2011 an! - Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

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2011 an! - Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion
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2011 wird das Jahr der Frauen. 100 Jahre Internationaler Frauentag und 25
Jahre Quote bei uns Grünen sind ein doppelter Grund zum Feiern. Und ein
Ansporn für einen neuen Aufbruch in der Gleichstellungspolitik. Um mehr
Frauen in Führungspositionen zu bringen, führt an der Quote kein Weg mehr
vorbei. Für einen Durchbruch in der Frauenpolitik müssen wir die gesellschaftlichen Kräfte bündeln. Dazu steuern wir in diesem Jubiläumsjahr unter dem Motto „Heute ist ein guter Tag“ eine größer angelegte Informationskampagne bei. Wir zeigen, was Frauen leisten und wofür es zu kämpfen gilt.
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2011 – das Jahr der Frauen!
2011 kann auch das Jahr des Aufbruchs in der Bundespolitik werden. Im
Superwahljahr stehen die Chancen gut, das Ende von Schwarz-Gelb einzuleiten. Die Menschen spüren, dass die unsoziale und unökologische Klientelpolitik dieser Koalition an ihren Wünschen und Bedürfnissen vorbeigeht. Stattdessen erleben sie leere Versprechungen wie die Steuersenkungsphantasien von CSU und FDP, unwürdiges Gezerre wie bei der Neuregelung der Hartz IV-Sätze und die Zurücknahme erreichter Fortschritte
wie in der Energiepolitik.
Wir Grüne haben zu Beginn dieses Jahres in Weimar unser Konzept für eine
nachhaltige und soziale Zukunft geschärft – Grün packt an! Unsere Weimarer
Erklärung finden Sie ab Seite 18. Zukunft gestalten, das verlangt Investi­
tionen in Bildung, Klimaschutz und Gerechtigkeit. Mit einer klugen Haushalts- und Finanzpolitik schaffen wir dafür den nötigen Spielraum. Wir wollen die Energiepolitik wieder auf Kurs bringen und den Atomspuk beenden.
Impressum
Hüber, Ute Köhler, Sibylle Kraut-Eppich, Herta
Die Bürgerinnen und Bürger haben im vergangenen Jahr Bewegung in die
politische Landschaft gebracht, sie fordern echte demokratische Beteiligung
ein. Die Politik kann es sich im 21. Jahrhundert nicht mehr erlauben, über
ihre Köpfe hinweg zu regieren. Gemeinsam können wir Lösungen erarbeiten, die wirklich tragen – wir sind dabei.
Wesselmann
Herzlich, Ihre
Herausgeberin: Bündnis 90/Die Grünen Bun-
destagsfraktion, 11011 Berlin, T. 030/227 56789,
F. 030/227 56552, info@gruene-bundestag.de
V.i.S.d.P.: Nina Lösche Redaktion: Gisela
Parchent Gestaltung: Stefan Kaminski, Jakina
Titelbild: The Bridgeman Art
Library Druck: Frank Druck GmbH & Co. KG
Auflage: 77.000, erscheint auch als Anzeige im
„schrägstrich“ Redaktionsschluss: 23.02.2011
Papier: 90 g Recymago profil:GRÜN erscheint
viermal im Jahr, das Abo kostet 7,50 Euro.
2
Renate Künast MdB, Fraktionsvorsitzende
3
Gespräch
Foto: picture-alliance / dpa
Waltraud Schoppe, geboren am 27. Juni 1942 in Bremen, war Mitbegründerin der Grünen. Ab 1983 gehörte sie der
ersten grünen Bundestagsfraktion an und wurde 1984 in das „Feminat“, den ersten und einzigen rein weiblichen
Vorstand der Bundestagsfraktion gewählt. Sie war mehrfach Abgeordnete im Bundestag, aus dem sie 1998 aus­
schied. Von 1990 bis 1994 war sie Frauenministerin in Niedersachsen. Für großes Aufsehen sorgte sie gleich bei
ihrem Start als Bundestagsabgeordnete 1983, als sie mit einem „feministischen Manifest“ den Bundestag auf­
mischte. Waltraud Schoppe lebt zurzeit in Südfrankreich. Profil:GRÜN hat mit ihr gesprochen.
Frau Schoppe, welche Reaktionen löste Ihre erste Rede damals aus?
Einige grüne Männer verließen das Plenum, weil sie
die Rede so furchtbar fanden, dass sie nicht dabei sein
wollten. Das Ganze war ihnen zu provokativ und weg
waren sie. Männer aus anderen Fraktionen klopften
sich grölend auf die Schenkel. Ich habe damals zum
Beispiel über „alltäglichen Sexismus“ gesprochen. Die
Herren verwechselten das wohl mit „alltäglichem Sex“
und lachten wie verrückt. Die anwesenden Frauen –
auch aus anderen Fraktionen und von außerhalb – fanden meinen Auftritt wohl eher gut. Sehr viele Briefe und
Anrufe zeigten mir, dass sie den Sinn und Zweck dieser
Provokation verstanden hatten.
Was denken Sie heute darüber?
Ich habe die Rede vor fünf Jahren zuletzt gelesen und
mir gedacht: Meine Güte, warum gab es denn darum
so viel Aufregung? Aus jetziger Sicht fand ich sie gar
nicht mehr so provokativ. Heute würde ich sicher eine
andere Form wählen. Die Zeiten haben sich geändert,
die Gesellschaft hat sich verändert und ich mich auch.
Auszug aus der ersten Bundestagsrede von Waltraud Schoppe
Vollständige Rede unter: www.bundestag.de
» Plenarprotokoll 10/5 vom 5. Mai 1983, Seite 248 ff.
4
Wenn Sie die Situation von Frauen damals und heute betrachten –
welche Unterschiede fallen Ihnen auf?
Heute steht die soziale Frage im Vordergrund – Arbeitslosigkeit, prekäre Verhältnisse, davon sind besonders
häufig Frauen betroffen. Vor allem als Alleinerziehende ohne entsprechende Kinderbetreuung stehen sie viel
schlechter da als die Männer. Auch die vielen Frauen,
die aus anderen Kulturen zu uns kommen, brauchen mit
ihren ganz spezifischen Problemen starke Unterstützung. Das sind schon entscheidende Veränderungen
im Vergleich zu früher. Um die Frauenbewegung an
sich ist es ja still geworden. Wenn ich jetzt aber zurückblicke auf die Generation meiner Mutter, auf meine
Generation und das Leben von Frauen heute damit vergleiche, dann hat sich doch viel getan. Mittlerweile ist
es selbstverständlich, dass Frauen überall auftauchen
und sich einmischen. Die jungen Mädchen, die ich so
sehe, sind ungleich selbstbewusster als wir damals.
Von Stagnation kann also keine Rede sein. Allerdings
fehlt uns – damals wie heute – ein überzeugender Gesellschaftsentwurf für die Frage: Wie kriegt man das
Leben mit Kindern und den Beruf unter einen Hut? Auch
hier sehe ich aber Bewegung, denn es trauen sich doch
mehr Männer, einen Teil dieser schönen Aufgabe zu
übernehmen.
Zurzeit dreht sich der frauenpolitische Diskurs um die Quote und
spaltet selbst die Regierungskoalition. Wirft uns die jüngste Absage
an die Quote von ganz oben nicht um Jahre zurück?
Ja, ich finde das „hasenfüßig“ bis zum Gehtnichtmehr.
Anstatt endlich zu sagen: Lasst die Frauen ran, her mit
der Quote. Jetzt versucht man wieder, Qualifikation gegen Chancengleichheit auszuspielen. Dabei kann man
doch nicht im Ernst behaupten, dass sich immer Qualität durchgesetzt hätte, wenn man manche Männer anschaut, die an der Spitze stehen. Ich bin für die Quote –
ohne jedes Wenn und Aber. Frauen machen nicht alles
besser, aber sie setzen andere Akzente und das kann
der Gesellschaft im Ganzen nur guttun. Da, wo Frauen
sich durchsetzen konnten, gibt es schon viele sehr positive Beispiele und davon wollen wir mehr.
Das Gespräch führte Agnes Steinbauer.
5
Wir haben
viel vor.
von Renate Künast
Wenn Frauen gemeinsam kämpfen, können sie viel erreichen. Als Waltraud Schoppe 1983 ihre erste Rede vor
dem deutschen Bundestag hielt, sprach sie vom „alltäglichen Sexismus im Parlament“. Damals war sie dem
politischen und gesellschaftlichen Diskurs weit voraus
und mit ihrer Position noch ziemlich allein. Sie ächtete in
dieser Rede Gewalt gegen Frauen und forderte die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Dabei sah sie sich
einem Parlament gegenüber, das zu über 90 Prozent aus
Männern bestand, die sie verlachten und verhöhnten.
