Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung - OSI-Club

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Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung - OSI-Club
Dr. Peter Lautzas
Vorsitzender des Verbands der Geschichtslehrer Deutschlands e.V.
Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und
politische Bedeutung
Vortrag im Otto Suhr-Institut der Freien Universität Berlin
am 23. April 2012
Herzlichen Dank für die sehr freundliche Einführung! In 30 bis 40 Jahren ergibt sich natürlich
eine ganze Menge an Tätigkeit, wenn man ein bisschen engagiert ist und sich mit dem Täglichen nicht
ganz zufrieden gibt. Nun muss ich Ihnen ebenso freundlich erwidern, dass ich es als eine Ehre
empfinde, heute hier zu referieren.
Was Pressefreiheit ist und aus welchen Elementen sie besteht, wissen Sie vermutlich besser
als ich. Das klammere ich aus. Welche Probleme dabei heute vorhanden sind und einer Lösung
harren, werden Sie in den folgenden Veranstaltungen dieser Ringvorlesung kompetent dargelegt
erhalten.
Was ich Ihnen heute skizzenhaft vorstellen kann, und wirklich auch nur skizzenhaft, ist der
steinige historische Weg, den die Pressefreiheit zurücklegen musste, bevor sie sich als Vierte Gewalt
durchsetzen, wirksam werden und eine tragende Säule unserer heutigen Staatsordnung werden
konnte. Insofern klingt das gewählte Thema zunächst einmal harmlos und scheint schnell
beantwortet, verdeckt jedoch das hochdramatische Geschehen von mehreren Jahrhunderten, das
keineswegs zwangsweise zu den komfortablen Lösungen von 2012 hätte führen müssen, sondern in
zähem Kampf von Generationen bitter erkämpft werden musste.
Dies zu betonen scheint mir wichtig, denn man vergisst in unserer heute so prächtig
funktionierenden Demokratie zunehmend, welche Opfer und Anstrengungen es erforderte, dies alles
zu erreichen und dass es weiterhin der Aufmerksamkeit und immerwährender Anstrengung bedarf,
die mit ihr verbundenen Errungenschaften – auch und besonders die Pressefreiheit – zu erhalten!
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist natürlich der Artikel 5 GG, der die Meinungsfreiheit
als ein Menschenrecht definiert, das in doppelter Funktion einerseits jedem einzelnen Menschen die
Entwicklung seiner Persönlichkeit ermöglicht und ihn andererseits in den Stand setzt, einen
Meinungsaustausch im Kontakt mit anderen Menschen durchzuführen. Beides zu garantieren, ist
Aufgabe der Pressefreiheit. Leicht erkennbar, dass dies die Voraussetzungen für unsere Staatsform
der Demokratie beschreibt. Insofern ist Pressefreiheit eines der höchsten Güter, die wir haben.
Umgekehrt muss die Presse diese große Aufgabe natürlich auch verantwortlich wahrnehmen.
Ringvorlesung „PresseFreiheit“ des OSI-Clubs, Verein der Freundinnen und Freunde des Otto-Suhr-Instituts e. V., Sommersemester 2013
Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
Das Pressewesen ist in der Bundesrepublik Deutschland der Gesetzgebungskompetenz der
Länder vorbehalten, gestärkt durch die Föderalismusreform vom Jahre 2006. Hinsichtlich der
Aussagen, manchmal sogar in den Formulierungen, sind die Pressegesetze der Länder nahezu
identisch. Sie beschreiben alle die Freiheit WOVON, nämlich staatlichen Einfluss, und definieren
zugleich die Freiheit WOZU, nämlich als Beitrag zur Sicherung der Demokratie.
Pressefreiheit ist gewährleistet, wenn die Medien erstens frei zugänglich sind und zweitens
eine große Vielfalt möglich ist. Ferner: Die Medien müssen unabhängig, dezentral und – wie gesagt –
staatsfern organisiert sein. Alles bekannte Sachen, ich habe es nur der Systematik halber noch einmal
zusammengefasst. In der Geschichte der Pressefreiheit kann man grundsätzlich zwei Arten von
Einschränkungen immer wieder beobachten: Das ist einmal die Vorzensur und dann die Bestrafung
für veröffentlichtes Material, also hinterher.
Nun zur Entwicklung. Ich versuche dabei vom Spätmittelalter her bis zur Gegenwart einen Bogen zu
schlagen.
Im 14. Jahrhundert entwickelt sich der Begriff „Zeitung“ im Sinne von „Nachricht“ und
„Neuigkeit“, hatte also gar nichts mit dem Publikationsorgan zur tun. Um 1450 legt die Erfindung des
Buchdrucks durch Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, die Grundlage zur Massenverbreitung
von Presse-Erzeugnissen. Damit ergibt sich eine völlig neue Situation.
Schon kurz danach gibt es Erlasse, die den Druck und die Verbreitung von Schriften ohne
vorherige Genehmigung untersagen, also eine Vorzensur darstellen, und das in drei Stufen: Am
Anfang stand die kirchliche Zensur. Dann wurde diese zunehmend seitens weltlicher Instanzen
ersetzt und von ihnen übernommen, ein Trend, der parallel zur Säkularisierung der Gesellschaft
Säkularisierung im Laufe der Jahrhunderte zunahm. Schließlich trat die weltliche Zensur ganz in den
Vordergrund trat. Die Begründung war: Eine Überwachung diene dem Schutz der Religion, dem
Staatsinteresse und dem Schutz der guten Sitten.
1475 wurde die kirchliche Druckzensur an der Universität Köln eingeführt.
1479 verlieh der Papst der Universität Köln das Zensurrecht.
1485 wurde eine erste Zensurkommission eingerichtet, die per Dekret des Kurfürsten von Mainz, der
Stellvertreter des Kaisers war, reichsweit herausgegeben wurde.
1487 haben wir die erste päpstliche Zensurverordnung.
1559 wurde von der katholischen Kirche der berühmt-berüchtigte Index eingeführt, „librorum
prohibitorum“ genannt, der bis 1966 gültig war, aber die ganze Zeit über von zweifelhaftem Erfolg
war, denn es war kaum möglich, die explosionsartig zunehmende Fülle von Publikationsorganen auch
nur annähernd zu erfassen.
In der weltlichen Zensur ist erstmals 1512 ein kaiserliches Bücherverbot vorhanden und 1521 die
Einführung der weltlichen Präventiv-Zensur durch Karl V.
