- IW Medien

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Nr. 119
Karl Schawinsky
Die neuen Medien richtig nutzen
In Zusammenarbeit mit der
Bundesarbeitsgemeinschaft
Inhalt
1. Angebot und Nutzung ändern
sich ständig
1
Web 2.0 – das Mitmach-Internet
1
Ein Drittel des Tages für Medien
2
Neue Chancen – privat und im Beruf
3
2. Medienkompetenz
als Bildungsauftrag
4
Begriffsbestimmung
4
Gefahren und Fallstricke
5
Web und Wirtschaft
8
Vermittlung von Medienkompetenz
10
Hörfunk hat Zuspruch verloren
2008
1999
Fernsehen
Hörfunk
Internet
225
198
186
209
8
Quelle: Mediaperspektiven, Basisdaten 2008
58
© 2009 IW Medien • TW 119
So viele Minuten pro Tag nutzten Bundesbürger über 14 Jahren
durchschnittlich ...
Thema Wirtschaft Nr. 119
1. Angebot und
­Nutzung ändern sich
ständig
Web 2.0 – das Mitmach-Internet
Facebook, MySpace, StudiVZ oder Twitter – fast
täglich tauchen in Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen neue Begriffe aus der Welt des Internets auf.
Ältere Menschen werden im Mediendeutsch schon
„Digital Immigrants“ (digitale „Einwanderer“) genannt, weil sie die Computertechnologie erst im späteren Verlauf ihres Lebens kennengelernt haben. Sie
können mit den Begriffen aus der neuen Medienwelt
häufig kaum etwas an­fangen, selbst wenn sie inzwischen so weit sind, ihre Reisen im Internet zu buchen,
dort Bücher zu bestellen oder bei Ebay ihre abgelegten
Designerklamotten zu verkaufen.
Ganz anders dagegen die Generation der heute
20-Jährigen, die mit dem World Wide Web (WWW)
groß geworden ist. Die „Digital Natives“ („Einhei­
mische“) sind mit PC und Internet aufgewachsen und
haben sogar schon einen Teil ihres sozialen Lebens in
die virtuelle Welt verlegt. In sogenannten sozialen
Netzwerken verabreden sie sich mit Freunden, ­knüpfen
Bekanntschaften mit Gleichaltrigen aus aller Welt, um
über Hobbys, Filme und Musik zu chatten (reden,
diskutieren) oder als Avatare (virtuelle Stellvertreter)
in künstlichen Welten wie „Second Life“ zu flanieren.
Möglich wurde all dies durch einen neuen technologischen Schub im Internet: Im Jahre 2004 feierte
das Mitmach-Internet, auch Web 2.0 genannt, seinen
Durchbruch. Bis zu diesem Zeitpunkt war das WWW
in erster Linie eine textlastige, mit statischen Bildern
ausgestattete Einbahnstraße, über die von den Nutzern
vor allem Informationen abgerufen werden konnten.
Durch neue Softwareentwicklungen eröffneten sich
den Usern plötzlich völlig neue Welten. Auf einmal
war aktive Teilnahme nicht nur gefragt, sondern sogar
notwendig. Denn viele Web-2.0-Anwendungen leben
fast ausschließlich von den Inhalten, die von den
Teilnehmern kommen (User generated Content).
So kann der User in der Web-2.0-Welt zum Beispiel
• selbst gedrehte Videos über den eigenen Computer
auf Plattformen wie YouTube oder MyVideo.de hochladen und damit weltweit präsentieren;
• zu bestimmten Themen (Reisen, Studium usw.)
Texte ins Netz stellen und so einen „Blog“ (öffentliches Tagebuch) betreiben, in den auch Dritte ihre
Kommentare „posten“ (einstellen) können;
Seite 1
• in Radiomanier selbst Hörbeiträge produzieren und
als „Podcasts“ (Hördatei) im Netz veröffentlichen.
Dort können sich Interessierte diese Beiträge dann
auf ihren MP3-Player (transportables Abspielgerät)
downloaden und praktisch überall – im Zug oder beim
Spazierengehen – anhören;
• mit eigenen Schnappschüssen bestückte Fotoalben
ins Netz stellen, zum Beispiel bei Flickr, und so einer
weltweiten Öffentlichkeit zugänglich machen.
Großen Erfolg bei den jungen Zielgruppen haben
seit ein paar Jahren insbesondere sogenannte OnlineCommunitys wie Facebook oder SchülerVZ bzw.
StudiVZ. In diesen sozialen Netzwerken haben sich
bereits 29 Prozent aller Internetnutzer ein eigenes
Profil angelegt. Das heißt, sie stellen dort Informa­
tionen (Texte, Bilder) über ihr Leben, ihre Ausbildung
oder ihre Hobbys ein. Auf solchen Plattformen muss
man sich registrieren lassen, um alle damit verbundenen Services nutzen zu können, beispielsweise
mailen, Fotoalben anlegen oder den Online-Freunden
mitteilen, was man gerade wo macht.
In die gleiche Richtung geht der neueste Trend, der
gerade die digitale Welt erobert: twittern („zwitschern“). Dieser Kurznachrichtendienst aus der Web2.0-Welt ermöglicht es, per Handy oder Computer
kurze Textnachrichten von 140 Zeichen an ein persönliches, zuvor registriertes Twitter-Profil zu ­schicken.
Dort können alle, die sich als Follower (Mitleser)
eingetragen haben, die News, meist Bemerkungen
zum Alltag, verfolgen. Jeder Follower hat die Möglichkeit, das Gelesene über den eigenen Account zu
kommentieren. So entspinnen sich manchmal regelrechte Diskussionen. Nicht nur Promis und Normalos
nutzen diesen Dienst immer stärker. Inzwischen sind
auch Firmen und Institutionen dazu übergegangen,
Nachrichten via Twitter in die Welt zu zwitschern.
Lernziel
Angesichts der wachsenden Bedeutung der Medien
in Alltag und Arbeitswelt hat sich auch hierzulande das
Bewusstsein durchgesetzt, dass vor allem Kinder und
Jugendliche eine gezielte Förderung brauchen, um in
der sich rasant ändernden Medienwelt nicht die Orientierung zu verlieren. Auch wenn rund 30 Prozent der
Bevölkerung in Deutschland noch sogenannte Offliner
sind, dem Internet also die kalte Schulter zeigen – der
Zug in Richtung digitale Medienwelt und Internet dürfte
nicht mehr aufzuhalten sein. Umso wichtiger ist es, die
Menschen schon in jungen Jahren darauf vorzubereiten.
Das Stichwort dabei lautet Medienkompetenz; das
heißt, es gilt, den Umgang nicht nur mit dem Internet,
sondern auch mit dem Fernsehen möglichst früh einzuüben und vor allem auch über mögliche Gefahren und
Fallstricke zu informieren.
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Ein Drittel des Tages für Medien
Kaum zu glauben, aber wahr: Die Bundesbürger
verbringen heute mehr Zeit mit Medien als mit Familie und Freunden. Insgesamt entfallen auf die Medien­
nutzung pro Tag im Schnitt 8,5 Stunden.
Obwohl das Internet so stark auf dem Vormarsch
ist, steht das Fernsehen noch immer an der Spitze:
Drei Stunden und 45 Minuten sitzt der Durchschnittsdeutsche täglich vor der Mattscheibe. Es folgen Radio
(rund drei Stunden) und das Internet mit bereits knapp
einer Stunde (Grafik auf der Inhaltsseite).
Das Surfen im World Wide Web hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen.
Insbesondere die junge Generation verbringt überdurchschnittlich viel Zeit in der virtuellen OnlineWelt. Sie hat, wie die Fachleute sagen, ihr eigenes
Mediennutzungsprofil entwickelt, das sich zum Teil
deutlich von dem der älteren Jahrgänge unterscheidet.
Das heißt: Traditionelle Medien, mit Ausnahme des
Fernsehens, verlieren an Interesse. Neue, digitale
Medien und Übertragungsgeräte wie Computer, Internet, Handy und MP3-Player befinden sich dagegen
auf der Gewinnerstraße.
Diese Entwicklung wurde insbesondere durch den
Preisverfall bei den Geräten möglich, was für eine
weite Verbreitung sorgte. Seit geraumer Zeit befinden
sich auch die Tarife für Handynutzung und InternetFlatrates auf Talfahrt. Die Preise für PCs etwa sind –
unter der Annahme gleicher Qualität und Rechenleis­
Ohne Handy?
