die Mission und entsenden alljährlich Delegationen zu den Generalversammlungen der
Kirchenverbände in den jeweils anderen Ländern. Jedes
Jahr findet ein Austauschprogramm zwischen Jugendlichen aus Korea und Deutschland statt, um die Kirchengemeinde im Partnerland kennenzulernen. Auch werden
Missionare und Praktikanten geschickt, die über einen
kurzen Zeitraum bleiben.
Die Yeong Dong Po Presbytery hat mit besonderer Unterstützung der Pfälzischen Landeskirche ein Zentrum für
Computerausbildung im ghanaischen Akosombo gegründet. Durch die Entsendung von koreanischen Missionaren
und die Kooperation mit den Kirchen vor Ort werden den
jungen Menschen in Ghana Träume und Hoffnungen gegeben. Das Zentrum für Computerausbildung bringt pro Jahr
rund 1000 Absolventen hervor. Viele Jugendliche in Ghana
hoffen, dort eine Ausbildung machen zu können. Es wird
im ganzen Land sehr gut angenommen.
Darüber hinaus setzt sich unsere Kirche dafür ein, dass
Pastoren aus Ghana am Presbyterian College and Theological Seminary (Universität und theologisches Seminar der
presbyterianischen Kirche) in Korea studieren können.
Was konnten Sie - die deutsche und die koreanische Seite voneinander lernen?
Unser Presbyterium erhält durch die deutsche Partnerkirche einen Einblick in die christliche Kultur und in den
Diakonischen Dienst. Dank dieses Einblicks haben wir
ein großes Interesse für soziale Belange entwickelt und
beteiligen uns nun aktiv an der öffentlichen Wohlfahrt. Die
Kirche in Deutschland hat sich sehr darum bemüht, im Wiedervereinigungsprozess die Einheit eines geteilten Landes
wiederherzustellen und erforscht die Faktoren, die zur Wiedervereinigung beigetragen haben. Unsere Kirche erhält
auf diese Weise viele Lektionen, wie sie in Zukunft in Bezug
auf die koreanische Wiedervereinigung vorgehen sollte.
© Yeong Dong Po Presbytery
Unter der Voraussetzung der Wahrung des jeweiligen Bekenntnisstandes hat die evangelische Kirche in
Deutschland einen Konsens der evangelischen Kirchen
(lutherische, unierte und reformierte Kirchen) erreicht und
mit dem Zusammenschluss der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) ein riesiges Instrument für die Kooperation dieser selbständigen Gliedkirchen geschaffen. Die
koreanische Kirche, die ein bemerkenswertes Wachstum
erzielte, hat noch viel nachzuholen, was den Konsens zwischen verschiedenen Kirchenrichtungen angeht. Durch das
Beispiel der evangelischen Kirchen in Deutschland erhält
sie eine große Unterstützung auf ihrem Weg dorthin.
Die Presbyterian Church of Korea ist mit rund 2,3 Mio.
Mitgliedern die zweitgrößte presbyterianische Glaubensgemeinschaft weltweit. Warum ist es der presbyterianischen
Kirche Ihrer Meinung nach gerade in Korea gelungen, so
viele Mitglieder zu gewinnen?
Die Presbyterian Church of Korea besitzt eine vergleichsweise kurze Geschichte von über 120 Jahren. In dieser Zeit
Plakat für Frieden und Wiedervereinigung auf der koreanischen
Halbinsel, angefertigt im Rahmen des koreanisch-deutschen
Besuchsprogramms.
hat sich ein erstaunliches Wachstum vollzogen, für das
man weltweit nur schwer eine Entsprechung finden kann.
Für den Erfolg insbesondere der presbyterianischen Kirche
in Korea gibt es verschiedene Gründe:
Erstens ist dieser auf den traditionellen Einfluss zurückzuführen. Die Koreaner besitzen gegenüber dem Schamanismus, dem Buddhismus, dem Konfuzianismus und anderen
Religionen eine große Offenheit. Aufgrund dieser Vorbedingungen fiel es ihnen leicht, das Evangelium des Christentums zu verstehen und anzunehmen. Insbesondere
der konfuzianistische Einfluss ist in Korea sehr stark. Dieser
trug zur Entstehung einer gesellschaftlichen Rangordnung
bei. Dieser Einfluss hatte wiederum zur Folge, dass die
Koreaner ohne ablehnende Haltung die Gottesverehrung
sowie die Verwaltungs- und Führungsstrukturen der presbyterianischen Kirche akzeptieren konnten und diese sehr
stark wachsen konnte.
Zweitens sind die aktive Missionspolitik und die RevivalBewegung (Erlösungsbewegung) als Gründe zu nennen.
Viele der ausländischen Missionare, die zu Anfangszeiten der Missionierung in Korea tätig waren, gehörten
41
Foto: privat
der presbyterianischen
Glaubensrichtung an. Unter
den Missionaren, die von
der presbyterianischen Kirche aus den USA, Kanada
und Australien entsandt
wurden, haben viele in
Korea Kirchen gegründet
und zur Ausbildung von
koreanischen Geistlichen
und Kirchenvertretern
beigetragen. Im Zentrum
Pastor Myung-chul Jung
der großen Revival-Bewegung, die 1907 in der Jangdaehyeon-Kirche in Pjöngjang
startete, standen presbyterianische koreanische Pastoren.
Die Leidenschaft dieser Pastoren für den Erlösungsgedanken hatte einen enormen Einfluss auf das Wachstum der
presbyterianischen Kirche.
Drittens entsprach die presbyterianische Kirche den
Anforderungen und gesellschaftlichen Veränderungen der
damaligen Zeit. Sie hatte einen großen Einfluss auf den
Modernisierungsprozess, der den gesellschaftlichen Veränderungen folgte. Indem sie zur gesellschaftlichen Gesamtentwicklung wie der Medizin, dem Erziehungswesen und
der Jugendbewegung einen großen Beitrag leistete, erfuhr
sie viel Anerkennung von der Bevölkerung.
Im Gegensatz zu Deutschland sind die Gottesdienste in
Korea gut gefüllt und werden auch gerade von jungen Menschen besucht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Die Kirche in Korea zeigt ein großes Interesse an der religiösen Erziehung junger Menschen. Denn die junge Generation ist die Generation, die die koreanische Kirche schultern und weiterführen muss. Der Großteil der koreanischen
Kirchen hat eine autonome Jugendabteilung, damit sich
junge Menschen frei entfalten können. Unsere Kirche lässt
es nicht an Unterstützung für sie fehlen.
Welche Rolle kommt den Frauen in Ihrer Kirche zu?
In der koreanischen Kirche existieren verschiedene Altersgruppen. Dabei darf man nicht die Bedeutung der Frauen
übersehen, die innerhalb dieser Gruppen wichtige Rollen
und Pflichten übernehmen. Für das schnelle Wachstum
der koreanischen Kirchen waren die weiblichen Anhängerinnen von immenser Bedeutung. Durch ihren Dienst
am Nächsten haben sie der Kirche und der koreanischen
Gesellschaft gedient, und auf diese Weise hatten sie einen
wesentlichen Einfluss auf das Wachstum der koreanischen
Kirche.
Heute leisten die Frauen in den koreanischen Gemeinden
42
eine sehr aktive Arbeit. Durch die „Weibliche Missionsgesellschaft“, die ein autonomes Werkzeug ist, beteiligen sie
sich an der Mission, dem Dienst am Nächsten, der Bildung
und der Ausbreitung des Glaubens. Die Zahl der Pastorinnen und weiblichen Kirchenältesten nimmt zu. Selbstverständlich sind bislang im Vergleich zu Deutschland die
Rolle und die Position der Frauen in der Kirche noch eher
unzureichend. Durch eine Weiterführung der gesellschaftlichen und kirchlichen Aktivitäten wird die Position der
Frauen Stück für Stück aufgewertet werden.
Für welche Ziele will sich die Yeong Dong Po Presbytery in
Zukunft besonders einsetzen?
Die General Assembly of Presbyterian Churches hat sich
folgende Ziele gesetzt:
•
•
•
•
•
•
•
Erzielen eines Konsenses im Leben und Glauben der
Christen
Eine aktive Rolle der Kirche in der Gesellschaft
Eine friedliche Wiedervereinigung und Bemühungen
um die Evangelisierung und Demokratisierung Nordkoreas
Bemühungen um eine soziale Einheit, u.a. durch
Heilung des Konfliktes, der durch die gesellschaftliche
Polarisierung entsteht
Strategien für die Ausbildung von Nachwuchs
Verbesserung der Qualifikation der Pastoren (u.a. Standardisierung der theologischen Ausbildung)
Eine erfolgreiche Durchführung des World Council of
Churches (WCC) in Busan 2013 u.a.
Zu den Zielen der Yeong Dong Po Presbytery Church
zählen die aktive Missionsarbeit im In- und Ausland und
die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Korea-GermanyGhana Church Relations Committee durch die Schule für
Computerausbildung in Ghana.
Übersetzung und Interview: Gesine Stoyke
1 Komitee für die kirchlichen Beziehungen zwischen Korea, Deutsch-
land und Ghana
2 Das Presbyterium ist das in presbyterianischen Kirchen aus Pfarrern,
weiteren ordinierten Theologen und leitenden Ältesten bestehende
Leitungsgremium eines Verbandes von Kirchengemeinden (http://
de.wikipedia.org/wiki/Presbyterium). Presbyterianische Kirche: Die
Presbyterianischen Kirchen sind der größte Zweig der reformierten
Kirchen mit Ursprung in Schottland. Generell werden reformierte
Kirchen mit schottischen Wurzeln als „presbyterianisch“, solche mit
Wurzeln auf dem europäischen Festland als „reformiert“ bezeichnet
(http://de.wikipedia.org/wiki/Presbyterianische_Kirchen).
CHRISTENTUM
Evangelische koreanische Gemeinde Berlin e.V.
Foto: Park Kun Wook
Interview mit Pastor Sungho Cho
Wie groß ist die Evangelische koreanische Gemeinde
Berlin e.V.?
Sonntags kommen immer über 100 Gläubige zum Gottesdienst zusammen.
In welcher Sprache werden die Gottesdienste abgehalten?
Auf Koreanisch. Am ersten Sonntag jedes Monats oder im
Rahmen eines sonntäglichen Sondergottesdienstes halten wir den Gottesdienst jedoch in deutscher Sprache ab.
Welches persönliche Anliegen liegt Ihnen als Pastor der
Gemeinde besonders am Herzen?
Die meisten Mitglieder unserer Kirche sind Einwanderinnen, die als Krankenschwestern in den Sechziger- und
Siebzigerjahren nach Deutschland kamen, heirateten
und mit Deutschen oder Koreanern eine Familie gründeten. Als sie jung waren, haben sie viel gearbeitet und sich
der deutschen Gesellschaft gut angepasst, aber heute
sind sie alt und vermissen ihre Heimat. Deshalb möchte
ich Ihnen über das Wort Gottes zunächst einmal Trost
und Frieden vermitteln und ihnen helfen, eingehend
über die Bedeutung und den Wert des Lebens nachzudenken. Ich sage ihnen, dass sie stolz auf sich und auf
ihre Hingabe an die Familie sein können und auf ihr Heimatland. Darüber hinaus möchte ich, dass sie realisieren
und bekräftigen, dass es für sie als Christen immer noch
viel zu tun gibt für das Königreich Gottes - jetzt und hier
in Deutschland.
Ich hoffe also, dass unsere Kirche diese Art der Kirche sein
wird, die ich nachfolgend beschreibe:
1. Eine Kirche als Raum, um innerhalb der Gemeinde
zusammen zu lachen und zu weinen.
2. Eine Kirche, die Respekt hat vor dem Leben der Eltern,
die sich ihrer Familie und ihrem Heimatland gewidmet
haben und welche den Glauben und den Geist der
Eltern auf kreative Weise weitergibt und entwickelt.
43
3. Eine Kirche, die Leidenschaft und Interesse an der multikulturellen Mission gegenüber Einwandererfamilien sowie
an der religiösen Erziehung der zweiten Generation (der in
Deutschland lebenden Koreaner, Anm. d. Red.) hat.
4. Eine Kirche, die sich immer reformiert mit Ausnahme der
Wahrheit des Evangeliums. Um das zu tun, werde ich im Rahmen meines Missionsbereiches - Deutschland - die Traditionen und Hinterlassenschaften der Reformkirche studieren.
Foto: privat
5. Eine Kirche, welche die Schmerzen der Trennung meines
Landes teilt und an den Vereinigungsbemühungen der koreanischen Kirche teilhat. Zu diesem Zweck werde ich mich
mit der Rolle und den Aktivitäten der Reformierten Kirche
in Deutschland auseinandersetzen, die zur Vereinigung von
West- und Ostdeutschland beigetragen haben.
Pastor Sungho Cho
Ich bin gemäß der Vereinbarung zwischen der Presbyterianischen Kirche der Republik Korea (PROK) und dem Berliner Missionswerk (BMW) als Missionar der Generalversammlung nach
Deutschland gekommen. Ich werde versuchen, die Horizonte
der gegenseitigen Missionarstätigkeiten zu erweitern, die auf
der Partnerschaft zwischen der Kirche in Deutschland und der
in Korea basiert.
Das Christentum bildet heute mit über 14 Millionen Anhängern (29,2% der Bevölkerung) die größte Glaubensgemeinschaft in Südkorea, obwohl traditionell eher der Buddhismus
auf der Halbinsel verwurzelt ist. Welches sind die Gründe für
den Aufstieg und die große Popularität des Christentums in
Korea?
In erster Linie denke ich, dass emotionale und religiöse Leidenschaft der Koreaner die Basis für den Aufstieg des Christentums in Südkorea bilden. Das heißt, dass zum einen der
kulturelle Kontext und die koreanische Mentalität maßgeblich
bedeutsam sind.
Zum anderen spielen die politische Situation und soziale
Ängste eine Rolle. Menschen erfahren durch Religion Trost
und Ermutigung, und wenn das Leben beängstigend und
unsicher wird, wenden sie sich der Religion zu, um psychische
Stabilität zu gewinnen oder in eine jenseitige, der Realität
ferne Welt zu entfliehen. Ich glaube, dass die durch Militärdiktatur und nationale Teilung Koreas entstandene politische
Verunsicherung und gesellschaftliche Spannungen paradoxerweise zum Aufstieg des Christentums beigetragen haben.
Ein weiterer Faktor ist die wirtschaftliche Situation und der
darin begründete Wertewandel. Seit den 1970er Jahren erlebte Korea ein enormes Wirtschaftswachstum, von dem jedoch
nicht alle Menschen profitierten. Es gab ein zunehmendes
Wohlstandsgefälle - die Reichen wurden reicher, die Armen
44
ärmer. Wenngleich es den Menschen besser ging als
zuvor, litt der Großteil der Bevölkerung Mangel. Materielle Werte wurden bedeutsamer. Eine Religion,
welche sichtbares und praktisches Glück verspricht
und verfolgt, scheint für Menschen attraktiv zu sein,
die sich nach Geld, Macht und Ehre sehnen. Zu der
Zeit waren die beliebtesten Bibelverse der Christen
in Südkorea beispielsweise:
> „Beloved, I wish above all things that thou mayest
prosper and be in health, even as thy soul prospereth“ (KJV, 3 John 1:2).
> „I can do all things through Christ which
strengtheneth me“ (KJV, Philippians 4:13).
Darüber hinaus ist die kirchengeistliche Situation,
die „Wachstumstheologie“, von Bedeutung für den
Aufstieg des Christentums. Verschiedene Formen
von Erweckungstreffen (Erweckungsbewegung)
und die Heilig-Geist-Bewegung verstärkten die
religiösen Emotionen der Koreaner und führten zur
Vergrößerung der Kirchengemeinde. Diese Entwicklung löste unter den Kirchen eine Konkurrenzsituation aus, welche die Entstehung weiterer Kirchen
begünstigte und eine Erhöhung der Mitgliederzahl
bewirkte. In dieser Zeit hieß das aus den USA kommende, theologische Modell der Kirche in Korea
„Wachstumstheologie“. Zahlreiche theologische
Hochschulen wurden gegründet, die eine große
Anzahl Pastoren ausbildeten und verschiedene
Methoden entwickelten, um auf die steigende Zahl
der Kirchenmitglieder zu reagieren.
gleich mit den schweren Zeiten verbessert. Dienstleistungsindustrien wie Freizeit, Sport, Tourismus
entwickelten sich, sodass die Fülle des Lebens sowie
die Freizeitkultur die Religion und den Gottesdienst
ersetzten. Das ist allerdings ein ‚äußerer‘ Grund. Es
gibt noch einen anderen, schwerwiegenden Grund.
Viele Kirchen haben sich der Welt zugewandt und
den Geist des Evangeliums verzerrt, sodass sich
die Werte und Lebensstile von Christen nicht mehr
von denen der Nicht-Christen unterscheiden. Es
verbreitete sich solch eine negative Auffassung über
die Kirche und das Christentum, dass ich diesen
Umstand für den entscheidenden Faktor in Bezug
auf das nachlassende Wachstum der Kirche in Korea
halte.
Heute müssen sich die Kirche und das Christentum
auf die vergangenen Zeiten besinnen, als es ein
quantitatives Wachstum gab, und sie müssen ernsthaft über das Wesen der Kirche und des Christentums nachdenken. Sie müssen auch versuchen, die
prophetische Mission gegenüber der Welt und den
Menschen einzulösen, die im Ergebnis einer ernstlichen Polarisierung des Wohlstands in Armut leben.
Interview und Übersetzung: Dr. Stefanie Grote
Von diesen kulturellen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen waren
jedoch nicht nur das Christentum, sondern auch
andere Religionen wie z.B. der Buddhismus betroffen und haben insgesamt zu einer Vergrößerung der
Glaubensgemeinschaften geführt. Darüber hinaus
gab es kleine Kirchen, die gegen eine ungerechte
Macht kämpften und an der Seite der Armen und
Unterdrückten standen. Sie machten auf Gottes Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt aufmerksam
und verstanden sich als Jünger von Jesus Christus.
Sie verbreiteten Hoffnung inmitten von Verzweiflung. Weil es derart prophetische Kirchen gab, war
das Christentum in Korea wie ein Licht im Dunkel
der Welt.
Seit den 1990er Jahren hat sich das Wachstum der
Kirche in Korea verlangsamt. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Lebensqualität hatte sich im Ver-
45
ISLAM
Zentralmoschee Seoul
Islam in Korea
gestern und heute
Foto: Siqbal
Von Dr. Stefanie Grote
W
er sich für Religion und Glaubensrichtungen
in Südkorea interessiert, denkt gemeinhin an
Buddhismus, Christentum, Schamanismus und
vielleicht auch an die Philosophie des Konfuzianismus,
aber vermutlich nicht an den Islam. Die muslimische Welt
ist geografisch weit entfernt und im Lebensalltag der Koreaner wenig präsent - und mit ihr die Konfession. In der Tat
zeigt die Aufteilung der Konfessionszugehörigkeiten, dass
46.5 Prozent der Südkoreaner ohne Religionszugehörigkeit
sind, 29.2 Prozent dem Christentum, 22.8 Prozent dem
Buddhismus und nur etwa 0.1 Prozent dem Islam angehören. Dennoch gab es bereits im Frühmittelalter Berührungen zwischen Korea und dem Islam.
Die ersten nachweisbaren Kontakte gehen auf das 9.
Jahrhundert zurück, als persische und arabische Seefahrer
und Händler in Verbindung mit dem Vereinigten Silla-Reich
(668 – 935) standen und sich teilweise dauerhaft in Korea
niederließen. Bereits im Jahr 845 finden sich entsprechende Quellennachweise: „Over the sea beyond China lies a
mountainous country called ‘Silla’, rich in gold. Muslims
46
who arrive there by accident are so attracted by its character that they stay there forever and do not want to leave.’’
(„Auf der anderen Seite des Meeres jenseits von China liegt
ein bergiges Land namens ‘Silla’, reich an Gold. Muslime, die
zufällig dort hinkommen, sind vom Charakter des Landes
derart fasziniert, dass sie für immer dort bleiben und nicht
mehr gehen wollen.“).
Die Handelsbeziehungen zwischen der islamischen Welt
und der koreanischen Halbinsel erstreckten sich bis ins
15. Jahrhundert und führten zur Errichtung muslimischer
Dörfer und zu Familiengründungen zwischen Muslimen
verschiedenster Herkunft und Koreanerinnen. Während
der Goryeo-Zeit (918 – 1392) eröffneten Muslime Geschäfte und bauten Moscheen in der damaligen Hauptstadt
Gaeseong. Über China gelangten Einflüsse arabischer Muslime nach Korea. Sie haben zur Gewinnung medizinischer
Substanzen eine Technologie zur Destillation entwickelt,
die von den Koreanern zur Herstellung des beliebten alkoholischen Getränkes Soju („gebrannter Alkohol“) genutzt
wurde. Einflüsse muslimischer Wissenschaftler zeigen
Foto: privat
sich auch im Bereich der Astronomie durch die
Nutzung kalendarischer Techniken in Korea.
Nichtsdestotrotz gibt es keinen Hinweis auf
nennenswerte gesellschaftliche Prägungen
durch Muslime in dieser Zeit.