Es war das Engagement der grünen Frauen, das 1997 in
einer Sternstunde des Parlaments gipfelte: Frauen aller
Fraktionen setzten in einer gemeinsamen Initiative die
Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe durch.
Im Jubiläumsjahr des 100. Frauentags ist die Zeit reif
für eine weitere Sternstunde des Parlamentarismus:
Wir wollen interfraktionell die Kräfte zu einer gemeinsamen Initiative bündeln. Das Ziel ist die Quotierung
von Aufsichtsräten, um die Monokultur in Deutschlands
Chefetagen zu durchbrechen. Denn trotz vieler Erfolge sind wir auch 60 Jahre nach Verabschiedung des
Grundgesetzes und dem Postulat „Männer und Frauen
sind gleichberechtigt“ weit davon entfernt, seine Forderungen zu erfüllen. So schreibt der Artikel 3 Absatz 2 GG
vor: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung
der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“.
Das Fazit ist klar: Auftrag nicht erfüllt! Deshalb gibt es
keine guten Noten für die Gleichstellungspolitik der
Bundesregierung.
Foto: St. Kaminski
Nach wie vor sieht die gesellschaftliche Realität so aus:
Frauen verdienen im Durchschnitt 23 Prozent weniger
als Männer, sie machen im Deutschen Bundestag lediglich knapp ein Drittel aller Abgeordneten aus und sie
sind auf Lehrstühlen deutscher Universitäten klar in der
Unterzahl. Ganz zu schweigen von den Vorständen und
Aufsichtsräten in der deutschen Wirtschaft. Dort gibt es
noch immer eine fast hundertprozentige Männerquote.
Deshalb haben wir einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Er schreibt ab 2017 vor, die Aufsichtsräte
börsennotierter Unternehmen und Unternehmen mit Arbeitnehmermitbestimmung zu mindestens 40 Prozent
mit Frauen zu besetzen. Wird der Mindestanteil nicht
erreicht, droht die Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse zur Aufsichtsratswahl und die Nichtigkeit
von Beschlüssen eines quotenwidrig zusammengesetzten Aufsichtsrats. Übrigens gilt die Geschlechterquote für Frauen und Männer. Befürchtungen, Männer
6
könnten massenhaft von Frauen verdrängt werden,
sind also unbegründet.
Unser Gesetzentwurf wurde im Dezember 2010 im Bundestag in erster Lesung beraten. Die Ministerinnen
Schröder und von der Leyen gingen der Auseinandersetzung aus dem Weg, sie verließen kurz vor Beginn der
Debatte den Saal. Als sich die ehemalige Frauenministerin Ursula von der Leyen mit einigen Jahren Verspätung in diesem Januar für die Quote aussprach, wurde
ihr Vorstoß von der Kanzlerin schnell wieder einkassiert. Frau Merkel scheint es zu reichen, dass Deutschland eine Bundeskanzlerin hat. Doch damit wird sie
nicht durchkommen. Denn das Bündnis für eine Quote
gewinnt immer mehr Zustimmung, nicht nur bei uns
Grünen. Deutschland ist zudem umgeben von Ländern,
die der Wirtschaft für mehr Vielfalt in Führungspositionen verbindliche Zielvorgaben machen. Auch von der
EU-Kommission kommt Druck, den Frauenanteil nachhaltig zu erhöhen.
Frauenministerin Schröder zeigt für Gleichstellungspolitik wenig Interesse. Den ersten Gleichstellungsbericht, den 2008 ihre Vorgängerin von der Leyen in
Auftrag gegeben hatte, nahm sie nicht persönlich entgegen. Dabei zeigt ein Blick auf den Frauenanteil der
Koalition, wie bitter nötig Schwarz-Gelb die Auseinandersetzung mit Gleichstellungsfragen hätte. In der Unionsfraktion liegt der Frauenanteil bei 20,1 Prozent, bei
den FDP-Abgeordneten mit 24,7 Prozent nur knapp darüber. In unserer Bundestagsfraktion dagegen sind die
Frauen mit 54,4 Prozent in der Mehrheit. 30 Jahre grüne
Frauenpolitik zahlen sich eben doch aus!
Unser „Feminismus für die neue Zeit“ stellt das gemeinsame Ziel in den Mittelpunkt: echte Gleichstellung von
Männern und Frauen. Eine Quotierung von Aufsichtsräten ist der erste Schritt. Eine vergleichbare Lösung wollen wir für Vorstände durchsetzen. Als dritten Schritt
werden wir ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorlegen, damit Frauen endlich verdienen,
was ihnen zusteht. Und damit Diskriminierung keine
Chance hat.
www.gruene-bundestag.de
» Themen A-Z » Frauen
Renate Künast MdB
ist Fraktionsvorsitzende
7
(10)
(7)
(2)
(3)
(9)
… um ein Zeichen für Demokratie
und gegen Rechtextremismus zu
setzen. (3)
Denn rechtsextreme Frauengruppen mobilisieren im Harz. Der Harz aber ist nicht
braun. Der Harz ist bunt. Dafür engagieren sich Viola von Cramon aus Niedersachsen, Undine Kurth aus SachsenAnhalt und Monika Lazar aus Sachsen.
Im Januar trafen sie sich in der KZ Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Nordhausen und berieten mit engagierten BürgerInnen Strategien gegen Rechts.
(4)
(1)
Heute ist ein guter Tag, um 100
Jahre Frauentag zu feiern! 1911
kämpften Frauen in Europa und
den USA für ihr Wahlrecht, gerech­
tere Löhne und bessere Arbeitsbe­
dingungen. Und wofür kämpfen
sie 2011? Wir haben uns umge­
schaut, wie und wo Frauen heute
präsent sind, sich engagieren und
Frauenpolitik machen.
4
(11)
… um sich für Lohngleichheit stark
zu machen. (1)
Denn in Deutschland verdienen Frauen
nach wie vor 23 Prozent weniger als
Männer, obwohl es Vorgaben zur geschlechtsneutralen Entlohnung gibt. Wir
wollen nicht weitere 100 Jahre warten!
Die Lohngleichheit muss endlich her!
Das meinen auch Beate Müller-Gemmeke, Monika Lazar und Dr. Karin Tondorf,
Expertin für Entgeltgleichheit.
… für bessere Geburtshilfe. (4)
Hebammen bringen die Kinder zur Welt
und werden von der Politik ignoriert. Bislang. Dank einer Initiative von Biggi
Bender hat das Gesundheitsministerium
nun verkündet, sich Klarheit über die Einkommenssituation von Hebammen verschaffen zu wollen. Ein erster Schritt, der
ohne grünen Druck nicht zustande gekommen wäre und dem hoffentlich weitere folgen werden.
… um politisch aktiv zu werden. (2)
Wie frau heutzutage Politikerin werden
kann und über ihren eigenen Weg in die
Politik diskutierte die Bundestagsvize­
präsidentin Katrin Göring-Eckardt mit
Frauen aller Altersgruppen im Jenaer Ca­fé
Grünowski bei Milchkaffee und frischen
Brötchen.
… um Susanne Baer einen guten
Start zu wünschen. (5)
Krista Sager stattete der neuen Verfassungsrichterin einen Besuch ab. Baers
Wahl war auf Vorschlag der Grünen zustande gekommen und ist damit eine kleine Revolution in der Geschichte des
höchsten deutschen Gerichts. Gut für
Karlsruhe, das nicht nur eine exzellente
.
Juristin, sondern auch eine ausgewiesene
Gender-Expertin gewinnt.
… um weltweit gegen Diskriminie­
rung zu kämpfen. (6)
Frauen und Mädchen werden weltweit
be­­­­nachteiligt, diskriminiert, und sie sind
Gewalt oft schutzlos ausgeliefert. Dagegen kämpfen die Frauen vom Weltladen
und von der UNICEF-Gruppe Ulm, die
Ekin Deligöz besuchte. Sie verkaufen fair
gehandelte Waren aus Nah und Fern, informieren hierüber und über die Lebensbedingungen der Produzentinnen und
deren Kultur.
… um sogenannte Männerberufe zu
ergreifen. (7)
Ekin Deligöz besuchte Ulrike Hegele
(2. v. r.), die einzige Meisterin inmitten
von Meistern. Denn sie ist selbstständige
Ofensetzermeisterin und in diesem sowieso schon seltenen Beruf als Frau eine
echte Exotin. Einen Vorteil hat diese Sonderstellung, sagt sie: „Meine Kunden,
Lieferanten und Kollegen erinnern sich
immer an mich. Ach ja, sie sind ja die Frau
Ofensetzermeisterin“.
