Schlaganfallstation Pflegekonzept
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Schlaganfallstation Pflegekonzept
Pflegekonzept Schlaganfallstation Pflegekonzept 1 Einleitung Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Notwendigkeit einer Schlaganfallstation 3. Selbstverständnis der Pflege auf unserer Schlaganfallstation 4. Bauliche Rahmenbedingungen 5. Therapeutisches Team 6. Kommunikation 7. Pflegeorganisation 8. Existentielle Auswirkungen für Patienten und Angehörige Das St. Johannes Krankenhaus hat im Jahr 1996 die Schlaganfallstation aus der Überzeugung ins Leben gerufen, dass es notwendig ist, in der Behandlung von Schlaganfallpatienten neue Wege zu gehen. Unsere Erfolge haben uns gezeigt, dass wir damit richtig lagen. Das Team der Schlaganfallstation hat von Anbeginn diese Idee durch ihr großartiges Engagement in die Praxis umgesetzt. Trotz vieler Hürden konnten in kürzester Zeit viele Konzepte etabliert werden. Das vorliegende Pflegekonzept wurde im Rahmen eines Projektes, dass von der Pflegedienstleitung initiiert und von der Beauftragten für Innerbetriebliche Fortbildung begleitet wurde, von den Mitarbeitern der Schlaganfallstation erstellt. Die Auseinandersetzung mit diesem Konzept war die Basis für die Erarbeitung eines Pflegestandards zur Betreuung von Patienten mit Schlaganfall. Beides – Konzept und Standard – verstehen wir nicht als ein fertiges und feststehendes Endergebnis, sondern als etwas Veränderbares, das mit der allgemeinen Entwicklung in der Krankenpflege und im Gesundheitswesen, sowie mit der speziellen Organisationsentwicklung unseres Krankenhauses auch zukünftig Schritt halten 9. Grundlagen qualifizierter 2 Notwendigkeit einer Schlaganfallstation Behandlung neurologischer Noch vor relativ kurzer Zeit Gehirn die Fähigkeit hat, lebensDefizite wurde es als irreversibles Schick- lang zu lernen. Auch ein „vom 10. Verlauf der Rehabilitation sal angesehen, vom „Schlag Schlag getroffenes" Gehirn kann 11. Anhang 11.1 Kontaktadressen & Selbsthilfegruppen 11.2 Literaturliste getroffen“ zu sein. So konzen- und will lernen. Dabei ist nicht trierte man sich darauf, dass der die Zahl der Hirnzellen für den Patient irgendwie zum Gehen gebracht wurde, was heißt, die betroffene Seite komplett zu ignorieren und alle Defizite mit der gesunden Seite zu kompensieren. Das Resultat war eine unphysiologische Haltung durch spastische Beugeund Streckmuster. Ein selbständiges Leben wurde dadurch fast unmöglich. Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse wissen wir, dass das Schlaganfallstation durch Ärzte, Pflegepersonal Lernerfolg entscheidend, sonund Therapeuten, um dern wie die intakten Hirnzellen • Stabilisierung der Vitalfunksystematisch die verlorenen tionen miteinander verknüpft werden. Funktionen zu erkennen, zu Gerade in den ersten Tagen und üben und verbliebene Wochen ist das Gehirn bereit, • schnellstmögliche DurchfühFunktionen zu verbessern rung der Akutdiagnostik – sich völlig „umzubauen". Dazu Computertomographie, Dupbraucht es aber Hilfe. Um diese lex der Hirnversorgenden Ge- Die logische Konsequenz war Bereitschaft zu unterstützen fäße, EKG, Röntgen Thorax – eine Einrichtung in Form einer sind nach heutigen wissenzur Erfassung der Schlag- spezifischen Schlaganfallstaschaftlichen Erkenntnissen für tion, als Schwerpunktabteilung anfallursache einen optimalen Behandlungsim Bereich der Inneren Medizin bzw. Rehabilitationserfolg aus• frühzeitiger sowie gleich- unter Leitung von Dr. Rolf schlaggebend: zeitiger Behandlungsbeginn Handrup. 