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Das Problem bei diesen Kontrollmaßnahmen waren die landesherrlichen Unterschiede. Jeder
Landesherr konnte die Reichsbeschlüsse auf Grund seiner hoheitlichen Autonomie handhaben,
konnte wie er wollte. Hinzu kam, wie gesagt, die große – und rapide zunehmende – Zahl von
schriftlichen Erzeugnissen. Zur Verdeutlichung:
Zwischen 1501 und 1530 erscheinen etwa 10.000 Flugschriften religiösen und politischen
Inhalts, meist mit scharfer Kritik und satirischen Darstellungen. Am bekanntesten sind etwa die
„Dunkelmännerbriefe“ von 1515. An ihnen wird bereits die ganze presserechtliche Problematik
sichtbar, denn es handelt sich um fingierte Briefe, die eigentlich ein übles Machwerk darstellen. Es
sind Kampfschriften, deren Verbreitung zu kontrollieren man sich schwer tut.
Um 1470 haben wir 17 Druckorte, vor allem Köln, Basel, Straßburg. Um 1490, zwanzig Jahre
später, bereits 204 Druckorte und bis 1500, das sind also kaum 10 Jahre, schon 252 Druckorte, davon
62 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Also eine gewaltige Zunahme, die wiederum,
muss man auch sagen, nicht so dramatisch war, wie sie klingt, denn die Auflage all dieser Schriften
betrug höchstens 150 bis 250 Exemplare. Da diese Schriften aber von der geistig führenden Schicht
gelesen wurde, die ja das gesellschaftliche Leben bestimmte, ist natürlich die Wirkung trotzdem
wieder größer, auch wenn es von der Zahl her so gering erscheint. Man muss dabei also verschiedene
Aspekte berücksichtigen.
Die Bedeutung der Pressefreiheit bzw. der Presseverbreitung zur Zeit der Reformation ist
allgemein bekannt. Der Obrigkeit gefährlich erschien sie ganz besonders deswegen, weil nun in der
Volkssprache geschrieben wurde. Latein schränkte die Wirksamkeit ein, aber jetzt in der
Volkssprache erfassten die Schriften natürlich viel größere Bevölkerungskreise und stellten damit ein
neues Gefährdungspotenzial aus Sicht der Herrschenden dargestellt. Die frühbürgerliche Revolution
demonstrierte dann auch, wie berechtigt diese Sorge war, zumal die Wirksamkeit sich nun auch auf
den politischen Raum ausdehnte.
1530 verpflichteten sich die Reichsfürsten im „Augsburger Reichstagsabschied, „dass nichts Neues in
Sachen des Glaubens in ihren Fürstentümern gedruckt werde“. Man versuchte also hier – es hatte
dann sein vorläufiges Ende im Augsburger Religionsfrieden von 1555 – die Reformbestrebungen zu
kanalisieren. Das heißt der Status Quo sollte irgendwie festgeschrieben werden.
1548 haben wir eine Polizei-Verordnung des Reichstags, das Strafen für unzensierte Bücher und
Schriften und auch die Beschlagnahmung vorsieht.
1605 erscheint die erste eigentliche Zeitung. Eine „Relation“, wie es genannt wurde, in Straßburg.
Ein Nebenaspekt in der Entwicklung, der aber die Verbreitung all diese Schriften stark
fördert: die Einführung eines reichsweiten und regelmäßigen Postverkehrs durch die Thurn und Taxis
ab 1596. Ab 1800 sind dann alle mitteleuropäischen Städte durch regelmäßige Postverbindungen
miteinander verbunden.
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Im 18. Jahrhundert beschleunigt sich die Entwicklung. Die Obrigkeit entdeckt den Nutzen der
Druckerpresse für ihre eigenen Ziele: Es entsteht das Intelligenzblatt, das vorwiegend amtliche
Mitteilungen für Amtspersonen enthält. Durch die verpflichtende Lektüre dieses Personenkreises ist
eine intensive Verbreitung der Verlautbarungen garantiert. Der damals schon vorhandene Begriff der
„Preßfreiheit“ wurde als formaljuristischer Terminus verstanden, der obrigkeitlich den Druck von
Zeitungen konzessionierte, war also eine rein verwaltungsmäßige Bezeichnung.
Dienten Zeitungen und Zeitschriften im 18. Jahrhundert dem zunehmend anwachsenden und
zunehmend lesekundiger werdenden Bürgertum zunächst hauptsächlich der Unterhaltung oder als
Forum wissenschaftlicher Dispute, so bemächtigte sich die Aufklärung dieser Medien und führte um
die Mitte des Jahrhunderts zu einem bemerkenswerten Umschwung: Jetzt tritt ein ideologischer
Aspekt hinzu von Seiten der Aufklärung. In einer wahren Flut von Publikationen – die man durchaus
als Zeitschriften- und Leserevolution bezeichnen kann – wurden die Ideen der Freiheit propagiert und
gerieten damit schnell in Konflikt mit dem ausschließlichen Machtanspruch des Absolutismus: Der
Begriff der „Pressefreiheit“ – erstmals 1774 in diesem Sinne verwendet – wurde ideologisch
aufgeladen, wobei die Forderung nach seiner Gewährung immer mehr Anhänger gewann. Die Frage
war nur, ob sie als fürstliche Gnade gewährt werden könne, oder ob sie den Bürgern als
Menschenrecht zustehe. Das ist dann die Fragestellung in Richtung Französischer Revolution.
Ein Blick ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation jener Zeit: Die Verhältnisse selbst
waren dort alles andere als einheitlich. Im Reich selbst war der Reichshofrat für die mehr oder
minder effektive Kontrolle des Schrifttums zuständig (ihm unterstand die Kaiserliche
Bücherkommission in Frankfurt am Main), die freien Reichsstädte beschränkten die schriftstellerische
Freiheit in der Regel nur wenig, Universitäten waren meist zensurfrei, einige Herrschaften, wie
Hessen, gewährten eine großzügige Pressefreiheit. Also ein buntes Bild.