… um mit Migrantinnen zu reden. (8)
Zum Beispiel über Gesundheit, Prävention und Rente. Maria Klein-Schmeink,
Sprecherin für Prävention und Patientenrechte, traf sich dazu zum Frühstück mit
den Frauen vom Arbeitskreis International in Münster.
(6)
8
(8)
… für einen Frauen-Spaziergang in
Weimar. (9)
Anna Amalia, Charlotte von Stein, Johanna Schopenhauer, Marianne Brandt,
Natalie von Milde u. v. a. – die Klassikerstadt Weimar zeigt an vielen Ecken, wo
Frauen sich über die Jahrhunderte engagierten. Auf ihren Spuren wandelten am
Rande der Fraktionsklausur grüne Frauen
und Männer.
... um junge Frauen zu fördern. (10)
Brave Mädchen kommen in den Himmel
– und wer kommt auf den Chefsessel?
Beim Generationengipfel in Berlin
machte sich Christine Scheel für Frauen
stark. Unterstützt von Dirk Binding
(Bundesgeschäftsführer der Wirtschaftsjunioren) diskutierte sie darüber, mit welchen Maßnahmen mehr Frauen in die
Führungsetagen gelangen können.
... für die Quote. (11)
Deswegen haben wir den Gesetzentwurf
für eine Frauenquote geschrieben. Denn
wir wollen, dass bis 2015 mindestens 30
Prozent und bis 2017 mindestens 40 Prozent Frauen in den deutschen Aufsichtsräten sitzen. Auch bei der Weihnachtsmann GmbH. Agnes Krumwiede verteil­
te mit ihren Kolleginnen anlässlich der
Einbringung des Gesetzes im Dezember
dafür schon mal grüne Weihnachtsfrauen.
Alle Aktionen unserer Frauenkampagne:
www.gruene-bundestag.de » Themen A-Z » Frauentag 100
(5)
9
Wer in Kabul am Zaun des Platzes,
auf dem die afghanische Frauenfußballnationalmannschaft trainiert,
die Poster von Birgit Prinz und Steffi
Jones sieht, dem gehen wahrlich die
Augen auf. Birgit, die noch aktiv ist,
und Steffi, die jetzt das Organisationskomitee der Frauen-WM leitet,
werden von den Spielerinnen in
Afghanistan – und nicht nur dort –
fast wie Popstars verehrt. Genauso
wie Marta aus Brasilien oder die
legendäre Mia Hamm, die dazu beitrug, Fußball zu einer der populärsten Sportarten für Frauen in den
USA zu machen.
Frauenfußball wird heute fast überall auf der Welt gespielt. Dabei hat er
eine wechselhafte Geschichte, mit
Verboten und Behinderungen. Die
Begründungen dafür klingen heute
reichlich skurril, zum Beispiel, dass
Frauen aufgrund der „schwächeren
Natur“ eine halbjährige Winterpause einzuhalten hätten. An solchen
Regeln erkennt man den langen
Weg, den der Frauenfußball zurücklegen musste. Dass er noch nicht zu
Ende ist, zeigt sehr anschaulich der
Film „Football under Cover“, der die
Begegnung von Kreuzberger Fußballerinnen mit ihren iranischen Kolleginnen dokumentiert.
Ich bin sehr froh, dass
der Deutsche Fußballbund zu den Verbänden
gehört, die den Frauenfußball in besonderer
Weise unterstützen.
von Claudia Roth
25.11.2010: Länderspiel
in der Leverkusener BayArena:
Deutschland - Nigeria 8:0;
Fatmire Bajramaj (rechts), Onome Ebi
10
Foto: U. Kraft Fotografie
Frauenfußball-WM 2011
DFB-Präsident Theo Zwanziger ist
bekennender Fan und unermüdlicher Förderer – und natürlich ein
weitblickender Verbandsstratege.
Er weiß, dass im Frauenfußball ein
ganz großes Entwicklungspotenzial
liegt, das die Sportwelt in den nächs­
ten Jahren und Jahrzehnten mit prägen wird.
Vor wenigen Jahren
wäre es noch undenkbar
gewesen, ein großes
Stadion zu füllen.
Bei der Partie Deutschland gegen
Brasilien waren es fast 45.000 Fans –
bisheriger Europarekord für ein
Frauenspiel. Aber auch der ist eigentlich schon geknackt: mit dem
Vorverkauf für das WM-Eröffnungsspiel am 26. Juni in Berlin. Wer dabei
sein möchte, muss sich beeilen, um
eine der 74.000 Karten zu bekommen.
Auch wir Grüne engagieren uns
stark für den Frauenfußball und die
WM. Inhaltlich können wir uns dabei
unter anderem auf einen Antrag stützen, den wir in dieser Legislaturpe­
riode eingebracht haben. Er hebt besonders die integrationspolitische
Bedeutung des Sports für Frauen und
Mädchen mit Migrationshintergrund
hervor. Detailliert haben wir uns im
Sportausschuss mit den Frauen-WMPlanungen beschäftigt und ein sehr
produktives Gespräch mit Steffi
Jones geführt. In Kürze wird Theo
Zwanziger in den Ausschuss kommen, um den Stand vor Anpfiff der
WM darzustellen.
Als Vorsitzende des DFB-Umweltkuratoriums zur Frauen-WM darf ich –
auch mit ein bisschen Stolz – auf
das Umweltprogramm „Green Goal
2011“ hinweisen. Der DFB hat es in
Zusammenarbeit mit dem Öko-Ins­
titut und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt vorgelegt. Übergeordnetes Ziel ist eine klimafaire
Frauen-WM. Hierfür wurde das Umweltmanagementsystem Ökoprofit
in allen WM-Stadien eingeführt. Es
umfasst die Bereiche Energie, Was-
ser, Abfall, Mobilität und Catering –
mit vielfältigen Maßnahmen: dem
Bezug von grünem Strom, der Kompensation der CO2-Emissionen,
Sprit-Spar-Training, wassersparen­
den Armaturen, einheitlicher Abfalltrennung, papierarmer Presse­
arbeit und vielem mehr.
Bei all diesen Maßnahmen geht es
ausdrücklich auch um die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der ZuschauerInnen, Spielerinnen und aller Verantwortlichen für die Umweltund Klimarelevanz von Sportgroßveranstaltungen.
Der DFB hat eigens eine
dauerhafte Nachhaltigkeitskommission eingerichtet, in der ich den
Bereich Umwelt verantwortlich vertreten darf.
Die Chancen stehen gut, dass wir
ein Frauenfußball-Sommermärchen
2011 erleben. Es dürfte die erfolgreichste Frauensportveranstaltung
werden, die es jemals gab. Und das
Kulturprogramm zur WM – unter anderem mit einer nationalen PoetrySlam-Tournee der besten Slam-Poetinnen Deutschlands – wird da ein
i-Tüpfelchen setzen. Ich bin mir
sicher, dass wir in diesem Sommer
den Aufstieg des Frauenfußballs in
die Spielklasse sehen werden, die
ihm längst zusteht – mit Signale
auch in Länder, deren Teams sich
zwar nicht qualifiziert haben, wo die
Fans aber mitfiebern werden, wenn
der WM-Ball endlich rollt.
Claudia Roth MdB
ist Sprecherin für Auswärtige Kulturpolitik
11
Foto: St. Kaminski
Katja Dörner tritt im Bundestag für Kinder und Familien an.
Sportfreundin Dörner
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von Nina-Anika Klotz
Zuhause ist Katja Dörner die Nummer zwei – aber nur
beim Kickerturnier mit ihrem Mann. In sitzungsfreien
Wochen kommt das immerhin ein bis zwei Mal täglich
vor. „Mein Mann ist besser, aber sicher nur, weil er
schon als kleiner Junge geübt hat“, gesteht die leidenschaftliche Kickerin lachend. Da sähe man mal, dass
Mädchen auch Jungenspiele ausprobieren müssten,
geschlechtersensible Erziehung eben. Gleiche Chancen, gleiche Rechte – das trieb Katja Dörner schon als
schulpolitische Sprecherin der Bonner Ratsfraktion um.