Dr. Stefanie Grote,
Redaktion Kultur
Korea
Infolge der politischen Isolation Koreas während der sich anschließenden Joseon-Ära (1392
– 1910) und aufgrund einer Anordnung König
Sejongs (Regierungszeit: 1418 – 1455), welche
die vollständige Assimilation der Muslime verlangte, verschwand der Islam in Korea bis zum
20. Jahrhundert.
Die ersten Koreaner, die in der Neuzeit wieder
mit dem Islam in Berührung kamen, waren Arbeiter, die während der japanischen Besetzung
Koreas (1910 - 45) zwangsweise in die Mandschurei umgesiedelt wurden. Einige von ihnen
konvertierten infolge des Austausches mit den
Muslimen zum Islam. In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts hieß die japanische
Kolonialmacht Hunderte ethnisch türkische
Muslime willkommen, die infolge der kommunistischen Revolution aus Russland geflohen
waren. Nach 1945 verließen sie Korea aufgrund
des aufkommenden Nationalismus jedoch
wieder, ohne in der Kürze der Zeit bedeutende
Spuren hinterlassen zu haben.
Eine größere Islamisierung ergab sich erst infolge des Korea-Krieges (1950 - 53). Mit dem Einsatz türkischer Streitkräfte, die an der Seite des
Südens und als enge Verbündete der Amerikaner im Korea-Krieg kämpfen, gewann der Islam
wieder an Bedeutung. Sie zählten mit 15.000
Soldaten zu den größten Einheiten und waren
auch in hohem Maße an humanitären Einsätzen beteiligt, bauten Schulen für koreanische
Kinder und eröffneten verschiedene Mobilküchen für Bedürftige. Die türkischen Alliierten
errichteten sogenannte „Zelt-Moscheen“,
die ursprünglich nur den Soldaten dienten,
schließlich aber zu Zentren missionarischer
Tätigkeit wurden. Koreanische Konvertiten
wurden eingeladen, an Gebeten und Predigten
teilzunehmen - ab 1953 auch am Freitagsgebet. Seither verzeichnet der Islam ein stetiges
Wachstum in Korea.
1955 gründeten die ersten Konvertiten die
Korea Muslim Society, die 1967 zur offiziell von
Regierungsseite anerkannten Korea Muslim
Federation (KMF) wurde. Bis 1955 kann von der
Existenz einer muslimischen Gemeinde nicht
die Rede sein. Das sollte sich in den nachfolgenden Jahren ändern. 1956 wurde die erste
Moschee eröffnet, die allerdings nur vorübergehend zur Verfügung stand. Bis zur Eröffnung
der Zentralmoschee Seoul in Itaewon 1976 fanden sich gläubige Muslime in verschiedenen
temporären Moscheen zusammen. Zu diesem
Zeitpunkt belief sich die Zahl der Muslime landesweit nur auf 3700. Drei Jahre später, 1979,
waren es bereits 15.000, was als Indiz dafür gewertet werden darf, dass die Zentralmoschee
Seoul durchaus ihren Beitrag zur Entwicklung
des Islam in Korea geleistet hat. Allen voran
erlebte der Islam jedoch aufgrund der Entsendung Zehntausender koreanischer Arbeiter in
die Länder des Mittleren Ostens während der
Siebzigerjahre in Korea einen Aufschwung, weil
die Rückkehrer in der Zeit ihres Auslandseinsatzes vielfach zum Islam konvertiert waren.
Heute gibt es zudem Moscheen in Busan, Anyang, Gwangju, Jeongju und Daegu. Seit den
Neunzigerjahren hat es eine langsame, aber
stetige und vornehmlich muslimisch geprägte
Immigration aus den Ländern Südasiens und
des Mittleren Ostens gegeben - die Zuwanderer kommen zumeist als Fremdarbeiter nach
Korea. Die muslimische Gemeinde ist in Seoul
konzentriert und setzt sich aus Koreanern und
Angehörigen anderer ethnischer Gruppen zusammen. Gemäß jüngsten Schätzungen leben
derzeit etwa 100.000 Muslime in Südkorea,
darunter etwa. 35.000 – 40.000 ethnische Koreaner. Wenngleich der Islam ein zunehmendes
Wachstum verzeichnet, bleiben Muslime im
Vergleich zu 14 Millionen Christen und mehr
als 10 Millionen Buddhisten in Südkorea eine
deutliche Minderheit.1
1 Im nachfolgenden Interview erläutert Professor Don
Baker die gegenwärtigen Entwicklungen des Islam in
der koreanischen Gesellschaft und erklärt, warum die
Koreaner für diese Weltreligion so wenig empfänglich sind und was geschehen müsste, damit sich das
änderte.
Quellenauswahl:
http://asiaquarterly.com/2006/06/01/ii-139/
http://world.kbs.co.kr/german/korea/korea_aboutreligion.htm
http://www.islamawareness.net/Asia/KoreaSouth/
ks_news006.html
http://www.islamkorea.com/english/articlean1.html
47
ISLAM
„Um dem Islam in Korea zu mehr Popularität zu verhelfen,
müssen sich muslimische Organisationen mehr
in die Gesellschaft einbringen.“
Interview mit Don Baker, Professor für Koreanische Kultur an der University of British
Columbia.
Der Islam ist eine Minderheitenreligion in Korea. Aktuelle Schätzungen gehen von insgesamt etwa 100.000
Muslimen aus, darunter ca. 35.000 – 40.000 ethnische
Koreaner. Während sich die Gemeinde nicht-koreanischer
Muslime angesichts des wirtschaftlichen Bedarfs an
Gastarbeitern in den Neunzigerjahren in Korea beachtlich
vergrößerte, blieb die Zahl koreanischer Muslime in den
letzten 20 Jahren fast unverändert.
Welche Gründe vermuten Sie für diese Stagnation?
Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Zunächst einmal sind
viele der ersten koreanischen Muslime in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts während ihrer Zeit als
Gastarbeiter im Bauwesen in Libyen, Ägypten oder Saudi
Arabien zum Islam konvertiert. Heute entsendet Korea
nicht mehr ansatzweise so viele Bauarbeiter in arabische
Länder, sodass sich der Zuwachs neuer Konvertiten verlangsamt hat.
Der bedeutendste Grund ist allerdings vermutlich, dass
sich die Koreaner seit der Zunahme pakistanischer und indonesischer Muslime in den Moscheen Koreas nicht mehr
so zu Hause fühlen, wie einst. Einige koreanische Muslime, mit denen ich sprach, erzählten mir, dass sie sich in
der Moschee viel wohler gefühlt haben, als sie von Freunden umgeben waren, mit denen sie Koreanisch sprechen
konnten. Sie betrachten sich immer noch als Muslime,
aber sie gehen nicht mehr so häufig in die Moschee, weil
sie - jenseits der Religion – mit den meisten Menschen
dort nicht viel gemeinsam haben.
In Ihrem Aufsatz „Islam Struggles for a Toehold in Korea“
(„Der Islam versucht, in Korea Fuß zu fassen) erheben Sie
die These, dass der Islam aufgrund des „Widerwillens…,
seine ethischen und rituellen Ansprüche lokalen Gewohnheiten anzupassen“, in Korea eine Minderheiten-Religion
48
Don Baker ist Professor für Koreanische Kultur an der University
of British Columbia/ Kanada - Abteilung für Asienstudien: Er beschäftigt sich seit 1971 mit koreanischer Geschichte und Religion.
bleiben wird. Viele Muslime beklagen hingegen eine mangelnde Integrationsbereitschaft von Seiten der Koreaner
und wenig Akzeptanz gegenüber fremden Bräuchen, wie
beispielsweise dem Alkoholverbot im Islam. ,,Kein Geschäftsabschluss ohne gemeinsames Trinken“, bedauern
muslimische Geschäftsleute beispielsweise.
Die Gegenthese könnte also lauten, dass der Islam aufgrund der mangelnden Integrationsbereitschaft seitens
der Koreaner eine Minderheiten-Religion bleiben wird.
Was würden Sie entgegnen?
Ich glaube nicht, dass das Alkoholverbot der Muslime
das Problem ist. Über 20% der Südkoreaner sind protestantische Christen, sie trinken auch nicht. Ich denke, das
Hauptproblem ist das täglich fünfmalige Gebet. Damit
stehen Muslime abseits der Gesellschaft. Koreaner bevorzugen es jedoch, innerhalb der Gesellschaft einen Platz zu
haben. Gleiches gilt für die Erwartungen einiger Muslime
in Bezug auf den Kleidungsstil von Frauen. Koreaner
wollen eingepasst sein in gesellschaftliche Strukturen,
sie wollen sich nicht mit irgendwelchen bedeutenden
Unterschieden befassen, mit denen sie z.B. durch Religion
konfrontiert sind.
Foto: privat
Der Generalsekretär der Korea Muslim Federation (KMF),
Kim Hwan-yoon, erklärte 2008 in einem Interview mit der
Tageszeitung „Korea Times“: „Aufgrund einiger beunruhigender, durch Muslime begangene Vorfälle in der
Vergangenheit haben viele Koreaner verzerrte Informationen über den Islam. Infolgedessen gibt es nur wenige
Koreaner, die zum Islam konvertieren.“
Teilen Sie diese Ansicht? Was müsste Ihrer Meinung nach
geschehen, um dem Islam in Korea zu größerer Popularität zu verhelfen?
Wenngleich es keinerlei terroristische Anschläge gab,
an denen Muslime in Korea beteiligt waren, wissen die
Koreaner um das Image, das der Islam in vielen Teilen
der westlichen Welt hat. Sie haben viele Vorurteile der
Nordamerikaner und der Europäer gegenüber Muslimen
übernommen und betrachten sie als Menschen, die eine
Anpassung an die Gesellschaften, in denen sie leben,
verweigern. Um dem Islam in Korea zu mehr Popularität
zu verhelfen, müssen sich muslimische Organisationen
mehr in die Gesellschaft einbringen - auf eine Weise, die
die Koreaner beeindruckt (z.B. Hilfe für Bedürftige, Förderung kultureller und künstlerischer Bemühungen usw.).
Je mehr Muslime in Korea als aktive Mitglieder einer breiteren koreanischen Gesellschaft sichtbar werden, desto
größer wird das Ansehen des Islam sein.
Welche Prognose würden Sie in Bezug auf die zukünftige
Entwicklung des Islam in Korea wagen?
Die Pläne zur Öffnung weiterer Moscheen und muslimischer Bildungseinrichtungen wird die Solidarität der
muslimischen Gemeinschaft in Korea stärken, aber gleichzeitig eine weitere Separierung der Muslime vom Rest der
koreanischen Gesellschaft befördern. Vorträge über den
Islam mögen das Verständnis für den Islam verbessern,
aber sie werden auch verdeutlichen, inwiefern islamische
Glaubensgrundsätze von den traditionellen koreanischen
Überzeugungen abweichen. Die muslimische Gemeinschaft in Korea sollte über Möglichkeiten nachdenken,
einen stärkeren Beitrag zur koreanischen Gesellschaft zu
leisten, indem sie beispielsweise kostenlose Speisen für
Bedürftige anbietet oder Stipendien für koreanische Studierende vergibt, um ihnen einen Besuch der Schule ihrer
Wahl zu ermöglichen - nicht nur muslimischer Schulen.
Interview und Übersetzung: Dr. Stefanie Grote
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001
beklagen viele Muslime starke Vorurteile innerhalb der
koreanischen Gesellschaft. Zugleich hat das Interesse am
Islam von diesem Tag an derart zugenommen, dass die
Korea Muslim Federation (KMF) am Wochenende Vorträge über den Islam für die Öffentlichkeit anbietet. Seit 2004
gibt es den ersten muslimischen Friedhof und seit 2009
die erste islamische Grundschule. Korea zählt mittlerweile
diverse Moscheen, Madrasa (islamische Schule), Musalla
(offene Gebetsstätte im Islam) und islamische Zentren.
Darüber hinaus gibt es Pläne, ein islamisches Bildungsinstitut, Sekundarschulen, ein islamisches College und eine
Universität zu gründen.
49
VOLKSGLAUBE
Das Jahr des „Schwarzen Drachens“
Von Ha Phuong Le
50
Bräutigam günstig ist, die Hochzeit zelebrieren zu können,
sollten Heiratswillige so früh wie möglich mit den Vorbereitungen beginnen. Denn schon zu Beginn des Jahres
sind die beliebtesten Orte für eine Hochzeitsfeier reserviert, was ein „spontanes” Fest sichtlich erschweren könnte,
wenn man den Gästen ein exquisites Ambiente bieten
möchte. Einige Hotels, unter anderem das „Westin Chosun
Hotel”, das „Renaissance Seoul Hotel” oder das „Marriott
Seoul Hotel” verzeichnen eine sensationelle Steigung der
Buchungsraten im Vergleich zum Vorjahr. Einige Hochzeitssäle sind bereits ausgebucht.
Auch auf Nachwuchs wartende Eltern haben so einen triftigen Grund, ihren heiratsscheuen Kindern ins Gewissen zu
reden, bei denen das Alter nach koreanischer Ansicht bereits die Grenze der gesellschaftlichen Akzeptanz tangiert.
Doch Vorsicht, Hellseher offenbaren, dass nicht alle im
Drachenjahr geborenen Kinder mit vielversprechenden
Eigenschaften gesegnet sein werden. Es hänge doch von
einigen numerischen Kriterien ab, wie z.B. vom Geburtsmonat, -tag oder von der Geburtszeit, ob ein „Drachenbaby” von den positiven Energien profitieren könne. Doch
all das kann den Optimismus werdender Mütter und Väter
nicht trüben.
Foto: KOREA Magazin
D
as Jahr des Drachens hat zwar schon längst in Asien
begonnen, doch der Zauber um seine mystische
Kraft, neuem Leben viel Glück und Segen zu bescheren, ist noch nicht verflogen. Der „Schwarze Drachen”
(Koreanisch: 임진, „Imjin”), so sagt man ihm nach, ist ein
Wasserdrache und komme alle 60 Jahre im chinesischen
Tierkreiszeichen vor. Er repräsentiert sozusagen den Star
schlechthin unter allen anderen Drachen des chinesischen
Horoskops. Ganz besonders viel Glück, Wohlstand und
Zufriedenheit solle er denjenigen bringen, die in diesem
Jahr geboren werden oder sich das Ja-Wort geben wollen.
Zweifellos haben sich der Babyboom und das Heiratsfieber
zu diesem Anlass in den ostasiatischen und südostasiatischen Ländern zu einem regelrechten Trend entwickelt.
Nicht wenige Paare schmieden daher noch in diesem
Jahr den Plan, Hochzeit und die Geburt des ersten Kindes
unter einen Hut zu bringen. Einige akzeptieren sogar eine
Hochzeit in der eher unbeliebten Wintersaison, um ja noch
im Glück verheißenden Jahr des Drachens den Bund der
Ehe eingehen zu können. Der aufkommende Wunsch nach
Eheschließung stimuliert ungemein die Nachfrage nach
geeigneten Hochzeitslocations, wovon natürlich auch die
gesamte Hochzeitsbranche profitiert. Um an einem geeigneten Tag, an dem die Sternenkonstellation für Braut und
Foto: privat
Ha Phuong Le ist in
Vietnam geboren und
wuchs seit ihrem fünften Lebensjahr in Berlin auf. Interessiert an
kulturellen Verflechtungen zwischen ostund südostasiatischen
Ländern studiert sie
Koreanistik/Ostasienwissenschaften an
der Freien Universität
(FU) Berlin. Sie verbrachte fünf Monate
in Busan und steht
derzeit kurz vor ihrem
Bachelor-Abschluss.
Der sinkenden Geburtenrate kommt ein solch
verheißungsvoller Aberglauben-Cocktail dennoch zu Gute, zumindest trifft dies auf Korea
zu. Statistiken zufolge wurden in Korea 2007
(Jahr des Goldenen Schweins) und 2010 (Jahr
des Weißen Tigers) tatsächlich mehr Babys
geboren als in den weniger „umworbenen”
Jahren. Anderswo könnte die Lage natürlich auch Negativauswirkungen haben. Das
ohnehin schon bevölkerungsreiche Nachbarland China zum Beispiel sieht sich durchaus
(in naher Zukunft) mit einigen Engpässen
in den Bildungseinrichtungen konfrontiert.
Spätestens dann, wenn die Eltern mit ihren
„Drachenbabys” vor der Wahl einer guten
Kindertagesstätte stehen. Doch dem Babyboom begegnen auch einige Koreaner nicht
mit bloßem Entzücken. Einige zeigen sich zu
Recht besorgt, da diese Generation einem
höheren Wettbewerb ausgesetzt sein wird.
Krankenhäuser und Fruchtbarkeitskliniken in
China bereiten sich jedenfalls schon auf ein
besonders geschäftiges Jahr vor.
Die Bedeutung des Drachens in Korea
Zwar ist der Drache sowohl in der okzidentalen Kultur als auch in der asiatischen eine
imaginäre Gestalt, die dem volkstümlichen
Brauchtum entsprungen ist, doch die Bedeutung des Drachens in den beiden Kulturen
könnte unterschiedlicher nicht sein. Während
der Drache in den abendländischen Märchen
zumeist als feuerspuckendes Monster dargestellt wird und bestenfalls noch in den Köpfen
der Kinder oder in Fantasygeschichten als
Unheil bringendes Wesen präsent ist, wird
dem Drachen in der asiatischen, darunter auch
in der koreanischen Kultur, von alters her eine
äußerst symbolhafte und nahezu gottähnliche
Rolle zugesprochen. Drachenfiguren, die altertümliche und buddhistische Bauwerke oder
das königliche Mobiliar verzieren, findet man
fast überall in Korea. Diese architektonischen
Elemente lassen sich darauf zurückführen, dass
die Verehrung des Drachens bereits in der frühen Ära der königlichen Dynastie entflammte
und dass ihre Spuren bis in die heutige Zeit
reichen. Das erste Werk, das auf Hangeul
[한글, koreanisches Alphabet] geschrieben
wurde, war „Yongbieocheonga” (용비어천가),
„Das Lied von den zum Himmel aufsteigenden
Drachen”. Ein traditioneller Begräbniswagen
ist in Korea mit einem Drachen geschmückt
und soll den Verstorbenen auf seinem Weg
ins Jenseits eskortieren. Selbst wenn man im
Traum einem Drachen begegnet, ist das ein
positives Zeichen.
Doch ein Blick auf vergangene Ereignisse, die
sich in den Jahren des „Schwarzen Drachens”
(Imjin) zugetragen haben, lässt nicht nur
Gutes für Korea erahnen. 1232 überfielen die
Mongolen das Goryeo-Reich (918 – 1392) und
zwangen es, seine Hauptstadt auf die Insel
Ganghwa zu verlegen. Der Invasionskrieg
von 1592 unter dem japanischen Feldherren
Toyotomi Hideyoshi fiel auch in das Jahr des
Schwarzen Drachens, der demzufolge als
Imjin-Krieg bezeichnet wird. In der Joseon-Zeit
betrachtete man „Imjin“ daher als eine bedrohliche Kreatur.
Im chinesischen Kalender bzw. im chinesischen Tierkreiszeichen verkörpert der Drache
einen der zwölf Erdzweige. Zusammen mit
den zehn Himmelsstämmen ergibt sich der
60-Jahreszyklus, der auf einem Nummerierungssystem basiert. Anders als beim Gregorianischen Kalender richten sich die Monate
im chinesischen Kalender nach dem Mondzyklus. Deshalb wird er bekanntlich auch als
Mondkalender (음력, Eumnyeok) bezeichnet.
Geschichtliche Quellen deuten darüber hinaus
auf eine enge Verbundenheit zwischen dem
buddhistischen Glauben und dem Fabelwesen
Drachen hin. Demnach sollen sich buddhistische Mönche vor Hunderten von Jahren ein
Zubrot mit der Erstellung von Horoskopen
verdient haben, die auf Basis der chinesischen
Tierkreiszeichen konzipiert waren. Ähnlich
wie in der westlichen Astrologie werden den
zwölf Tierkreiszeichen bestimmte menschliche Charakterzüge zugeordnet. Der Drache
personifiziert seit jeher den Vorboten des
Glücks und des positiven Wandels. Menschen,
die unter diesem Tierkreiszeichen geboren
werden, gelangen leichter zu Ruhm, Reichtum
und Prestige, nicht zuletzt auch dank ihrer
gesegneten Eigenschaften, welche die besten
Voraussetzungen für den Erfolg sind: Mut, Ehrgeiz, Intelligenz und Tüchtigkeit. Bei so vielen
positiven Attributen wundert es niemanden,
dass manch angehendes Elternpaar leicht
ins Schwärmen gerät. Schließlich soll dem
Nachwuchs nur das Beste in die Wiege gelegt
werden.
51
Unternehmen reagieren besonders
aufmerksam auf die Trends und gesellschaftlichen Phänomene.