Das geht nun fast gar nicht
So viel Prozent der 12- bis 19-Jährigen besaßen die
folgenden Geräte
2008
1998
95
MP3-Player/iPod
86
Radio
77
31
CD-Player
76
35
Computer/Laptop
71
60
61
Fernseher
Internetzugang
51
DVD-Player (nicht PC)
38
DVD-Recorder
Videorekorder
TV/Flachbildschirm
32
15
26
10
Befragung von 803 (1998) bzw. 1.208 Jugendlichen; fehlende
Werte: 1998 nicht erhoben; Quelle: Medienpädagogischer
Forschungsverband Südwest, JIM-Studie 1998, 2008
95
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Handy
8
tung – zwischen 1998 und 2008 um mehr als 90
Prozent gesunken. Telekommunikationsdienste kos­
teten zuletzt 31 Prozent weniger als Ende der 1990er
Jahre. So verwundert es kaum, dass im vergangenen
Jahr bereits 95 Prozent der Jugendlichen zwischen 12
und 19 Jahren ein Handy, 86 Prozent einen MP3Player und die Hälfte einen eigenen Internetzugang
besaßen (Grafik unten).
Im Zehnjahresvergleich hat damit im Jugendzimmer – ähnlich wie nebenan bei den Eltern – eine
kleine Revolution stattgefunden, denn 1998 besaßen
erst 8 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein eigenes
Mobiltelefon, und kaum einer aus dieser Gruppe hatte­
einen selbstständigen Zugriff aufs Internet.
Parallel zu den Veränderungen bei der Geräteausstattung zeigen sich auch beim Mediennutzungsprofil
der Jugendlichen deutliche Trendverschiebungen:
So hat sich die Computernutzung („mehrmals pro
Woche“) im genannten Zehnjahreszeitraum von
48 Prozent auf 89 fast verdoppelt. Das WWW schnellte gar von 5 auf 84 Prozent – was vor allem auf Kosten
der Druck-Erzeugnisse ging. Zeitungen verloren
16 Prozent­punkte und sanken auf 43 Prozent; bei den
Zeitschriften ging es um 20 Punkte auf 43 Prozent
herunter. Nicht ganz so hart traf es die Audio-Schiene:
Das Radio büßte 13 Punkte ein und hat jetzt nur noch
72 Prozent regelmäßige Hörer.
Und noch ein deutlicher neuer Trend: Der Vorsprung, den die Jungen bei der Internetnutzung gegenüber den Mädchen anfangs noch hatten, schrumpft
immer mehr. In der virtuellen Welt haben sich die
Mädchen weitgehend emanzipiert.
Doch auch wenn die neuen Medien bei den jungen
Zielgruppen auf breiter Front den Durchbruch geschafft haben – Geschlecht und Bildungshintergrund
spielen beim Einsatz der digitalen Medien im Alltag
immer noch eine wichtige Rolle. So sind Jungen auffallend stark auf Computerspiele fixiert. Sie sitzen
viermal so oft wie Mädchen als „Gamer“ vor dem
Computer und verbringen dort an einem durchschnittlichen Werktag fast 60 Minuten; am Wochenende sind
es sogar 74 Minuten. Die Mädchen wiederum interessieren sich stärker als das andere Geschlecht für die
Möglichkeiten ihres Handys und telefonieren lieber.
Bei den Online-Tätigkeiten zeigen sich ebenfalls
relevante Unterschiede. So nutzen die jungen Frauen
das Web stärker, um sich Informationen mit Blick auf
Schule und Beruf zu besorgen. Die männlichen Teens
hingegen schauen sich viel häufiger Filme und Videos
im Netz an oder beschäftigen sich mit Multi-UserSpielen, bei denen sie online gegen andere Spieler
antreten (Grafik rechte Seite).
Thema Wirtschaft Nr. 119
Neue Chancen – privat und im Beruf
Das Web 2.0 und die modernen Medientechnologien haben Einzug gehalten in das Leben vieler Menschen und es zum Teil deutlich verändert. So zum
Beispiel in der Arbeitswelt, in der ohne Computer und
Internet oft kaum noch jemand auskommt. Praktisch
kein größerer Betrieb kann auf Spezialisten verzichten,
die die Kommunikationsnetzwerke und Server
pflegen und funktionstüchtig halten. Immer mehr
Firmen haben komplett auf den elektronischen
Geschäftsverkehr umgestellt, damit sie effektiver,
kostengünstiger und schneller werden. Auch die
Belegschaften müssen sich permanent mit neuen
Softwarelösungen vertraut machen, damit ihr
Betrieb wirtschaftlich und technologisch „up to date“
bleibt. Unternehmen, die hier nicht mitmachen, laufen
ernsthaft Gefahr, dass sie eines Tages aus dem Netzwerk von Kunden und Zulieferern komplett herausfallen oder einfach von der Konkurrenz abgehängt
werden.
Viele Jungs wollen nur spielen ...
So viel Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren
nutzten das Internet 2008 täglich oder mehrmals pro Woche
für Folgendes
Jungen Mädchen Haupt- Gymnasien
schule
Multi-User-Spiele spielen
33
5
22
17
Filme/Videos anschauen
36
16
26
26
Allein Online-Spiele
spielen
24
7
19
15
Nachrichten/Aktuelles
38
29
22
38
Beiträge in Foren bzw.
Newsgroups lesen
29
15
15
24
E-Mails empfangen
und versenden
45
53
50
52
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Große Unterschiede machen sich auch bemerkbar,
wenn man den Bildungsstatus zum Maßstab nimmt.
So begeistern sich Hauptschüler sehr fürs Chatten,
während Gymnasiasten besonders gerne die OnlineEnzyklopädie Wikipedia zu Rate ziehen, die heute wie
früher der Brockhaus oder andere Lexika das Wissen
der Welt zusammenfasst.
Das eigentlich Besondere an Wikipedia ist aber,
dass man dort eigene Beiträge einstellen und Korrekturen an bestehenden Artikeln vornehmen kann. Gymnasiasten informieren sich im Netz auch häufiger als
ihre Altersgenossen an anderen Schulen über aktuelle
Nachrichten.
Im Internet haben bei den Teens und Twens inzwischen die Online-Communitys den größten Zuspruch.
Drei von vier Teenangern sind mittlerweile auf diesen
Plattformen aktiv; bei den Twens sind es rund 60
Prozent.
Ein eigenes Profil in einer Community angelegt hat
ebenfalls schon mehr als jeder zweite Teen. Bei der
Nutzung steht das Stöbern in den Profilen anderer
Teilnehmer im Vordergrund. Dazu kommt das Schreiben von Kommentaren und E-Mails. Wichtig ist auch
die gezielte Suche nach Kontakten, also neuen
­Freunden (Grafik auf Seite 7).
Der Erfolg der sozialen Plattformen darf aber nicht
darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der passiven
Nutzer immer noch weit höher liegt als die der aktiven.
So haben Untersuchungen zufolge nur 6 Prozent der
User von Wikipedia dort schon einmal selbst einen
Beitrag veröffentlicht.
Seite 3
Befragung von 1.171 jugendlichen Onlinenutzern im
Jahr 2008; Quelle: Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest, JIM-Studie 2008
Aber auch als Privatperson will man kaum noch auf
die komfortablen Web-Angebote verzichten: Wer am
aktuellen Zeitgeschehen interessiert ist, weiß die
schnelle Information durch Nachrichtenseiten wie
Spiegel Online und FAZ.net zu schätzen. Aber auch
für Studium, Weiterbildung oder den Aufbau von
Geschäftskontakten bietet das WWW inzwischen viele
Möglichkeiten genauso wie beispielsweise für Stellenbewerbungen. Hier ist ebenfalls ein neues Zeitalter
angebrochen: Die gute alte Bewerbungsmappe hat
zwar nach wie vor ihre Existenzberechtigung – vor
allem, um Zeugnisse und Prüfungen durch Dokumente
zu belegen. Vieles läuft inzwischen jedoch online. Auf
ihren Internetseiten schreiben immer mehr Unternehmen ihre Jobangebote selbst öffentlich aus und fordern
die potenziellen Bewerber auf, sich per Mail zu bewerben. Hier gilt es dann, mit kurzen, aussagekräftigen
Texten zu punkten. Wird es zu langatmig, schalten
viele Personalchefs ganz schnell ab.