Dort absolvierte sie von 2002 bis 2009 ihre politische
Lehrzeit. „Ich möchte, dass Kinder unabhängig von Herkunft und familiärem Hintergrund, gleiche Förderung
und Schutz bekommen. Aber viele Gesetze, die man dafür ändern muss, sind Sache des Bundes.“ Katja Dörner
musste also nach Berlin. Bei ihrer Kandidatur für den
Deutschen Bundestag trat sie 2009 in Bonn gegen eine
reine Herrenriege an. Besonders harte Nuss oder Vorteil? „Vorteil – und der Wahlkampf hat besonders viel
Spaß gemacht!“ Mit gerade mal 33 Jahren gelingt Dörner der Einstieg in die Bundespolitik. In der grünen
Bundestagsfraktion übernimmt sie gleich Verantwortung als kinder- und familienpolitische Sprecherin und
Obfrau im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend. Genau: jener Ausschuss, den Gerhard
Schröder einst uncharmant mit „Frauen, Kinder und
Gedöns“ umschrieb. „Dem hätte ich erzählt, dass er die
Zeichen der Zeit nicht erkannt hat“, sagt Dörner. „Wie
können die Generationen gut zusammenleben? Wie
kommen wir endlich zu echter Gleichstellung? Welche
Rahmenbedingungen muss der Staat ändern, um auf
sich wandelnde familiäre Strukturen zu reagieren? Wir
befassen uns hier mit den wichtigsten gesellschafts­
politischen Zukunftsthemen!“ Für dieses Jahr hat Dörner vor allem zwei Punkte auf der Agenda: Den Rechtsanspruch auf einen – wichtig: guten! – Kitaplatz bis 2013
durchzusetzen und den Kampf gegen Kinderarmut voranzutreiben. Das „unwürdige Geschachere“ um die
12
Erhöhung der Hartz IV-Sätze hat sie sehr geärgert. Als
Mitglied der Kinderkommission des Bundestages ist es
ihr wichtig, die Kinderrechte zu stärken. „Leider macht
die Bundesregierung hier rein gar nichts“. Aber wie ist
das eigentlich: Eine junge kinderlose Fachfrau für Kinder- und Familienpolitik – wird die akzeptiert? „Meist
schon. Politik macht man ja nicht nur auf Basis der
eigenen Erfahrungen. Das fände ich sogar falsch und
gefährlich“, so Dörner selbstbewusst. Wichtig ist ihr
der Austausch mit Menschen, die unterschiedliche
Pers­pektiven auf ein Problem mitbringen. Außerdem
ist sie immerhin ihr halbes Leben lang politisch aktiv.
„Ich komme aus einer politisch interessierten Familie,
die damals allerdings noch eher konservativ tickte. Ich
habe aber schnell gemerkt, dass ich mit der Jungen
Union nichts anfangen kann. Als Anfang der Neunzigerjahre Asylbewerberheime brannten, während
CDU und SPD das Asylrecht einschränkten, war mir
klar, dass ich mich einmischen muss.“ Ihr Cousin
nahm sie zu einer Veranstaltung der Grünen mit.
„Ich fand gleich, ich passe gut zu dieser Partei und
ihren Werten.“
In Bonn studierte Dörner Politik, Rechts- und Literaturwissenschaft, Aufenthalte in York und Edinburgh
folgten. „England ist eine Art zweite Heimat. Mir ist
schon klar, dass man einen speziellen Geschmack
haben muss, um dieses Land zu lieben. Aber ich mag ja
auch schlechtes Wetter.“ Vielleicht ist es die wertvolle
Fähigkeit, sich auch von Dauernieselregen nicht die
Laune verderben zu lassen oder gar Gefallen daran zu
finden, die Katja Dörner heute viel nützt. Ja, doch, sie
habe einiges Durchhaltevermögen, sagt sie. Das brauche man als Politikerin: „Man muss Marathonsitzungen
durchstehen, Gegenwind aushalten und Frusterlebnisse wegstecken können.“ Das muss sie auch als glühender Fan des SV Werder Bremen, der aktuell nur auf
einem hinteren Tabellenplatz rangiert. „Aber ich halte
meinem Verein die Treue. Das ist doch Ehrensache.“
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Nach der Schule:
die Schlipsbarriere?
Foto: St. Kaminski
von Priska Hinz
Bei der Bildung haben Frauen die Nase vorn. Nirgend­
wo konnten sie in den letzten 40 Jahren mehr aufholen.
Heute ziehen die Mädchen in der Schule an den Jungen
vorbei. Doch der berufliche Erfolg bleibt aus.
ter eben auch eine nette junge Frau vor. So landen sie
nach „Schema F“ weiter in den typischen Sozial- und
Büroberufen. Die geringen Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten sind vorprogrammiert.
Der Nationale Bildungsbericht 2010 schreibt den Trend
der letzten Jahre fort: Danach erreichen junge Frauen im
Durchschnitt höhere und bessere Schulabschlüsse als
junge Männer. 55 Prozent der Abiturienten sind weiblich, 51 Prozent der Hochschulabsolventen sind Frauen.
Mittlerweile gelten die Jungen schon als Sorgenkinder
und Bildungsverlierer, Konzepte zur gezielten Jungenförderung müssen her. Während es vielen Jungen
schwerfällt, in der Schule mitzuhalten, kommt für die
Mädchen das dicke Ende aber erst hinterher: Vielen gut
ausgebildeten jungen Frauen gelingt es nicht, ihre Bildungserfolge in berufliche Erfolge umzumünzen.
Was also tun? Entscheidend ist, die Mädchen selbst
so früh wie möglich zu stärken, um dieser eingleisigen
Entwicklung vorzugreifen. Eine gendersensible Pädagogik in den Schulen kann den jungen Frauen helfen,
ihr Potenzial möglichst breit auszuschöpfen, auch Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen
Berufen zu finden. Frühere und bessere Information
über mögliche Ausbildungs- und Studienwege ist wichtig. Ein Girls‘ Day pro Jahr reicht dazu nicht aus. Schon
während der Schulzeit sollten mehrere Praktika möglich sein, um eigene Vorstellungen zu überprüfen und
neue Erfahrungen zu sammeln.
Schaut man sich an, wie junge Frauen bei der Berufswahl vorgehen, dann kommt man der Misere auf die
Spur. In der dualen Berufsausbildung finden sich deutlich weniger Frauen als Männer. Im Jahr 2009 lag der Anteil der Frauen mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag bei knapp 43 Prozent, der der Männer hingegen
bei 57 Prozent. Das bedeutet: Weniger junge Frauen
steuern überhaupt einen Ausbildungsberuf an. Die
jungen Frauen aber, die eine Ausbildung oder ein Studium anstreben, schränken sich in ihrer Berufswahl zu
sehr ein. Zum einen konzentrieren sie sich auf „typisch
weibliche“ Berufsfelder, wählen Sozial- und Dienstleis­
tungsberufe und kultur- oder sprachwissenschaftliche
Fächer, die häufig geringer bewertet und bezahlt werden. Zum anderen nehmen sie aus dem großen Spektrum der Berufe nur einen Bruchteil in die engere Wahl.
Dies gilt besonders für Migrantinnen: 2009 fanden sich
75,8 Prozent aller Ausbildungsanfängerinnen in nur 25
Berufen wieder. Besonders beliebt und zugleich besonders schlecht bezahlt sind die Spitzenreiter: Verkäuferin, Arzthelferin, Friseurin und Bürokauffrau.
Auch im Erwerbsleben stellen sich Gerechtigkeit und
Chancengleichheit nicht von alleine ein. Für bestimmte
Berufe oder Positionen geben Personalchefs Männern
den Vorzug, statt sich für eine gleich oder sogar besser
qualifizierte Frau zu entscheiden. In den Führungspositionen ist das offenkundig, hier sind Frauen nach
wie vor deutlich unterrepräsentiert. Das ist nicht nur
ungerecht für jede einzelne Frau, sondern auch aus
betriebswirtschaftlicher Sicht ein Fehler: Angesichts
des demografischen Wandels und des bevorstehenden Fachkräftemangels ist die Wirtschaft mehr denn
je auf gut ausgebildete Frauen angewiesen. Deshalb
ist die Quote für Frauen in Führungspositionen unumgänglich. Im Bereich der Weiterbildung müssen mehr
Angebote für Frauen geschaffen werden, die sie auf
spätere Führungsaufgaben vorbereiten. Mit unserem
grünen Konzept eines Erwachsenen-BAFöG wollen wir
mehr Weiterbildungsangebote in Teilzeit ermöglichen
und flexible Kurszeiten schaffen. Wir sind sicher: Wenn
Familie und Beruf vereinbar sind, werden mehr Frauen
diese Qualifizierungschancen nutzen. Frauen sind keineswegs das schwache Geschlecht, sie sind stark. Vor
allem bei der Bildung stellen sie es unter Beweis. Das
sollte sich endlich für sie auszahlen.