Den Trubel um das Jahr des „Schwarzen
Drachens” macht sich natürlich auch
der Handel zunutze und kurbelt seine
Verkaufszahlen durch ein „drachenreiches” Angebot an, das zumeist als
Glücksbringer die Herzen der Kundschaft erobert. Große Einkaufszentren
wie „Lotte” ziehen die Aufmerksamkeit
der Besucher mit extravaganten EyeCatchern an, wie z.B. mit einer überlebensgroßen Drachenfigur, die von 2012
traditionellen Taschen umschlungen
ist. Ein anderes Kaufhaus lockt seine
im Drachenjahr geborene Kundschaft
mit Extrarabatten an. Jene, die 1952
geboren wurden - also in einem ImjinJahr - bekommen Gratis-Essen. Auch
Luxusliebhaber kommen voll auf ihre
Kosten. Der Kristallmacher Swarovski
entwirft eigens für diesen Anlass eine
strikt limitierte Sammlung von Drachenfiguren aus Kristallen. Kreationen
wie Eiscremetorte in Form eines „Flying
Dragon”, „Drachenwein” oder „Makgeolli” [막걸리, Reiswein] mit Drachenlabel
versprühen eine Art Glückszauber,
welcher durch Körper und Geist geht.
Babyprodukte mit Drachenmotiven
gibt es in allen erdenklichen Farben
und Variationen. Sie sollen die angeregte Stimmung und die Vorfreude
werdender Eltern steigern und noch
zusätzlich zum Konsum verführen.
Auch Geschäftsleute versprechen sich
ein besonders erfolgreiches Jahr.
Die Macht des Glaubens
Es ist ein regelrechter Wettlauf, in dem
das Glück jedem greifbar nahekommt,
der es nur will. Doch Paare sollten ihr
Eheglück nicht allein auf dem allgemeinen Volksglauben aufbauen. Sich auf
traditionelle Weissagungen zu verlassen, hat bis jetzt noch niemandem zum
Erfolg verholfen. Ein ähnliches Beispiel
ist der Glaube an die Zahlensymbo-
52
lik. Paaren, die sich an sogenannten
Schnapstagen (also z.B. am 11.11.11
oder am 12.12.12) dazu verleiten lassen,
zu heiraten, prophezeien Psychologen
ein eher kurzes Eheglück. Denn die
Glückserwartungen einer höheren
Macht anzuvertrauen, könnte durchaus
unschöne Folgen haben.
Doch von ein bisschen Aberglauben,
der den Optimismus der Menschen anregt, könnte sich der Westen durchaus
eine Scheibe abschneiden. Denn der
Glaube an Glück und Wandel ist durchaus tröstlicher, als die Ankündigung
eines Weltuntergangs, wie nach dem
Kalender der Maya vorausgesagt... .
Quellenauswahl:
http://www.koreaherald.com/national/Detail.
jsp?newsMLId=20111230000452
http://world.kbs.co.kr/english/news/news_
zoom_detail.htm?No=6541
http://www.koreatimes.co.kr/www/news/nation/2011/12/113_101898.html
http://www.korea.net/detail.do?guid=60949
http://www.koreatimes.co.kr/www/news/
art/2012/01/248_102318.html
Foto: Byeon Han Seop
Profit durch Aberglauben
VOLKSGLAUBE
Schamanismus: ein Glaube, der die
koreanische Seele immer noch anspricht
Von der Schamanin Myung-Ok Yoo
E
Schamanin (무당, Mudang), die an einem
Häckselmesser emporsteigt, um die
seelische und die reale Welt miteinander
zu verbinden. Soseul-Gut
(솟을굿, „Ritual des Aufsteigens für die
Gottheit und die Spiritualität des Schamanen selbst“) von Myung-Ok Yoo
in berühmtes Seouler
Café - beliebter Treffpunkt von Studenten
und anderen Mitgliedern
der jungen Generation. In
seiner Mitte war eine große
Birke errichtet worden, an
der unzählige Zettel gelben Papiers hingen. Darauf
hatten Menschen in kleinen
Schriftzeichen ihre Wünsche
geschrieben. Als ich die Birke
sah, in deren Zweigen dicht an
dicht beschriebene Zettel hingen, kam mir der „Birkenbaum
der Schamanen“ in den Sinn.
Gemeint ist der Birkenbaum,
von dem der Religionswissenschaftler, Philosoph und
Schriftsteller M. Eliade sagte:
„Die rituelle Birke erkletternd,
steigt er (der Schamane) in
Wirklichkeit zum Wipfel des
kosmischen Baums. Kosmologisch betrachtet erhebt sich
der Weltenbaum im Zentrum
der Erde, in der Gegend ihres
„Nabels“, und seine obersten
Zweige rühren an den Palast
Bai Ülgäns (Radlov, Aus Sibirien II, S.7)“.1
Der Birkenbaum der Schamanen ist ein Lager der heiligen Weisheit und für den
Schamanen ein Baum des ewigen Lebens und der
Erkenntnis. Der Weltenbaum symbolisiert das Universum, das sich ohne Unterlass reproduziert. Bei Eliade
ist zu lesen: „Die Birke symbolisiert den Weltenbaum,
die Sprossen stellen die verschiedenen Himmel dar,
welche der Schamane im Laufe seiner ekstatischen
Himmelsreise zu passieren hat; sehr wahrscheinlich
ist das in diesem Ritual enthaltene kosmologische
Schema von orientalischem Ursprung.“2
In einem Zustand, in dem die Schutzgeister von der
Schamanin (koreanisch Mudang: 무당, 巫堂) Besitz
ergreifen, steigt sie an einer Art traditionellem Häckselmesser hoch, das der Struktur des Birkenbaums
der Schamanen ähnelt und stellt eine symbolische
Verbindung zwischen der seelischen und der realen
Welt her. Auf der Messerspitze stehend wehrt die
Schamanin das schmerzhafte Schicksal der Menschen, die das Ritual in Aufrag gegeben haben, mit
ihrem Körper ab, besänftigt und reinigt die Seelen
der Ahnen, die mit viel Gram („Han“: 한, 恨) gefüllt
sind, und entsendet sie in den Himmel. Sie fällt das
Orakel der menschlichen Seele und stellt die Harmonie des aus den Fugen geratenen Lebens wieder her.
Der Schamanismus war traditionell im Leben des
koreanischen Volkes am lebendigsten verankert.
Heute werden die Funktionen des Schamanismus auf
verschiedene Weise fortgeführt: in den Dorf-Riten
(Maeul Gut: 마을굿, 洞祭), in denen für Frieden,
eine ertragreiche Landwirtschaft und einen üppigen
Fischfang der dörflichen Gemeinschaft gebetet wird,
in der Wahrsagerei (Jeombok: 점복, 占卜) sowie
in schamanistischen Riten und nichtzeremoniellen
Handlungen zum Heilen von Krankheiten, die dazu
dienen, die Probleme und das Leid von Einzelpersonen oder Familien zu heilen.
Zum Schamanismus in Korea existieren zwei unterschiedliche Meinungen. Die eine wird von Harvey
Cox vertreten, der als größter Religions- und Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts verehrt wird. Er
betrachtet den koreanischen Schamanismus als das
ursprüngliche Glaubenssystem heutiger Koreaner.
Die andere Meinung wird von den Missionaren der
Vergangenheit und von denjenigen vertreten, die
das Christentum als das exklusive Glaubenssystem
betrachten: „Da die Vitalität des Schamanismus in
Zeiten der Industrialisierung langsam abnimmt, wird
es nicht lange dauern, bis er auf koreanischem Boden
ausgestorben sein wird.“3 Diese Einschätzung sollte
sich als falsch erweisen.
Anders als vorhergesagt, stellte der Schamanismus
seine zähe Lebenskraft unter Beweis und übt durch
die wissenschaftliche Ergänzung mit den vielen, in
53
Heute ist in Korea insbesondere bei der jungen
Generation die Wahrsagerei in Mode. Aktuell
gibt es in der Umgebung der Universitätsstraßen viele entsprechende Cafés. Dort werden
neben Getränken auch Weissagungen anhand
von Saju (사주, 四柱: die „Vier Säulen“, die das
Jahr, den Monat und den Tag der Geburt nach
dem Mondkalender sowie die Geburtsstunde
symbolisieren), Gesichtslesen (Gwansang:
관상, 觀相) und Tarot-Karten angeboten. Bei
den jungen Menschen sind vor allem Prophezeiungen über die eheliche Harmonie zweier
potenzieller Partner (Gunghap: 궁합, 宮合)
gefragt. Der Schamanismus, der früher als
Volksreligion anerkannt war, wird heute verweltlicht und kehrt in der postmodernen Zeit
im Gewand einer neuen Kultur zurück.
Was ist der Grund dafür, dass der Schamanismus, der auf dem Nährboden des Bewusstseins und Alltags der Koreaner entstanden ist,
nach wie vor in der koreanischen Gesellschaft
lebendig ist? Als Charakteristika des Schamanismus, der sich gegenwärtig in der koreanischen Gesellschaft herausbildet, fallen mir
folgende Punkte ins Auge:
1) Der Schamanismus ist im religiösen Bewusstsein der Koreaner tief verwurzelt. Zwar
hat er Elemente von Religionen in sich aufgenommen, die von außen nach Korea kamen,
aber er hat seine Veränderungen und Weiterentwicklungen im Einklang mit der religiösen
Denkweise der Koreaner vollzogen. Auf diese
Weise hat er eine ausgeprägte Vitalität entwickelt, die die Gesamtheit der koreanischen
Religion und Kultur durchdringt.
2) Die Weltanschauung des Schamanismus
strebt nach Harmonie. Im Einklang mit der
Mentalität des koreanischen Volkes löst er in
54
Foto: privat
Foto: privat
Myung-Ok Yoo erhielt
am 28. August 1997
von ihrer „Geistigen
Mutter“ Geum-hwa
Kim das Sin-NaerimGut (신내림굿,
„schamanistische
Initiierungszeremonie,
um Schutzgeister
zu empfangen“) und
wurde damit zur
Schamanin geweiht.
Sie studierte an der
Hochschule für bildende Künste Hamburg
im Fachbereich Visuelle Kommunikation/
Medien Dokumentarfilm im Hauptfach
und nahm nach ihrem
Studienabschluss an
Aufbaustudien teil.
Später belegte sie am
C.G. Jung-Institut in
Zürich eine berufsbezogene Fortbildung
zur Anwendung auf
eine seelsorgerische
Tätigkeit. Heute ist die
Schamanin Leiterin
von „Futura Energia“,
einer Beratungsstelle
für Psyche und Seele
in Seoul.
Tel. (0082) 2 -34639916
E-Mail: avantgardeschaman@yahoo.de
Blog: http://blog.naver.
com/alephpearl.do
der koreanischen Gesellschaft existierenden
Religionen nach wie vor einen großen Einfluss
auf das Leben der Menschen aus. Es ist jedoch
bedauerlich, dass in der aktuellen religiösen
Situation der Schamanismus, in dem die
Harmonie und die Vereinigung von Seele und
Natur eine wichtige Rolle spielt, nach und nach
seine Funktion als Numen4 verliert. Das Heilige
und das Profane werden langsam getrennt,
und der Schamanismus wird in Form von Aufführungen, Kunst und Wahrsagerei (Jeombok)
zunehmend säkularisiert.
Verlust- und Krisensituationen wie Tod und
Krankheit Probleme durch schamanistische
Rituale und durch nichtzeremonielle heilende
Handlungen. So beantwortet er in angemessenem Maße den Wunsch nach Stabilität im
Leben und geht auf soziale Bedürfnisse ein.
3) Diejenigen, die durch schwierige Glaubensund Alltagssituationen schmerzhafte Erfahrungen machen, empfinden die Weltanschauung
und die Rituale des Schamanismus als eine Art
seelischer Heilung. Für diese Menschen bieten
sie ein psychologisches Sicherheitsgefühl und
eine Katharsisfunktion. Der Schamanismus
liefert in Not- und Krisensituationen Weisheit
und Kraft, die dabei helfen, die realen Probleme aktiv zu lösen.
4) Die Menschheit, die einen starken Freiheitswillen besitzt, lehnt sich gegen die Ordnung
des Glaubens oder des Universums auf und
Der Schrein der Mudang Lee Yeong-hee, die eine Bewahrerin der Tradition des Seoul Saenam-Rituals ist.
will gegen das Schicksal ankämpfen, das ihr gegeben wurde.
Deshalb entwickelt sie Handlungen, um durch Wahrsagerei,
Prophezeiungen und schamanistische Praktiken (schamanistische Rituale, nichtzeremonielle Handlungen zur Heilung
von Krankheiten) Gegenmaßnahmen zu ergreifen und das
eigene Schicksal zu beeinflussen.
5) Wenn die Menschheit mit einem großen Schicksalsschlag
konfrontiert wird, entwickelt sie eine deterministische
Einstellung, die sie Schicksal nennt, statt die Auffassung zu
vertreten, dass sie selbst für ihre Handlungen verantwortlich
sei. Auf diese Weise erlangt sie Seelenruhe. Das menschliche
Unterbewusstsein, das auf die Auslöschung des inneren
Widerspruchs hofft, scheint sich zum Schamanismus hingezogen zu fühlen.
In der koreanischen Gesellschaft ist eine „Renaissance des
Schamanismus“ angebrochen. Der Schamanismus stößt
insbesondere bei der jungen Generation auf große Resonanz. Der wichtigste Grund dafür ist, dass er die Hoffnung
zu vermitteln scheint, dass er die Fragen nach dem Geist,
der Materie, der Gottheit und der Natur zufriedenstellend
beantworten kann, die bisher von der Vernunft und dem
Nationalismus nicht beantwortet werden konnten. Auch
scheint es, dass die menschliche Sehnsucht nach einer reinen Spiritualität in Form einer neuen Kultur - dem Schamanismus - zurückkehrt.
In Zukunft werden die Koreaner in ihrem Leben nicht mehr
einer passiv vorgegebenen Zukunft („Futura“) entgegensehen, sondern einer aktiv herbeigesehnten Zukunft („Avenir“).
Übersetzung aus dem Koreanischen: Gesine Stoyke
1 Eliade, Mircea: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik, S. 259,
suhrkamp taschenbuch wissenschaft
2 Ebenda, S. 4.
3 Mun Sang-hui, Ist es Schamanismus oder ist es Christentum?, Sonderausgabe zum Aberglauben des 20. Jahrhunderts, S. 40.
4 In der älteren römischen Religion bezeichnet ,,Numen“ mehr das
Wirken und den Willen einer Gottheit als diese selbst. Dieses Numen
konnte Naturerscheinungen wie einem Fluss, einem Baum oder einem
Stein innewohnen (http://de.wikipedia.org/wiki/Numen).
55
VOLKSGLAUBE
Wahrsagepraktiken in Korea
– aktuell wie eh und je
D
ie Wahrsagerei entspringt dem Verlangen der
Menschheit, das eigene Schicksal in Erfahrung zu
bringen und Einfluss darauf zu nehmen. In Korea hat
sie eine lange Tradition, wie folgende historische Beispiele
belegen: Eine der frühesten Erwähnungen stammt aus der
Zeit der Drei Königreiche (57 v.Chr. – 668 n.Chr.)1, und im
Königreich Silla (57 v.Chr. – 935 n.Chr.) gab es einen eigens
dafür eingesetzten Beamten (일관, Ilgwan), dessen Aufgabe es war, den Herrscher über ungewöhnliche Naturphänomene zu unterrichten. In der Goryeo-Zeit (918 – 1392)
wurde diese Funktion von einem „Doktor der Weissagung“
übernommen, der auf der Grundlage seiner Interpretation
der Naturerscheinungen Vorhersagen über Einzelpersonen
oder die Dynastie traf. In der Joseon-Zeit (1392 – 1910) soll
der Gelehrte Yi Ji-ham (Gelehrtenname: 토정, Tojeong) das
Wahrsagebuch „Tojeong Bigyeol“ (토정비결, „Geheimnisse
des Tojeong“) verfasst haben.2 Der als Exzentriker bekannte Yi war in vielen Bereichen wie der Astronomie und
der Geologie versiert. Nachdem er das Schicksal einiger
Freunde vorhergesagt hatte, verbreitete sich sein Ruf,
über besondere Fähigkeiten zu verfügen, im ganzen Land,
und die Menschen kamen von weit her, um sich von ihm
beraten zu lassen. Das „Tojeong Bigyeol“ soll der Gelehrte
geschrieben haben, damit auch Laien auf einfache Weise
Voraussagen über ihre Zukunft treffen konnten. Es enthält
eine Sammlung von insgesamt 144 Vorhersagen und basiert auf Geburtsdaten und Trigrammen aus dem chinesischen „Buch des Wandels“, einem Klassiker auf dem Gebiet
der Prophezeiungen.
Auch im heutigen High-Tech-Land Korea verlassen sich
viele Menschen auf jahrtausendealte Methoden wie die
Wahrsagerei, wenn es um wichtige Lebensfragen und -entscheidungen geht. Zu Zeiten der asiatischen Finanzkrise
Ende der Neunzigerjahre und ebenfalls in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise war und ist die Nachfrage
nach den erhofften Heilsbringern groß. Manche witzeln
sogar, dass die Wahrsagerei in der Asienkrise der Neunzigerjahre der einzige florierende Wirtschaftszweig gewesen
sei. In Phasen der allgemeinen Instabilität suchen die Menschen ihre Zuflucht im Übernatürlichen, wie eine 2009 vom
Internetportal „Career“ durchgeführte Umfrage nahelegt.
Unter den 1557 befragten Arbeitssuchenden gaben rund
60 Prozent an, einen Wahrsager besucht zu haben oder zu
56
Von Gesine Stoyke
planen, dies in naher Zukunft zu tun. Laut den Aussagen
von Paik Woon-san, dem Vorsitzenden der Association of
Korean Prophets (Verband koreanischer Wahrsager), hatte
seine Organisation im gleichen Jahr mehr als 300.000 praktizierende Mitglieder.
Selbst in der Politik greift man gern auf sie zurück. Kandidaten erhoffen sich vor den Wahlen eine Bestätigung ihrer
Chancen, und renommierte Zeitungen publizieren die
Prophezeiungen berühmter Wahrsager über den Wahlausgang. Auch im privaten oder geschäftlichen Bereich
werden Vorhersagen erbeten. Ein klassisches Beispiel ist die
Mutter, die den Wahrsager konsultiert, bevor ihr Kind die
in Korea so wichtige Universitätsaufnahmeprüfung ablegt,
ein weiteres der Geschäftsmann, der sich eine zweite Meinung zu einer besonders wichtigen Investition einholt und
ein nächstes die junge Frau, die sich über die Beziehungstauglichkeit eines Partners informieren möchte.
Besonders in den Monaten von Dezember bis Februar
haben die Wahrsager in Südkorea Hochkonjunktur. Denn
sowohl zum 1. Januar nach dem Sonnenkalender als
auch zum Neuen Jahr nach dem Mondkalender möchten
viele wissen, was ihr Schicksal in beruflicher wie privater
Hinsicht in den nächsten zwölf Monaten für sie bereithält.
An Straßenecken oder an öffentlichen Versammlungsorten sind zu diesen Zeiten ältere Herren, die mit dem Buch
„Tojeong Bigyeol“ unter dem Arm auf Kundschaft warten,
kein ungewöhnlicher Anblick. Auch heute noch hat der berühmte Klassiker des Gelehrten Yi Ji-ham nichts von seiner
Aktualität verloren. Die Wahrsagerei wird aber das ganze
Jahr über nachgefragt, sodass ganzjährig kleine Zelte mit
entsprechenden Angeboten das Straßenbild prägen. Darin
sitzen hinter halbtransparenten Vorhängen Ausübende
ihrer Zunft, die rund 5000 Won (ca. 3,30 Euro) für einfaches Handlesen (손금보기, Songeum Pogi) und zwischen
10.000 Won und 15.000 Won (ca. 6,60 Euro und 9,90 Euro)
für komplexere Dienstleistungen verlangen.
Eine bekannte Institution ist die Wahrsagestraße in Miari
(미아리) im Nordosten von Seoul, die als größte Ansammlung von traditionellen Wahrsagegeschäften in der Stadt
gilt. Das Besondere an dem Bezirk ist, dass der Großteil der
dort Tätigen blind ist, denn die Wahrsagerei war traditionell
eine der wenigen Professionen, die Menschen mit Sehbehinderung in Korea ausüben konnten. Die blinden Weissager, die ursprünglich an der Straße Jongro-3-ga angesiedelt
waren, zogen nach dem Ausbruch des Korea-Kriegs (1950)
in das Gebiet um den Berg Namsan um und ließen sich
schließlich in Miari nieder, nachdem sie die Nachbarschaft
am Namsan in den Sechzigerjahren wegen städtebaulicher
Maßnahmen verlassen mussten. Heute haben sich die Blinden von Miari zu einer Association of Blind Fortunetellers
(Verband blinder Wahrsager) zusammengeschlossen. Insbesondere Politiker oder Geschäftsmogule lassen sich gern
von ihnen beraten, denn durch das fehlende Augenlicht
der Wahrsager können sie besser ihre Anonymität wahren.
