Bürgerbrief Nr. 97 Bund der Lebaer e.V. (BdL)
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Bürgerbrief Nr. 97 Bund der Lebaer e.V. (BdL)
Bund der Lebaer e.V. (BdL) www.Leba-BdL.de Bürgerbrief Nr. 97 März 2015 Liebe Lebianer, liebe Freunde des Bundes der Lebaer, Wandervögel Hoch am hellen blauen Frühlingshimmel sah ich Wandervögel, die gen Osten flogenKehrten heim aus Winters Ferne. Meine Seele ist wohl mitgezogen, sucht voll Sehnsucht auch der Heimat Sterne. Könnt ich wie der Kranich heimwärts eilen, zu vertrauten und geliebten Räumen und Verlornes selig wiederfinden! „Ist´s uns doch zumut, als ob wir träumen!“ Heimwehkrank sah ich den Flug verschwinden, in dem hellen Dunst der Himmelbläue; Wandervögel sind wir Menschen alleEinmal werden wir die Heimat finden. Marie Luise von Roon Im März jährt sich zum 70-igsten Mal der Verlust unserer schönen Heimatstadt Leba und ganz Hinterpommerns. Wie war es damals, als es hieß „die Russen kommen“? Am 09. Und 10. März 1945 wurden (zunächst) Lebafelde und Leba von russischen Truppen besetzt. Im Zuge der sogen. „Ostpommernoperation“ der Roten Armee war zu diesem Zeitpunkt bereits der größte Teil Pommerns eingenommen. Teile der 2. Weißrussischen Front unter dem Befehl des Marschall Rokossowski, einem gebürtigen Polen, zogen die russischen Verbände von Köslin Richtung Lauenburg und Leba. In der Nacht vom 09. auf den 10. März 1945 erreichten russische Panzerspähwagen und Kosaken von Giesebitz-Elbengrund kommend zunächst Lebafelde (1). Noch in der Nacht zuvor hatten deutsche Soldaten im Gasthaus Felsner in Lebafelde übernachtet, sie wurden im Laufe des 09. März gefangengenommen, einige sogar erschossen (2). In Leba waren in der Bevölkerung lange keine Einzelheiten über die Annäherung der russ. Truppen bekanntgeworden, jetzt aber war man dort bereits bei Einbruch der Dunkelheit des 09. März in großer Aufregung. Jeder versuchte sich so gut es ging auf die kommende Situation einzurichten. Von der Stadtverwaltung wurde wegen der Gefahr eines Artilleriebeschusses die Anordnung getroffen, gegen Mitternacht die Stadt zu räumen. Mit Fuhrwerken, Karren, Hand- und Kinderwagen zogen viele zum Dünenwäldchen östl. des Kurhauses. Bürgermeister und einige andere Personen hatten angeblich schon zu dieser Zeit die Stadt in östlicher Richtung verlassen. Die ersten Russen erreichten gegen 7 Uhr des 10. März die Stadtgrenze Als die sich im Dünenwäldchen versteckten Lebjaner in die Stadt zurückkehrten, war diese vollkommen besetzt. Häuser und Wohnungen waren größtenteils aufgebrochen und geplündert (3). -1- An der Besetzung Lebas direkt beteiligt waren die 101. Garde-Schützendivision Unter Oberst Grobenkin, das 3. Garde-Panzerkorps unter Generalleutnant Der Panzertruppe A.P. Pantilow, das 108. Selbstfahrlafettenregiment unter Major A.M. Potapow und Teile der 4. Luftarmee. Anmerkung: Für diese Verbände wurden auf Erlass von Stalin vom 10.03.1945, in Moskau 20 Salven aus 224 Rohren geschossen (Qu. S.P. Ivannewa, „Die Befreiung der Städte“ von 1985). Nach dem Einmarsch der russ. Truppen musste sich die Bevölkerung ins Hinterland zurückziehen, da sich auf der Halbinsel Hela und in Danzig noch deutsche Kampfverbände befanden und die Russen mit Beschuss von dort rechneten. Dieser erfolgte aber nicht (Qu. Lilli Bohl, geb. Felsner). Fast genau zwei Monate später, am 08.Mai 1945, endete der 2. Weltkrieg. Die Vertreibung lag noch vor uns. Kurt Bohl Quellen: (1) Erich Murawski, „Die Eroberung Pommerns durch die Rote Armee“. (2) Lilli Bohl, geb. Felsner, Lebafelde. (3) Helmut Lindenblatt, „Pommern 1945“. Anmerkung zum Bericht: Seit Erscheinen der Bürgerbriefe wurde immer wieder über die Erlebnisse und Erinnerungen unserer Landsleute aus Leba und Umgebung berichtet und sind damit wichtige Zeitdokumente. Als Ergänzung hier die Berichte von K.-H. Pagel in der Ortsbeschreibung Giesebitz unter www.stolp.de/Giesebitz Am 09. März 1945 wurde Giesebitz von russischen Truppen, Panzern und Infanterie, die aus südwestlicher Richtung kamen, besetzt. Die Bewohner waren alle im Dorf zurückgeblieben. Es war voll Trecks aus Ost- und Westpreußen. Beim Einmarsch wurde das Stallgehöft des Bauern Albert Pirr von einem deutschen Tiefflieger getroffen. Nach der Besetzung musste Giesebitz aus militärischen Gründen für etwa fünf Wochen geräumt werden. Die Bewohner suchten in den Nachbargemeinden Zuflucht. Anfang 1945 kamen die Polen. Die polnische Miliz begann ihr Schreckensregiment. Der Tod von Hermann Piotter, der auf entsetzliche Weise gefoltert wurde, erregte die Menschen im Dorf zutiefst. Es folgte die Vertreibung der Bewohner. Die Heimatortskartei Pommern hat später 295 von ihnen in der Bundesrepublik und 178 in der DDR ermittelt. Die Polen, die das Dorf als Kriegsbeute in Besitz genommen haben, nennen es Izbica. Kriegs- und Vertreibungsverluste: 19 Gefallen, 11 Ziviltote und 57 Vermisste ( „ungeklärte Fälle“) Ulrich Dorow Sieger schreiben die Geschichte (Altdeutsches Sprichwort: „Wer gewinnt hat recht. Wer verliert, ist schlecht.“) In der offiziellen russischen Geschichte (Sawjalow und Kaljadin, Militärverlag des Verteidigungsministeriums der UdSSR, Moskau 1960, Seiten 175 und 176) ist zu lesen: „Gemäß Befehl des Kommandeurs des 3. Garde-Panzerkorps sollten die 2. Mot. GardeschützenBrigade und die 18. Garde-Panzerbrigade Lauenburg erobern. Die übrigen Truppen des Korps hatten den Auftrag, Lauenburg im Norden zu umgehen, diesen Ort mit schwächeren Kräften zu blockieren, mit den Hauptkräften Neustadt anzugreifen und zu erobern. Die 18. Garde-Panzerbrigade, welche die Stadt unmittelbar von Westen her angriff, traf auf den Zugängen zur Stadt auf starkes feindliches Feuer und blieb liegen. Erfolglos blieb auch der Versuch der 2. Mot. Garde-Schützenbrigade, aus der Bewegung heraus anzugreifen. Die Kämpfe nahmen erbitterten, langwierigen Charakter an. In der zweiten Hälfte des Tages war die 102. GardeSchützendivision des 40. Garde-Schützenkorps herangekommen. Die Regimenter dieser Division entfalteten sich aus der Bewegung heraus, griffen den Gegner an zusammen mit der 18. GardePanzerbrigade, brachen den Widerstand und drangen in die Stadt Lauenburg ein. Im Lauf der Nacht und des folgenden Tages (11. März 1945) führten die Truppen der 102. Garde-Schützendivision und die Panzereinheiten der 18. Garde-Panzerbrigade angespannte Straßenkämpfe in der Stadt. Am 10.3. abends war Lauenburg vom Feinde völlig gesäubert.