3 Selbstverständnis der Pflege auf unserer Schlaganfallstation Für uns ist Pflege weit mehr, als einen Menschen in seinen alltäglichen Bedürfnissen zu versorgen. Basis unseres täglichen Handelns ist die individuelle Betreuung unter Berücksichtigung des Menschen im „Ganzen“. Wir beachten daher die drei folgenden Dimensionen: • die Eigenwelt (d.h. den Patienten bezogen auf sich selbst) • die Umwelt (d.h. den Patienten bezogen auf die Welt in der er lebt) • die Mitwelt (d.h. den Patienten bezogen auf die Beziehungen zu anderen). Ziel der Pflege auf der Schlaganfallstation ist, die Selbständigkeit und Lebensqualität des Betroffenen zu erhalten bzw. zu verbessern. Im Idealfall soll der Patient nach erfolgreicher Rehabilitation mit Selbstbewusstsein und Lebensfreude sein Geschick wieder eigenverantwortlich in die Hand nehmen können. beteiligten Berufsgruppen kontinuierlich abgesprochen und aufeinander abgestimmt. Die Teamarbeit definiert sich durch gemeinsame Entscheidungsfindung, gegenseitigen Im Rahmen der Frührehabili- Respekt und kontinuierliche tation richten wir unsere Inter- Unterstützung. ventionen, trotz der Schwere des Krankheitsbildes und/oder anderer in der Akutpflege begründeter Ursachen, auf die frühzeitige Übertragung der Eigenverantwortlichkeit für sich selbst. Der Betroffene wird dazu motiviert, angeleitet und angehalten, die eigene Pflege in Anwesenheit der Pflegenden nach seinen Fähigkeiten selbst zu übernehmen. Um dies zu gewährleisten, verstehen wir uns als interdiziplinäres Team, d.h. der Arbeits- und Behandlungsablauf wird mit allen Pflegekonzept 4 Bauliche Rahmenbedingungen Voraussetzung für die Etablierung einer modernen Schlaganfalldiagnostik und -therapie war die Einführung der computertomographischen Diagnostik im Jahr 1993. In den drei darauffolgenden Jahren schlossen sich die umfangreiche Planung und Organisation sowie die notwendigen Umbaumaßnahmen an. Im November 1996 wurde die Schlaganfallstation mit sechs intensivstationären Betten für die Akutbehandlung eröffnet. Direkt gegenüber befindet sich die Computertomographie, so dass ein rascher Ablauf der Primärdiagnostik gewährleistet ist. Im Oktober 1997 konnten dann weitere sechs Betten für die weitere rehabilitative Phase eröffnet werden. Alle Patientenzimmer wurden freundlich und modern als Zweibettzimmer eingerichtet. Der Akutbereich unterscheidet sich von dem Bereich der frührehabilitativen Phase durch den Schwerpunkt der Intensivüberwachung und verfügt über modulare Monitorüberwachung und die Möglichkeit der invasiven und nicht invasiven Beatmung. Bei der Planung der gesamten Schlaganfallstation wurde auf behindertenge- rechte Einrichtung geachtet. Um für die Therapien der Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Sprachtherapeuten optimale Bedingungen zu schaffen, wurden auf der Schlaganfallstation ein eigener Physiotherapieraum und Ergotherapiebereich eingerichtet. Der Ergotherapiebereich wird ausserhalb der Therapiezeiten, z.B. während der Mahlzeiten, als Gemeinschaftsraum genutzt. Zudem ist eine „Lernküche“ angegliedert, in der die Patienten sich auch in diesem Bereich des Alltags erproben können. Ein weiterer