In einem moderneren Gewand präsentiert sich das Weissagungsgewerbe in so genannten „Philosophie-Instituten“,
die von „Schicksals-Philosophen“ geleitet werden oder in
den zahlreichen Wahrsage-Cafés, die insbesondere in der
Nähe von Universitätsstraßen und an anderen Orten, die
von jungen Menschen frequentiert werden, wie Pilze aus
dem Boden schießen. In beliebten Vierteln Seouls wie Shincheon (신촌), Apgujeong (압구정) und Idae-Ap (이대앞)
kann sich die Kundschaft bei einer Tasse Kaffee ihr Schicksal mittels der Saju, der so genannten „Vier Pfeiler“, oder mit
Hilfe von Tarot-Karten deuten lassen. Saju, die Vier Pfeiler,
stehen für das Jahr, den Monat, den Tag und die Stunde
der Geburt eines Menschen. Mittels dieser Daten werden
Aussagen über das eigene Selbst und die Art und Weise,
wie man seiner Umwelt begegnen sollte, getroffen. Im
traditionellen Korea wurden die Saju von der Familie eines
heiratswilligen Mannes ermittelt und an die Familie einer
potenziellen Braut geschickt. Bei Gefallen wählte die Familie der Frau ein günstiges Datum für die Eheschließung aus
und sandte es an die Familie des Mannes zurück. Gunghap
ist eine weitere Form des traditionellen Wahrsagens, die in
früheren Zeiten vor der Heirat durchgeführt wurde. Dabei
wurde mit Hilfe der Saju die Kompatibilität des betreffenden Paares ermittelt. Selbst heute noch sagen manche
Koreaner eine bereits geplante Hochzeit wieder ab, wenn
sich das Gunghap zweier Partner als zu negativ erweist.
ein „Find-your-future-Spouse“ („Finden Sie Ihren zukünftigen Ehepartner“) anbieten.
Während viele koreanische Christen dem Wahrsagen
sehr ablehnend gegenüberstehen, haben Anhänger des
Schamanismus oder des Buddhismus in aller Regel kein
Problem damit. Selbst im kommunistisch geprägten Nordkorea konnten spirituelle Praktiken nicht vollständig beseitigt werden, wenn man den Aussagen nordkoreanischer
Flüchtlinge Glauben schenken darf. Laut den Angaben
eines Nordkoreaners gibt es wenigstens einige bekannte
Wahrsager, deren Weissagungskünste nicht nur von der
einfachen Bevölkerung, sondern auch von Parteikadern in
Anspruch genommen werden.
Die Wahrsagerei scheint ein Grundbedürfnis der Menschheit widerzuspiegeln, das eigene Schicksal beeinflussen
zu können – über die Zeiten, gesellschaftlichen Schichten,
politischen Systeme und Grenzen hinweg.
1 Die Drei Königreiche (Baekje, Silla und Goguryeo) existierten parallel
bis zur Übernahme von Baekje und Goguryeo durch das Königreich
Silla im Jahre 668, das als Vereinigtes Silla-Reich bis 935 bestand.
2 Einige Gelehrte zweifeln Yis Autorenschaft des Buches an. Fest steht
jedoch, dass er eine ausgeprägte soziale Ader hatte und während
seiner Zeit als Bürgermeister von Asan eine Behörde gründete, die
Wohltätigkeitsorganisation, Ausbildungsstätte und Rehabilitationszentrum zugleich war (http://world.kbs.co.kr/german/program/program_koreanstory_detail.htm?No=25397).
Quellenauswahl:
http://www.korea4expats.com/article-fortune-tellers.html
http://www.asianinfo.org/asianinfo/korea/cel/divination.htm
http://world.kbs.co.kr/english/archive/culturenlife_beatenpath.
htm?no=151&current_page=
http://articles.latimes.com/2009/mar/11/world/fg-korea-fortune11
http://kwlhistorymatters.blogspot.com/2011/03/fortune-telling-northkorea.html
Eher als Spielerei angesehen werden sicher die Apps, die
tagtäglich neu auf Smartphones auftauchen und Anwendungen für Saju, Gesichtslesen (관상, Gwansang) oder für
57
KALEIDOSKOP
Namuamitabul... Ave Maria...
Von Anne Stern-Ko
Foto: Miriam Ko
„Was?! Du willst nach Korea!!
Wo ist das überhaupt??“ Meine
Anneliese Stern-Ko
ist verheiratet mit
einem Koreaner und
wohnt seit 1985 in
Seoul. Sie ist Lektorin
an der Graduate
School of Interpretation and Translation
der Hankuk University of Foreign Studies
und übt verschiedene
freiberufliche Tätigkeiten aus: Lehrbuchund Wörterbuchentwicklung für DaF,
Mitarbeit bei EBS-TV
und EBS-Radio, KBS
World Radio (world.
kbs.co.kr/german)
und der Vierteljahreszeitschrift KOREANA
(www.koreana.or.kr).
58
Mutter machte zunächst ein Heidenspektakel, als ich, die einzige Tochter, erklärte, nach
Korea gehen zu wollen. 1985 war Korea noch
Terra incognita im Bewusstsein der meisten
Deutschen. Man musste zudem noch bei
den Eskimos (Anchorage) oder Chinesen
(Hongkong) Zwischenstopp machen - keine
beruhigende Vorstellung für meine Mutter, die
damals schon über 60 war, nie über Deutschland hinausgekommen und verankert in den
Traditionen des Katholizismus. Und da wollte
die Tochter zu ..., ja, waren denn das nicht auch
noch Heiden in Korea? Die Kirche predigte
zwar Nächstenliebe, aber hätte ich nicht auf
den nächsten Lieben warten können, am
besten aus dem nächsten Dorf mit der Kirche
in der Mitte? Dieser Schwiegersohn in spe gehörte ja nun gar keiner Religionsgemeinschaft
an, aber zumindest ging er widerstandslos
mit in die Kirche, kannte das Vaterunser und
las in der deutschen Bibel. Nebenbei gesagt
auch in der englischen und russischen, da es
in der Generation meines Mannes mangels
Lehrbüchern nichts Ungewöhnliches war,
Fremdsprachen via Bibellektüre zu lernen.
Wie dem auch sei: Die Ungewissheit in Bezug
auf mein Seelenheil führte dazu, dass wir das
Band der Ehe regelrecht festzurren mussten:
Standesamtlich, dann in einer traditionellen
koreanischen Zeremonie und – nach der
Geburt unserer Tochter Miriam – noch einmal
in einer katholischen Kirche in Korea, praktischerweise direkt vor der Kindstaufe, womit
endgültig Schluss war mit der wilden Ehe.
Taufpatin von Miriam ist übrigens die Lieblingstante meines Mannes, die ich – wiewohl
völlig unabsichtlich – zum Katholizismus
„bekehrte“. Und das eigentlich nur, weil ich am
ersten Weihnachtsfest in Korea unbedingt in
die Messe wollte und die Tante es ermöglichte,
die von dem damaligen, 2009 verstorbenen
Kardinal Stephen Kim Sou-hwan, dem ersten
Kardinal Ostasiens, zelebrierte Christmette
um 00.00 Uhr in der Myeongdong-Kathedrale,
dem Herzen der katholischen Kirche Koreas,
zu besuchen. Der Eindruck war so nachhaltig,
dass die Tante kurzerhand beschloss, sich
taufen zu lassen. Und meine Mutter war etwas
beruhigter... Sowieso hätte sie nach dem Heidenschreck, den sie ob meiner „Auswanderung
ins Land der Heiden“ bekommen hatte, schon
nicht schlecht gestaunt und ihre Heidenfreude gehabt, wenn sie den Anblick gesehen
hätte, der sich meinen ungläubigen Augen
auf meiner ersten Fahrt vom Internationalen
Flughafen Gimpo bot: Überall leuchteten
in der Schwärze der Nacht rote Kreuze. Sie
krönten die Türme von Kirchen, wie man sich
eben Kirchen vorstellt, aber auch die Dächer
von Gebäuden, die eher an Wohnhäuser oder
kommerziell genutzte Gebäude erinnerten.
So viele Kreuze pro Quadratkilometer - oder
Quadratmeter? - hatte ich noch nie gesehen.
Auch heute noch erwartet den Seoul-Neuling
bei der Fahrt in die Stadt ein Weg der Kreuze,
allerdings fallen sie jetzt etwas weniger auf, da
überall Neonreklamen für weltlichere Dinge als
für Seelenheil werben. Blicke ich aus unserem
Wohnzimmerfenster, habe ich gleich drei
Kreuze im Blick, dasselbe beim Küchenfenster,
weshalb ich es aufgegeben habe, den Weg zu
uns mit Hinweis auf eine Kirche beschreiben
zu wollen. Ich war also im wahrsten Sinne des
Wortes „im Schoße der Kirche“ gelandet, fragte
sich nur, in welcher. Die Auswahl ist groß.
Nach einer 2005 gemachten Untersuchung
der koreanischen Regierung bekannten sich
10,7 Mio. der damals knapp 47 Mio. Koreaner
zum Buddhismus, 8,6 Mio. zum Protestantismus, 5,1 Mio. zum Katholizismus und 105.000
zum Konfuzianismus. Rund 22 Mio. gaben an,
keiner Religionsgemeinschaft anzugehören.
Zahlen über kleinere Religionsgemeinschaften
wie Juden, Moslems, Zeugen Jehovas, Mormonen, Adventisten oder Russisch-Orthodoxe,
die alle in Korea vertreten sind, fehlen. Es gibt
ganze 121 protestantische Denominationen,
90% davon sind verschiedene presbyteriani-
sche Gruppen, andere Methodisten, Baptisten, Lutheraner oder Anglikaner. In Korea herrscht also auf vergleichsweise kleiner Fläche eine enorme religiöse Vielfalt und
– bei den Protestanten – ein enormes Sendungsbewusstsein: Das Land ist eins der missionsfreudigsten der Welt.
Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert, eine
Staatsreligion gibt es nicht, auch wenn seit Gründung
der Republik Korea eine gewisse Neigung der Regierung
zum Christentum besteht. Buddhas Geburtstag und
Weihnachten sind die einzigen religiösen gesetzlichen
Feiertage. Bei all dieser Vielfalt bemüht man sich um
Eintracht und Ökumene: Der Council of Religious Leaders
[Rat religiöser Leiter] veranstaltet z.B. jährlich ein Religiöses Kulturfestival, um gegenseitiges Verständnis und Toleranz zu propagieren. Interessant ist, dass hierzulande die
sonst eher konservativere katholische Kirche seit jeher
besonders offen ist. Beispiele: 2006 wurde das buddhistische Yeongsanjae-Ritual in der Myeongdong-Kathedrale
abgehalten, und 2005 führte Kim Keum-hwa, eine der
großen Mudang (무당, Schamanin) Koreas, an der Universität Rom einen Jinhon-gut [진혼굿, schamanistisches
Ritual] für Papst Johannes Paul II. auf, ein Bittritual, um die
Seele des Verstorbenen in ein gutes Jenseits zu geleiten.
Und die Statue des Bodhisattva des Mitgefühls, die von
dem Ehrwürdigen Mönch Beopjeong für den Tempel
Gilsangsa in Auftrag gegeben wurde, stammt von dem
katholischen Bildhauer Choi Jong-tae. Sie erinnert an die
Gottesmutter, wozu Beopjeong öffentlich erklärte, dass
der Boddhisattva und die Gottesmutter Maria letztendlich für dieselben Werte stünden.
Ganz deutlich wird die Toleranz der Katholiken in der
Haltung gegenüber Jesa, dem konfuzianistischen
Ahnenverehrungsritual, bis heute wichtiger Bestandteil
des koreanischen Lebens. Die katholische Kirche ist nicht
dagegen, dass Katholiken vor der Ahnentafel Opfergaben darbringen oder Kotaus machen, wohl aber gegen
den Ahnenschrein, da dieser symbolisch den Geist des
Verstorbenen enthält, was Konfliktpotenzial mit dem
Ersten Gebot [Du sollst nicht andere Götter haben neben
mir] birgt. Mein jüngster Schwager mit seiner Familie ist
z.B. katholisch. Es ist jedoch kein Problem, dass er bei den
Ahnenverehrungszeremonien für Vater, Großeltern und
Urgroßeltern mitmacht, zumal die Verantwortung nicht
bei ihm liegt, sondern bei meinem Mann als ältestem
Sohn. Hier erkennt der Katholizismus die Wichtigkeit
der Ahnenverehrung im traditionellen Familienkontext
an. Der Protestantismus steht hingegen Opfergaben,
Kotaus und erst recht den Ahnenschreinen ablehnend
gegenüber. Das führt leicht zu Familienkonflikten, nicht
zuletzt deshalb, weil es oft die Frauen sind, die sich zum
Protestantismus bekehren, und sich irgendwann aus
Gewissensgründen, manchmal auch aus Bequemlichkeit,
weigern, die Vorbereitungen für die Opfergaben, eine
reine Frauensache, auszuführen. Heiratet der älteste
Sohn einer nicht-christlichen Familie eine Christin, tut er
also gut daran, diese Frage im Vorfeld abzuklären. Der
Buddhismus hat hingegen keinerlei Probleme mit den
konfuzianistischen Ahnenverehrungszeremonien, da
jeder, der seinen buddhistischen Glauben aufrichtig lebt,
Buddhatum [Erleuchtung] erreichen kann. Die Ahnenverehrung als moralisches Pflichtgebot des Konfuzianimus
wird also problemlos ins buddhistische Verständnis
eines aufrichtigen Lebens einbezogen. Opfergaben und
Kotaus sind sowieso Bestandteile des Buddhismus. Meine
Schwiegermutter ist eine gläubige Buddhistin, für die
eine 200%ige Erfüllung ihrer konfuzianistischen Pflichten
als Frau und Witwe des Familienoberhauptes zu ihrem
Selbstverständnis als Buddhistin gehört. Das sollte man
respektieren, denke ich, was auch mein zweiter Schwager
und seine Frau, die vor einigen Jahren einer protestantischen Kirchengemeinde beigetreten sind, widerspruchslos tun. Unsere Familie ist also gelebte Ökumene. Und ich
glaube, der Herrgott hat ein Auge zugedrückt, als ich –
interessanterweise (?) als Einzige - am Sterbebett meines
Schwiegervaters mit meiner Schwiegermutter zusammen
eine gute Stunde Namuamitabul rezitierte, die buddhistische Bitte um einen friedlichen Tod. Habe allerdings
einige Ave Maria dazwischengeschoben, für alle Fälle... .
Quellenauswahl:
http://www.seoul.co.kr/news/newsView.php?id=20071025023017
http://blog.donga.com/jwjh1004/archives/3
59
KALEIDOSKOP
„Gottesstaat“
Nordkorea?
Nordkorea und Religion? Das passt doch eigentlich gar
nicht zusammen, oder?
Also, der Protestantismus ist bereits im 19. Jahrhundert in
Korea angekommen. Besonders in der Gegend um Pjöngjang hat sich der Glaube gut etabliert und - in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts während der japanischen
Kolonialzeit - in weiten Teilen des heutigen Nordkorea
ausgebreitet. Historisch gesehen wurde der Nordteil der
koreanischen Halbinsel von der Zentralregierung in Seoul
vernachlässigt. Als der Protestantismus aus Nordamerika
nach Korea kam, hat er sich sehr schnell unter der Bevölkerung ausgebreitet, die von den japanischen Besatzern nicht
besonders gut behandelt wurde. Die hat den christlichen
60
Glauben geradezu willkommen geheißen.
Dann kamen die Kommunisten und haben das Christentum
im Norden Koreas ersetzt. Die Kommunisten wollten sich
mit aller Macht des christlich-religiösen Glaubens entledigen. Schnell verschwanden viele der aktiven Christen.
Wer weiter glaubte, war gezwungen, in den Untergrund zu
gehen.
Ich habe mich damit noch nicht viel beschäftigt, aber die
von Kim Il-sung etablierte Juche- Ideologie1 spielte selbstverständlich eine quasi-religiöse Rolle. Sie hat die Religion
ersetzt. Hinzu kommt, dass für die Kommunisten der Glaube
aus dem Westen in völligem Gegensatz zu ihrer eigenen
Linie stand, war er doch ein Produkt aus Amerika.
Foto: Malte E. Kollenberg
Kim Il-sung-Statue auf der Erhebung „Mansudae“ im Herzen der nordkoreanischen
Hauptstadt Pjöngjang.
Park Jong-gou ist Professor für Religionsstudien an der Sogang Universität,
einer Jesuitenhochschule in Seoul.
Seine Hauptforschungsfelder sind Dogmatismus und Systematische Theologie. Malte E. Kollenberg, Korrespondent
in Seoul (vgl. S. 35) hat ihn getroffen,
um mit ihm über Nordkorea und die
besondere Beziehung des Landes zum
Christentum zu sprechen. Der nordkoreanische Staatsgründer Kim Il-sung
war Spross einer sehr christlichen Familie, mit einem Pastor als Großvater und
einem in der Kirche sehr aktiven Vater.
Seit Bestehen des nordkoreanischen
Staates wird Religion jedoch quasi nicht
mehr geduldet. Ein Gespräch über den
„Gottesstaat“ Nordkorea.
Wie hat das praktisch funktioniert?
Die meisten Koreaner zu der Zeit waren sich der Religion gar nicht bewusst, mal abgesehen vom Buddhismus.
Diejenigen, die keine Buddhisten waren, bezeichneten sich
selbst als „nicht religiös“. Das war ebenfalls zu Zeiten der
japanischen Besatzung. Viele der Intellektuellen, die aktiv
waren gegen die japanische Besatzung, waren in die Mandschurei geflohen und haben mit Moskau „angebandelt“. Ich
weiß nicht genau, wie Kim Il-sung es angestellt hat, aber unbestritten ist, dass er so in Kontakt mit der ersten Generation von Kommunisten gekommen ist. Es war wahrscheinlich
recht einfach, den christlichen Glauben durch eine kommunistische Weltanschauung zu ersetzen.
Wieso war das so einfach, und warum war es überhaupt
nötig, sich des Christentums zu entledigen?
Das war relativ einfach, weil das Christentum ja nicht wirklich stark mit der Kultur verwurzelt war. Christentum war
etwas Fremdes in Korea. Im buddhistischen Glauben – die
meisten Koreaner waren Buddhisten – gibt es keinen einzelnen Gott. Aber im Christentum dominiert ein alleiniger
Gott alles. Katholiken wie auch Protestanten verlangen den
Glauben an einen alleinigen Gott. Gläubige und ein über
ihnen stehender Gott befinden sich in einer Art Gemeinschaft. Das Christentum ist so gesehen auch der Glaube an
eine Gemeinschaft.
Außerdem war christliches Denken nicht wirklich kompatibel mit dem bewaffneten Kampf gegen eine Kolonialmacht.
Es fanden sich keine Missionare, die bereit gewesen wären,
zu kämpfen. Der Gemeinschaftsgedanke im Kommunismus
dagegen konnte sehr gut den aktiven Kampf gegen die
Besatzer rechtfertigen.
Also war die Etablierung des Personenkultes um Kim-il
Sung, also des „Kim-ismus“, etwas wie ein Ersatzglaube?
Die Juche-Ideologie wie auch das Christentum sind auf eine
Person bezogen, eine gottgleiche Figur, auf einen Gott,
wenn man so will. Dieser ist die von allen zu respektierende
Person. Aus religionswissenschaftlicher Sicht ist das sicher
ein Punkt, der vergleichbar ist.
Und der Konfuzianismus war ein gutes Fundament, um
darauf einen Staat wie den nordkoreanischen aufzubauen?
Es gibt Leute, die so argumentieren. Ich denke das allerdings nicht. Im Konfuzianismus gibt es nichts, das etwas
Absolutem entspricht. Konfuzianismus spricht vom täglichen Leben. Ich halte den Konfuzianismus für eine der am
besten entwickelten Geisteswissenschaften. Darum glaube
ich nicht, dass es richtig ist, den nordkoreanischen „Kimismus“ als auf dem Konfuzianismus aufbauend anzusehen.
Das starke Hierarchiedenken ist es, auf das sich hier immer
bezogen wird. Aber der Vergleich ist nicht korrekt. Viele andere kommunistische Länder wurden auf dem Christentum
aufgebaut. Wenn der Kommunismus etabliert wurde, hat
man ihn einfach auf das bestehende System gesetzt.
Was macht dann das Christentum zu so einem guten
Fundament?
Auch hier würde ich sagen, dass es problematisch ist, beides zu vergleichen. Kommunismus baut auf Unterdrückung
auf und hat mit Zwang und Macht zur Beeinflussung zu tun.
Aber im Christentum zählt unabhängiges Denken. Das gibt
es in kommunistischen Systemen nicht, so wie in Nordkorea. Die Menschen werden gezwungen, das zu akzeptieren.
Tun sie es nicht, riskieren sie ihr Leben. Unabhängigkeit ist
hier das Stichwort.
Aber individuelle Unabhängigkeit ist auch nicht gerade
eine konfuzianische Tradition!
In unserer traditionellen Gesellschaft wurden die Alten
sehr von den Jungen respektiert. Nach dem Aufkommen
westlicher Prinzipien, deren Einfluss auf das Sozialverhalten
unserer Gesellschaft, hat sich das ganze System verändert.
Die Gesellschaft hat angefangen, Vielfalt zu akzeptieren.
Auch den Jungen wurde nun Respekt entgegengebracht,
so, wie sie waren. So gesehen war das nordkoreanische
System sehr lange von diesen Entwicklungen abgeschnitten, hatten die Nordkoreaner doch sehr wenig Kontakt zu
anderen Gesellschaften. Das war bis zum Tod Kim Il-sungs
so. Danach hat auch in Nordkorea ein Veränderungsprozess
eingesetzt, als die Bevölkerung erkannt hat, dass auch der
gottgleiche Großvater der Nation sterben kann.