“ Abgesehen von dem geradezu irrsinnigen zeitlichen Widerspruch, den die beiden letzten vorstehenden Sätze enthalten, berichten alle deutschen Zeitzeugen -2- - am Ort verbliebene Lauenburger, Flüchtlinge aus den östlichen und südlichen Reichsgebieten sowie die letzten aus dem dortigen Raum abziehenden deutschen Soldaten -dass Lauenburg kampflos besetzt worden ist. Die einzigen Schüsse, die an diesem Tag in Lauenburg fielen, ergaben sich aus den Übergriffen der Sowjets gegenüber der Zivilbevölkerung und den Selbsttötungen gequälter deutscher Opfer. Die selbstverliehenen Attribute der Roten Armee wie - „ruhmreich“, „glorreich“, usw. - müssen offensichtlich durch ein weiteres Adjektiv - „äußerst phantasievoll“ - ergänzt werden. ud und Egon Ojowski Wie war es, als vor 70 Jahren der Russe nach Leba kam? Erinnerungen an diesen 10. März 1945 und an die Tage davor und danach sind mir noch in guter Erinnerung geblieben. Besonders deshalb, weil mein Vater eine wichtige, ja tragische Rolle gespielt hat, und ich mich oft mit meiner Mutter darüber unterhalten habe. Ich habe seine Entscheidungen akzeptiert und Verständnis dafür aufgebracht. Die Silvesternacht 1944 war sternenklar. Bei hellem Mondschein kamen wir von Rumbke und trafen auf der Mühlengrabenbrücke auf so genannte „Hexen“, sie feierten und tanzten auf Besen. Von Krieg war noch nichts zu spüren. In den folgenden Wochen wurde es unruhiger in Leba. Die ersten Flüchtlinge kamen aus dem Osten und mussten untergebracht werden – auch in er Schule. Ab Mitte Januar fand kein Unterricht mehr statt. Meine Schwester erzählte mir, dass die Lehrerin, Fräulein Heidke, die Klasse über den Krieg aufgeklärt hatte. Über den Frontverlauf war zu der Zeit in der Bevölkerung wenig bekannt. Viele glaubten wohl der Propaganda, dass der Endsieg bevorstehe. Fräulein Heidke empfahl den Kindern, sich die noch fehlenden Papiere bei der Stadtverwaltung zu besorgen und mit den Eltern zu sprechen. Eines Tages wurden Bücher verbrannt. Ich war dabei und sah, dass ein neues Lesebuch der 2. Klasse verbrannt werden sollte. Ich nahm es schnell vom Stapel, denn meins, das ich von meiner Schwester „geerbt“ hatte, war zerschlissen. Inwieweit die Lebaer, besonders die Fischer, sich auf eine Flucht vorbereit hatten, weiß ich nicht. Mein Vater jedenfalls hatte nach Aussagen meiner Schwester schon vor Weihnachten heimlich einige Utensilien auf den Kutter gebracht. Am 09. März wollte er Betten auf den Kutter bringen. Dabei wurde er vom deutschen Stadtkommandanten erwischt. Er drohte meinem Vater an, ihn zu erschießen, falls er die Betten nicht sofort wieder nach Hause brächte. Ich wollte das zunächst nicht glauben, aber meine Schwester Inge bestätigte dies, denn sie war dabei gewesen. Im Laufe des Tages bekam mein Vater den Befehl Flüchtlinge nach Großendorf zu fahren. Es liegt kurz vor der Halbinsel Hela. Mein Vater wollte uns nicht alleine zurücklassen. Aus Angst vor der Entdeckung durch den Stadtkommandanten versteckte er meine Mutter, meine Schwester und mich im Maschinenraum. Durch den Dieselgestank und den Wellengang wurden meine Mutter und ich seekrank. Erst auf See durften wir wieder an Deck und frische Luft schnuppern. Am frühen Abend erreichten wir Großendorf und gaben die Flüchtlinge ab. Auf dem Heimweg war ein sehr starker Sturm aufgekommen, so dass der Kutter stark vereiste. Ein Soldat war an Bord gewesen, der zu meinem Vater gesagt haben soll, dass er mitfahren würde, wenn er fliehen würde. Mein Vater floh nicht, sondern lief Leba wieder an. Wir gingen von Bord. Spät abends sagten Vater und Mutter zu uns: “kommt, wir wollen jetzt los!“ Als wir zum Kutter kamen, standen mehrere Menschen am Anlegesteg und riefen: “Edert (Eduard) nimm mich mit – nimm mich mit. Wir stiegen auf den Kutter und die Leute hinterher. Als meine Mutter und ich vorne in der Kajüte in der Koje lagen, wurden wir wieder seekrank und mussten uns fürchterlich übergeben. Daraufhin fuhr mein Vater nicht los, sondern wir gingen wieder nach Hause. Meines Wissens wurde von der Stadtverwaltung der Befehl erteilt, dass Leba geräumt werden müsse. Daraufhin machten wir uns nachts mit ein paar Habseligkeiten und Schlitten auf den Weg und gingen über die Felder nach Osten in Richtung Bohn. Plötzlich gab es einen fürchterlichen Knall und ein riesiger Feuerschein erhellte den Himmel und die Gegend. Das Schülerlandheim und der Lagerschuppen für Strandkörbe waren in die Luft geflogen. Im Schülerlandheim war Munition gelagert. Die Soldaten hatten es gesprengt. Irgendetwas zischte über unseren Köpfen hinweg. Es war wohl ein Geschoss. Östlich der Mampedüne ließen wir uns im Wald nieder. Hier trafen wir unsere Verwandten -3- Arno Ojowski und Fritz Karth mit Familien, die einen kleinen Unterstand provisorisch aufgebaut hatten. Gegen Morgen, als es schon etwas hell geworden war und der Wind sich etwas gelegt hatte, hörten wir die Maschinengeräusche von auslaufenden Kuttern. Mein Vater kletterte auf eine Düne und erklärte uns, welche Kutter es waren. Die Fischer kannten die Motorengeräusche der Kutter ihrer Kollegen. Es liefen folgende Fischer mit ihren Kuttern aus: Hans Gaedtke, Willi Piepkorn, Paul Jannusch und Karl Walkows. Mein Vater wird es wohl bereut haben, dass er weit weg von seinem Kutter war. Am Vormittag machten wir uns auf den Heimweg. Wir banden uns weiße Taschentücher um den Arm. Als wir die ersten Häuser erreicht hatten, gingen wir an etwa 4 deutschen Soldaten vorbei, die von den Russen gefangen genommen worden waren und auf einem Baumstamm saßen. Als wir an unserem Haus ankamen, sahen wir, dass die Türen offen standen und innen alles durchwühlt worden war. Besonders scharf waren die Russen auf Uhren. Sie riefen immer wieder: „Uhra – Uhra!“ Einige hatten sich schon mehrere auf den Arm gebunden. Es kamen immer wieder Russen vorbei, die es außerdem auf Essensachen abgesehen hatten. Die von meiner Mutter eingeweckten Aale haben ihnen besonders geschmeckt. Am Vormittag des 11. März kam Fritz Krüger, der Vater von Gisela Frobel, geb. Krüger, zu meinem Vater und bat ihn, ihm Luft zum Anwerfen der Maschine zu geben. Er hatte zu meinem Vater gesagt: „ Edert, komm mit, die Mole ist nicht bewacht!