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Nr. 119 Karl Schawinsky Die neuen Medien richtig nutzen In Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Inhalt 1. Angebot und Nutzung ändern sich ständig 1 Web 2.0 – das Mitmach-Internet 1 Ein Drittel des Tages für Medien 2 Neue Chancen – privat und im Beruf 3 2. Medienkompetenz als Bildungsauftrag 4 Begriffsbestimmung 4 Gefahren und Fallstricke 5 Web und Wirtschaft 8 Vermittlung von Medienkompetenz 10 Hörfunk hat Zuspruch verloren 2008 1999 Fernsehen Hörfunk Internet 225 198 186 209 8 Quelle: Mediaperspektiven, Basisdaten 2008 58 © 2009 IW Medien • TW 119 So viele Minuten pro Tag nutzten Bundesbürger über 14 Jahren durchschnittlich ... Thema Wirtschaft Nr. 119 1. Angebot und Nutzung ändern sich ständig Web 2.0 – das Mitmach-Internet Facebook, MySpace, StudiVZ oder Twitter – fast täglich tauchen in Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen neue Begriffe aus der Welt des Internets auf. Ältere Menschen werden im Mediendeutsch schon „Digital Immigrants“ (digitale „Einwanderer“) genannt, weil sie die Computertechnologie erst im späteren Verlauf ihres Lebens kennengelernt haben. Sie können mit den Begriffen aus der neuen Medienwelt häufig kaum etwas anfangen, selbst wenn sie inzwischen so weit sind, ihre Reisen im Internet zu buchen, dort Bücher zu bestellen oder bei Ebay ihre abgelegten Designerklamotten zu verkaufen. Ganz anders dagegen die Generation der heute 20-Jährigen, die mit dem World Wide Web (WWW) groß geworden ist. Die „Digital Natives“ („Einhei mische“) sind mit PC und Internet aufgewachsen und haben sogar schon einen Teil ihres sozialen Lebens in die virtuelle Welt verlegt. In sogenannten sozialen Netzwerken verabreden sie sich mit Freunden, knüpfen Bekanntschaften mit Gleichaltrigen aus aller Welt, um über Hobbys, Filme und Musik zu chatten (reden, diskutieren) oder als Avatare (virtuelle Stellvertreter) in künstlichen Welten wie „Second Life“ zu flanieren. Möglich wurde all dies durch einen neuen technologischen Schub im Internet: Im Jahre 2004 feierte das Mitmach-Internet, auch Web 2.0 genannt, seinen Durchbruch. Bis zu diesem Zeitpunkt war das WWW in erster Linie eine textlastige, mit statischen Bildern ausgestattete Einbahnstraße, über die von den Nutzern vor allem Informationen abgerufen werden konnten. Durch neue Softwareentwicklungen eröffneten sich den Usern plötzlich völlig neue Welten. Auf einmal war aktive Teilnahme nicht nur gefragt, sondern sogar notwendig. Denn viele Web-2.0-Anwendungen leben fast ausschließlich von den Inhalten, die von den Teilnehmern kommen (User generated Content). So kann der User in der Web-2.0-Welt zum Beispiel • selbst gedrehte Videos über den eigenen Computer auf Plattformen wie YouTube oder MyVideo.de hochladen und damit weltweit präsentieren; • zu bestimmten Themen (Reisen, Studium usw.) Texte ins Netz stellen und so einen „Blog“ (öffentliches Tagebuch) betreiben, in den auch Dritte ihre Kommentare „posten“ (einstellen) können; Seite 1 • in Radiomanier selbst Hörbeiträge produzieren und als „Podcasts“ (Hördatei) im Netz veröffentlichen. Dort können sich Interessierte diese Beiträge dann auf ihren MP3-Player (transportables Abspielgerät) downloaden und praktisch überall – im Zug oder beim Spazierengehen – anhören; • mit eigenen Schnappschüssen bestückte Fotoalben ins Netz stellen, zum Beispiel bei Flickr, und so einer weltweiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Großen Erfolg bei den jungen Zielgruppen haben seit ein paar Jahren insbesondere sogenannte OnlineCommunitys wie Facebook oder SchülerVZ bzw. StudiVZ. In diesen sozialen Netzwerken haben sich bereits 29 Prozent aller Internetnutzer ein eigenes Profil angelegt. Das heißt, sie stellen dort Informa tionen (Texte, Bilder) über ihr Leben, ihre Ausbildung oder ihre Hobbys ein. Auf solchen Plattformen muss man sich registrieren lassen, um alle damit verbundenen Services nutzen zu können, beispielsweise mailen, Fotoalben anlegen oder den Online-Freunden mitteilen, was man gerade wo macht. In die gleiche Richtung geht der neueste Trend, der gerade die digitale Welt erobert: twittern („zwitschern“). Dieser Kurznachrichtendienst aus der Web2.0-Welt ermöglicht es, per Handy oder Computer kurze Textnachrichten von 140 Zeichen an ein persönliches, zuvor registriertes Twitter-Profil zu schicken. Dort können alle, die sich als Follower (Mitleser) eingetragen haben, die News, meist Bemerkungen zum Alltag, verfolgen. Jeder Follower hat die Möglichkeit, das Gelesene über den eigenen Account zu kommentieren. So entspinnen sich manchmal regelrechte Diskussionen. Nicht nur Promis und Normalos nutzen diesen Dienst immer stärker. Inzwischen sind auch Firmen und Institutionen dazu übergegangen, Nachrichten via Twitter in die Welt zu zwitschern. Lernziel Angesichts der wachsenden Bedeutung der Medien in Alltag und Arbeitswelt hat sich auch hierzulande das Bewusstsein durchgesetzt, dass vor allem Kinder und Jugendliche eine gezielte Förderung brauchen, um in der sich rasant ändernden Medienwelt nicht die Orientierung zu verlieren. Auch wenn rund 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland noch sogenannte Offliner sind, dem Internet also die kalte Schulter zeigen – der Zug in Richtung digitale Medienwelt und Internet dürfte nicht mehr aufzuhalten sein. Umso wichtiger ist es, die Menschen schon in jungen Jahren darauf vorzubereiten. Das Stichwort dabei lautet Medienkompetenz; das heißt, es gilt, den Umgang nicht nur mit dem Internet, sondern auch mit dem Fernsehen möglichst früh einzuüben und vor allem auch über mögliche Gefahren und Fallstricke zu informieren. Thema Wirtschaft Nr. 119 Seite 2 Ein Drittel des Tages für Medien Kaum zu glauben, aber wahr: Die Bundesbürger verbringen heute mehr Zeit mit Medien als mit Familie und Freunden. Insgesamt entfallen auf die Medien nutzung pro Tag im Schnitt 8,5 Stunden. Obwohl das Internet so stark auf dem Vormarsch ist, steht das Fernsehen noch immer an der Spitze: Drei Stunden und 45 Minuten sitzt der Durchschnittsdeutsche täglich vor der Mattscheibe. Es folgen Radio (rund drei Stunden) und das Internet mit bereits knapp einer Stunde (Grafik auf der Inhaltsseite). Das Surfen im World Wide Web hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Insbesondere die junge Generation verbringt überdurchschnittlich viel Zeit in der virtuellen OnlineWelt. Sie hat, wie die Fachleute sagen, ihr eigenes Mediennutzungsprofil entwickelt, das sich zum Teil deutlich von dem der älteren Jahrgänge unterscheidet. Das heißt: Traditionelle Medien, mit Ausnahme des Fernsehens, verlieren an Interesse. Neue, digitale Medien und Übertragungsgeräte wie Computer, Internet, Handy und MP3-Player befinden sich dagegen auf der Gewinnerstraße. Diese Entwicklung wurde insbesondere durch den Preisverfall bei den Geräten möglich, was für eine weite Verbreitung sorgte. Seit geraumer Zeit befinden sich auch die Tarife für Handynutzung und InternetFlatrates auf Talfahrt. Die Preise für PCs etwa sind – unter der Annahme gleicher Qualität und Rechenleis Ohne Handy? Das geht nun fast gar nicht So viel Prozent der 12- bis 19-Jährigen besaßen die folgenden Geräte 2008 1998 95 MP3-Player/iPod 86 Radio 77 31 CD-Player 76 35 Computer/Laptop 71 60 61 Fernseher Internetzugang 51 DVD-Player (nicht PC) 38 