Teenage pregnancies internationally
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2 – 2007 Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ´ FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung ` ´ ` Teenagerschwangerschaften international ´ ` ´ ` ´ ` Minderjährige Schwangere in Deutschland. Statistische Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen und Geburten Evelyn Laue Teenagerschwangerschaften in Deutschland. Studienergebnisse zu Risikofaktoren und Verhütungsfehlern bei Schwangerschaften minderjähriger Frauen Karin Block, Silja Matthiesen Angebote und Hilfebedarf für minderjährige Schwangere und Mütter in Berlin und Brandenburg. Ergebnisse einer Expertenbefragung Monika Häußler-Sczepan, Sabine Wienholz „Schwanger unter 18“. Ein neues Internetangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Petra Otto, Mechthild Paul Geburtenraten minderjähriger Mädchen in Europa. Trends und Determinanten Osmo Kontula Teenagerschwangerschaften in Irland Stephanie O’Keeffe, Mary Smith Sexuelle und reproduktive Gesundheit. Prävention ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche in Norwegen Ulla Leth Ollendorff Teenagerschwangerschaften in Island Sóley S. Bender EDITORIAL In diesem dritten Heft der Reihe FORUM zum Thema „Teenagerschwangerschaften“ wird die Perspektive erweitert: Neben Beiträgen über aktuelle Studien aus Deutschland informieren wir über repräsentative Daten und Präventionsansätze aus anderen europäischen Ländern. Zu Anfang gibt das Statistische Bundesamt einen Überblick über die Anzahl der Geburten und Schwangerschaftsabbrüche minderjähriger Frauen in Deutschland und zeigt die Entwicklung in den Jahren 2000 bis 2006 auf. Auf der Grundlage von Befragungen rund 1800 minderjähriger Schwangerer in Beratungsstellen der pro familia haben sich Fachleute mit Risikofaktoren und Verhütungsfehlern befasst, die häufig Ursache für ungewollte Schwangerschaften sind. Wir berichten über eine Studie im Auftrag der BZgA, in der auf der Basis von 100 Experteninterviews ermittelt wurde, welche Angebote und Hilfen es für minderjährige Schwangere in Berlin und Brandenburg gibt, ob die bestehenden Angebote bekannt sind und ob sie von den Jugendlichen angenommen werden. Hintergrund sind die im Ländervergleich relativ hohen Zahlen von Teenagerschwangerschaften in den ostdeutschen Regionen. „Schwanger unter 18“ heißt ein neues Internetangebot der BZgA, dessen Grundlagen und Bausteine wir vorstellen. Es richtet sich an schwangere junge Frauen, ihre Partner und Familien sowie an Jugendliche, die sich über das Thema informieren wollen. Unser Autor Osmo Kontula hat es übernommen, einen Überblick über Entwicklungen der Fertilitäts- und Geburtenraten minderjähriger Mütter in ganz Europa zu geben. Die von ihm ausgewerteten Daten des Council of Europe (Europarates) belegen einen Rückgang der Geburtenraten Minderjähriger seit 1990, zugleich aber deutliche Unterschiede zwischen West- und Osteuropa, für die er Faktoren wie soziale Ungleichheit, Armut, den mangelnden Zugang zu Beratungsangeboten und sicheren Verhütungsmitteln verantwortlich macht. Autorinnen aus Norwegen, Irland und Island berichten über die sehr unterschiedlichen Problemstellungen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Präventionsansätze in Bezug auf minderjährige Schwangere und Mütter in ihren Ländern. Die internationalen Beiträge des Heftes machen deutlich, wie sehr gerade der Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, wie sehr Möglichkeiten und Maßnahmen der Sexualaufklärung und Familienplanung vom kulturellen Kontext abhängig sind, aus dem sie hervorgehen. Die nächste Ausgabe des FORUM 3-2007 werden wir dem Thema „Jugend/Pubertät“ widmen. Ihre Redaktion Redaktion FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung Heike Lauer Sachsenhäuser Landwehrweg 147 60599 Frankfurt Telefon/Telefax (0 69) 68 20 36 heike-lauer@t-online.de Minderjährige Schwangere in Deutschland Statistische Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen und Geburten Im Folgenden werden die aktuellen statistischen Daten zu Teenagerschwangerschaften in Deutschland vorgestellt. Aufgrund der Ergebnisse der Schwangerschaftsabbruchstatistik und der Geburtenstatistik für die Altersgruppe der 10- bis 18-Jährigen im Zeitverlauf von 2000 bis 2006 zeigt die Autorin Entwicklungen auf, die auch nach Bundesländern aufgeschlüsselt werden. Einleitung Immer wieder wird die Frage nach der Zahl der Schwangerschaften in Deutschland gestellt, insbesondere nach der Zahl der sogenannten Teenagerschwangerschaften. Deshalb gehört dieser Beitrag mit aktuellen Zahlen immer wieder zur Standardausstattung für neue Veröffentlichungen zu diesem Thema. In der amtlichen Statistik gibt es keine systematische und methodisch einheitliche Erfassung von Schwangerschaften. Rückschlüsse über deren Anzahl sind im Wesentlichen über Ergebnisse aus der Geburtenstatistik und aus der Schwangerschaftsabbruchstatistik möglich. Schwangerschaftsabbruchstatistik Die Ergebnisse dieser Statistik geben Auskunft über Anzahl, rechtliche Grundlage und Art des Abbruchs sowie die Entwicklung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. Die Statistik liefert auch Angaben über ausgewählte Lebensumstände (Alter, Familienstand, Kinderzahl) der betroffenen Frauen. Aus den statistischen Informationen über die Schwangerschaftsabbrüche und die betroffenen Frauen lassen sich strukturelle Aussagen ableiten. Zunächst soll die Gesamtzahl aller Schwangerschaftsabbrüche betrachtet werden, um danach den Blick auf die Gruppe der Minderjährigen zu lenken. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das tatsächliche Alter der Schwangeren zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs direkt erfasst wird und nicht aus den Angaben von Berichtsjahr und Geburtsjahr der Schwangeren berechnet wird. Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2006 Für das Berichtsjahr 2006 wurden in Deutschland insgesamt 119 710 Schwangerschaftsabbrüche an das Statistische Bundesamt gemeldet. Das waren 4 313 Meldungen weniger (–3,5 %) als im Vorjahr (Tab. 1). 6 590 Schwangerschaftsabbrüche ließen minderjährige junge Frauen vornehmen, 657 weniger (–9,1%) als im Vorjahr. Damit ist die absolute Zahl der Schwangerschafts- abbrüche Minderjähriger das zweite Jahr in Folge rückläufig. Von allen Frauen, die im Jahr 2006 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, waren 5,6% minderjährig. Erwartungsgemäß waren die Minderjährigen zum weitaus überwiegenden Teil (99,6%) ledig. Ebenso ist es nicht verwunderlich, dass bei den Minderjährigen der überwiegende Teil (97,2%) vor dem Schwangerschaftsabbruch noch keine Kinder geboren hatte. Allerdings gaben 2,8% der Betroffenen an, bereits ein Kind zur Welt gebracht zu haben. Auch beim Grund des Abbruchs ist eine andere Verteilung gegeben als bei der Gesamtheit der Schwangeren: Bei den minderjährigen Schwangeren war nur in 1% der Fälle eine medizinische oder kriminologische Indikation gegeben, in 99% war die Beratungsregelung die rechtliche Begründung für den Schwangerschaftsabbruch. Auch bei der Dauer der Schwangerschaften gibt es Abweichungen in der Altersgruppe der unter 18-Jährigen im Vergleich zur Gesamtzahl. Insgesamt wurde in 47,2% aller Fälle die Schwangerschaft vor der achten Schwangerschaftswoche abgebrochen, bei den unter 18-Jährigen betrug der Anteil nur 40,8%. Der Anteil der Abbrüche in der achten bis einschließlich zwölften Woche betrug an der Gesamtzahl der Fälle 50,9%, in diesem Zeitraum wurden jedoch 58,6% der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen vorgenommen. Insgesamt wurden damit 98,1% aller Abbrüche bis einschließlich zur zwölften Schwangerschaftswoche vorgenommen, bei den Minderjährigen waren es sogar 99,3% der Fälle. Die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer liegt bei den unter 18-Jährigen bei 8,1 Wochen und damit um 0,2 Wochen höher als in der Gesamtzahl der Fälle, bei denen die durchschnittliche Dauer bei 7,9 Wochen liegt. Nur 72,4% der Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger wurden ambulant in gynäkologischen Praxen durchgeführt, ambulant im Krankenhaus waren es 24,9% (von der Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche wurden nur 19,0% ambulant in Krankenhäusern vorgenommen). Die häufigste Abbruchmethode war auch im Jahr 2006 die Vakuumaspiration. Sie wurde bei den minderjährigen Schwangeren mit 78,4% etwas häufiger angewandt als insgesamt mit 77,0%. Demgegenüber wurden Schwangerschaftsabbrüche mit dem Wirkstoff Mifepriston, der unter dem Markennamen Mifegyne® („Pille danach“) vertrieben wird, bei Minderjährigen nur in 8,7% der Fälle durchgeführt. BZgA FORUM 2–2007 3 STATISTISCHE DATEN Entwicklung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche von 2000 bis 2006 Tab. 1 Schwangerschaftsabbrüche 2006 in Deutschland (s. Abb. 1) Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche von über 18-jährigen Frauen hat sich seit dem Jahr 2000 im Wesentlichen kontinuierlich verringert, mit einem Ausreißer im Jahr 2004. Demgegenüber gibt es bei den Schwangerschaftsabbrüchen von unter 18-Jährigen erst seit 2004 eine deutliche Verringerung – bis dahin war eine (fast) jährlich steigende Zahl der Abbrüche festzustellen. • Die Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche hat sich von 2000 zu 2006 um 11,2% verringert. Im früheren Bundesgebiet sank die Gesamtzahl um 10,2%, in den neuen Ländern um 12,8% und in Berlin um 16,2%. • Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger hat sich in diesem Zeitraum um 4% erhöht. Im früheren Bundesgebiet stieg die Zahl um 9% und in Berlin stieg sie um 4,1%. Demgegenüber sank sie in den neuen Ländern um 9,9%. • Der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche der unter 18-Jährigen an der Gesamtzahl aller Schwangerschaftsabbrüche ist im gleichen Zeitraum von 4,7 auf 5,5% gewachsen. Bei den Schwangerschaftsabbrüchen unter 18-Jähriger sind innerhalb der einzelnen Länder erhebliche Unterschiede in den Veränderungsraten von 2000 auf 2006 zu verzeichnen. Dabei sollte bedacht werden, dass die scheinbare Dramatik dieser Prozentangaben durch niedrige absolute Zahlen begründet ist. Die höchsten Zuwächse finden sich in Rheinland-Pfalz (+36%, von 200 auf 272 Fälle), in SchleswigHolstein (+34,2%, von 199 auf 267 Fälle) und in Bremen (+28,4%, von 88 auf 113 Fälle). Auch wenn sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger insgesamt im Beobachtungszeitraum erhöht hat, ist in der Hälfte der Bundesländer eine Verringerung zu verzeichnen, am stärksten in Mecklenburg-Vorpommern (–26,4%, von 296 auf 218 Fälle), gefolgt vom Saarland (–22,5%, von 80 auf 62 Fälle) und Thüringen (–10,8%, von 268 auf 239 Fälle). Der Vergleich der absoluten Zahlen für die einzelnen Bundesländer ist nicht besonders aussagefähig, da die Länder unterschiedliche Bevölkerungszahlen aufzuweisen haben, die sich auch noch im zeitlichen Verlauf verändern. Um diese demografische Komponente auszuschließen, bedient man sich der sogenannten Quoten- oder auch Kennziffernberechnung. Dabei werden die absoluten Zahlen (hier die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche von minderjährigen Mädchen) in Relation zur Grundgesamtheit gestellt, in diesem Fall zur weiblichen Bevölkerung der Altersgruppe von 10 bis unter 18 Jahren. Die untere Grenze wurde so gewählt, da in einzelnen Fällen Schwangerschaftsabbrüche von 10-jährigen Mädchen gemeldet wurden. In dieser Altersgruppe ist ein Rückgang in der Bevölkerungszahl festzustellen. Waren es im Jahr 2000 noch rund 3,63 Millionen, so sank deren Zahl im Jahr 2005 um 4,7% auf rund 3,46 Millionen. Die Quote der „Schwangerschaftsabbrüche von minderjährigen Schwangeren je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren“ wird berechnet, indem die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche durch die Zahl der Frauen in diesem Alter dividiert und mit 10 000 multipliziert wird. Für das Jahr 2006 wird eine vorläufige Quote berechnet, da die Bevölkerungsangaben für dieses Jahr noch nicht zur Verfügung stehen, und zwar auf der Basis der Bevölkerungszahlen von 2005. 4 BZgA FORUM 2–2007 Gegenstand der Nachweisung Anzahl Prozent 119 710 100,0 Alter der Schwangeren von ... bis unter ... Jahren unter 15 15–18 18–25 25–30 30–35 35–40 40–45 45–55 542 6 048 37 037 26 530 21 580 19 106 8 211 656 0,5 5,1 30,9 22,2 18,0 16,0 6,9 0,5 Familienstand der Schwangeren Ledig Verheiratet Verwitwet Geschieden 61 919 51 119 382 6 290 51,7 42,7 0,3 5,3 3 046 28 116 636 2,5 0,0 97,5 13 204 92 146 7 2 964 11 389 11,0 77,0 0,0 2,5 9,5 117 390 2 137 183 98,1 1,8 0,2 93 880 22 753 3 077 78,4 19,0 2,6 Anzahl der vorangegangenen Lebendgeborenen Keine 48 760 1 31 055 2 27 726 3 8 776 4 2 344 5 und mehr 1 049 40,7 25,9 23,2 7,3 2,0 0,9 Insgesamt Grund des Abbruchs Medizinische Indikation Kriminologische Indikation Beratungsregelung Art des Eingriffs Curettage Vakuumaspiration Hysterotomie/Hysterektomie Medikamentöser Abbruch Mifegyne / Mifepriston Dauer der Schwangerschaft von ... bis unter ... Wochen unter 13 13–23 23 und mehr Ort des Eingriffs Gynäkologische Praxis Krankenhaus (ambulant) Krankenhaus (stationär) © Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2007; Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugsweise, mit Quellenangabe gestattet. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 1 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nach Alter der Frauen 140 000 128 272 127 359 122 944 121 796 120 385 120 000 116 776 113 120 100 000 80 000 60 000 40 000 20 000 7 605 6 337 2000 2001 über 18 Jahre 7 443 2002 7 854 7 645 2003 2004 7 247 2005 6 590 2006 unter 18 Jahre Abb. 2 Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 2000 2001 2002 Insgesamt Früheres Bundesgebiet 2003 2004 2005 2006 Neue Länder Berlin BZgA FORUM 2–2007 5 STATISTISCHE DATEN Abb. 3 Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren nach Wohnland der Frauen Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen 0 5 2000 6 BZgA FORUM 2–2007 10 2001 15 20 2002 25 2003 30 35 2004 40 2005 45 50 2006 55 TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 4 Lebendgeborene in Deutschlannd nach Alter der Frauen (exaktes Alter bei der Geburt des Kindes) 800 000 759 873 727 028 711 655 699 426 700 000 698 653 679 203 600 000 500 000 400 000 300 000 200 000 100 000 7 447 7 126 2000 2001 über 18 Jahre 7 295 7 595 2002 2003 6 969 2004 6 592 2005 unter 18 Jahre Diese Quote lag für Deutschland im Jahr 2000 bei 17, für 2006 bei 19. Den höchsten Wert innerhalb des Beobachtungszeitraumes erreichte sie 2004 mit 22 (s. Abb. 2). Die für das frühere Bundesgebiet berechnete Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren liegt im Beobachtungszeitraum zwischen 15 und 16 bei einem Zuwachs der entsprechenden Bevölkerungsgruppe um 4%. In den neuen Ländern verringerte sich die weibliche Bevölkerung zwischen 10 und 18 Jahren im gleichen Zeitraum um 35%. So ergab sich eine steigende Quote der Schwangerschaftsabbrüche: Waren es dort im Jahr 2000 noch 21, so waren 2006 rein rechnerisch 30 von 10 000 jungen Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren von einem Schwangerschaftsabbruch betroffen, wobei die Quote nach dem Höchstwert von 35 im Jahr 2004 sinkt. Für Berlin lag der Ausgangswert der Quote 2000 bei 35, 2006 erreichte er 43. Die für die einzelnen Länder berechneten Quoten der Schwangerschaftsabbrüche Minderjähriger bezogen auf die entsprechende Altersgruppe der weiblichen Bevölkerung, also die 10- bis unter 18-Jährigen, ermöglichen eine bessere Vergleichbarkeit als die absoluten Zahlen (s. Abb. 3), sagen sie doch aus, wie viele von 10 000 Mädchen dieser Altersgruppe einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen. Dabei sind die höchsten Quoten für 2006 in den Stadtstaaten Bremen und Berlin zu finden, gefolgt von Mecklen- 1 Mittlerweile können Lebendgeburten nach dem Alter der Mütter auf Landesebene für das Jahr 2006 unter www.destatis.de/GENESIS.online abgerufen werden. Diese Daten standen bei Redaktionsschluss noch nicht zur Verfügung. burg-Vorpommern. Für Bayern, das Saarland und BadenWürttemberg ergaben sich die niedrigsten Quoten. Im zeitlichen Vergleich ist festzustellen, dass der Quotenwert für 2006 mit Ausnahme von Bremen in allen Ländern rückläufig gegenüber den Vorjahren ist. Entwicklung der Zahl der Geburten von 2000 bis 2005 Seit dem Jahr 2000 werden in der Geburtenstatistik neben den Ergebnissen nach der herkömmlichen Geburtsjahrmethode (hierbei wird die Altersangabe jeweils aus der Differenz zwischen dem Berichtsjahr und dem Geburtsjahr der Mutter berechnet) auch