“. Mein Vater gab ihm Luft. Fritz Krüger und Wohl noch zwei weitere Kutter liefen aus. Nur mein Vater nicht. Gisela Frobel erzählte mir, dass ihr Vater losgefahren sei, an der Zuckerfabrik noch ein paar Leute mitgenommen habe, so dass 41 Leute an Bord waren. Während des Auslaufens wurden sie von der Räuchereiseite her beschossen. Ferner an der Mole von Soldaten, die das Auslaufen der Kutter wohl wegen des hohen Alkoholpegels erst sehr spät bemerkt hatten. Gott sei Dank wurde niemand verletzt. Sehr bald kam die Gulaschkanone zu uns auf den Hof. Hier wurde für die normale Mannschaft gekocht, die zum Teil in unserer Scheune untergebracht war. Für die Offiziere kochte man in der Küche meiner Großeltern. Sie speisten dann in der Wohnung. Die Russen selbst und der Koch waren zu uns Kindern freundlich. Wir saßen bei ihnen auf dem Schoß und bekamen von ihrem Notgebäck, das sie in der Hosentasche hatten, und Sonnenblumenkerne zu essen. Das Gebäck war fürchterlich hart. Sie konnten wunderbar singen. Besonders, wenn sie angetrunken waren sangen sie sehr sentimental die russischen Volkslieder. Diese Freundlichkeit soll aber nicht heißen, dass alle Russen so waren. Beim Einmarsch sind schlimme Dinge passiert mit Vergewaltigungen der Frauen und Mädchen, und Tötungen in der Bevölkerung. Der Koch jedenfalls war gut zu uns Deutschen. Einmal mussten meine Schwester und ich den Nachbarn Bescheid sagen, dass sie sich die Brühe aus der Gulaschkanone holen sollten. Er hat sie nicht weggegossen. Ferner kam einmal ein Russe mit einem Sack voller Aale und schüttete sie in unserer Küche aus. Meine Mutter und Frauen aus der Nachbarschaft mussten sie sauber machen. Sie zogen die Haut allerdings nicht ab, was sonst üblich ist. Der Koch gab ihnen ein paar Aale ab mit den Worten: “Madga, Madga - und winkte mit der Hand. Eines Abends saßen wir in unserer Küche. Plötzlich klopfte es an die Tür. Wir erschraken. Es erschien der Koch, um sich von uns zu verabschieden. Er sagte in gebrochenem Deutsch: „ Ichk nach Berr-lin, Gietler machen puff, puff. Dabei küsste er jeden von uns auf die Stirn. Meine Mutter erzählte mir, dass er nach 14 Tagen wieder da war. Man hatte ihn eingesperrt, weil er sich betrunken mit einem Offizier geprügelt hatte. In unserer großen Scheune waren auch einige Pferde untergebracht. Pferde, die nicht recht tauglich waren, wurden aufs Feld in Richtung Bohn gejagt. Diese holten wir uns zum Reiten. Ende März musste auf Anordnung der Kommandantur Leba geräumt werden. Auch wir waren darunter. Meines Wissens blieben aber doch einige zurück – zum Teil Fischer. Meine Mutter sagte, wenn mein Vater zu Karl Schoth gegangen wäre, hätten wir in Leba bleiben können. Karl Schoth war wohl vom Russen mit einigen Aufgaben betraut worden. So kamen wir nach Rekow. Wir wurden auf einem Bauernhof mit mehreren Familien untergebracht. Am 10. April waren mein Vater und ich in einem Schuppen, wo er Holz hackte. Es kamen zwei Russen vorbei, die meinen Vater entdeckten und mitnahmen. Alle Männer wurden „eingesammelt“ und mitgenommen. Mein Vater wurde im Herbst 1945 wieder entlassen und kam nach Lübeck – Schlutup. Hier wohnte er mit anderen Fischern, z.B. Albert Beise, zunächst im Eisenbahnwagen, dann in einem Zimmer. Eine Arbeitsstelle auf einem Kutter fand er nicht. -4- Im Oktober 1946 bekam er eine Blinddarmentzündung und eine Lungenentzündung dazu, so dass er am 05. November 1946 verstarb. Wir haben ihn also nach der Verschleppung nie wiedergesehen. Wird fortgesetzt. In Erinnerung an unsere Heimat Pommern und Leba, die wir im Juni wieder besuchen werden. Beitrag 2015 Das erste Vierteljahr ist fast vorüber, viele von Euch haben bereits den Jahresbeitrag gezahlt, die Anderen möchte ich an die Zahlung erinnern. Denn nur durch euren Beitrag ist es uns möglich, die Bürgerbriefe zu versenden. Aktuell beträgt der Jahresbeitrag 18,00 €, mehr darf jeder gerne bezahlen! Ausstellung im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald (Hinweis und zusätzliche Bilder von Julia Pechstein) -5- Bilder in der Ausstellung Fischerkaten 1932/3, entstanden in Rowe Kutter zur Reparatur 1933/7, entstanden in Leba Leba Heute: von C. Fredrich Pomuchelfest, St. Nikolaus und die Einsegnung des neuen Feuerwehrfahrzeuges waren Gründe genug für mich Anfang Dezember nochmals nach Leba zu fahren. Und die Hoffnung Leba im weißen Kleid zu sehen, der Winter hatte zwar schon seit einigen Tagen mit Frost Einzug gehalten, der Schnee ließ aber noch auf sich warten. Aber es wurde in den Tagen meines Aufenthaltes über Tag wieder wärmer, es fiel dann Regen statt Schnee und die Straßen wurden rutschig, Im Jachthafenbecken schwammen Eisschollen, auch die Ränder des Lebasees begannen zuzufrieren, sowohl von Rumbker- als auch von Lebafelder Seite. Um das Schilfrohr sammelten sich kleine Eisflocken zu Kugeln. -6- Vereister Schilf am Steg in Rumbke Blick über den Lebasee mit kleinen Eisschollen Winter in Leba Am 27. Dezember begann es auch in Leba zu schneien, wie in vielen Regionen bei uns auch. Straßen und Plätze erstrahlten in ihrer weißen Pracht und herrlicher Sonnenschein lockte viele Lebianer zu Spaziergängen aus dem Haus. Aber wie bei uns, war es auch in Leba ein kurzes Gastspiel der Schneeflocken. Stadtpläne in Großformat Die Stadt Leba hat seit vergangenem Sommer an vielen Stellen in der Stadt und auf den Wegen zum Nationalpark und zu den Stränden Stadtpläne aufgestellt. Große bunte Schilder fallen einem direkt ins Auge, ihre klare Kennzeichnung lassen jeden schnell erkennen, wo man sich gerade befindet und wo das Ziel liegt. Neues Tanklöschfahrzeug übergeben In einer Feierstunde unter freiem Himmel bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel, aber klirrender Kälte fand Anfang Dezember die Einsegnung und Übergabe des neuen Tanklöschfahrzeug (TLF 4000) statt. An der Hafenkommandantur fanden sich ranghohe polnische Feuermänner, darunter der Hauptkommandant für Polen, Abgeordnete des Kreistages Lauenburg und der Lebaer Stadtrat, Bürgermeister Andrzej Strzechmiński ein. In einem militärischen Zeremoniell wurde das Tanklöschfahrzeug nach der Einsegnung an den Kommandanten der Feuerwehr Leba, Sebastian Kluska übergeben. -7- Das 700.000,00 Zlty. teure Einsatzfahrzeug wurde zum größten Teil von der Stadt Leba finanziert, der Kreis Lauenburg und das Hauptfeuerwehramt für Polen in Warschau trugen zur Restfinanzierung bei. Anschließend ging es angeführt von der Marinekapelle Gdingen/Gdynia und der Feuerwehr inklusive Tanklöschfahrzeug in einem langen Zug zur Sporthalle zum 16. Pomuchelfest. Wolfgang Helbig war einer der drei Juroren. Sieben Restaurants und Vereine stellten sich dem Wettstreit um das beste Pomuchelgericht. In der “Profi“Kategorie“ gewann die Galeria Smakow, bei den Hobbyköchen der Seniorenklub Nieazapominajka. Wie jedes Jahr hatten alle Teilnehmer viel Mühe in die Präsentation und Anrichtung ihrer Gerichte gelegt und die drei Juroren verkosteten insgesamt 16 Gerichte. Komplettiert wurde der Wettstreit um das beste Fischgericht von 15 örtlichen Künstlern, die einen Handwerkermarkt aufgebaut hatten und die kleinen Konzerte der Marinekapelle, die mit ihren Rhythmen die vielen Besucher mitrissen. Stürmischen Zeiten Das Orkantief Felix, das Mitte Januar über uns und große Teile Europas hinwegfegte hinterließ auch deutliche Spuren in Leba und Umgebung. Der im Herbst aufgeschüttete Sand wurde vollständig wieder durch mannshohe Wellen und Orkanböen abgetragen. Es entstand - wie auf beiden Fotos zu sehen - eine tiefe Abbruchkannte. Die Leitung des Slowinski Nationalpark weist aber nicht nur auf die Schäden