Gemeinschaftsbereich befindet sich im Teil der Akutbehandlung, der auch als Wartezone für Angehörige dient. Da sich dieser Bereich in unmittelbarer Nähe des Schwesternstützpunktes befindet, kann auf akute Ängste von Angehörigen schnell eingegangen werden. Für „geschützte“ Gespräche stehen weitere Räume zur Verfügung. Die bauliche Aufgliederung des gesamten Bereichs der Schlaganfallstation entspricht einem Atrium, so dass von allen Patientenzimmern der innenliegende Garten und das darin liegende Biotop zugänglich sind. Dies dient nicht nur der Entspannung, sondern liefert auch immer wieder wichtige visuelle Anreize. Im Oktober 2005 wurde zusätzlich im innenliegenden Garten ein Therapie-Weg angelegt. Hier können unsere Patienten das Gehen auf verschieden geschaffenen Untergründen üben, der Therapie-Weg wechselt von Rasenpflaster auf Asphalt bis hin zum Sandboden mit kleinen Stufen und führt über eine wassergebundene Wegedecke hin zu einem Steinboden, zu Holzlatten und zu Mosaikfliesen. Schlaganfallstation 5 Therapeutisches Team Das Ärzteteam ist bei der Betreuung und Behandlung des Schlaganfallpatienten gerade in der Akutphase sehr gefordert. Die notwendige Diagnostik und Therapieeinleitung muss sehr zügig erfolgen. Mit dem Chefarzt Dr. Rolf Handrup, dem Oberarzt Dr. Markus Schlier, dem Neurologen Oberarzt Dr. Christoph Kley sowie den zuständigen Stationsärzten werden täglich im Ärzteteam fragliche Befunde und Therapieoptionen besprochen. So ist es möglich, schnell auf akute Zustandsveränderungen zu reagieren und die Behandlung ständig anzupassen. Die Berufsgruppe der Pflege verbringt prozentual gesehen am Tag die meiste Zeit bei dem Betroffenen. Defizite, die nicht so offensichtlich sind, wie beispielsweise fehlende räumliche Orientierung, tiefensensible Störungen, Störungen in der Handlungsplanung sowie Störungen im Erkennen von Gegenständen können oft erst durch den ständigen Kontakt zum Patienten erkannt werden. tienten bereits ab dem ersten oder zweiten Tag durchgeführt. Zu Beginn jeder Therapie wird durch Rücksprache mit den Ärzten und dem Pflegepersonal der momentane Therapiebedarf und die Therapiefähigkeit bestimmt. Alle therapeutischen Maßnahmen werden individuell, ausgerichtet am jeweiligen Defizit, geplant und durchgeführt. Das interdiziplinäre Team wird durch die Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten ergänzt. Die Therapien werden einmal täglich je nach Zustand des Pa- 6 Kommunikation Die auf der Schlaganfallstation beschäftigten Berufsgruppen – Ärzte, Pflegepersonal, Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten – tauschen sich täglich über aktuelle Veränderungen und Vorkommnisse aus. Darüber hinaus findet zweimal wöchentlich ein interdisziplinärers Treffen statt, bei dem der körperliche und seelische Zustand des Patienten, seine Motivation sowie die Therapieverläufe ausführlich besprochen werden. Diese intensive Zusammenarbeit führt dazu, dass jegliche Veränderung am Patienten, seien es depressive Verstimmungen, Motivationsprobleme, körperliche Beschwerden, Verschlechterungen des Zustandes aber auch Fortschritte frühzeitig erkannt, weitergegeben und entsprechend beachtet und in das Therapiekonzept einbezogen werden können. Zudem findet jedes Mitglied im interdisziplinären Team die Unterstützung durch die Kollegen sowohl in Form von Verständnis und