Auswertungen durchgeführt, die das exakte Alter der Mütter zum Zeitpunkt der Geburt berücksichtigen. An dieser Stelle werden – im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen in der Reihe FORUM – nur Ergebnisse verwendet, die das tatsächliche (exakte) Alter der Mütter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes beinhalten. Die Anzahl der Lebendgeborenen von minderjährigen Müttern nach der Geburtsjahrmethode (hierbei werden die zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes noch 17-jährigen Mütter, die im Laufe des Berichtsjahres noch das 18. Lebensjahr vollenden, nicht zu den minderjährigen Müttern gezählt) ist immer geringer als die Anzahl der Lebendgeborenen, deren Mütter zum Zeitpunkt der Geburt tatsächlich minderjährig sind. Aus diesem Grund ist eine direkte Vergleichbarkeit mit früheren Darstellungen, in denen die Angaben nach der Geburtsjahrmethode Verwendung fanden, nicht gegeben. Die Geburtenzahlen liegen derzeit bis zum Jahr 2005 vor (s. Abb. 4).1 BZgA FORUM 2–2007 7 STATISTISCHE DATEN Abb. 5 Lebendgeborene minderjähriger Mütter je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 2000 2001 2002 2003 Insgesamt Früheres Bundesgebiet Während sich bei der Zahl der Lebendgeborenen von Müttern über 18 Jahren über die Jahre ein klarer Abwärtstrend zeigt, gibt es bei den Lebendgeborenen von unter 18-jährigen Müttern von 2000 bis 2002 zunächst einen Anstieg, in den Folgejahren bis 2005 sinkt der Wert unter den Ausgangswert von 2000. • Die Gesamtzahl der Geburten hat sich von 2000 zu 2005 um 10,6% verringert. Im früheren Bundesgebiet sank die Gesamtzahl um 11,9%, in den neuen Ländern um 4,4% und in Berlin um 2,4%. • Die Zahl der Geborenen minderjähriger Mütter hat sich in diesem Zeitraum um 7,5% verringert. Im früheren Bundesgebiet sank die Zahl um 8,6%, in den neuen Ländern um 4,9% und in Berlin um 4%. • Der Anteil der Geborenen von unter 18-Jährigen an der Gesamtzahl aller Geburten ist im gleichen Zeitraum geringfügig von 0,9 auf 1% angewachsen. Die Zahl der Lebendgeborenen von unter 18-jährigen Müttern hat sich in allen Ländern mit Ausnahme von SchleswigHolstein (hier gab es 2000 211 und 2005 220 Geburten und damit einen Zuwachs um 4,3%) verringert. Dabei gibt es innerhalb der einzelnen Länder erhebliche Unterschiede in den Veränderungsraten von 2000 auf 2005 (begründet in den geringen Fallzahlen), die Werte liegen zwischen einer Verringerung um 20,2% in Hessen (von 475 auf 379 Geburten) und 19,2% in Bremen (von 78 auf 63 Geburten) sowie einer Verringerung um 1,7% in Sachsen (462 auf 454 Geburten) und 1% im Saarland (102 auf 101 Geburten). Um auch hier die demografische Komponente auszuschließen, die durch unterschiedliche Bevölkerungszahlen in den einzelnen Bundesländern hervorgerufen wird, betrachtet 8 BZgA FORUM 2–2007 2004 2005 Neue Länder Berlin man die Quote der Lebendgeborenen von minderjährigen Müttern je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren; diese Altersabgrenzung wurde wegen der Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen der Schwangerschaftsabbruchstatistik gewählt. Die Quote der Lebendgeborenen je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren für Deutschland insgesamt verringerte sich von 2000 bis 2005 von 20 auf 19, dabei gab es zunächst von 2000 bis 2002 einen Anstieg. Für das frühere Bundesgebiet liegt die berechnete Anzahl der Geburten je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren für 2000 bei 19 und für 2005 bei 16, nachdem es von 2000 auf 2001 einen Anstieg gab. In den neuen Ländern ist von 2000 bis 2005 ein kontinuierlicher Anstieg der Quote von 23 auf 33 zu verzeichnen. Auch für Berlin ist von 2000 zu 2005 ein Anstieg der Quote von 25 auf 29 zu beobachten, wenngleich die Kurve in den letzten Jahren keinen kontinuierlichen Verlauf nahm (s. Abb. 5). Die Quoten der Lebendgeborenen je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren im Ländervergleich von 2000 bis 2005 (s. Abb. 6) zeigen ein noch differenzierteres Bild als der grobe Regionalvergleich. Für die Länder des früheren Bundesgebietes ergibt sich einheitlich, dass die Quote für das Jahr 2000 über der für 2005 liegt. In den dazwischen liegenden Jahren lassen sich jedoch kaum Gemeinsamkeiten im Quotenverlauf erkennen. In den neuen Ländern liegt die Quote 2005 über dem Wert von 2000 – mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern wird in diesen Ländern 2005 der höchste Wert während des Beobachtungszeitraumes erreicht. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 6 Lebendgeborene minderjähriger Mütter je 10 000 Frauen im Alter von 10 bis unter 18 Jahren nach Wohnland der Frauen (exaktes Alter bei der Geburt des Kindes) Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen 0 5 2000 10 2001 15 20 2002 25 2003 30 35 2004 40 45 50 55 2005 BZgA FORUM 2–2007 9 STATISTISCHE DATEN Abb. 7 Schwangerschaftsabbrüche und Lebendgeborene (nach exaktem Alter der Mutter) bei in Deutschland lebenden Minderjährigen 8 000 7 589 7 447 7 426 7 595 7 833 7 631 7 126 7 295 7 230 6 969 7 000 6 592 6 323 6 000 5 000 4 000 3 000 2 000 1 000 887 1019 978 1046 1124 1097 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Schwangerschaftsabbrüche Lebendgeborene Zusammenfassung der Ergebnisse beider Statistiken (s. Abb. 7) Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen und die Zahl der Lebendgeborenen von minderjährigen Müttern nach dem exakten Alter gibt einen ungefähren Überblick über die Größenordnung der „Schwangerschaften bei Minderjährigen“. Ohne Berücksichtigung der Fehl- und Totgeburten gab es 2000 mindestens 13 449 Schwangerschaften Minderjähriger. Von 2000 zu 2005 ist eine Steigerung um 2,8% auf 13 822 zu verzeichnen. Dabei ist festzustellen, dass die Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen nur in den Jahren 2000 und 2002 unter der Zahl der Lebendgeborenen lag, was auch an der Quote der Schwangerschaftsabbrüche bezogen auf 1 000 Lebendgeborene abzulesen ist. Wie wird die Schwangerschaftsabbruchstatistik erstellt? Die Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche wird in Deutschland vierteljährlich auf der Grundlage des Schwangerschaftskonfliktgesetzes in der Fassung vom 21. August 1995 durchgeführt. In den Paragrafen 15 bis 18 ist festgelegt, dass die Daten direkt vom Statistischen Bundesamt in vierteljährlichem Abstand erhoben werden, welche Angaben erfragt werden und wer Daten zur Statistik melden muss. Auskunftspflichtig sind die Inhaberinnen 10 BZgA FORUM 2–2007 Quote der Schwangerschaftsabbrüche je 1000 und Inhaber der Arztpraxen und die Leiterinnen und Leiter der Krankenhäuser, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Die meldepflichtigen Ärzte, Ärztinnen und Krankenhäuser müssen auf einem abtrennbaren Teil des Fragebogens ihre Anschrift angeben. So ist es möglich zu prüfen, ob sie auch regelmäßig melden. Säumige Melder werden gemahnt. Häufig werden Fragen zu den Gründen für einen Schwangerschaftsabbruch gestellt, die durch die amtliche Statistik jedoch nicht beantwortet werden können, weil entsprechende Fragen zur Motivation nicht im gesetzlich vorgegebenen Erhebungsprogramm enthalten sind. Evelyn Laue TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Evelyn Laue ist seit 1990 im Statistischen Bundesamt in der Zweigstelle Berlin tätig, seit 1999 in der Zweigstelle Bonn. Ihre Aufgabenschwerpunkte sind unter anderem Pressearbeit, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, Kinder- und Jugendhilfestatistiken. Seit 2001 ist sie als Referatsleiterin in der Gruppe VIII A „Gesundheit“ für die Statistik der Schwangerschaftsabbrüche und Fragen zur Gesundheit aus dem Mikrozensus zuständig. Kontakt: Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Bonn, Gruppe VIII A Postfach 170377 53029 Bonn Telefon (0 18 88) 6 44-81 58 evelyn.laue@destatis.de Servicetelefon des Referats: Telefon (0 18 88) 6 44-81 54 Telefax (0 18 88) 6 44-89 94 schwangerschaftsabbrueche@destatis.de Statistisches Bundesamt im Internet: www.destatis.de Literatur Fachserie 1, Reihe 1.1: Natürliche Bevölkerungsbewegung 2003 bis 2005 Fachserie 1, Reihe 1.3: Bevölkerungsfortschreibung 2000 bis 2005 Fachserie 12, Reihe 3: Schwangerschaftsabbrüche 2000 bis 2006 (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden) BZgA FORUM 2–2007 11 Teenagerschwangerschaften in Deutschland Studienergebnisse zu Risikofaktoren und Verhütungsfehlern bei Schwangerschaften minderjähriger Frauen In dieser Studie der pro familia wurden rund 1800 minderjährige Frauen, die eine Schwangerschafts- oder Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch genommen haben, nach ihrer sozialen und persönlichen Lebenssituation und den Umständen ihrer Konzeption befragt. Die Boulevardpresse berichtet immer wieder aufgeregt und sensationsbetont über Schwangerschaften und Geburten von minderjährigen Frauen. Diese Berichte vermitteln den Eindruck, frühe Schwangerschaften seien ein neues und zunehmend häufiges Problem. Demgegenüber weisen die Daten des Statistischen Bundesamts seit 2001 einen leichten, aber kontinuierlichen Rückgang von Jugendschwangerschaften nach: Zwischen 2004 und 2005 sind die Raten der Schwangerschaften (pro 1000 15- bis 17-Jährige) von 8,3 auf 7,9, die Raten der Schwangerschaftsabbrüche von 5,0 auf 4,7 gefallen. Zwischen 2005 und 2006 verstärkt sich dieser Rückgang.1 Das heißt: Gegenwärtig werden in Deutschland acht von 1000 15- bis 17-jährigen Frauen schwanger, drei bis vier von 1000 tragen die Schwangerschaft aus, fünf von 1000 entscheiden sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Dies sind im internationalen Vergleich niedrige Zahlen. Eine Dramatisierung des Problems – darüber sind sich Fachleute inzwischen einig – ist sachlich unangemessen und nicht im Sinne der Betroffenen. Nichtsdestotrotz ist es ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen, ungewollte Schwangerschaften im Jugendalter möglichst zu vermeiden und junge Frauen im Falle einer Schwangerschaft umfassend zu beraten und zu unterstützen. Um Risikofaktoren und soziale Hintergründe von Jugendschwangerschaften empirisch besser beschreiben zu können, führt die pro familia seit 2005 ein Forschungsprojekt zu Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen durch.2 Ziel der Studie ist es, praxisrelevante Erkenntnisse für die Prävention ungewollter Schwangerschaften sowie für eine bedarfsgerechte Schwangerschaftsabbruchberatung und -versorgung zu gewinnen. Die Studie Die Untersuchung umfasst zwei Teilstudien. In der Teilstudie I (Dokumentation) wurden anhand eines standardisierten Fragebogens 1801 schwangere Frauen unter 18 Jahren, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung oder eine allgemeine Schwangerschaftsberatung in einer pro familiaBeratungsstelle aufsuchten, befragt. Der Bogen umfasste 40 Items zum sozialen und persönlichen Hintergrund der jungen Frau, zu ihrem Partner und zur Situation, in der es 12 BZgA FORUM 2–2007 zur Konzeption kam. Diese Dokumentation erfolgte nach dem Beratungsgespräch und wurde von pro familia-Beraterinnen und Beratern vorgenommen. An der bundesweiten Untersuchung beteiligten sich 138 von 163 pro familia-Beratungsstellen. Die Teilnahmequote war mit 79% sehr hoch. Es wurden etwa 20% aller minderjährigen Frauen, die im Untersuchungszeitraum in Deutschland schwanger wurden, erfasst.3 In der Teilstudie II (Interviewstudie) wurden zwischen September 2005 und Januar 2007 leitfadengestützte Interviews mit 68 minderjährigen Frauen geführt, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen. Das Interview fand sechs bis zwölf Wochen nach dem Abbruch statt und behandelt die Themen: Feststellen und Erleben der Schwangerschaft, Entscheidungsprozesse für einen Schwangerschaftsabbruch, Erleben des Schwangerschaftsabbruchs und der medizinischen und beraterischen Versorgung, die sexuelle Situation, in der es zur Konzeption kam, bisherige Verhütungs-, Sexual-, und Beziehungsbiografie. Es wurden Frauen aus allen Regionen Deutschlands befragt, 43 Interviews fanden telefonisch, 25 im persönlichen Gespräch mit geschulten Interviewerinnen statt 4 (s. Tab. 1). Gefährdete Gruppen Wenn Frauen unter 18 Jahren schwanger werden, geht man in unserem Kulturkreis wie selbstverständlich davon aus, dass die Schwangerschaft ungeplant und meistens auch un- 1 Diese Aussage bezieht sich auf die Raten der Schwangerschaftsabbrüche; über die Geburtenraten minderjähriger Frauen im Jahr 2006 lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine Daten vor. Sie können mittlerweile unter www.destatis.de/GENESIS.online abgerufen werden. 2 Das Forschungsprojekt wird unter der Leitung von Prof. Dr. Gunter Schmidt vom pro familia-Bundesverband in Kooperation mit dem Institut für Sexualwissenschaft der Universität Hamburg durchgeführt. Es wird von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gefördert. Aktuelle Publikationen sind unter www.jugendschwangerschaften.de abrufbar. 3 Für eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse der Teilstudie I vgl. Schmidt et al. 2006 a, b. 4 Es wurden ebenfalls zwölf Interviews mit den Partnern der Frauen geführt. Die Ergebnisse der Interviewstudie sind noch nicht publiziert. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Tab. 1 Tab. 2 Pro familia-Forschungsprojekt: Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen Alter schwangerer Frauen unter 18 Jahren Teilstudie I: Dokumentation Standardisierter Dokumentationsbogen Themen: Soziodemografische und biografische Daten, Angaben zum Partner, Angaben zu den Umständen der Konzeption, bisherige sexuelle Erfahrungen und Beziehungserfahrungen Dauer: 10 Minuten Stichprobe: 1801 schwangere Frauen unter 18 Jahren Teilstudie II: Interviewstudie Leitfadengestützte Interviews Themen: Feststellen der Schwangerschaft, Motive und Entscheidungsprozesse für den Abbruch, Erleben des Abbruchs, Sexual-, Verhütungs-, Beziehungsbiografie Dauer: zwischen 60 und 150 Minuten Stichprobe: 68 Frauen und 12 Männer nach einem Schwangerschaftsabbruch gewollt ist. Dies trifft tatsächlich in den allermeisten Fällen zu: 92% der von uns befragten jungen Frauen sind ungeplant schwanger geworden, 4% der Schwangerschaften sind geplant, 4% der jungen Frauen sind sich ihrer Intention unsicher, sie haben es „darauf ankommen lassen“. Betrachten wir zunächst die Altersverteilung von schwangeren Jugendlichen, so fällt auf, dass drei Viertel der schwangeren Frauen 16 oder 17 Jahre alt sind – nur 1% ist 13 Jahre oder jünger. Dass vor allem ältere Mädchen schwanger werden, ist nicht weiter verwunderlich, da sich das Risiko einer Schwangerschaft proportional zu der Dauer der koitusaktiven Zeit vor dem 18. Geburtstag erhöht. In einfachen Worten: Je mehr Sex eine Frau vor ihrem 18. Geburtstag hat (und je schlechter sie verhütet), desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Schwangerschaft. Aus der Altersverteilung unserer Stichprobe lassen sich Schwangerschaftsraten der verschiedenen Altersstufen abschätzen. Danach werden heute pro Jahr etwa fünf von 100 000 12-Jährigen und zwölf von 1000 17-Jährigen schwanger. Schwangerschaften oder Geburten sehr junger Mädchen (13 Jahre oder jünger) sind also ein äußerst seltenes Ereignis.5 Die kumulative Verbreitung von Schwangerschaften bei minderjährigen Frauen liegt heute bei 2,6%, das 5 Sie markieren aus statistischer Sicht das extreme Ende einer Verteilung, die wie alle soziosexuellen Phänomene eine große Streubreite aufweist. 6 In der Gruppe der Hauptschülerinnen sind zusammengefasst: Hauptschule mit oder ohne Abschluss, noch auf der Hauptschule oder Förder-/Sonderschule. 