Warum sind diese altbekannten Phänomene nur so
beharrlich? Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss des
nächsten Umfeldes, also der Familie. Ein Korrektiv, um
den Horizont zu öffnen und neue Optionen ins Spiel zu
bringen, kann und sollte daher die Berufsorientierung
und -beratung sein. Doch die Beratenden orientieren
sich offenbar selbst immer noch zu stark an traditionellen Geschlechterrollen. Und die meisten Personalchefs stellen sich als Sekretärin oder Krankenschwes­
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» Themen A-Z » Bildung
Priska Hinz MdB
ist Sprecherin für Bildungspolitik
15
„Made in Dagenham“
Wer dieser Tage ins Kinoprogramm
guckt, kommt an „We Want Sex“
kaum vorbei. Der Film mit dem Originaltitel „Made in Dagenham“ adap­
tiert humorvoll die Geschichte der
Näherinnen eines englischen Autowerks aus dem Jahr 1968. Um für gleiche Bezahlung zu streiten, legten sie
die Arbeit nieder. Der Erfolg war
bahnbrechend. Mit ihrem Streik
schufen die Frauen die Voraussetzung für den 1970 erlassenen „Equal
Pay Act“ in Großbritannien. Gleiche
Bezahlung für gleichwertige Arbeit
von Frauen und Männern – das war
eine wirkliche Revolution zwischen
Werkshalle, sozialem Wohnungsbau
und Hot Pants. 40 Jahre später könnte
man meinen, das seien Probleme
von gestern. Mitnichten!
oder Warum gleiche Bezahlung
alles andere als von gestern ist
von Brigitte Pothmer
Szene aus dem Film „Made in Dagenham“,
der seit Februar in den deutschen Kinos unter
dem Titel „We Want Sex“ läuft. 1968 versammeln sich im Ford-Autohaus Dagenham,
Großbritannien, die 187 angestellten Näherinnen, um für gleichen Lohn zu streiken.
Foto: Fotograf/Kobal Collection
In Deutschland
verdienen Frauen heute
im Schnitt 23 Prozent
weniger als Männer,
das ist eine europäische
Minus-Marke.
16
Tätigkeiten,
die
überwiegend
Frauen ausüben, werden grundsätzlich schlechter entlohnt. Doch selbst
wenn Ausbildung, Alter und Beruf
übereinstimmen, verdient der weibliche Teil der Belegschaft im Schnitt
zwölf Prozent weniger. Bei den Niedriglohnjobs sind die Frauen mit zwei
Dritteln in der Mehrzahl, oft werden
sie mit weniger als fünf oder sechs
Euro Stundenlohn abgespeist. Auch
die Teilzeitarbeit ist noch immer
eine Frauendomäne und Minijobs
sind die weibliche Erwerbs-Sackgasse Nummer eins. Die Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben
hat viele Gesichter, aber sie folgt
einem System: Weibliche Arbeit ist
weniger wert.
Und trotzdem, die Zukunft der Arbeit
ist weiblich. Aus einem einfachen
Grund – der gerade veröffent­lichte
Gleichstellungsbericht der Bundesregierung bringt es auf den Punkt.
Dort heißt es: Die Kosten der NichtGleichstellung übersteigen die der
Gleichstellung bei Weitem. Wir
können uns diese Ungleichbehandlung schlicht nicht mehr leisten.
Auch immer mehr Personalverantwortlichen dämmert es, dass mit einer männerdominierten Arbeitswelt in Zukunft kein Blumentopf
mehr zu gewinnen ist. Die Herren
der Schöpfung werden den steigenden Fachkräftebedarf nicht alleine decken können. Eine weitere
Erkenntnis überzeugt auch Skeptiker alten Schlages: dass nämlich
Unternehmen mit hohem Frauenanteil im Top-Management eine höhere Produktivität und Motivation
aufweisen als die, die auf Frauen
verzichten. So steigt das Interesse
der Wirtschaft an den Frauen, die
ihren männlichen Konkurrenten
vielfach mit überdurchschnittlich
guten Schul- und Hochschulabschlüssen voraus sind. Wenn das
Potenzial an weiblichen Arbeitskräften analog zu den skandinavischen Gesellschaften ausgeschöpft würde, könnte das zu einer
erheblichen Erhöhung der Wertschöpfung führen und unsere Gesellschaft als Ganzes würde davon
enorm profitieren.
Ein lohnendes Ziel, aber kein Selbstläufer! Dazu bedarf es noch einer
Menge revolutionärer Energie. Beispielsweise um die Berufswahl von
Mädchen und Jungen über das bisher sehr beschränkte Spektrum zu
erweitern. Auch das Erwerbsleben,
nach wie vor männlich geprägt und
organisiert, muss sich verändern.
Die Familienarbeit, Männermonate
hin oder her, schultern nach wie vor
größtenteils die Frauen – zulasten
ihrer Erwerbsperspektiven. Wenn
sich diese Rollenteilung ändern soll,
muss das Ideal des Rund-um-dieUhr-Beschäftigten mit eher sporadischen Kontakten zu Familie und
Alltagswelt auf den Prüfstand. Es
reicht nicht, wenn sich 78 Prozent der
männlichen Spitzenkräfte für die
Möglichkeit interessieren, flexibel
zu arbeiten. Sie müssen sich auch
trauen, solche Angebote tatsächlich
in Anspruch zu nehmen. Aber die
Richtung stimmt. Nicht nur Frauen,
zunehmend auch Männer wollen die
einseitige Ausrichtung auf die Arbeitswelt nicht mehr leben. Hätten
sie die Wahl, dann würde sich der
Umfang ihrer Arbeitszeit deutlich
annähern. Das zeigt, dass der frauenpolitische Diskurs in der Mitte der
Gesellschaft ankommt. Mit unseren
grünen Ideen können wir ihn befeuern: Mit Mindestlohn und Equal Pay
über die Quote für Aufsichtsräte bis
zum Gleichstellungsgesetz für die
Privatwirtschaft treiben wir eine gerechtere Gesellschaft voran.
„Wir müssen endlich eine Bezahlung bekommen, die sich nicht danach richtet, ob man einen Schwanz
hat oder nicht“, ruft die Hauptfigur
Rita in „We Want Sex“ ihren Kolleginnen zu. Bezahlung lässt sich
auch durch Welt, Job, Chancen,
faire Arbeitsteilung ersetzen. Richtig bleibt die Aussage immer, und
darum ist Dagenham alles andere
als von gestern.
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» Themen A-Z » Arbeit
Brigitte Pothmer MdB
ist Sprecherin für
Arbeitsmarktpolitik
17
Weimarer Erklärung
Grün packt an!
Fraktionsbeschluss
Neujahrsklausur 14. Januar 2011
Das Jahr 2010 war ein verlorenes Jahr für Deutschland. Es
begann mit der steuerlichen Entlastung von Hotelkonzernen und anderen Großunternehmen und endete mit
einem 100-Milliarden-Euro-Geschenk an die vier Energiekonzerne durch die Laufzeitverlängerung für Altreaktoren. Zum Jahresanfang gingen die ärmsten Kinder
beim Kindergeld leer aus, zum Jahresende strichen Merkel und Co. Langzeitarbeitslosen das Elterngeld und den
Rentenzuschuss. Statt „mehr Netto vom Brutto“ gibt es
massive Beitragserhöhungen für die Krankenkassenbeiträge. Trotz Wirtschaftsaufschwung ist die Lage vieler
Kommunen so dramatisch wie nie. Die Bundesregierung
verweigerte sich einer tatkräftigen Bekämpfung der Finanz- und Eurokrise und Deutschland verlor so seine gestaltende Rolle in Europa. Außen- und Sicherheitspolitik
findet als Schaulaufen bei Kerner statt – mit dem Hindukusch im Hintergrund. Von einer Strategie ist nichts zu
erkennen.
Wir Grüne wollen das Jahr 2011 nutzen, um die Handlungsspielräume der Regierungskoalition im Bund für
ihre unsoziale und unökologische Politik deutlich zu beschneiden. Wir werden in den Ländern dieser Politik unsere Alternativen entgegensetzen. Die Landtagswahlen
2011 werden wir zu einem Signal für einen politischen
Wechsel in Deutschland machen. 2011 stehen sich zwei
Konzepte gegenüber: das schwarze und das grüne.
Bündnis 90/Die Grünen wollen diesem Land einen sozialen und ökologischen Kurs geben. Grün packt an und
18
stellt den Gegenentwurf zur schwarz-gelben Klientelpolitik in Bund, Ländern und Kommunen.
Union und FDP bedienen die Ellenbogenträger, Grün
setzt auf Solidarität und auf all jene, die Verantwortung
für unser Gemeinwesen tragen und übernehmen wollen.
Die Politik von Schwarz-Gelb ist auch ein Schlag gegen
die breite Mittelschicht unserer Gesellschaft. Grün steht
für die Finanzierung einer öffentlichen Infrastruktur, einen aktiven Klimaschutz und ein zukunftsweisendes
Konzept, das soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft, Arbeit
und Umwelt in Deutschland verbindet.