Zuspruch bei Zweifel oder Problemen, als auch in Form von Bestätigung bei erfolgreicher Arbeit. Gestützt wird der Informationsfluss durch ein Dokumentationssystem, welches den Anforderungen auf der Schlaganfallstation angepasst wurde. Um täglich den neurologischen Status erheben zu können, musste die Intensivkurve für den Akutbereich dahingehend verändert werden. Zum Nachweis der geleisteten Pflegetätigkeiten wurde ein Durchführungsnachweis erstellt, der vor allem die speziellen Maßnahmen nach Bobath abbildet. Zudem ist ausreichend Platz für den Verlaufsbericht und für den Bericht der Ärzte und Therapeuten geschaffen worden. Bei Verlegung der Patienten in die Reha-Klinik wird ein ausführlicher Bericht über bisherige Therapiemaßnahmen und den Ist-Zustand des Patienten er- Pflegekonzept 7 Pflegeorganisation Die Pflege eines Patienten nach zu leisten. Hier ist eine einheitlieinem Schlaganfall richtet sich che Pflege, die z.B. an dem an folgenden Grundsätzen aus: Bobath-Konzept ausgerichtet ist, von großer Bedeutung. Um • aktivierende – ressourceneine Einheitlichkeit zu ermögorientierte – ganzheitliche lichen, wurde von den MitBetreuung arbeitern der Schlaganfallsta• Übertragung von Teilverant- tion ein Pflegestandard für Pawortung für die Rehabilitation tienten mit Schlaganfall erstellt. auf den Patienten und deren Die individuelle Pflegeplanung Angehörige richtet sich nach diesem aus. Dem Bereich der Pflege gehören • teamorientierte, kooperierende Gesundheits- und Krankenund interdiziplinäre Zuschwestern und –pfleger, Kransammenarbeit. kenpflegehelferInnen, AuszuHierzu ist ein hohes Maß an bildende der Alten-, GesundKenntnissen über das Krank- heits- und Krankenpflege und heitsbild des Schlaganfalls, einer der Krankenpflegehilfe, Praktisehr guten Krankenbeobach- kanten und FSJ´ler an. Um tung und einer umfangreichen möglichst gleichbleibendes PerBerufserfahrung, verbunden mit sonal zu sichern und somit eine hoher sozialer Kompetenz. Kontinuität in der täglichen Durch die spezielle Ausrichtung Betreuung zu erreichen, richten der gesamten Station auf das wir uns an dem Pflegeprinzip Krankheitsbild des Schlaganfalls der Bereichspflege aus. und kontinuierlicher Fort- und Die Mitarbeiter sind in Bobath, Weiterbildung ist es den Pfle- in Kinästhetik, in FOT und in genden möglich, gerade bei dem basaler Stimulation geschult, Erkennen neurologischer Auf- eine Mitarbeiterin hat in Nürnfälligkeiten einen hohen Beitrag berg die Fachweiterbildung zur Schlaganfallexpertin absolviert. Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter wird durch einen Einarbeitungsleitfaden und eine bereichsspezifische Checkliste strukturiert und sicher gestellt. Die Einarbeitung wird von Mentoren und die praktische Ausbildung von einem Praxisanleiter mit anerkannter Weiterbildung gelenkt und begleitet. 8 Existentielle Auswirkungen für Patienten und Angehörige Je nach der betroffenen Gefäßbzw. Hirnregion sind unterschiedliche Beschwerden und neurologische Störungen, wie Lähmungen, Empfindungsstörungen, Gleichgewichtsstörun- gen, Schluckstörungen, Sehstörungen, Sprach- und Sprechstörungen zu erwarten. Auch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Harn- und Stuhlinkontinenz, Verwirrtheit oder psychische Veränderungen können auftreten. Bei einem ausgeprägten Schlaganfall sind zudem Atmung und Kreislauf