Ebenso wichtig ist die Fähigkeit, sich in Stellenbörsen wie Monster.de zu bewegen. Arbeitnehmer
müssen zunehmend auf solchen virtuellen Markt­
plätzen zu Hause sein, wenn sie einen Job suchen oder
aber selbst eine gut formulierte Anzeige dort einstellen wollen.
Auch wenn rund 30 Prozent der Bevölkerung in
Deutschland sogenannte „Offliner“ sind, dem ­Internet
also die kalte Schulter zeigen – der Zug in Richtung
digitale Medienwelt und Internet dürfte nicht mehr
aufzuhalten sein. Umso wichtiger ist es, die Bürger
schon in jungen Jahren darauf vorzubereiten. Das
Stichwort lautet dabei Medienkompetenz. Das heißt,
es gilt, den verantwortungsvollen Umgang mit dem
Internet früh einzuüben und vor allem auch über
mögliche Gefahren und Fallstricke zu informieren.
Thema Wirtschaft Nr. 119
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2. Medienkompetenz
als Bildungsauftrag
Ein Begriff macht Karriere: Anfang der 90er Jahre
beschäftigte sich zunächst nur eine kleine Fachöffentlichkeit mit dem Thema Medienkompetenz. Inzwischen ist der Begriff in aller Munde. Immerhin wird
die Fähigkeit zum „korrekten“ Umgang mit den neuen Medien Internet, Multimedia, Handy und Co. als
die Schlüsselqualifikation in der modernen Mediengesellschaft betrachtet. Wer „Medienkompetenz“ in
die Suchmaschine Google eingibt, erhält sekundenschnell bereits mehr als 750.000 Links zu Aufsätzen,
Büchern oder entsprechenden Projekten.
Begriffsbestimmung
Was unter Medienkompetenz genau zu verstehen
ist, hat der deutsche Medienpädagoge und Erziehungswissenschaftler Professor Dieter Baacke bereits zu
Beginn der 90er Jahre definiert. Seine Begriffsbestimmung wird auch heute noch als allgemeingültig betrachtet.
Baacke unterteilt den Begriff der Medienkompetenz
in vier Bereiche:
• Dazu gehört an erster Stelle die Fähigkeit zur
Medienkritik, also zur Analyse (problematischer)
gesellschaftlicher Prozesse. Eines der Themen ist
die Medienkonzentration. Wenn Fernsehsender oder
Zeitungen in der Hand nur weniger Unternehmer oder
Konzerne sind, können diese ihre Marktmacht zu politischen Zwecken missbrauchen. Ein Beispiel dafür
ist die meinungsprägende Übermacht des italienischen
Ministerpräsidenten und Medienunternehmers Silvio
Berlusconi.
An der Spitze liegen die großen drei
So viel Prozent der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland nutzen
2009 die folgenden Websites wöchentlich
Videoportale
(wie zum Beispiel YouTube)
Private Netzwerke und Communitys
(Nutzer mit eigenem Profil)
59
Wikipedia
43
Fotosammlungen, Communitys
16
Berufliche Netzwerke und Communitys
6
(Nutzer mit eigenem Profil)
Weblogs
5
Lesezeichensammlungen
4
Befragung von 1.212 Onlinenutzern ab 14 Jahren
Quelle: ARD/ZDF-Onlinestudie, 2009
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58
• Daneben tritt als Zweites die Medienkunde. Sie
umfasst das Wissen um Aufgabe und Struktur von Mediensystemen wie den dualen Rundfunk in Deutschland, worunter man das gleichzeitige Bestehen von
privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunk- sowie
Fernsehprogrammen versteht.
• Den dritten Sektor markiert die Nutzungskompetenz. Das ist die Fähigkeit, neue Geräte technisch
zu bedienen und ihre Möglichkeiten auszuschöpfen.
– etwa Online-Banking und Teleshopping durchzuführen, und zwar in vernünftiger Weise und mit
dem ­nötigen Sicherheitsbewusstsein. Beim Fernsehen
wiederum sollten die Nutzer beispielsweise dazu in
der Lage sein, für den Nachwuchs kindgerechte Programme auszuwählen. Ebenfalls in diese Kategorie
gehört es, Leserbriefe verfassen und Kommentarfunktionen im Internet nutzen zu können.
• Last but not least kommt die Mediengestaltung
hinzu, die allerdings nur die in diesem Bereich tätigen
Fachleute für Bild und Ton angeht. Sie werden vor
allem von Rundfunkanstalten, Werbeagenturen oder
Fernseh-Produktionsfirmen eingesetzt.
Eine weitere, ebenso differenzierte Aufgabenbeschreibung stammt von Norbert Schneider, dem Direktor der für die Privatfunkzulassung und -aufsicht
zuständigen Landesanstalt für Medien NordrheinWestfalen (LfM). Demnach ist mit Medienkompetenz
sinngemäß zum Beispiel alles gemeint, was
• zu Kenntnissen und Fertigkeiten im Umgang mit
den Medien führt,
• eine sinnvolle Mediennutzung begründen, begüns­
tigen oder fördern kann,
• zu einem vernunftgesteuerten, nüchternen alltäglichen Gebrauch von Medien führt,
• sich in Schulen und Universitäten beim Lernen und
Lehren direkt oder indirekt mit Medien auseinandersetzt,
• den Einfluss der Medien auf die demokratische und
kulturelle Entwicklung im Land analysiert und
• die Nutzer vom Einfluss der Medienproduzenten
unabhängiger macht und die Selbstständigkeit im
Umgang mit den Medien stärkt.
Weil die Entwicklung rasend schnell vorangeht, und
die digitale Welt immer neue Anforderungen stellt,
muss die Medienkompetenz ständig mitwachsen.
Schneider bringt deshalb den Begriff der dynamischen
Medienkompetenz ins Spiel. Damit wird man den
schnellen Veränderungen der Mediennutzung, insbesondere durch das Web 2.0, wesentlich besser gerecht.
Eine der Hauptveränderungen im Umgang mit Kommunikationsmitteln lautet: Der Mediennutzer ist seiner
vorher weitgehend passiven Rolle entwachsen. Damit
Thema Wirtschaft Nr. 119
hat sich das klassische Sender-Empfänger-Verhältnis
aufgelöst, das über Jahrzehnte die Medienwirklichkeit
geprägt hat.
Gefahren und Fallstricke
Wer die andauernden Diskussionen in Zeitungen
und im Fernsehen verfolgt, bekommt den Eindruck,
dass das Erwerben von Medienkompetenz bei der
jungen Zielgruppe noch keine ausreichende Beachtung
findet. Internetsucht, gewalttätige Computerspiele,
pornografische Filmclips auf dem Handy – das ist der
Stoff, aus dem Schlagzeilen entstehen, wenn es um das
Thema Jugendliche und Medien geht.
Schon vor zwei Jahrzehnten stand das Negative im
Vordergrund, als 1984 das Privatfernsehen gestartet
wurde. Jahrelange öffentliche Auseinandersetzungen
über mögliche schädliche gesellschaftliche Folgen
eines größeren TV-Angebots nach US-Vorbild gingen
der Marktöffnung für private Veranstalter voraus.
Pädagogen und Soziologen befürchteten negative
Auswirkungen auf die Heranwachsenden und deren
Familienleben durch einen grenzenlosen Fernsehkonsum. Unvorbereitet sah sich die Gesellschaft mit Reality-TV-, Krawall-Talkshows und zunehmenden Sexund Gewaltdarstellungen konfrontiert. Medienkompetenz wurde plötzlich ein wichtiges Thema.
Vieles von dem, was Skeptiker damals befürchteten,
ist nicht eingetreten. Insbesondere der erwartete uferlose TV-Konsum von Kindern und Jugendlichen wurde nicht zur Realität. So verringerte sich die tägliche
durchschnittliche Sehdauer der 10- bis 13-Jährigen
zwischen 1992 und 2007 sogar leicht von 111 Minuten
auf 101 Minuten – und das bei andauernd steigendem
Programm- und Kanalangebot.