Bundeskanzlerin Merkel hat die Landtagswahl in Baden-Württemberg zur Abstimmung über „Stuttgart 21“
ausgerufen. Die soll sie haben. Abgestimmt über ihre Politik wird nicht nur dort, auch in Hamburg, in SachsenAnhalt, in Rheinland-Pfalz, in Bremen, in Berlin und in
Mecklenburg-Vorpommern. Frau Merkel hat keine gesellschaftliche Mehrheit für ihre Politik. Ihre unsoziale
und zukunftsvergessene Politik hat die Menschen wachgerüttelt und mobilisiert. Merkel und Westerwelle werden die Bürgerinnen und Bürger nicht noch einmal einlullen und einschläfern können. Sie werden nicht noch
einmal durch Demobilisierung Wahlen gewinnen können. Die Alternative zur schwarz-gelben Politik ist Grün.
Bündnis 90/Die Grünen sind die gestaltende, gesellschaftsverändernde Kraft der linken Mitte. Wir nehmen
die Verantwortung an.
Soziale und ökologische Schwerpunkte in Zeiten der Haushalts­
konsolidierung
Wir Grüne zeigen, dass man auch in Zeiten knapper Kassen soziale und ökologische Schwerpunkte setzen kann,
ohne auf Kosten kommender Generationen unverantwortlich Schulden anzuhäufen. Staatliche Aufgaben
müssen solide finanziert werden – und dafür müssen
starke Schultern mehr tragen als schwache. Aber gerade
in schwierigen Zeiten ist weder Platz für Steuersenkungen für Besserverdienende noch für Verschwendung,
etwa durch ökologisch schädliche Subventionen. Hier
muss gespart werden.
CSU und FDP leben auch 2011 weiter in ihrer ganz eigenen Parallelwelt und träumen, von der Realität gänzlich
unberührt, weiter ihren Traum von massiven Steuererleichterungen für Besserverdienende. Dieser Realitätsverweigerung erteilen wir eine klare Absage. Angesichts von Rekordschulden 2010 und einer erneut massiven Neuverschuldung 2011 von über 50 Milliarden Euro
alleine im Bund gibt es keinerlei Spielraum für Steuersenkungen. Bereits jetzt hat jedes 2011 geborene Kind
22.000 Euro Staatsschulden. Wir Grüne wollen damit
Schluss machen! Wir setzen auf eine solide Haushaltsund Finanzpolitik.
Durch eine kluge Finanzpolitik schaffen wir dennoch die
notwendigen Spielräume für Investitionen in Bildung,
Klima und Gerechtigkeit. Der Bildungserfolg hängt in
Deutschland weiterhin von der sozialen Herkunft ab.
Das darf nicht sein. Alle müssen die gleichen Chancen
haben, um eine gute Ausbildung oder Abitur zu machen
oder einen Uni-Abschluss zu erwerben, IngenieurIn oder
ProfessorIn zu werden – unabhängig von ihrer Herkunft.
Uns ist klar: Schülerinnen und Schüler aus einem
schwierigen sozialen Umfeld brauchen Unterstützung
und das schon von Anfang an. Deshalb fordern wir mehr
Kitaplätze schon für Einjährige und Investitionen in die
Qualität. Wir wollen das Ganztagsschulprogramm wieder auflegen und Tausende weitere Ganztagsschulen
schaffen, damit alle Kinder von individueller Förderung
und längerer Lernzeit profitieren können. Daneben wollen wir erheblich mehr Studienplätze schaffen und eine
soziale Öffnung der Hochschulen. Der Bund muss die
Länder dabei unterstützen, deshalb wollen wir das
Koope­rationsverbot abschaffen.
Der Rösler´schen Zwei-Klassen-Medizin setzen wir unser durchgerechnetes Modell der Bürgerversicherung
entgegen. Das Rezept gegen Altersarmut lautet: mehr
und bessere Beschäftigung, ein gesetzlicher Mindestlohn und die Einführung einer Garantierente.
Noch sind die Folgen der Finanzkrise nicht überstanden.
Einen ersten Baustein zur notwendigen Bewältigung ihrer Folgen legen wir jetzt mit unserem Konzept einer einmaligen, zeitlich befristeten Vermögensabgabe für sehr
Reiche in Deutschland vor.
Soziale Gerechtigkeit fördern:
Hartz IV reformieren und Integration am Arbeitsmarkt voranbringen.
Ursula von der Leyen breitet herzlich die Arme aus und
verkündet kalt lächelnd, den Regelsatz um fünf Euro zu
erhöhen. Das ist schlicht zu kurz gesprungen. Die Regierung hat einen Regelsatz nach Kassenlage errechnet.
Das lehnen wir ab. In den laufenden Verhandlungen im
Vermittlungsausschuss werden wir genau aufzeigen, an
welchen Stellen sich die Regierung den Regelsatz billig
gerechnet hat. Das Ziel, die Kinder besser zu fördern, teilen wir. Aber der Weg dahin führt nicht über bürokratische Gutscheinsysteme, sondern über regionale Bildungspartnerschaften, die die Zusammenarbeit von
Schulen, Jugendämtern und Vereinen verbessern und
mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an die
Schulen und in die Kommunen bringen. Wir wollen die
Spirale nach unten durchbrechen. Wenn sich der Regelsatz an immer geringeren Löhnen orientiert und am
Ende niemand mehr davon leben kann, ist keinem geholfen. Das wollen wir beenden. Mit einem gesetzlichen
Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro wollen wir Grüne
eine Untergrenze einziehen, damit wieder mehr Menschen von ihrer Arbeit leben können. Parallel dazu brauchen wir spezifische Mindestlöhne in der Leiharbeit und
in der Weiterbildungsbranche. Die Zeit drängt. Spätes­
tens im Mai droht uns ein Lohndumping durch Leiharbeitskräfte aus Osteuropa, die zu dort üblichen, sehr geringen Mindestlöhnen beschäftigt sind. Die FDP muss
endlich aufhören, aus dogmatischen Gründen sinnlose
Blockaden zu errichten. Davon haben die ArbeitnehmerInnen weder hier noch dort etwas. Leiharbeiterinnen
und Leiharbeitern gebührt der gleiche Lohn wie ihren
festangestellten Kolleginnen und Kollegen – und zwar
ab dem ersten Tag, nicht erst nach zwölf Monaten.
Die Menschen sollen und wollen immer länger arbeiten.
Doch damit sie es auch können, muss sich auf dem Arbeitsmarkt noch viel verändern. Die Anzahl der älteren
Erwerbstätigen ist in den letzten Jahren zwar rapide ge19
Weimarer Erklärung
Grün packt an!
stiegen, er liegt aber immer noch deutlich unter dem
Durchschnitt aller Beschäftigten. Während SchwarzGelb sich auf der konjunkturellen Erholung ausruht und
den notwendigen Wandel der Arbeitswelt verschläft,
wollen wir die Veränderungen anpacken. Wir brauchen
eine wertschätzende Kultur der Altersarbeit für motivierte ältere Menschen. Wir setzen uns für Weiterbildung, Qualifizierung und gute Arbeitsbedingungen ein,
damit die Menschen motiviert und qualifiziert auch mit
„60plus“ noch arbeiten wollen und können. Wir müssen
den Schutz vor Stress und psychischer Belastung am Arbeitsplatz verbessern, den Arbeitsschutz und die betriebliche Gesundheitsförderung ausbauen und dafür
sorgen, dass auch Erwerbslosen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung offenstehen. Das ist auch ein wichtiger Beitrag für die Verminderung von Altersarmut. Eine
altersgerechte Arbeitsgestaltung ist Voraussetzung für
Ältere wie auch für Jüngere, um eine langjährige Erwerbsfähigkeit sicherzustellen. Schwarz-Gelb spielt nur
auf Zeit und riskiert damit zunehmende Altersarmut. Wir
wollen die Voraussetzungen schaffen, damit Menschen
tatsächlich länger arbeiten können.
Politik für eine Energieversorgung
ohne Atom
Die im Auftrag von RWE, E.ON und Co. gegen die Mehrheit in unserem Land vorgenommene Rolle rückwärts in
der Energiepolitik wird keinen Bestand haben. Wir bekämpfen diesen Putsch gegen Vernunft und die Sicherheit der Bevölkerung mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und insbesondere mit einer Klage vor
dem Bundesverfassungsgericht. Unmittelbar nach
einem Regierungswechsel werden wir Grüne die Rückkehr Deutschlands zu einer verantwortungsvollen Energieversorgung anpacken. Wir stehen für eine Energie­
politik, die dem Klimaschutz und der Schaffung neuer
Arbeitsplätze dient.