gestört. Schlaganfallstation Je nach Lokalisation und Ausdehnung der Schädigung im Gehirn sind die genannten Symptome bzw. Folgen mehr oder weniger stark ausgeprägt. All diese zeigen aber noch nicht die gesamte Tragweite im Erleben eines Schlaganfallpatien– ten. Es wäre ein Trugschluss, zu glauben, dass bei einer Hemi– parese „nur“ eine Seite des Körpers betroffen ist. Schlaganfallpatienten haben das subjektive Gefühl, den gesamten Körper „verloren“ zu haben. Es kann zu unterschiedlichen Gefühlsempfindungen beider Körperhälften kommen und die gestörte Symmetrie und damit das körperliche Gleichgewicht beeinträchtigen das gesamte Körperbild. Kommt hierzu noch eine Sprachstörung, ist der Kontakt zur Umwelt massiv behindert. Wenn man bedenkt, dass ein Betroffener nicht das tun kann, was er möchte und dann noch nicht ein mal sagen kann, was er will, dann wundert es einen nicht, wenn mit aggressivem Verhalten oder dem völligen Rückzug geantwortet wird. Auch die Angst vor einer Wiederholung oder vor der Bewältigung und Auseinandersetzung mit seiner Schädigung kann das psychische Gleich- gewicht stark ins Schwanken Der Mensch, denn sie kannten, bringen. Viele Patienten reagie- ist plötzlich ein ganz Anderer. ren daher häufig depressiv. Sie wissen oft nicht, wie sie auf den Betroffenen zugehen sollen, In den meisten Fällen führt die haben Angst, etwas falsch zu eingeleitete Therapie zu einer machen und hoffen darauf, dass Verbesserung, wenn nicht sogar die Ärzte alles wieder so hin zu einer Behebung mancher bekommen, wie vor dem erlitteKrankheitszeichen. Entschei- nen Schlaganfall. dend dafür ist die aktive Mitarbeit des Patienten. Die Betreuung der Angehörigen Trotz seiner Beschwerden und wird in unserem Team von allen Stimmungsschwankungen ist Berufsgruppen sehr ernst gedies das Herzstück. Dabei ist es nommen. Im Vordergrund steht ganz besonders wichtig, dass die Aufklärung über die Notdurch die Mitarbeit des Patien- wendigkeit und den Sinn ihres ten die richtigen Informations- aktiven Beitrags. reize an das Gehirn kommen. Je mehr Reize das Gehirn erreichen, Es werden ihnen Möglichkeiten um so eher können motorische zur Förderung, Begleitung sowie Reaktionen als neue Verhaltens- Unterstützung des Betroffenen muster gelernt werden. aufgezeigt. Die Unterstützung von Betroffenen und AngehöWann immer möglich, sollte rigen endet nicht mit der eine negative Rückmeldung ver- Entlassung des Patienten. mieden werden, denn sonst Die „Selbsthilfegruppe Schlagbesteht die Gefahr, dass der anfall“, betreut von der StaPatient von morgens bis abends tionsleitung der SAS und einer nichts als „Nein" und „So nicht" Lehrerin für Pflegeberufe aus hört. Durch eine geringfügige unserem Haus, gibt die MögVeränderung der Wortwahl lichkeit des Austausches auf können solche Korrekturen auch persönlicher Ebene. Es werden positiv ausgedrückt werden. Gäste eingeladen, die zu Angehörige sind das Spiegelbild Fachthemen Stellung nehmen. des Leidens des Erkrankten. Sie weinen, zeigen ihre Verzweif- Freizeitaktivitäten wie Grillen lung, sind wütend oder oder ein Kegelabend bescheren resigniert. Ihr Verhalten ist meist „ein Stück Urlaub“ von der Ausdruck unendlicher Angst Krankheit. und Hilflosigkeit. Pflegekonzept 9 Grundlagen qualifizierter Behandlung neurologischer Defizite Die Arbeit des interdisziplinären Teams findet auf der