Im weiteren Verlauf, im Zuge des aufgeklärten Absolutismus veränderten sich die
Verhältnisse nicht grundlegend, brachten aber ansatzweise eine gewisse Öffnung mit sich. Friedrich
der Große zum Beispiel lockerte die rigide Pressekontrolle und formulierte in seinem Zensuredikt
vom 1. Juni 1772, es solle „nur demjenigen steuern was wider die allgemeinen Grundsätze der
Religion, und sowohl moralischer als bürgerlicher Ordnung entgegen ist“. Das ist auch ein Punkt, wir
haben ja gerade das Friedrich-Jahr, das gerade in Berlin und Potsdam einige Wellen schlägt. Es heißt
häufig, Friedrich der Große habe die Zensur abgeschafft. Das ist so falsch. Ja, die strenge Zensur und
die ausschließliche wohl, aber im Grunde ist es nur eine leichte Liberalisierung gewesen. In dem
Moment, wo jemand etwas gegen den Staat sagte, hat der Absolutismus zugeschlagen. Also, man
muss die berühmte Pressefreiheit von Friedrich dem Großen ein wenig relativiert sehen.
Joseph II. von Österreich zum Beispiel, ein Bewunderer Friedrich des Großen, ging da noch
einen Schritt weiter und erweiterte den Raum der Pressefreiheit, indem er auch politische Kritik
zuließ. Wobei man sich das auch nicht so wie heute vorstellen darf, dass da alles gesagt werden
konnte, was man wollte. Irgendwann war da auch Schluss, aber es war ein wenig liberaler als das,
was in Preußen praktiziert wurde.
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Das erneuerte Censur-Edict von Friedrich Wilhelm II. von Preußen vom 19. Dezember 1788
dagegen verfolgte ganz die harte Linie und stellte einen Rückschlag im Bemühen um mehr
Pressefreiheit dar: Das Edict stellt sich u.a. gegen die „Verbreitung gemeinschädlicher praktischer
Irrthümer über die wichtigsten Angelegenheiten der Menschen, zum Verderbniß der Sitten durch
schlüpfrige Bilder und lockende Darstellungen des Lasters, zum hämischen Spott und boßhaften
Tadel öffentlicher Anstalten und Verfügungen, wodurch in manchen nicht genugsam unterrichteten
Gemüthern, Kummer und Unzufriedenheit darüber erzeugt und genährt werden, und zur
Befriedigung niedriger Privat-Leidenschaften, der Verläumdung, des Neides, und der Rachgier,
welche die Ruhe guter und nützlicher Staatsbürger stöhren, auch ihre Achtung vor dem Publiko
kränken, besonders in den so genannten Volksschriften bisher gemißbraucht worden“.
Das ist ein vollständiger Rückzug in alte Positionen. Natürlich kündigt sich da schon die
Französische Revolution mit ihren radikalen Forderungen an. Natürlich kann man nicht sagen, dass
sie 1788 schon als Ereignis erkennbar war, aber das Klima, der aufklärerische Impetus war für einen
preußischen König schon durchaus bedrohlich. Friedrich Wilhelm II. schuf in diesem Zusammenhang
übrigens den Terminus der „Preßfrechheit“ als Kampfbegriff gegen die Pressefreiheit.
Ein anderes Beispiel: Bayern etwa. Herzog Maximilian IV fand bei Regierungsantritt 1799
engherzige Richtlinien für die Zensur vor. In seiner „Verordnung über die vollkommenste Preß- und
Buchhandelsfreiheit von 1803 veranlasste er die völlige Aufhebung der (Vor)Zensur, ausgenommen
politische Zeitungen. Eine kleines Entgegenkommen, aber die Machtverhältnisse dürfen nicht
angetastet werden.
Zusammenfassend kann man sagen: Die generelle Tendenz hinsichtlich der Presse-Kontrolle
in Deutschland ging in den Jahren vor der Französischen Revolution in Richtung Lockerung, auch
wenn hie und da auch immer wieder detaillierte Zensusverordnungen eingeführt wurden. Der Grund:
der religiöse Aspekt war bei zunehmender Säkularisierung nicht mehr integraler Bestandteil der
Staatsfundamente.
Die Französische Revolution von 1789 führte jedoch, was man nicht erwartet, zu einem
Rückschlag in der Entwicklung: Um den Import revolutionären Gedankengutes zu unterbinden und
die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten (oder: die überkommenen Verhältnisse
zu stabilisieren), wurden überall Verschärfungen der Presse-Kontrolle vorgenommen, wobei sich
selbst tolerant gesinnte Herrscher dem Druck nicht entziehen konnten. Beispiel ist ja auch Goethe
etwa in seiner Grundhaltung. Die Französische Revolution ging den Herrschenden erheblich zu weit,
so dass also hier ein Rückschlag zu verzeichnen ist. Man möchte meinen, sie bringt jetzt endlich die
Befreiung, aber ist gar nicht so, umgekehrt ist es.
Wie sah es nun in anderen europäischen Ländern mit der Pressefreiheit aus bzw. mit dem Streben
danach? Ein kurzer Blick auf England, Frankreich und die Vereinigten Staaten von Amerika sei an
dieser Stelle gestattet.
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Als Mutterland der Pressefreiheit kann England bezeichnet werden. Von der Magna Charta
1215 an, über die Habeas Corpus-Akte von 1679 und die Bill of Rights von 1689 ziehen sich schon
früh Bemühungen durch die englische Geschichte, Freiheitsrechte – zunächst des Adels – gegenüber
der Krone zu sichern.
Mit der Einführung der Druckkunst etablierten die Tudors sofort ein Kontrollsystem: 1529
gab Heinrich VIII. eine Liste verbotener Bücher heraus. Wenige Jahre später, als zunehmend nicht
autorisierte Publikationen auftauchten, forderte eine erste königliche Proklamation (1534) auch die
Vorzensur. Als Institution der Pressekontrolle wurde 1557 die Stationer’s Company geschaffen, die
als Standesorganisation der Drucker mit königlichem Privileg die Zensur in eigener Zuständigkeit
vornehmen durfte. Der Einfluss dieser Company nahm kontinuierlich zu, auch unter den Stuarts ab
1603.
Zu einem Umschwung kam es, als sich die Hoheitsrechte der Krone zunehmend auf das
Parlament verlagerten. Ein Dekret hatte der Stationer’s Company 1586 eine große Zahl von
Kontrollmaßnahmen gewährt. 1641 hob das Parlament dieses Dekret – den Star Chamber Decree –
auf. Dies schuf dem Druckwesen Freiheit, jedoch wurde schon im Jahre darauf die Stationer’s
Company wiederbelebt, um als falsch oder skandalös betrachtete Pamphlete zu verbieten. Man
sieht, es geht also Hin und Her. Wobei die Richtung in England schon sehr früh in Richtung Freiheit
ging.