Heute weiß man: Neben der wachsenden Programmflut wirkt sich vor allem ein technisches Ausstattungsmerkmal auf den TV-Konsum der Kinder aus: das eigene TV-Gerät im Kinderzimmer. Kids, die darüber
verfügen und somit unbeaufsichtigt von den Eltern
fernsehen können, saßen 2007 im Schnitt 118 Minuten
täglich vor der Mattscheibe, Kinder ohne eigenes TVGerät dagegen nur 80 Minuten.
Der Umgang mit den Medien lässt sich also –
wenigstens zum Teil – steuern. Im Umgang mit dem
Internet treten allerdings neue Probleme auf. So hat
Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, im Sommer 2009 festgestellt, dass etwa 3 Prozent
aller Online-Nutzer abhängig sind und mehr als
10 Stunden pro Tag im Web mit Spielen verbringen.
Weitere 4,7 Prozent der Jungen und 0,5 Prozent der
Mädchen sind laut Bätzing gefährdet, von Computerspielen abhängig zu werden. Wie schwerwiegend das
Seite 5
Glossar – Die Begriffswelt des Web 2.0
Account: Benutzerkonto, über das der Nutzer (User)
seine Zugangsberechtigung mittels Benutzername und
Kennwort und für den jeweiligen Dienst (E-Mail, Forum
etc.) freischaltet.
Avatar: Ein künstlich erschaffenes virtuelles „Ich“ in Form
einer Fantasiefigur. Wird zum Beispiel in Computerspielen
eingesetzt.
Blog: Kurzform von Weblog, ein auf einer Website geführtes Tagebuch. Entweder öffentlich, das heißt für alle
User mitlesbar, oder nicht öffentlich und somit nur für eine
zuvor definierte Nutzergruppe verfügbar.
Blogger: Autor/Schreiber eines Blogs. Die Tätigkeit des
Schreibens nennt sich bloggen.
Chatten: Der Begriff kommt aus dem Englischen „to
chat“ für plaudern, sich unterhalten. In Echtzeit können
Nutzer virtuell mit anderen über Tastatur und das Internet
kommunizieren. Neben reinen Textchats gibt es auch Audio- und Videochats.
Early Adopters: Bevölkerungsgruppe, die neue technische
und kommunikationstechnische Neuerungen als Erste nutzen. Diese sogenannten „Innovatoren“ sind vornehmlich
junge Männer und Jugendliche.
YouTube/MyVideo: Internet-Videoportale, auf denen
Benutzer kostenlos eigene Videoproduktionen hochladen,
anschauen und an andere Benutzer versenden können.
Mash-up (engl. “to mash“ – vermischen): Medienprodukte
wie Texte, Bilder, Daten oder Töne werden collagenartig
neu zusammengestellt und für andere Webanwendungen
genutzt. Mash-ups verknüpfen zum Beispiel geografische
Daten von Google Maps mit persönlichen Fotos oder
Kleinanzeigen.
Podcast: Eine im Internet veröffentlichte Audio- oder
Videodatei; ursprünglich bezog sich der Begriff nur auf
Hörbeiträge. Das Kunstwort Podcast setzt sich zusammen
aus „iPod“ (MP3-Player von Apple) und dem englischen
Begriff für Rundfunk „Broadcasting“.
Posting/posten: Einstellen von Mitteilungen in Webforen,
Newsgroups oder Blogs.
Social Networks: „Online-Kontaktnetzwerke“, bei denen
Nutzer eigene Inhalte einstellen und sich darüber austauschen können. Beispiele hierfür sind Facebook, MySpace,
Flickr und XING.
Thread: Die chronologische Abfolge von Postings (Diskussionssträngen) in Foren wird als Thread bezeichnet.
Twitter (engl. to tweet = zwitschern): Soziales Netzwerk,
bei dem angemeldete Benutzer eigene Textnachrichten mit
maximal 140 Zeichen eingeben (Mikro-Blog) und damit
öffentlich zugänglich machen. Wer Nachrichten anderer
Benutzer regelmäßig lesen will, kann diese abonnieren. Er
wird somit zum „Follower“ (engl. to follow = folgen).
Unique User: Einzelne Nutzer, deren Besuch einer Internetsite in einem zuvor definierten Zeitraum gezählt wird.
Die Anzahl der Unique User spielt für die Vermarktung
von Webangeboten eine wichtige Rolle.
User: Anwender eines Computerprogramms oder Nutzer
eines Internetangebots (zum Beispiel Mitglied einer OnlineCommunity).
Wikipedia: Kostenlose interaktive Online-Enzyklopädie,
bei der jeder Nutzer einfach und ohne technische Vorkenntnisse Artikel erstellen oder verändern kann. Der Name
Wikipedia setzt sich zusammen aus dem hawaiischen Wort
„wikiwiki“ für „sehr schnell“ und dem englischen Wort
„encyclopedia“ für „Enzyklopädie“.
Thema Wirtschaft Nr. 119
Seite 6
sind nach Einschätzung von Pädagogen ernst
zunehmende Hinweise darauf, dass eine SpielSo viel Prozent der ... lasen Tageszeitungen
sucht vorliegen könnte.
Neben unerwünschten sozialen Folgen erwar14- bis 19-Jährigen
20- bis 29-Jährigen
30- bis 39-Jährigen
ten Wissenschaftler sogar Veränderungen bei der
Hirnentwicklung Jugendlicher. Was das für die
85
77
77
72
Fähigkeit bedeutet, Informationen aufzunehmen
68
67
57
56
und zu verarbeiten, Texte zu lesen und systema47
tisch zu lernen, ist noch unklar. „Auf jeden Fall
kann sich die Art der persönlichen Beziehungen
dramatisch verändern“, meint Psychiater Bert te
1988 1998 2008
1988 1998 2008
1988 1998 2008
Wildt von der Medizinischen Hochschule
über 14-Jährigen
40- bis 49-Jährigen
50- bis 59-Jährigen
­Hannover: „Wir haben durch das Netz Kontakte
insgesamt
zu immer mehr Personen, die wir kaum oder gar
88
87
86
84
83
80
79
nicht kennen. Beziehungen werden oberfläch73
72
licher. Immer mehr Menschen sind gar nicht mehr
an realen Beziehungen interessiert.“
Viele Internetabhängige, sagt te Wildt, hätten
kein Verhältnis zu ihrem Körper mehr: „Das sind
1988 1998 2008
1988 1998 2008
1988 1998 2008
natürlich extreme Formen. Aber das Internet
schwächt allgemein das Gefühl für reale menschTageszeitungen gelten nach wie vor als besonders glaubwürdiges
Medium. Doch seit Jahren sinken die Auflagen und Reichweiten.
liche Beziehungen. Damit könnte ein Stück sozialer
Besonders die junge Generation geht in puncto Information andere
Kompetenz in unserer Gesellschaft verloren gehen.“
Wege. Für die Verlage wird das mehr und mehr zum Problem. Denn
Die Internet-Sozialisation hat schon jetzt handdie Jugendlichen wechseln auch mit zunehmendem Alter nicht ins
Lager der Zeitungsleser, wie eine Langfristanalyse zeigt. Griffen im Jahr
feste
gesellschaftliche und ökonomische Auswir1988 noch gut 72 Prozent der damals 14- bis 19-Jährigen zur Zeitung,
kungen. So büßt ausgerechnet die Zeitung, jenes
waren es zehn Jahre später, bei den dann 20- bis 29-Jährigen, knapp
69 Prozent. Im Jahr 2008 outeten sich nur 67 Prozent der inzwischen
Medium, das wegen seiner Informationsbreite,
30- bis 39-Jährigen als Tageszeitungsleser. Mit steigendem Alter wird
Meinungsvielfalt und Kontrollfunktion für Politik
die Zeitungslektüre also nicht beliebter, obwohl der Informationsbedarf
durch Beruf und Familie wächst. Bei den heutigen Teenagern ist die
und Wirtschaft für eine demokratische Bürgergetraditionelle Lektüre noch weniger en vogue: Gerade 47 Prozent der
sellschaft so wichtig ist, seit Jahren junge Leser
14- bis 19-Jährigen halten sich mittels Tageszeitungen auf dem
Laufenden. Das Internet hat hier schon deutliche Schneisen in die
ein (Grafik und Textkasten links). Der LeserReihen der potenziellen Leser geschlagen.