DVD-Recorder Videorekorder TV/Flachbildschirm 32 15 26 10 Befragung von 803 (1998) bzw. 1.208 Jugendlichen; fehlende Werte: 1998 nicht erhoben; Quelle: Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest, JIM-Studie 1998, 2008 95 © 2009 IW Medien • TW 119 Handy 8 tung – zwischen 1998 und 2008 um mehr als 90 Prozent gesunken. Telekommunikationsdienste kos teten zuletzt 31 Prozent weniger als Ende der 1990er Jahre. So verwundert es kaum, dass im vergangenen Jahr bereits 95 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Handy, 86 Prozent einen MP3Player und die Hälfte einen eigenen Internetzugang besaßen (Grafik unten). Im Zehnjahresvergleich hat damit im Jugendzimmer – ähnlich wie nebenan bei den Eltern – eine kleine Revolution stattgefunden, denn 1998 besaßen erst 8 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein eigenes Mobiltelefon, und kaum einer aus dieser Gruppe hatte einen selbstständigen Zugriff aufs Internet. Parallel zu den Veränderungen bei der Geräteausstattung zeigen sich auch beim Mediennutzungsprofil der Jugendlichen deutliche Trendverschiebungen: So hat sich die Computernutzung („mehrmals pro Woche“) im genannten Zehnjahreszeitraum von 48 Prozent auf 89 fast verdoppelt. Das WWW schnellte gar von 5 auf 84 Prozent – was vor allem auf Kosten der Druck-Erzeugnisse ging. Zeitungen verloren 16 Prozentpunkte und sanken auf 43 Prozent; bei den Zeitschriften ging es um 20 Punkte auf 43 Prozent herunter. Nicht ganz so hart traf es die Audio-Schiene: Das Radio büßte 13 Punkte ein und hat jetzt nur noch 72 Prozent regelmäßige Hörer. Und noch ein deutlicher neuer Trend: Der Vorsprung, den die Jungen bei der Internetnutzung gegenüber den Mädchen anfangs noch hatten, schrumpft immer mehr. In der virtuellen Welt haben sich die Mädchen weitgehend emanzipiert. Doch auch wenn die neuen Medien bei den jungen Zielgruppen auf breiter Front den Durchbruch geschafft haben – Geschlecht und Bildungshintergrund spielen beim Einsatz der digitalen Medien im Alltag immer noch eine wichtige Rolle. So sind Jungen auffallend stark auf Computerspiele fixiert. Sie sitzen viermal so oft wie Mädchen als „Gamer“ vor dem Computer und verbringen dort an einem durchschnittlichen Werktag fast 60 Minuten; am Wochenende sind es sogar 74 Minuten. Die Mädchen wiederum interessieren sich stärker als das andere Geschlecht für die Möglichkeiten ihres Handys und telefonieren lieber. Bei den Online-Tätigkeiten zeigen sich ebenfalls relevante Unterschiede. So nutzen die jungen Frauen das Web stärker, um sich Informationen mit Blick auf Schule und Beruf zu besorgen. Die männlichen Teens hingegen schauen sich viel häufiger Filme und Videos im Netz an oder beschäftigen sich mit Multi-UserSpielen, bei denen sie online gegen andere Spieler antreten (Grafik rechte Seite). Thema Wirtschaft Nr. 119 Neue Chancen – privat und im Beruf Das Web 2.0 und die modernen Medientechnologien haben Einzug gehalten in das Leben vieler Menschen und es zum Teil deutlich verändert. So zum Beispiel in der Arbeitswelt, in der ohne Computer und Internet oft kaum noch jemand auskommt. Praktisch kein größerer Betrieb kann auf Spezialisten verzichten, die die Kommunikationsnetzwerke und Server pflegen und funktionstüchtig halten. Immer mehr Firmen haben komplett auf den elektronischen Geschäftsverkehr umgestellt, damit sie effektiver, kostengünstiger und schneller werden. Auch die Belegschaften müssen sich permanent mit neuen Softwarelösungen vertraut machen, damit ihr Betrieb wirtschaftlich und technologisch „up to date“ bleibt. Unternehmen, die hier nicht mitmachen, laufen ernsthaft Gefahr, dass sie eines Tages aus dem Netzwerk von Kunden und Zulieferern komplett herausfallen oder einfach von der Konkurrenz abgehängt werden. Viele Jungs wollen nur spielen ... So viel Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren nutzten das Internet 2008 täglich oder mehrmals pro Woche für Folgendes Jungen Mädchen Haupt- Gymnasien schule Multi-User-Spiele spielen 33 5 22 17 Filme/Videos anschauen 36 16 26 26 Allein Online-Spiele spielen 24 7 19 15 Nachrichten/Aktuelles 38 29 22 38 Beiträge in Foren bzw. Newsgroups lesen 29 15 15 24 E-Mails empfangen und versenden 45 53 50 52 © 2009 IW Medien • TW 119 Große Unterschiede machen sich auch bemerkbar, wenn man den Bildungsstatus zum Maßstab nimmt. So begeistern sich Hauptschüler sehr fürs Chatten, während Gymnasiasten besonders gerne die OnlineEnzyklopädie Wikipedia zu Rate ziehen, die heute wie früher der Brockhaus oder andere Lexika das Wissen der Welt zusammenfasst. Das eigentlich Besondere an Wikipedia ist aber, dass man dort eigene Beiträge einstellen und Korrekturen an bestehenden Artikeln vornehmen kann. Gymnasiasten informieren sich im Netz auch häufiger als ihre Altersgenossen an anderen Schulen über aktuelle Nachrichten. Im Internet haben bei den Teens und Twens inzwischen die Online-Communitys den größten Zuspruch. Drei von vier Teenangern sind mittlerweile auf diesen Plattformen aktiv; bei den Twens sind es rund 60 Prozent. Ein eigenes Profil in einer Community angelegt hat ebenfalls schon mehr als jeder zweite Teen. Bei der Nutzung steht das Stöbern in den Profilen anderer Teilnehmer im Vordergrund. Dazu kommt das Schreiben von Kommentaren und E-Mails. Wichtig ist auch die gezielte Suche nach Kontakten, also neuen Freunden (Grafik auf Seite 7). Der Erfolg der sozialen Plattformen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der passiven Nutzer immer noch weit höher liegt als die der aktiven. So haben Untersuchungen zufolge nur 6 Prozent der User von Wikipedia dort schon einmal selbst einen Beitrag veröffentlicht. Seite 3 Befragung von 1.171 jugendlichen Onlinenutzern im Jahr 2008; Quelle: Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest, JIM-Studie 2008 Aber auch als Privatperson will man kaum noch auf die komfortablen Web-Angebote verzichten: Wer am aktuellen Zeitgeschehen interessiert ist, weiß die schnelle Information durch Nachrichtenseiten wie Spiegel Online und FAZ.net zu schätzen. Aber auch für Studium, Weiterbildung oder den Aufbau von Geschäftskontakten bietet das WWW inzwischen viele Möglichkeiten genauso wie beispielsweise für Stellenbewerbungen. Hier ist ebenfalls ein neues Zeitalter angebrochen: Die gute alte Bewerbungsmappe hat zwar nach wie vor ihre Existenzberechtigung – vor allem, um Zeugnisse und Prüfungen durch Dokumente zu belegen. Vieles läuft inzwischen jedoch online. Auf ihren Internetseiten schreiben immer mehr Unternehmen ihre Jobangebote selbst öffentlich aus und fordern die potenziellen Bewerber auf, sich per Mail zu bewerben. Hier gilt es dann, mit kurzen, aussagekräftigen Texten zu punkten. Wird es zu langatmig, schalten viele Personalchefs ganz schnell ab. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit, sich in Stellenbörsen wie Monster.de zu bewegen. Arbeitnehmer müssen zunehmend auf solchen virtuellen Markt plätzen zu Hause sein, wenn sie einen Job suchen oder aber selbst eine gut formulierte Anzeige dort einstellen wollen. Auch wenn rund 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sogenannte „Offliner“ sind, dem Internet also die kalte Schulter zeigen – der Zug in Richtung digitale Medienwelt und Internet dürfte nicht mehr aufzuhalten sein. Umso wichtiger ist es, die Bürger schon in jungen Jahren darauf vorzubereiten. Das Stichwort lautet dabei Medienkompetenz. Das heißt, es gilt, den verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet früh einzuüben und vor allem auch über mögliche Gefahren und Fallstricke zu informieren. Thema Wirtschaft Nr. 119 Seite 4 2. Medienkompetenz als Bildungsauftrag Ein Begriff macht Karriere: Anfang der 90er Jahre beschäftigte sich zunächst nur eine kleine Fachöffentlichkeit mit dem Thema Medienkompetenz. Inzwischen ist der Begriff in aller Munde. Immerhin wird die Fähigkeit zum „korrekten“ Umgang mit den neuen Medien Internet, Multimedia, Handy und Co. als die Schlüsselqualifikation in der modernen Mediengesellschaft betrachtet. Wer „Medienkompetenz“ in die Suchmaschine Google eingibt, erhält sekundenschnell bereits mehr als 750.000 Links zu Aufsätzen, Büchern oder entsprechenden Projekten. Begriffsbestimmung Was unter Medienkompetenz genau zu verstehen ist, hat der deutsche Medienpädagoge und Erziehungswissenschaftler Professor Dieter Baacke bereits zu Beginn der 90er Jahre definiert. Seine Begriffsbestimmung wird auch heute noch als allgemeingültig betrachtet. Baacke unterteilt den Begriff der Medienkompetenz in vier Bereiche: • Dazu gehört an erster Stelle die Fähigkeit zur Medienkritik, also zur Analyse (problematischer) gesellschaftlicher Prozesse. Eines der Themen ist die Medienkonzentration. Wenn Fernsehsender oder Zeitungen in der Hand nur weniger Unternehmer oder Konzerne sind, können diese ihre Marktmacht zu politischen Zwecken missbrauchen. Ein Beispiel dafür ist die meinungsprägende Übermacht des italienischen Ministerpräsidenten und Medienunternehmers Silvio Berlusconi. An der Spitze liegen die großen drei So viel Prozent der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland nutzen 2009 die folgenden Websites wöchentlich Videoportale (wie zum Beispiel YouTube) Private Netzwerke und Communitys (Nutzer mit eigenem Profil) 59 Wikipedia 43 Fotosammlungen, Communitys 16 Berufliche Netzwerke und Communitys 6 (Nutzer mit eigenem Profil) Weblogs 5 Lesezeichensammlungen 4 Befragung von 1.212 Onlinenutzern ab 14 Jahren Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudie, 2009 © 2009 IW Medien • TW 119 58 • Daneben tritt als Zweites die Medienkunde. Sie umfasst das Wissen um Aufgabe und Struktur von Mediensystemen wie den dualen Rundfunk in Deutschland, worunter man das gleichzeitige Bestehen von privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunk- sowie Fernsehprogrammen versteht. • Den dritten Sektor markiert die Nutzungskompetenz. Das ist die Fähigkeit, neue Geräte technisch zu bedienen und ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. – etwa Online-Banking und Teleshopping durchzuführen, und zwar in vernünftiger Weise und mit dem nötigen Sicherheitsbewusstsein. Beim Fernsehen wiederum sollten die Nutzer beispielsweise dazu in der Lage sein, für den Nachwuchs kindgerechte Programme auszuwählen. Ebenfalls in diese Kategorie gehört es, Leserbriefe verfassen und Kommentarfunktionen im Internet nutzen zu können. • Last but not least kommt die Mediengestaltung hinzu, die allerdings nur die in diesem Bereich tätigen Fachleute für Bild und Ton angeht. Sie werden vor allem von Rundfunkanstalten, Werbeagenturen oder Fernseh-Produktionsfirmen eingesetzt. Eine weitere, ebenso differenzierte Aufgabenbeschreibung stammt von Norbert Schneider, dem Direktor der für die Privatfunkzulassung und -aufsicht zuständigen Landesanstalt für Medien NordrheinWestfalen (LfM). Demnach ist mit Medienkompetenz sinngemäß zum Beispiel alles gemeint, was • zu Kenntnissen und Fertigkeiten im Umgang mit den Medien führt, • eine sinnvolle Mediennutzung begründen, begüns tigen oder fördern kann, • zu einem vernunftgesteuerten, nüchternen alltäglichen Gebrauch von Medien führt, • sich in Schulen und Universitäten beim Lernen und Lehren direkt oder indirekt mit Medien auseinandersetzt, • den Einfluss der Medien auf die demokratische und kulturelle Entwicklung im Land analysiert und • die Nutzer vom Einfluss der Medienproduzenten unabhängiger macht und die Selbstständigkeit im Umgang mit den Medien stärkt. Weil die Entwicklung rasend schnell vorangeht, und die digitale Welt immer neue Anforderungen stellt, muss die Medienkompetenz ständig mitwachsen. Schneider bringt deshalb den Begriff der dynamischen Medienkompetenz ins Spiel. Damit wird man den schnellen Veränderungen der Mediennutzung, insbesondere durch das Web 2.0, wesentlich besser gerecht. Eine der Hauptveränderungen im Umgang mit Kommunikationsmitteln lautet: Der Mediennutzer ist seiner vorher weitgehend passiven Rolle entwachsen. Damit Thema Wirtschaft Nr. 119 hat sich das klassische Sender-Empfänger-Verhältnis aufgelöst, das über Jahrzehnte die Medienwirklichkeit geprägt hat. Gefahren und Fallstricke Wer die andauernden Diskussionen in Zeitungen und im Fernsehen verfolgt, bekommt den Eindruck, dass das Erwerben von Medienkompetenz bei der jungen Zielgruppe noch keine ausreichende Beachtung findet. Internetsucht, gewalttätige Computerspiele, pornografische Filmclips auf dem Handy – das ist der Stoff, aus dem Schlagzeilen entstehen, wenn es um das Thema Jugendliche und Medien geht. Schon vor zwei Jahrzehnten stand das Negative im Vordergrund, als 1984 das Privatfernsehen gestartet wurde. Jahrelange öffentliche Auseinandersetzungen über mögliche schädliche gesellschaftliche Folgen eines größeren TV-Angebots nach US-Vorbild gingen der Marktöffnung für private Veranstalter voraus. Pädagogen und Soziologen befürchteten negative Auswirkungen auf die Heranwachsenden und deren Familienleben durch einen grenzenlosen Fernsehkonsum. Unvorbereitet sah sich die Gesellschaft mit Reality-TV-, Krawall-Talkshows und zunehmenden Sexund Gewaltdarstellungen konfrontiert. Medienkompetenz wurde plötzlich ein wichtiges Thema. Vieles von dem, was Skeptiker damals befürchteten, ist nicht eingetreten. Insbesondere der erwartete uferlose TV-Konsum von Kindern und Jugendlichen wurde nicht zur Realität. So verringerte sich die tägliche durchschnittliche Sehdauer der 10- bis 13-Jährigen zwischen 1992 und 2007 sogar leicht von 111 Minuten auf 101 Minuten – und das bei andauernd steigendem Programm- und Kanalangebot. Heute weiß man: Neben der wachsenden Programmflut wirkt sich vor allem ein technisches Ausstattungsmerkmal auf den TV-Konsum der Kinder aus: das eigene TV-Gerät im Kinderzimmer. Kids, die darüber verfügen und somit unbeaufsichtigt von den Eltern fernsehen können, saßen 2007 im Schnitt 118 Minuten täglich vor der Mattscheibe, Kinder ohne eigenes TVGerät dagegen nur 80 Minuten. Der Umgang mit den Medien lässt sich also – wenigstens zum Teil – steuern. Im Umgang mit dem Internet treten allerdings neue Probleme auf. So hat Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, im Sommer 2009 festgestellt, dass etwa 3 Prozent aller Online-Nutzer abhängig sind und mehr als 10 Stunden pro Tag im Web mit Spielen verbringen. Weitere 4,7 Prozent der Jungen und 0,5 Prozent der Mädchen sind laut Bätzing gefährdet, von Computerspielen abhängig zu werden. Wie schwerwiegend das Seite 5 Glossar – Die Begriffswelt des Web 2.0 Account: Benutzerkonto, über das der Nutzer (User) seine Zugangsberechtigung mittels Benutzername und Kennwort und für den jeweiligen Dienst (E-Mail, Forum etc.) freischaltet. Avatar: Ein künstlich erschaffenes