7 Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes zur Schulart besuchten von den 14- und 15-jährigen Mädchen im Jahr 2005 25% eine Sonder- oder Hauptschule, 28% eine Realschule, 38% ein Gymnasium und 9% eine Gesamtschule. Verteilt man die Gesamtschülerinnen zu gleichen Teilen auf die drei Schultypen, dann ergeben sich Anteile von etwa 30% (Hauptschule oder weniger), 30% (Realschule) und 40% (Gymnasium). Danach wäre das Risiko einer Hauptschülerin noch etwas höher, das einer Gymnasiastin noch etwas niedriger als nach der obigen groben Schätzung. Alter 12 Jahre 13 Jahre 14 Jahre 15 Jahre 16 Jahre 17 Jahre Gesamt Schwangerschaftsrate (per 1000 Frauen)* 0,05 0,2 2, 5, 10, 12, 29 ,** * Geschätzte Werte, unter der Voraussetzung, dass (1) die Altersverteilung schwangerer Frauen in der Stichprobe die Altersverteilung in der Population aller schwangeren Minderjährigen abbildet, und (2) die Populationen der sechs Jahrgänge in etwa gleich groß sind. ** Vermindert man diesen Wert um den Anteil der Mehrfachschwangerschaften bei minderjährigen Frauen (10% in unserer Stichprobe), dann erhält man einen Schätzwert für die kumulative Verbreitung von Schwangerschaften vor dem 18. Geburtstag. Demnach werden derzeit etwa 2,6% aller Frauen vor dem 18. Geburtstag mindestens einmal schwanger. heißt, so viele Frauen werden vor ihrem 18. Geburtstag mindestens einmal schwanger (s. Tab. 2). Welche Faktoren beeinflussen die Verbreitung von Jugendschwangerschaften? In welchen Konstellationen und Situationen ist das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft besonders hoch? Die Schulbildung hat einen massiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, minderjährig schwanger zu werden. Nach unseren Ergebnissen gehören die jugendlichen Schwangeren überwiegend zur Gruppe der Hauptschülerinnen (54%); Gymnasiastinnen (11%) sind erheblich seltener betroffen.6 Da in der Population der Jugendlichen Hauptschülerinnen und Gymnasiastinnen etwa gleich häufig sind, kann man davon ausgehen, dass das Risiko einer Hauptschülerin etwa fünfmal so hoch ist, minderjährig schwanger zu werden, wie das einer Gymnasiastin. 7 Diese Befunde müssen ernst genommen, aber sie dürfen nicht dramatisiert werden. Auch bei den Hauptschülerinnen ist eine Schwangerschaft vor dem 18. Geburtstag ein sehr seltenes Ereignis. Unsere Daten erlauben Schätzungen der Schwangerschaftsraten für die verschiedenen Bildungsgrade. Danach werden im Jahr 15 von 1000 15- bis 17-jährigen Hauptschülerinnen schwanger. Im internationalen Vergleich sind dies eher wenige (aber deutlich mehr als bei Gymnasiastinnen, bei denen diese Rate bei 3 von 1000 liegt). Dies festzuhalten ist wichtig, um stereotypisierende und diskriminierende Schlussfolgerungen über die Gruppe der Hauptschülerinnen zu vermeiden. Gleichwohl ist unübersehbar, dass geringe Bildung das Schwangerschaftsrisiko dramatisch erhöht und das Vorkommen von Jugendschwangerschaften stark vom sozialen Hintergrund abhängt, denn minderjährige Schwangere sind nicht nur im Hinblick auf die Schulbildung benachteiligt (vgl. Tab. 3). Von den Befragten, die keine allgemeinbildende Schule mehr besuchen, sind 51% ohne Arbeit oder Ausbildungsplatz. Ein unverhältnismäßig hoher Anteil der Eltern ist arbeitslos (19% der Väter und 22% der Mütter). BZgA FORUM 2–2007 13 STUDIE PRO FAMILIA Tab. 3 Tab. 4 Wer wird schwanger? Soziale Benachteiligung (in %) Verhütung beim Geschlechtsverkehr, bei dem es zur Konzeption kam (schwangere Frauen unter 18 Jahren) und beim letzten Geschlechtsverkehr (Population der koituserfahrenen 14- bis 17-jährigen Frauen) (in %) Schwangere Hauptschülerin ohne Ausbildungsplatz/arbeitslos * 54 51 Partner Hauptschüler ohne Ausbildungsplatz/arbeitslos * 59 31 Eltern Vater arbeitslos Mutter arbeitslos 19 22 keine unsichere Verhütungsmethode*** Spirale, Diaphragma Kondom Pille andere hormonelle Verhütungsmethode Kondom und Pille * Nur Frauen bzw. Männer, die nicht mehr auf eine allgemeinbildende Schule gehen. Hauptschülerinnen sind besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen, sowohl im Hinblick auf die eigene Arbeitssituation als auch im Hinblick auf die ihrer Väter und Mütter. Die soziale Situation der Partner, mit denen die jungen Frauen schwanger geworden sind, doppelt diesen Befund der sozialen Benachteiligung noch einmal: Unverhältnismäßig viele Partner, nämlich 59%, sind Hauptschüler, und von denen, die keine allgemeinbildende Schule mehr besuchen, sind unverhältnismäßig viele, nämlich 31%, arbeitslos oder ohne Ausbildungsplatz. Insgesamt zeigt sich: Jugendschwangerschaften sind stark assoziiert mit sozialer Benachteiligung. Prävention von Teenagerschwangerschaften heißt deshalb auch, die sozialen Chancen und Perspektiven der unterprivilegierten jungen Frauen und ihrer Partner zu stärken. Verhütungsfehler beim Koitus, der zur Konzeption führte Aus der hohen Zahl der ungeplanten Schwangerschaften folgt, dass in der großen Mehrheit der Fälle Empfängnisverhütung nicht geklappt hat oder gar nicht erst praktiziert wurde. Wie wurde in dem Fall, bei dem die junge Frau schwanger wurde, verhütet? Natürlich schlechter, als es bei Jugendlichen allgemein üblich ist (s. Tab. 4): Beim Koitus, der zur Konzeption führte, wurde sehr viel häufiger nicht verhütet als beim letzten Geschlechtsverkehr nichtschwangerer junger Frauen, und die Pille wurde sehr viel seltener angewendet. Nur etwa ein Viertel der schwangeren Frauen hat mit der Pille verhütet, in der Vergleichsgruppe waren es 50%. Dies zeigt noch einmal die große Bedeutung der Pille für die Prävention von Teenagerschwangerschaften. Wichtiger aber als diese eher trivialen Befunde ist Folgendes: 63% der minderjährigen Schwangeren – ältere wie jüngere – geben an, dass sie sich mit Pille oder Kondom vor 14 BZgA FORUM 2–2007 schwangere Frauen * 34 2 Population ** 1 1 0,2 34 26 1 – 22 50 – 2 25 * Drei Frauen gaben an, beim Petting schwanger geworden zu sein. ** BZgA 2006, eigene Auswertung. *** Unterbrochener Verkehr, „sichere Tage“, Zäpfchen. einer Schwangerschaft geschützt hatten. Die Mehrheit wurde also in einer Situation schwanger, in der sie mit sogenannten „sicheren Methoden“ verhüteten. Das gilt für alle Altersund alle Schulbildungsgruppen. Dies deutet darauf hin, dass Anwendungsfehler bei Kondom und Pille häufig vorkommen und die Information gerade hier verbessert werden muss. Riskante Situationen Welche Gruppen sind bei dem Koitus, der zur Konzeption führte, ein besonders hohes Risiko eingegangen? Abbildung 1 belegt, dass die Gefahr, ungewollt schwanger zu werden, in folgenden Umständen und Situationen besonders groß ist: Nichtegalitäre Beziehungskonstellationen Besonders prekär ist das Verhütungsverhalten, wenn die Initiative zum Geschlechtsverkehr überwiegend vom Mann ausgeht oder der Koitus gar gegen den Willen der Frau erfolgt. Grundsätzlich wird in Beziehungskonstellationen, in denen geschlechteregalitäre Verhältnisse beeinträchtigt oder nicht gegeben sind, überdurchschnittlich häufig nicht oder unsicher verhütet. Eine solche Situation kann dann vorliegen, wenn der Partner deutlich älter ist als die Frau. Die Partner der Befragten sind im Durchschnitt 3,3 Jahre älter, 20% der Frauen berichten über einen Partner, der fünf und mehr Jahre älter ist als sie. Zwei Interpretationen dieses Befundes sind denkbar: Zum einen könnten junge Frauen gegenüber älteren Partnern eine schlechtere Verhandlungsposition und damit größere Schwierigkeiten bei der Durchsetzung sicherer Verhütungsmethoden haben. Zum anderen könnten die Sorgsamkeit und die Zuverlässigkeit der Verhütung beim Geschlechtsverkehr mit einem deutlich älteren Mann deshalb geringer sein, weil die Möglichkeit, mit ihm Kinder zu haben, realistischer erscheint. Neben einer hohen Altersdifferenz spielen auch kulturelle Differenzen eine Rolle für die inkonsistente Anwendung TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 1 Verhütung beim Geschlechtsverkehr, bei dem es zur Konzeption kam (schwangere Frauen unter 18 Jahren): Anteil der Frauen, die nicht oder mit unsicheren Methoden verhütet haben, in verschiedenen Gruppen (in %) männerdominierter Koitus * 59 Musliminnen 54 erster GV mit diesem Partner 53 keine feste Beziehung 52 Gescheiterte Verhütung – verschiedene Szenarien 49 Partner aus Türkei/ Osteuropa/Afrika 41 Partner mindestens 5 Jahre älter 36 Alle 23 Partner aus EU/Nordamerika 0 20 40 60 Die Altersunterschiede sind bei diesem Merkmal besonders gravierend. Fast die Hälfte der 12- bis 14-Jährigen, aber nur knapp 20% der 17-Jährigen sind bei den ersten fünf Geschlechtsverkehren mit ihrem Partner schwanger geworden. Fazit: Zu Beginn der Sexualbiografie, am Anfang einer neuen Beziehung und bei den ersten Geschlechtsverkehren mit einem neuen Partner ist das Schwangerschaftsrisiko signifikant erhöht – also in Situationen, in denen das Paar sozial und sexuell noch nicht miteinander vertraut ist (vgl. Abb. 1). 80 Signifikanzen: Die Unterschiede (Indexgruppe vs. alle anderen) sind jeweils statistisch signifikant. * Die Initiative zum Geschlechtsverkehr ging vom Mann aus, oder der Geschlechtsverkehr erfolgte gegen den Willen der Frau. sicherer Verhütungsmethoden. Frauen aus geschlechtertraditionellen Zusammenhängen (Musliminnen) und Paare, bei denen der Mann aus einem Kulturkreis mit traditionellen Geschlechtsrollen (Osteuropa, Türkei, Afrika) kommt, verhüten häufig unsicher oder gar nicht. Möglicherweise beeinträchtigen in diesen Situationen Machtungleichgewichte zwischen den Geschlechtern und kulturelle Differenzen die Handlungskompetenz und Durchsetzungsfähigkeit der Frauen. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft in heterosexuellen Beziehungen erhöht ist, wenn die „personal power“ der Frau beeinträchtigt oder eingeschränkt ist. Soziale und sexuelle Fremdheit Am Anfang einer Beziehung oder bei Sex außerhalb von festen Beziehungen ist das Risiko einer Schwangerschaft besonders hoch: Das Paar ist noch nicht eingespielt, Verhütung noch nicht hinreichend besprochen oder verhandelt. Bei den befragten schwangeren Mädchen erfolgte die Konzeption in 10% der Fälle beim allerersten Verkehr mit einem neuen Partner. Das Risiko, beim ersten Geschlechtsverkehr mit einem Partner schwanger zu werden, ist somit dreimal so hoch wie beim 5. Mal und zehnmal so hoch wie beim 15. Mal. 8 Abbildung 2 gibt eine Übersicht über das Spektrum der Szenarien, in denen Jugendliche schwanger werden. Sie basiert auf der vorläufigen Auswertung von 40 Interviews der Teilstudie II. 9 Alle Namen wurden geändert. Bis hierher wurden die Risikofaktoren von ungewollten Schwangerschaften im Jugendalter mittels soziodemografischer, partnerschaftlicher und soziokultureller Variablen untersucht. Wenn Verhütung scheitert, spielen jedoch auch Gründe eine Rolle, die auf anderen Eben liegen: individuelle, sexualbiografische Erfahrungen, der emotionale Kontext der jeweiligen sexuellen Situation, Hemmungen, Scham und Ängste, oder auch einfach Vergesslichkeit oder Pech. Die Interviewstudie erlaubt einen differenzierten Blick auf die speziellen Situationen, in denen Verhütung scheitert 8. Betrachtet man die sexuellen Situationen und die besonderen Lebensumstände junger Frauen einmal im Detail, so zeigt sich eindrucksvoll, wie heterogen die Situationen sind, in denen Verhütungspannen oder Anwendungsfehler zu einer ungewollten Schwangerschaft führen (vgl. Abb. 2). Das Spektrum reicht von denjenigen, die keinerlei Verhütungsabsicht hatten und völlig sorglos mit ihrem Partner geschlafen haben, über diejenigen, die sich verantwortungsvoll und kompetent um Verhütung gekümmert haben und an mangelndem Spezialwissen gescheitert sind bis hin zu denjenigen, die glaubwürdig versichern, dass sie mit Pille und Kondom verhütet haben und trotzdem schwanger geworden sind. Dazu zwei Fallgeschichten: Petra 9 (15 Jahre, Förderschule) ist mit ihrem festen Freund (15 Jahre) schwanger geworden, mit dem sie etwa drei Monate zusammen war. Es kommt nach einem Streit und einer Versöhnung zum Sex – heimlich, da beide in einem Jugendheim leben, in dem es nicht erlaubt ist, dass die Jugendlichen miteinander schlafen. Die Initiative zum Geschlechtsverkehr geht vorwiegend von dem Jungen aus, Petras eigene Motive, in den Sex einzuwilligen, bleiben unklar. Eigentlich wollte sie, nachdem er angefangen hat, sie auszuziehen, weggehen. Sie ist aber doch geblieben und dann „ist es passiert“. Sexualität „passiert“ in Petras Leben „einfach so“, ohne dass sie selbst dazu eine aktive, gestaltende Haltung einnehmen kann. Sie hat mit dem Freund, mit dem sie schwanger wurde, nie verhütet. Auch in vorherigen Beziehungen hatte sie häufig ungeschützten Geschlechtsverkehr. Beim Sex, der zur Konzeption führte, versucht sie noch, den Jungen „wegzuschubsen“, bevor er einen Orgasmus hatte. „Na ja. Hab ihn halt auch schon weggeschubst und so und na ja, also in dem Moment, wo ich ihn weggeschubst habe, ist es dann wahrscheinlich irgendwie passiert.“ Die Pille hat Petra kurze Zeit genommen, sie aber abgesetzt, weil sie davon „dick“ wurde. Kondome wurden in ihrer bisherigen Verhütungsbiografie dann angewandt, wenn die Jungen sie mitbrachten. Petras Haltung Sexualität und folgeBZgA FORUM 2–2007 15 STUDIE PRO FAMILIA Abb. 2 Gescheiterte Verhütung – verschiedene Szenarien „Dann hat meine Mutter mir Johanniskrautdragees mitgebracht.“ „Ja, ich hab’ aus Versehen die Pille vergessen.“ „Die Kondome lagen neben uns, die haben wir nicht benutzt.“ „Über Verhütung haben wir nie gesprochen.“ „Und dann war das ja zu Ende mit der Pille. Und dann hatte ich mir noch keine neue geholt. Ja, weil erstens muss man sich da ja auch einen Termin holen und so.“ Tina hohe Zugangsschwelle, keine konsistente Verhütung Petra keine Verhütungsabsicht 16 BZgA FORUM 2–2007 „Das war ein zu kleines Kondom. Ich glaube, dass es da geplatzt ist. Oder es hatte ein Loch oder is so indirekt was raus gekommen.“ Adriana Kondom falsch angewendet Cora Verhütungsmittel nicht angewendet Ulrike schwanger trotz guter Verhütung Sonja fehlendes Spezialwissen Annabelle Pillenfehler „Wir waren schon so’n bisschen eingespielt und haben mit Pille und Kondom verhütet.“ TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL richtig auch Verhütung gegenüber ist sehr passiv. Ihr fehlen kommunikative Kompetenzen, um sich selber aktiv vor einer Schwangerschaft zu schützen. Ulrike (16 Jahre, Realschule) wird mit ihrem Ex-Freund (17 Jahre) schwanger, den sie seit drei Jahren kennt. Sie waren ein Jahr zusammen, er war ihre „erste große Liebe“. Ulrike trifft ihren Ex-Freund nach einer längeren Pause zufällig. Sie kommt mit in seine neue Wohnung, wo sie sich lange unterhalten und dann spontan miteinander schlafen. Ulrike nimmt zu diesem Zeitpunkt die Pille. Sie erklärt, dass sie gerade „am Ende ihre Periode“ gewesen ist, das heißt, sie hatte 21 Tage die Pille genommen und dann sieben Tage für die sogenannte Abbruchblutung die Einnahme ausgesetzt. Dies erzählt sie ihrem Partner, der ungefragt ein Kondom dazu nimmt. Da beide schon eine längere sexuelle Geschichte miteinander hatten, fühlen sie sich „eingespielt“ und haben kein Problem, in der Situation über die Verhütungsfrage zu sprechen. Mit Pille und Kondom fühlt sich Ulrike sehr sicher, sie glaubt „es kann so oder so nichts passiert sein“. Im Nachhinein spekuliert sie, dass das Kondom kaputt gewesen ist oder ein Loch hatte. „Also weiß nicht, mir ist so was ja noch nie passiert. Vielleicht gibt es das auch, dass die undicht sind oder so. Wahrscheinlich war gerade das undicht oder sonst irgendwie, allerdings haben beide nichts davon gemerkt.“ Ulrike nimmt seit ihrem ersten Sex die Pille und hat sie „immer zuverlässig genommen“. Sie ist über mögliche Anwendungsfehler gut informiert. Petra und Ulrike sind Extrembeispiele für gescheiterte Verhütungspraxis, Fälle wie diese sind selten. Sehr viel häufiger kommt es zu Anwendungsfehlern bei Pille und Kondom, für die in der Mitte von Abbildung 2 einige Beispiele aufgeführt sind. Viele Jugendliche scheitern am Verhütungsmanagement, das heißt an der Aufgabe, angesichts oft chaotischer Lebensverhältnisse, schwer planbarer Tagesabläufe und beträchtlicher organisatorischer Hürden ihr Verhütungsmittel zur rechten Zeit am rechten Ort zu haben und nicht zu vergessen. Verhütung ist ein Lernprozess, bei dem ein verantwortlicher Umgang mit eigenen Ängsten und Hemmungen sowie hohe logistische Kompetenz und kontinuierlicher aktiver Einsatz gefragt sind. Ungeplante und ungewollte Schwangerschaften sind – das zeigt Abbildung 2 – nicht immer auf Nachlässigkeit oder Inkompetenz zurückzuführen. Sie passieren, weil nötiges Spezialwissen fehlt oder schlecht vermittelt wird, weil in sexuellen Situationen Leidenschaft und Spontaneität unverzichtbar sind und weil Verhütungsmittel auch bei richtiger Anwendung versagen können. Karin Block, Silja Matthiesen Karin Block, Diplom-Soziologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem pro familia-Forschungsprojekt „Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen“. Kontakt: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Psychosoziale Medizin Institut und Poliklinik für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie Martinistraße 52 20246 Hamburg Telefon (0 40) 4 28 03 77 67 kblock@uke.uni-hamburg.de Dr. phil. Silja Matthiesen, Diplom-Soziologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem pro familia-Forschungsprojekt „Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen“. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift für Sexualforschung. Kontakt: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Psychosoziale Medizin Institut und Poliklinik für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie Martinistraße 52 20246 Hamburg Telefon (0 40) 4 28 03 77 67 smatthie@uke.uni-hamburg.de Literatur Schmidt, G. et al. (2006a): Jugendschwangerschaften in Deutschland. Ergebnisse einer Studie mit 1801 schwangeren Frauen unter 18 Jahren. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 4/2006, S. 334–358 Schmidt, G. et al. (2006b): Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen. Teilstudie I: Soziale Situation, Umstände der Konzeption, Schwangerschaftsausgang. Frankfurt a.M.: pro familia Bundesverband BZgA FORUM 2–2007 17 Angebote und Hilfebedarf für minderjährige Schwangere und Mütter in Berlin und Brandenburg Ergebnisse einer Expertenbefragung Angebote und Hilfen für minderjährige Schwangere in Berlin und Brandenburg standen im Zentrum einer Studie im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die im Zeitraum von September 2005 bis September 2006 durchgeführt wurde. In 100 Interviews wurde das Erfahrungswissen von Expertinnen und Experten ermittelt, die beruflich mit der Betreuung und Beratung von minderjährigen Schwangeren befasst sind. Erkenntnisleitend war die Frage, welche Angebote und Hilfen es für jugendliche Schwangere in Berlin und Brandenburg gibt und wie die mit der Thematik befassten Fachleute die Situation einschätzen. Ob die bestehenden Angebote bekannt sind und von den Jugendlichen angenommen werden beziehungsweise warum sie die minderjährigen Schwangeren nicht erreichen, welche Gruppen besonders benachteiligt sind sowie die Situation von ausländischen Minderjährigen waren weitere zentrale Fragestellungen. Erarbeitet wurde die Studie von Forscherinnen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt in einem Kooperationsverbund der Hochschulen Mittweida und Merseburg mit der Universität Leipzig. Anlage und Aufbau der Untersuchung orientieren sich an einer sächsischen Pilotstudie (HäusslerSczepan et al. 2005), die mit ähnlicher Fragestellung und Zielgruppe überwiegend im Jahr 2004 erstellt wurde. Ein Vergleich der Erhebungen macht deutlich, dass sich im kurzen Zeitraum von ein bis zwei Jahren vor allem die Wahrnehmung des Phänomens Teenagerschwangerschaften verändert hat: Trotz insgesamt geringer Fallzahlen ist es den Fachleuten selbstverständlicher geworden, wird es im Jahr 2006 stärker akzeptiert und in die Beratungsarbeit eingebunden. Die folgende Aussage einer Beraterin aus Brandenburg verdeutlicht den aktuellen Paradigmenwechsel weg von der unbedingten Verhütung und Prävention zu mehr Akzeptanz und Gelassenheit: „Wenn die jungen Frauen das möchten, dann denke ich, hat keiner das Recht, es verhindern zu wollen.“ (1-02 Beratungsstelle Brandenburg) Im Folgenden werden Ergebnisse und Empfehlungen der statistischen Analyse und Expertenbefragung in Berlin und Brandenburg aus dem Jahr 2006 vorgestellt. Statistische Analyse und Vergleich mit anderen Studien In der Bundesrepublik Deutschland schwankt die Rate minderjähriger Mütter seit zehn Jahren um etwa drei von 1000 jungen Frauen. In Berlin und Brandenburg sind die Raten erheblich höher. So wurden im Jahr 2005 in Berlin 4,2 Lebendgeburten auf 1000 junge Frauen zwischen 13 und 17 Jahren registriert, und in Brandenburg brachten 3,9 Frauen dieser Altersgruppe ein Kind zur Welt. Im 18 BZgA FORUM 2–2007 internationalen Vergleich ist die deutsche Rate der Teenagergeburten bei 15- bis 19-jährigen Mädchen mit 13 Geburten auf 1000 Mädchen der Altersgruppe deutlich im unteren Bereich der Industrienationen angesiedelt (USA 52, Großbritannien 31, Niederlande/Schweden 7, vgl. UNICEF 2001). Bezieht man die Schwangerschaftsabbrüche mit ein, so zeigt sich eine leichte Steigerung von Schwangerschaften bei minderjährigen Frauen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2005. Während die Schwangerschaftsabbruchrate in diesem Zeitraum von 2,8 auf 3,2 (bezogen auf 1000 Mädchen im Alter von 13 bis unter 18 Jahren) stieg, ist die Geburtenrate im Wesentlichen konstant geblieben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Quote durch die Einbeziehung der 13- bis 14-Jährigen nach unten gedrückt wird 1. Die übergroße Mehrzahl der Schwangerschaftsabbrüche und der Lebendgeburten von Teenagern erfolgt in der Altersgruppe der 16- und 17-Jährigen. Die in der Literatur beschriebenen Steigerungen bei den ganz jungen Altersgruppen (Kluge 2002) können aufgrund der zugrunde liegenden zu kleinen absoluten Zahlen so nicht bestätigt werden. Vergleichende Betrachtungen zwischen den Bundesländern zeigen große regionale Unterschiede. Eine länderspezifische Analyse des Datenmaterials zeigt besonders auffällige Entwicklungen in den ostdeutschen Bundesländern sowie den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Hier liegen die Werte der Teenagerschwangerschaften, sowohl den Schwangerschaftsabbruch als auch die Lebendgeburten betreffend, deutlich höher als in den meisten westdeutschen Bundesländern. Unter den Stadtstaaten ist vor allem Berlin hervorzuheben. Während die Schwangerschaftsabbruchquote der 13- bis 17-jährigen Mädchen zwischen 2000 und 2004 in den westdeutschen Bundesländern von 2,5 auf 3,0 anstieg, wuchs sie in den ostdeutschen Bundesländern von 3,1 auf 4,7 und in Berlin von 5,5 auf 5,9. Die Quote der Lebendgeburten sank in Westdeutschland in diesem Zeitraum von 3,1 auf 2,4 pro 1000 Mädchen der Altersgruppe, in Ostdeutschland wuchs sie von 3,5 auf 4,2 und in Berlin von 4,0 auf 5,0, bezogen auf 1000 Mädchen der Altersgruppe. 1 In der Studie „Teenagerschwangerschaften in Sachsen“ wurden aus statistischen Gründen die 10- bis unter 18-jährigen jungen Frauen und Mädchen erfasst. Da die Raten dadurch noch stärker nach unten verschoben werden, wird in der aktuellen Studie die Altersgruppe der 13- bis 17-Jährigen betrachtet. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Interessant ist das Entscheidungsverhalten der jungen Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch oder das Austragen entscheiden, wie es sich aus der Quote der Schwangerschaftsabbrüche pro Lebendgeborene schließen lässt: Während in den westdeutschen Ländern von 2000 bis 2004 das Verhältnis von Schwangerschaftsabbrüchen zu Lebendgeburten bei den 13- bis 17-jährigen jungen Frauen von 0,8 auf 1,3 gestiegen ist, ist es in Berlin von 1,4 auf 1,2 gesunken und in Ostdeutschland lediglich von 0,9 auf 1,1 angewachsen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich in den ostdeutschen Bundesländern minderjährige Schwangere zwar immer noch eher für einen Schwangerschaftsabbruch als für das Austragen entscheiden, aber im Vergleich zu Gesamtdeutschland tendenziell häufiger zum Austragen der Schwangerschaft neigen. Diese Zahlen geben Grund zu der Annahme, dass vor allem schwierige soziale Lebensbedingungen und mangelnde Zukunftsperspektiven für Jugendliche die Entstehung von Teenagerschwangerschaften sowie ihr Entscheidungsverhalten für einen Schwangerschaftsabbruch oder das Austragen der Schwangerschaft beeinflussen. In der sächsischen Pilotstudie im Jahr 2004 wurde bestätigt, dass minderjährige Schwangere häufig aus einem benachteiligten sozialen Milieu stammen und daher die Realisierbarkeit von Teilhabechancen eine wesentliche Basis für eine erfolgreiche präventive sexualpädagogische Arbeit bildet (Häussler-Sczepan et al. 2005, S. 20). Jugendliche, die nur geringe Teilhabechancen besitzen, sehen in einer frühen Elternschaft ihre Zukunft und Identität als Erwachsene. Es fehlen Angebote zur Unterstützung der jungen Familien über den Zeitpunkt der Erlangung der Volljährigkeit hinaus, um Armutskarrieren zu vermeiden und die Entwicklung sozialer und wirtschaftlicher Selbstständigkeit zu fördern (ebenda). In der UNICEF-Studie (2001) wird darauf verwiesen, dass Schule und Berufsausbildung und damit die Chance auf einen qualifizierten Beruf in den Hintergrund treten mit der Folge, dass das Armutsrisiko steigt. Es wird festgestellt, dass im Alter von 30 Jahren in Deutschland 54% der ehemaligen Teenagermütter zu den 20% der ärmsten Haushalte gehören (Köln 2002). Diese Zahlen verweisen auf einen Bedarf an spezifisch auf die Lebenslagen und Bedürfnisse dieser Mädchen abgestimmten Beratungsangeboten und Hilfen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Studie, die in Beratungsstellen der pro familia durchgeführt wurde: „Die Prävention von Schwangerschaften minderjähriger Frauen hat also ganz klar eine starke soziale Komponente“ (pro familia 2006, S. 24). Demzufolge ist das Risiko einer Hauptschülerin, minderjährig schwanger zu werden, etwa fünfmal so hoch wie das einer Gymnasiastin (ebenda). Ergebnisse der Expertenbefragung Im Zeitraum von November 2005 bis April 2006 wurden in Berlin und Brandenburg jeweils 50 teilstrukturierte mündliche Interviews mit Expertinnen und Experten durchgeführt, die beruflich mit der Beratung und Betreuung minderjähriger Schwangerer zu tun haben. Die Auswahl der Personen und Einrichtungen, die in die Befragung einbezogen wurden, orientierte sich am möglichen „Weg“ einer Hilfe suchenden minderjährigen Schwangeren in Deutschland. Die folgende Übersicht (s. Tab. 1) zeigt die geführten Interviews, differenziert nach Bundesländern, Berufsgruppen und Einrichtungen. Tab. 1 Ausgewählte Einrichtungen Bereich Beratung Schwangerschaftsberatungsstellen Kliniksozialdienste Berlin 17 16 1 Brandenburg 21 21 – Jugendhilfe Jugendämter Mutter-Kind-Einrichtungen 10 6 4 11 7 4 Schulische und berufliche Ausbildung 10 9 Allgemein- und ausbildende Schulen Agenturen für Arbeit (U25-Teams) 6 4 6 3 Medizinische Betreuung Gynäkologinnen/Gynäkologen Hebammen 9 4 5 9 5 4 Vereine der Jugend-, Mädchenund Migrantenarbeit 4 – 50 50 Gesamt Quelle: Teenager B&BB 2006 Bei der Auswahl der Gesprächspartnerinnen und -partner wurden die unterschiedlichen regionalen und sozialen Merkmale der beiden Bundesländer berücksichtigt. Im Ballungszentrum Berlin wurden Stadtteile mit hohem Ausländeranteil besonders beachtet, um die Situation von Migrantinnen erfassen zu können. In Brandenburg wurden gleichermaßen Regionen nahe Berlin als auch entfernte ländliche Regionen in die Untersuchung einbezogen, um die Auswirkung struktureller Unterschiede von Hilfsangeboten und Infrastruktur überprüfen zu können. Befragte in Berlin und Brandenburg Soziale Tätigkeiten und Berufe gelten in Deutschland nach wie vor als Frauendomäne, was sich auch in der Beratung und Betreuung minderjähriger Jugendlicher in Krisensituationen zeigt, zu denen Schwangerschaften im Jugendalter zählen. Von den 100 befragten Personen waren nur sechs Männer. Professionen im Sozialbereich setzen ein hohes Maß an Berufs- und Lebenserfahrung voraus, was sich sehr deutlich in unserer Stichprobe widerspiegelt. Die Hälfte der Befragten ist 48 Jahre und älter und gehört damit zu einer Altersgruppe, die in der Generationenfolge nicht selten über den zukünftigen Großeltern, das heißt den Eltern der minderjährigen Schwangeren, steht ( Tab. 2) Dies gilt in unserer Stichprobe vor allem für die Fachärzte und -ärztinnen für Gynäkologie sowie für einen Großteil der Mitarbeiterinnen in den Bildungseinrichtungen und den Jugendämtern. Dem gegenüber ist nur etwa ein Viertel der Befragten unter 40 Jahre alt. Diese „jüngeren“ Beraterinnen arbeiten überwiegend in Mutter-Kind-Einrichtungen. BZgA FORUM 2–2007 19 BERLIN UND BRANDENBURG Tab. 2 Soziale Daten der Befragten Soziale Daten Altersdurchschnitt Berlin 47,6 Jahre Brandenburg 47,1 Jahre unter dem Altersdurchschnitt Mitarbeiterinnen in Mutter-KindEinrichtungen, Hebammen Mitarbeiterinnen in Mutter-Kind-Einrichtungen, Jugendämtern, Agenturen für Arbeit über dem Altersdurchschnitt Gynäkologinnen/Gynäkologen, Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen in Bildungseinrichtungen, Jugendämtern, Agenturen für Arbeit Gynäkologinnen/Gynäkologen Hebammen durchschnittliche Berufserfahrung 20 Jahre 20 Jahre Geschlechterverteilung 47 Frauen 3 Männer 47 Frauen 3 Männer Quelle: Teenager B&BB 2006 Die meisten der Befragten können auf eine langjährige Berufserfahrung zurückblicken. Die durchschnittliche Berufserfahrung im erlernten Beruf liegt bei 20 Jahren, die durchschnittliche Beschäftigungszeit in der jeweiligen Einrichtung beträgt zwölf Jahre. Situation der minderjährigen Schwangeren aus Sicht der Fachleute Wie auch schon in der sächsischen Pilotstudie basieren die Auskünfte zum sozialen Hintergrund der Minderjährigen auf dem Erfahrungswissen der Befragten und nicht auf der Erfassung der Sozialdaten in den jeweiligen Einrichtungen. Dargestellt werden im Folgenden die Erfahrungen der Expertinnen und Experten mit den Herkunftsfamilien der Jugendlichen, deren Ausbildungssituation, einigen Angaben zu den Motiven, die sich hinter den Schwangerschaften verbergen und Aussagen zu den Vätern der Kinder. Die Antworten auf die Frage: „Was können Sie zu den Herkunftsfamilien sagen?“ ließen sich in der Auswertung in die Oberkategorien Familienklima, soziale Schicht und spezifische Merkmale einteilen. Die in der Sachsen-Studie am häufigsten und spontan genannte Antwort „Sie kommen aus allen sozialen Schichten“ (Häussler et al. 2005, S. 99) ließ sich in der aktuellen Untersuchung nur noch vereinzelt wiederfinden. Im Gegenteil, die Aussagen zeigen ein sehr differenziertes Bild der Herkunftsfamilien, die sich nach Bundesländern lediglich dahingehend unterscheiden, dass in Berlin der Begriff „Unterschicht“ häufiger auftauchte und in Brandenburg die Familien häufiger als „konflikthaft“ beschrieben wurden. Ansonsten bestand weitestgehend Konsens darin, dass die Herkunftsfamilien der minderjährigen Schwangeren und Mütter als vorwiegend instabil und konflikthaft erscheinen oder einer bestimmten sozialen Schicht entstammen: „Die Beratungsstelle wird auch frequentiert von Klienten aus allen sozialen Schichten, aber eine Tendenz ist da, dass es eher Familien sind, die ich eher so der niedrigen sozialen Schicht angliedern würde und der Mittelschicht.“ (2-12 Beratungsstelle Berlin). Die soziale Lage der Familien zeigt sich an spezifischen Merkmalen wie Arbeitslosigkeit und Armut in Form von 20 BZgA FORUM 2–2007 ALG-II-Bezug sowie alleinerziehende Elternteile. Ergänzend dazu finden sich Angaben über eine hohe Kinderzahl und „dass […] die Mutter selber schon sehr früh schwanger war“ (5-13 Beratungsstelle Brandenburg). In Berlin wurden zudem Aussagen getroffen, dass die Familien bereits Jugend- und Familienhilfemaßnahmen in Anspruch genommen hätten, sie teilweise Suchtproblematiken aufwiesen und das Phänomen Patchwork-Familie häufiger auftauche. Das in der pro familia-Studie (2006) und ebenfalls in der Sachsen-Studie beschriebene Phänomen des schichtspezifischen Entscheidungsverhaltens ließ sich auch in den Antworten der Befragten aus Berlin und Brandenburg wiederfinden: „Jugendliche, die eigentlich ein geschütztes Umfeld haben und schwanger werden, entschließen sich häufiger zum Abbruch als junge Mütter, die nicht aus so einem behüteten Umfeld kommen […] die bekommen ihre Kinder.“ (7-09 Beratungsstelle Brandenburg) So kann festgehalten werden, dass sich verstärkt minderjährige Schwangere mit prekärem Hintergrund für die Mutterschaft entscheiden. Ein ähnliches Bild ergibt die Analyse der Ausbildungssituation. „Das sind eher Mädchen mit niedrigem intellektuellem Status und aus niedrigen sozialen Verhältnissen. Häufig haben wir Mädchen aus Förderschulen.“ (8-10 Gynäkologe Berlin) In Berlin ordnen 72% der Befragten die Minderjährigen eher dem unteren Bildungsniveau zu, in Brandenburg sind es 64% der Befragten. Der Begriff „unteres Bildungsniveau“ setzt sich zusammen aus den Schultypen Hauptschule und Lernförderschule, aber auch Berufsvorbereitendes Jahr und Schulabbrecherinnen sind darin inbegriffen. Im Vergleich dazu rechnen 20% der Berliner Befragten die jungen Frauen dem mittleren und hohen Bildungsniveau zu, in Brandenburg sind es sogar 40%. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass im Land Brandenburg das Phänomen Teenagerschwangerschaft stärker bildungsheterogen und damit breiter gefächert anzusiedeln ist, während in Berlin die Befragten doch sehr stark auf die bildungsferne Schicht verweisen (Abb. 1, 2.) Somit stammen Teenagerschwangere laut Expertenmeinung mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem sozial deprivierten Milieu mit vielseitigen und schwerwiegenden Problemkonstellationen. Sie entwickeln kaum Alternativen, diesem Milieu zu entkommen, da sich einerseits ihr schu- TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 1 Ausbildungssituation Berlin 6 Vereine Ausbildung 8 Jugendhilfe 8 2 2 2 3 0 10 20 2 1 6 7 Medizin 1 3 10 Beratung 2 2 30 40 50 60 unteres Bildungsniveau mittleres und hohes Bildungsniveau 1 70 80 1 90 100% sonstiges keine Angabe Quelle: Teenager B&BB 2006, Absolutzahlen (Mehrfachnennungen) Abb. 2 Ausbildungssituation Brandenburg Ausbildung 9 Jugendhilfe 2 6 Beratung 5 11 10 20 5 4 30 40 unteres Bildungsniveau mittleres und hohes Bildungsniveau 50 60 2 70 1 2 9 6 0 2 9 Medizin 1 80 1 90 100% arbeitslos keine Angabe Quelle: Teenager B&BB 2006, Absolutzahlen (Mehrfachnennungen) lischer Hintergrund defizitär gestaltet und sich andererseits familiäre Vorbilder nicht in Richtung autonome Lebensgestaltung bewegen, die unabhängig von Transferleistungen wäre. Die Lösung in einer Mutterschaft zu suchen, erscheint gerade für sozial benachteiligte Jugendliche als eine lohnenswerte und realisierbare Alternative. Die vielfach in der Literatur beschriebenen Motive einer minderjährigen Schwangerschaft beziehungsweise Mutterschaft lassen sich auch bei unseren befragten Expertinnen und Experten wiederfinden (vgl. Häussler et al. 2005, Friedrich/Remberg 2005, Franz/Busch 2004, Garst 2003), allerdings vor dem Hintergrund, dass die jungen Frauen immer wieder berichten, ungeplant schwanger geworden zu sein (vgl. pro familia 2006). Das am häufigsten genannte Motiv für das Austragen der Schwangerschaft ist der Wunsch nach emotionaler Wärme und Stabilität, die im Elternhaus nicht oder nicht ausreichend erlebt wurde: „Das ist sicher ein Punkt, der mich persönlich besonders berührt, wo ich merke, diese Schwangerschaft, dass sie das Kind kriegen, hält die im Leben. Also die brauchen etwas, und das Kind gibt ihnen so viel, was sie gesucht haben, Wärme, Geborgenheit, Nähe, jemand der da ist, mit dem sie zärtlich sein können und so.“ (2-07 Beratungsstelle Berlin) Neben dem Wunsch nach Defizitausgleich steht der Versuch im Vordergrund, durch die Gründung einer eigenen Familie die Abgrenzung beziehungsweise Ablösung vom Elternhaus realisieren zu können. Diese Wünsche symbolisieren die Hoffnungen und hohen Erwartungen, die mit der Schwangerschaft beziehungsweise dem Kind verbunden sind. Gleichzeitig bietet eine frühe Mutterschaft eine gute Möglichkeit, Erwachsensein zu demonstrieren und damit die ersehnte Beachtung und Wertschätzung zu erhalten. In Berlin wurden zudem die schlechten beruflichen Chancen und eine daraus resultierende Perspektivlosigkeit als Gründe für eine frühe Mutterschaft angenommen, während dies im Land Brandenburg seltener angegeben wurde. Dort wurde am zweithäufigsten der Ausschluss eines Schwangerschaftsabbruchs genannt, der auf moralischen Grundsätzen, Angst oder Duldung basiert. Als ein weiteres Motiv taucht der traditionelle Lebensentwurf auf, der einerseits durch ein Selbstverständnis und eine Idealisierung von Mutterschaft aufgrund eigener Erfahrungen in der Herkunftsfamilie entstanden ist, andererseits durch mediale Vorbilder. BZgA FORUM 2–2007 21 BERLIN UND BRANDENBURG Abb. 3 Angaben zu den Vätern der Kinder gleichaltrig/älter 42 36 deutlich älter 11 10 in Ausbildung 19 24 ohne Ausbildung/ Abschluss 12 10 deutsch 21 40 mit Migrationshintergrund 14 7 0 10 20 30 40% Berlin Brandenburg Quelle: Teenager B&BB 2006, Absolutzahlen (Mehrfachnennungen). Keine Angabe: Berlin n=4, Brandenburg n=2 Bei den (werdenden) Vätern zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den minderjährigen Schwangeren und Müttern: „Die Väter liegen meistens mit in diesem Raum zwischen 16 und 18. Sagen wir mal selten, dass sie schon 20, 21 sind. Aber älter sind die Väter auch nicht. […] Die Väter gehen meistens auch noch zur Schule, haben eine abgebrochene Lehre, sind zu Hause oder beziehen ALG II. Sehr viel Hilfe und Unterstützung haben die jugendlichen Schwangeren durch sie auch nicht.“ (1-03 Beratungsstelle Brandenburg) Wie in Abbildung 3 zu erkennen, sind die (werdenden) Väter entweder gleichaltrig oder nur wenig älter, weit seltener sind sie deutlich älter. Aus den Aussagen lässt sich zudem schlussfolgern, dass es sich bei den jungen Vätern vorwiegend um beruflich und finanziell noch nicht etablierte Personen handelt. Sie befinden sich entweder in Ausbildung, blicken dabei aber teilweise auf defizitäre Bildungskarrieren zurück oder haben die Ausbildung abgebrochen und sind bereits in die Arbeitslosigkeit übergegangen. Der Anteil an jungen Männern mit Migrationshintergrund kann in Berlin als recht hoch eingestuft werden. Außerdem wird berichtet, dass es sowohl Väter gibt, die unterstützen als auch solche, die sich der Verantwortung entziehen. Eine eindeutige Tendenz kann diesbezüglich nicht ausgemacht werden. Erwartungen an die Beratung Dass die Jugendlichen völlig selbstständig eine Beratungsstelle oder andere Formen der Beratung aufsuchen, ist keine Seltenheit, meist erscheinen sie jedoch in Begleitung einer ihnen nahe stehenden Person. Das ist in erster Linie die 22 BZgA FORUM 2–2007 Mutter, aber auch Freundinnen, der Partner oder spezifische Fachkräfte wie Lehrer/Lehrerin oder Heimbetreuer/-betreuerin begleiten die junge Frau beim Erstgespräch. Damit findet das erste Kennenlernen in der Regel unter mindestens drei Personen statt: Beraterin/Berater, Begleitperson und Minderjährige. Geht man jeweils vom häufigsten Fall aus, so ergibt sich daraus ein Alters-, nicht selten sogar Generationengefälle. Die Minderjährige sieht sich demzufolge nicht nur mit der älteren Begleitperson (ihrer Mutter), sondern zusätzlich einer noch älteren Fachkraft konfrontiert, die ihr einerseits aufgrund jahrelanger Berufserfahrungen Zukunftsperspektiven zu offerieren versucht, andererseits von der Lebenswelt der jungen Frau biografisch sehr weit entfernt ist. Dieses Problem stellt eine besondere Anforderung an eine professionelle Gesprächsführung dar. Nur ein kleiner Teil der Befragten kritisierte, dass die Jugendlichen keine oder kaum Fragen hätten und eher unwissend in die Beratung gingen. Im Gegenteil, der Großteil gab an, dass die Anliegen der Jugendlichen sämtliche Bereiche beinhalten, die eine Schwangerschaft in diesem Alter umfasst. Aus den Antworten der Befragten lässt sich gut erkennen, dass Fragen zur finanziellen Unterstützung und zu den Wohnmöglichkeiten deutlich im Vordergrund stehen, während schulische beziehungsweise die Ausbildung betreffende Angelegenheiten etwas in den Hintergrund rücken. Ein Vergleich zwischen den Hilfesuchenden und den Hilfegebenden verdeutlicht, dass das Hauptanliegen minderjähriger Schwangerer und Mütter zum Großteil auf Fragen zur existenziellen Grundsicherung fokussiert, auch wenn die Anforderungen, die mit einer Schwanger- und Mutterschaft einhergehen, vielfältig und die Hilfeangebote breit gestreut sind. „Die werden auch so ein bisschen schon geleitet, denke ich, vom Frauenarzt, dass gesagt wird, ja, da können sie in die Beratungsstelle gehen und da können sie Geld beantragen für die Babyerstausstattung.“ (7-04 Beratungsstelle Brandenburg) Somit wird erreicht, dass jugendliche Schwangere aus dem Bedarf nach finanzieller Unterstützung heraus Hilfeangebote wahrnehmen und gleichzeitig umfassend und ausführlich über sozialrechtliche Ansprüche, Schwangerschaft und Geburt, Ausbildung, Betreuungsoptionen etc. beraten werden können. Im Umgang mit den unterschiedlichen Erwartungen und Zielstellungen der Beteiligten liegt die besondere Herausforderung der Beratungssituation. Professionelle Beratung respektiert die Beratungsanliegen der Klientinnen und unterbreitet zugleich darüber hinausgehende Angebote zum Beispiel durch sachkundige Informationen, die den Handlungs- und Entscheidungsrahmen der minderjährigen Schwangeren und Mütter erweitern. Empfehlungen Die Angaben der befragten Expertinnen und Experten bestätigen, dass minderjährige Schwangere, die sich für das Austragen einer Schwangerschaft entscheiden, eine zahlenmäßig kleine Gruppe bilden. Verändert haben sich vor allem soziale und familiäre Strukturen sowie die Wahrnehmung und Akzeptanz dieses Phänomens in der (Fach-)Öffentlichkeit. In den Ergebnissen der vorliegenden Studie lassen sich die großen demografischen und sozialstrukturellen Veränderungen unserer Gesellschaft erkennen: zunehmende Alterung, die Veränderung von Generationenbeziehungen sowie Bildungssegregation und soziale Benachteiligung. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Die Interviewten hatten zum Zeitpunkt der Befragung, Anfang des Jahres 2006, ein Durchschnittsalter von 48 Jahren. Die beratenden Fachkräfte sind daher häufig noch älter als die werdenden Großeltern. Daraus resultiert, dass sich die Beratenden auf die professionellen Anforderungen eines Mehrgenerationengesprächs einstellen müssen, bei dem die jungendliche Schwangere keine gleichaltrigen Ansprechpartnerinnen und -partner vorfindet. Im Sinne eines „peer counseling“ beziehungsweise „peer support“ wäre ergänzend ein Beratungskonzept wünschenswert, das die Beteiligung einer jungen Frau in einem intergenerativen Beratungsteam vorsieht. Dies könnte zum Beispiel eine studentische Praktikantin sein oder im Idealfall eine junge Frau, die über eigene Erfahrungen mit minderjähriger Schwangerschaft verfügt. Die vorliegenden Beratungskonzepte berücksichtigen nicht die komplexen Verflechtungen und Veränderungen der Familienstruktur und die Anliegen der minderjährigen Schwangeren. Dies wird bei der Beurteilung der Beratungsinhalte deutlich. Die Jugendlichen erwarten vor allem finanzielle Unterstützung und Informationen über derartige Unterstützungsmöglichkeiten, während Beratende beraten wollen, das heißt, das gelernte professionelle Wissen über Partnerschaft, Familie, Ausbildung, Beruf und Lebensgestaltung anwenden – aus der Perspektive einer anderen Generation. Dieser Interessenkonflikt zwischen jugendlicher Ratsuchenden und älterer Beraterin oder älterem Berater entsteht durch unterschiedliche Erfahrungswelten der Beteiligten. Besonders Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen und aus sozial benachteiligten Gruppen sehen in der Mutterschaft eine Perspektive, die ihnen sonst in der Gesellschaft oft verschlossen bleibt. Neben adäquaten Beratungsangeboten, die eine Peer-Beratung in Bezug auf realistische Lebensentwürfe einschließt, ist jedoch zur Prävention von Teenagerschwangerschaften vor allem die Politik gefragt. Jugendliche brauchen berufliche Perspektiven und Teilhabechancen. einer geringen Schulbildung und hoher sozialer Benachteiligung ein besonders hohes Risiko haben, minderjährig schwanger zu werden. Große Wissensdefizite bestehen nach Aussagen der Expertinnen und Experten vor allem in der Anwendung der Verhütungsmittel und bezüglich der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Sie fordern, dass rechtzeitig mit der Aufklärungsarbeit begonnen werden soll und diese altersspezifisch, geschlechtsspezifisch getrennt und lebensweltorientiert erfolgen sollte. Insbesondere für bildungsschwache Jugendliche und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollten zielgruppenspezifische Präventionskonzepte entwickelt und angeboten werden. Bildungsmodule sollen durch Kompetenztrainingseinheiten und Schulungen zu den Ansprüchen und Aufgaben von Elternschaft ergänzt werden. Monika Häußler-Sczepan, Sabine Wienholz Spezielle Angebote für bildungsschwache Jugendliche und für Jugendliche mit Migrationshintergrund Minderjährige Schwangere und ihre meist gleichaltrigen Partner stammen häufig aus einem benachteiligten sozialen Milieu. Die Schwangerschaft wird nicht nur durch mangelndes Verhütungswissen begünstigt, sie entsteht auch vor dem Hintergrund mangelnder beruflicher Perspektiven und Lebenschancen (vgl. auch Häussler-Sczepan et al. 2005; pro familia 2006). Sozial benachteiligte Jugendliche sehen in der Realisierung einer frühen Elternschaft ihre Zukunft und ihre Identität als Erwachsene. Die effektivste Prävention von Schwangerschaften Minderjähriger bestünde hier in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen beziehungsweise realisierbaren Teilhabechancen. Der Förder- und Unterstützungsbedarf der jungen Familien besteht auch nach der Erlangung der Volljährigkeit. Hier müssen neue Wege der Unterstützung und Hilfe gefunden werden, um die Festschreibung sozialer Segregation und den Einstieg in „Armutskarrieren“ zu verhindern. In der Einschätzung der Befragten wird ein hoher Anteil der minderjährigen Schwangeren einer niedrigen Bildungsschicht zugeordnet. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der aktuellen Studie von pro familia (2006), wonach Frauen mit BZgA FORUM 2–2007 23 BERLIN UND BRANDENBURG Prof. Dr. Monika Häußler-Sczepan ist Dozentin im Fachbereich Soziale Arbeit an der Hochschule Mittweida (FH). Ihre Forschungsgebiete: Lebenslage behinderter Menschen, regionale Versorgungsstrukturen und Situation von minderjährigen Schwangeren und Müttern. Kontakt: Prof. Dr. Monika Häußler-Sczepan Hochschule Mittweida (FH) Döbelner Straße 58 04741 Roßwein Telefon (03 43 22) 4 86 48 Telefax (03 43 22) 4 86 53 haeussle@htwm.de Sabine Wienholz, Soziologin M.A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Selbständigen Abteilung Sozialmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Teenagerschwangerschaften, Sexualpädagogik und Familienplanung. Kontakt: Sabine Wienholz Universität Leipzig Institut für Arbeits- und Sozialmedizin Selbständige Abteilung Sozialmedizin Riemannstraße 32 04107 Leipzig Telefon (03 41) 9 71 54 25 Telefax (03 41) 9 71 54 19 Literatur Franz, J., Busch, U. (2004): Schwangerschaften Minderjähriger – Hintergründe und beraterische Anforderungen. In: Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 4/2004: Jugendliche Schwangere und Mütter. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Friedrich, M., Remberg, A. (2005): Wenn Teenager Eltern werden … Lebenssituation jugendlicher Schwangerer sowie jugendlicher Paare mit Kind. Fachheftreihe „Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung“ 25/2005. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Garst, A. (2003): „Discofieber und Muttersorgen“ – Wenn 14-Jährige Kinder kriegen. In: „Sie ist doch selber noch ein halbes Kind ...“. Fachtagung zu jugendlichen Elternschaften am 10. 10. 2002 im Auftrag der BZgA, pro familia Schleswig-Holstein und des MJFJF Schleswig-Holstein Häussler-Sczepan, M., Wienholz, S., Michel, M. (2005): Teenagerschwangerschaften in Sachsen – Angebote und Hilfebedarf aus professioneller Sicht. Fachheftreihe „Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung“ 26/2005. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Kluge, N. (2002): Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen in der Bundesrepublik Deutschland: gesteigerte Zunahme statt des erwarteten Rückgangs. Forschungsstelle für Sexualwissenschaften und Sexualpädagogik, Universität Landau, http://fss.uni-landau.de 19. 09. 