Zwar hat der Sohn die Macht übernommen, aber das Land
ist ökonomisch kollabiert. Nach dem Tod von Kim Il-sung
haben die Flüchtlingszahlen zugenommen, aufgrund von
irdischer Verzweiflung. Die Diktatur konnte die ökonomischen Bedürfnisse der Menschen nicht bedienen. Die Zweifel nahmen graduell zu. Kim Il-sung war derjenige, der ein
quasi-religiöses System definiert hat. Aber in der zweiten
Generation unter Kim Jong-il ist diese Struktur zusammengebrochen. Nun, nach dem Tod Kim Jong-ils, wird sich das
weiter fortsetzen.
Außerdem darf auch dabei nicht der Einfluss ausländischer Mächte außer Acht gelassen werden. Wir haben den
Rückgang der einer Religion gleichenden Glaubenskraft
gesehen. Großvater Kim Il-sung war noch als Gott wahrgenommen worden, dann kam dessen imperfekter Sohn. Mit
der dritten Generation steht jetzt alles auf der Kippe. Mein
Punkt ist: Heute wird das nordkoreanische System vielmehr
61
in Bezug auf sein Verhältnis zu den Großmächten USA und
China definiert als über einen pseudoreligiösen Kult.
Soll das heißen, vor 50 Jahren war Nordkorea ein viel
„pseudoreligiöserer“ Staat als heute?
Ja, absolut! Feinde von Kim Il-sung waren vollständig eliminiert worden, es gab keinerlei Opposition im Land. Aber
nach dessen Tod 1994 hat sich so etwas ganz leicht entwickelt. Nicht besonders stark, aber so, dass es das System
destabilisiert. Etwas, das nun den Glauben der Bevölkerung
an ihren göttlichen Übervater beeinträchtigt, könnte man
sagen.
Viele Nordkoreaner glauben, sie würden nach dem Tod mit
Kim Il-sung vereint, ähnlich wie Christen dies über Gott und
Jesus glauben.
Sie sind ein Experte für Dogmatismus. Wie sehen Sie denn
den gerade angesprochenen Personenkult und seine
Funktion?
Als die Nordkoreaner schwere Zeiten durchleben mussten,
hat man ihnen damit auch die Zeit genommen, ihre eigene
Situation zu reflektieren. Sie wurden einer Gehirnwäsche
unterzogen. Das wird, glaube ich, die schwierigste Aufgabe
im Falle einer Vereinigung mit Südkorea sein. Die ökonomischen und sozialen Probleme lösen sich irgendwie. Aber
die Gehirnwäsche einer ganzen Nation wird zukünftig ein
großes Problem werden. Nordkorea ist heute eigentlich
kein „pseudoreligiöses“ Phänomen mehr, auch wenn es
nach außen vielleicht noch als solches gesehen werden
kann. Das eigentliche Problem ist vielmehr ein ideologischhumanistisches.
Interview und Übersetzung: Malte E. Kollenberg
1 Juche ist eine vom Gründer des nordkoreanischen Staates entwickel-
te Ideologie. In Nordkorea wird sie mit „Autarkie“ oder „Selbstständigkeit“ übersetzt. Absolute Loyalität gegenüber der kommunistischen
Partei und besonders dem Führer des Landes wird darin propagiert.
Park Jong-gou, Professor für Religionsstudien an der Sogang Universität, in seinem Büro.
Seine Hauptforschungsfelder sind Dogmatismus und Systematische Theologie.
62
Foto: Malte E. Kollenberg
Das ist eine Idee, die von der nordkoreanischen Regierung
unter das Volk gebracht wird. Auch als Kim Il-sung tot war,
sollte er auf diese Weise in den Gedanken der Menschen am
Leben gehalten werden.
Jetzt, wo Kim Jong-il gestorben ist, halte ich es für fragwürdig, dasselbe Prinzip auch hier anwenden zu können. Kim
Jong-il lebendig in den Gedanken der Bevölkerung? Er war
als Machtfigur respektiert, aber nicht als ideologischer Dogmatiker. So gesehen hat sich viel getan seit Mitte der 1990er
Jahre. Das religionsartige System liegt heute in Scherben.
KALEIDOSKOP
Gedichte
MISSION IN SEOUL (2005)
MEGAMETROPOLENBUCHHANDLUNG (2006)
Seoul, nationalfeiertag
Über den nächtlichen hochhausblöcken
christuskreuze, neonlichtumrandet
in rot, gelb, weiß, ein Disneyhimmel geöffnet
rund um die uhr
Schon hinter der tür
abwesend anwesende,
lesend
An den regalen lehnend, sitzend
auf dem fußboden, in der kapuze
den schlafenden säugling
SEOUL, KÖNIGSPALAST (2005)
Auf den dächern, unterwegs zu den Heiligen schriften,
mönch,
affe,
drache,
schwein
und fabelwesen
Im gänsemarsch entlang den winkelfirsten
in die vier richtungen der welt
Alle wege führen zu Buddha
Die dachtraufenbögen
scheinen geschnitten
nach seinem lächeln
Seiende
im fernen kosmos ihrer sprache,
in der man
nicht erblickt, sondern
es sich zeigt
In der man
nicht hört, sondern
dem ohr es sich mitteilt
In der man nicht fühlt, sondern
besitz es ergreift
von der seele
Der mensch ist nicht
der handelnde, das handeln
vollzieht sich
Alles wird gelenkt
durch das tao, den
weg
Nur du auf dem weg zu den büchern
mußt deine schritte lenken,
hinwegsteigen, dich
schlank machen,
bis auch du
in diesem lesehungerlabyrinth dich fragst,
wie herum die welt fließt
© Jürgen Bauer
Reiner Kunze, lindennacht. gedichte. 3. Auflage August
2008, © S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2007
ISBN 978-3-10-042024-4
Reiner Kunze wurde 1933 in Oelsnitz im Erzgebirge geboren. Er studierte Philosophie und Journalistik in Leipzig und siedelte 1977 in die Bundesrepublik über. Für sein umfassendes lyrisches, essayistisches und erzählendes
Werk erhielt Reiner Kunze zahlreiche Literaturpreise, darunter den Georg-Büchner-Preis, den österreichischen Georg-Trakl-Preis und den Friedrich-Hölderlin-Preis. Seine Lyrik und Prosa wurden in dreißig Sprachen
übersetzt.
63
KALEIDOSKOP
Obdachlos in Korea
Von Su-Zi Schütz
W
ann immer ich zur U-Bahn-Station gelaufen bin,
saß die alte Frau unter der U-Bahn-Brücke der
Sookmyung Women’s University. In sich zusammengekauert, frierend und den Kopf mit dem Blick zur Erde
geneigt. Nur mit einer Pappmatte als Sitzunterlage und
einem dünnen Tuch als Kopfbedeckung trotzt sie jedem
noch so kalten Wetter und sitzt täglich an der gleichen
Stelle. Jedes Mal, wenn ich sie gesehen habe, ging ich in
den nächsten Laden, um ihr etwas Warmes zu trinken und
Schokolade oder etwas zu essen zu kaufen. Dies übergab
ich ihr in einer Tüte und legte noch ein wenig Geld dazu. Sie
blickte dann immer zu mir auf, sodass man für einen kurzen
Augenblick ihre weißen Haare aus dem kärglichen Kopftuch
hervorstechen sehen konnte. Ihre Haut war vom Wetter und
vom Leben auf der Straße ganz blass und erschlafft. Ihre
erschöpften Augen schauten mich jedoch jedes Mal mit
einem dankbaren Lächeln an und sie wiederholte immer
wieder die Worte „감사합니다, 감사합니다!“ [Gamsahamnida! Gamsa-hamnida!, Danke! Danke!].
Auch bei minus siebzehn Grad harrt diese arme Frau von
64
Höchstwahrscheinlich hat tragischerweise eine andere Obdachlose diesen
Winter ein tödliches Ende gefunden.
Die Frau von Noksapyeong. Sie war
es, die im vergangenen Sommer zum
ersten Mal meine Aufmerksamkeit
für Obdachlose in Korea geweckt
und mein Herz berührt hatte. Zuvor
noch in einer Universitäts-CampusWolke von einer heilen Scheinwelt
umgeben, habe ich auch andere,
harte, reale Seiten Seouls kennengelernt. Eine Frau in ihren Fünfzigern,
die tagtäglich auf einer Bank neben
einer viel befahrenen Straße schlief
oder saß, neben ihr immer ihr kleiner,
abgenutzter Einkaufstrolley. Ihre Pantoletten, die sie auch
bei Minusgraden noch trug, lagen stets neben der Bank auf
dem Boden. Sie trug täglich dieselbe Kleidung. Als es kälter
wurde, hatte sie eine dünne rote Jacke und eine spärliche
gelbe Haube auf. Dieser traurige Anblick traf mich so sehr,
dass ich bis heute keine wirkliche Ruhe mehr finde. Niemals
sah ich sie lächeln. Niemals war sie freundlich. Anfangs
hatte ich ihr immer etwas hingelegt, während sie schlief. Als
ich versuchte, ein Gespräch mit ihr anzufangen, unterbrach
sie mich sofort und sagte nur barsch: „Ich habe nichts zu
sagen.“ Erst war ich etwas getroffen, doch das hinderte mich
nicht daran, ihr weiterhin etwas zu geben. Sie musste etwas
sehr Schlimmes in ihrem Leben erlebt haben, dass sie so
verbittert reagierte. Ich sah auch, wie sie einmal Monologe
ins Leere sprach. Aber egal, wie sehr sie sich sträubte und
sagte: „Ich brauche nichts“, ich blieb stetig und legte ihr
dennoch eine Tüte mit Essen, Getränken und Geld hin und
ging schnell weiter. An manchen Tagen sagte sie sogar gar
nichts zu mir und schaute mich nur verwundert an. Aus der
Foto: Su-Zi Schütz
etwa neun Uhr morgens bis vierzehn
Uhr nachmittags aus. Wo sie danach
hingeht, weiß ich nicht. An einem dieser bitterkalten Tage im Dezember bin
ich an ihr vorbeigegangen und habe
ihr meine tägliche Spende hingelegt,
als ich bemerkte, dass sie sich zum ersten Mal nicht bedankt hat. Das machte
mich stutzig. Darum ging ich nochmals zurück und habe sie angetippt,
um zu schauen, ob es ihr gut geht. Sie
war eingeschlafen, was tödlich enden
kann bei dieser Kälte.
Fotos: privat
Su-Zi Schütz ist
Halbkoreanerin, kommt
aus Berlin und hat
im letzten Jahr ihren
Master in Kommunikations- und Medienwissenschaften an der TU
Berlin abgeschlossen
(Masterarbeit mit
dem Thema „Korea
als Medienkonstruktion? Vorstellungen
von Gesellschaft und
Geschichte von Auslandskoreanerinnen“).
Danach ging sie für
neun Monate (März bis
Dezember 2011) nach
Seoul, um dort an der
Yonsei-Universität ihre
Koreanischkenntnisse
zu erweitern und das
Land und die Kultur
besser kennenzulernen.
Ferne beobachtete ich dann, wie sie die Banane
schälte und hungrig aß. Je kälter es wurde, desto
größere Sorgen machte ich mir um sie und ihre
Gesundheit. Tagsüber sah ich, wie sie auf einer
Bank in der U-Bahn-Station schlief, statt draußen
in der Kälte. Aber diese schließt immer von etwa
23.30 Uhr bis 5.00 Uhr. Somit müsste sie knapp
sechs Stunden draußen in der Kälte überstehen.
Also kaufte ich ihr nach und nach Socken, Handschuhe und gab ihr einen Wollschal von mir. Ich
konnte nur hoffen, dass sie diese Dinge annahm
und benutzte. Einmal sah ich, wie sie nachts in
Itaewon mit ihrem Einkaufstrolley herumlief. Sie
hatte den Schal um. Ich hätte ihr gerne noch viel
mehr geholfen und ein warmes Heim angeboten. Eine Freundin, die ich nach meiner Rückkehr
nach Deutschland gebeten habe, nach ihr zu
schauen, hat sie seit Wochen nicht mehr angetroffen. So bleibt mir nur die traurige Vermutung,
dass sie verstorben sein muss, da sie sonst bei
jedem Wetter an jedem Tag dort war.
Nach der großen Wirtschaftskrise 1997 in Korea
stieg die Zahl der Obdachlosen immens an.
Laut einer Studie der Seoul National University
kommen Schätzungen zufolge jährlich 5.000
neue hinzu. Der Großteil der Obdachlosen hält
sich am Hauptbahnhof Seoul Station auf. Obdachlosenheime gibt es zwar, doch bieten diese
oft nur temporäre Aufenthalte und zu wenige
Schlafplätze an. Außerdem zeichnen sie sich
häufig durch unzureichende Ausstattung und
Sicherheit aus. Es gibt zwar Organisationen, die
Essen verteilen oder anderweitig helfen, aber
diese haben, soweit ich recherchiert habe, fast
alle einen kirchlichen Hintergrund. Das soll nicht
negativ klingen, doch schrecken diese Tatsache
und die strengen Regeln der Wohnheime einige
Obdachlose ab. Es gibt demnach auch einen großen Bedarf an Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (NRG), die sich der Obdachlosen
annehmen. Eine Bekannte teilte mir mit, dass der
neu gewählte Bürgermeister Seouls, Park WonSoon, in diesem kalten Winter Schlafsäcke an
Obdachlose der Seoul Station verteilen ließ. Das
ist sicherlich ein erster Schritt, aber es ist noch
ein langer Weg zu gehen, wenn man diesen Menschen effektiv und dauerhaft helfen möchte.
Wenn es nicht-kirchliche Organisationen gibt, die
sich engagieren, dann sind es ausländische. Ich
bin durch Austauschstudenten auf eine Gruppe
aufmerksam geworden und habe in einer Suppenküche und beim Verteilen von Essenspaketen
an die Obdachlosen mitgeholfen. Dabei handelt
es sich um eine Gruppe von Freiwilligen, die sich
„PLUR“ (= Peace Love Unity Respect) nennt, und
der man auf Facebook beitreten kann, um so zu
den aktuellen Aktionen eingeladen zu werden.
Sie arbeiten auch ehrenamtlich in Waisenheimen
mit. Natürlich sind auch einige der Hauptakteure
Koreaner, aber es ist erstaunlich, dass zu den
Hilfsaktionen hauptsächlich Ausländer kommen.
Ein Koreaner hilft öfter mit seiner Tochter beim
Verteilen der Essenspakete an Sonntagen. Das
ist sehr vorbildlich. Als ich eine Gruppe von
Mittelstufenschülern in Seoul gefragt habe, was
sie an ehrenamtlicher Arbeit leisten, hat niemand
etwas von der Unterstützung für Obdachlose
erwähnt. Korea legt an sich viel Wert auf ehrenamtliche Arbeit, aber der Fokus liegt eher bei
den Kindern als bei den obdachlosen älteren
Menschen. Leider erreichen ehrenamtliche Helfer
wie die von PLUR auch meist nur die männlichen
Obdachlosen, da sich die Frauen oft aus Angst
vor Gewalt und Missbrauch der Männer zurückgezogen haben und an unbelebteren Orten
als der Seoul Station aufhalten. Gegenseitiges
Bestehlen und Missbrauch unter Obdachlosen
sind leider keine Seltenheit. Auch die gemischten Wohnheime werden darum häufig von den
Frauen gemieden. Da es aber bisher wohl nur ein
Frauenwohnheim in Seoul gibt, ist der Bedarf zur
Unterstützung obdachloser Frauen sehr hoch.
Der letzte Standort dieses Frauenwohnheims
soll nicht einmal über gefiltertes Leitungswasser
verfügt haben. Die Zustände sind auf jeden Fall
verbesserungswürdig. Dieses abermals kirchlich
geleitete Wohnheim bietet Frauen eine Unterkunft, die meist psychische Probleme haben und
daher kein normales Leben führen können, weil
sie von der Familie oder der Gesellschaft ausgestoßen werden. Zurzeit befinden sich dort laut
Angaben auf der Homepage 199 Frauen.
Obdachlos sein, das ist ein totgeschwiegenes
Thema in Korea. In einem Land, wo nichts mehr
als der Status zählt, wo jeder das beste Auto, das
neueste Handy und die Tasche von Louis Vuitton
haben muss. Dabei werden die Menschen, denen
es nicht so gut geht, schnell übersehen.
Eine koreanische Freundin hat mir in ihrem Brief
anlässlich meines Abschieds aus Korea geschrieben, wie dankbar sie sei, dass ich ihr durch
Gespräche wieder die Augen für etwas geöffnet
habe, das sie über die Jahre hinweg übersehen
hatte: das Leid der Obdachlosen, an denen sie
täglich vorbeigeht, aber die sie nicht mehr wahrgenommen hatte.
65
EXTRAWELT
Neil Dowling (Text) und Nils Clauss (Fotos)
Mehr als 16.000 Nordkoreaner leben im Bruderstaat Südkorea. Schlecht gerüstet für ein Leben in
einem hochtechnisierten Land, versuchen sie, ihre Identität zu finden
Die Schule
Fotos: privat
Die Sennet-Schule in Seoul befindet sich nur wenige Minuten von den Glas- und Betontürmen
des Geschäftsviertels Yeouido entfernt, und ist doch eine halbe Weltreise weit weg. Im zweiten
Stock des etwas verfallenen, vierstöckigen Gebäudes leitet Park Sang Young eine „Bildungsgruppe“. Der Direktor nimmt Jugendliche auf, die vor dem repressiven Regime des Nachbarstaats geflohen sind. In seiner Schule beginnen die jungen Nordkoreaner, sich ein neues Leben
aufzubauen. Und werden dabei mit der Erkenntnis konfrontiert, dass die lang ersehnte Freiheit
auch viele Herausforderungen mit sich bringt.
Neil Dowling ist
irischer Journalist und
Filmemacher und lebt
in Korea. Er hat für
eine Reihe irischer
und internationaler
Medien über Film,
Kultur und Künste
geschrieben. Sein
Debüt-Spielfilm „Finding Joy“ wurde Ende
Februar 2012 beim
Dublin International
Film Festival gezeigt.
Gemeinsam mit Nils
Clauss produziert er
für Contented Films
Musikvideos und
Commercials.
Die meisten Schüler sind schlecht gerüstet für die Härten des südkoreanischen Bildungswesens,
das stark auf Konkurrenzkampf ausgerichtet ist. Zwar sprechen Koreaner auf beiden Seiten
dieselbe Sprache, doch haben 60 Jahre der Teilung auch eine sprachliche Kluft geschaffen. Das
kommunistische Regime im Norden hat jeden fremden Einfluss auf die Sprache abgeblockt,
während im Süden inzwischen viele Worte englischen Ursprungs gebraucht werden. Die Benutzung von Mobiltelefonen und Computern müssen die jungen Leute neu lernen. Südkorea
gehört zu den technologiegläubigsten Gesellschaften der Welt, da kann man sich vorstellen,
was es für einen Nordkoreaner heißt, dort mithalten zu können.
Zwischen der Schulküche und dem Ruheraum hängen Bilder und Zeichnungen der Schüler. Das
vorherrschende Thema ist, wenig überraschend, „Heimat“. Die Motive sind immer idyllisch: Sonne scheint über einem blauen Himmel, man sieht Gärten, Bäume, blühende Blumen. Vielleicht
symbolisieren diese Bilder den fortwährenden Einfluss eines Landes, in dem Kunst ein wesentliches Mittel der Idealisierung ist, vielleicht manifestiert sich in ihnen auch nur die Sehnsucht
nach einem besseren Leben. Die meisten Flüchtlinge haben viel Leid erlebt auf ihrem Weg in
die Freiheit, und die Narben sitzen tief.
Im Ruheraum haben sich die Schüler zu einer Abschlussfeier versammelt. Lee Eun-hee, eine
junge Frau, die eine lange Irrfahrt durch China und die Trennung von ihrer Familie hinter sich
hat, bekommt einen Preis für herausragende Noten. Als der Direktor das Mädchen nach dem
Sinn des Lernens fragt, antwortet Eun-hee: „Ich fühle mich dadurch menschlicher.“
Der Arbeiter
Der Kulturschock beginnt in China. Die meisten Nordkoreaner fliehen über den Fluss Tumen,
der zwei Drittel der 1400 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Ländern ausmacht. In
China angekommen, müssen sie ein Schattendasein fristen. Von den Chinesen werden Nordkoreaner eher als Wirtschaftsflüchtlinge betrachtet denn als politisch Verfolgte. Werden sie
gefasst, bringt man sie zurück in ihre Heimat, trotz der schweren Strafen, die die Flüchtlinge
dort erwarten.
Choi Sang-oh ist 26 Jahre alt. Nach fünf Jahren in China und einem Jahr in einem nordkoreanischen Gefängnis hat er es schließlich in die südkoreanische Hauptstadt Seoul geschafft. Dort
bemühte er sich direkt um Arbeit, statt sich um eine Ausbildung zu kümmern. Sein kümmerli-
66
ches Dasein zwischen einer Reihe schlecht bezahlter Jobs war weit entfernt von dem glamourösen Leben mit glänzenden Autos und schicken Anzügen, die er in den koreanischen Musikvideos und Seifenopern in China gesehen hatte.