virtuelles „Ich“ in Form einer Fantasiefigur. Wird zum Beispiel in Computerspielen eingesetzt. Blog: Kurzform von Weblog, ein auf einer Website geführtes Tagebuch. Entweder öffentlich, das heißt für alle User mitlesbar, oder nicht öffentlich und somit nur für eine zuvor definierte Nutzergruppe verfügbar. Blogger: Autor/Schreiber eines Blogs. Die Tätigkeit des Schreibens nennt sich bloggen. Chatten: Der Begriff kommt aus dem Englischen „to chat“ für plaudern, sich unterhalten. In Echtzeit können Nutzer virtuell mit anderen über Tastatur und das Internet kommunizieren. Neben reinen Textchats gibt es auch Audio- und Videochats. Early Adopters: Bevölkerungsgruppe, die neue technische und kommunikationstechnische Neuerungen als Erste nutzen. Diese sogenannten „Innovatoren“ sind vornehmlich junge Männer und Jugendliche. YouTube/MyVideo: Internet-Videoportale, auf denen Benutzer kostenlos eigene Videoproduktionen hochladen, anschauen und an andere Benutzer versenden können. Mash-up (engl. “to mash“ – vermischen): Medienprodukte wie Texte, Bilder, Daten oder Töne werden collagenartig neu zusammengestellt und für andere Webanwendungen genutzt. Mash-ups verknüpfen zum Beispiel geografische Daten von Google Maps mit persönlichen Fotos oder Kleinanzeigen. Podcast: Eine im Internet veröffentlichte Audio- oder Videodatei; ursprünglich bezog sich der Begriff nur auf Hörbeiträge. Das Kunstwort Podcast setzt sich zusammen aus „iPod“ (MP3-Player von Apple) und dem englischen Begriff für Rundfunk „Broadcasting“. Posting/posten: Einstellen von Mitteilungen in Webforen, Newsgroups oder Blogs. Social Networks: „Online-Kontaktnetzwerke“, bei denen Nutzer eigene Inhalte einstellen und sich darüber austauschen können. Beispiele hierfür sind Facebook, MySpace, Flickr und XING. Thread: Die chronologische Abfolge von Postings (Diskussionssträngen) in Foren wird als Thread bezeichnet. Twitter (engl. to tweet = zwitschern): Soziales Netzwerk, bei dem angemeldete Benutzer eigene Textnachrichten mit maximal 140 Zeichen eingeben (Mikro-Blog) und damit öffentlich zugänglich machen. Wer Nachrichten anderer Benutzer regelmäßig lesen will, kann diese abonnieren. Er wird somit zum „Follower“ (engl. to follow = folgen). Unique User: Einzelne Nutzer, deren Besuch einer Internetsite in einem zuvor definierten Zeitraum gezählt wird. Die Anzahl der Unique User spielt für die Vermarktung von Webangeboten eine wichtige Rolle. User: Anwender eines Computerprogramms oder Nutzer eines Internetangebots (zum Beispiel Mitglied einer OnlineCommunity). Wikipedia: Kostenlose interaktive Online-Enzyklopädie, bei der jeder Nutzer einfach und ohne technische Vorkenntnisse Artikel erstellen oder verändern kann. Der Name Wikipedia setzt sich zusammen aus dem hawaiischen Wort „wikiwiki“ für „sehr schnell“ und dem englischen Wort „encyclopedia“ für „Enzyklopädie“. Thema Wirtschaft Nr. 119 Seite 6 sind nach Einschätzung von Pädagogen ernst zunehmende Hinweise darauf, dass eine SpielSo viel Prozent der ... lasen Tageszeitungen sucht vorliegen könnte. Neben unerwünschten sozialen Folgen erwar14- bis 19-Jährigen 20- bis 29-Jährigen 30- bis 39-Jährigen ten Wissenschaftler sogar Veränderungen bei der Hirnentwicklung Jugendlicher. Was das für die 85 77 77 72 Fähigkeit bedeutet, Informationen aufzunehmen 68 67 57 56 und zu verarbeiten, Texte zu lesen und systema47 tisch zu lernen, ist noch unklar. „Auf jeden Fall kann sich die Art der persönlichen Beziehungen dramatisch verändern“, meint Psychiater Bert te 1988 1998 2008 1988 1998 2008 1988 1998 2008 Wildt von der Medizinischen Hochschule über 14-Jährigen 40- bis 49-Jährigen 50- bis 59-Jährigen Hannover: „Wir haben durch das Netz Kontakte insgesamt zu immer mehr Personen, die wir kaum oder gar 88 87 86 84 83 80 79 nicht kennen. Beziehungen werden oberfläch73 72 licher. Immer mehr Menschen sind gar nicht mehr an realen Beziehungen interessiert.“ Viele Internetabhängige, sagt te Wildt, hätten kein Verhältnis zu ihrem Körper mehr: „Das sind 1988 1998 2008 1988 1998 2008 1988 1998 2008 natürlich extreme Formen. Aber das Internet schwächt allgemein das Gefühl für reale menschTageszeitungen gelten nach wie vor als besonders glaubwürdiges Medium. Doch seit Jahren sinken die Auflagen und Reichweiten. liche Beziehungen. Damit könnte ein Stück sozialer Besonders die junge Generation geht in puncto Information andere Kompetenz in unserer Gesellschaft verloren gehen.“ Wege. Für die Verlage wird das mehr und mehr zum Problem. Denn Die Internet-Sozialisation hat schon jetzt handdie Jugendlichen wechseln auch mit zunehmendem Alter nicht ins Lager der Zeitungsleser, wie eine Langfristanalyse zeigt. Griffen im Jahr feste gesellschaftliche und ökonomische Auswir1988 noch gut 72 Prozent der damals 14- bis 19-Jährigen zur Zeitung, kungen. So büßt ausgerechnet die Zeitung, jenes waren es zehn Jahre später, bei den dann 20- bis 29-Jährigen, knapp 69 Prozent. Im Jahr 2008 outeten sich nur 67 Prozent der inzwischen Medium, das wegen seiner Informationsbreite, 30- bis 39-Jährigen als Tageszeitungsleser. Mit steigendem Alter wird Meinungsvielfalt und Kontrollfunktion für Politik die Zeitungslektüre also nicht beliebter, obwohl der Informationsbedarf durch Beruf und Familie wächst. Bei den heutigen Teenagern ist die und Wirtschaft für eine demokratische Bürgergetraditionelle Lektüre noch weniger en vogue: Gerade 47 Prozent der sellschaft so wichtig ist, seit Jahren junge Leser 14- bis 19-Jährigen halten sich mittels Tageszeitungen auf dem Laufenden. Das Internet hat hier schon deutliche Schneisen in die ein (Grafik und Textkasten links). Der LeserReihen der potenziellen Leser geschlagen. schwund hat vor allem zwei Gründe: Zum einen wird das Zeitunglesen in immer weniger Familien Quelle: Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse als wichtige Kulturtechnik von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Zum anderen hat das Internet Problem ist, zeigt auch diese Zahl: Eine repräsendie Lesegewohnheiten radikal verändert. Im Web retative Befragung von 15.000 Schülerinnen und Schügiert der schnelle Klick von Seite zu Seite; gewünscht lern ergab, dass bereits 16 Prozent der Jungen im werden kurze Texte, viele Bilder und unterhaltsame Alter von 15 Jahren täglich mehr als 4,5 Stunden vor Filmchen. Zudem hat sich im Netz eine „Kostenlosdem Computerbildschirm verbringen. Die negativen Mentalität“ etabliert nach dem Motto: Warum soll ich Folgen solch einer übermäßigen PC-Nutzung sind für Informationen zahlen, wenn ich doch alles umsonst bekannt: Probleme in der Schule, fehlende Sozialkonbekomme? takte sowie mangelnde Kommunikations- und KonEin Versuch, diesem Trend entgegenzuwirken, ist fliktfähigkeit. das Medienkompetenz-Projekt „ZiSCH – Zeitung in Dabei stufen Experten das extensive Spielen von der Schule“. Bei ZiSCH erhalten Schulklassen von Online-Games wie „Counterstrike“ oder „World of Zeitungsverlagen über einen längeren Zeitraum Warcraft“ als Flucht aus der Wirklichkeit ein. Vor allem kostenlose Zeitungsexemplare. Diese werden dann im Jungen suchen aufregende Abenteuer in der virtuellen Unterricht genutzt. Ergebnis: Viele Schüler, die bei Welt, Selbstbestätigung und Anerkennung – Dinge, ZiSCH mitgemacht haben, bleiben der Zeitung auch die ihnen im wirklichen Leben oftmals verwehrt bleiweiterhin treu. ben. Eine