2002 Köln (2002): Kindereltern. UNICEF-Studie: Außenseiter mit Kind. http://www.inidia.de/kindereltern.htm pro familia-Magazin (2006): Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen. Erste Ergebnisse eines pro familiaForschungsprojektes. pro familia-Magazin 02/2006, S. 23–27 UNICEF (2001): A league table of teenage births in rich nations, Innocenti Report Card No. 3, July 2001, Florence: UNICEF Innocenti Research Centre 24 BZgA FORUM 2–2007 „Schwanger unter 18“ Ein neues Internetangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Im November 2007 geht der Informationskanal „Schwanger unter 18“ online. Er ist gedacht für minderjährige Schwangere, Mütter, Väter und Paare mit Kind und entspricht in Form und Stil dem Rezeptionsverhalten von Jugendlichen. Die Autorinnen erläutern die Hintergründe für dieses Angebot und stellen die Bausteine des Programms detailliert vor. Teenagerschwangerschaften sind ein sensibles Thema in Deutschland. Sie konterkarieren in gewisser Weise die gegenwärtige gesellschaftliche Vorstellung eines gelungenen Lebenswegs junger Frauen, die eine gute schulische und berufliche Ausbildung vor der Kinderphase vorsieht. So haben Schwangerschaften Minderjähriger in den letzten Jahren ein großes Medienecho gefunden. Obwohl sich die prozentuale Steigerung von Schwangerschaften unter 18 dramatisch anhört, in absoluten Fallzahlen sind sie ein wenig spektakuläres Phänomen, das sich im internationalen Vergleich auf eher niedrigem Niveau bewegt (vgl. Beitrag Laue, S. 3¤. in diesem Heft). Doppelte Herausforderung Von den rund 13 800 Schwangerschaften Minderjähriger im Jahr 2005 ist die Zahl ausgetragener Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche in etwa gleich hoch (ebenda). Dabei stellt jede unerwünschte wie auch erwünschte Schwangerschaft Minderjährige vor ernsthafte psychische und soziale Probleme, bei denen sie ein großes Maß an Unterstützung brauchen. Psychisch hat eine minderjährige Schwangere zwei Entwicklungsprozesse zu bewältigen: Den der Pubertät, das heißt vom Kind zur jungen Frau, und den von der jungen Frau zur Mutter und beides zeitgleich. Jeder dieser Entwicklungsschritte gilt allein schon als Reifungskrise; in der Gleichzeitigkeit bedeuten sie eine Höchstanforderung für Körper und Seele, die kaum allein zu bewältigen ist. In abgeschwächter Weise, denn er ist nicht körperlich betroffen, gilt das auch für den dazugehörenden werdenden Vater. Hintergründe und Motive Jugendliche geraten aus unterschiedlichen Gründen in diese komplizierte und komplexe Situation: In seltenen Fällen gewollt, werden sie eher aus Unkenntnis über Fortpflanzungsvorgänge und fehlerhafter Anwendung von Verhütungsmitteln schwanger. Ebenso tragen fehlende Berufs- und Zukunftsperspektiven zur Entscheidung früher Elternschaft bei. In diesem Zusammenhang wirken das Ideal einer heilen Familie als Alternative zur Perspektivlosigkeit und Mangel an selbst erlebter Zuwendung und Liebe als starke Triebkräfte. In vielen Fällen wird unbewusst auch der notwendige Ablösungsprozess von den Eltern provoziert. Eine eigene Wohnung und eine gewisse finanzielle Selbstständigkeit rücken durch staatliche Hilfen in erreichbare Nähe. Durch ein Kind kann so das Erlangen des Erwachsenenstatus beschleunigt, dann aber auch durch falsche Erwartungen und Überforderung im Alltag wieder verzögert oder verhindert werden. Eindeutig spielen die psychische und soziale Situation des Mädchens oder des Paares und ihrer Herkunftsfamilien, ihr Bildungsstatus und ihre Lebensperspektiven eine entscheidende Rolle, wie mit dem Konflikt Schwangerschaft umgegangen wird, wobei schlechtere Zukunftsperspektiven eher zum Austragen, bessere eher zum Abbruch führen. Da diesbezüglich immer noch umfassende empirische Untersuchungen fehlten, die sozialdemografische, biografische und psychologische Aspekte einbeziehen, hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verschiedene Studien und Befragungen veranlasst, die die Lebenswelt minderjähriger Schwangerer, Mütter und Paare mit Kind(ern) untersuchen, die gesellschaftliche und individuelle Relevanz des Themas analysieren und anwendungsorientierte Schlussfolgerungen ziehen. Sie sind im Informationspaket zur Prävention von Schwangerschaften bei Minderjährigen zusammengefasst (siehe infothek). Das Internetangebot Auf der Basis dieser empirischen Ergebnisse, Erfahrungen von Beratungsstellen und Erfahrungsberichten junger Schwangerer, Mütter/Väter und Eltern erstellt die BZgA im Rahmen ihres Internetportals www.familienplanung.de/ www.schwanger-info.de gegenwärtig einen Informationskanal für minderjährige Schwangere und deren Partner, der die gravierenden Lebensveränderungen und Anforderungen aufgreift und Anpassungsprozesse an die neue Situation unterstützen will. Primäre Zielgruppe sind minderjährige Schwangere sowie ihre Partner und ihr unmittelbares soziales Umfeld (Freunde, Familie, Betreuerinnen und Betreuer). Angesprochen werden aber auch Jugendliche, die nicht betroffen sind, sich aber informieren wollen. Der Kanal bietet in zielgruppengerechter Ansprache Unterstützung für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft, BZgA FORUM 2–2007 25 „SCHWANGER UNTER 18“ sowohl bei der Entscheidung für das Austragen der Schwangerschaft als auch bei der Entscheidung zum Abbruch. Es wird keine wertende Haltung zu einer bestehenden Schwangerschaft eingenommen. Unterstützung ohne Bevormundung, Stärkung der vorhandenen Ressourcen, Ermutigung zur Selbstständigkeit und Abwägung der Konsequenzen selbstbestimmten Handelns sind die Leitgedanken. Beratungsbedarf Aus der Beratungspraxis und aus den Studien und Befragungen hat sich bei der Mehrheit der Betroffenen ein erheblicher Beratungsbedarf ergeben. Er bezieht sich hauptsächlich auf • Schwangerschaftskonfliktgespräche, • finanzielle und materielle Unterstützung, • Auseinandersetzung mit Elternreaktionen, Entwicklung von Autonomie, • psychosoziale Aspekte/Verhinderung sozialer Isolierung, • Fragen zu Schwangerschaft und Geburt/Umgang mit dem Kind. Relativ geringer Bedarf bis zur vollkommen ablehnenden Haltung besteht gegenüber prä- und postnatalen Angeboten (z.B. Geburtsvorbereitung). Hier wurden Unsicherheiten gegenüber den älteren Kursteilnehmerinnen und Angst vor Kontrolle und Bevormundung genannt. Die Angebote gelten eher als „sinnlos“ und „überflüssig“, und es herrscht die Ansicht vor, es sei besser, sich die nötigen Informationen im Umfeld zu beschaffen. Hier stellt sich der Kanal die Aufgabe, in Texten und Erfahrungsberichten den Wert professioneller Angebote zu vermitteln. Zielgruppenspezifische Beratungsmöglichkeiten und Kurse werden vorgestellt. Langfristiger oder wiederholter Beratungsbedarf besteht bei folgenden Punkten: • Rückkehr in die ursprünglichen Ausbildungsgänge oder Alternativen bezüglich Ausbildung und Beruf, Teilzeitberufsausbildung, • Sicherung der Existenzgrundlage, • Stabilisierung in schwierigen Lebenssituationen (Drogenkonsum etc.), • Partnerschaft hinsichtlich der Gestaltung des Zusammenlebens und des wirtschaftlichen Auskommens, • Gestaltung der Mutter- und Vaterrolle und der Prioritätensetzung im Fall der Überforderung, • Hilfe bei Alltagsbewältigung und Versorgung des Kindes, • Hilfe bei der Loslösung vom Elternhaus, Entwicklung von Unabhängigkeit, • Hilfe bei der Gefahr sozialer Isolierung. Schwerpunktsetzungen Liebe, Lust und Leidenschaft Der Themenbereich „Liebe, Lust und Leidenschaft“ beschäftigt sich mit den ersten Liebeserfahrungen, vom ersten Verliebtsein bis hin zum ersten Geschlechtsverkehr, mit Träumen und Enttäuschungen. Er bietet Informationen zur rechtlichen Situation in Bezug auf Geschlechtsverkehr bei Jugendlichen und spricht Grenzsituationen und Negativerlebnisse mit Sexualität an. Auf Hilfen und Beratungsstellen wird verwiesen. 26 BZgA FORUM 2–2007 Sexualität und Verhütung Dieser Themenbereich klärt die Jugendlichen zielgruppenspezifisch über Fortpflanzung und Verhütung auf. Die Texte dienen besonders auch der Prävention ungewollter Schwangerschaften und sexuell übertragbarer Krankheiten. Da die meisten Studien und Befragungen einen Mangel an Basiswissen über die Zusammenhänge von Fruchtbarkeit und körperlichen und hormonellen Abläufen bei Mann und Frau, über sexuelles Erleben und Mittel und Methoden der Empfängnisverhütung deutlich machten, verweist das auf die Aufgabe, die Aufklärung noch zielgruppengerechter zu gestalten, insbesondere für sozial benachteiligte Jugendliche. Hier werden vor allem auch die männlichen Jugendlichen und jungen Väter angesprochen, denn sie sehen mehrheitlich noch die Verantwortung für Verhütung bei den Frauen. Bei der Verhütung ist ein Maß an Konsequenz und Durchsetzungsvermögen bei Mädchen gefordert, das kaum von ihnen erwartet werden kann und sicher im Einzelfall auch überfordert. Hier erfüllt dieses Online-Angebot durch die Einbeziehung von jungen Männern eine besonders wichtige Aufgabe. Ich bin schwanger – was nun? Unter diesem Titel werden die ersten körperlichen Anzeichen der Schwangerschaft und die möglichen Gefühlslagen und emotionalen Wechselbäder subsumiert wie Auseinandersetzug mit den Eltern und Reaktionen der Peergruppe, Angst davor, ausgeschlossen zu werden und Alleinsein mit Kind. Erfahrungsberichte sollen ein realistisches Bild möglicher Gefühle und Reaktionen auf die Schwangerschaft vermitteln. Schwanger – kein Drama Der Themenbereich „Schwanger – kein Drama“ dient der Entdramatisierung der Situation und hilft, einen möglichst klaren Kopf zu bewahren. Die Jugendlichen bekommen einen Leitfaden, der sie unterstützt, die oft sehr verwirrende Situation mit ihren vielen Fragen und auch Ängsten anzugehen. Die Überwindung, mit den Eltern zu sprechen, eine Ahnung der Möglichkeiten für die Zukunft zu bekommen und sie zu überdenken, sind wichtige Aspekte. Besonders die Heranführung an Hilfen und Beratungsstellen soll den Mädchen helfen, mit der Schwangerschaft umzugehen und eine für sie passende Entscheidung zu treffen. Entscheidung für oder gegen ein Kind Die entscheidende Frage, die sich im Fall einer Schwangerschaft für die Minderjährige und den dazugehörenden werden Vater stellt, ist oft schwer zu beantworten: Kann ich mir vorstellen, jetzt schon Mutter/Vater zu werden? Oder fühle ich mich über meine Möglichkeiten hinaus wahrscheinlich dauerhaft überfordert? Der Themenbereich „Ich kann jetzt noch nicht Mutter/ Vater sein“ zeigt die verschiedenen Optionen, wenn die Entscheidung gegen das Kind getroffen wurde: rechtliche Voraussetzung und medizinische Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, Adoption, Pflegschaft, Babyklappe und anonyme Geburt werden kurz und leicht verständlich vermittelt. Ebenso wird auf die psychische Verarbeitung des Trennungserlebnisses vom Ungeborenen und mögliche Schuldgefühle eingegangen; zudem werden Beratungsstellen benannt, die im Fall einer großen psychischen Belastung helfen können. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Der Themenkomplex „Ich möchte Mutter/Vater werden“ gibt leitfadenähnlich einen groben Überblick über alles, was bedacht werden muss, wenn die Entscheidung für die Mutterschaft gefällt wurde: Schwangerschaftsvorsorge, Erledigungen bei verschiedenen Ämtern, Tipps und Vorschläge, die Geburt und die Zeit danach (z.B. Geburtsvorbereitungskurse, Hebammensprechstunde, psychologische Beratung und Begleitung). Schwangerschaft Unter diesem Stichwort werden die Jugendlichen zielgruppengerecht und detailliert über den Ablauf einer Schwangerschaft informiert. Es beinhaltet grundlegende Texte zur Entwicklung der Schwangerschaft, zur vorgeburtlichen kindlichen Entwicklung, einer gesunden Lebensführung und Ernährung sowie Hilfen, um den Konsum von Nikotin, Alkohol und andere Drogen zu vermeiden. Auch die Vorteile des Stillens für den Säugling werden an dieser Stelle ausführlich behandelt, um eine positive Voreinstellung und Akzeptanz dem Stillen gegenüber zu erreichen. In einem fiktiven Tagebuch werden die Jugendlichen angeregt, über die subjektive Wahrnehmung und Verarbeitung der Schwangerschaft, den Kontakt und die Gefühle zum Ungeborenen nachzudenken. Geburt Dieser Themenbereich informiert über den Geburtsverlauf. Die verschiedenen Geburtsphasen und geburtserleichternde Maßnahmen werden beschrieben. Dieser Wissensbaustein soll den jugendlichen Schwangeren unnötige Ängste vor der Geburt nehmen, den Ablauf aber trotzdem realistisch vermitteln. Medizinische Versorgung In den Befragungen von minderjährigen Schwangeren im Rahmen einer Studie (Friedrich/Remberg 2005) ergab sich, dass die gynäkologischen Untersuchungen in der Schwangerschaft und nach der Geburt von den jugendlichen Schwangeren zwar akzeptiert werden, dies aber in vielen Fällen mit großer Abneigung bis hin zu Angst-, Scham- und Ekelgefühlen. In vielen Fällen wird ein hohes Maß an Sympathie, Zeit, Vorsicht, Sensibilität und eine entspannte Atmosphäre in der Praxis und vom ärztlichen Personal erhofft. Diese Hoffnung wird aber eher selten erfüllt. Nach der Geburt wird der Praxisbesuch, wenn möglich, wieder umgangen. Wenn, dann ist der Wunsch nach Verhütungsmitteln, nicht aber der Gesundheitsaspekt das Motiv für einen Praxisbesuch. Hier stellt sich der Kanal die Aufgabe, die Ausstattung eines gynäkologischen Behandlungsraums sowohl fachlich als auch bildlich zu erklären und darüber hinaus auch Hilfestellung zu geben, mit dem Arzt oder der Ärztin über Wünsche oder Gefühle bezüglich der Behandlung zu sprechen. Väter Die Friedrich-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bisher adoleszente Väter kaum eine Rolle in der (populär-)wissenschaftlichen Literatur spielen und es so gut wie keine Daten über sie gibt. Ansatzweise erkennbar sind aber Veränderungen bei der Akzeptanz früher Vaterschaft bei jungen Männern. In der Umfrage äußerten junge Väter, dass ihnen keine Unterstützungsangebote, die über finanzielle Leistungen hinausgingen, für leibliche oder soziale Väter bekannt seien. Mehr als drei Viertel der Befragten fänden jedoch eine darüber hinausgehende Beratung gut. Weitgehend unbekannt ist, dass § 2, Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) den gesetzlichen Anspruch auf professionelle emotionale Unterstützung bei Ängsten und Problemen auch für Väter vorsieht. Die meisten Väter gaben jedoch an, sie fänden eine solche Beratungsmöglichkeit zwar gut, würden sie allerdings eher nicht in Anspruch nehmen. Sie suchen oder erhoffen Hilfe, wenn überhaupt, im Freundes- oder Verwandtenkreis. Von den Beratungsstellen und -konzepten fühlen sie sich überwiegend nicht angesprochen. Der Kanal will deshalb auf die besonderen Bedürfnisse, aber auch auf die Verantwortung junger Väter eingehen und die Wichtigkeit der Kommunikation über ihre Gefühle und Wünsche bewusst machen. Soziales Umfeld Die Mehrheit der jungen Eltern erhält letztendlich aus ihrem unmittelbaren Umfeld mehr Unterstützung, als sie vorab erwarten (z.B. emotionale Unterstützung, Geld, Geschenke, Kinderbetreuung, kostenloses Wohnen und Essen, Unterstützung bei Behördenangelegenheiten). Die Herkunftsfamilien der jungen Paare, ihre Peerbeziehungen sowie andere soziale Kontakte sind demnach für das Gelingen der Schwangerschaft und das Leben mit Kind wesentlich. Dieser Themenbaustein unterstützt das Zutrauen der Schwangeren, Hilfe anzunehmen und zu organisieren, ohne dabei die eigene Autonomie aufzugeben. Professionelle Unterstützung Die Mehrheit der befragten Jugendlichen hat eine ambivalente Einstellung zu den Ämtern und fühlt sich durch Bürokratie und Formulare überfordert. Sie erwarten, als Bittsteller und mit Geringschätzung behandelt zu werden. Sozial-, Jugend-, Wohnungs-, Versorgungs-, Arbeitsamt, Berufsberatung, Arbeitsvermittlung – die Funktionen dieser Anlaufstellen sind für Laien und Ungeübte schwer zu durchschauen. Hier soll ein einfach gegliederter „Leitfaden durch den Ämterdschungel“ helfen, die in der jeweiligen Situation richtigen Ämter zu kontaktieren. Vereinbarkeit von Kind, Ausbildung und Beruf Hier werden die Möglichkeiten und Bedingungen der Vereinbarkeit von Elternschaft sowie Ausbildung und Berufstätigkeit, zum Beispiel die Teilzeitberufsausbildung, aufgezeigt, dazu Optionen bei der Kinderbetreuung und mögliche sozialpädagogische Unterstützung bei der Bewältigung der Doppelbelastung. An Beispielen wird dargestellt, dass auch mit Kind eine berufliche Ausbildung fortgesetzt werden kann, aber auch, welche organisatorischen Anforderungen und persönliche Disziplin dazu erforderlich ist. Mit dem Kind zu Hause Dieser Themenbereich gibt den jungen Müttern größtenteils eine praktische Anleitung zum Umgang mit dem Kind. Besonders bei jungen Müttern kommt in der ersten Zeit schnell ein Gefühl der Überforderung auf. Die Gefühlswelt der Mutter nach der Geburt, die körperlichen Vorgänge in der Zeit des Wochenbetts, ärztliche Untersuchungen von Mutter und Kind nach der Geburt sowie Hebammenbetreuung zu Hause werden angesprochen. Auch Stillen ist an dieser Stelle noch einmal Thema. BZgA FORUM 2–2007 27 „SCHWANGER UNTER 18“ Besonders wichtig ist hier der Hinweis auf Hilfsmöglichkeiten (Beratungsstellen, Familienhebammen). Betreute Wohnformen Für alle, die sich von der häuslichen Situation mit Kind oder Familie überfordert fühlen, werden an dieser Stelle verschiedene Wohnformen vorgestellt, die einen Ausweg aus der aktuellen Überlastung und als Übergang in die Selbstständigkeit bieten können: Mutter-Kind-Einrichtungen, betreute Lebensformen, Wohnung mit institutioneller Anbindung, eigene Wohnung mit Betreuung. Leben als Familie, Eltern sein Hier werden die Partnerschaft nach der Geburt und rechtliche Fragen rund um die Bereiche Vaterschaftsanerkennung, Personensorge, gesetzliche Vertretung des Kindes, Unterhaltspflicht, Besuchsrecht etc. thematisiert. Bei der Partnerschaft werden mögliche Klippen und häufig auftretende Problempunkte des Lebens zu dritt angesprochen. Die Notwendigkeit von Aushandlungsprozessen mit dem Partner/ der Partnerin, den Eltern und dem sozialen Umfeld wird deutlich gemacht, und an Beispielen werden Lösungsansätze vorgestellt. Petra Otto ist Diplom-Pädagogin, Geburtsvorbereiterin und Fachjournalistin (DFJV). Schwerpunktthemen ihrer Arbeit sind Schwangerschaft und Geburt. Kontakt: Petra Otto petraotto@aol.com Telefon (02 21) 7 12 79 40 Mechthild Paul ist Diplom-Pädagogin und leitet das Referat für Familienplanung in der Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung der BZgA. Kontakt: Mechthild Paul Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung mechthild.paul@bzga.de Design, Form und Stil Das Design von „Schwanger unter 18“ unterscheidet sich von dem der übrigen Informationskanäle im Portal www.familienplanung.de/www.schwanger-info.de, die den Informationsgewohnheiten Erwachsener entsprechen. Im Gegensatz dazu orientieren sich Ansprache, Stil, Länge und Komprimiertheit der Texte von „Schwanger unter 18“ am Rezeptionsverhalten von Jugendlichen. Da insbesondere bildungsferne Mädchen von frühen Schwangerschaften betroffen sind, ist eine leicht verständliche Aufbereitung der Inhalte notwendig. So wurden, soweit es möglich war, auch andere Darstellungsmöglichkeiten als die Textform gewählt. FAQs, das heißt häufig gestellte Fragen, Erfahrungsberichte und die redaktionelle Einbindung betroffener Jugendlicher lockern die kompakten Sachinformationen auf und stellen in Sprache und Stil den Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen her. Sie werden ergänzt durch bildliche Darstellungen – Fotos, Grafiken, Image-Maps – und attraktive interaktive Elemente wie Umfragen, Quizfragen, Chats und Foren. Darüber hinaus ist die Einrichtung einer „Sprechstunde“ geplant, in der zu bestimmten festgelegten Zeiten Fragen an Expertinnen und Experten gestellt werden können. Die Startversion des Kanals „Schwanger unter 18“ wird im November 2007 online gehen. Das Inhaltsangebot wird danach fortlaufend erweitert. Petra Otto, Mechthild Paul Literatur forum Sexualaufklärung und Familienplanung 4/2004: Jugendliche Schwangere und Mütter. Köln: BZgA Friedrich, M./Remberg, A. (2005): Wenn Teenager Eltern werden. Fachheftreihe „Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung“ Band 25. Köln: BZgA Häussler-Sczepan, M./Wienholz, S./Michel, M. (2005): Teenagerschwangerschaften in Sachsen. Fachheftreihe „Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung“ Band 26, Köln: BZgA Schmidt, G. (2006): Forschungsbericht: Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen. Köln: BZgA 28 BZgA FORUM 2–2007 Geburtenraten minderjähriger Mädchen in Europa. Trends und Determinanten Zwei Drittel aller europäischen Länder erlebten zwischen 1990 und 2003 einen Rückgang der Geburten minderjähriger Mütter, allerdings liegen die Raten in den weniger entwickelten Regionen immer noch deutlich höher als in Westeuropa. Der Autor analysiert sozioökonomische und andere Faktoren, die für frühe Schwangerschaften ursächlich sind, und resümiert: „Sehr häufig haben ungewollte Schwangerschaften und durch sexuelle Kontakte entstandene Gesundheitsrisiken bei Minderjährigen mit sozialer Ungleichheit und Armut zu tun.