schwund hat vor allem zwei Gründe: Zum einen
wird das Zeitunglesen in immer weniger Familien
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse
als wichtige Kulturtechnik von den Eltern an die
Kinder weitergegeben. Zum anderen hat das Internet
Problem ist, zeigt auch diese Zahl: Eine repräsendie Lesegewohnheiten radikal verändert. Im Web retative Befragung von 15.000 Schülerinnen und Schügiert der schnelle Klick von Seite zu Seite; gewünscht
lern ergab, dass bereits 16 Prozent der Jungen im
werden kurze Texte, viele Bilder und unterhaltsame
Alter von 15 Jahren täglich mehr als 4,5 Stunden vor
Filmchen. Zudem hat sich im Netz eine „Kostenlosdem Computerbildschirm verbringen. Die negativen
Mentalität“ etabliert nach dem Motto: Warum soll ich
Folgen solch einer übermäßigen PC-Nutzung sind
für Informationen zahlen, wenn ich doch alles umsonst
bekannt: Probleme in der Schule, fehlende Sozialkonbekomme?
takte sowie mangelnde Kommunikations- und KonEin Versuch, diesem Trend entgegenzuwirken, ist
fliktfähigkeit.
das Medienkompetenz-Projekt „ZiSCH – Zeitung in
Dabei stufen Experten das extensive Spielen von
der Schule­“. Bei ZiSCH erhalten Schulklassen von
Online-Games wie „Counterstrike“ oder „World of
Zeitungsverlagen über einen längeren Zeitraum
Warcraft“ als Flucht aus der Wirklichkeit ein. Vor allem
­kostenlose Zeitungsexemplare. Diese werden dann im
Jungen suchen aufregende Abenteuer in der virtuellen
Unterricht genutzt. Ergebnis: Viele Schüler, die bei
Welt, Selbstbestätigung und Anerkennung – Dinge,
ZiSCH mitgemacht haben, bleiben der Zeitung auch
die ihnen im wirklichen Leben oftmals verwehrt bleiweiterhin treu.
ben. Eine tägliche Spielzeit von vier bis fünf Stunden,
Ein weiteres pädagogisches Problem ist der hohe
Verzicht auf Sport und Freunde, Gelenkschmerzen,
Gewaltgehalt vieler Online-Spiele. Die abstumpfende
psychische Veränderungen und schlechte Schulnoten
© 2009 IW Medien • TW 119
Gesucht: Junge Leser
Thema Wirtschaft Nr. 119
Jeder Vierte stöbert gerne
So viel Prozent der Mitglieder privater Communitys/Netzwerke
nutzen folgende Funktionen
täglich
wöchentlich
Persönliche Nachrichten an
Community-Mitglieder versenden
32
36
Stöbern in Profilen
anderer Mitglieder
25
30
Suche nach Kontakten,
Bekannten
18
32
Schreiben von Beiträgen
und Kommentaren innerhalb
der Community
16
29
Suche nach
Informationen
12
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© 2009 IW Medien • TW 119
Wirkung von zu viel virtueller Grausamkeit kann dazu
führen, so die Befürchtung, dass Jugendliche im realen
Leben schneller und öfter gewalttätig werden. Nicht
ohne Grund werden vor allem im Nachgang zu Amokläufen in Schulen öffentliche Forderungen laut, die
Gewalt in Computer- und Online-Spielen, aber auch
in TV-Sendungen und Videofilmen deutlich einzuschränken.
Mit großer Sorge schauen Jugendschützer auch auf
die Befunde in Sachen Handy. Rund ein Drittel der
12- bis 19-jährigen Besitzer eines Mobiltelefons, so
einschlägige Untersuchungen, hat dabei zugeschaut,
wie eine Schlägerei mit Handys gefilmt wurde. Genau­
so viele haben im Freundeskreis erlebt, dass gewalt­
täti­ge­und pornografische Inhalte ausgetauscht wurden.
Jeder zehnte Jugendliche schließlich hat schon einmal
jugendgefährdende Inhalte auf seinem Handy empfangen.
Zunehmend in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerät auch eine andere Fehlentwicklung: die
leichtfertige Veröffentlichung von persönlichen Daten
in sozialen Netzwerken wie Facebook oder SchülerVZ.
Viele Jugendliche geben dort nur allzu offen Informationen über ihre Hobbys, Vorlieben und persönlichen
Verhältnisse preis und sind sich deren Tragweite ­häufig
nicht bewusst. Bilder von Alkoholexzessen, die in
Bierlaune auf Facebook hochgeladen werden, oder
unbedachte Äußerungen über mögliche künftige Arbeitgeber können durchaus noch Jahre später Probleme
bereiten. Jüngst ergab eine Studie bei 500 Unternehmen, dass sich 28 Prozent der befragten Firmen bei
der Jobvergabe systematisch im Netz vorab informieren, was über den Bewerber bekannt ist. Das kann das
schnelle Aus für Job-Aspiranten bedeuten, noch bevor
sie sich im Vorstellungsgespräch persönlich präsen­
tieren können.
Andererseits hilft das Web den Unternehmen dabei,
Jobs schneller zu besetzen und geeignete Mitarbeiter
leichter aufzuspüren.
Für junge Berufsanfänger bedeutet die neue Praxis
aber vor allem: Bevor es mit der Bewerbung losgeht,
erstmal eine Zeit lang mit dem sogenannten EgoGoogeln verbringen – das heißt, gewissenhaft zu recherchieren, was alles unter dem eigenen Namen im
Netz veröffentlicht ist.
Es muss jedem klar sein, dass es im Web für Informationen (noch) kein Verfallsdatum gibt. Daten bleiben dort über lange Zeiträume erhalten und können
entsprechend einfach von jedermann abgerufen werden. Zwar gibt es inzwischen Agenturen, die digitale
Fußstapfen im Web verwischen. Doch das ist teuer,
mühsam und auch nicht in allen Fällen erfolgreich. So
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Befragung von 1.212 Onlinenutzern ab 14 Jahren, davon
407 Mitglieder privater Communitys/Netzwerke; Mehrfachnennungen; Quelle: ARD/ZDF-Online-Studie, 2009
bleibt es eine wichtige Aufgabe für Eltern und Lehrer,
Jugendliche frühzeitig auf solche Fallstricke hinzuweisen – genauso wie auf „Abzocker-Seiten“ im Web,
bei denen die Unerfahrenheit von Jugendlichen ausgenutzt wird und ihnen zum Beispiel teure Softwareoder Klingelton-Abos untergejubelt werden.
Häufig kennen Jugendliche auch nicht die Urheberrechtsproblematik, wenn sie im Netz unterwegs
sind. So werden beispielsweise Filme und Bilder ohne
Nachfrage bei den Urhebern zu eigenen „Werken“
weiterverarbeitet. Stehen diese dann erst einmal im
Netz, können horrende Schadensersatzansprüche ins
Haus flattern. Dies betrifft auch das systematische
Downloaden von Musikdateien. Spezielle Anwaltsund Detektivbüros spüren diesen Fällen im Auftrag
der Musikwirtschaft immer häufiger nach. Wer er­
wischt wird, muss mit Regressforderungen rechnen
und kann sogar vor dem Kadi landen.
Verbraucherschützer warnen in jüngster Zeit vor
vermeintlich kostenlosen Internetspielen, durch die
Jugendliche zu hohen Ausgaben veranlasst würden.
Um bei solchen „Gratisspielen“ erfolgreich zu sein,
seien oft nur gegen Bezahlung erhältliche virtuelle
Extras erforderlich.
Nach einer neuen Studie des Bundeskriminalamts
(BKA) und des Branchenverbands Bitkom hat die
Internetkriminalität erheblich zugenommen. „Mehr
denn je müssen sich PC-Nutzer auf dem Laufenden
halten, wie sie sich vor Kriminellen schützen können“,
kommentierte dies Bitkom-Chef Dieter Kempf. Der
Studie zufolge wurde bereits jeder zweite Deutsche
Opfer von Netzkriminalität. Allerdings zählt der Verband auch Virenattacken zu den Straftaten. Diese
machen den größten Teil der Betrugsfälle aus.
