Kombinatorik

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Kombinatorik
Kombinatorik
Was ist Kombinatorik?
Die 92 natürlichen chemischen Elemente sind die mathematischen “Elemente” der Menge “chemisches Periodensystem”. Ebenso sind die zehn Ziffern 0–
9 eine Menge, jede Ziffer entspricht einem Element. Die kleinen Buchstaben
a, b, c, . . . , x, y, z schließlich bilden die Elemente der Menge des Alphabets.
Elemente einer Menge können nach bestimmten Regeln zusammengestellt
oder kombiniert werden; die Resultate bilden die Elemente einer neuen Menge. Dies begründet die Lehre von der Kombinatorik. Gemäß der Art der
Elementzusammenstellung unterscheiden wir
Permutation = Anordnung aller Elemente einer Menge,
Kombination = Auswahl von einigen aus vielen Elementen,
Variation
= Auswahl und Anordnung.
Die Aufgabe der Kombinatorik ist es, die Anzahl der unterschiedlichen Auswahl- und Anordnungsmöglichkeiten zu ermitteln.
Permutationen ohne Wiederholung
Wir betrachten die Menge von n unterscheidbaren Elementen und stellen
die Frage: Wieviele verschiedene Anordnungsmöglichkeiten gibt es, wenn diese n Elemente in einer Reihe nebeneinander angeordnet werden?
Zunächst ein Beispiel:
n = 3 ; Elemente = a, b, c;
Anordnungsmöglichkeiten: abc bac
bca acb
cab cba
Zahl der Anordnungsmöglichkeiten: 6.
Die Zahl der Anordnungsmöglichkeiten wird auch als Zahl P der Permutationen bezeichnet: Es gibt also 6 mögliche Permutationen für 3 unterscheidbare
Elemente. Wir notieren dies kurz mit P (3) = 6.
Allgemein gilt: Für das erste Element stehen n Reihenplätze zur Auswahl,
für das zweite nur noch (n − 1) Plätze, da einer bereits besetzt ist. Für das
1
i-te Element hat man noch (n − i + 1) Auswahlmöglichkeiten, für das n-te
also nur noch eine.
P (n) = n · (n − 1) · (n − 2) . . . (n − i + 1) . . . 2 · 1
= n! lies: “n Fakultät”
Permutationen kann man in gerade und ungerade Permutationen einteilen.
Eine gerade Permutation liegt vor, wenn die Anordnung durch eine gerade
Anzahl an Vertauschungen benachbarter Elemente aus der ursprünglichen
Anordnung entsteht, also:
abc
abc
−→ bac −→ bca
−→ acb −→ cab
2 Vertauschungen
2 Vertauschungen
Entsprechend liegt eine ungerade Permutation vor, wenn die Anzahl an Vertauschungen ungerade ist:
abc
abc
−→
−→
bac 1 Vertauschung
acb 1 Vertauschung
Dementsprechend sind die Permutationen in der linken Spalte des obigen
Beispiels gerade, die in der rechten ungerade.
Permutation mit Wiederholung
Sind von den n Elementen n1 nicht unterscheidbar, so resultieren weniger als
n! Anordnungsmöglichkeiten wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.
I.
n = 3; Elemente = a,a,c;
Permutationen: aac aca
caa
Von den n! = 3! = 6 Permutationen bei unterscheidbaren Elementen a,b,c
verbleiben nur 3, da die 2 = 2! Vertauschungen ab und ba für b ersetzt durch
a nicht mehr unterscheidbar sind, es gilt 6 = 3 · 2!.
II. n = 4; Elemente = a,a,a,d
Permutationen: aaad aada
adaa
2
daaa
Von den n! = 4! = 24 Permutationen bei unterscheidbaren Elementen a,b,c,d
verbleiben nur 4, da die 6 = 3! Vertauschungen
abc cab bca bac cba acb
für b und c ersetzt durch a nicht mehr unterscheidbar sind, es gilt 24 = 4 · 3!.
Für die Zahl der Permutationen für n1 gleiche der n gesamten Elemente
führen wir das Symbol Pn1 (n) ein. Die beiden Beispiele zeigen, daß dann gilt
P (3) = P2 (3) · 2! = 3!
P (4) = P3 (4) · 3! = 4!
oder allgemein
P (n) = Pn1 (n) · n1 !