“ Er weist auch auf die Bedeutung von vertraulichen Beratungsangeboten zur Sexualaufklärung und der Verfügbarkeit sicherer Verhütungsmittel hin. Traditionellerweise war der erste Geschlechtsverkehr bei Frauen mit der Heirat verbunden.1 Besonders in südeuropäischen Ländern ging man davon aus, dass Frauen die ersten Sexualkontakte mit ihren Ehemännern hatten. Die weite Verbreitung zuverlässiger Verhütungsmittel, der steigende Bildungsgrad bei Frauen, die rasche Ausweitung der weiblichen Erwerbsarbeit und tolerantere Wertvorstellungen in allen sexuellen Dingen haben die sexuelle Autonomie der Frauen enorm gestärkt. Das Alter beim ersten Geschlechtsverkehr ist daraufhin in Europa deutlich gesunken. Gleichzeitig hat sich die Zeitspanne vom ersten Geschlechtsverkehr bis zum Zusammenleben in einer ehelichen Gemeinschaft oder Ehe verlängert. Moderne Teenager und junge Erwachsene machen weniger verbindliche sexuelle Erfahrungen als die Generation ihrer Eltern. Als Folge davon sehen sich junge Menschen bei ihren sexuellen Kontakten auch häufiger dem Risiko einer Schwangerschaft ausgesetzt. Ungeachtet dieses gestiegenen Schwangerschaftsrisikos ist das Durchschnittsalter bei der Geburt des ersten Kindes von 1980 bis 1998 um zwei Jahre gestiegen. Vor der politischen Wende heirateten junge Menschen in Zentral- und Osteuropa relativ früh und bekamen ebenso früh ihr erstes Kind. Durch die gesellschaftlichen Umwälzungen hat sich das Bild gründlich gewandelt. Junge Menschen heiraten mit geringerer Wahrscheinlichkeit, haben aber mit größerer Wahrscheinlichkeit in jüngeren Jahren sexuelle Kontakte; die Geburtenraten bei minderjährigen Müttern sind in der gesamten Region gesunken, doch ist eine größere Anzahl dieser Geburten unehelich und betrifft sehr junge minderjährige Mütter (UNICEF 2000). Nach Ansicht der britischen Health Development Agency ist inzwischen weithin anerkannt, dass eine frühe Schwanger- und Mutterschaft mit niedrigem Bildungsgrad, schlechter körperlicher und psychischer Gesundheit, sozialer Isolation, Armut und ähnlichen Faktoren zusammenhängt. Zunehmend wird auch deutlich, dass sozioökonomische Benachteiligung sowohl Ursache als auch Folge einer frühen Elternschaft sein kann (Kontula 2004). In diesem Artikel werden Trends bei den Lebendgeburten minderjähriger Mütter (Altersgruppe < 20) in Europa von den 1980er- bis zu den frühen 2000er-Jahren sowie einige 1 In den meisten Entwicklungsländern gilt die bis heute (Kontula 2000). ihrer Determinanten dargelegt. Die Zahlen basieren größtenteils auf der Publikation: „Recent demographic developments in Europe 2005“ (Council of Europe/Europarat). Fertilitäts- und Geburtenraten 1995 bis 2000 brachten weltweit geschätzt 14 Millionen Frauen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren ein Kind zur Welt. Im gleichen Zeitraum lag die weltweite Fertilitätsrate bei 54 Geburten pro 1000 Mädchen im genannten Lebensalter. In den entwickelteren Regionen betrug sie 29 pro 1000, in den weniger entwickelten Regionen war sie mit 58 pro 1000 fast doppelt so hoch. In Osteuropa kommen mehr als drei Viertel der Gesamtfertilität (79%) durch Frauen unter 30 Jahren zustande, während der entsprechende Anteil in Westeuropa bei nur 56% liegt. In den meisten industrialisierten Ländern bilden die Geburten minderjähriger Frauen inzwischen einen geringeren Anteil an den Gesamtgeburten, als dies noch 1980 der Fall war (Singh/Darroch 2000). In den 1980er-Jahren blieben in Westeuropa die Geburtenraten minderjähriger Frauen tendenziell stabil oder nahmen ab (s. Abb. 1). In einigen zentraleuropäischen Ländern gingen sie beträchtlich zurück. In den frühen 1990er-Jahren sanken die Fertilitätsraten bei Minderjährigen auch in den meisten westeuropäischen Ländern stark. Großbritannien und Island hatten die höchsten Raten, etwa 30 pro 1000. In die zweite Kategorie gehörten Österreich, Portugal, Griechenland und Irland, wo die Rate bei 20 pro 1000 lag. In anderen Ländern der Europäischen Union lag die Rate bei rund 10 pro 1000 oder gar darunter (in den Niederlanden und in der Schweiz betrug sie 6–7 pro 1000). Der Anteil der 20-jährigen Frauen, die bereits ein Kind zur Welt gebracht hatten, reichte von 2% (Schweiz) bis 13% (Großbritannien). In den 1990er-Jahren waren die Geburtenraten minderjähriger Frauen in Osteuropa am höchsten. Am zweithöchsten waren sie in Zentraleuropa und am niedrigsten in Westeuropa. Großbritannien bildete eine Ausnahme; seine Rate war ebenso hoch wie die in Russland. Zudem war die Geburtenrate minderjähriger Frauen in Großbritannien seit den frühen 1980er-Jahren nicht zurückgegangen. Im Gegensatz dazu hat Slowenien eine echte Erfolgsgeschichte vorzuweisen; die Geburtenrate minderjähriger Frauen lag BZgA FORUM 2–2007 29 GEBURTENRATEN IN EUROPA Abb. 1 Lebendgeburten pro 1000 Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Bulgarien Deutschland Großbritannien Moldavien Niederlande Polen Russische Föderation Slowenien Ukraine Ungarn dort 2003 nur bei einem Zehntel der von 1980. Ungarn und Bulgarien haben ihre Raten im gleichen Zeitraum halbieren können. In Moldawien dagegen lag die Rate in den 1990erJahren höher als in den 1980er-Jahren. In der EU ging die Geburtenrate bei minderjährigen Müttern in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren generell zurück (heute liegt sie zwischen 12 und 25 pro 1000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren). Die niedrigsten Raten (5–7) finden sich in Italien, der Schweiz, den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Slowenien, seit kurzem auch in Zypern (s. Tab. 1). Die höchsten Raten weisen Großbritannien (27), Portugal (20) und Irland (19) auf. Die zweithöchsten Raten (13–16) verteilen sich auf Österreich, Island, Deutschland, Norwegen und Griechenland. Die Unterschiede, etwa zwischen Großbritannien mit 27 Geburten pro 1000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren sowie Italien und der Schweiz mit 5–6 Geburten pro 1000 Mädchen im genannten Lebensalter sind erheblich. Im Vergleich zu den westeuropäischen Ländern sind die Geburtenraten bei minderjährigen Frauen in den meisten weniger entwickelten Ländern noch immer hoch. In der Ukraine, der Türkei und in Bulgarien liegt sie derzeit fast bei 40 pro 1000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren. In Armenien, Aserbaidschan, Mazedonien, Georgien, der Republik Moldawien, Rumänien und der Russischen Föderation sind von 1000 Mädchen in diesem Alter rund 30 betroffen. Weiß30 BZgA FORUM 2–2007 russland, Estland, Ungarn, Litauen und die Slowakische Republik weisen Raten von 20 pro 1000 auf. Die gravierendsten Rückgänge konnten in den 1990er-Jahren in einigen zentraleuropäischen Ländern verzeichnet werden. In nur acht der Länder, aus denen uns Daten für beide Jahre vorliegen, waren die Geburtenraten 1995 höher als 1970; alle diese Länder (Armenien, Weißrussland, Estland, Georgien, Litauen, Mazedonien, Russische Föderation und Ukraine) liegen in Osteuropa (Singh/Darroch 2000). In 19 der 28 Länder, die regelmäßig von UNICEF inspiziert werden, hatten sich die Geburtenraten bei Minderjährigen in 30 Jahren mehr als halbiert. In jungen Jahren ein Kind zur Welt zu bringen war mit deutlichen Nachteilen im späteren Leben verbunden (UNICEF 2001). Noch in den frühen 1990er-Jahren lag die Schwangerschaftsrate in vielen osteuropäischen Ländern und in den Ländern der früheren Sowjetunion bei 60–70 pro 1000. In den Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft konnte die Situation relativ einfach staatlich gesteuert werden. Es gab nur einen begrenzten Vorrat an käuflichen Kontrazeptiva auf dem Markt, und die Anwendung operativer kontrazeptiver Methoden (Sterilisation) war beschränkt. Der Grund hierfür war auch ein ökonomischer: Das Regime konnte sich den Import moderner Kontrazeptiva schlicht nicht leisten (Philipov/Dorbritz 2003). Eine Folge davon war die hohe Anzahl von Schwangerschaften bei Jugendlichen. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Tab. 1 Lebendgeburten pro 1000 Frauen in der Altersgruppe < 20 in europäischen Ländern 1990–2000 Geburten Albanien Armenien Aserbaidschan Belgien Bosnien/Herz. Bulgarien Dänemark Deutschland Estland Finnland Frankreich Georgien Griechenland Großbritannien Irland Island Italien Kroatien Lettland Litauen 1990 15 70 26 11 38 74 9 15 50 12 12 60 20 31 17 39 8 29 48 41 1991 15 77 32 11 – 75 9 16 48 12 12 62 18 31 18 35 8 25 50 46 1992 16 83 36 11 – 71 9 16 50 12 11 53 17 30 17 26 7 22 49 46 1993 17 77 39 10 – 67 9 15 43 11 11 61 15 30 17 23 7 20 44 42 1994 21 68 42 10 – 60 9 14 39 10 10 74 14 29 16 23 7 19 33 41 1995 23 56 38 9 – 53 8 13 36 10 10 72 13 29 16 23 6 18 30 40 1996 23 53 37 10 31 51 8 13 34 10 10 66 12 31 16 22 6 21 26 37 1997 19 44 42 10 36 44 8 13 30 9 10 61 12 31 18 24 5 20 22 32 1998 17 43 38 – 26 44 8 13 27 10 9 58 12 31 19 25 6 16 19 29 1999 16 31 33 – 20 48 8 13 26 10 10 51 11 30 20 25 7 16 20 26 2000 15 29 30 – 17 47 8 13 26 10 11 39 11 29 19 22 7 16 19 24 2001 – 27 28 – 17 45 8 13 24 11 11 32 11 28 19 19 7 15 18 22 2002 – – 28 – – 41 7 – 22 11 11 33 11 27 19 18 – 15 16 21 2003 – – 28 – – 40 6 – – 10 – 34 – 27 – 16 – 14 17 21 Luxembourg Malta Mazedonien Moldawien Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Rumänien Russische Föd. Schweden Schweiz Serbien/Mont. Slowak. Rep. Slowenien Spanien Tschech. Rep. Türkei Ukraine Ungarn Weißrussland Zypern 12 11 44 64 8 17 20 33 24 52 57 14 6 43 49 25 12 50 57 57 43 44 34 13 12 43 66 8 16 22 34 24 52 56 13 8 41 53 22 11 51 56 59 42 45 31 12 12 42 64 7 15 22 31 23 50 52 11 7 37 49 20 10 46 55 60 38 46 32 13 13 47 66 7 14 21 28 22 49 48 11 6 36 46 17 9 42 54 58 35 43 24 11 11 46 66 7 14 19 26 21 46 50 9 6 34 39 15 8 32 53 56 33 43 21 10 10 44 63 6 13 17 22 20 42 45 8 6 33 33 13 8 24 52 54 30 39 18 10 17 39 54 6 13 16 21 20 40 40 8 6 30 30 11 7 19 51 51 29 36 16 9 17 37 53 6 13 15 20 21 40 39 7 6 28 29 9 8 17 50 46 27 33 14 9 17 34 – 6 12 14 19 21 39 34 6 6 26 27 8 8 15 49 41 25 30 13 10 17 31 – 7 12 13 18 21 39 30 7 6 25 25 8 8 14 57 41 23 30 13 13 18 32 – 7 12 13 17 22 39 28 7 6 25 24 7 9 13 56 31 24 28 11 12 17 27 35 8 11 13 16 20 37 28 7 6 25 21 6 9 11 45 30 23 27 8 13 – – 31 7 10 14 15 20 35 28 7 5 25 21 6 10 11 44 31 22 24 7 11 – – 29 6 9 13 14 – 34 28 6 – 24 21 6 – 11 44 33 21 23 5 Quelle: Recent demographic developments in Europe 2005, Council of Europe/Europarat. Zwei Drittel aller europäischen Länder (insgesamt 43 Länder) erlebten zwischen 1990 und 2003 einen Rückgang der Lebendgeburten bei minderjährigen Müttern. In sieben Ländern (Armenien, Zypern, Tschechische Republik, Lettland, Litauen, Moldawien und Slowenien) war dieser Rückgang beträchtlich. Fast in einem Drittel der Länder blieb die Rate stabil. In vier Ländern (Dänemark, Italien, in den Niederlanden und in der Schweiz) blieb sie während des gesamten Zeitraums sehr niedrig. Mit Ausnahme Irlands waren die Geburtenraten bei minderjährigen Frauen in allen entwickelten Ländern Europas 1998 niedriger als 1970. Länder mit einem geringen (weniger als 50% betragenden) Rückgang waren Großbritannien, die Slowakische Republik, Polen und Portugal. In den Niederlanden, der Schweiz, Italien, Dänemark, Schweden, Frankreich, Norwegen, Deutschland und Österreich sanken die Raten mindestens um das Vierfache. Im Hinblick auf die Gesamtfertilität der Länder höher als erwartet waren die Raten in der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik, Ungarn, Polen, Portugal und Großbritannien. Diese Länder hatten im Hinblick auf die sexuellen Kontakte ihrer jugendlichen Bevölkerung keine aktive Aufklärungspolitik betrieben. BZgA FORUM 2–2007 31 GEBURTENRATEN IN EUROPA Trends und ihre Determinanten Nationale, in den späten 1980er-Jahren und in den 1990erJahren in Europa durchgeführte Untersuchungen zum Thema Sexualität zeigen, dass bei den ersten sexuellen Kontakten in diesem Zeitraum vieles im Wandel war (Kontula 2003). Dieser Wandel begann in den nordischen Ländern und weitete sich dann auf die meisten anderen westeuropäischen Länder aus. Das Durchschnittsalter der Frauen beim ersten Geschlechtsverkehr sank seit den 1960er-Jahren in allen westeuropäischen Ländern um zwei bis drei Jahre. Seit den 1980er-Jahren blieb es tendenziell stabil. Erst zu Beginn der 1990er-Jahre war ein weiterer Rückgang zu verzeichnen. In Osteuropa begann der Wandel eine Generation (20–30 Jahre) später. Das Durchschnittsalter beim ersten Geschlechtsverkehr liegt für Männer und Frauen in Westund Zentraleuropa bei 17–18 Jahren, für Frauen in osteuropäischen Ländern bei 20 Jahren. In den meisten westeuropäischen Ländern bestand zwischen Eheschließung und erstem Geschlechtsverkehr kein Zusammenhang. In Osteuropa waren beide deutlich stärker miteinander verbunden. Die Frauen waren beim ersten Geschlechtsverkehr älter, sie heirateten jünger, und sie brachten ihr erstes Kind im Durchschnitt fünf Jahre früher zur Welt als ihre Geschlechtsgenossinnen im Westen. Die Geburtenraten bei Minderjährigen lagen in Osteuropa 3–4-mal höher als im Westen. In den späten 1990er-Jahren lag die höchste Rate in Europa bei 50, die niedrigste bei 5–6 pro 1000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren. In den meisten Ländern gingen die Geburtenraten in den 1990erJahren zurück. Es gab aber auch Länder, in denen diese Raten auf hohem Niveau stabil blieben. Hohe Raten gingen auf fehlende und unzuverlässige Verhütungsmittel zurück. Der Rückgang der Geburtenraten bei Minderjährigen wird teilweise durch die in der Lebensplanung immer weiter nach hinten verschobene Entscheidung zur Elternschaft und das gestiegene Alter der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes erklärt – ein Trend, der sich sowohl im westlichen als auch im östlichen Europa wiederfindet. In den meisten europäischen Ländern stieg das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt von 1990 bis 2002 um 1–2 Jahre. In gleicher Weise oder noch stärker erhöhte sich das Durchschnittsalter der Frauen bei ihrer ersten Eheschließung. Allerdings liegen diese Durchschnittswerte in Osteuropa noch immer deutlich niedriger, und Schwangerschaft und Ehe sind enger miteinander verbunden. Jugendliche sind heute in allen Teilen Europas sexuell aktiver als zuvor. Dank moderner Verhütungsmittel werden sie jedoch später schwanger und heiraten auch später, als es früher der Fall war. Der pragmatische europäische Ansatz zu den sexuellen Aktivitäten Jugendlicher, der in der breiten Verfügbarkeit von zuverlässigen Verhütungsmitteln und vertraulichen Beratungsangeboten seinen Ausdruck findet, wird für den rascheren Rückgang der Geburtenraten bei Minderjährigen in Nordund Westeuropa als zentraler Faktor angesehen (Singh/ Darroch 2000). Veränderte Werteorientierungen, die aus einer größeren individuellen Autonomie in allen Bereichen resultieren, passen zu einem Lebensstil, der die Entscheidung über die jeweils bevorzugte Lebensform, zum Beispiel in einer eheähnlichen Gemeinschaft oder in einer Ehe, jedem Einzelnen überlässt. Jeder hat die Freiheit, Kinder innerhalb oder außerhalb einer Ehe zu zeugen, sie allein oder mit einer Partnerin oder einem Partner aufzuziehen, sie früher oder später im Leben oder auch gar nicht zu bekommen. 