Grundlage vieler Konzepte statt. Zur Behandlung neurologischer Defizite ist sicherlich das BobathKonzept eines der bedeutensten. Darüber hinaus finden aber auch andere Methoden wie beispielsweise das der Kinästhetik, der basalen Stimulation und des FOT (Therapie des fazio-oralen Traktes) Anwendung. in den letzten zwei Jahren verändert, sind individueller geworden. Wir sind dazu übergegangen, von der Neutralstellung (= Symmetrie beider Körperhälfen zu einander) ausgehend eine entspannte und für den Patienten bequeme Lagerung vorzunehmen. Die Lagerungsarten werden tagsüber so ausgewählt, dass der Patient die Möglichkeit hat, viele Reize aus seiner Umgebung Die Konzepte stehen nicht iso- wahrzunehmen und am Tagesliert nebeneinander, sondern geschehen teilzunehmen. führen nur in einer sinnvollen Verknüpfung zum erwünschten Zu den Therapien werden die Ziel. Der Schwerpunkt, bei der Patienten in die dafür sinnvolle nachfolgenden Darstellung der Position (z.B. zur Sprach- und Umsetzungsmöglichkeiten, liegt Schlucktherapie in den Sitz) daher nicht auf der gebracht. Um Körpergrenzen für theoretischen Darstellung der den Betroffenen besser spürbar einzelnen Konzepte oder der zu machen, werden zur LaAbgrenzung derer bei der gerung feste Kissen oder gerollAnwendung, sondern soll einen te Decken eingesetzt, auf kleinen Einblick in unsere Arbeit Weichlagerung verzichtet und liefern. Sollten sich darüber ein häufiger Lagewechsel vorgehinaus Fragen ergeben, bieten nommen. Immer, wenn ein wir gern Hospitationen auf Patient bewegt oder transporunserer Station und weiterfüh- tiert wird, werden die Techniken rende Literatur an. des Transfers und des Handlings nach Bobath eingesetzt. Die Viele Patienten sind in den Pflegeperson bzw. der Therapeut ersten Tagen nicht in der Lage übernimmt durch Führen der ihre Körperposition im Bett betroffenen Körperteile die selbständig zu verändern. In ausgefallenen Bewegungsfunkdieser Phase sind die verschie- tionen. Die Berührung wird denen Lagerungsarten nach hierbei nach dem kinästhetiBobath von größter Bedeutung. schen Prinzip als Sprache Die Lagerungsarten haben sich genutzt. Durch diese gezielte führende Berührung wird dem Betroffenen ein physiologischer Bewegungsablauf „gezeigt“ und somit wieder ermöglicht. Als Beispiel möchten wir die Bewegung des Patienten im Bett oder auf dem Stuhl nennen. Hier wird der Patient nicht mehr passiv mit Hilfe von 1-2 Personen bewegt, sondern wird aktiv durch den sogenannten „Schinkengang“ in die Handlung miteinbezogen. Bei Patienten mit Hemiparese ist dabei die Unterstützung der betroffenen Seite durch eine gezielte führende Berührung besonders wichtig. Bei Patienten, die bei den Lagerungen oder bei den verschiedenen Transfers spastische Muster aufweisen, ist die Zusammenarbeit zwischen dem Pflegepersonal, der Krankengymnastin und der Ergotherapeutin besonders wichtig. Lagekorrekturen und Änderungen im Bewegungsablauf werden gemeinsam besprochen und die Therapien gezielt auf die Regulation des Muskeltonus ausgerichtet. Ein weiteres Beispiel für die enge Zusammenarbeit zwischen Pflege und Therapeuten ist das Selbsthilfetraining nach Bobath. Ziel ist es, den Patienten bei der Durchführung von alltäglichen Schlaganfallstation Handlungen in der Selbständigkeit zu fördern. Die Pflege übernimmt überwiegend das Training in den Bereichen der