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Thema Wirtschaft Nr. 119
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Quelle:www.sueddeutsche.de
Bei 5 Prozent der Nutzer wurden persönliche Zugangsdaten ausspioniert. Auf diese digitalen Nutzerprofile hätten es die Kriminellen besonders abgesehen,
sagte Kempf. Die sogenannte Underground Economy
würde für Adressen, Kontodaten, aber auch Informationen über Hobbys und Berufe hohe Preise bezahlen.
Im Netz gebe es Online-Shops, in denen Kriminelle
gezielt nach Kreditkarten-Daten, E-Mail-Zugängen
oder gehackten Webseiten suchen könnten.
Kempf mahnte, viele Nutzer gingen zu sorglos mit
ihren Daten um. Sechs von zehn Nutzern seien etwa
bereit, Namen und Adressen in Webformularen einzutragen – etwa um bei Anbietern Waren oder Dienstleistungen zu kaufen. 38 Prozent der Surfer tippten
auch Bankverbindungen oder persönliche Daten zu
Beruf oder Hobby in die Eingabefelder der OnlineAnbieter ein. „Früher wäre niemand auf die Idee gekommen, seine Tagebücher ans Schwarze Brett zu
nageln“, sagte Kempf mit Blick auf soziale Netzwerke
wie Facebook oder StudiVZ. BKA-Chef Jörg Zierke
kündigte eine stärkere Zusammenarbeit zwischen
Wirtschaft und Polizei an, um dann einzuschränken:
„Man muss sich im Klaren darüber sein, dass es absolute Sicherheit im Web niemals geben wird.“
Web und Wirtschaft
Eine Studie hat belegt, dass sich Arbeitnehmer im
Büro im Durchschnitt nur noch elf Minuten konzentrieren, bevor sie durch SMS, Telefon oder E-Mail bei
ihrer Arbeit gestört werden. Bei allen Risiken und
Problemen ist aber klar: Nur wer sich in der digitalen
Welt zurechtfindet und dort auch aktiv ist, kann in
Ausbildung und Job mithalten. Bei vielen jungen
Leuten ist diese Realität zum Glück bereits angekommen: Während 1998 erst 27 Prozent der 12- bis 19-Jährigen den Computer für die Schule und zum Lernen
einsetzten, waren es 2008 schon 37 Prozent. Bei der
Frage nach den Internetaktivitäten nannten 38 Prozent
aus dieser Zielgruppe die „Suche nach Informationen
für die Ausbildung“ als eine Beschäftigung, der sie
mehrmals pro Woche nachgehen.
Im beruflichen Bereich hat die Computertechnologie in den vergangenen 20 Jahren einschneidende
Veränderungen mit sich gebracht. Arbeitsabläufe wie
die Textproduktion wurden von Grund auf verändert;
neue Berufe sind entstanden – zum Beispiel:
• Die Aufgabe von Webdesigner ist in erster Linie die
Gestaltung von Webseiten, einschließlich etwa einer
sinnvollen Nutzerführung.
Thema Wirtschaft Nr. 119
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• Online-Redakteure schreiben nicht nur fürs Internet,
Geschäftskontakte gelegt haben. Diese Angebote – zu
sie sorgen auch dafür, dass die Seiten mit anderen
den bekanntesten gehören XING und LinkedIn – werInhalten wie Videos bestückt und sinnvoll verlinkt
den inzwischen von einem Zehntel der im Internet
werden.
aktiven Bundesbürger zumindest gelegentlich genutzt.
• Content-Manager sind Mitarbeiter von Verlagen
Sie wenden sich allerdings in erster Linie an Fach- und
oder Medienhäusern, die Webseiten inhaltlich steuern
Führungskräfte, die ihre Erfahrungen austauschen und
und das zugrunde liegende Content-Managementneue geschäftliche Kontakte in aller Welt knüpfen
System technisch bedienen. Ferner managen sie den
wollen.
Austausch von Inhalten mit anderen Firmen und akInternet und Web 2.0 zeigen besonders plastisch,
quirieren Werbung.
dass der Wechsel von der Industrie- zur Informations• Community-Manager sind im weitesten Sinne dafür
oder Wissensgesellschaft in vollem Gange ist. Dieser
zuständig, die Nutzer einer Internetseite zu betreuen
Prozess wird in seinen Auswirkungen mit denen der
und an diese zu binden. Dazu können sie zum Beispiel
industriellen Revolution verglichen. Der Einsatz gloDiskussionsforen moderieren, Gewinnspiele veranstalbaler Information und Kommunikation verändert das
ten, zu Treffen einladen etc.
System der Wertschöpfung
• Netzwerkbetreuer helfen,
durchgreifend: Ein immer
Zitat
die firmeninterne Computergrößerer Anteil des Brutnetze zu verwalten.
tosozialprodukts stammt
„Für Menschen, die die neuen
Dagegen verschwinden imaus dem InformationssekMedien, etwa soziale Netze oder
mer mehr traditionelle Betor. Information ist zum
das digitale Fernsehen, nicht nutzen
rufsfelder, weil sie von der
vierten großen Produktikönnen, wird es schwierig, mit der
neuen Technik überflüssig geonsfaktor neben RohWelt draußen zu interagieren und an
macht werden, wie beispielsstoffen, Arbeit und Kapital
ihr
teilzuhaben.
Wir
müssen
darauf
weise Arbeitsplätze in Telegeworden.
achten, dass jeder über Medienkomfonzentralen oder SchreibbüDie Informations- oder
petenz verfügt und keiner ausgeros. Nicht selten sind ganze
Wissensgesellschaft ist
schlossen wird.“
Branchen betroffen. Beispiel
vor allem gekennzeichnet
Zeitungsproduktion: Durch
durch die folgenden EntViviane Reding, für die Informationsgedie Umstellung vom Bleisatz
wicklungen:
sellschaft und Medien zuständiges EUauf die Computertechnik ver• Die Nationen und WirtKommissionsmitglied
schwanden ganze Berufsschaftsräume vernetzen
gruppen wie etwa die der
sich immer stärker und
Setzer. Ein neuer Trend betrifft die Buchverlage. Durch
sind damit auch stärker aufeinander angewiesen als
das E-Book, bei dem Bücher oder Zeitungen auf ein
bisher.
transportables digitales Lesegerät geladen werden,
• Globale Entwicklungen wirken immer stärker auf
könnte das gedruckte Buch zugunsten des elektrodas individuelle Handeln. Umgekehrt kann lokales
nischen in absehbarer Zeit an Bedeutung verlieren.
Handeln auch eher global wirksam werden.
Für Unternehmer und Existenzgründer in spe bietet
• Die gewohnten Distanzen zwischen Arbeit, Freizeit
das Netz mittlerweile ganz neue Betätigungsfelder,
und Lernen werden immer kleiner.
wenn es um Geschäftskontakte oder neue Kunden geht.
• Die Informationsgesellschaft wird transparenter
Bekannt und eingeführt sind bereits Handwerkerporund komplizierter zugleich.
tale wie MyHammer.de. Dort stellen Auftraggeber ein,
Auf diese Weise entsteht eine Vielzahl neuer Lern-,
welche Arbeiten sie ausführen lassen wollen, und
Arbeits- und Dienstleistungsmöglich­keiten. Dazu
Handwerker bewerben sich darauf mit einem Gebot.
gehört beispielsweise das Telelearning und der ­Wandel
Relativ neu sind Plattformen für sogenannte Mikroder Universitäten weg von der Präsenzanstalt hin zum
jobs. Dort werden Arbeiten für virtuelle Tagelöhner
Lernen in den eigenen vier Wänden. Dazu werden die
angeboten. Sie sollen zum Beispiel Bildmaterial sichLerninhalte vom Zentralcomputer an die Studenten
ten und ordnen oder Liedtexte kreieren. Das Problem:
via Tele­fonleitung weitergegeben („virtuelle Uni­
Die Entlohnung ist meist so gering, dass man davon
versität“).
nicht leben kann.
Ein weiterer neuerer Trend ist Telearbeit (TeleInteressanter scheinen da schon jene privaten Comworking). Dabei wird die Arbeit zu Hause am Communitys zu sein, die ihren Schwerpunkt auf Beruf und
puter erledigt. Die Ergebnisse gelangen über das
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­ elefonnetz oder mittels Satellitenübertragung in die
T
Verwaltungen und Betriebe.