tägliche Spielzeit von vier bis fünf Stunden, Ein weiteres pädagogisches Problem ist der hohe Verzicht auf Sport und Freunde, Gelenkschmerzen, Gewaltgehalt vieler Online-Spiele. Die abstumpfende psychische Veränderungen und schlechte Schulnoten © 2009 IW Medien • TW 119 Gesucht: Junge Leser Thema Wirtschaft Nr. 119 Jeder Vierte stöbert gerne So viel Prozent der Mitglieder privater Communitys/Netzwerke nutzen folgende Funktionen täglich wöchentlich Persönliche Nachrichten an Community-Mitglieder versenden 32 36 Stöbern in Profilen anderer Mitglieder 25 30 Suche nach Kontakten, Bekannten 18 32 Schreiben von Beiträgen und Kommentaren innerhalb der Community 16 29 Suche nach Informationen 12 22 © 2009 IW Medien • TW 119 Wirkung von zu viel virtueller Grausamkeit kann dazu führen, so die Befürchtung, dass Jugendliche im realen Leben schneller und öfter gewalttätig werden. Nicht ohne Grund werden vor allem im Nachgang zu Amokläufen in Schulen öffentliche Forderungen laut, die Gewalt in Computer- und Online-Spielen, aber auch in TV-Sendungen und Videofilmen deutlich einzuschränken. Mit großer Sorge schauen Jugendschützer auch auf die Befunde in Sachen Handy. Rund ein Drittel der 12- bis 19-jährigen Besitzer eines Mobiltelefons, so einschlägige Untersuchungen, hat dabei zugeschaut, wie eine Schlägerei mit Handys gefilmt wurde. Genau so viele haben im Freundeskreis erlebt, dass gewalt tätigeund pornografische Inhalte ausgetauscht wurden. Jeder zehnte Jugendliche schließlich hat schon einmal jugendgefährdende Inhalte auf seinem Handy empfangen. Zunehmend in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerät auch eine andere Fehlentwicklung: die leichtfertige Veröffentlichung von persönlichen Daten in sozialen Netzwerken wie Facebook oder SchülerVZ. Viele Jugendliche geben dort nur allzu offen Informationen über ihre Hobbys, Vorlieben und persönlichen Verhältnisse preis und sind sich deren Tragweite häufig nicht bewusst. Bilder von Alkoholexzessen, die in Bierlaune auf Facebook hochgeladen werden, oder unbedachte Äußerungen über mögliche künftige Arbeitgeber können durchaus noch Jahre später Probleme bereiten. Jüngst ergab eine Studie bei 500 Unternehmen, dass sich 28 Prozent der befragten Firmen bei der Jobvergabe systematisch im Netz vorab informieren, was über den Bewerber bekannt ist. Das kann das schnelle Aus für Job-Aspiranten bedeuten, noch bevor sie sich im Vorstellungsgespräch persönlich präsen tieren können. Andererseits hilft das Web den Unternehmen dabei, Jobs schneller zu besetzen und geeignete Mitarbeiter leichter aufzuspüren. Für junge Berufsanfänger bedeutet die neue Praxis aber vor allem: Bevor es mit der Bewerbung losgeht, erstmal eine Zeit lang mit dem sogenannten EgoGoogeln verbringen – das heißt, gewissenhaft zu recherchieren, was alles unter dem eigenen Namen im Netz veröffentlicht ist. Es muss jedem klar sein, dass es im Web für Informationen (noch) kein Verfallsdatum gibt. Daten bleiben dort über lange Zeiträume erhalten und können entsprechend einfach von jedermann abgerufen werden. Zwar gibt es inzwischen Agenturen, die digitale Fußstapfen im Web verwischen. Doch das ist teuer, mühsam und auch nicht in allen Fällen erfolgreich. So Seite 7 Befragung von 1.212 Onlinenutzern ab 14 Jahren, davon 407 Mitglieder privater Communitys/Netzwerke; Mehrfachnennungen; Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie, 2009 bleibt es eine wichtige Aufgabe für Eltern und Lehrer, Jugendliche frühzeitig auf solche Fallstricke hinzuweisen – genauso wie auf „Abzocker-Seiten“ im Web, bei denen die Unerfahrenheit von Jugendlichen ausgenutzt wird und ihnen zum Beispiel teure Softwareoder Klingelton-Abos untergejubelt werden. Häufig kennen Jugendliche auch nicht die Urheberrechtsproblematik, wenn sie im Netz unterwegs sind. So werden beispielsweise Filme und Bilder ohne Nachfrage bei den Urhebern zu eigenen „Werken“ weiterverarbeitet. Stehen diese dann erst einmal im Netz, können horrende Schadensersatzansprüche ins Haus flattern. Dies betrifft auch das systematische Downloaden von Musikdateien. Spezielle Anwaltsund Detektivbüros spüren diesen Fällen im Auftrag der Musikwirtschaft immer häufiger nach. Wer er wischt wird, muss mit Regressforderungen rechnen und kann sogar vor dem Kadi landen. Verbraucherschützer warnen in jüngster Zeit vor vermeintlich kostenlosen Internetspielen, durch die Jugendliche zu hohen Ausgaben veranlasst würden. Um bei solchen „Gratisspielen“ erfolgreich zu sein, seien oft nur gegen Bezahlung erhältliche virtuelle Extras erforderlich. Nach einer neuen Studie des Bundeskriminalamts (BKA) und des Branchenverbands Bitkom hat die Internetkriminalität erheblich zugenommen. „Mehr denn je müssen sich PC-Nutzer auf dem Laufenden halten, wie sie sich vor Kriminellen schützen können“, kommentierte dies Bitkom-Chef Dieter Kempf. Der Studie zufolge wurde bereits jeder zweite Deutsche Opfer von Netzkriminalität. Allerdings zählt der Verband auch Virenattacken zu den Straftaten. Diese machen den größten Teil der Betrugsfälle aus. Seite 8 Thema Wirtschaft Nr. 119 Netiquette: Direktiven für den Umgang miteinander Die folgenden Regeln (Auszüge) gelten verbindlich für alle, die an der Community von sueddeutsche.de teilnehmen: Umgangston Redaktion und Leser von sueddeutsche.de legen Wert auf einen freundlichen und verständlichen Umgangston. Bleiben Sie in Diskussionen also sachlich und sachbezogen! Verzichten Sie darauf, andere persönlich anzugreifen oder gar zu beleidigen! Halten Sie sich ans Thema! Nickname und Avatar Leser dürfen sich bei der Registrierung frei einen Nicknamen wählen. Nicknamen, die gegen Gesetze verstoßen oder beleidigenden oder anstößigen Inhalts sind, sind davon ausgeschlossen. Postings Bitte halten Sie sich bei Ihren Beiträgen an das Thema der jeweiligen Diskussion. Namen, Postadressen und Telefonnummern der User haben in den Diskussionssträngen hier nichts verloren. Veröffentlichen Sie nicht denselben Beitrag in unterschiedlichen Kommentarsträngen (Crossposting). Zuwiderhandlungen werden gelöscht. Urheberrecht/ Recht auf Privatsphäre Das derzeitige Urheberrecht verbietet das Umgehen eines Kopierschutzes und illegale Downloads aus dem Internet. Daher dulden wir keine Hinweise (Nennung) und Tipps auf Programme, mit denen dies möglich ist. Ebenso nicht geduldet sind Tipps zu WareZ bzw. zur Verletzung des Urheberrechtes wie auch das Veröffentlichen von unerlaubten Downloads/Seriennummern oder Verweise auf Internet-Seiten, auf denen jene Software/Seriennummern angeboten werden. Einträge, die dagegen verstoßen, werden gelöscht. Außerdem wird der User verwarnt bzw. gesperrt. Ebenso nicht geduldet sind verbale Angriffe auf andere Nutzer, die Nennung oder die Dokumentation privater Details aus dem Leben anderer Nutzer – es sei denn, der so genannte oder im Bild dokumentierte Nutzer erklärt sich damit ausdrücklich einverstanden. Auch hier verwarnen und sperren wir Nutzer, die dagegen verstoßen. Meinungsfreiheit Unterschiedliche Meinungen sind willkommen. Sie verpflichten sich, die Meinungen anderer zu akzeptieren. Bleiben Sie auch in harten Auseinandersetzungen sachlich, greifen Sie andere nicht an, beleidigen Sie nicht. Behandeln Sie andere so, wie Sie selbst behandelt werden möchten. Petzen Wenn Ihnen Leserkommentare unangenehm auffallen, nutzen Sie bitte die Petzen-Funktion. Die Redaktion wird sich darum kümmern. Quelle:www.sueddeutsche.de Bei 5 Prozent der Nutzer wurden persönliche Zugangsdaten ausspioniert. Auf diese digitalen Nutzerprofile hätten es die Kriminellen besonders abgesehen, sagte Kempf. Die sogenannte Underground Economy würde für Adressen, Kontodaten, aber auch Informationen über Hobbys und Berufe hohe Preise bezahlen. Im Netz gebe es Online-Shops, in denen Kriminelle gezielt nach Kreditkarten-Daten, E-Mail-Zugängen oder gehackten Webseiten suchen könnten. Kempf mahnte, viele Nutzer gingen zu sorglos mit ihren Daten um. Sechs von zehn Nutzern seien etwa bereit, Namen und Adressen in Webformularen einzutragen – etwa um bei Anbietern Waren oder Dienstleistungen zu kaufen. 