Diese Einführung der Presse-Lizensierung stieß aber erstmals auf Widerstand: John Milton,
Dichter, Frühaufklärer und Staatsbediensteter unter Oliver Cromwell, formulierte 1644 seine
legendäre fiktive Rede an das Parlament, die Areopagitica, die bis heute als erste große
abendländische Verteidigung der Pressefreiheit gilt. Miltons Plädoyer blieb jedoch ohne Wirkung:
1649 wurden mit dem „Printing Act“ die schärfsten Bestimmungen zur Reglementierung der Presse
in England im gesamten 17. Jahrhundert eingeführt.
Die Glorious Revolution von 1688 brachte das Ende der amtlichen Pressekontrolle. In der Bill
of Rights von 1689 ist die Pressefreiheit zwar noch nicht erwähnt, aber als das Parlament 1695 den
„Licensing Act“ nicht erneuerte, war sie praktisch hergestellt. Nach Abschaffung der Vorzensur
versuchte der Staat aber auf anderem Wege, wie zum Beispiel durch wirtschaftliche Maßnahmen wie
der Stempelsteuer, Einfluss auf die Presse zu nehmen. Aber immerhin, die Pressefreiheit war in
England Ende des 17. Jahrhundert Realität.
Die in Folge der blutigen Arbeiter-Demonstration in Manchester am 16. August 1819
erlassenen „Six Acts“ bringen dagegen wieder scharfe Einschränkungen der Presse- und
Versammlungsfreiheit, vermögen aber die generelle Entwicklung zu mehr Pressefreiheit nicht
aufzuhalten. Die 1859 veröffentlichte Schrift: „On Liberty“ von John Stuart Mill setzt im 19.
Jahrhundert im Rahmen der liberalen Bewegung diese Traditionslinie engagiert fort. Das also ein
kurzer Abriss zu England.
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In den entstehenden Vereinigten Staaten von Amerika wird die Pressefreiheit unter dem
Einfluss der seit 1720 in Londoner Zeitschriften unter dem Pseudonym „Cato“ erscheinenden
Abhandlungen von Anfang an zu einem Baustein des neuen Staates. Die „Virginia Declaration of
Rights“ 1776 zum Beispiel enthält die uneingeschränkte Pressefreiheit – ganz im Sinne der Aufklärung
– als unveräußerliches Menschenrecht. Das ist neu. Das taucht da zum ersten Mal auf. 1789 wird sie
als erster Zusatzartikel (First Amendment) von zwölf – der „Bill of Rights“ – in die Verfassung
aufgenommen, die dann 1791 ratifiziert wurde.
Die Gründungsväter der Vereinigten Staaten waren sich der fundamentalen Bedeutung einer
freien Presse für eine freiheitliche Demokratie von Anfang an bewusst: „Wäre es an mir zu
entscheiden, ob wir eine Regierung ohne Zeitungen oder Zeitungen ohne eine Regierung haben
sollten, sollte ich keinen Moment zögern, das Letztere vorzuziehen“, so Thomas Jefferson im Jahre
1787. Bekanntlich ist bis heute die Pressefreiheit in den USA sehr weit gefasst und ein
hochverteidigtes Gut.
In Frankreich haben wir besonders interessante Entwicklung. Dort hatte Jean-Jacques
Rousseau im Sinne seiner Theorie der Gewaltenteilung die Bedeutung der Presse voll erkannt und sie
als vierte Säule des Staates bezeichnet – was dann im Zuge des Liberalismus im 19. Jahrhundert zur
gebräuchlichen Verwendung des Begriffs „Vierte Gewalt“ führte. In England ist der Begriff „Vierter
Stand“ bereits im 18. Jahrhundert geläufig.
In der Erklärung der Menschenrechte vom 26. August 1789 finden wir, der aufklärerischen
Intention folgend, die Pressefreiheit verankert. Sie hatte über die ideelle und philosophische
Bedeutung hinaus praktisch-politische Bedeutung für den Kampf gegen das bestehende feudalmonarchische System. Die Forderung nach Pressefreiheit hatte nicht nur ideologische Bedeutung,
sondern auch praktische: als politische Frontstellung gegen den Absolutismus.
Unter Napoleon änderten sich die Verhältnisse drastisch. In den Verfassungen von 1799 und
1804 war die Pressefreiheit nicht als Menschenrecht ausgewiesen, im Gegenteil: Napoleon beschnitt
die revolutionäre Pressevielfalt rigoros und ersetzte in Frankreich schließlich die passive Zensur durch
aktive Propaganda. Am 2.Dezember 1799 wurde der „Moniteur“ zum offiziellen Mitteilungsorgan der
Regierung erklärt. Er bestand bis Ende 1868. Die Berichte über die Debatten in der
Nationalversammlung wurden ersetzt durch die Mitteilung kaiserlicher Erlasse und Dekrete, vielfach
auch durch militärische Nachrichten (Bulletins der Grande Armée) oder politische Propaganda (zum
Beispiel Polemiken gegen England). Im Grunde genommen genau das Gegenteil von dem, was
vernünftige Presse tun sollte. Damit ging Napoleon zu einer aktiven Pressepolitik über. Das ist neu.
Das Dekret vom 5. Februar 1810 verschärfte noch einmal diese Presseregelungen.
Frankreichs Dominanz in Europa erstreckte sich auch auf Deutschland und hatte Einfluss auf
seine Pressepolitik. So wirkten sich die strengen Zensurgesetze Napoleons insbesondere auf die mit
Frankreich eng verbundenen Rheinbundstaaten aus. Die deutschen Fürsten waren insgesamt
bestrebt, nicht den Unwillen des Kaisers durch unbotmäßige Berichterstattungen und politische
Stellungnahmen zu erregen. Erst während der Befreiungskriege schrieben Zeitungen wie Joseph
Görres im „Rheinischer Merkur“ offen gegen Frankreich, weshalb die Fürsten den deutschen
Zeitungen in dieser Zeit und zu diesem Zweck Pressefreiheit gestatteten.