durch Orkan Felix hin, sondern auch, dass solche Naturgewalten wichtig sind für Flora und Fauna. Sie wären sehr wichtige ökologische Faktoren und garantieren ein ordnungsgemäßes Wachstum von Pflanzen und einen gesicherten Lebensraum für Vögel. Auch das Meer und der Strand würde dadurch gereinigt und besserte für Pflanzen und Vögel die Lebensqualität. Und so schön können „ Sturmbilder“ sein: -8- Bau der Wellenbrecher Anfang Dezember begann das Seeamt mit dem Bau der Wellenbrecher um die Strände besser zu schützen und den massiven Abtragungen des Sandstrandes vorzubeugen. Oberhalb des Hotel Neptun befindet sich zurzeit der erste Bauabschnitt, riesige Mengen aufgeschütteter Steinbrocken befinden sich im Hafengelände zwischen Strombrücke und Jachthafenhotel. Der Orkan Mitte Januar unterbrach die Arbeiten nur kurzzeitig. Zu Saisonbeginn sollen die Bagger und Baustellenfahrzeuge verschwunden sein. Hindenburgstraße/ ul. Kosciuszki in Photos und alten Postkarten Die diesjährige Ausstellung in der Bibliothek Leba während unseres Besuches im Juni zeigt die Hindenburgstraße/ ul. Kosciuszki von deutscher Zeit bis Ende der 1970-er Jahre. Wer zur Vielfältigkeit der Ausstellung mit alten Postkarten oder Photos bzw. Bilder (natürlich nur leihweise oder als Kopie) beitragen möchte, meldet sich bitte bei Claudia Fredrich. und Damals: Wer von den Lesern des „Bürgerbriefes“ erinnert sich noch daran, dass X - eine falsch gehende Uhr mit dem Spruch bezeichnet wurde, „sie geht nach Buttermilch“ ? X - Hauspantoffeln als „Schlurren“, der heutige Samstag selbstverständlich als „Sonnabend“, das was heute modern als Dessert oder Nachtisch damals als „Speise“ bezeichnet wurde ? X - in unserer alten Nicolai-Kirche vor dem Altar-Raum Grabplatten der Familien von Weiher und Krockow aus dem 17.Jahrhundert sichtbar waren ? X - nach dem Versailler Vertag von 1919, der den Ersten Weltkrieg beendete, Tausende von Flüchtlingen aus dem an Polen abgetretenen ehemaligen Westpreußen nach Ostpommern kamen ? In Lauenburg fanden 2.700, in Köslin 2.500, in Kolberg 3.500 von ihnen Aufnahme. X - sich im Hinterhof des Geschäftshauses (Haushalts- und Porzellanwaren) von Schulz-Woynack in der Hindenburgstraße bis in den Zweiten Weltkrieg hinein eine stillgelegte „Reeperbahn“ zur Herstellung von Schiffstauen und –leinen befand ? X - die früheren deutschen Ostprovinzen Ostpreußen größer als die Niederlande, Schlesien größer als Dänemark, Pommern größer als Belgien und Ostbrandenburg mehr als dreimal so groß wie Luxemburg waren ? X - es in Leba damals einen Amtsboten gab, der nach meiner Erinnerung einmal wöchentlich - oder doch nur von Fall zu Fall aus gegebener Veranlassung ? - durch die Straßen des Städtchens ging, alle paar hundert Meter anhielt, seine Handglocke ertönen ließ und anschließend mit lauter Stimme eine oder mehrere amtliche Verlautbarungen des Magistrats verkündete ? X - nach ursprünglicher Fassung des Versailler Vertrages ein breiter Streifen am Ostrand des Kreises Lauenburg an Polen fallen sollte ? In ihm befanden sich auf ca. 35.000 Hektar 45 Siedlungen mit etwa 10.000 Einwohnern. Die danach gültige Grenze sollte von Lübtow über den Sauliner See östlich an Lanz und Labuhn vorbei verlaufen. Diese Entscheidung konnte durch deutschen Einspruch verhindert werden. Stattdessen legte der Vertrag endgültig fest, dass vom ehemaligen Kreis Neustadt die Dörfer Prüssau, Reckendorf, Burgsdorf, Fredrichsrode, Rauschendorf und Kolkau dem Kreis Lauenburg zugeschlagen wurden. X - zu den zahlreichen Naturdenkmälern unserer engeren Heimat bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auch eine vor dem Eingang der Kirche in Charbrow in imponierender Wucht stehende, sechs Meter im Umfang messende Eiche, vermutliches Alter mehr als 500 Jahre, gehörte ? Als sie nach 1990 einging, wurde an ihrer Stelle ein zartes Bäumchen gepflanzt. ud -9- Damals, Leute in Leba Die Bürgermeister von Leba (soweit bekannt): ca. 1483 - Martin Klinkebeil 1487 - Ludemann (älterer Bürgermeister) 1507 - Philipp 1522 (?) - Hans Moler 1524 - Martin Dobbes 1658 - Gregor Zielcke 1884 bis 1688 - Georg Buncke 1688 - Niklas Laars 1698 - Wahl, Corssen, Buncke 1704 - Nikolaus Laars, Balbier u. Pate eines Predigerkindes ca. 1530 - Greger Hartmann 1713 - Gottfried Laars 1533 - Greger Nesse 1739 - …...rbek 1539 - Matz Lange 1786 - Wilcke 1539 bis 1570 - Mathias Setzke ca. 1810 - Mampe 1542 bis1544 - Marten Setzke 1821 - Böhme 1568 - Matern Drefke, Jakob Hartmann 1822 bis 1824 - J.A. Fleischer 1576 - Kaspar Bretzlaff 1827 bis181843 - F. Milbert 1579 - Matern Driffe o. Drefke 1845 bis 1848 - M.M. Plath 1587 bis 1621 - Jeremias u. Michel Retzke bis 1868 - Sassenhagen -91598 bis 1602 - Lorenz Zulcke 1624 - Jürgen Zetzke 1624 bis 1639 - Bienenwald 1630 bis 1636 - Marten Ellerholt 1642 - Gregor Zulcke 1653 - Moldenhauer 1868 bis 1878 - Eduard Woedtke 1878 bis 1884 - Friedrich Pardeicke 1884 bis 1889 - Gustav Leusch 1889 bis 1.10.1889 - Karl Haacke 2.10.1898 bis 1910 - Paul Gädtke (Quelle Prof. Dr. Schultz: „Geschichte des Kreises Lauenburg/Pommern“, 1912;) 21.2.1911 - Paul Brinckmann (Magistratsmitarbeiter),kommissarisch. Bürgermeister; 11.3.1911 bis 1915 - Scherler (Stadtsekretär aus Luckau); 1916 bis 1933 - Ernst Horn; 1934 bis 1936 - Zimmermann; 1.10.1937 bis 28.2. 1943 - Paul Jeske; 1943 bis 1945 - Post; nach Kriegsende: Richard Knoop, Maurer, Emil Wegener, Hochseefischer, Franz Klingbeil. (Quelle Willi Gillmann: „Chronik der Stadt Leba“, 1998;) ud Der Wegdurch das Jahr fünfundvIerzIg Aus den Tagebüchern von Heinrich Huppertz Ab 1. Januar (bis 31. Dezember) 1945 Fortsetzung von Bürgerbrief 95, 96 30.Januar Wir werden von der Streife zum Reservelazarett dirigiert und beschließen, heute nicht mehr weiter zu fahren, da die Fahrer völlig erschöpft sind. Außerdem sind noch zwei Fahrzeuge zurück. Wir haben auch keinen Brennstoff mehr. Gott sei Dank hatten wir in unserer Baracke auf dem Flugplatz Vietziger-Strand, der in der Nähe liegt, noch einen guten Vorrat an Flugbenzin liegen, für den wir nun eine bessere Verwendung haben. Aber wir müssen ihn dort holen und das kostet auch mehrere Stunden Zeit. Also heute Ruhetag! Unsere erste Sorge gilt den Frauen und Kindern im Omnibus, die von der anstrengenden Nacht sehr mitgenommen sind. Wir werden an ein Auffanglager in einer Schule verwiesen. Dort ist es einigermaßen erträglich und ich selbst hole Milch für die kleinen Kinder. Ich versuche für uns bei Mundts Hotel eine Unterkunft zu bekommen. Auf Grund meiner langjährigen Stammkundschaft gelingt es mir, bis nachmittags 2 Uhr ein Zimmer mit zwei Betten zu erhalten. Dieses beziehen wir, Elisabeth, die Oma, Annegret, Frau Fricke mit ihren zwei Kindern und ich. Wir können uns waschen und etwas