38 Prozent der Surfer tippten auch Bankverbindungen oder persönliche Daten zu Beruf oder Hobby in die Eingabefelder der OnlineAnbieter ein. „Früher wäre niemand auf die Idee gekommen, seine Tagebücher ans Schwarze Brett zu nageln“, sagte Kempf mit Blick auf soziale Netzwerke wie Facebook oder StudiVZ. BKA-Chef Jörg Zierke kündigte eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Polizei an, um dann einzuschränken: „Man muss sich im Klaren darüber sein, dass es absolute Sicherheit im Web niemals geben wird.“ Web und Wirtschaft Eine Studie hat belegt, dass sich Arbeitnehmer im Büro im Durchschnitt nur noch elf Minuten konzentrieren, bevor sie durch SMS, Telefon oder E-Mail bei ihrer Arbeit gestört werden. Bei allen Risiken und Problemen ist aber klar: Nur wer sich in der digitalen Welt zurechtfindet und dort auch aktiv ist, kann in Ausbildung und Job mithalten. Bei vielen jungen Leuten ist diese Realität zum Glück bereits angekommen: Während 1998 erst 27 Prozent der 12- bis 19-Jährigen den Computer für die Schule und zum Lernen einsetzten, waren es 2008 schon 37 Prozent. Bei der Frage nach den Internetaktivitäten nannten 38 Prozent aus dieser Zielgruppe die „Suche nach Informationen für die Ausbildung“ als eine Beschäftigung, der sie mehrmals pro Woche nachgehen. Im beruflichen Bereich hat die Computertechnologie in den vergangenen 20 Jahren einschneidende Veränderungen mit sich gebracht. Arbeitsabläufe wie die Textproduktion wurden von Grund auf verändert; neue Berufe sind entstanden – zum Beispiel: • Die Aufgabe von Webdesigner ist in erster Linie die Gestaltung von Webseiten, einschließlich etwa einer sinnvollen Nutzerführung. Thema Wirtschaft Nr. 119 Seite 9 • Online-Redakteure schreiben nicht nur fürs Internet, Geschäftskontakte gelegt haben. Diese Angebote – zu sie sorgen auch dafür, dass die Seiten mit anderen den bekanntesten gehören XING und LinkedIn – werInhalten wie Videos bestückt und sinnvoll verlinkt den inzwischen von einem Zehntel der im Internet werden. aktiven Bundesbürger zumindest gelegentlich genutzt. • Content-Manager sind Mitarbeiter von Verlagen Sie wenden sich allerdings in erster Linie an Fach- und oder Medienhäusern, die Webseiten inhaltlich steuern Führungskräfte, die ihre Erfahrungen austauschen und und das zugrunde liegende Content-Managementneue geschäftliche Kontakte in aller Welt knüpfen System technisch bedienen. Ferner managen sie den wollen. Austausch von Inhalten mit anderen Firmen und akInternet und Web 2.0 zeigen besonders plastisch, quirieren Werbung. dass der Wechsel von der Industrie- zur Informations• Community-Manager sind im weitesten Sinne dafür oder Wissensgesellschaft in vollem Gange ist. Dieser zuständig, die Nutzer einer Internetseite zu betreuen Prozess wird in seinen Auswirkungen mit denen der und an diese zu binden. Dazu können sie zum Beispiel industriellen Revolution verglichen. Der Einsatz gloDiskussionsforen moderieren, Gewinnspiele veranstalbaler Information und Kommunikation verändert das ten, zu Treffen einladen etc. System der Wertschöpfung • Netzwerkbetreuer helfen, durchgreifend: Ein immer Zitat die firmeninterne Computergrößerer Anteil des Brutnetze zu verwalten. tosozialprodukts stammt „Für Menschen, die die neuen Dagegen verschwinden imaus dem InformationssekMedien, etwa soziale Netze oder mer mehr traditionelle Betor. Information ist zum das digitale Fernsehen, nicht nutzen rufsfelder, weil sie von der vierten großen Produktikönnen, wird es schwierig, mit der neuen Technik überflüssig geonsfaktor neben RohWelt draußen zu interagieren und an macht werden, wie beispielsstoffen, Arbeit und Kapital ihr teilzuhaben. Wir müssen darauf weise Arbeitsplätze in Telegeworden. achten, dass jeder über Medienkomfonzentralen oder SchreibbüDie Informations- oder petenz verfügt und keiner ausgeros. Nicht selten sind ganze Wissensgesellschaft ist schlossen wird.“ Branchen betroffen. Beispiel vor allem gekennzeichnet Zeitungsproduktion: Durch durch die folgenden EntViviane Reding, für die Informationsgedie Umstellung vom Bleisatz wicklungen: sellschaft und Medien zuständiges EUauf die Computertechnik ver• Die Nationen und WirtKommissionsmitglied schwanden ganze Berufsschaftsräume vernetzen gruppen wie etwa die der sich immer stärker und Setzer. Ein neuer Trend betrifft die Buchverlage. Durch sind damit auch stärker aufeinander angewiesen als das E-Book, bei dem Bücher oder Zeitungen auf ein bisher. transportables digitales Lesegerät geladen werden, • Globale Entwicklungen wirken immer stärker auf könnte das gedruckte Buch zugunsten des elektrodas individuelle Handeln. Umgekehrt kann lokales nischen in absehbarer Zeit an Bedeutung verlieren. Handeln auch eher global wirksam werden. Für Unternehmer und Existenzgründer in spe bietet • Die gewohnten Distanzen zwischen Arbeit, Freizeit das Netz mittlerweile ganz neue Betätigungsfelder, und Lernen werden immer kleiner. wenn es um Geschäftskontakte oder neue Kunden geht. • Die Informationsgesellschaft wird transparenter Bekannt und eingeführt sind bereits Handwerkerporund komplizierter zugleich. tale wie MyHammer.de. Dort stellen Auftraggeber ein, Auf diese Weise entsteht eine Vielzahl neuer Lern-, welche Arbeiten sie ausführen lassen wollen, und Arbeits- und Dienstleistungsmöglichkeiten. Dazu Handwerker bewerben sich darauf mit einem Gebot. gehört beispielsweise das Telelearning und der Wandel Relativ neu sind Plattformen für sogenannte Mikroder Universitäten weg von der Präsenzanstalt hin zum jobs. Dort werden Arbeiten für virtuelle Tagelöhner Lernen in den eigenen vier Wänden. Dazu werden die angeboten. Sie sollen zum Beispiel Bildmaterial sichLerninhalte vom Zentralcomputer an die Studenten ten und ordnen oder Liedtexte kreieren. Das Problem: via Telefonleitung weitergegeben („virtuelle Uni Die Entlohnung ist meist so gering, dass man davon versität“). nicht leben kann. Ein weiterer neuerer Trend ist Telearbeit (TeleInteressanter scheinen da schon jene privaten Comworking). Dabei wird die Arbeit zu Hause am Communitys zu sein, die ihren Schwerpunkt auf Beruf und puter erledigt. Die Ergebnisse gelangen über das Thema Wirtschaft Nr. 119 elefonnetz oder mittels Satellitenübertragung in die T Verwaltungen und Betriebe. Homebanking (Erledigung der Bankgeschäfte per Telefon oder Computer) und Teleshopping (Kauf vom Fernsehsessel aus, Bestellungen via Telefon oder Internet) sind dagegen schon für viele Bürger eine Selbstverständlichkeit. Mehr oder weniger in den Kinderschuhen steckt einstweilen noch die Telemedizin, also die Ferndiagnose und -behandlung