Wenn er sich um einen besseren Job bemühe, sagt Sang-oh, werde er meist mit Vorurteilen
konfrontiert. „Es gab natürlich Fälle, in denen südkoreanische Bewerber besser qualifiziert
waren als ich. Aber bei vielen Jobs, die keinerlei besondere Fähigkeiten erforderten, wurde ich
einfach übergangen. Ich habe mich oft unsichtbar gefühlt.“
Heute ist Sang-oh gut gelaunt: Er arbeitet jetzt für eine Organisation, die anderen Nordkoreanern hilft, nach Südkorea zu fliehen. Der junge Mann macht gern Scherze, auch an Tagen,
an denen er traurig ist. Diese Traurigkeit wird wohl nie ganz verschwinden, solange er keinen
Kontakt zu seiner Familie hat und nicht weiß, ob es den Angehörigen gut geht. Andere Leute
zum Lachen zu bringen ist sein Überlebensmechanismus. Sang-oh weiß, dass seine Erwartungen an Südkorea naiv waren, aber er ist immer noch überzeugt davon, etwas erreichen zu
können, wenn er nur weiter hart arbeitet.
Der Glaube
Im Gemeindehaus der Mission in einer lebendigen kleinen Nebenstraße abseits der Hauptverkehrsadern Seouls fühlt Ha-na sich zu Hause. Neben ihrem Studium arbeitet die junge Frau
bei der Gemeinde, sie setzt ihre Sprachkenntnisse ein, um anderen bei der langen Reise durch
China zu helfen; eine Reise, die für sie selbst mehr als sieben Jahre dauerte – inklusive Arrest,
Abschiebung und Internierung in einem nordkoreanischen Arbeitslager.
Der Gründer der Mission, Reverend Chun, weiß, dass viele Flüchtlinge hauptsächlich in seine
Kirche kommen, um Schutz und Beistand zu erhalten. Für Ha-na ist der Glaube jedoch fundamental wichtig geworden. Er verleiht ihr eine Zugehörigkeit, die über die Nationalität hinausgeht.
„In Nordkorea haben die Menschen keinen Bezug zu Gott“, sagt Ha-na. „In Nordkorea ist Kim
Jong-il der Gott.“1 Sie möchte das gerne ändern und hofft, eines Tages in ihre Heimatstadt
Chongjin im Nordosten Nordkoreas zurückzukehren und den Menschen dort von Jesus Christus erzählen zu können.
Im Moment ist Ha-na zufrieden mit ihrem Leben, das sie sich in Seoul aufgebaut hat. Weder
schämt sie sich für ihre Herkunft noch ist sie besonders stolz darauf. Aber tief in ihrem Herzen,
sagt Ha-na, vergesse sie nie, woher sie komme. So ertappe sie sich zum Beispiel dabei, dass
sie für den Norden jubelt, wenn Nord- und Südkorea gegeneinander Fußball spielen. Dieses
Gefühl basiere auf der Zuneigung für die Menschen, mit denen sie aufgewachsen ist. Nicht auf
der Loyalität zu einem Regime, dessen Führer sich selbst zum Gott erklärt haben.
1
Das Gespräch wurde vor dem Tod Kim Jong-ils geführt (Anm. d. Red.).
Fotos: privat
Park Ha-na passt nicht ganz zu ihren Kommilitonen an der Hangkuk-Universität in Seoul. Die
Chinesischstudentin möchte einfach sie selbst sein, daher ändert sie auch ihren Akzent nicht.
Mit 29 Jahren ist sie die Älteste in ihrem Studienfach. Obwohl sie einige Bekanntschaften an
der Uni hat, ist ihr sozialer Halt die Kirche. Vor allem christliche Gruppen wie die Durihana-Mission unterstützen Zugezogene aus Nordkorea wie Ha-na. Die evangelische Bewegung verfolgt
das ehrgeizige Ziel, „Korea durch Gospel zu vereinigen“.
Nils Clauss, geboren
1976, lebt und
arbeitet seit Ende
2005 als Fotograf und
Filmemacher in Seoul.
Urbaner Raum und
Architektur sind seine
wesentlichen Themenschwerpunkte.
Kontakt und weitere
Infos unter:
www.nilsclauss.com
67
Fotos: Nils Clauss
Einrichtungen wie die Sennet Schule in Seoul helfen jungen Einwanderern aus Nordkorea, sich im Nachbarland zurechtzufinden.
Die Karte, die hier zu sehen ist, zeigt die Provinzen sowohl Süd- als auch Nordkoreas.
Der Grenzverlauf zwischen beiden Staaten ist grafisch kaum erkennbar.
In der Realität sind die Barrieren zwischen den Bewohnern der beiden Bruderstaaten umso höher.
Sennet school, Seoul 2009
68
Ein Schüler der Sennet Schule. Aus Angst, ihre Familien in Nordkorea könnten für ihre Flucht bestraft werden,
zeigen sich die wenigsten Flüchtlinge öffentlich.
Sennet school, Seoul 2009
69
Die 29-jährige Studentin Park Ha-na hat ihre Heimat in der Durihana-Kirche gefunden. Sie hofft,
eines Tages als Religionslehrerin nach Nordkorea zurückkehren zu können.
Durihana church, Seoul 2009
70
Park Ha-nas Sitzplatz im Studien- und Aufenthaltsraum der Durihana Kirche in Seoul.
Durihana church, Seoul 2009
71
KULTUR
KLTI Essay-Wettbewerb: „Meine Eindrücke beim Lesen koreanischer Literatur“
Textgrundlage: Kim Young-ha: „Schwarze Blume“
Beitrag des zweiten Preisträgers
Das Vaterland, das Transnationale, die Identität:
Alles löst sich auf
Von Edgar Vogel
Foto: privat
K
Edgar Vogel wurde
1978 in Hamburg
geboren und studiert
Sinologie und
Japanologie an der
Universität Hamburg. Er absolvierte
Studienaufenthalte an
der National Taiwan
University (Taiwan)
und der Nanjing
University (China)
und übt eine Übersetzertätigkeit für
Englisch, Chinesisch
und Japanisch aus.
72
im Ijong, die Hauptfigur von Kim Younghas Roman „Schwarze Blume“, ist ein
weißes Blatt. Er ist eine Waise, die nicht
einmal die Namen ihrer Eltern kennt. Von
einem fahrenden Händler aufgezogen, erhält
er seinen Namen erst bei der Eintragung in
die Passagierliste des Schiffes, das ihn und
eintausend andere Auswanderer Anfang des
letzten Jahrhunderts von Korea nach Mexiko
bringt. Dieses weiße Blatt, dessen Heimatland,
in dem es selbst nie ein Zuhause hatte, verschwindet, ist Kim Young-has Versuchsobjekt
für seine Experimente mit der Identität und
dem Gefühl der Zugehörigkeit.
Ijong sucht nach seinem Platz in der Welt.
Während viele der Auswanderer in der
Erzählung ihr Schicksal ertragen, klagend
aber widerstandslos, strebt er stets vorwärts.
Während die anderen Auswanderer den Kontakt mit der ausländischen Besatzung meiden,
dient er sich der Kombüsencrew an. Er fühlt
sich wohl in der Männerwelt der Schiffskombüse, als einziger Koreaner unter japanischen
Köchen. Später geht er gleichermaßen auf in
der Männerwelt der Armee von Pancho Villa,
als einziger Koreaner unter mexikanischen
Soldaten. Zwischendurch war er aus der Vertragssklaverei einer Hazienda geflohen und
hatte sich zu Fuß durch das ganze Land bis
zur US-amerikanischen Grenze geschlagen.
Erst der ausbrechende Bürgerkrieg in Mexiko
hindert ihn an der Weiterwanderung in die
USA. Schließlich übernimmt er, nach Villas
Niederlage, die Führung einer koreanischen
Söldnertruppe in Guatemala und versucht,
dort einen eigenen Staat zu gründen. Ob
unter den Smutjes auf dem Schiff, in der
Armee oder im eigenen Zwergstaat: stets ist
Ijong auf der Suche nach Zugehörigkeit, nach
einer gefühlsmäßigen Heimat. Erst sein Tod im
Dschungelkrieg mit den guatemaltekischen
Streitkräften beendet sein Streben: „[I]n dieser
brüllend heißen und feuchten Dampfmaschine namens Dschungel [würde sich] letzten
Endes alles auflösen: Menschen, Verträge,
Völker, Nationen, ja selbst Traurigkeit und
Hass.“ (S. 425)
Parallel zur Haupthandlung, der Geschichte
der Auswanderer in Mexiko, wird der sich
gleichzeitig in der alten Heimat abspielende
Untergang des koreanischen Staates beschrieben. Der koreanische Widerstand gegen die
japanische Besatzung wird parallel gesetzt
zum Widerstand der Maya gegen ihre weißen
Herren, der Untergang Koreas zum Untergang
der alten Maya: „Ijong selbst dachte an die
vielen Königreiche der Maya, die hier in Tikal
gegründet worden waren. Nur Ruinen waren
von ihnen übrig geblieben. Es deprimierte
ihn, dass sie alle hatten zugrunde gehen
müssen.“ (S. 432)
Die Bedeutung des nationalen Kampfes der
Koreaner wird so in einen weltweiten und
welthistorischen Zusammenhang gestellt, im
gleichen Zuge aber auch relativiert. Koreas
Schicksal von Bedrohung, Untergang und
Teilung ist nicht einmalig, sondern nur ein nationales Schicksal neben anderen. Das Ringen
der Koreaner um ihr Land lässt die Mexikaner
kalt: „Sie konnten Ijongs Wut gut nachempfinden und schimpften auf das Unrecht in der
Welt. Aber schon bald ließ ihr Interesse an
dem so fernen Land im Osten deutlich nach,
zumal es ja nicht einmal mehr existierte.“ (S.
345)
Auch sonst marschiert Kim Young-ha in der
„Schwarzen Blume“ in die transnationale Richtung. Alles ist da: Sprachenvielfalt (Koreanisch,
Chinesisch, Japanisch, Englisch, Spanisch
und das Mayathan von Yucatán), Mischehen,
Mischlingskinder, Migration (legale, illegale, an der Grenze aufgehaltene, geglückte,
Kettenmigration), verschiedene Stufen der Akkulturation.
Allerdings ist das Verhältnis des Romans zur Transnationalität nicht ungebrochen positiv. Die Darstellung
der beiden koreanischen Dolmetscher, die zwischen
Koreanern und Mexikanern vermitteln, steht ganz in der
Tradition der Kritik am Kompradorentum. Die Erzählung
vermittelt dem Leser, dass die Position des Mittelmanns
zwischen mexikanischen Haziendero und asiatischem
Arbeiter zwangsläufig zwielichtige Gestalten anzieht oder
erschafft.
Kim Young-has Roman vereinigt Versatzstücke eines
älteren nationalistischen Diskurses und eines jüngeren
Bewusstseins, eines Diskurses, der sich im Klaren ist, dass
der nationalistische Diskurs eben ein Diskurs ist. Es handelt sich also um einen Metadiskurs über den nationalistischen Diskurs. Gleichzeitig kann dieser Metadiskurs aber
nicht seinen Ursprung in diesem nationalistischen Diskurs
völlig abschütteln.
Das Vaterland wird immer wieder von den Protagonisten
in den Mund genommen, der Erzähler enthält sich aber
jeden Kommentars. Alle Hoffnungen auf das Vaterland,
auf die Rettung durch das Vaterland, auf die Rettung
des Vaterlands durch einen selbst, auf die Rückkehr ins
Vaterland, auf die Neugründung des Vaterlands an einem
anderen Ort werden zunichte gemacht.
Wer sich für das Vaterland opfert, opfert sich sinnlos. Aber
lösen kann sich der Roman von der nationalen Idee auch
nicht, sie erscheint sinnlos und zugleich alternativlos.
„Offenbar war es [die Gründung eines eigenen Vaterlandes im guatemaltekischen Regenwald] Ijongs tiefinnerer
Wunsch und nicht das Ergebnis einer logisch schlüssigen
Überlegung.“ (S. 419 f.)
eine Parodie des Nationalstaatsgedankens verstanden
werden, mit dem Söldnerführer Changyun als dem Typ
des opportunistischen Politikers, für den nationale Politik
ein Mittel zur Förderung seines eigenen Fortkommens ist,
und Ijong als dem Typen des gläubig-emotionalen Idealisten, der die Nation braucht, um sich zugehörig zu fühlen.
Es ist eine Parabel auf das sinnlose Scheitern dieser Idee.
Der Opportunist Changyun flüchtet rechtzeitig und sucht
seine Karriere anderswo weiterzuführen. Der Idealist
Ijong opfert sich im ergebnislosen Dschungelkampf und
seine Leiche verschwindet spurlos im Sumpf: Das ist der
Endpunkt der Suche des Romanhelden, der Endpunkt, der
schon in der Vorausblende auf der ersten Seite des Werks
angedeutet wird.
Die nationalistischen Gewissheiten sind verlorengegangen, und daraus hat der Autor eine Leidensgeschichte
gemacht. Das Leiden aber ist bei ihm ironisiert, es gibt
kein Martyrium, keinen Sinn. Eine Alternative zeichnet
sich vielleicht im Transnationalen ab, aber festlegen lässt
sich Kim Young-ha da auch nicht.
Ähnlich wie mit der Nation verfährt Kim Young-ha mit der
anderen großen heiligen Kuh: der Familie. Die Familie Yi,
die zu Anfang vorbildlich die Tugenden des Adels vorführt, bricht unter dem Druck der Verhältnisse zusammen.
Es sind aber nicht allein die Verhältnisse, die die Familie
zerstören, auch ihr Festhalten an der sinnlos gewordenen
konventionellen Tugendhaftigkeit zerstört sie. Demgegenüber stehen neue Formen der Familie: Mischehen,
standesübergreifende Beziehungen, Adoption, Stiefkinder.
Wenn ich sage, Kim Young-ha könne seinen Ursprung
im nationalistischen Diskurs nicht abschütteln, heißt das
nicht, dass Kim Young-ha an diesen Diskurs glaubt. Er ist
sich bewusst, dass es sich um einen Diskurs handelt, formuliert seine Gedanken aber von diesem Anfangspunkt
aus kommend. Das guatemaltekische Neukorea kann als
73
KULTUR
Transfer Korea - NRW 2011/12/13
Das 9. Internationale Künstler- und Kunstaustauschprogramm
제9회 국제예술교류프로그램
Luka Fineisen Menue in the pump-swamp, 2005
Thickened and milk shake colored fluid, pump, slowly
ascenting, big ait bubbles and their popping sound in the
room, friends in gumboots eating cream-white food
74
© Seoung Won Won
Seoung Won Won, Tomorrow-Village of dogs, 2008, c-print, 120x200cm
Von Dr. Christian Esch
D
© Luka Fineisen
er Kunst- und Künstleraustausch-Transfer blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Ins Leben
gerufen wurde er 1989, als Deutschland noch
aus zwei Teilen bestand. Tatsächlich verdankt
sich auch der Name des Austauschprojekts
der Beziehung zwischen den beiden deutschen Staaten: Denn es war im Kalten Krieg
der Transfer von Personen und Waren durch
die wenigen Maschen des schier undurchdringlichen Eisernen Vorhangs hindurch, der
das vielleicht wichtigste, jedenfalls für die
Menschen wirksamste Instrument war, diese
Teilung praktisch erträglicher und auch politisch beweglicher zu gestalten. Die Parallelen
zu der schwierigen politischen Situation der
schmerzhaft geteilten koreanischen Halbinsel
drängen sich natürlich auf.
Als dann 1990 der erste Kunst- und Künstleraustausch zwischen dem größten westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen und
DDR-Künstlerinnen und -Künstlern realisiert
wurde, war die Mauer bereits gefallen und
der Prozess der Vereinigung in vollem Gange. So viele Länder dann noch folgten, von
Polen bis Israel, von Italien bis Spanien, bei
allen Anpassungen und Veränderungen in
der Arbeitsweise und Projektstruktur über die
Jahrzehnte hinweg, blieb doch der zentrale
Gedanke lebendig, künstlerische Beziehungen
zwischen Menschen und Institutionen in den
Mittelpunkt zu rücken. Denn nicht abstrakte
politische und wirtschaftliche Setzungen sind
hier ausschlaggebend, sondern das konkrete
Interesse und die ganz eigene Kompetenz der
Menschen und Einrichtungen, der Künstler
sowie der Museen mit ihren Kuratoren und
ihrer lokalen Infrastruktur.
Nach dem Prinzip „Buttom up“ statt „top
down“ ist insgesamt die Arbeit des NRW KULTURsekretariats angelegt, dieses Verbundes
der 21 großen Städte Nordrhein-Westfalens
(NRW). Aufgreifen, verbinden und initiieren:
Diese Arbeitsweise korrespondiert mit der
besonderen polyzentrischen Struktur des 18
Millionen-„Landes der Städte“, die wohl auch
in Seoul und Umland von Bedeutung ist. Von
Anfang an entfaltet dieser Ansatz auch für
die Initiative dieses Transfers Wirkung, bei der
Entwicklung der Projektdramaturgie ebenso
wie beim Zusammenführen der in- und ausländischen Partnermuseen. Auch im weiteren
Verlauf wird das Projekt vom Dialog mit und
unter den Partnern sowie den gemeinsam
ausgewählten Künstlern aus beiden Ländern
geprägt sein. Gestaltend moderiert und
75
Fotos: privat
Dr. Christian Esch
Direktor NRW KULTURsekretariat
gesteuert durch das NRW KULTURsekretariat,
entsteht auch im Transfer eine Konstellation,
die der ungeheuer vielfältigen und dichten Kulturszene NRWs mit ihren zahllosen
einzelnen städtischen und regionalen Szenen
entspricht. Die vergangenen erfolgreichen
Transfers belegen es eindrucksvoll: Auf diese
Weise kann es gelingen, mit ausländischen
Partnern sowie mit deren Kultur und ganz
eigener Kompetenz zu kooperieren und auf
dieser Grundlage von Vielfalt ein gemeinschaftliches Projekt zu entwickeln - so auch
mit Südkorea.
Als dieses ferne Land mit seiner ganz eigenen
großen Kultur und Geschichte Partner des 9.
Kunst- und Künstleraustauschs Transfer wurde,
war das natürlich ein Schritt von besonderer
Reichweite. Denn obschon der Transfer bereits
ein Mal an die asiatische Tür geklopft hatte, als
nämlich von 2005 - 2007 der Austausch mit
der Türkei auf dem Programm stand, war doch
niemals zuvor ein Land außerhalb des europäischen Kulturraums Partner. Und doch liegt
Korea näher, als es zunächst den Anschein hat.
Und das nicht nur, weil mit der Globalisierung
die Weltkugel bekanntlich zusammenschnurrt.
Viel bedeutsamer ist, dass es zwischen Korea
und Deutschland eine besondere kulturelle
Verbindung gab und weiterhin gibt, lange
bevor das Schlagwort Globalisierung überhaupt aufkam. So ist die von Düsseldorf und
Wuppertal ausgehende Fluxus-Kunst wesentlich mit dem Videokünstler Nam Jun Paik verbunden, und der Komponist Isang Yun lebte
viele Jahre in Deutschland. Ganz zu schweigen
davon, dass an deutschen Akademien, Hochschulen und Universitäten koreanische Studierende seit Jahrzehnten zum Alltag gehören.
Vor allem: Während Korea schon lange mit der
westlichen Kunst vertraut ist, gilt es endlich,
die aufregende und dynamische koreanische
Kunstszene mit ihren eigenständigen Positionen hierzulande zu entdecken.
Ohne Anmaßung darf gesagt werden, dass mit
dem Transfer korea-nrw 2011-2013 eine neue
Stufe der kulturellen Verbindungen zwischen
beiden Ländern und damit der Kenntnis
voneinander beschritten wird. Schon die erste
Phase des Transfers, vor allem die Künstlerauswahl, hat im Spannungsfeld von Identität
und Differenz zweier kultureller Welten zu
76
einem intensiven, interkulturellen Dialog und
zu einem engagierten Austausch von Positionen geführt. Vor allem aber kommt es zur
angesprochenen Verbindung zwischen den
Menschen und Institutionen, die als Grundlage nicht nur für die Zeit dieses Kunst-und
Künstleraustauschs dienen wird, sondern auch
für Entwicklungen weit darüber hinaus. Wie
schon die vergangenen Transfers, so wird auch
wieder dieser aktuelle Dialog zwischen so
unterschiedlichen Szenen wie NRW und Seoul
belegen, welche langfristigen Prozesse jene
Kunst des Zusammenarbeitens in der Kunst
auslösen kann, die im Wesentlichen selbst
einen kommunikativen Prozess darstellt.
Welche Wirkungen es sind, die für die ausgewählten Künstler, für die sechs Kuratoren und
die beteiligten Museen sowie für alle anderen
Partner von diesem Projekt ausgehen werden; wie also diese „Saat aufgeht“, die mit der
Entscheidung für den europäisch-asiatischen
Transfer gelegt wurde, das werden zunächst
die Projektjahre mit den abschließenden Ausstellungen Ende 2013 zeigen. Doch auch nach
seinem Abschluss wird, wie seine Vorgänger,
dieser 9. Kunst- und Künstleraustausch-Transfer wieder viele selbständige Begegnungen
und Kooperationen nach sich ziehen, mit der
besonderen Kraft der kreativen Freiheit von
Kunst und Kultur.