ruhen. Ich kann nicht schlafen und besuche meine anderen Schützlinge im Auffanglager, wo alles verhältnismäßig wohlauf ist. In der Stadt ist das Leben und Treiben noch in etwa normal, alle Geschäfte sind geöffnet. -10- Ich gehe zum Bahnhof, wo ein buntes Gedränge von Flüchtlingen herrscht. Züge fahren nun überhaupt nicht mehr, nur ein Flüchtlingszug soll noch nach Westen gehen. Auffallend ist, dass man keine vorgehenden Verbände sieht, was man doch bei der Nähe der Front eigentlich erwarten müsste. Wie immer steht auf dem verschneiten Markt das Denkmal Blüchers, der als Oberst Kommandeur der Stolper Husaren war. Dahinter erhebt sich mächtig der rote Backsteinbau der Marienkirche aus dem 14. Jahrhundert. -Da wir um 17 Uhr das Zimmer in Mundts Hotel räumen müssen – so lange haben wir noch eine Gnadenfrist erhalten – besorge ich Quartier für die nächste Nacht, da das Auffanglager wenig verlockend ist. Das Reservelazarett ist bereit uns aufzunehmen, wenigstens einige unserer Frauen und die Kinder. Familie Nitschke ist im Hotel Franziskaner untergekommen. Dort sind wir abends zum Essen noch eine Weile zusammen. Maximilian opfert eine Flasche Kognak und einige Flaschen Wein. So konnte man es fast gemütliche nennen, wenn die Wucht der Gegenwart nicht so entsetzlich schwer auf allen lastete. Es ist der 30. Januar, der Gedenktag an die Machtübernahme durch Adolf Hitler vor 12 Jahren. Nun ist sein Stern im Sinken und niemand nimmt Notiz von der Bedeutung dieses Tages. Goebbels soll im Rundfunk sprechen, niemand achtet darauf. Im Reservelazarett sind noch einige Betten zwischen anderen Flüchtlingen und Verwundeten frei. In dem Raum ist furchtbar schlechte Luft, aber es ist wenigstens warm. Es gibt auch Suppe und die Nachtkann beginnen. – Prof. Orthmann und ich schlafen im Finanzamt gegenüber vom Reservelazarett, vor dem auch die Fahrzeuge auf der Straße stehen. Wir bereiten uns zwischen den Schreibtischen in irgendeinem Zimmer des Finanzamtes unser Lager, telefonieren noch mit Leba und verbringen die Nacht ohne besondere Vorkommnisse. 31.Januar Wir haben die Abfahrt von Stolp auf 8 Uhr festgesetzt, aber ehe alles zur Stelle und wir vor allem wieder verstaut ist, ist es 9,30 Uhr. Die beiden Fahrzeuge der Heeresgruppe, die in Lauenburg zurückgeblieben waren, sind im Laufe der Nacht angekommen, aber die Fahrer und Männer sind völlig am Ende ihrer Kräfte und an eine sofortige Weiterfahrt ist gar nicht zu denken. Wir beschließen daher, mit den Fahrzeugen der Flakgruppe unter der militärischen Leitung von Prof. Orthmann allein weiter zu fahren, da wir besonders aus Rücksicht auf die Frauen und Kinder nicht mehr länger warten können. Ich fahre von jetzt an als einziger Mann mit im Omnibus. Das ist nicht gerade ein Vergnügen mit 50 Frauen und kleinen Kindern, aber für diese ist es ja wahrlich auch kein Vergnügen und ich kann bei den Meinigen sein. Die Heeresfahrzeuge bleiben also zurück und mit ihnen Willy Palm, der unsere Reise mitmachen musste und den wir, um seine Mitnahme zu rechtfertigen, als Feuerwerker eingesetzt hatten und der als solcher die Aufgabe hatte, unsere militärischen Geräte zu sprengen, falls wir unvermutet mit den Russen zusammenstoßen würden. Diesen Abschluss seines Urlaubs in Leba hatte er sich nicht gedacht. Aber es hätte ihm schlimmeres passieren können, wenn wir ihn nicht hätten mitnehmen können. Nun müssen wir uns in Stolp trennen und wir wollen uns auf der Strecke bald wieder treffen, aber es sollte viel Monate dauern bis zu diesem Wiedersehen. Der Omnibus fährt vor. Das Wetter ist besser geworden und die Straße ziemlich gut geräumt. So kommen wir gegen Mittag in Schlawe an und bewältigen damit die 27 Kilometer lange Strecke in 2 und ½ Stunde. Es ist viel Betrieb auf d4er Straße, kilometerlange Trecks von Flüchtlingen, ein Bild des Jammers. Klapprige Wagen mit klapprigen Pferden, auf den Wagen Kinder, alte Leute, Hausrat, die geringen Habseligkeiten der Armen. An den Schildern der Wagen kann man die Herkunft erkennen: Westpreußen, Ostpreußen, Posen…Auf der Straße zwischen Stolp und Schlawe überholen wir einen ausziehenden Fliegerhorst mit einer fliegertechnischen Schule. Es sind vielleicht 500 oder600 Mann, zu Fuß, mit selbstgezogenen Handschlitten, auf denen geringes Gepäck liegt und das dauernd herunterfällt, ohne Waffen, die Offiziere die Hände in den Manteltaschen. Vorwärts Kameraden, es geht zurück. Welcher Unterschied, als einst noch die deutschen Flugzeuge stolz ihre Bahnen zogen, und nun dieser flüchtende Fliegerhorst. Man sieht keinen einzigen Soldaten, der nach vorne geht, und keinen einzigen deutschen Panzer. „Gegenmaßnahmen sind eingeleitet“ heißt es mit nichtssagender Monotonie im Wehrmachtsbericht. In Schlawe warten wir auf die Zugmaschine mit den Anhängern. Ich gehe zum Bahnhof, um bei der NSV einen großen Kessel warme Maggisuppe zu holen, den ich bereitwilligst bekomme. Am Bahnhof dasselbe Bild wie in Stolp, Flüchtlinge, Soldaten…. Züge fahren nicht mehr. Der schöne Turm der Schlawer Backsteinkirche Sieht herab auf das Gewimmel. Überall ein Riesenbetrieb, alles westwärts. Polizei und Volkssturmmänner versuchen, den Strom der Trecks in geordnete Bahnen zu lenken. Die Zugmaschine folgt bald nach und es geht weiter, der Omnibus ist wieder an der Spitze. Die Straßenverhältnisse und das Wetter sind gut und wir kommen ziemlich flott von der Stelle. In dem kleinen Städtchen Schübben-Zanow werden wir von den Volkssturmposten für gewöhnliche Flüchtlinge gehalten und auf die Straße nach Rügenwalde geleitet, nach Nordosten. Arme Flüchtlinge, ihr werdet wieder nach Osten zurückgeschickt. Es ist ja auch egal, wo es hingeht. Wir erkennen erst nach einer beträchtlichen Strecke den Irrtum und kehren um. Das Umwenden ist auf der vereisten und stark von Trecks verstopften Straße ein schwieriges Unternehmen. Vor Köslin, Am Abhang des Goldenberges, haben wir eine Reifenpanne. -11- Das hält lange auf und so sind wir erst gegen 16,30 in Köslin auf dem Marktplatz, wo die Zugmaschine schon auf wartet, die während unserer Irrfahrt in Schübben-Zanow vorgefahren war. Wir machen einige Stunden Pause, wollen aber die nächste Nacht durchfahren, um nicht noch einen Tag zu verlieren. Es beginnt zu dunkeln, während wir für die Stunden der Pause eine Bleibe suchen. Der „Kronprinz“, einst eine hervorragende Stätte pommerscher Gastlichkeit, ist von Flüchtlingen überfüllt. Im Keller ist ein Auffanglager eingerichtet, dort ist es warm und trocken, aber es ist zu viel Gedränge und wir begeben uns auf die Suche nach einem geeigneteren Raum. Dieser bietet sich, wenigstens für die kleine Annegret, in einem Säuglingsheim in der Bahnhofsstraße. Sie wird dort gewaschen und verpflegt und bekommt sogar ein Bettchen. Wir gehen