Aber der schwarz-gelbe Angriff auf eine klimafreundliche und atommüllfreie Energiezukunft ist mit der Lauf20
zeitverlängerung nicht beendet. Unübersehbar mehren
sich die Zeichen, dass die erneuerbaren Energien durch
ein Aufweichen ihres Einspeisevorrangs noch weiter unterminiert werden sollen. Dies läuft auf einen Generalangriff auf eine der erfolgreichsten Zukunftsbranchen
der vergangenen Jahre mit 340.000 Arbeitsplätzen hin­
aus. Gleichzeitig werden alle Maßnahmen zur Stärkung
der Energieeffizienz und zur Elektromobilität massiv unterlaufen.
Unser Energiekonzept, das wir im Herbst 2010 vorgelegt
haben, zeigt, dass Deutschland bis 2050 seinen Strom-,
seinen Wärme- und Mobilitätsbedarf zu 100 Prozent erneuerbar decken kann. Dafür braucht es eine moderne,
intelligente Infrastruktur.
Der Umbau und der Ausbau von Strom-, Schienen- und
Breitbandnetzen wird aber nur mit den Bürgerinnen und
Bürgern gelingen. Die Menschen haben die Basta-Politik
satt, die sie vor fertige Tatsachen und selbstgemachte
Sachzwänge stellt.
Infrastrukturausbau beschleunigen,
Bürgerbeteiligung ausbauen:
Strukturen für die Zukunft
Herausforderungen wie die Bekämpfung des Klimawandels, die wachsenden und sich verändernden Mobilitätsbedürfnisse einer Gesellschaft im demografischen
Wandel und in einer globalisierten Welt erfordern bessere und teils neue Infrastrukturen. Der Ausbau der bestehenden und der Neubau von Infrastrukturen ist ein
zentrales Ziel grüner Politik. Denn der Ausbau der Infrastruktur bei Energienetzen, Schiene und Breitband, das
ist die Basisstruktur für unsere Zukunft.
Bürgerinnen und Bürger fordern gerade bei Infrastruktur- und Planungsvorhaben eine echte Mitsprache und
Beteiligung ein. Sie geben sich nicht mehr damit zufrieden, Projekte abzunicken oder an ihnen herumzubasteln. Der Nutzen der Projekte muss sich erschließen
und die Kosten dürfen nicht ins Unermessliche steigen.
Stuttgart 21 ist hier nur ein herausragendes und symbolhaftes Beispiel.
Mehr echte demokratische Beteiligung und mehr Effizienz bei Infrastrukturvorhaben schließen sich nicht aus.
Im Gegenteil: Eine frühestmögliche Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in Zielbestimmungen, Planungsprozesse und die ehrliche Diskussion über Alternativen,
das ist unsere Vorstellung von Demokratie im 21. Jahrhundert und dies erzeugt auch wieder Vertrauen in die
Politik. Und das ist auch eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaft. Dringend notwendig dafür ist es,
die Fragestellungen von Anfang an transparent zu gestalten und den Bürgerinnen und Bürgern Einsicht in
die Pläne und Kostenaufstellungen zu gewähren. Wir
Grüne stehen für einen neuen, bürgerfreundlichen, partizipativen Politikstil. Wir arbeiten an neuen demokratischen Beteiligungsformen und ziehen die Konsequenzen aus den Bürgerprotesten des Jahres 2010. Wir
werden konkrete Vorschläge machen, wie wir künftig
mehr Transparenz in Planungs- und Entscheidungsvorgänge bringen und wie mit Einbeziehung der Betroffenen, mit Moderation und Runden Tischen Planungsvorgänge effizienter und demokratischer gemacht werden können: Stromnetze für die Energiewende, Verkehrsnetze für nachhaltige Mobilität und ein
leistungsfähiges Internet für alle.
Wir wollen die Infrastruktur und wir wollen mehr Demokratie. Den Angriff des Bundesinnenministers de Maizière auf die Beteiligung der Bürger im Planungsverfahren lehnen wir deshalb ab. Alle Staatsgewalt geht vom
Volke aus, sagt das Grundgesetz.
»
Für den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen wir bessere und auch neue, leistungsfähige Netze. Derzeit kommt der Ausbau der
Netze nur schleppend voran – die Netzbetreiber verzögern, gleichzeitig blockiert die Bundesregierung die
vorhandenen Netze durch die Verlängerung von Laufzeiten und den Neubau unflexibler Kohlekraftwerke.
Die bisherigen Planungsvorgaben provozieren geradezu Proteste und Einsprüche. Das verlangsamt oftmals Entscheidungen und dringend benötigte Investitionen. Wir setzen deshalb auf einen Ausbau, der mit
mehr Transparenz und Beteiligung der Bürgerinnen
und Bürger einher und schneller geht. Dazu gehört
auch, die breiter akzeptierte Alternative der Erdverkabelung ernsthaft in Erwägung zu ziehen und voranzutreiben. Die Bevölkerung vor Ort muss Einfluss darauf
bekommen, die besten Lösungen zu finden.
»
Deutschland besitzt eine vergleichsweise gute
Verkehrsinfrastruktur, dennoch gibt es eine
strukturelle Überlastung. Um dieser zu begegnen, setzt
die Bundesregierung falsche Prioritäten. Im Straßenund Autobahnbau dominieren genau wie beim Ausbau des Schienennetzes Prestigeobjekte gegenüber
wirtschaftlicher Vernunft und der Bedienung des tatsächlichen Bedarfs. Bisherige Projekte sind nicht von
den Nutzern her gedacht. Wir wollen eine Verkehrsin-
frastruktur, die sich an den Bedürfnissen der Menschen
orientiert, den demografischen Wandel und den Klimawandel berücksichtigt und die Zuständigkeit für Infrastruktur auf die Länder- oder Regionalebene überführt,
wo dies möglich und sinnvoll ist. Die Regierung hat die
Deutsche Bahn AG in einen auszehrenden Börsenwahn
getrieben. Statt die Infrastruktur von Schiene bis Zug zu
modernisieren, lässt sie die Verschleißausfälle und
nicht die Bedürfnisse der Fahrgäste den Fahrplan diktieren. Das S-Bahn Chaos in Berlin und das Winterchaos bei der DB AG sind die schlimmen Folgen einer
falschen Ausrichtung des DB-Konzerns auf Rendite pur
und internationale Expansion. Sie sind aber auch Ergebnis einer ignoranten und verfehlten Schienenpolitik, die seit Jahren Substanzerhalt und Modernisierung
des Schienenverkehrs in Deutschland zugunsten von
megateuren Prestigeprojekten vernachlässigt.
»
Der Breitbandanschluss fürs Internet ist heute
eine Voraussetzung für Partizipation – ob im Berufsleben, in der Schule, für Bewerbungen, für den Austausch mit Freunden, für die Nutzung der öffentlichen
Verwaltung, für die Teilnahme an Internet-Protesten,
für den Betrieb eines Online-Shops oder den Einkauf in
diesem. Noch immer sind die Breitbandlücken in
Deutschland groß. Gerade im ländlichen Raum ist oft
zwar Internet verfügbar, es ist aber so langsam, dass es
für die oben genannten Aktivitäten nicht geeignet ist.
Insbesondere innovative und große Unternehmen sind
auf High Speed Internet angewiesen. Die bisher genutzten Förderinstrumente haben ihr Ziel nicht erreicht.
Integrierte Ressourcenpolitik
Für die Zukunft unseres Wirtschaftens, eine gerechte Außen- und Handelspolitik und den Übergang in eine grüne Industrie, ist ein anderer Umgang mit Rohstoffen zentral. Nicht die reine Versorgung mit Rohstoffen darf im
Mittelpunkt der Politik stehen, sondern vielmehr der
sparsame Einsatz und die Substitution von endlichen
Rohstoffen sichern die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und der Arbeitsplätze. Schwarz-Gelb hat sowohl
wirtschafts- und umweltpolitisch als auch außen- und
entwicklungspolitisch einen verengten und nationalen
Blickwinkel auf Rohstoffe. Dem setzen wir Grüne eine
strategische Wirtschafts-, Friedens- und Entwicklungspolitik entgegen sowie eine faire Handelspolitik, die die
Rohstofffrage integriert betrachtet.
