Häusliche Krankenpflege bei Heimunterbringung - Reha
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Häusliche Krankenpflege bei Heimunterbringung - Reha
Forum A Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe – Diskussionsbeitrag Nr. 10/2011 – 01.06.2011 Häusliche Krankenpflege bei Heimunterbringung LSG Hamburg, 1. Senat, Beschl. v. 12.11.2009, L 1 B 202/09 ER KR von Joachim Francke, Fachanwalt für Sozial- und Medizinrecht, Düsseldorf I. Wesentliche Aussagen 1. Versicherte haben grundsätzlich auch dann Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe leben. Eine stationäre Wohneinrichtung ist dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger hat. Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei der Einrichtung um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes handelt. 2. II. Haushaltsbegriffs in § 37 Abs. 1, 2 SGB V ab dem 1. April 2007 umstritten. Die zuvor geltende Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten hatte sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Der Gesetzgeber wollte durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs verhindern, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten benachteiligt werden. Das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung, welche unter die Regelungen des Heimgesetzes (HeimG) fällt, sind in Abhängigkeit von den Fähigkeiten der Bewohner fließend. Zu der Frage, wann die Krankenkasse und wann das Heim, bzw. der Soziahilfeträger eintrittspflichtig sind, ergingen divergierende gerichtliche Entscheidungen. Problemstellung Ob häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden kann oder ob die Behandlungspflege von der Einrichtung geleistet und gegebenenfalls vom Sozialhilfeträger bezahlt werden muss, ist spätestens seit der Erweiterung des 1 Francke, Häusliche Krankenpflege bei Heimunterbringung III. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Forum A – Nr. 10/2011 werden können, wenn dort kein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger besteht. Durch die Änderung des § 37 SGB V mit Wirkung zum 1. April 2007 sollte nach der Gesetzesbegründung eine Erweiterung des Haushaltsbegriffs erfolgen. Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe (ohne Anspruch auf Behandlungspflege) sei eher mit dem betreuten Wohnen zu vergleichen. Etwas anderes gelte für einen Aufenthalt in einem Krankenhaus oder Pflegeheim, bei dem jeweils die medizinische und pflegerische Behandlung im Vordergrund stehe. Nicht entscheidend sei, dass die Einrichtung, in der die Antragstellerin lebt, unter das HeimG falle. Der Anspruch entfalle erst dann, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Die 1952 geborene Antragstellerin leidet unter anderem an einer Persönlichkeitsstörung und einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Sie wohnt seit Oktober 2007 in einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe in einem teilmöblierten Einzelzimmer mit Dusche und WC. Die Betreuungsleistungen dieser Wohneinrichtung betreffen verschiedene Leistungsbereiche und beinhalten Hilfen bei der Grundversorgung und Lebensgestaltung. Sie hält kein Personal zur Durchführung der Behandlungspflege vor. Bezüglich medizinischer Behandlungen besteht lediglich ein Anspruch auf Hilfen bei der Inanspruchnahme derartiger Leistungen durch Dritte. Die Antragsgegnerin – gesetzliche Krankenkasse der Antragstellerin – lehnte die Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V ab, weil die Antragstellerin als Bewohnerin einer vollstationären Einrichtung Leistungen nur bei einem besonders hohen Bedarf erhalten könne, der aber vorliegend nicht gegeben sei. Die Klägerin hat hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Nach Beiladung des Einrichtungsträgers und des Sozialhilfeträgers hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, vorläufig für einen begrenzten Zeitraum Krankenbehandlung in Form von häuslicher Krankenpflege für zweimal tägliche Blutzuckermessungen und Insulininjektionen zu gewähren. Die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das Landessozialgericht hat zur Begründung ausgeführt: Das Haus, in dem die Antragstellerin lebt, sei ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V an dem Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht IV. Kontext der Entscheidung Das LSG Niedersachsen-Bremen hatte demgegenüber durch Urteil vom 23. April 2009 – Az: L 8 SO 1/07 – entschieden, die Neufassung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V könne nach Auffassung des Senats nicht so weitgehend verstanden werden, dass nunmehr auch Heime im Sinne des HeimG als "sonstiger geeigneter Ort" gelten. Bei einem Wohnheim eines Heimträgers handele es sich nicht um eine betreute Wohnform im Sinne eines "geeigneten Ortes" nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V n. F.. Betreute Wohnformen seien insbesondere von Heimen im Sinne des HeimG abzugrenzen und gegenüber diesen durch eine größere Eigenständigkeit der Bewohner gekennzeichnet. Da der Gesetzgeber nunmehr nur die betreuten Wohnformen, nicht jedoch vollstationäre Einrichtungen/Heime der Behindertenhilfe explizit als Beispiel für geeignete Orte genannt habe, sei davon auszugehen, dass diese nach wie vor nicht unter den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 S. 1 2 Francke, Häusliche Krankenpflege bei Heimunterbringung SGB V fallen sollen 1. Das LSG NRW hatte bereits mit Beschluss vom 9. Juli 2008 – Az: L 16 B 32/08 KR ER – im Sinne der Auffassung des LSG Hamburg entschieden: Bei dem Aufenthalt in einer sozialen Wohngemeinschaft in Trägerschaft eines Vereins handele es sich um einen "sonst geeigneten Ort" i. S. v. § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V n. F.. Auch in dieser Entscheidung wird auf die Gesetzesbegründung verwiesen, wonach ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege erst dann nicht gegeben sei, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen einen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Das LSG NiedersachsenBremen hat diese Entscheidung zwar nicht erwähnt, aber dennoch die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Das Revisionsverfahren ist beim BSG unter dem Az: B 8 SO 16/09 R anhängig. Forum A – Nr. 10/2011 V. Auswirkungen für die Praxis Sobald Krankenkassen annehmen, dass Einrichtungsträger sich zu ihren Lasten von kostenintensiven Aufgaben befreien, werden sie auch bis zur endgültigen Klärung durch das BSG Anträge auf häusliche Krankenpflege zurückweisen, wenn die Antragsteller in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe untergebracht sind. Ein Blick auf die Übersicht über vorrangig anhängige Rechtsfragen des 8. Senats des BSG – der übrigens für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständig ist – lässt allerdings erwarten, dass diese Klärung noch auf sich warten lässt. Wenn der Antragsteller keinen Anspruch gegen die Einrichtung oder das Heim auf medizinische Behandlungspflege hat, sollten alle Rechtsbehelfe ausgeschöpft werden. Die Begründung des LSG Hamburg enthält klare, dem Zweck der Gesetzesänderung entsprechende Abgrenzungskriterien und ist überzeugend. Ihre Meinung zu diesem Diskussionsbeitrag ist von großem Interesse für uns. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag. 1 Ebenso SG Hamburg, Beschl. v. 03.02.2009 – Az: S 48 KR 1330/08 ER; zum Meinungsstreit: Schumacher, Zankapfel häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe – unklarer Gesetzeswortlaut hat negative Folgen, RdLH 2009, 110-113. 3