mithilfe technischer Kommunikationsmittel. Angesichts der Kostenexplosion im Gesundheitswesen dürften sich auch hier zumindest mittelfristig Effizienzpotenziale heben lassen. Immer mehr Unternehmen in Deutschland digitalisieren ihre Geschäftsprozesse, um die Chancen des sogenannten E-Business zu nutzen. Dessen Lösungen reichen vom einfachen Online-Shop oder Katalogsys temen bis zur elektronischen Abwicklung von Beschaffungs-, Vertriebs- und Logistikprozessen. Für die Betriebe sind die E-Business-Anwendungen wichtige Erfolgsfaktoren im Wettbewerb. Sie setzen dabei beispielsweise auf folgende Vorteile: • Automatisierte Warenbestellungen reduzieren Kosten. • Online-Shops und E-Marktplätze erschließen neue Märkte. • Customer Relationship Management hat das Ziel, die Kundenbeziehungen zu optimieren. Dazu erfolgen analytische Auswertungen kundenbezogener Daten. • Elektronisch unterstützte Prozesse sparen Zeit – etwa bei Bestellungen und Abrechnungen. • Auf einer eigenen Homepage und in elektronischen Katalogen werden Waren immer aktuell präsentiert. • Einfacher Informationsaustausch verbessert die Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen. • Digitale und damit genauere Geschäftsprozesse verkürzen Lieferzeiten und reduzieren Retouren. • Etiketten mit Barcodes oder RFID (Radio Frequency Identification = Funkerkennung) ermöglichen eine lückenlose Rückverfolgbarkeit. Beim Umstellungsprozess können Firmen auf die Hilfe durch Förder- und Beratungsprojekte wie PROZEUS in Köln zurückgreifen. Die PROZEUSExperten ermitteln, welche E-Business-Anwendungen sich für ein Unternehmen eignen, und verbessern so dessen Kompetenz im Umgang mit den neuen Technologien. Vermittlung von Medienkompetenz Mittlerweile sind fast alle gesellschaftlichen Lebensbereiche von Elektronisierung und Digitalisierung der Kommunikation grundlegend betroffen – Seite 10 Medienkompetenz – Rat und Hilfe im Netz Wichtige Anlaufstellen für Medienkompetenz und Jugendmedienschutz: www.bundespruefstelle.de/ Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, aktuelle Broschüre der Bundesprüfstelle zum Thema „Wegweiser Jugendmedienschutz – Ein Überblick über Aufgaben und Zuständigkeiten der Jugendmedienschutzinstitutionen in Deutschland“ (kostenlos anzufordern) www.fsm.de Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) e.V. www.ein-netz-fuer-kinder.de Gemeinsame Initiative von Politik, Wirtschaft und Institutionen des Jugendmedienschutzes www.jff.de Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis befasst sich in Forschung und pädagogischer Praxis mit dem Medienumgang der heranwachsenden Generation. www.pegi.info/de Das europaweite System PEGI (Pan-European Game Information) zur Vergabe von Altersempfehlungen gibt Eltern in Europa beim Kauf von Computerspielen wichtige Informationen zur Hand. www.slm-online.de Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) www.mpfs.de Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) www.lfm-nrw.de Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) www.blm.de Bayerische Landeszentrale für neue Medien www.uni-leipzig.de Das Zentrum für Medien und Kommunikation (ZMK) ist eine zentrale Einrichtung der Universität Leipzig. www.gmk-net.de Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Die GMK will die Medienpädagogik, Medienkompetenz und Kommunikationskultur in der Bundesrepublik und in Europa fördern und verantwortlich mitgestalten. www.medienarbeit-nrw.de Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Medienarbeit NRW e.V. (LAG LM): Die 160 Mitglieder, die in der nicht kommerziellen Medienarbeit und Medienbildung in NordrheinWestfalen aktiv sind, leisten eigenständige kulturelle, soziale, politisch-bildende und pädagogische Medienarbeit vor Ort. www.kjm-online.de Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten besonders aber der Bildungssektor. „Lebenslanges Lernen“ heißt die wohl wichtigste Antwort auf die Herausforderungen der neuen Informations- und Kommunikationstechniken. Die Vermittlung von Medienkompetenz spielt dabei eine zentrale Rolle. Thema Wirtschaft Nr. 119 In Studium, Berufsausbildung und Job wird künftig noch weniger ohne Computer und Internet laufen. Grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit den digitalen Medien müssen deshalb Bestandteil der Medien kompetenzvermittlung sein. Dazu gehört es, • Nachrichteninhalte zu bewerten und Schlüsse daraus zu ziehen – beispielsweise, um die eigenen demokratischen Bürgerrechte sinnvoll wahrzunehmen (Entscheidungen bei Bundestags- oder anderen politischen Wahlen), • eigene Urheberrechtsverstöße im Netz identifizieren zu können und sich entsprechend beraten zu lassen, • die informationelle (die Informationen betreffende) Selbstbestimmung als wichtiges Gut zu erkennen und zu wahren, indem mit persönlichen Daten im Netz vorsichtig umgegangen wird und Verstöße durch Dritte nicht hingenommen werden, • Recherchen im Netz durchzuführen (Informationsbeschaffung) und die gewonnenen Daten systematisch auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen – zum Beispiel durch den Vergleich verschiedener Quellen, • dass Kinder und Jugendliche über die Gefahren in Chaträumen (Stichwort: sexuelle Belästigung) aufgeklärt werden und ihnen geholfen wird, wenn sie im Netz mit Mobbing, also Lästerattacken, konfrontiert werden, • mit Jugendlichen über die Gefahren durch OnlineSpielsucht zu diskutieren und Anzeichen dieser Abhängigkeit frühzeitig zu erkennen, • das Bewusstsein zu entwickeln, dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist, sondern Beleidigungen und Verleumdungen dort genauso juristisch verfolgt werden können wie in der Realität und • besonders auf die Netiquette (aus: Net = Netz und etiquette = Etikette, vgl. Textkasten auf Seite 8), also auf gutes Benehmen im Web, zu achten und die Fähigkeit zu entwickeln, formal korrekte und verständliche E-Mails zu erstellen. Die Wichtigkeit von Medienkompetenz hat auch die Europäische Kommission erkannt und im August dieses Jahres Leitlinien zu deren europaweiten Förderung verabschiedet. Darin wird betont, wie wichtig entsprechende Anstrengungen für die Stärkung der Demokratie und die Entwicklung der Kommunikationswirtschaft sind. Außerdem sei Medienkompetenz ein Faktor für Integration und bürgerschaftliche Teilhabe in der heutigen Informationsgesellschaft. Sie vermittle grundlegende Fähigkeiten nicht nur für junge Menschen, sondern auch für Erwachsene, namentlich für ältere Menschen, Eltern, Lehrkräfte und Angehörige der Medienberufe. Seite 11 Weiterführende Links für Eltern und Lehrer www.computerspielschule.org In der Computerspiel-Schule-Leipzig können sich Eltern und Pädagogen Wissen rund um PC-Spiele aneignen (Jugendmedienschutz, Spielgenres und Spielplattformen). Unterstützt werden sie dabei von medienkompetenten Kindern und Jugendlichen. www.klicksafe.de Hier gibt es jede Menge Tipps und Materialien zu den wichtigsten Jugendmedienschutz-Themen sowie aktuelle Informationen zu den Chancen und Risiken der Internetnutzung. www.schau-hin.info Die Seite bietet Eltern eine praxisnahe Orientierungshilfe zur kindgerechten Mediennutzung und -erziehung. www.lse.ac.uk/collections/EUKidsOnline/ „Was wissen wir über das kindliche Nutzungsverhalten im Online-Bereich?