inzwischen ins Hotel Schuhmacher, wo uns nach vielem Hin und Her ein kleines Gesellschaftszimmer zur Verfügung gestellt wird, wo wir essen können. Der Wirt ist sehr unfreundlich, ersieht uns nicht gern, wir dreckigen Flüchtlinge gefallen ihm nicht, er ist an andere Gäste gewöhnt. Er hat es vergessen, dass ich früher oft in anderer Kleidung und unter anderen Umständen bei ihm zu Gast gewesen bin. Wie tief konnte er sich verbeugen, wenn ich mit dem gefallenen Regierungspräsidenten Dr. Müller sein Lokal betrat. Ob er seine Einstellung nicht noch etwas ändern wird im Laufe der nächsten Monate? Die Zugmaschine hat Reifenschaden und es muss bei der Wehrersatzinspektion, die sich in Köslin befindet, eine neue Decke geholt werden. Gegen 22 Uhr setzt sich unser Zug wieder in Bewegung. Wir wollen jedoch für die Nacht zusammen bleiben, um uns bei eventuellen Vorkommnissen gegenseitig helfen zu können. Es fängt langsam an zu regnen, als wir von Köslin, der Regierungshauptstadt Ostpommerns Abschied nehmen und in Richtung Körlin fahren. Die Straße ist verhältnismäßig gut, auch nicht mehr so verstopft von Flüchtlingen; der Strom der Trecks scheint andere Wege geführt zu werden, wahrscheinlich Richtung Kolberg. Es geht zügig weiter, bis auf einmal in der Nähe von Naugard die Zugmaschine wieder Reifenpanne bekommt. Es muss geflickt werden. Wir schaffen uns Licht, indem wir Pulverstangen verbrennen, von denen wir eine genügende Menge bei uns haben und die sowieso den Krieg nicht mehr entscheiden können. Das flackernde Feuer wirft einen gespenstischen Schein auf die Fahrzeuge, auf die vor Kälte zitternde Menschen und auf ein benachbartes Haus. Nach einer geraumen Zeit sind wir wieder in Fahrt un gegen 6 Uhr früh erreichen wir Gollnow, anscheinend eine Flüchtlingszentrale. Es regnet in Strömen un nasser Schnee bedeckt fußhoch die Straßen, als wir von den uns nun schon zur Gewohnheit gewordenen Volkssturmposten am Ortseingang kontrolliert werden. 01.Februar Wir werden in das Auffanglager im Schützenhof verwiesen. Es ist ein großes Lokal mit Tanzsaal, Gallerie und vielen Nebenräumen. In der Küche ist eine Anzahl NSV-Schwestern damit beschäftigt, die Flüchtlinge mit „Kaffee“ und Stullen zu versorgen. Es mögen wohl tausend Menschen sein, die sich in den mit Stroh bedeckten Räumen des Lokals niedergelassen haben. Wir suchen uns Gruppenweise ein freies Plätzchen im Stroh, zwischen schlafenden Flüchtlingen, schreienden Kindern. Der Gestank ist unbeschreiblich, aber man kann sich doch wenigstens einmal die Schuhe ausziehen. An Waschen ist nicht zu denken, die Toilettenverhältnisse sind nicht zu schildern. Nach einigen Stunden, als es heller Tag ist, halten wir es nicht mehr aus und wir begeben uns auf die Suche nach einem anderen Lokal. Wir finden ein Café und holen auch unsere Frauen dorthin, während es immer noch stark regnet. Auf der Toilette des Cafés kann man sich endlich einmal waschen und rasieren und es gibt auch Mittagessen. Der Wirt ist sehr mürrisch und ich gerate ziemlich hart mit ihm aneinander. Es geht anscheinend nicht ohne Schimpfen. Es ist ja auch für ihn schwer, das Lokal ist überfüllt von Flüchtlingen und es ist naturgemäß, dass das auch nicht immer die angenehmsten Gäste sind. Von einer Flakdienststelle aus versuchen wir, noch einmalnach Leba zu telefonieren, aber es gelingt nicht mehr. Gegen Mittag sind die Fahrzeuge wieder klar, -Die Kraftführer haben keine Ruhepause gehabt- und wir fahren weiter. Wir sollen mit dem allgemeinen Flüchtlingsstrom über Wollin geleitet werden, denn die Festung Stettin ist für durchziehende Flüchtlinge gesperrt. Das würde für uns unter Umständen tagelanges Warten an der Fähre über die Dievenow bedeuten. Das können wir uns nicht leisten, da wir ja möglichst schnell in Karlshagen arbeiten sollen. Die Posten sehen auch die Besonderheit unserer Lage ein und wir sind ziemlich schnell in Stettin. Vor der Stadt baut der Volkssturm überall Panzer- und andere Straßensperren, man kann sehen, hier ist Front. Und es ist für uns schwer, durch die vielen Kontrollen nach Stettin hineinzukommen, man will uns immer wieder um die Stadt herumleiten. Und es kostet die ganze Überredungskunst von Prof. Orthmann, aus Stettin wieder herauszukommen. Man will uns südlich über Greifenberg schicken, wo die Russen schon verdächtig nahe sind. Bei Pyritz wird schon gekämpft. Wie wir später hören, werden in Greifenberg alle Fahrzeuge ohne Rücksicht auf irgendwelche Fahrbefehle beschlagnahmt und die Männer in den Volkssturm eingereiht. Wir haben also Glück, als uns der junge Leutnant den grünen Stempel auf den Fahrbefehl drückt und wir die Oderbrücke passieren dürfen. Die Reisenach Greifenberg wäre unsympathisch gewesen, die russischen Panzer sind unberechenbar. Man spricht von einem Panzervorstoß auf Eberswalde an der Strecke nach Berlin. So fahren wir durch Stettin, oder vielmehr durch die Trümmer von Stettin. Rechts und links sieht man nur ausgebrannte Häuser und Schutthaufen. Das ist für uns Hinterpommern ein ungewohnter -12- Anblick. Man merkt, dass man in den Bereich der Westfront kommt. Überall ist reger Betrieb, viel Wehrmacht, jedoch vorwiegend mit der Marschrichtung Westen. Zurück!!! Dazwischen Volkssturm, mit der Errichtung von Panzersperren beschäftigt. Und Flüchtlinge, wohl hauptsächlich Stettiner, die zu Fuß, mit Kinderwagen, nach Westen ziehen. Die Baumbrücke wird zur Sprengung vorbereitet, während wir darüber fahren. Rechts sieht man die rauchgeschwärzten Trümmer der Gebäude auf der Hakenterrasse, links den mächtigen Turm der Jakobikirche, der noch erhalten ist. Wir atmen auf, als wir jenseits der Oder sind, denn nun sind wir doch wenigstens dem schlimmen Schicksal entronnen. In zügiger Fahrt geht es ohne Pause weiter auf der Straße nach Westen. Die Straßen sind jetzt vollständig schneefrei, in Ostpommern hatten wir dieses entsetzliche Schneetreiben und hier, auf der Westseite der Oder, ist es fast frühlingsmäßig warm. Man sieht auch kaum noch Flüchtlinge, keine geschlossenen Trecks mehr. Es ist alles fast friedensmäßig und doch sind die Russen kaum 50 km von Stettin entfernt. Es ist schon dunkel, als wir Pasewalk erreichen, wo wir eigentlich den Transport auflösen wollen. Die Wehrmachtsfahrzeuge sollen von hier nach Karlshagen und die Frauen mit den Kindern mit der Bahn weiter fahren. Am Bahnhof sehen wir jedoch gleich auf den ersten Blick, dass es keinen Sinn hat, die Frauen hier ihrem Schicksal zu überlassen. Jede Handbreit Boden in den Wartesälen und in den Vorräumen ist buchstäblich mit Flüchtlingen bedeckt und es ist unmöglich, sich einen Weg zu bahnen. Weder die NSV noch eine andere Stelle kann uns ein Unterkommen verschaffen. In Neubrandenburg soll es besser sein und wir fahren kurz