Körperpflege, des An- und Ausziehens und der Nahrungsaufnahme. Hier ist der Einsatz des „Therapeutischen Führens“ besonders wichtig, das heißt der „betroffene Arm“ wird bei der Ausführung von Handlungen durch die Pflegeperson geführt und so in die Handlung mit einbezogen. Dadurch wird neben der Selbsttätigkeit auch der Abruf physiologischer, vor der Erkrankung erlernter Bewegungsprogramme ermöglicht. Die Physiotherapeuten üben nach Absprache mit dem Pflegepersonal ebenfalls Aktivitäten des täglichen Lebens. Beispielhaft sei hier das Training des Transfers von Rollstuhl zur Toilette genannt. Außerdem gehören zu ihrem Aufgabenfeld die Normalisierung des Muskeltonus im gesamten Körper und das Beüben von Bein- und Armfunktion. Auch das Gehen und Treppensteigen mit passenden Hilfsmitteln fällt in den Aufgabenbereich der Physiotherapie. Als Beispiel für die Integration von Ansätzen aus dem Bereich der basalen Stimulation sei die Initialberührung genannt. Wir wenden diese bei Patienten mit sehr stark eingeschränkter Wahrnehmung zu Beginn und zum Abschluss jeder Maßnahme an. Wichtig ist, dass alle am Behandlungsprozess beteiligten die Initialberührung einheitlich durchführen. (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten, Besucher) Als Bereiche der Initialberührung eignen sich grundsätzlich die Schultern, Arme oder Hände. Wir haben uns auf der Schlaganfallstation auf den Bereich der Schulter festgelegt. Die Initialberührung wird mit festem, eindeutigem und gleichmäßigem Händedruck ausgeführt und verbal unterstützt. Natürlich könnten wir noch viele andere Möglichkeiten der Wahrnehmungsförderung durch sensorische, taktile, auditive und visuelle Reize nennen – unabhängig davon, ob diese nun ihren Ursprung im BobathKonzept oder in dem Konzept der basalen Stimulation oder der Kinästhetik haben. Wir möchten aber viel mehr h e r v o r h e b e n , wie wichtig es ist, gerade bei Patienten mit neurologischen Defiziten darauf zu achten, dass über möglichst wenig Sinne, aber dann gezielt, ein Input gesetzt wird. Als letztes möchten wir noch die enge Zusammenarbeit zwischen Logopädin und Pflegepersonal verdeutlichen. Dies zeigt sich durch die Anwendung des FOT. Die Therapie des fazio-oralen Traktes, die auf dem BobathKonzept basiert, hat sich bei neurogenen Störungen der Nahrungsaufnahme bewährt. Die Schwerpunkte auf unserer Schlaganfallstation liegen auf das Wiedererlernen von Kaubewegungen, die Stimulation des Schluckvorganges, die Förderung der Mund- und Gesichtssensibilität, die Wiederherstellung der natürlichen Mimik und der Gesichtssymmetrie. Dies erfolgt durch beispielsweise Bewegungsübungen mit der Zunge, Massagen, Berührungen sowie Schlucktraining mit breiiger Kost. Da im Umgang mit Patienten, die an Störungen der Nahrungsaufnahme leiden, Vorsicht geboten ist, liegt das gezielte Kau-, Trink- und Schlucktraining vorwiegend in der Hand unserer Logopädin. Pflegepersonal, dass von ihr Pflegekonzept angeleitet wurde, übernimmt diese Maßnahmen in ihrer Abwesenheit. Ziel ist, durch eine frühzeitige Behandlung von Schluckstörungen den Einsatz von „Kunstmitteln“ zu verhindern. Seit Anfang des Jahres 2005 können wir bei Verdacht einer unerkannten Schluckstörung zusätzlich eine endoskopische Schluckdiagnostik durchführen. Gerade die sogenannten stummen Schluckstörungen können dadurch eindeutig