Homebanking (Erledigung der Bankgeschäfte per
Telefon oder Computer) und Teleshopping (Kauf vom
Fernsehsessel aus, Bestellungen via Telefon oder Internet) sind dagegen schon für viele Bürger eine
Selbstverständlichkeit.
Mehr oder weniger in den Kinderschuhen steckt
einstweilen noch die Telemedizin, also die Ferndiagnose und -behandlung mithilfe technischer Kommunikationsmittel. Angesichts der Kostenexplosion im
Gesundheitswesen dürften sich auch hier zumindest
mittelfristig Effizienzpotenziale heben lassen.
Immer mehr Unternehmen in Deutschland digitalisieren ihre Geschäftsprozesse, um die Chancen des
sogenannten E-Business zu nutzen. Dessen Lösungen
reichen vom einfachen Online-Shop oder Katalogsys­
temen bis zur elektronischen Abwicklung von Beschaffungs-, Vertriebs- und Logistikprozessen. Für die
Betriebe sind die E-Business-Anwendungen wichtige
Erfolgsfaktoren im Wettbewerb. Sie setzen dabei beispielsweise auf folgende Vorteile:
• Automatisierte Warenbestellungen reduzieren
­Kosten.
• Online-Shops und E-Marktplätze erschließen neue
Märkte.
• Customer Relationship Management hat das Ziel,
die Kundenbeziehungen zu optimieren. Dazu erfolgen
analytische Auswertungen kundenbezogener Daten.
• Elektronisch unterstützte Prozesse sparen Zeit –
etwa bei Bestellungen und Abrechnungen.
• Auf einer eigenen Homepage und in elektronischen
Katalogen werden Waren immer aktuell präsentiert.
• Einfacher Informationsaustausch verbessert die
Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen.
• Digitale und damit genauere Geschäftsprozesse
verkürzen Lieferzeiten und reduzieren Retouren.
• Etiketten mit Barcodes oder RFID (Radio Frequency Identification = Funkerkennung) ermöglichen eine
lückenlose Rückverfolgbarkeit.
Beim Umstellungsprozess können Firmen auf die
Hilfe durch Förder- und Beratungsprojekte wie
­PROZEUS in Köln zurückgreifen. Die PROZEUSExperten ermitteln, welche E-Business-Anwendungen
sich für ein Unternehmen eignen, und verbessern so
dessen Kompetenz im Umgang mit den neuen Technologien.
Vermittlung von Medienkompetenz
Mittlerweile sind fast alle gesellschaftlichen Lebensbereiche von Elektronisierung und Digitalisierung der Kommunikation grundlegend betroffen –
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Medienkompetenz –
Rat und Hilfe im Netz
Wichtige Anlaufstellen für Medienkompetenz und Jugendmedienschutz:
www.bundespruefstelle.de/
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, aktuelle
Broschüre der Bundesprüfstelle zum Thema „Wegweiser
Jugendmedienschutz – Ein Überblick über Aufgaben und
Zuständigkeiten der Jugendmedienschutzinstitutionen in
Deutschland“ (kostenlos anzufordern)
www.fsm.de
Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter
(FSM) e.V.
www.ein-netz-fuer-kinder.de
Gemeinsame Initiative von Politik, Wirtschaft und Institutionen des Jugendmedienschutzes
www.jff.de
Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung
und Praxis befasst sich in Forschung und pädagogischer
Praxis mit dem Medienumgang der heranwachsenden
Generation.
www.pegi.info/de
Das europaweite System PEGI (Pan-European Game
Information) zur Vergabe von Altersempfehlungen gibt
Eltern in Europa beim Kauf von Computerspielen wichtige
Informationen zur Hand.
www.slm-online.de
Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue
Medien (SLM)
www.mpfs.de
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs)
www.lfm-nrw.de
Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM)
www.blm.de
Bayerische Landeszentrale für neue Medien
www.uni-leipzig.de
Das Zentrum für Medien und Kommunikation (ZMK) ist
eine zentrale Einrichtung der Universität Leipzig.
www.gmk-net.de
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Die GMK will die Medienpädagogik,
Medienkompetenz und Kommunikationskultur in der Bundesrepublik und in Europa fördern und verantwortlich
mitgestalten.
www.medienarbeit-nrw.de
Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Medienarbeit NRW e.V.
(LAG LM): Die 160 Mitglieder, die in der nicht kommerziellen Medienarbeit und Medienbildung in NordrheinWestfalen aktiv sind, leisten eigenständige kulturelle,
soziale, politisch-bildende und pädagogische Medienarbeit
vor Ort.
www.kjm-online.de
Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten
besonders aber der Bildungssektor. „Lebenslanges
Lernen“ heißt die wohl wichtigste Antwort auf die
Herausforderungen der neuen Informations- und Kommunikationstechniken. Die Vermittlung von Medienkompetenz spielt dabei eine zentrale Rolle.
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In Studium, Berufsausbildung und Job wird künftig
noch weniger ohne Computer und Internet laufen.
Grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit den digitalen Medien müssen deshalb Bestandteil der Medien­
kompetenzvermittlung sein. Dazu gehört es,
• Nachrichteninhalte zu bewerten und Schlüsse
­daraus zu ziehen – beispielsweise, um die eigenen
demokratischen Bürgerrechte sinnvoll wahrzunehmen
(Entscheidungen bei Bundestags- oder anderen politischen Wahlen),
• eigene Urheberrechtsverstöße im Netz identifizieren zu können und sich entsprechend beraten zu
­lassen,
• die informationelle (die Informationen betreffende)
Selbstbestimmung als wichtiges Gut zu erkennen und
zu wahren, indem mit persönlichen Daten im Netz
vorsichtig umgegangen wird und Verstöße durch ­Dritte
nicht hingenommen werden,
• Recherchen im Netz durchzuführen (Informationsbeschaffung) und die gewonnenen Daten systematisch
auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen – zum Beispiel
durch den Vergleich verschiedener Quellen,
• dass Kinder und Jugendliche über die Gefahren in
Chaträumen (Stichwort: sexuelle Belästigung) aufgeklärt werden und ihnen geholfen wird, wenn sie im
Netz mit Mobbing, also Lästerattacken, konfrontiert
werden,
• mit Jugendlichen über die Gefahren durch OnlineSpielsucht zu diskutieren und Anzeichen dieser Abhängigkeit frühzeitig zu erkennen,
• das Bewusstsein zu entwickeln, dass das Netz kein
rechtsfreier Raum ist, sondern Beleidigungen und Verleumdungen dort genauso juristisch verfolgt werden
können wie in der Realität und
• besonders auf die Netiquette (aus: Net = Netz und
etiquette = Etikette, vgl. Textkasten auf Seite 8), also
auf gutes Benehmen im Web, zu achten und die Fähigkeit zu entwickeln, formal korrekte und verständliche
E-Mails zu erstellen.
Die Wichtigkeit von Medienkompetenz hat auch
die Europäische Kommission erkannt und im August
dieses Jahres Leitlinien zu deren europaweiten Förderung verabschiedet. Darin wird betont, wie wichtig
entsprechende Anstrengungen für die Stärkung der
Demokratie und die Entwicklung der Kommunikationswirtschaft sind. Außerdem sei Medienkompetenz
ein Faktor für Integration und bürgerschaftliche Teilhabe in der heutigen Informationsgesellschaft. Sie
vermittle grundlegende Fähigkeiten nicht nur für
junge Menschen, sondern auch für Erwachsene, namentlich für ältere Menschen, Eltern, Lehrkräfte und
Angehörige der Medienberufe.
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Weiterführende Links für Eltern
und Lehrer
www.computerspielschule.org
In der Computerspiel-Schule-Leipzig können sich Eltern
und Pädagogen Wissen rund um PC-Spiele aneignen (Jugendmedienschutz, Spielgenres und Spielplattformen).
Unterstützt werden sie dabei von medienkompetenten
Kindern und Jugendlichen.
www.klicksafe.de
Hier gibt es jede Menge Tipps und Materialien zu den
wichtigsten Jugendmedienschutz-Themen sowie aktuelle
Informationen zu den Chancen und Risiken der Internetnutzung.
www.schau-hin.info
Die Seite bietet Eltern eine praxisnahe Orientierungshilfe
zur kindgerechten Mediennutzung und -erziehung.
www.lse.ac.uk/collections/EUKidsOnline/
„Was wissen wir über das kindliche Nutzungsverhalten im
Online-Bereich?“ Diese Frage versuchten 30 Institutionen
mit 70 Forscherinnen und Forschern aus 21 EU-Ländern
zu beantworten. Die Zielgruppe waren alle bis 18-jährigen
Europäer und ihre Eltern.