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
Als intensivste Phase im Kampf um die Pressefreiheit, die neben der Versammlungsfreiheit
oberste Priorität für den Liberalismus hatte, kann man die Jahre vom Ende der Napoleonischen
Herrschaft 1815 bis zur Revolution von 1848 ansehen. Wobei hervorzuheben ist, dass Versammlungsund Pressefreiheit nun immer parallel vertreten wird, weil eins das andere bedingt und sich politisch
ergänzt.
Nahm einerseits die Lesebereitschaft in diesem Zeitraum nicht zuletzt dank der
fortschreitenden Alphabetisierung, die auch zunehmend die unteren Schichten erfasste, rapide zu –
sodass man auch hier von einer „Leserevolution“ sprechen kann – so sind andererseits die
Unterdrückungsmaßnahmen des Staates gegen unbotmäßiges, sprich freiheitliches Gedankengut –
hauptsächlich initiiert von Metternich – differenziert zu sehen.
Metternich hatte angesichts des zerbrechenden Österreich größtes Interesse daran, die
liberalen und nationalen Gedankengänge im Zaum zu halten, sodass er aufgrund seines politischen
Gewichts in der nachnapoleonischen Zeit als Initiator und Verfechter dieser ganzen pressefeindlichen
Maßnahmen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert anzusehen ist. Trotzdem muss man ein wenig
differenzieren. Zensur und Zensurpraxis hatten strenge und weniger strenge Phasen, hatten Lücken,
und es gab Unterschiede hinsichtlich der Umsetzung der Beschlüsse in den einzelnen deutschen
Staaten. Der „Polizeistaat“ war, verglichen mit unserem Jahrhundert noch sehr unvollkommen. Das
muss man immer berücksichtigen, auch wenn Metternich da sehr massiv vorging.
Auf dem Wiener Kongress 1815 war in der Deutschen Bundesakte in Artikel 18d angekündigt
worden, die Bundesversammlung werde „sich bey ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung
gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreyheit“ befassen. Das erwies sich als schwieriger als
erwartet, zunächst ins Gegenteil verkehrt: Mit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 wurde eine
strenge, für den Deutschen Bund einheitliche Zensur eingeführt – eine Linie, die außenpolitisch in der
„Heiligen Allianz“ des zerbrechenden Österreichs, des autoritären Russland und des restaurativen
Preußen vorgegeben war, um das Übergreifen des revolutionären Gedankenguts von Freiheit und
Gleichheit zu unterbinden.
Die „Provisorischen Bestimmungen hinsichtlich der Freiheit der Presse“ vom 20. September
1819 sahen eine Präventivzensur für alle Publikationen mit weniger als 20 Druckbogen und eine
nachträgliche Repressiv-Zensur für alle darüber hinausgehenden Publikationen vor. Nach den
Befreiungskriegen ein deutlicher Rückschritt, man hätte anderes erwartet. Was war geschehen? Wie
ist dieser rigorose Umschwung in der Pressepolitik zu erklären?
Der Liberalismus mit seinem aufklärerischen Gedankengut wurde von einem in den
Freiheitskriegen selbstbewusst gewordenen Bürgertum getragen. Dies erhoffte und erwartete nun
nach der Befreiung von der französischen Vorherrschaft von den Fürsten die nationale Einheit und
innere Freiheit und war von der neuen restaurativen Ordnung, die auf dem Wiener Kongress
geschaffen worden war und die Zustände ganz im vorrevolutionären Stil wieder herzustellen suchte,
sehr enttäuscht. Es zog sich teilweise in den biedermeierlichen Schmollwinkel zurück oder
opponierte mit Hilfe der liberalen Presse offen oder verborgen gegen diese politische Entwicklung.
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
Die Revolution in Frankreich 1830 dann hatte Auswirkungen auf ganz Europa. In Reaktion auf
die Freiheitsbewegungen in den Nachbarländern wurden die Zensur-Bestimmungen überall in
Deutschland verschärft. So wurde zum Beispiel 1832 im recht liberalen Großherzogtum Baden das
„Preßgesetz“ vom Vorjahr für nichtig erklärt, das „alle Censur der Druckschriften“ untersagt hatte.
Ein eindrucksvolles Beispiel für den Kampf des Liberalismus um Pressefreiheit und
Demokratie bietet dabei das Hambacher Fest 1832, das den Höhepunkt frühliberaler bürgerlicher
Opposition in der Zeit der Restauration und des Vormärz darstellt.
Das bei Neustadt an der Weinstraße gelegene Schloss Hambach lag in der Pfalz, die seit 1816
zum (konstitutionellen) Königreich Bayern gehörte. Presserechtlich galten dort im Vormärz die recht
liberalen Regelungen der Verfassung von 1818. Dort war die Pressefreiheit in Titel IV § 11 verankert:
„Die Freiheit der Presse und des Buchhandels ist nach den Bestimmungen des hierüber erlassenen
besonderen Ediktes gesichert“. Allerdings mit dem Pferdefuß: Das angesprochenen III. Edikt
wiederholte nun zwar den Gedanken der Pressefreiheit, schränkte sie aber in seinem zweiten
Paragraphen ein und ermöglichte die Vorzensur: „Alle politischen Zeitungen und periodischen
Schriften politischen und statistischen Inhalts unterliegen der dafür angeordneten Zensur.“
Neben publizistischen Einschränkungen für Staatsdiener regulierte das Edikt dann unter
anderem die polizeiliche Aufsicht über Buchhandlungen, Leihbibliotheken, Druckereien und andere
Multiplikatoren sowie das Verfahren bei Verstößen, das bei „besonders qualifizierten
Gesetzesverletzungen, gegen den Monarchen, den Staat und seine Verfassung, gegen Kirche,
Religion und Sittlichkeit, gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung die sofortige Beschlagnahmung“
vorsah. Also volle Latte, das heißt auf dem Verwaltungswege wird das wieder eingeschränkt, was
grundsätzlich gestattet sein sollte.