entschlossen weiter, noch 95 km, und sind gegen Mitternacht dort. In einer Baracke vor dem Bahnhof ist die Betreuungsstelle für Flüchtlinge. Wir werden sehr freundlich in Empfang genommen und ein Helfer fährt mit zu den Mechanischen Werkstätten, einem Luftwaffenbetrieb, wo wir Quartier beziehen sollen. Der Betrieb hat für zu erwartende Flüchtlinge gut vorgesorgt und der große Kantinensaal ist warm geheizt. Die Tische stehen sauber ausgerichtet und die hygienischen Einrichtungen sind gut. Sogar sieben oder acht Kinderbettchen stehen bereit, in die die Kleinsten sofort gebettet werden, auch Annegret, die jedoch darin nicht schlafen will. Ein für unsere Verhältnisse fürstliches Abendessen wird uns von frischen Kellnerinnen serviert un jeder kann sich nach Herzenslust satt essen. Nach dem Essen richten sich die Gruppen, so gut sie können, ein, auf und unter den Tischen , auf Koffern und einigen Strohsäcken, die wir noch irgendwo auftreiben, denn Betten gibt es natürlich nicht. Nur für die alten Leute ist es schlecht, die Strapazen der letzten Tage waren zu groß, auch die Oma ist nicht besonders gut dran. Aber trotzdem sind wir froh, dass nun das Schlimmste, wenigstens vorläufig, hinter uns liegt. Bald hört man nur noch Schnarchen. Nur unter einem Tische, wo zufällig Flaksoldaten und Mess-Mädchen etwas nahe zusammen geraten sind, hört man noch flüstern….. 02.Februar Wir bleiben noch einen Tag in Neubrandenburg, um auf diese Weise den Frauen bei der Abreise noch etwas behilflich sein zu können. Die Fahrer brauchen unbedingt Ruhe, wir müssen mit Berlin telefonieren usw., es gibt genug Gründe, noch einen Tag zu bleiben; die Eile ist ja nun auch nicht mehr so unbedingt notwendig. Um Auskunft über Zugverbindungen nach den einzelnen Richtungen zu wir einige Männer zum Bahnhof. Einzelne Gruppen nehmen schon im Laufe des Tages Abschied, während die meisten erst am nächsten Tag fahren. Ich muss mich um alle kümmern und es ist selbstverständlich, dass alle im Omnibus zum Bahnhof gefahren werden. Die meinigen haben als erstes Ziel zusammen mit Familie Nitschke Perleberg in der Westpriegnitz ins Auge gefasst, wo Frau Behrendt, die Tochter der Familie Nitschke, noch ihre frühere Wohnung hat. Die Bahnverbindung geht über Neu-Strelitz. Um die Bahnfahrt zu vermeiden, verhandeln wir mit der Fahrbereitschaft des Werkes, ob nicht ein Wagen dorthin geht. Am nächsten Tag sei das der Fall, wird uns gesagt. Da jedoch um 17,40 Uhr ein Zug fahren soll, wollen wir versuchen, diesen zu benutzen. Zeitig fahren wir zum Bahnhof und stehen nun mit allem Gepäck, von dem Familie Nitschke ziemlich viel hat und mit dem sich hauptsächlich Elisabeth herumschlagen muss, auf dem überfüllten, zugigen Bahnsteig. Der Zug hat über eine Stunde Verspätung und so kann ich die kleine Annegret noch eine Zeit lang im Arm halten. Gedankenverloren sitze ich mit ihr auf einer Bank; ein freundliches NSV-Schwesterchen will sie mir für einen Augenblick abnehmen, aber ich lasse es nicht zu. Vor uns pendelt eine Lampe im Wind hin und her. „Papa, Lämpi“ sagt Annegret mit ihrem hellen, klaren Stimmchen. Die sieht auch in diesem trostlosen Dunkel des Augenblicks nur das Helle, das Licht. Ich schließe sie fester in di graue Decke und drücke sie in meine Arme. Als der Zug endlich ankommt, ist er so überfüllt, dass an ein Mitkommen nicht zu denken ist, obschon wir von Abteil zu Abteil laufen und hineinzukommen versuchen. Fast bin ich froh, denn so können wir wenigstens noch eine Nacht zusammen sein. Aber der Omnibus ist weg, ich hatte ihn unvorsichtigerweise zurückgeschickt. Ratlos stehen wir vor dem Bahnhof, die Mechanischen Werke sind weit. Da fällt es Nitschke ein, dass er hier in der Stadt einen Hotelier kennt. Dieser ist in Leba beim Zoll und auch ich kenne ihn. Es ist nicht weit zum „Neubrandenburger Hof“ und die Wirtin nimmt uns gastlich auf. Die Oma bricht uns fast zusammen und legt sich mit Annegret sofort zu Bett, zum ersten Mal wieder in ein weiß gedecktes Bett! -13- Wir anderen sitzen noch in der Gaststube zusammen und trinken einen von Nitschke spendierten, mitgebrachten Kognak, der bei ihm nicht auszugehen scheint. Ich verzichte auf das mir angebotene Hotelbett, ich möchte meine Schützlinge in der Unterkunft nicht allein lassen. Elisabeth geht mit mir. Ich bin ihr dankbar dafür und wir machen uns allein zu Fuß auf den Weg, da wir die Oma und Annegret gut versorgt wissen. Wir sprechen nicht viel, was soll man auch sagen? In unserer Kantine hat sich während unserer Abwesenheit einiges geändert. Es sind noch mehr Flüchtlinge hinzugekommen und der Saal ist ziemlich überfüllt. Wir bauen uns ein Lager aus Koffern und anderen Gepäckstücken in einer Ecke zurecht. Diese Nacht, zwischen den Koffern in dem großen Kantinensaal, werde ich nie vergessen! Nun müssen wir Abschied nehmen, die Last und die Sorge für die Oma und für Annegret liegt von jetzt ab allein auf Elisabeths Schultern. Nun müssen sie allein dahinziehen, einen unbekannten Weg und einem unbekannten Ziel entgegen. Und Deutschland versinkt in einen Abgrund, aus dem es kein Empor mehr gibt. Nie ist mir die grausame Wirklichkeit so erschütternd zum Bewusstsein gekommen. Und doch, in dieser Nacht vor dem Abschied, vielleicht dem Abschied für immer, in dieser trostlosen Umgebung, in diesem wirbelnden Chaos der Ereignisse, überkommt mich ein stilles Glücksgefühl, nicht allein zu sein. -Wird fortgesetzt- Aus der Nachbarschaft Lebas: Gutshaus Speck - Berichtigung Die im Bürgerbrief 95 veröffentlichte Postkarte zeigt das Gutshaus in Speck Kreis Naugard, nicht in Speck Kreis Lauenburg, darauf machte mich Ruth Lerche aufmerksam. Sie schreibt dazu: Das Gutshaus in Speck war bescheidener, nur ein eingeschossiges Haus mit Efeu bewachsen. Und weiter schreibt Ruth Lerche: Speck, ein kleines Dorf. Rechts und links der Dorfstraße stehen Häuser, die meisten haben Vorgärten. In Speck gab es eine Schule, einen Kolonialwarenladen und ein Gut ( zu meiner Kindheit gehörte es der Familie Steingräber) Die Schule war ein großer Klassenraum, in dem alle Kinder von der 1. Bis 8. Klasse von Lehrer Lankow unterrichtet wurden. Die Kinder kamen aus Speck, Babidol und Friedrichshof. Wenn man von Speck nach Lebafelde ging, kam man unterhalb des Friedhofs nach Babidol. Dort waren 5 Häuser, dann ging es weiter nach Friedrichshof. In meiner Erinnerung waren dort 3 Häuser. Dies war der Kürzeste Weg nach Lebafelde und Leba, den bin ich 1946/ 1947 paarmal mit meiner Oma Janneck zu Fuß nach Leba gegangen. Lebafelde ließen wir rechts liegen und gingen barfuß über die Wiesen nach Leba. Meine Oma war der Meinung Speck hatte den schönsten Friedhof. Er lag auf einer Anhöhe, ringsum Wald. Im Herbst oder Frühjahr, wenn die Bäume noch ohne Laub waren und