Die Kommission plant deshalb eine Studie über die
Gefahren im Zusammenhang mit der Weitergabe
personenbezogener Daten im Online-Umfeld und
darüber hinaus eine weitere Untersuchung zur optimierten Nutzung von Suchmaschinen.
Ferner will Brüssel auf eine einheitliche Definition
des Begriffes Medienkompetenz hinarbeiten. Den
Mitgliedsstaaten wird empfohlen, „auf Konferenzen
und anderen öffentlichen Veranstaltungen eine Debatte in Gang zu setzen über die Aufnahme der Medienerziehung in die schulischen Pflichtlehrpläne sowie in
die Liste der Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen“.
Als föderaler Staat, in dem die Verantwortung für
Bildung und Kultur bei den Ländern liegt, hat es
Deutschland naturgemäß etwas schwerer, eine einheitliche Strategie mit Blick auf die Förderung der Medien­
kompetenz zu entwickeln. Gemessen an diesem
­Handicap ist gleichwohl in den vergangenen zehn
Jahren viel passiert.
Denn angesichts der wachsenden Bedeutung der
Medien in Alltag und Arbeitswelt hat sich in der Politik inzwischen auch hierzulande das Bewusstsein
durchgesetzt, dass vor allem Kinder und Jugendliche
eine gezielte Förderung brauchen, um in der sich rasant
ändernden Medienwelt klarzukommen. So haben
mittlerweile die meisten Bundesländer Medienkunde
in ihre Lehrpläne aufgenommen. Es gibt zudem staatliche Unterstützung für Projekte, die Eltern und
­Kindern bei der Entwicklung von Medienkompetenz
helfen. Außerdem haben mit dem Thema vertraute
Thema Wirtschaft Nr. 119
Interessante Links für Kids
Die Internetsuchmaschine für Kinder: Außerdem gibt es
Nachrichten, Basteltipps, Spiele und noch vieles mehr.
www.sowieso.de
Online-Zeitung für Kinder: Berichtet aktuell, lebendig
und für Kinder und Jugendliche verständlich über Politik,
Gesellschaft, Kultur und Sport. Außerdem haben Kids die
Möglichkeit, als „Reporter“ eigene Texte zu schreiben.
www.internauten.de
Die Website möchte Kindern altersgerecht Medienkompetenz vermitteln. Neben Tipps für eine sichere und
kompetente Nutzung des Internets finden sich Nachrichten
sowie Buch- und Filmtipps. Für Eltern und Lehrer wird
ein Extra-Informationsbereich mit Informationsmaterial
angeboten.
www.kummernetz.de/kinder
Internetseelsorge für Kinder bis 12 Jahren: In Foren und
Chats helfen Fachleute bei allem, was Kindern Sorgen
macht. Aber auch Gleichaltrige geben Tipps. Auf Wunsch
ist auch eine Mail- oder Einzel-Chat-Beratung möglich.
www.kindercampus.de
Auf der Website können Kinder beispielsweise unterschiedliche Spiele ausprobieren, mit der Suchmaschine Clikks
nach interessanten Webseiten suchen sowie sich auf die
„Mission Internet“ begeben und damit das Internet besser
kennenlernen.
www.internet-abc.de/kinder/
Kinder ab 10 Jahren können ihren Internet-Führerschein
machen, indem sie spielerisch ihr Wissen über das Web
testen.
Institutionen wie die für die Privatfunkaufsicht zuständigen Landesmedienanstalten vielfältige Förderprogramme auf den Weg gebracht.
Gleichzeitig wurde das gesetzliche Instrumentarium
geschärft und ausgeweitet. Wichtigste Neuerung: der
„Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde
und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“
aus dem Jahre 2002. Sein Ziel ist der „einheitliche
Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten
in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung
beeinträchtigen oder gefährden“. Dafür wurden neue
Aufsichtsinstanzen wie die Kommission für Jugendmedienschutz oder die gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder „jugendschutz.net“ gegründet.
Tatsächlich gibt es inzwischen auch jede Menge
Projekte, in denen sich Lehrer, Pädagogen der außerschulischen Jugendarbeit, Eltern und last but not least
die Jugendlichen selbst in Sachen Medienkompetenz
weiterbilden können.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Landesmedienanstalten, die neben der Privatfunkaufsicht auch für
die Förderung der Medienkompetenz zuständig sind.
Beispiel Hessen: Mit insgesamt mehr als 140 Angeboten zur Medienbildung laden die Medienprojekt-
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zentren Offener Kanal (MOK) der dortigen Landesmedienanstalt allein im zweiten Halbjahr 2009 dazu
ein, „medienkompetenter“ zu werden. Das Spektrum
der Kurse, Seminare und Workshops reicht von dreistündigen Grundlagenvermittlungen über Fachvorträge, Elternabende, Tages- und Wochenendseminare bis
hin zu mehrmonatigen Bildungsmaßnahmen.
In diesen Projekten lernen zum Beispiel Kindergartenkinder, dass nicht alles Realität ist, was das Fernsehen zeigt. Oder sie werden angeleitet, über Werbung
zu sprechen und dann eigene Werbespots zu produzieren. In anderen Kursen lernen Schüler, wie Lokalredaktionen arbeiten und wie man ein eigenes Lokalmagazin im Radio auf die Beine stellen kann. Lehrer
wiederum setzen sich mit Themen wie Gewaltprävention, Medienkinder oder Handyclips auseinander.
Eine andere Möglichkeit, junge Menschen zu erreichen, sind Tagungen wie „My News – zur Glaubwürdigkeit von Nachrichten“, die kürzlich in München
stattfand und vom JFF Institut für Medienpädagogik
organisiert wurde. In dieser unterrichtsergänzenden
Veranstaltung lernten die Schüler, den Weg der Nachricht vom Ereignis zum Empfänger kennen. Journa­
listen berichteten darüber, welche Möglichkeiten es
gibt, den Wahrheitsgehalt von News zu überprüfen.
Statt auf stundenlange Vorträge wurde dabei auf eine
Mischung aus kommunikativen Spiel- und Arbeitsgruppen gesetzt.
In der Diskussion über den wachsenden Handlungsbedarf in Sachen Medienkompetenz spielte in den
vergangenen Jahren der Gesichtspunkt der Chancengerechtigkeit eine besondere Rolle. Experten
befürchten, dass die Gesellschaft über kurz oder lang
in zwei Klassen zerfallen wird: in jene Gruppe, die
mit der anschwellenden Informationsflut umzugehen
versteht und sie für ihre privaten und beruflichen
Erfordernisse einzusetzen weiß, und in jene, die nicht
gelernt hat, Medieninhalte zu analysieren und zu
bewerten.
Da der Zugang zu den neuen Medientechnologien
kaum noch ein Problem ist und fast alle Haushalte
inzwischen Computer, Internet und Handy besitzen,
wird es zunehmend wichtiger, den sinnvollen Umgang
mit den neuen Techniken einzuüben. Untersuchungen
zeigen nämlich, dass insbesondere formal niedriger
gebildete Personen die Medien bisher vor allem zur
Unterhaltung und damit passiv nutzen. Zur Medienkompetenzvermittlung gehört aber, das Interesse an
gesellschaftlicher und politischer Information zu
wecken, damit nicht nur die höher Gebildeten sich in
dem steigenden Angebot zurechtfinden und die neuen
Medien gezielt für sich einsetzen können.
Karl Schawinsky
5/2009
Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln,
Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT
Langjährige Tätigkeit als Medienjournalist und Dozent für
Medienkunde an der Kölner Journalistenschule; seit 2002
­zuständig für die Pressearbeit im Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
Redaktion: Irina Berenfeld, Köln (verantw.)
Telefon: 0221 4981-522 · Fax: 0221 4981-504
berenfeld@iwkoeln.de · www.iwkoeln.de · www.schule-wirtschaft.de
Der Autor:
ISBN 978-3-602-24319-8 (Druckausgabe)
ISBN 978-3-602-45819-6 (E-Book|PDF)
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