Die Konstruktion bestand also darin, die Pressefreiheit als Grundrecht in der Verfassung zu
garantieren, die Realisierung aber durch bürokratische Regulierung wieder zu „entschärfen“. Das
stand durchaus in der Tradition der vorangegangenen bayerischen Reformen. Interessant ist jetzt
auch, dass man diese Verschärfung mit Rücksicht auf den Deutschen Bund einführte und die Belange
der Zensur deshalb teilweise dem Außenministerium übergab. Normalerweise wäre das
Innenministerium allein dafür zuständig gewesen. Durch diese Kompetenzaufteilung ergaben sich
natürlich jede Menge Unschärfen und Unklarheiten, die andererseits wieder für die zugreifenden,
ausführenden Organe zahlreiche Möglichkeiten boten, die beiden Behörden gegeneinander
auszuspielen und sich damit freie Hand für ein relativ beliebiges, sprich, scharfes Vorgehen zu
schaffen. Ein probates Mittel, das heute auch noch hin und wieder angewendet wird.
Nach 1830 gewann die Debatte nun auch in Bayern verschärft an Aktualität. Am 28. Januar
1831 wurden alle politischen Schriften unter Zensur gestellt – eine Verordnung, die der König nach
heftigen Protesten im Landtag im Juni bereits wieder zurücknehmen musste. Das ist sensationell. Das
muss man sich mal vorstellen: Gut, heutzutage sind wir es gewöhnt, dass Verordnungen
zurückgenommen werden. Aber dass ein königlicher Erlass in dieser Weise gezwungenermaßen
zurückgenommen werden musste, ist für die damalige Zeit schon ein machtpolitisches Novum und
eine Sensation.
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
Galt in der Pfalz die „Neue Speyrer Zeitung“ nach der Einschätzung in Wien und München als
„die frechste aller in Deutschland erscheinenden Zeitungen“, so bedeuteten Philipp Jakob
Siebenpfeiffers „Rheinbayern“ und „Bote aus dem Westen“ und die „Deutsche Tribüne“ des von
München in die Pfalz übergesiedelten Johann Georg August Wirth (beide übrigens von Haus aus
Juristen) eine deutliche Radikalisierung. Die Zeitschriften hatten nur jeweils eine Auflage von
mehreren 100 Exemplaren, bei den Flugschriften des „Preßvereins“ war es jedoch schon um die
60.000. Das ist eine Größenordnung, bei der ein Staat rotiert, wenn eine Verbreitung stattfindet.
Dieser „Deutsche Preß- und Vaterlandsverein“, wie er offiziell hieß, war im Februar 1832 u.a.
von den beiden genannten Personen gegründet worden, setzte sich für die Unabhängigkeit von
Journalisten und die Pressefreiheit ein. Er erhielt großen Zulauf, wurde aber bereits am 1. März, also
keine vier Wochen später, von der bayerischen Regierung verboten. Man sieht also – bei
Revolutionen oft zu beobachten – dass einerseits, durch die bayrische Verfassung von 1818 eine
liberale Ausgangsbasis da war, dass dieses Entgegenkommen dann auch genutzt wurde, was dann
wiederum dem Staat ab einem gewissen Grade zu gefährlich erschien und er die Regelungen
einschränkte. Ein typischer Prozess, der hier abläuft.
Das berühmte Hambacher Fest vom 27. bis 30. Mai 1832, dessen Verbot nach einem
intensiven politischen Hin und Her schließlich zurückgenommen werden musste , war auch typisch.
Da wird die ganze Schwäche des politischen Systems sichtbar und die Vorgänge verdeutlichen das
erbitterte Ringen einer sich liberal gebenden, aber neo-absolutistischen Regierung unter Ludwig I.
mit einer sich zunehmend radikalisierenden liberalen Opposition in sehr deutlicher Weise.
Diese ganze Freiheit- und Pressefreiheitsdebatte ist schwerpunktmäßig im deutschen
Südwesten angesiedelt, vor allem wegen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten da. Hinzugefügt
werden muss, dass in der Pfalz der aus der Zugehörigkeit zu Frankreich 1801 bis 1814 der – sehr
fortschrittliche – Code Civile auch nach 1815 noch gültig war und günstige Bedingungen für die
liberale Bewegung schuf.
Die Lage spitzte sich weiter zu, die Entwicklung war aber nicht aufzuhalten. Die Forderung
nach Pressefreiheit tauchte 1847 und 1848 überall in Deutschland auf. In der Verfassung der
Paulskirche vom 28. März 1849 schließlich wurde die Freiheit der Presse erstmals gesetzlich
verankert: „Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende
Maaßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen,
Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des
freien Verkehrs beschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden“ (Art. IV, § 143, Abs. 2).
Auch wenn diese Verfassung nie in Kraft trat, wurde die Zensur vorerst nicht wieder
eingeführt. Im Jahre 1854 entstand das erste Bundesgesetz, das in den „Allgemeinen
Bundesbestimmungen, die Verhältnisse des Mißbrauchs der Presse betreffend“ die Pressefreiheit mit
bestimmten Einschränkungen etablierte. Es ging jedoch immer noch – das ist interessant – von den
Gefahren der Pressefreiheit aus. Quintessenz: Die Zensur wird nicht mehr erwähnt. Die Pressefreiheit
wird im Prinzip garantiert. Aber man geht beim Gewähren der Pressefreiheit immer noch von den
Gefahren aus, von einer Gefahrenabwehr und nicht von dem positiven Aspekt, den die Pressefreiheit
möglicherweise beinhalten könnte. Bei der Staatsform damals natürlich nicht verwunderlich.
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
In der Verfassung des deutschen Kaiserreichs von 1871 wird die Pressefreiheit ebenso wenig
erwähnt wie die anderen Grundrechte. Einheit ging vor Freiheit, die berühmten liberalen
Forderungen, reduziert auf einen Aspekt. Für Bismarck war die Einheit wichtiger, die Freiheit schätzte
er nicht so sehr. Mit dem Reichspressegesetz vom 7. Mai 1874 wurde die Pressefreiheit dann aber
doch aber festgeschrieben und erstmals gesetzlich einheitlich in Deutschland geregelt. Und diese im
Reichspressegesetz von 1874 getroffenen Regelungen waren teilweise bis 1966 in der
Bundesrepublik in einzelnen Ländern gültig. Es untersagt Zensurmaßnahmen, erlaubt aber
Einschränkungen auf Grund von Gesetzen. Dies haben wir im Grundsatz noch heute. Es gibt immer
noch gewisse Grenzen. Aber Bismarck hat davon intensiven Gebrauch gemacht, denn 1878 (am 22.