Ausgerechnet der angeblich liberale Wirtschaftsminister hat eine wirtschaftsnationalistische Rohstoffstrate21
Weimarer erklärung
Grün packt an!
gie vorgelegt, in der uns eine solistische und national
bornierte Interessenspolitik schnurstracks in die Rohstoffkonflikte von morgen führt. Sekundiert wurde die
Idee eines nationalen Rohstoffkartells von einem Verteidigungsminister, der in skandalöser Weise den Einsatz
der Bundeswehr zur Sicherung nationaler wirtschaftlicher Interessen forderte, um damit den Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Diesen Rückfall ins 19. Jahrhundert
lassen wir niemandem durchgehen.
Auf dem Weg zur postindustriellen Gesellschaft bleiben
Rohstoffe das A und O von Produktion und Grundlage
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung.
Unsere Mobiltelefone laufen mit Germanium und Gallium, wir heizen immer noch mit Öl, Elektromobilität spart
zwar Benzin, die Batterien aber brauchen Kobalt – genau
wie unsere Computer. Unser Alltag hängt an einer sicheren Rohstoffversorgung. Die meisten Menschen machen sich kaum Gedanken darüber, wo die Ressourcen
herkommen, die sie verbrauchen und unter welchen Umständen sie gewonnen werden. Das muss sich ändern. In
der Ressourcenfrage bündeln sich nicht nur wirtschafts-,
außen-, sicherheits-, entwicklungs- und umweltpolitische Aspekte, sie ist längst eine gesellschaftspolitische und angesichts steigender Rohstoffpreise auch
eine sozialpolitische Schlüsselfrage. Wie wollen wir leben, wie wollen wir produzieren? Darüber muss sich unsere Gesellschaft klar werden und verständigen. Dies
sind keine Fragen, die wir allein Industriekapitänen, Militärstrategen und Ministerien überantworten sollten.
Ressourcenpolitik ist ein grünes Schlüsselthema. Denn
klar ist: Der Zugang zu Rohstoffen ist nur ein Aspekt unter mehreren. Eine langfristige und erfolgreiche Sicherung der stofflichen Basis unserer Produktion wird es nur
geben, wenn wir die Umwelt nicht überlasten, endliche
Rohstoffe durch nachwachsende ersetzen, mehr und
besser recyceln und Fortschritte in der Effizienz machen.
22
Effizienz, Konsistenz, Suffizienz – diese drei bilden für
uns nach wie vor den Kompass auf dem Weg zu einer
nachhaltigen und erfolgreichen Wirtschaft.
Die grüne Bundestagsfraktion wird in den kommenden
Monaten an einer integrierten Rohstoffstrategie für Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten. Wir brauchen eine
Strategie, die der Vielschichtigkeit des Themas gerecht
wird. Ressourceneinsparung, Ressourceneffizienz, faire
Handelspolitik und Recycling, und nicht das militärisch
abgesicherte Windhundrennen nach knapper werdenden Rohstoffen, fördern wirtschaftliche und soziale
Entwicklung – bei uns und anderen – sowie den internationalen Frieden.
Dafür Grün
2011 wird der Anfang vom Ende der Regierung Merkel/
Westerwelle. 2011 darf nach 2010 nicht wieder ein verlorenes Jahr für Deutschland werden. Dazu werden wir mit
aller Kraft beitragen – gerade bei den anstehenden
Wahlen. 2011 wird das Jahr, in dem die Alternative zu einer unsozialen, unökologischen Politik deutlich wird.
Grün gegen Schwarz. Zukunftsorientierung gegen Zukunftsvergessenheit. Einer Politik, die den Strukturkonservatismus und den Klientelismus zum Programm erhebt, setzen wir unseren „Green New Deal“ und den Aufbruch für Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber.
Wir wollen die Agrarwende vorantreiben – im Interesse
der Verbraucherinnen und Verbraucher wie der Umwelt.
Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern wollen
wir eine moderne Infrastruktur für Energie, Verkehr und
Informationen ausbauen. Wir setzen auf eine moderne
Industriepolitik durch eine neue Rohstoffstrategie. Wir
wollen die Lasten der Krise nicht kommenden Generationen aufladen sondern gerecht tragen – unter anderem
durch eine Vermögensabgabe.
2011 darf aber auch nicht zu einem verlorenen Jahr für
Europa werden. Deshalb werden wir Druck machen,
dass die Bundesregierung endlich das Bremserhäuschen verlässt und sich einer europäischen Lösung der
Finanzkrise wie einer europäischen Wirtschaftspolitik
nicht weiter in den Weg stellt. Deutschland muss seiner
internationalen Verantwortung gerecht werden.
Grün ist die Alternative für Deutschland – eine konstruktive, ökologisch und sozial gestaltende, gesellschaftsverändernde Kraft. Grün packt an!
Nie wieder
Tschernobyl
Am 26. April 2011, dem 25. Jahrestag der Tscher­
nobyl-Katastrophe, sind wir in Gedanken bei den
Hunderttausenden von Opfern. Bei den soge­
nannten Liquidatoren, den Menschen, die nach
dem Katastropheneinsatz vor Ort gestorben sind,
bei den vielen Kindern und Erwachsenen mit
Strahlenschäden, bei den Bauern mit ihrem ver­
strahltem Land und den Umgesiedelten ohne
Heimat.
Für uns Grüne ist Tschernobyl bleibender Auf­
trag: Weg mit der Hochrisikotechnologie Atom­
kraft! Auch wenn Schwarz-Gelb versucht die
Energiewende zurückzudrehen, die Fakten las­
sen sich nicht leugnen: AKWs sind lebensgefähr­
lich, AKWs kosten uns ein Vermögen und Atom­
müll verstrahlt die Zukunft der kommenden
Generationen.
Die gesellschaftliche Basis gegen Atomkraft ist
in den 25 Jahren nach Tschernobyl immer breiter
geworden. Weil Schwarz-Gelb der Atomindustrie
mit den beschlossenen Laufzeitverlängerungen
von AKWs Geschenke auf Kosten der Allgemein­
heit macht, verstärkt sich der Widerstand erst
recht. Wir werden den Atomausstieg sofort nach
der nächsten Bundestagswahl forciert umsetzen.
Wichtig:
12. März
Anti-Atom-Menschenkette Neckarwestheim bis Stuttgart
12./13. April
Tscher nobyl-Kongress der Heinrich-Böll-Stiftung
Weitere Infos:
www.gruene-bundestag.de » Themen A-Z » Atomausstieg
23
Termine
Eine Auswahl. Mehr unter:
www.gruene-bundestag.de »Termine
Messe Invest Stuttgart
Stand vom 18. bis 20. März 2011
Büro Dr. Gerhard Schick MdB
11011 Berlin, T. 030/227 74635
gerhard.schick@bundestag.de
Menschenrecht auf Wasser
Fachgespräch am 22. März 2011
Büro Tom Koenigs MdB 11011 Berlin, T. 030/227 76147
tom.koenigs.ma11@bundestag.de
Zentralasien
Fachgespräch am 25. März 2011
Büro Viola von Cramon MdB
11011 Berlin, T. 030/227 72280
viola.voncramon@bundestag.de
Aufs grüne Gleis
Bahntour am 1. April in Eschweiler
und am 13. April in Berlin
AK 2 Koordination, T. 030/227 59406
bahntour@gruene-bundestag.de
Film-Tour: Neue Energie
in Bürgerhand
Premiere am 7. April 2011 in Berlin
Weitere Stationen: 5. Mai Wismar,
6. Mai Neustrelitz, 17. Mai Stralsund
Büro Stephan Kühn MdB
11011 Berlin, T. 030/227 71864
stephan.kuehn@bundestag.de
Grüner Ärztetag
am 14. Mai 2011
Referat Öffentlichkeitsarbeit
11011 Berlin, T. 030/227 51363
oea@gruene-bundestag.de
Altersarmut
Fachgespräch am 16. Mai 2011
Büro Katrin Göring-Eckardt MdB
11011 Berlin, T. 030/227 71338
simone.maass@bundestag.de
24
Schuldenkonferenz
Publikationen
am 20. Mai 2011
Büro Lisa Paus MdB
11011 Berlin, T. 030/227 72052
lisa.paus.ma01@bundestag.de
Eine Auswahl. Mehr unter: www.gruene-bundestag.de
» Publi­ka­ti­onen
Grüner Kita-Gipfel
am 21. Mai 2011
Büro Katja Dörner MdB
11011 Berlin, T. 030/227 51066
katja.doerner@bundestag.de
Verbrauchermacht im Netz
Veranstaltung am 23. Mai 2011
AK 2 Koordination, T. 030/227 59406
ak2@gruene-bundestag.de
Soziale Sicherung weltweit
Fachgespräch am 23. Mai 2011
Büro Uwe Kekeritz MdB
11011 Berlin, T. 030/227 77346
uwe.kekeritz@bundestag.de
Online
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Grüne Landwirtschaftspolitik.....17/29
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