PORTRÄT
Ich habe Freunde gewonnen,
mit denen ich - außer der
Musik - keine gemeinsame
Sprache spreche“
Interview mit dem in Korea lebenden,
deutschen Jazz-Musiker Martin Zenker
Sie haben bereits im Alter von zwölf Jahren Ihre Liebe
zum Jazz entdeckt. Gab es einen Auslöser dafür? Warum
galt Ihr Interesse gerade dieser Musikrichtung?
Foto: privat
Martin Zenker, hier im Club Evans in Hongdae/Seoul, bereist
seit 20 Jahren als Jazzmusiker die Welt. Seit 2008 tut er dies
von Seoul aus, wo er an der Kyung Hee University eine Professur für Jazz, Kontrabass und Jazzgeschichte innehat.
Jazz als Medium zu verstehen, das Kulturen und Grenzen
überwinden kann, ist Martin Zenker ein großes Anliegen.
In meinem Elternhaus wurde immer viel klassische
Musik gehört, mein Vater spielt Cello, ich spielte damals
schon einige Jahre Violine. Mit einem damaligen
Schulfreund, der heute Schlagzeuger ist, begannen wir
dann, uns für Jazz zu interessieren und haben die ersten
Konzerte besucht.
Sie sind Kontrabassist; worin begründet sich Ihre Faszination für dieses Instrument?
Als ich 1982 anfing, mich für Jazz zu interessieren, war ja
noch das Zeitalter der LP, das heißt, Aufnahmen waren
nicht so einfach verfügbar wie heute. Ich habe also viel
im Radio gehört. Eine legendäre Band, das Modern Jazz
Quartet, hatte sich 1972 aufgelöst, und ihr erneuter
Zusammenschluss nach zehn Jahren war eine große
Sensation in Jazzkreisen, deshalb wurden sie oft im
Radio gespielt. Ihr Bassist Percy Heath, der vor einigen
Jahren verstorben ist, hat mich damals - wie auch noch
heute - begeistert und mich dazu gebracht, Kontrabass
zu lernen, zunächst gegen den Willen meiner Eltern. Vor
einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit, in New York
den alten Bass von Percy Heath zu spielen - das war
natürlich ein emotionaler Moment für mich.
77
Ihre erste Reise nach Südkorea 2003 geht zurück auf die
private und eher zufällige Initiative, einen Kontrabass
für einen Freund zu kaufen. Fünf Jahre später haben Sie
die Professur für Jazz, Kontrabass und Jazzgeschichte
an der Kyeong Hee-Universität in Seoul übernommen.
Wie würden Sie Ihre persönliche Beziehung zu dem Land
beschreiben, und was hat Sie bewogen, diesen Schritt zu
tun?
Es gibt ja das Sprichwort, dass es woanders immer
schöner ist. Zunächst einmal würde ich sagen, dass es
woanders auf jeden Fall immer interessanter ist. Ich hatte
ja schon sehr viel in Deutschland und Europa und auch
in den USA gespielt, aber noch nicht so viel in Asien und wenn, dann eher zu offiziellen Anlässen und ohne
viel Austausch mit der Szene vor Ort. Zwischen 2003
und 2008 habe ich dann viele Konzertreisen nach Korea
gemacht mit Musikern aus der lokalen Szene - zum Teil
Fremde, die dort leben oder eben koreanische Musiker.
Erwähnen möchte ich hier vor allem den Saxophonisten
Im Dalkyun. Das war natürlich reizvoll, und die Art, wie
78
mit Jazz umgegangen wird, der ja 2003 in Korea noch
wesentlich exotischer war als heute, war sehr spannend:
unkomplizierter, weniger voreingenommen und viele
Dinge waren einfacher umzusetzen - andere wiederum
auch nicht, aber es war zunächst einmal anders und
neu. In dieser Zeit habe ich auch schon einige gute
Freunde gewonnen in Korea, neben Im Dalkyun zum
Beispiel auch die Sängerin Sunny Kim oder den Wahlkoreaner Chris Varga, der seit 15 Jahren in Seoul lebt und
viel für die dortige Jazzszene getan hat.
Die Aussicht, zu unterrichten, fand ich schon seit Jahren
reizvoll, und als mir die Professur angeboten wurde,
war das natürlich eine schöne Sache. Meine damalige
Lebensgefährtin und jetzige Frau hat sich als Business
Coach auf interkulturelle Aspekte mit Schwerpunkt
Asien/Europa spezialisiert und ist somit auch international tätig. Über einen Tapetenwechsel hatten wir sowieso
nachgedacht, und da kam die Aussicht auf einen interessanten Job sehr gelegen - zumal in einer Stadt, in der
man sich auch sonst kulturell und als Musiker engagieren kann.
Foto: Im Dajoung
Konzert im Jazz-Club All That Jazz in Itaewon, Seoul. Internationalität und Interkulturalität sind
Markenzeichen des Jazz: Der in Paris lebende, dänische Saxophonist Martin Jacobsen (2. v. li.)
spielt regelmäßig mit Martin Zenker ( li.) und dem koreanischen Schlagzeuger Kim Minchan
(re.) in Asien und Europa zusammen.
Sie sind ein Vielreisender und verbringen
ein Drittel des Jahres in Seoul, ein Drittel auf
Tournee in Asien und ein Drittel auf Tournee
in Europa. Sie arbeiten viel mit koreanischen
Musikern zusammen. Worin unterscheiden
sich die Jazz-Szene und das Publikum in
Korea von denen anderer Länder?
Zunächst einmal fällt mir und auch Kollegen,
die mich in Korea besuchen, immer wieder
auf, dass Jazz in Korea eine relativ junge Zielgruppe anspricht - verglichen mit anderen
Ländern. Auf den ersten Blick ist das wohl der
sichtbarste Unterschied. Nun ist Jazz - meinem Verständnis nach - ja eine Sprache, eine
Kommunikationsform, in der Risikobereitschaft, Schlagfertigkeit und Improvisationsfähigkeit sehr wichtig sind. Studenten und
auch einige professionelle Musiker lassen
sich manchmal zu sehr von Vorsicht leiten,
die Risikobereitschaft ist da etwas geringer.
Für mich sind Persönlichkeit und Eigenständigkeit in der musikalischen Aussage die
Hauptsache - Technik ist lediglich Handwerk,
aber nicht Inhalt. Das versuche ich meinen
Studenten zu vermitteln.
Sie sind der Auffassung, dass insbesondere
Jazz eine „länder- und kulturübergreifende
Sprache“ ist. Worin begründet sich diese
Überzeugung?
Geschichtlich gesehen ist Jazz aus einem
Zusammentreffen verschiedener Kulturen
entstanden und diente auch schon immer
als eine Kommunikationsform zwischen
diesen Kulturen. Grenzen können durch den
Fokus auf eine gemeinsame Leidenschaft
verschwimmen, ohne die man ja sowieso
nicht vernünftig Musik machen kann. Jazz im
Speziellen legt noch mehr Wert auf unmittelbare Kommunikation, Aktion, Reaktion auf
einem Terrain, auf dem alle dieselbe Sprache sprechen, dieselben - oder zumindest
ähnliche - Vorbilder haben und trotzdem
jeder seine Meinung haben und diese auch
jedem verständlich machen kann. Stellen Sie
sich irgendeine andere Situation vor, in der
Sie mit vier oder fünf Menschen, die Sie nie
gesehen haben, die alle aus unterschiedlichen Kulturen kommen und keine gemeinsame Sprache sprechen, ohne Absprache und
Vorbereitung etwas Sinnvolles und Kreatives
gestalten sollen. Das geht vielleicht noch
mit einer Fußballmannschaft. Im Jazz ist das
Realität, man lernt Leute kennen, ich habe
sogar Freunde gewonnen, mit denen ich außer der Musik - keine gemeinsame Sprache
spreche. Aber dazu gehört natürlich auch der
Mut, diese Sprache der Musik zu sprechen
und ihr zu vertrauen.
Gibt es in Bezug auf Ihre Arbeit ein zentrales
Anliegen, das Ihnen besonders am Herzen
liegt?
Da gibt es vieles! Ein Anliegen von mir ist es,
durch meine Arbeit auch die Tradition als
Fundament für wichtige Details und Feinheiten, die diese Musik lebendig machen,
in einer Gesellschaft zu vermitteln, die sehr
schnelllebig ist und in der Jazz erst eine
relativ kurze Geschichte hat. Ein anderes
und vielleicht wichtigeres Anliegen ist es,
die beruflichen Aussichten für die vielen
Musiker zu verbessern, die dort ausgebildet
werden. Korea investiert viel in Kultur und
Ausbildung, aber es gibt - wie in Deutschland
übrigens auch - eine enorme Diskrepanz
zwischen dem, was im Bereich Jazz für
Ausbildung ausgegeben wird und dem, was
danach an Arbeitsmöglichkeiten gefördert
wird. Im Bereich der Klassischen Musik ist
das ganz anders. Wir versuchen mit unseren
Mitteln und sehr viel Eigeninitiative auf einer
Ebene einen Austausch zwischen Korea und
Europa herzustellen, auf der die Musiker
wirklich selbständig zusammenarbeiten. Im
Moment plane ich ein Projekt in Europa mit
dem jungen koreanischen Bassisten Kim
Daeho, dem Schlagzeuger Kim Minchan und
dem schottischen Pianisten Paul Kirby, der
als Klavierprofessor in Seoul arbeitet. Ein zentrales Anliegen meiner Arbeit und erklärtes
Ziel ist es, solchen Initiativen mehr Gewicht
und Gehör zu verschaffen und damit jungen
Koreanern bessere Chancen zu vermitteln, in
dem Beruf, für den sie ausgebildet werden,
auch international zu bestehen.
Das Interview führte Dr. Stefanie Grote
Weitere Informationen unter:
www.martinzenker.com
79
KOREA IM ALLTAG
Koreanischer Sprachführer
Im Kaufhaus 백화점에서
Beim Einkaufen
(점원) 어서 오세요. 뭐 찾으세요?
(Verkäufer) Guten Tag! Was suchen Sie?
[Jeomwon: Eoseo oseyo. Mwo chajeuseyo]
카드로 계산할 수 있어요?
Kann ich mit Kreditkarte zahlen?
[Kadeuro gyesanhal su isseoyo]
그냥 구경할게요.
Ich schaue mich nur um.
[Geunyang gugyeonghalgeyo]
현금으로 할게요.
Ich zahle bar.
[Hyeongeumeuro halgeyo]
이거 얼마예요?
Wieviel kostet das?
[Igeo eolmayeyo]
입어 봐도 돼요?
Darf ich anprobieren?
[Ibeo bwado dwaeyo]
너무 커요.
Das ist zu groß.
[Neomu keoyo]
너무 작아요.
Das ist zu klein.
[Neomu jagayo]
더 작은 거 있어요?
Haben Sie etwas Kleineres?
[Deo jageun geo isseoyo]
더 큰 거 있어요?
Haben Sie etwas Größeres?
[Deo keun geo isseoyo]
다른 색 있어요?
Haben Sie eine andere Farbe?
[Dareun Saek isseoyo]
마음에 들어요.
Es gefällt mir gut.
[Maeume deureoyo]
잘 맞아요.
Es passt mir gut.
[Jal majayo]
이걸로 할게요.
Ich nehme es.
[Igeollo halgeyo]
80
Beim Umtauschen und Zurückgeben
마음에 안 들어요. 바꾸고 싶어요.
Es gefällt mir nicht. Ich möchte es umtauschen.
[Maeume an deureoyo. Bakkugo sipeoyo]
죄송하지만, 환불하고 싶어요.
Entschuldigen Sie, aber ich möchte es zurückgeben.
[Joesonghajiman, hwanbulhago sipeoyo]
영수증 여기 있어요.
Hier ist die Quittung.
[Yeongsujeung yeogi isseoyo]
Nützliche Wörter
바지[Baji] die Hose
청바지 [Cheongbaji] die Jeans
치마 [Chima] der Rock
티셔츠 [Tisieocheu] das T-shirt
스웨터 [Seuweteo] der Pullover
원피스 [Wonpiseu] das Kleid
구두 [Gudu] klassische Schuhe
운동화 [Undonghwa] Sportschuhe
부츠 [Bucheu] Stiefel
샌들 [Sendeul] Sandalen
색 [Saek] die Farbe
빨간색 [Ppalgansaek] rot
파란색 [Paransaek] blau
갈색 [Galsaek] braun
하얀색 [Hayansaek] weiß
검정색 [Geomjeongsaek] schwarz
회색 [Hoesaek] grau
KOREA IM ALLTAG
Rezept
Yukgaejang (육계장)
Foto: KOREA Magazin
Scharfer Rindfleischeintopf
Für 2 Personen
Hauptzutaten
Zutaten für Rinderbrühe
Sauce für Yukgaejang
300g Rinderbrust
100g Gosari (고사리, eingeweichter
Adlerfarn, im Asia-Laden erhältlich)
100g Sojabohnensprossen
4 Stängel Lauchzwiebeln
eine halbe Zwiebel
eine Prise Salz
8 Tassen Wasser
eine halbe Zwiebel
1 Lauchzwiebel
8 schwarze Pfefferkörner
4 Knoblauchzehen
2 TL Gukganjang (konzentrierte Sojasauce für Suppen)
2 TL rotes Pepperonipulver (고추가루,
Gochugaru)
3 TL rote Pepperonipaste (고추장,
Gochujang)
1 TL Sesamöl
1 TL gehackter Knoblauch
Pfeffer
•
Den Gosari in kaltes Wasser einlegen, um den bitteren Geschmack zu entfernen. Danach gründlich abwaschen und
auf 5 cm Länge schneiden.
•
Rinderbrust, Zwiebeln, 1 Lauchzwiebel, Pfefferkörner und Knoblauch in einen Topf geben. Wasser hinzufügen und
zum Kochen bringen. Danach für eine Stunde bei mittlerer Hitze weiter köcheln lassen, bis das Fleisch durch ist.
•
Den Sud mit dem gesamten Inhalt durch ein Tuch oder durch ein Sieb geben. Die ausgekochten Gewürze dienen
lediglich dem Geschmack der Brühe und können daher entsorgt werden.
•
Das Rindfleisch, die halbe Zwiebel und die restlichen Lauchzwiebeln in Streifen schneiden.
•
Die Zwiebeln und Sojasprossen kurz in Wasser ankochen, dem Topf entnehmen und gut abtropfen lassen.
•
Das Rindfleisch, Gosari, Lauchzwiebeln und Sojasprossen mit der vorbereiteten Sauce für Yukgaejang vermengen.
Nachdem die Marinade gut eingezogen ist, brät man die Mischung kurz an.
•
Den Sud und die angebratenen Zutaten in einen Topf geben und 20 Minuten kochen lassen. Die fertige Suppe
nach Bedarf mit Salz abschmecken: Sie kann je nach Geschmack mit Tofu oder Kartoffeln variiert werden.
81
VERANSTALTUNGEN - Rückblick
10. Deutsch-Koreanisches Forum (17.-18. Nov. 2011)
Von Rhan Gunderlach
© g+h communication
D
Rhan Gunderlach
ist als Kind nach
Deutschland gekommen und hat an der
Ludwig-MaximiliansUniversität München
(LMU) Deutsch und
Geschichte studiert.
Sie war über zehn
Jahre als Fernsehjournalistin u.a. für die
Deutsche Welle und
den ARD-Sender mdr
sowie als Pressesprecherin bei der EXPO
2000 in Hannover
tätig. Seit 2001 ist sie
Mit-Inhaberin einer
Agentur für Presseund Öffentlichkeitsarbeit mit dem Schwerpunkt Internationale
Politik / Entwicklungspolitik und seit 2009
Geschäftsführerin der
Deutsch-Koreanischen Gesellschaft.
er nachweislich erste Kontakt zwischen einem Deutschen und einem
Koreaner fand in Peking statt. Es
war die Begegnung zwischen Kronprinz
Sohyŏn, der als Geisel am chinesischen Hof
lebte und dem deutschen Priester Johann
Adam Schall von Bell. Seither sind rund 250
Jahre vergangen. Die deutsch-koreanischen
Beziehungen sind längst über Einzelkontakte hinausgewachsen. Sichtbarer Ausdruck
des wachsenden und kontinuierlichen
Austausches beider Länder ist das DeutschKoreanische Forum, das vor zehn Jahren von
Bundespräsident Johannes Rau ins Leben
gerufen worden war und seither regelmäßig, alternierend in Deutschland und Korea,
stattfindet.
Zum 10. Mal trafen sich auf Einladung des
deutschen Vorsitzenden des DeutschKoreanischen Forums, Hartmut Koschyk,
MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim
Bundesminister der Finanzen, hochkarätige
Experten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und
Wissenschaft aus Korea und Deutschland.
Im Fokus stand die Partnerschaft beider
Länder in einer sich zunehmend globalisierenden Welt. Beide Länder stehen vor wachsenden Herausforderungen in einer immer
stärker verflochtenen Welt. Einschneidende
Ereignisse im letzten Jahr, wie der Atomunfall in Fukushima und die Schuldenkrise
im Euro-Raum, beeinflussen die gesellschaftlichen Debatten in beiden Ländern.
Wahlen und mögliche Regierungswechsel
bei Partnern und Nachbarländern führen zu
entscheidenden politischen Weichenstellungen.
Das Treffen der insgesamt 51 koreanischen
und deutschen Teilnehmer fand in freundschaftlicher Atmosphäre im Deutschen
Bundestag in Berlin statt. Eröffnet wurde das
Forum von Cornelia Pieper, MdB, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Kim
82
Jae Shin, Vize-Außenminister für Politische
Angelegenheiten im Außenministerium der
Republik Korea. Sie unterstrichen damit den
hohen Stellenwert, den das Forum mittlerweile in beiden Ländern genießt.
Das zweitägige Forum war in drei Themenfelder unterteilt:
Deutsch-koreanische Kooperationen
• im Bereich Politik: „Zukunft und Perspektiven der deutsch-koreanischen
Beziehungen im Kontext der jeweiligen
regionalen und globalen Integration“
•
im Bereich Wirtschaft: „Perspektiven
und wirtschaftliche Zusammenarbeit
im Hinblick auf Energieversorgung und
-sicherheit sowie Innovationsfähigkeit“
und
•
im Bereich Kultur: „Die kulturelle
Zusammenarbeit zwischen Korea und
Deutschland angesichts der gesellschaftspolitischen Entwicklung und
kulturellen Identität im regionalen,
nationalen und globalen Kontext“
Als Novum wurde bei diesem Forum in
kleinen Arbeitsgruppen diskutiert, und es
wurden Ergebnisse erarbeitet, die dann
in die große abschließende Diskussion
hineingetragen wurden. Auch in diesem
Jahr wurden von allen Teilnehmern Handlungsempfehlungen an beide Regierungen
formuliert, die an beide Regierungschefs
– an die Bundeskanzlerin Angela Merkel
und an den koreanischen Präsidenten Lee
Myung-bak - im Anschluss an die Konferenz
übermittelt wurden.
Das 11. Forum wird 2012 in Korea stattfinden. Mit größter Wahrscheinlichkeit in der
Region Gyeoungju im Südosten Koreas.
V.l.n.r. sitzend: Dr. Lee Gark Bum, President‘s Council on Information Strategies; Cornelia Pieper, MdB, Staatsministerin im Auswärtigen Amt;
Dr. Kim Hakjoon, Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koranischen Forums (DKF)
Stehend: Stefan Müller, MdB,Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages (CDU/CSU);
Hartmut Koschyk, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen
Politik
© DKF e.V.
Deutschland und Korea suchen nach Lösungen für
gemeinsame Herausforderungen wie z.B. den demografischen Wandel, den globalen Wettbewerb um Energie
und Rohstoffe und die Bewältigung der Auswirkungen
der Weltfinanzkrise. Als wichtige Mittelmächte sollten
sie stärker dort zusammenarbeiten, wo sie sich bereits
heute getrennt voneinander sicherheits- und entwicklungspolitisch engagieren.
Eine deutsch-koreanische Zusammenarbeit kann alternative Optionen in einer sich zunehmend multipolar
gestaltenden Welt eröffnen. Identische Interessenlagen
in vielen Bereichen bilden ebenso eine gute Basis für
intensivierte Kooperation wie das Partnerschaftsabkommen zwischen Korea und der Europäischen Union.
Abgestimmtes Vorgehen empfiehlt sich auch in internationalen Gremien wie G20, Asia-Europe Meeting (ASEM),
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD), World Trade Organization (WTO),
Vereinte Nationen (VN), dem Internationalen Währungs-
fond (IWF) u.a..
Die Situation auf der koreanischen Halbinsel bleibt
nach wie vor eine Quelle der Instabilität. Nordkoreas
aggressives Verhalten ist eine Bedrohung für die Sicherheit Südkoreas. Dieser Bedrohung muss angemessen
begegnet werden. Dazu gehört auf der einen Seite eine
erhöhte Wachsamkeit, auf der anderen Seite aber auch
der umfassende politische Dialog, auch über Menschenrechte und die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel. Die Teilnehmer des deutsch-koreanischen Forums
äußern ihre Besorgnis über die Menschenrechtssituation
in Nordkorea und bestärken ihre Regierungen in der
internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich einschließlich der Flüchtlingsfrage. Zusätzliche Dialogforen
können durch die diplomatische Präsenz Deutschlands
in Nordkorea gefördert werden; auch im humanitären
Bereich sowie durch die Arbeit der deutschen politischen
Stiftungen und Kulturmittler leistet Deutschland bereits
heute wichtige Beiträge zur Annäherung.