Demgemäß gilt für die Zahl der Permutationen Pn1 (n) mit n1 gleichen (oder
wiederholten) der gesamten n Elemente
Pn1 (n) =
P (n)
n!
=
n1!
n1 !
Unsere Betrachtungen lassen sich leicht auf den Fall erweitern, daß mehrere
Gruppen gleicher Elemente existieren. Auch hier zunächst ein Beispiel:
n = 4 ; Elemente = a, a, b, b;
Permutationen:
aabb abba abab
bbaa baab baba
Die zwei nicht unterscheidbaren a’s ergeben ebenso wie die b’s 2! nichtunterscheidbare Permutationen. Demnach enthält die Gesamtzahl aller Anordnungen (also 4! = 24) 2! · 2! identische Anordnungen die nicht mitgezählt
werden dürfen. Wir erhalten entsprechend
P2,2(4) =
4!
1·2·3·4
=
=6
2! · 2!
1·2·1·2
3
wobei P nun den Doppelindex 2,2 trägt. Allgemein ergibt sich für n Elemente,
die r Gruppen mit jeweils ni nicht unterscheidbaren Elementen enthalten, die
Anzahl der Permutationen als
Pn1 ,n2 ,...,nr = Qr
n!
i=1
mit der Bedingung
Pr
i=1
ni !
ni = n.
Eine chemisch wichtige Fragestellung ist mit den Erläuterungen hier verwandt. Wir betrachten N Teilchen, die einen der Werte E1 , E2, . . . , EI einer
bestimmten Eigenschaft annehmen können (z. B. absolute Geschwindigkeit
von Gasteilchen in den Bereichen [0, ∆v], [∆v, 2∆v], [2∆v, 3∆v], etc). aa und
bb im obigen Beispiel entsprechen dann hier 2 Teilchen mit dem Wert E1
bzw. E2 . Sind die Teilchen unterscheidbar (also numerierbar gedacht), dann
entstehen entsprechend den obigen 6 Anordnungen hier
E
6
E2 ⇐⇒
34, 24, 23, 14, 13, 12
E1 ⇐⇒
“Niveaus” E1 , E2
mit je zwei Teilchen “besetzt”
12, 13, 14, 23, 24, 34
{z
}
|
6 Anordnungen
X
X
X
X
Ein zweiter wichtiger Fall betrifft die Zahl chemischer Struktur-Isomere. Wir
betrachten als Beispiel die Strukturisomeren des Moleküls
X
H
C
H
H
C
H
H
C
C
C
4
H
C
H
C
H
H
C
H
Y
∧
die durch verschiedene Anordnungen der vier Einfach- (= a) und drei Doppel∧
bindungen (= b) auf die insgesamt sieben C-C-Bindungen entstehen (unter
entsprechender Verschiebung der H-Atome!). In der a,b-Notierung entspricht
das gezeichnete Isomere aabbbaa. Es resultiert
Zahl der Isomere =
7!
= 35
4! · 3!
Dieses mathematische Ergebnis bedeutet natürlich nicht, daß alle Isomere
tatsächlich existieren können.
Kombinationen ohne Wiederholung
Wir betrachten eine Menge von n unterscheidbaren Elementen und fragen:
Auf wieviele Arten kann man i Elemente (i ≤ n) aus den n gegebenen
auswählen, wenn die Reihenfolge beim Auswählen keine Rolle spielt und ein
Element nur einmal ausgewählt werden darf?
Beispiel: n = 4, i = 2; Elemente = a, b, c, d;
Auswahlmöglichkeiten: ab ac ad
bc bd cd
Es gibt insgesamt 6 Kombinationen, K2 (4) = 6.
Die allgemeine Formel für die Anzahl der Kombinationen ergibt sich wie
folgt. Wir unterscheiden zunächst zwischen den i gewählten und den n − i
nicht gewählten Elementen. Im Sinne der Erläuterungen unter Permutationen
mit Wiederholungen liegt hier also der Fall von N = n unterscheidbaren
Teilchen a,b,c,d vor, von denen N1 = i die Eigenschaft E1 = “ausgewählt”
und N2 = N − N1 die Eigenschaft E2 = “nicht ausgewählt” besitzen.
5
E
6
nicht ausgewählt
E2 ⇐⇒
cd, bd, bc, ad, ac, ab
ausgewählt
E1 ⇐⇒
ab, ac, ad, bc, bd, cd
Ersetzen wir a,b,c,d durch 1,2,3,4 so erhalten wir das gleiche Ergebnis wie
oben!