die Lärchen ohne Nadeln, konnte man von oben in Richtung Nord-Ost zum Lebasee sehen. Die Lontzke Düne hatten wir täglich vor Augen, wenn wir hinter Stall und Scheune gingen und Richtung Nord sahen. Für uns Kinder war der Lebasee eine Wonne, im Sommer zum Baden und im Winter gings aufs Eis. Bei Sonnenschein spiegelten sich die Wolken auf dem Eis und ließen den See unendlich tief erscheinen. Im Winter hatten wir meist viel Schnee und wir konnten gut vom Schanzaberg rodeln. Von Speck in Richtung Lebafelde oder Fichthof oder Charbrow war viel Wald. Es gab Blaubeeren, Preiselbeeren und im Moor Moosbeeren, die wurden nach den ersten Frösten gepflückt. Viele Pilzarten konnte man sammeln, am besten waren die Steinpilze und die Pfifferlinge. Auf den Wiesen Richtung See gab es auch Champignons. Brot wurde von den Hausfrauen selber im Backofen gebacken. Mehrere Familien hatten eine Backofen. Die Backöfen standen außerhalb vom Dorf. Die Leba fließt zwischen Speck und Giesebitz in den Lebasee. Für uns war es immer der Strom. Speck hatte keine Kirche. Wir sind nach Giesebitz in die Kirche gegangen oder gefahren. Früher konnte man durchs Moor über Karlshof nach Charbrow fahren, das ist jetzt nicht mehr möglich, denn es sind große Seen durch den Abbau von Torf entstanden. Auf den Wiesen, wo früher Heu geerntet wurde und die Kühe geweidet haben sind jetzt Binsen und Büsche. Landwirtschaft wird ganz wenig betrieben, die Natur ist sich selbst überlassen. Speck liegt im Slowinski Nationalpark. Einige Häuser und Höfe sind verschwunden, auch das Gutshaus, von den großen Stallungen sind nur noch einige Grundmauern zu sehen. -14- Schlaischow/Fichtkaten Am letzten Tag meines Besuches in Leba nutze ich die Gelegenheit mir von Wolfgang Helbig den Friedhof in Schlaischow/Fichtkaten, der in einem abgelegenen Waldgebiet zwischen Sassin und Zackenzin liegt , zeigen zu lassen. Jetzt im Winter konnte man das Hinweisschild von einem Waldweg aus gut erkennen, leider ist dieses im Sommer von Laubbäumen verdeckt, so dass meine Suche im vergangenen August erfolglos war. Claudia Fredrich Buchtipps: „Letzte Flüchtlingszüge aus Ostpreußen“ (ISBN 978-3-842349-66-7) „Flucht mit der Bahn 1944/45“ (ISBN 978-3-734739-92-7) Beide Bücher stammen von Heinz Timmreck, (geboren am 06.Juli 1937 in Osterode in Ostpreußen). und sind erschienen bei Books on Demand GmbH, Norderstedt 2014. Hilferdings Reise durch „Die kaschubischen Landschaften“ im Jahr 1856 Der russische Wissenschaftler Alexander Hilferding besuchte im Sommer 1856 als Fünfundzwanzigjähriger die von ihm so genannten „kaschubischen Landschaften“ im damaligen Westpreußen und Pommern. In dem Buch „Kaszubi / Die Kaschuben“, herausgegeben vom Instytut Kaszubski, Gdansk 1999, ISBN 83-912809-6-9, wird die von Hilferding auf seiner 2 Wochen (!) dauernden Reise (s. Seite 70) angeblich zurückgelegten Route (s. Seite 47) beschrieben. Die zwischen den einzelnen Orten liegende Entfernung ist von mir zusätzlich - in der Luftlinie gemessenen - Kilometern ergänzt worden: Danzig (34 km) Neustadt (40 km) Lauenburg - Leba-See (25 km) Glowitz (48 km) Bütow (32 km) Berent (9 km) Stendsitz (11 km) Brodnitz (6 km) Chmielno - Neustadt (40 km) Lauenburg (48 km) Stolp (38 km) Glowitz (11 km) Schmolsin - Garde - Klucken (16 km) Leba - Sarbske (15 km) Ossecken (6 km) Wierschutzin (5 km) Zarnowitz (10 km) Krockow - Putzig - Hela (s Seiten 65 und 66). Außerdem wird an anderer Stelle der Eindruck erweckt, dass er auf dieser Reise an 65 weiteren Ortschaften persönliche Informationen zum Thema „Kaschuben“ eingeholt hätte und daher verlässliche Aussagen zu ihrem damaligen ethnographischen Status machen könne (s. Seiten 31, 33, 35, 36, 37, 38 und 39). Angesichts der Vielzahl der aufgezählten Ortschaften ist es unvermeidlich, dass Zweifel an der Wissenschaftlichkeit und Redlichkeit von Hilferdings Behauptungen aufkommen. Wie ist es möglich, dass Hilferding in der Zeit von nur zwei Wochen eine solche Reise hinter sich gebracht haben will ? Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, in welchem Zustand sich damals (1856) Straßen und Wege befanden. Als Beförderungsmittel standen dem Forscher seinerzeit nur Pferd und Kutsche zur Verfügung. Die Eisenbahnstrecke Lauenburg - Stolp wurde erst 1869 eröffnet; die Verbindung zwischen Lauenburg - Danzig erst im Jahr 1870. Allein die für die Überwindung der Strecken zwischen den einzelnen Orten notwendige Zeit dürfte zwei Wochen erheblich überschritten haben. Woher soll sich dann die zusätzliche Gelegenheit für Gespräche, Interviews und fundierte Nachforschungen ergeben haben, die die Basis einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit bilden müssten? Auf den Seiten 65/66 der in Rede stehenden Arbeit findet sich Hilferdings Aussage: „In dem Städtchen Leba.........konnten viele einfache Leute, besonders die älteren, noch Kaschubisch, aber sie schämten sich ob dieser Sprache und würden daher fast ausnahmslos Deutsch sprechen. Der polnische Historiker Zygmunt Szultka zitiert in seiner im Jahr 2000 vom „Instytut Kaszubski w Gdansku herausgegebenen Publikation „Szkize Historyczene 0 dawnej Lebie“ auf Seite 150 den Bericht des Pastors G.C. Magunna über das Schulwesen im Kirchspiel Leba vom 18. Juni 1805: „Der Unterricht in der polnische (kaschubischen) Sprache, den es in Leba schon seit meiner Ankunft hier und in Sarbske seit einigen Jahren nicht mehr gibt, hat in diesem Jahr auch in den drei übrigen Schulen aufgehört und zwar ohne Zwang, von selbst und freiwillig.“ Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich logischerweise, dass den Ausführungen von Prof. Dr. Schultz in seinem Buch „Der Kreis Lauenburg/Pommern“ zur Situation der in diesem Raum seit dem Mittelalter verbreiteten und verwendeten Sprachen ( Seiten 55, 79 und 84/85) ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit zukommt. ud -15- Inhaltsverzeichnis BüBr. 97: Gedicht „Wandervögel -Wie war es damals –März 1945-Sieger schreiben Geschichte Mitgliedernachrichten Ausstellung in Greifswald „Zwei Männer ein Meer“ Leba Heute Leba Damals -Wer erinnert sich noch daran… S. 1 S. 1-5 S. 5 S. 5-6 S. 6-9 S. 9 Damals, Leute in Leba u.a. „Die Bürgermeister von Leba Aus der Nachbarschaft Lebas, -Berichtigung -Gutshaus Speck -Schlaischow/Fichtkaten Buchtipps: u.a. Hilferdings Reise durch „Die kaschubischen Landschaften“ Anschriften des Vorstandes S. 10-14 S. 14-15 S. 15 S. 16 Wir lieben es, solange wir leben! Offizielle Anschrift des BdL lt. Vereinsreg.: Bund der Lebaer, Eichen 7, 53359 Rheinbach E-Mail-Adresse : bdl@leba-online.de Bankverbindung des BdL: IBAN: DE59 3708 0040 0603 7070 00 BIC: DRESDEFF370 …………………………………………………………………………………………………………… Wir wünschen Euch allen Frohe Ostern und ein schönes Frühjahr.