diagnostiziert und anschließend behandelt werden. Abschließend lässt sich sagen, dass als Grundvoraussetzung zur Behandlung eines Patienten mit Schlaganfall auf der einen Seite die konsequente und einheitliche Umsetzung einer „aktiven Pflege" und auf der anderen Seite die Mitarbeit des Patienten und seiner Angehörigen ist. Verwöhnende und versorgende Vorgehensweisen behindern mitunter den Rehabilitationsprozess. Andererseits können auch Überforderung des Patienten negative psychische Reaktionen auslösen und verstärken. 10 Verlauf der Rehabilitation Der Rehabilitationsprozess beginnt sofort mit Eintreten des Gesundheitsschadens, also schon im Krankenhaus, auf unserer Station und ist erst mit der Wiedereingliederung in den Beruf und/oder das soziale Umfeld abgeschlossen. Im Idealfall soll der Patient nach erfolgreicher Rehabilitation mit Selbstbewusstsein und Lebensfreude sein Geschick wieder eigenverantwortlich in die Hand nehmen können. Klinik der Patient die RehaMaßnahme antritt, hängt vom jeweiligen Kostenträger ab. Viele unserer Patienten werden von Reha-Kliniken in der näheren Umgebung übernommen, wie z.B. „Godeshöhe" in Bonn Bad Godesberg, „Westerwaldklinik“ in Waldbreitbach, „RheinSieg-Klinik" in Nümbrecht, „Odeborn-Klinik" in Bad Berleburg, „Reha-Nova“ in Köln. Für viele transportfähige Patienten wird wohnortnah eine Nach der erfolgreichen frühre- ambulante neurologische Rehahabilitativen Phase auf unserer bilitation in ANR Bonn oder der Station, werden die meisten „Godeshöhe“ beantragt. Patienten im Rahmen einer Anschluss-Heilbehandlung in eine Rehaklinik verlegt. In welcher Die Reha-Kliniken werden über die durchgeführte Diagnostik und den Therapieverlauf durch Entlassungsberichte des Ärzte-, Pflege- und Therapeutenteam ausführlich informiert Schlaganfallstation 11 Anhang 11.1 Kontaktadressen & Selbsthilfegruppen Fr. Menrath (PDL des St. Johannes-Krankenhauses Troisdorf-Sieglar): Tel.: 02241 / 488-430 Mail: pflege@johannes-krankenhaus.com Selbsthilfegruppe „Schlaganfall“ für Betroffene und Angehörige am St. Johannes Krankenhaus Sieglar gGmbH; Wilhelm-Busch-Straße 9, 53844 Troisdorf Ansprechpartner: Frau Palm, Tel. 02241 / 488-365, Mail: palm@johannes-krankenhaus.com Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe e. V.; Dachverband, Postfach 104, 33311 Gütersloh, Tel. 05241 / 977-0 KISS- Kontakt- und Informationshilfe für Selbsthilfe im Rhein-Sieg-Kreis; Landgrafenstraße 1, 53842 Troisdorf; Ansprechpartner: Frau M. Besler; H. Trapphoff, Tel. 02241 / 949-999 Aphasie Selbsthilfegruppe Siegburg/Lohmar, Ansprechpartner: M. Wesenberg, Tel. 02206 / 547-6 Verein der Aphasiker, Ansprechpartner: E. Daniels, Burbachstrasse 177, 53129 Bonn, Tel. 0228 / 237-646 11.2 Literaturliste Kinästhetik- Gesudheitsentwicklung und Menschliche Funktionen: F. Hatch / L. Maietta,Verlag Urban & Fischer GmbH & Co KG Kinästhetik - Interaktion durch Berührung und Bewegung in der Krankenpflege: F. Hatch / L. Maitta / S. Schmidt, Verlag Krankenpflege des DBfK, Eschborn Handbuch Pflege: C. Bienstein / A. Zegelin (Hrsg.), Verlag Selbstbestigmmtes Leben Klinkleitfaden Pflege: W. Maletzki / A. Stegmayer, Verlag G. Fischer Wen es trifft (Broschüre): Deutsche Schlaganfall - Hilfe Pflege eines Menschen mit Hemiplegie: Lothar Urbas, Thieme Verlag Leben nach dem Schlaganfall: B. Huemer - Drobil, G. Kletter, L. Langbein