Die Zahl der Kombinationen i-ter Ordnung von n Elementen ohne Wiederholung ergibt sich demnach einfach zu:
n!
n
n
Ki (n) = Pi,n−i (n) =
=
=
i
n−i
i! (n − i)!
oder
KN1 (N) = PN1 ,N −N1 = PN1 ,N2 =
Der Ausdruck
n
i
N!
N1 !N2!
heißt Binomialkoeffizient (lies:“n über i”).
Für das Beispiel ergibt die Formel
4!
1·2·3·4
4
=
K2 (4) =
=
=6
2
2! 2!
1·2·1·2
Auch die Kombination ohne Wiederholung ist mit einem wichtigen chemischen Beispiel verbunden. Wieder betrachten wir N Teilchen, die die Werte
Ei , i = 1, . . . , I annehmen können. Allerdings sind nun die Teilchen nicht
unterscheidbar, die Zahl I ist größer als die Teilchenzahl N und jeder Wert
Ei darf nur einmal auftreten. Hier sind es jetzt die unterscheidbaren Werte
Ei , von denen gerade N ausgewählt (da ja jedes Teilchen einen Wert Ei annimmt!) und I −N nicht ausgewählt sind. Die Zahl der Auswahlmöglichkeiten
6
ist also
KN (I) =
I!
.
N! · (I − N)!
Diese Formel spielt bei der Beschreibung von Systemen mit vielen Elektronen
eine Rolle (Fermi-Dirac-Statistik!).
Kombinationen mit Wiederholung
Jetzt wollen wir zulassen, daß jedes Element beliebig oft, aber höchstens
i-mal ausgewählt werden darf. Um zu sehen, wie hoch die Anzahl der Kombinationen mit Wiederholung K̃i (n) ist, betrachten wir unser obiges Beispiel
noch einmal:
n = 4, i = 2; Elemente = a, b, c, d;
Auswahlmöglichkeiten: ab ac ad
bc bd cd
aa bb cc
dd
Es gibt insgesamt 10 Kombinationen, K̃2 (4) = 10.
Wie lautet nun allgemein die Zahl der Kombinationen von i aus n Elementen,
wenn sich die Elemente (höchstens i-mal) wiederholen können? Um diese
Frage zu beantworten, wählen wir eine andere Formulierung. Die Elemente
a,b,c,d entsprechen nun den Eigenschaften Ej = 1, . . . , J mit J = 4, die
von N = 2 ununterscheidbaren Teilchen eingenommen werden können. Wir
zeichnen wieder ein Niveau-Diagramm, in dem jeder Strich eine Eigenschaft
Ej symbolisiert und die Skala links den Wert Ej angibt:
7
E
6
Fall I
E4
X
E3
Fall II
N4 = 0
N4 = 0
N3 = 1
N3 = 0
N2 = 0
E2
X
E1
0
0
N1 = 1
N2 = 2
N1 = 0
Rechts stehen die “Besetzungszahlen” Nj , d. h. wieviele Teilchen den Wert Ej
besitzen. Die gezeichneten Kreuze bzw. Kreise entsprechen den beiden Fällen
ac bzw bb. Nun bezeichnen wir den freien Platz zwischen zwei Niveaus mit
z und geben jedem der N ununterscheidbaren Teilchen das Symbol t. Jede
gewählte Art der Verteilung der 2 Teilchen auf die 4 Niveaus kann dann
horizontal wie folgt geschrieben werden
tt.
| {z. . }t z tt.
| {z. . }t z tt.
| {z. . }t z tt.
| {z. . }t,
N1 t’s N2 t’s N3 t’s N4 t’s
also
∧
Fall I ac = tzztz
∧
Fall II bb = zttzz
Die gezeigten Sequenzen tt. . . z. . . sind nichts anderes als Permutationen mit
Wiederholungen, und zwar von J − 1 = 3 gleichen Elementen z und N = 2
gleichen Elementen t, also insgesamt N + J − 1 = 5 zu permutierenden
Elementen. Also gilt
PN,J−1 (N + J − 1) =
N + J − 1!
5!
=
= 10
N! (J − 1)!
2! 3!
8
Für die Zahl der Kombinationen von i = 2 aus n = 4 Elementen a,b,c,d mit
Wiederholung gilt demgemäß
K̃2 (4) = P2,3 (5) =
5
= 10
2! 3!
oder allgemein
(n + i − 1)!