“ Diese Frage versuchten 30 Institutionen mit 70 Forscherinnen und Forschern aus 21 EU-Ländern zu beantworten. Die Zielgruppe waren alle bis 18-jährigen Europäer und ihre Eltern. Die Kommission plant deshalb eine Studie über die Gefahren im Zusammenhang mit der Weitergabe personenbezogener Daten im Online-Umfeld und darüber hinaus eine weitere Untersuchung zur optimierten Nutzung von Suchmaschinen. Ferner will Brüssel auf eine einheitliche Definition des Begriffes Medienkompetenz hinarbeiten. Den Mitgliedsstaaten wird empfohlen, „auf Konferenzen und anderen öffentlichen Veranstaltungen eine Debatte in Gang zu setzen über die Aufnahme der Medienerziehung in die schulischen Pflichtlehrpläne sowie in die Liste der Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen“. Als föderaler Staat, in dem die Verantwortung für Bildung und Kultur bei den Ländern liegt, hat es Deutschland naturgemäß etwas schwerer, eine einheitliche Strategie mit Blick auf die Förderung der Medien kompetenz zu entwickeln. Gemessen an diesem Handicap ist gleichwohl in den vergangenen zehn Jahren viel passiert. Denn angesichts der wachsenden Bedeutung der Medien in Alltag und Arbeitswelt hat sich in der Politik inzwischen auch hierzulande das Bewusstsein durchgesetzt, dass vor allem Kinder und Jugendliche eine gezielte Förderung brauchen, um in der sich rasant ändernden Medienwelt klarzukommen. So haben mittlerweile die meisten Bundesländer Medienkunde in ihre Lehrpläne aufgenommen. Es gibt zudem staatliche Unterstützung für Projekte, die Eltern und Kindern bei der Entwicklung von Medienkompetenz helfen. Außerdem haben mit dem Thema vertraute Thema Wirtschaft Nr. 119 Interessante Links für Kids Die Internetsuchmaschine für Kinder: Außerdem gibt es Nachrichten, Basteltipps, Spiele und noch vieles mehr. www.sowieso.de Online-Zeitung für Kinder: Berichtet aktuell, lebendig und für Kinder und Jugendliche verständlich über Politik, Gesellschaft, Kultur und Sport. Außerdem haben Kids die Möglichkeit, als „Reporter“ eigene Texte zu schreiben. www.internauten.de Die Website möchte Kindern altersgerecht Medienkompetenz vermitteln. Neben Tipps für eine sichere und kompetente Nutzung des Internets finden sich Nachrichten sowie Buch- und Filmtipps. Für Eltern und Lehrer wird ein Extra-Informationsbereich mit Informationsmaterial angeboten. www.kummernetz.de/kinder Internetseelsorge für Kinder bis 12 Jahren: In Foren und Chats helfen Fachleute bei allem, was Kindern Sorgen macht. Aber auch Gleichaltrige geben Tipps. Auf Wunsch ist auch eine Mail- oder Einzel-Chat-Beratung möglich. www.kindercampus.de Auf der Website können Kinder beispielsweise unterschiedliche Spiele ausprobieren, mit der Suchmaschine Clikks nach interessanten Webseiten suchen sowie sich auf die „Mission Internet“ begeben und damit das Internet besser kennenlernen. www.internet-abc.de/kinder/ Kinder ab 10 Jahren können ihren Internet-Führerschein machen, indem sie spielerisch ihr Wissen über das Web testen. Institutionen wie die für die Privatfunkaufsicht zuständigen Landesmedienanstalten vielfältige Förderprogramme auf den Weg gebracht. Gleichzeitig wurde das gesetzliche Instrumentarium geschärft und ausgeweitet. Wichtigste Neuerung: der „Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“ aus dem Jahre 2002. Sein Ziel ist der „einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden“. Dafür wurden neue Aufsichtsinstanzen wie die Kommission für Jugendmedienschutz oder die gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder „jugendschutz.net“ gegründet. Tatsächlich gibt es inzwischen auch jede Menge Projekte, in denen sich Lehrer, Pädagogen der außerschulischen Jugendarbeit, Eltern und last but not least die Jugendlichen selbst in Sachen Medienkompetenz weiterbilden können. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Landesmedienanstalten, die neben der Privatfunkaufsicht auch für die Förderung der Medienkompetenz zuständig sind. Beispiel Hessen: Mit insgesamt mehr als 140 Angeboten zur Medienbildung laden die Medienprojekt- Seite 12 zentren Offener Kanal (MOK) der dortigen Landesmedienanstalt allein im zweiten Halbjahr 2009 dazu ein, „medienkompetenter“ zu werden. Das Spektrum der Kurse, Seminare und Workshops reicht von dreistündigen Grundlagenvermittlungen über Fachvorträge, Elternabende, Tages- und Wochenendseminare bis hin zu mehrmonatigen Bildungsmaßnahmen. In diesen Projekten lernen zum Beispiel Kindergartenkinder, dass nicht alles Realität ist, was das Fernsehen zeigt. Oder sie werden angeleitet, über Werbung zu sprechen und dann eigene Werbespots zu produzieren. In anderen Kursen lernen Schüler, wie Lokalredaktionen arbeiten und wie man ein eigenes Lokalmagazin im Radio auf die Beine stellen kann. Lehrer wiederum setzen sich mit Themen wie Gewaltprävention, Medienkinder oder Handyclips auseinander. Eine andere Möglichkeit, junge Menschen zu erreichen, sind Tagungen wie „My News – zur Glaubwürdigkeit von Nachrichten“, die kürzlich in München stattfand und vom JFF Institut für Medienpädagogik organisiert wurde. In dieser unterrichtsergänzenden Veranstaltung lernten die Schüler, den Weg der Nachricht vom Ereignis zum Empfänger kennen. Journa listen berichteten darüber, welche Möglichkeiten es gibt, den Wahrheitsgehalt von News zu überprüfen. Statt auf stundenlange Vorträge wurde dabei auf eine Mischung aus kommunikativen Spiel- und Arbeitsgruppen gesetzt. In der Diskussion über den wachsenden Handlungsbedarf in Sachen Medienkompetenz spielte in den vergangenen Jahren der Gesichtspunkt der Chancengerechtigkeit eine besondere Rolle. Experten befürchten, dass die Gesellschaft über kurz oder lang in zwei Klassen zerfallen wird: in jene Gruppe, die mit der anschwellenden Informationsflut umzugehen versteht und sie für ihre privaten und beruflichen Erfordernisse einzusetzen weiß, und in jene, die nicht gelernt hat, Medieninhalte zu analysieren und zu bewerten. Da der Zugang zu den neuen Medientechnologien kaum noch ein Problem ist und fast alle Haushalte inzwischen Computer, Internet und Handy besitzen, wird es zunehmend wichtiger, den sinnvollen Umgang mit den neuen Techniken einzuüben. Untersuchungen zeigen nämlich, dass insbesondere formal niedriger gebildete Personen die Medien bisher vor allem zur Unterhaltung und damit passiv nutzen. Zur Medienkompetenzvermittlung gehört aber, das Interesse an gesellschaftlicher und politischer Information zu wecken, damit nicht nur die höher Gebildeten sich in dem steigenden Angebot zurechtfinden und die neuen Medien gezielt für sich einsetzen können. Karl Schawinsky 5/2009 Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Langjährige Tätigkeit als Medienjournalist und Dozent für Medienkunde an der Kölner Journalistenschule; seit 2002 zuständig für die Pressearbeit im Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Redaktion: Irina Berenfeld, Köln (verantw.) Telefon: 0221 4981-522 · Fax: 0221 4981-504 berenfeld@iwkoeln.de · www.iwkoeln.de · www.schule-wirtschaft.de Der Autor: ISBN 978-3-602-24319-8 (Druckausgabe) ISBN 978-3-602-45819-6 (E-Book|PDF) © 2009 Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH Postfach 10 18 63, 50458 Köln Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln Telefon: 0221 4981-452 Fax: 0221 4981-445 iwmedien@iwkoeln.de www.iwmedien.de Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH, Meckenheim ISBN 978-3-602-24319-8