Oktober) wurde durch das berühmte Sozialistengesetz „Gesetz gegen die gemeingefährlichen
Bestrebungen der Sozialdemokratie“ die Pressefreiheit auf dem Verwaltungswege vorübergehend
ganz massiv eingeschränkt.
Im Ersten Weltkrieg ersetzte die – strenge – Militärzensur auf der Grundlage des Gesetzes
über die Ausrufung des Kriegszustandes die bestehende Pressefreiheit. Fast für das gesamte
Reichsgebiet wurde das preußische Gesetz über den Belagerungszustand von 1851 wirksam. Und
darin war eine ganz massive Einschränkung der Pressefreiheit vorgesehen, was ja bis zu einem
gewissen Grade einsehbar ist. Aber wenn die Preußen so etwas in die Hand nehmen, dann wird das
sehr gründlich gemacht und es blieb nicht sehr viel übrig von der Pressefreiheit. Das hat dann auch zu
Protesten im Reichstag geführt, denn immerhin war ja die Sozialdemokratie schon ziemlich stark. Das
Parlament war zwar im Krieg praktisch ausgeschaltet, aber heftig darüber debattiert wurde schon.
Allerdings nutzlos, denn das Militär hatte das Sagen damals.
Die Verfassung der Weimarer Republik vom 31. Juli 1919 (verkündet am 14. August) knüpft
an 1848 an und übernimmt mit dem Katalog der Grundrechte in Art. 118 die Freiheit der Presse.
Angesichts der schwierigen politischen Situation erlaubt dann aber das Republikschutzgesetz vom 21.
Juli 1922 wieder drastische Eingriffe in die Presse- und Versammlungsfreiheit. Insgesamt war die
Pressefreiheit in der Weimarer Republik schweren Erschütterungen ausgesetzt durch die heftigen
Auseinandersetzungen von links und rechts. Spektakulär war der sogenannte „Weltbühne-Prozess“
1929 bis 1931, der – von der sehr rechts orientierten – Justiz u.a. gegen Carl von Ossietzky und seine
„Weltbühne“ gerichtet war und in einem politischen Prozess die heimlichen, gegen den Versailler
Vertrag gerichteten Aufrüstungsbemühungen der Reichswehr ans Licht brachte.
Im Dritten Reich hatte die Pressefreiheit keine Chance. Schon am 4. Februar 1933 wird in der
„Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ in zahlreichen Paragraphen
die Pressefreiheit massiv eingeschränkt – gerichtet im Übrigen gegen die anrollende PropagandaWelle von rechts und links im Hinblick auf die für den 5. März angesetzten Reichstagswahl. Dies kann
man nicht als ideologische Einschränkung werten. Es ist einfach praktische Politik, die gegen rechts
und links einen Damm errichten will. Und die Verordnung ist dabei auch deutlich gegen rechts
gerichtet.
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
Nach der faktischen Machtübernahme der Nationalsozialisten erfolgt dann aber schnell
(schon vor dem Ermächtigungsgesetz am 14. März) mit dem „Erlaß über die Einrichtung des
Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ vom 13. März (Goebbels) und der
Verordnung über die Aufgaben dieses neuen Ministeriums vom 30. Juni die Einrichtung einer
zentralen Lenkung von Presse, Rundfunk und Film, die durch die Weisungen in täglichen
Pressekonferenzen deutschlandweit organisiert wird. Das war dann das Ende jeglicher Pressefreiheit.
Durch Verbotsmaßnahmen, Zeitungsschließungen, Zwangsübernahmen in den Besitz der
NSDAP sowie durch strenge Überwachung wird die totale Kontrolle über die Presse und ihre
Gleichschaltung realisiert. Das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 definierte den Journalismus
als eine vom Staat geregelte Aufgabe. Kommentar überflüssig. Den Höhepunkt dieser traurigen
Entwicklung stellt die von Joseph Goebbels am 31. Mai 1933 inszenierte Bücherverbrennung
jüdischer und politisch missliebiger Autoren und Verleger dar.
Noch ein kurzer Blick auf die Zeit nach 1945.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkten die Siegermächte sämtliche publizistischen
Aktivitäten. Für die Belange der Presse war der Alliierte Kontrollrat zuständig, Lizenzen für PresseErzeugnisse waren bei den Besatzungsbehörden einzuholen. Während die Presse in der Sowjetisch
besetzten Zone (SBZ) und später in der DDR in den Dienst des Sozialismus und seines Staates gestellt
und in diesem Sinne auch kontrolliert wurde, konnte die Pressefreiheit im Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland 1949 sicher verankert werden. Was nicht ausschloss, dass ihre Garantie
und Behauptung immer problemlos gesichert war: Man denke an die SPIEGEL-Affäre 1962 oder an
Adenauers Versuch, Einfluss auf das neu gegründete ZDF zu gewinnen. Also so ganz harmlos ist es
dann auch nicht abgelaufen, aber die Pressefreiheit hat gesiegt.
Inzwischen nun präsentiert sich die Presse dank der ihr gewährten Freiheit als Vierte Gewalt
überzeugend als wichtige Säule unserer Demokratie und kritischer Begleiter gesellschaftlicher
Entwicklungen. Es ist zu hoffen, dass sie diese Funktion weiterhin überzeugend erfüllen und die
ständig neuen Herausforderungen an sie in unser aller Interesse meistern kann.
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
Diskussion
Ich möchte gleich an Ihr Ende anknüpfen, wo Sie sagen, wir haben heute die garantierte
Pressefreiheit als vierte Gewalt im Staate. Also mit durchaus publizistischen Kontrollaufgaben. Dabei
berücksichtigen Sie aber nicht die Presseentwicklung der letzten zwei Jahrzehnte, den
Paradigmenwechsel, der auch in der Journalistenausbildung zum Tragen gekommen ist, wie ich
meine: Dass wir heute eine Orientierung an Marktaufgaben haben, an der Marktfreiheit.
Journalismus ist bezogen auf das Erzielen hoher Auflagen und hoher Quoten im Fernsehen und
Rundfunk. Die vierte Gewaltaufgabe wird zum Teil von Dozenten gar nicht mehr erwähnt. Ich hatte
zum Beispiel Gelegenheit gehabt, vor zwei Jahren Herrn Hachmeister hier in Berlin zu hören, der
wollte von dieser Definition vierte Gewaltaufgabe nichts mehr wissen. Wir haben eben eine
Marktorientierung, dies ist eine wesentliche Umorientierung. Ich bin schon noch überzeugt, dass die
Presse hier doch schon noch eine Wächterfunktion hat und nicht ganz so marktorientiert ist.