K̃i (n) = Pi,n−1 (n − 1 + i) =
=
i! · (n − 1)!
n+i−1
i
Kombinationen mit Wiederholungen spielen bei der Beschreibung von Systemen mit vielen Photonen eine Rolle (Bose-Einstein-Statistik).
Variationen ohne Wiederholung
Wir berücksichtigen jetzt Auswahl und Anordnung von Elementen. Zur Verdeutlichung des Unterschiedes zu Permutationen und Kombinationen betrachten wir wieder obiges Beispiel:
n = 4, i = 2; Elemente sind a, b, c, d;
Auswahl- und Anordnungsmöglichkeiten:
ab ba
ac ca
ad da
bc cb
bd db
cd dc
Es gibt insgesamt 12 Variationen, V2 (4) = 12.
Für eine allgemeine Formel greifen wir zurück auf die Zahl der Kombinationen mit Wiederholungen, nur daß wir jetzt noch die Reihenfolge des Herausgreifens berücksichtigen müssen. Die i unterscheidbaren Elemente einer
Kombination kann man auf i! Weisen anordnen. Die Zahl der Variationen iter Ordnung von n Elementen ohne Wiederholung ergibt sich also aus Ki (n)
durch Multiplikation mit dem Faktor i!.
n!
n
Vi (n) = Ki (n) · i! =
· i! =
· i!
i
i! (n − i)!
n!
=
(n − i)!
9
Auf das Beispiel bezogen erhält man
V2 (4) =
4!
= 12
2!
wie das Abzählen bereits ergeben hat.
Variationen mit Wiederholung
Erlauben wir nun noch, daß Elemente mehrfach gewählt werden dürfen und
berücksichtigen wieder die Reihenfolge des Auswählens, erhalten wir für unser Beispiel:
n = 4, i = 2; Elemente sind a, b, c, d;
Auswahl- und Anordnungsmöglichkeiten:
aa ab ba ac ca ad da
bb bc cb bd db
cc cd dc
dd
Es gibt insgesamt 16 Variationen, Ṽ2 (4) = 16.
Allgemein gilt, daß i Plätze mit einer Auswahl aus n Elementen besetzt werden, wobei jedes Element beliebig oft, aber maximal i mal, vorkommen darf.
Der erste Platz kann also auf n Arten besetzt werden, der zweite ebenfalls
usw.
Ṽi (n) = |n · n · {z
n . . . · n} = ni
i Faktoren
Für obiges Beispiel erhalten wir:
Ṽ2 (4) = 42 = 16
Anwendung in der physikalischen Chemie
Wir betrachten Systeme von N unterscheidbaren Teilchen, die verschiedene
Zustände j mit der Eigenschaft Ej einnehmen können. Hinsichtlich dieser
Eigenschaft Ej ist es uns möglich, verschiedene Anordnungen der Teilchen zu
unterscheiden. Als einfaches Beispiel können wir uns die Teilchen als Münzen
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denken, deren Eigenschaft die Seite der Münze, die sich nach einem Wurf
zeigt, ist. Sie kann zwei Werte annehmen: Adler = A Zahl=Z.
Jedes mögliche Ergebnis von N Würfen, also jede Anordnung von N mal
A oder Z bezeichnen wir als einen Mikrozustand, alle Mikrozustände mit
gleicher Anzahl an A und Z bilden zusammen einen Makrozustand. Anders
ausgedrückt entspricht jede Variation der N Elemente einem Mikrozustand,
jede Kombination einem Makrozustand. In unserem Beispiel (zwei mögliche
Werte für die Eigenschaft der Teilchen) gibt es für jeden Makrozustand genau
N!
Mikrozustände (NZ = Münzen mit Zahl, NA = Münzen mit Adler).
NZ ! NA !
Die Anzahl der Mikrozustände zu einem Makrozustand wird auch als thermodynamische Wahrscheinlichkeit W bezeichnet. Allgemein gilt für ein NTeilchen-System, in dem sich jedes Teilchen in einem von i Zuständen befinden kann:
N!
W =Q
i Ni !
Ein Makrozustand ist durch den Satz von Zahlen (N1 , N2 , . . . , Ni ) charakterisiert. Schematisch wird dies häufig mit einem Niveaudiagramm für die
Eigenschaft E dargestellt.
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