83
Für Korea wie auch für Deutschland ist China einer der
wichtigsten Partner. Ein verstärkter Austausch über
Chinas Entwicklung und Strategie liegt im Interesse der
koreanischen wie der deutschen Seite.
In Korea und Deutschland entstehen neue gesellschaftliche Bewegungen, die unter anderem Ausdruck von
Zukunftsängsten sind. Diese spiegeln sich auch in einer
Ausdifferenzierung des Parteiensystems und Protestbewegungen wider. Die Gesellschaften müssen diese
Ängste ernst nehmen und politische Antworten darauf
finden.
Wirtschaft
Korea und Deutschland blicken auf 50 Jahre erfolgreicher Wirtschaftszusammenarbeit zurück. Für Deutschland wie Korea sind - neben der Weltfinanzkrise - Energiefragen und Umweltschutz von größter Priorität
wegen des Mangels an natürlichen Ressourcen, der
großen Bevölkerungsdichte und des hohen Industrialisierungsgrades. Bevölkerung, Politik und Wirtschaft in
beiden Ländern befürworten Energieeinsparungen. Wirtschaftswachstum sollte mittelfristig mit vermindertem
Energieverbrauch einhergehen. Dazu muss sich die Einstellung von Industrie und Privathaushalten ändern. Der
Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen sei eine
noch stärkere Bedeutung zuzumessen, denn die globale
Entwicklung ist besorgniserregend. Die koreanische Initiative zum grünen Wachstum, gerade auch im Rahmen
des G20-Gipfels in Seoul, ist ein wichtiger Impuls.
Deutschland hat mit der Energiewende und der völligen
Abkehr von der Atomkraft einen richtungsweisenden
Schritt getan, der aber nicht ohne Weiteres auf andere
Länder übertragbar ist. Beide Seiten befürworten einen
Wettbewerb der Energieträger, mit dem Ziel kleinstmöglicher Umweltbelastung. In diesem Zusammenhang ist
der Entwicklung aller alternativen und regenerativen
Energiequellen Vorrang einzuräumen. Das Forum stellt
mit Befriedigung fest, dass beide Länder entschlossen
sind, ihre technologische Kompetenz in diesem Feld zur
Geltung zu bringen. Im Mittelpunkt der Überlegungen
stehen Geothermie, Photovoltaik, Wasser- und Windkraft
sowie die umweltgerechte Stadtplanung, die auch die
Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden mit einschließt. Die Einführung von Emissionshandelssystemen
trägt dazu bei, die Vorreiterposition unserer Länder im
Klimaschutz zu verstärken.
Angesichts der zwangsläufigen Schwankungen bei der
Energieversorgung durch volatile Energieträger, die von
Sonne und Wind abhängig sind, sind ausreichende Ener-
84
giespeicherkapazitäten und intelligente Auslastung der
Netze (smart grids) von überragender Bedeutung. Beide
Länder sind für die Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen aufgrund ihrer Fähigkeiten im
Bereich der Chemie, Elektrotechnik, IT-Technologie und
des Maschinen- und Anlagenbaus prädestiniert. Private
Investoren können wesentlich zur Finanzierung langfristiger Infrastrukturprojekte beitragen.
Forschungszusammenarbeit und industrielle Kooperation bieten große Chancen. Organisationen wie die
Deutsch-Koreanische Handelskammer sowie die Korea
Trade and Investment Promotion Agency (KOTRA) können diese Zusammenarbeit insbesondere unter Einbeziehung des Mittelstandes gezielt fördern.
Kultur
Der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und
Korea kann auf einer historisch gewachsenen Sympathie für das jeweils andere Land aufbauen. Deutschland
verfügt über eine hohe kulturelle Anziehungskraft für
Koreaner, die entsprechend den neuen medialen Möglichkeiten weiterentwickelt werden sollte. Auch Korea
verfügt über ein attraktives Kulturangebot sowohl an
traditioneller als auch zeitgenössischer Kultur mit einer
großen Ausstrahlung.
Kultur und Kulturaustausch sind nicht nur Werte an sich.
Sie sind zugleich ein wichtiger Faktor für Standortmarketing, Stadtentwicklung, Diplomatie, Wirtschaft und
das Bild eines Landes in der Welt. Besonders betonen die
Forumsteilnehmer dabei den Einfluss von kultureller Infrastruktur auf die Innovationsfähigkeit von Städten. Das
Interesse am jeweils anderen Land sollte früh gefördert
werden durch eine Intensivierung von Austauschprogrammen für Schüler, Studierende und junge Berufstätige. Das Forum unterstreicht in diesem Zusammenhang
auch die Bedeutung der Vermittlung der jeweiligen
Landessprache. Die Aktivitäten von Mittlerorganisationen wie der Korea Foundation, Korea Institute of Science
and Technology (KIST), dem Deutschen Akademischen
Austauschdienst (DAAD), der Alexander von HumboldtStiftung und dem Goethe-Institut e.V. sowie der Austausch von Kulturexperten sollten nachhaltig gefördert
werden.
VERANSTALTUNGEN des Koreanisches Kulturzentrums - Vorschau
KURSE
Sprachkurse Koreanisch
Grundstufe 1A (1. Quartal: Absoluter Anfängerkurs)
Dozentin: Frau Paek-Un Chong
Montag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 16.04. – 25.06.12 (am 28.05.
fällt der Kurs aus)
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 1A (Student’s Book + Workbook)
Grundstufe 1A (2. Quartal: Fortsetzung des Absoluten Anfängerkurses)
Dozentin: Frau Paek-Un Chong
Dienstag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 10.04. – 19.06.12 (am 01.05.
fällt der Kurs aus)
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 1A (Student’s Book + Workbook)
Grundstufe 1A (2. Quartal: Fortsetzung des Absoluten Anfängerkurses)
Dozentin: Frau Paek-Un Chong
Donnerstag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 12.04. – 21.06.12 (am 17.05.
fällt der Kurs aus)
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 1A (Student’s Book + Workbook)
Grundstufe 1A (3. Quartal)
Dozentin: Frau Hyunjung Kim
Freitag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 13.04. – 15.06.12
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 1A (Student’s Book + Workbook)
Grundstufe 1B (2. Quartal)
Dozentin: Frau Hyunjung Kim
Dienstag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 10.04. – 19.06.12 (am 01.05.
fällt der Kurs aus)
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 1B
(Student’s Book + Workbook)
Grundstufe 2A (1. Quartal)
Dozentin: Frau Hyunjung Kim
Montag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 16.04. – 25.06.12 (am 28.05.
fällt der Kurs aus)
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 2A (Student’s Book + Workbook)
Grundstufe 2B (1. Quartal)
Dozentin: Frau Hyunjung Kim
Donnerstag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 12.04. – 21.06.12 (am 17.05.
fällt der Kurs aus)
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 2B (Student’s Book + Workbook)
Mittelstufe 3B (1. Quartal)
Dozentin: Frau Paek-Un Chong
Freitag, 17.30 – 20.00 Uhr
Zeit: 13.04. – 15.06.12
Kursbuch: Sogang Korean New
Series 3B (Student’s Book + Workbook)
Gebühr für alle Sprachkurse:
40,00 Euro pro Quartal
Die Anmeldung direkt bei den Kursleiterinnen per E-Mail vor Kursbeginn.
Die Kursgebühr zahlen Sie bitte am
ersten Kurstag in bar direkt an die
Kursleiterinnen.
Die Lehrbücher können die Kursteilnehmer bei www.koreanbook.
de oder www.seoulselection.com
erwerben.
Weitere Informationen zu den Kursen
erfragen Sie bitte per E-mail bei Frau
Kim (hj_kim@web.de) bzw. bei Frau
Chong (paekun@gmx.de).
Kalligrafie
Dozent: Zen-Meister Byong Oh Sunim
Ein Einstieg in den Kurs ist jederzeit möglich.
Mittwoch, 18.00-20.00 Uhr
Veranstaltungsort für alle Kurse:
Koreanisches Kulturzentrum
Leipziger Platz 3
10117 Berlin
(ab 17.00 Uhr Eingang über Erna-Berger-Str. 1)1
Kontakt: Tel. 030/ 269 52-0
Koreanisches Yoga*
Dozentin: Seohee Jang
Wochentag
Zeit
Programm
Dienstag
18.00 – 19.00 Uhr
Balance-Yoga
19.10 - 20.40 Uhr
Mittelstufe
Mittwoch
18.00 – 19.00 Uhr
Figur-Yoga
19.20 – 20.20 Uhr
Power-Yoga
Samstag
11.00 – 12.00 Uhr
Balance-Yoga
12.20 – 13.20 Uhr
Figur-Yoga
Programm
1. Balance-Yoga: Ausbalancierung des Körpers (für jeden geeignet)
2. Figur-Yoga: Figurformend/ Stärkung der Muskulatur
Kursgebühr
1 Monat
3 Monate
1x/ Woche
20,00 Euro
50,00 Euro
2x/ Woche
30,00 Euro
70,00 Euro
3x/ Woche
40,00 Euro
90,00 Euro
*Der Einstieg in alle Kurse ist jederzeit möglich.
Mitzubringen: eine Yogamatte und bequeme Kleidung
Kontakt: Tel. 030/7680-4759 (Seohee Jang)
Musikkurse
Gayageum
Dozentin: Yujin Hong
Mittelstufe
Montag, 17.00 – 18.30 Uhr
Anfänger
Mittwoch, 14.00 – 15.30 Uhr und 16.00 – 17.30 Uhr
Kursgebühr: 30,00 Euro für zehn
Sitzungen
Start: seit dem 13.02.12
Unterrichtssprache: Koreanisch/
Englisch
Ein Einstieg in die Kurse ist zurzeit nicht möglich, da alle Plätze
belegt sind.
Kurs für Danso (kleine Bambusflöte) und Daegeum (große
Bambusflöte)
Dozent: Herr Hong Yoo
Dienstag, 19.00-20.30 Uhr
Kursgebühr: 30,00 Euro pro
Quartal
Ein Einstieg in den Kurs ist jederzeit möglich.
Die Instrumente können im
Koreanischen Kulturzentrum
käuflich erworben werden.
Danso: 5,00 Euro (aus Kunststoff)
Daegeum: ca. 15,00 Euro
Kursgebühr: 30,00 Euro pro Monat; bei Teilnehmern, die
sich für eine dreimonatige Teilnahme am Kurs entscheiden, reduziert sich die Kursgebühr für drei Monate auf
80,00 Euro.
1 Bitte benutzen Sie aufgrund unserer geänderten Öffnungszeiten (siehe letzte Seite) ab 16.04.2012 den Haupteingang!
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VERANSTALTUNGEN des Koreanisches Kulturzentrums - Vorschau
Koreanisches Kulturzentrum
GALERIE KOREA
Leipziger Platz 3
10117 Berlin
Foto: Donghwan Kang
AUSSTELLUNGEN+KONZERT
BIS 19. APRIL 2012
Donghwan Kang
Zwei Prozesse
Einzelausstellung
(Installation & Zeichnung)
Foto: YASSEMEQK
28. APRIL– 03. JUNI 2012
Gruppenausstellung
Yassemeqk 프랑스 한국 청년 작가
(Malerei & Installation)
Vernissage: Freitag, 27. April 2012, 18.00 Uhr
9. JUNI– 21. JUNI 2012
Textbild: In-Su Ha
Gruppenausstellung
- 지구의 반란
( Malerei)
40 Künstlerinnen vom koreanischen Künstlerinnenverein aus Korea
17 Künstlerinnen vom Verein Berliner Künstler, Berlin
3 Gäste der GEDOK-BRANDENBURG
Vernissage: Freitag, 8. Juni 2012, 18.00 Uhr
9. Juni – 21.Juni 2012
,,Creative in Arts‘‘
30. JUNI– 28. JULI 2012
Einzelausstellung
(Malerei mit Stickerei)
Vernissage: Freitag, 29. Juni 2012, 18.00 Uhr
Foto: Gisoo Kim
Gisoo Kim
Genähte Landschaften
19. APRIL 2012, 19.00 UHR
Konzert
Il Ryun Chung
Foto: Volker Blumenthaler
„Untemperierte Gitarre“
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SONSTIGES
AB 03. MAI
Berlin
Films from Busan International Film
Festival
New Films from Korea:
A Spot on Asia
Zeit: 03. - 13.05.2012
TOURNEE
19. MAI
St. Wilhadi (Stade)
Orgelkonzert mit Jakyung Oh
Veranstaltung im Rahmen der
“Orgeltage Elbe-Weser 2012 - ArpSchnitger-Fest”
Zeit: 18.00 Uhr
Ort: Orgelakademie Stade e. V., Im
Johanniskloster (in der Nähe der
St. Cosmae-Kirche), Johannisstr. 3,
21682 Stade
Tel. 04141/ 77 83 85
SONSTIGES
MUSIK
04. MAI
Köln
Hiah Park, Vorträge einer koreanischen Mudang (무당, Schamanin)
Zeit: 04. - 06.05.12
Seminar inkl. Vortrag und Tanzvorstellung: Innere Ruhe (Tod des
Egos): ,,Vereinigung mit Gott im
täglichen Leben”
Ort: CARDEA Akademie für Gesundheitsberufe; Barthonia-Forum
im Innenhof, Vogelsanger Str. 80a,
50823 Köln
Eintritt: Seminar inkl. Vortrag und
Tanzveranstaltung: EUR 360,00
05. MAI
Bernau
Youn Sun Nah und Ulf Wakenius
Zeit: 19.00 Uhr
Ort: Wasserturm Bernau, Oranienburger Chaussee, 16321 Bernau
28. MAI
Hamburg
Koreanische Kalligrafie unter Anleitung von Zenmeister Byong-Oh
Sunim
Zeit: 15.00 Uhr
Ort: Planten un Blomen, St. Petersburger Str. 22, 20355 Hamburg
05. MAI
Berlin
Oper Lucia di Lammermoor
Mit Yosep Kang als Edgardo
Ort: Haus der Kulturen der Welt,
John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557
Berlin
Zeit: 19.30 Uhr
Ort: Deutsche Oper Berlin, Bismarckstr. 35, 10627 Berlin
Tel. 030/ 3438401
BIS 27. MAI
Leipzig
Ausstellung “Entdeckung Korea! Schätze aus deutschen Museen”
Zeit: 10.00 -18.00 Uhr (Di – So)
Ort: GRASSI Museum für
Völkerkunde zu Leipzig, Johannisplatz 5 - 11, 04103 Leipzig
05. MAI
Berlin
Konzert: Hong Yoo (대금, Daegeum:
koreanische Bambusflöte)
Traditionelle Musik aus Korea
Zeit: 17.00 Uhr
Ort: Yun-Haus, Sakrower Kirchweg
47, 14089 Berlin
Tel. 030/ 873 47 44
15. APRIL
Berlin
Kirschblütenfest in den asiatischen
Gärten: Koreanischer, Chinesischer
und Japanischer Garten
Zeit: 12.00 – 17.00 Uhr
Ort: Gärten der Welt - Erholungspark Marzahn, Eisenacher Str. 99,
12685 Berlin
Eintritt: EUR 5,00, erm. EUR 2,50
Tel. 030/ 700906-699
08. APRIL
Hamburg
1. K-Pop-Party in Deutschland
Zeit: ab 23.00 Uhr
Ort: Memberclub Privileg Hamburg,
Mönckebergstr. 7, 20095 Hamburg
Zutritt ab 18 Jahren
Eintritt: EUR 10,00
www.asianteam.de
MAI
KUNST
BIS 15. APRIL
Darmstadt
Ankabutas Netz
Ausstellung der koreanischen
Künstlerin Songie Seuk
Zeit: 11.00 – 18.00 Uhr (Di bis So)
Ort: Museum Künstlerkolonie,
Olbrichweg 13a,
64287 Darmstadt
14. APRIL
Berlin
Namsadang-nori
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Ufa-Fabrik, Viktoriastr. 10 – 18,
12105 Berlin
Tel. 030/ 803 3462
BIS 20. APRIL
Königstein
Young-Jae LEE
Kunst im Alltag
Zeit: 14.00 – 17.00 Uhr (Di u. Do),
10.00 – 13.00 Uhr (Mi, Fr u. Sa)
Ort: Seilerbahnweg 1,
61462 Königstein
BIS 13. APRIL
Berlin
Donghyun Son: WHERE EVIL
DWELLS
Ort: Aando Fine Art,
Tucholskystr. 35, 10117 Berlin
Tel. 030/ 28093418
APRIL
KUNST
BUNDESWEITE VERANSTALTUNGEN April - Juni 2012
Deutschlandtournee des
Koreanischen Nationalchors
23. MAI
Düsseldorf
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Robert-Schumann-Saal,
Ehrenhof 4-5,
Museum Kunstpalast,
40479 Düsseldorf
Tickets ab EUR 20,80
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25. MAI
Stuttgart
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Katholische Kirchengemeinde
St. Clemens, Fleckenwaldweg 25,
70195 Stuttgart
Tel. 0711/ 69 25 69
28. MAI
Saarbrücken
Zeit: 17.00 Uhr
Ort: Basilika St. Johann,
Katholisch-Kirch-Str. 24,
66111 Saarbrücken/ St. Johann
Tel. 0681/ 32964
01. JUNI
Berlin
Einzelausstellung Vio Choe
Ort: Lee Galerie Berlin,
Brunnenstr. 172, 10119 Berlin
Zeit: 01.06. - 14.07.12
Di - Sa 12.00 -18.00 Uhr u.n.V.
01. JUNI
Berlin
Konzert mit der 11-jährigen Violinistin Sueye Park und dem jungen
Sinfonieorchester Berlin
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Philharmonie Berlin, Kammermusiksaal,
Herbert-von-Karajan-Str. 1,
10785 Berlin
Eintritt: EUR 13,00 - 32,00
02. JUNI
Berlin
Ursula Holliger (Harfe)
Erinnerungen an Isang Yun
Dr. Harald Kunz
Zeit: 17.00 Uhr
Ort: Yun-Haus,
Sakrower Kirchweg 47,
14089 Berlin
Tel. 030/ 873 47 44
07. JUNI
Berlin
Yun+…. : Junge Musiker V
Drei Werke von Isang Yun und
jeweils eine Komposition von
Jean-Baptiste Krumpholtz, Zoltán
Kodály und Hans Zender
Im Rahmen des Crescendo Festivals der Universität der Künste
Berlin
Zeit: 19.30 Uhr
Ort: Joseph-Joachim-Saal (= Konzertsaal), Bundesallee 1-12,
10715 Berlin
28. JUNI
Frankfurt a.M.
Korea - Tradition und Gegenwart
Zeit: 28.06. - 09.09.12
Ort: Museum für Angewandte
Kunst, Schaumainkai 17,
60594 Frankfurt am Main
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MUSIK
TOURNEE
KUNST
MAI
JUNI
IMPRESSUM
14. JUNI
Bielefeld
Lee Yong-Kyu
Pianisten der Welt 5
Werke von Schubert, Franck, Liadov und Scriabin.
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Altstädter Nicolaikirche (ev.),
Niedernstr. 4, 33602 Bielefeld
Eintritt: EUR 20,00
16. JUNI
Darmstadt
Klavierabend mit Yeol Eum-son
Zeit: 19.00 Uhr
Ort: Chopin-Gesellschaft,
Kasinostr. 3, Kennedy-Haus,
64293 Darmstadt
30. JUNI
Berlin
Fest der Kulturen 2012
Koreanischer Konzertchor Berlin
mit dem Dirigenten Seongju Oh
Zeit: 20.00 Uhr
Ort: Philharmonie Berlin, Großer
Saal, Herbert-von-Karajan-Str. 1,
10785 Berlin
HERAUSGEBER
Koreanisches Kulturzentrum
Kulturabteilung der Botschaft
der Republik Korea
Leipziger Platz 3, 10117 Berlin
www.kulturkorea.de
LEITER
Gesandter-Botschaftsrat
Jong Seok Yun
REDAKTION
Gesine Stoyke
Dr. Stefanie Grote
GESTALTUNG
Setbyol Oh
MITARBEIT
Jongmin Lee
KONTAKT
Tel. (030) 269 52-0
Fax: (030) 269 52-134
E-Mail: redaktion@kulturkorea.de
Auflage: 3.500 Exemplare
DRUCK
Pinguin Druck GmbH, Berlin
VERTRIEB
Koreanisches Kulturzentrum
Kulturabteilung der Botschaft
der Republik Korea
Kultur Korea erscheint vierteljährlich als Print-, Digital- (PDF-Datei)
und Online-Ausgabe unter:
http://magazin.kulturkorea.de
Bezug gratis über den Herausgeber.
Sämtliche, von Redaktionsseite erfolgten Übersetzungen sind durch eckige
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Neues
aus dem Koreanischen Kulturzentrum
Änderung der Öffnungszeiten:
Bitte beachten Sie die Änderung unserer Öffnungszeiten
ab Montag, den 16.04.2012:
Montag bis Freitag 12.30 Uhr - 19.00 Uhr
Samstag 10.00 Uhr - 15.00 Uhr
Information für Kursteilnehmer:
Bitte benutzen Sie ab 16.04.2012 nicht mehr den Eingang
Erna-Berger-Str. 1, sondern den Haupteingang, Leipziger Platz 3.