Also zunächst mal gestehe ich Lücken gerne ein. Wenn Sie das so sagen, dann wird das so
sein, das wäre dann aber sehr bedauerlich. Es wäre eine Entwicklung, die ich nicht begrüßen würde.
Sie ist sicher da und sie wird sicher eine Rolle spielen, aber diese vierte Säule im Staat ist doch eine
wichtige Funktion, die , glaube ich, im Vordergrund stehen sollte. Dieser Auffassung bin ich schon.
Ich möchte erwähnen, dass dieses Gesetz von 21. Juno 1922 die Reaktion des Reiches auf das
Attentat auf Rathenau war und dass die damalige Reichsregierung mit diesem Gesetz den Versuch
unternommen hat, die ungeheure Rechtspresse, die in unglaublichem Maße die Republik angriff,
auch zu schützen. Das hatte nur sekundär etwas zu tun mit Pressefreiheitseinschränkungen, sondern
primär etwas mit dem Kampf gegen rechts. Weil diese rechte Presse maßgeblich dazu beigetragen
hat, dass es zu den Attentaten auf Erzberger und Rathenau hatte kommen können. Und ich finde es
ganz wichtig im Rahmen unseres politischen Gedächtnisses, dass solche Daten und Fakten nicht
vergessen, sondern ausdrücklich erinnert werden.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich geh mal ein Stück zurück. Sie hatten Bezug nehmend auf das Friedrichjahr den Vergleich
gemacht, ganz so toll war das ja nicht. Das scheint mir auch überzeugend vorgetragen, gerade wenn
Sie es in Vergleich setzen zu der Entwicklung in Frankreich und England. Wie sah es aber im Vergleich
mit anderen europäischen Ländern zu der Zeit aus? Man neigt ja oft zum Urteil und wenn man einen
Vergleich mit den Fortgeschrittenen macht, fällt das Urteil schon anders aus, wenn man sich den Rest
Europas anschaut.
Da erwischen sie mich auf dem falschen Fuß. Ich hab nicht alle Länder Europas
durchgesehen, aber von Relevanz waren ja eigentlich nur die großen Mächte. Also bleiben noch übrig
Russland und Österreich. In Österreich hat Josef II. durchaus sehr weitgehende Freiheiten gewährt,
auch in Richtung Pressefreiheit, auch in anderer Hinsicht, weil Josef u.a. ein großer Verehrer
Friedrich des Großen war. Metternich hat dann, um den Zerfall des Österreichischen Reiches in
nationale Einheiten zu unterbinden, ganz stark den Gegenkurs bestimmt. Dann bleibt noch das
Zarenreich. Und das war ein autoritäres System. Da war Pressefreiheit ein Fremdwort, das überhaupt
nicht zur Debatte stand. Die anderen Länder: Belgien, die Vereinigten Niederlande. Die gab es in
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Dr. Peter Lautzas: Pressefreiheit in Deutschland – historische Entwicklung und politische Bedeutung
dieser Form Anfang des 19. Jh. noch gar nicht. Die Trennung ist erst 1837 erfolgt. Auch die Schweiz
und andere Staaten spielten in dieser Hinsicht keine Rolle. Also insofern würde ich sagen, sind die
von mir genannten Staaten Frankreich, das Deutsche Reich, England und die Vereinigten Staaten die
zentralen Staaten, die wichtig sind in der Entwicklung und an denen sich übrigens auch die anderen
Länder orientierten.
Vielleicht ja auch Polen. Polen hatte doch auch einen sehr großen Einfluss auf die deutsche
Entwicklung oder sehe ich das falsch? Da gab es ja eine große Polenwanderung nach Deutschland
und vielleicht hat das auch da ein bisschen was mit zu tun mit den Vaterlandsvereinen,
Pressevereinen. Haben die da einen Einfluss nehmen können?
Also weniger. Denn Polen gab es ja nicht. Napoleon hat das Großherzogtum Warschau
geschaffen, um einer netten Gräfin was Gutes zu tun – aus sehr persönlichen Gründen also. Das ist ja
bekannt. Und dieses Großherzogtum war eigentlich der einzig freie Teil Polens. Die anderen Gebiete
waren durch die verschiedenen Teilungen Polens aufgeteilt zwischen Russland, Preußen und
Österreich. Also Polen in dem Sinne gab es nicht. Dann gab es 1830 den großen Aufstand in RussischPolen, wo die polnischen Freiheitskämpfer versuchten – vergeblich -, sich zu befreien – aber auch
nur, weil das russische Joch drückend war, nicht primär wegen einer zu erlangenden Freiheit .
Preußen hat den Russen Truppen geschickt. Die konservativen Mächte haben gut zusammengehalten
in der Unterdrückung. Die geflohenen polnischen Freischärler haben dann in Deutschland sehr für
Stimmung gesorgt, auch auf dem Hambacher Fest. Das ist groß gefeiert worden, sie haben Einfluss
gehabt – aber wenige ideologisch im Sinn der Pressefreiheit oder verfassungsrechtlich, sondern
eigentlich mehr durch ihr Erscheinen und ihr revolutionäres Erscheinungsbild.
Sie erwähnten eben, dass der deutsche Südwesten dem allen so aufgeschlossen gegenüber
gestanden hat. Dazu gehörte auch, was wir heute alle kennen als Batzen. Man konnte kleine
Kokarden kaufen in polnischen Farben -- also rot-weiß – und steckte die ans Revers. Das war
gleichzeitig ein Zeichen der Opposition gegen damals herrschende Verhältnisse. In Polen wird das sehr
gerne erinnert bis in die Gegenwart hinein, dass man zu diesem Zeitpunkt durch eine demokratische
Öffentlichkeit in Deutschland erhebliche Unterstützung erlebt hat. Die haben da ein besseres
Gedächtnis angenehmerweise als wir.
Ja, das ist sicher richtig, was Sie sagen. Nur ist das sehr stark emotional geprägt gewesen.
Und die Polen erhofften sich natürlich von Deutschland Unterstützung. Aber das wurde dann nicht
realisiert.
Aber als Stimmung?
Als Stimmung, ja. Ganz sicher. Als Stimmung ja.
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