32 BZgA FORUM 2–2007 Zu den Faktoren, die bei der Erklärung aktueller Trends eine wichtige Rolle spielen, gehören die größere Bedeutung, die einer guten Ausbildung zugeschrieben wird, die größere Motivation junger Menschen, die Familienplanung aufzuschieben, um zunächst einen qualifizierten Abschluss und entsprechende Berufserfahrung zu erlangen, die verbesserte Aufklärung über geeignete Mittel, ungewollte Schwangerschaften zu verhüten, sowie schließlich die unkomplizierte Verfügbarkeit dieser Mittel (Singh/Darroch 2000). Bei Teenagern mit geringerer schulischer Leistung, weniger qualifizierter Ausbildung, nicht so hoch gesteckten beruflichen Zielen und Erwartungen, aus armen Familien und mit einem allein erziehenden Elternteil ist die Motivation, eine Schwangerschaft zu verhüten, deutlich geringer. Der Trend zu kleineren Familien ist mit einer utilitaristischen Einstellung zur Elternschaft verbunden: Die praktischen Vor- und Nachteile stehen im Vordergrund. Die Menschen streben zunehmend nach Selbstverwirklichung und konzentrieren sich auf ihr eigenes Wohlergehen sowie auf alles, was sie für ihr eigenes Leben als sinnstiftend begreifen (Van de Kaa 2001). In Russland wurde der Rückgang der Fertilitätsraten bei jungen Erwachsenen durch die wachsenden sozialen Aufstiegswünsche dieser Altersgruppe verursacht, wie eine Reihe von Umfragen in Moskau und den Provinzen belegen (Magun 1995). Der Ansatz der „neuen Hauswirtschaft“ (Becker 1994) argumentiert, die Tatsache, dass Kinder „immer mehr kosten“, sei für den in vielen Ländern beobachteten Geburtenrückgang verantwortlich. Weite Bereiche Zentral- und Osteuropas sowie der baltischen Staaten haben in den 1990er-Jahren einen rapiden Rückgang der Schwangerschaften minderjähriger Mädchen erlebt. In dieser Zeit entstanden überall Beratungseinrichtungen und Organisationen, die über Möglichkeiten der Familienplanung berieten und groß angelegte Aufklärungskampagnen über moderne Verhütungsmethoden entwickelten. Gegen Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren stieg der Einsatz moderner Verhütungsmethoden denn auch erheblich an. Das Recht der Menschen, so viele Kinder zu bekommen, wie sie selbst es sich wünschen, wurde auch ins Rechtssystem integriert. Die qualifiziertere Ausbildung vieler Frauen ließ ihr Humankapital, also ihr berufliches Leistungspotenzial, und damit auch ihre Einkommen wachsen. Die Opportunitätskosten der mit der Familie und der Kindererziehung verbrachten Zeit, also die entgangenen Vorteile (Opportunitäten) der nicht wahrgenommenen Berufstätigkeit, stiegen damit ebenfalls. Ein Absinken der Geburtenraten war die Folge (Philipov/Dorbitz 2003). Die rückläufigen Zahlen bei Teenagerschwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten in Westeuropa gehen auf die Säkularisierung der Sexualität und Liberalisierung der damit verbundenen Einstellungen zurück. Sie ermöglichten die weite Verbreitung relevanter Informationen über sexuelle Themen und die öffentliche Sexualaufklärung. Breit angelegte HIV-Präventionskampagnen in den 1980er-Jahren gaben der jungen Generation das Wissen an die Hand, das sie brauchte, um sich selbst vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Leider war ein ähnliches Wissen in Osteuropa zu der Zeit noch nicht verfügbar. Nach dem gesellschaftlichen Wandel in den frühen 1990er-Jahren bekam die junge Generation auch dort die Freiheit, persönliche Entscheidungen zu treffen, besaß in der Regel jedoch weder das Wissen noch die Mittel, um sich selbst zu schützen. Zur gleichen Zeit wurden die Ausgaben für das öffentliche Gesundheitswesen gekürzt. Eine der Folgen war der Anstieg sexuell TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL übertragbarer Krankheiten im Osten (Kontula 2003). Auch die Zahl der Teenagerschwangerschaften blieb auf einem hohen Niveau. Sehr häufig haben ungewollte Schwangerschaften und durch sexuelle Kontakte entstandene Gesundheitsrisiken bei Minderjährigen mit sozialer Ungleichheit und Armut zu tun. Junge Frauen brauchen realistische Perspektiven, wie sie auch ohne Mutterschaft sozialen Status erlangen können. Die Schulbildung und die Motivation zu einer qualifizierten Ausbildung, vor allem bei jungen Frauen, die in Armut leben, müssen unbedingt vorangetrieben werden. Jede Ausbildung bietet kognitive und andere Ressourcen, die helfen, das eigene Leben bewusster und selbstbestimmter zu gestalten. Alle Länder sollten für die Bereitstellung sachlicher, wissenschaftlich fundierter und klar verständlich formulierter Informationen über Sexualität und Fortpflanzung sorgen. Die Verhütung ungewollter Schwangerschaften und die Risiken bei inadäquat durchgeführten Abtreibungen sollten ebenfalls zu diesen Informationen gehören. Ergänzt werden sollten die sachlichen Informationen durch eine individuelle, vertrauliche und unvoreingenommene Beratung (Van Lancker 2002). Eine solche Beratung empfiehlt sich auch für die Prävention und Behandlung sexuellen Missbrauchs sowie für die Ermutigung zu einer selbstbestimmten Sexualität. Junge Menschen brauchen häufig Hilfe dabei, das volle Potenzial der eigenen Sexualität zu akzeptieren und positiv auszuschöpfen. Osmo Kontula Osmo Kontula, Ph.D, ist Research Professor am Population Research Institute of the Family Federation of Finland, Dozent an der Universität Helsinki und Honorary Associate Professor an der Universität Sydney. Er ist Präsident der Finnish Association for Sexology (FIAS), einer der Herausgeber des Journal of Sex Research (JSR), Mitglied des Scientific Committee und des Sexuality Education Standards Working Committee der World Association for Sexual Health (WAS) sowie Mitglied des Executive Committee in der European Federation of Sexology (EFS). Außerdem gehört er zum wissenschaftlichen Beirat des Archivs für Sexologie in Berlin. Kontakt: Osmo Kontula Research Professor The Population Research Institute Family Federation of Finland (Kalevankatu 16 B1, first floor) P.O.Box 849 FIN-00101 Helsinki Telefon +358-9-22 80 51 23, +358-40-5 82 73 69 Telefax +358-9-6 12 12 11 Osmo.Kontula@vaestoliitto.fi www.kontula.fi Literatur Becker, G. S. (1994): A Treatise on the Family: Enlarged Edition. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press Kontula, O. (2000): Cultural Variations of Sexual Initiation. In: Sexuality in the New Millennium (Eds. Ng EML, Borrás-Valls, J. J./PérezConchillo, M./Coleman, E.): Proceeding of the 14th World Congress of Sexology, Hong Kong SAR. Bologna: Editrice Compositori, pp. 107–110 Kontula, O. (2003): Trends in Teenage Sexual Behaviour, Pregnancies, Sexually Transmitted Infections and HIV infections in Europe. In: ‘Reproductive health behaviour of young Europeans.’ Volume 1. Population Studies No. 42. Council of Europe Publishing. Strasbourg: Council of Europe, pp. 77–137 Kontula, O. (2004): Reproductive health behaviour of young Europeans. Volume 2: The role of education and information. Population Studies No. 45. Council of Europe Publishing. Strasbourg: Council of Europe Magun, V. S. (1995): Revolution of aspirations and changing of youth life strategies. 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Im dritten Teil werden Daten zu Geburten und Schwangerschaftsabbrüchen gemeinsam betrachtet, und es wird ein Gesamtbild der Trends bei Teenagerschwangerschaften in Irland sowie im internationalen Umfeld vermittelt. Der letzte Abschnitt umreißt verschiedene Initiativen im Bereich sexuelle Gesundheit und ungewollte Schwangerschaft (crisis pregnancy). 1. Fertilität Teenagerschwangerschaften werden von Analysten und politischen Entscheidungsträgern oft mit Besorgnis erwähnt, weshalb die fälschliche Annahme, die Fertilitätsrate irischer Teenager sei im Anstieg begriffen, weit verbreitet ist. In Wirklichkeit ging die Rate in den letzten fünf Jahren jedoch zurück. In diesem Abschnitt wird die Fertilitätsrate bei irischen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren von 1973 bis 2005 analysiert. Wenn nicht anders erwähnt, bezieht sich der Begriff „Teenager“ auf junge Menschen zwischen 15 und 19 Jahren. Die Fertilitätsrate bezeichnet die Anzahl der Geburten pro 1000 Vertreterinnen dieser Altersgruppe. Nur in seltenen Fällen kommt es bei noch jüngeren Mädchen zu Schwangerschaften. So betrafen im Jahre 2005 zum Beispiel nur 2% (42) aller Geburten bei Teenagern Mädchen unter 15 Jahren. Außerdem werden in diesem Abschnitt die Fertilitätsraten irischer Teenager mit denen anderer Länder verglichen. Auch in Irland selbst gibt es geografische Unterschiede, die ebenfalls vorgestellt werden. Das Alter bei der Geburt wird näher betrachtet, weil es zeigt, dass die meisten Geburten auf Mädchen im Alter von 18 oder 19 Jahren entfallen. Schließlich werden der Familienstand und die Anzahl der Kinder pro junger Mutter untersucht. Die Fertilitätsrate bei Teenagern wird durch die Anzahl der Lebendgeburten pro 1000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren bestimmt. Sie schließt abgebrochene Schwangerschaften nicht ein, die jedoch in der Schwangerschaftsrate (siehe Abschnitt 3) Berücksichtigung finden. Auch Fehlgeburten werden hier nicht mitgezählt. Die Fertilitätsrate irischer Teenager betrug im Jahre 1970 16,3 und stieg in den Folgejahren an, bis sie im Jahre 1980 mit 23,0 ihren Höhepunkt erreichte. In den 1980er-Jahren sank die Fertilitätsrate irischer Teenager. Seit 1995 nahm sie wieder kontinuierlich zu, im Jahre 1999 betrug sie 20,2. Bis zum Jahre 2005 ging sie auf 16,8 zurück (s. Abb. 1 und Tab. 2). Abbildung 2 bietet internationale Vergleichsdaten zu Fertilitätsraten zwischen 1985 und 2002. In einigen Ländern war die Rate im gesamten Zeitraum niedrig. In Schweden ging sie geringfügig von 10,35 im Jahre 1985 auf 6,9 im Jahre 2002 zurück. Andere Länder erlebten einen dramatischeren Rückgang. In Portugal etwa sank die Rate im Verlauf der dargestellten 17 Jahre von 32,87 auf 20,44. In Groß34 BZgA FORUM 2–2007 britannien blieb sie im gleichen Zeitraum fast unverändert hoch und betrug 2002 noch 27,34. In Irland stieg sie geringfügig von 16,6 im Jahre 1985 auf 19,0 im Jahre 2001. Kane und Wellings (1999) untersuchten die Fertilitätsraten von Teenagern über einen Zeitraum von 40 Jahren in ganz Europa und kamen zu dem Schluss, dass die Rate in Irland, ebenso wie in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und der Schweiz, „gleichbleibend niedrig“ war. Wie bereits erwähnt, fließen Schwangerschaftsabbrüche nicht in die Fertilitätsrate ein. Die niedrigen Fertilitätsraten in Norwegen und Schweden könnten deshalb teilweise eine Folge der hohen Abbruchraten bei Teenagern in diesen Ländern sein (siehe Abschnitt 3, in dem die Fertilitäts- und Schwangerschaftsraten verschiedener Länder verglichen werden). Geografische Unterschiede Bei der Fertilität irischer Teenager gibt es geografische Unterschiede. Tabelle 1 zeigt die altersspezifischen Fertilitätsraten bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren in Countys (Grafschaften) und County Boroughs (Grafschaftsfreien Städten) in Irland in den Jahren 1996 und 2002. (Die Daten des Zensus aus dem Jahre 2006 standen für die Aktualisierung dieser Tabelle noch nicht zur Verfügung.) Zu den Countys/County Boroughs mit den höchsten Fertilitätsraten in beiden Jahren gehören Limerick City (30,6 und 40,9), Dublin City (25,2 und 32,1), Waterford City (20,8 und 27,2) sowie Carlow (24,2 und 26,5). Countys/County Boroughs mit den niedrigsten Fertilitätsraten sind Roscommon (7,1 und 7,2), Galway County (6,8 und 9,9) sowie Sligo (11,4 und 10,5). Die Mehrheit der Countys/County Boroughs erlebte einen Anstieg der Fertilitätsraten bei 15- bis 19-jährigen Mädchen. In Limerick City und Offaly war dieser Anstieg besonders hoch. Forschungsarbeiten in anderen Ländern gaben Hinweise auf eine Verbindung von Teenagerschwangerschaften und sozio-ökonomischer Deprivation (z.B. Lee et al. 2004). Leider 1 Dieser Artikel analysiert die Fertilitätsraten bei Teenagern in Irland und basiert weitgehend auf einem von der Crisis Pregnancy Agency veröffentlichten statistischen Bericht (O’Keeffe/McGrath/Smith 2006; http://www.crisispregnancy.ie/pub/statistical_report2006.pdf). TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 1 Fertilitätsraten (Anzahl der Lebendgeburten pro 1000 Mädchen) bei 15- bis 19-jährigen Teenagern in Irland 1970–2005 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 Quelle: Central Statistics Office (CSO) Die Fertilitätsrate irischer Teenager war in den letzten 35 Jahren relativ stabil. Abb. 2 Internationaler Vergleich von Fertilitätsraten bei Teenagern 1985–2002 (pro 1000 Mädchen) 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 Irland Großbritannien Norwegen Schweden Portugal Niederlande Quelle: Central Statistics Office (CSO) wird eine Untersuchung dieses Aspekts im irischen Kontext durch die mangelnde Verfügbarkeit von Schlüsseldaten erschwert. Alter bei der Geburt Die Mehrheit der Teenagergeburten in Irland betrifft Mädchen im Alter von 18 oder 19 Jahren. 2005 zum Beispiel waren 75% aller unter 20-jährigen Frauen, die in Irland entbunden hatten, 18 oder 19 Jahre alt (1815 von 2427 Teenagergeburten). Bei jüngeren Teenagern gab es nur eine sehr kleine Anzahl von Entbindungen. 2005 entbanden in Irland 42 Mädchen unter 15 Jahren; das entspricht 2% aller Teenagergeburten in diesem Jahr. Tabelle 2 gibt die Anzahl der Geburten aller 12- bis 14-jährigen Teenager von 1991 bis 2005 wieder. Sie zeigt die sehr geringe Anzahl von Entbindungen bei 12- bis 14-jährigen Mädchen. Familienstand der Mütter Während die Fertilitätsrate bei Teenagern in den letzten drei Jahrzehnten keine erheblichen Schwankungen erlebte, veränderte sich der Familienstand der jungen Eltern dramatisch. BZgA FORUM 2–2007 35 IRLAND Tab. 1 Tab. 2 Altersspezifische Fertilitätsraten bei 15- bis 19-jährigen Mädchen nach Wohnort 1996 und 2002 Anzahl der Geburten bei 12- bis 14-jährigen Mädchen 1991–2005 Wohnort Limerick City * Meath Dublin City * Cavan Waterford City * Leitrim Carlow Kerry Louth Clare Offaly South Tipperary Dublin South Monaghan Laois Galway City * Wexford Jahr 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Cork County Westmeath Limerick County North Tipperary Mayo Kildare Kilkenny Donegal Waterford County Dublin Fingal DL/Rathdown Longford Sligo Cork City* Galway County Wicklow Roscommon 1996 30,6 13,5 25,2 12,5 20,8 12,2 24,2 12,3 21,5 9,1 14,3 18,8 24,5 15,3 15,4 12,3 22,3 2002 40,9 17,6 32,1 17,4 27,2 17,2 26,5 16,7 26,1 16,4 25,4 16,2 25,0 15,3 22,7 13,7 22,9 11,5 21,4 12,5 17,3 12,6 17,0 10,0 16,1 14,1 14,2 12,5 16,1 11,4 19,1 6,8 18,5 7,1 12,8 22,3 12,8 21,0 12,8 20,7 12,5 19,9 12,2 19,7 10,7 19,3 10,5 18,9 9,9 18,8 7,2 Quelle: Central Statistics Office (CSO), „Report on Vital Statistics“, 2001 und 2002. * 1996 waren diese noch „County Boroughs“ („Grafschaftsfreie Städte“) Waren 1984 noch 39,8% der unter 20-jährigen Frauen, die in Irland Kinder entbanden, verheiratet, waren es 2005 nur noch 7% (CSO „Vital Statistics Yearly Summary“ 2005). Obgleich die Anzahl der Geburten relativ stabil blieb, stieg also der Anteil der unehelichen Geburten, und der Anteil der ehelichen Geburten ging zurück. Wie von Fahey und Russell (2001) angemerkt, sagen die Zahlen jedoch nicht aus, dass die jungen Frauen, die uneheliche Kinder zur Welt brachten, nicht in einer stabilen Beziehung lebten. Anzahl der Kinder pro Mutter Abbildung 3 zeigt, dass es sich bei der großen Mehrheit aller Entbindungen bei Teenagern um Erstgeburten handelt. 2005 waren es 90%. 211 der geborenen Kinder waren zweite, 19 waren dritte Kinder. 36 BZgA FORUM 2–2007 Geburten 7 6 11 10 11 3 10 11 11 10 9 8 12 3 7 Daten nicht verfügbar Quelle: Central Statistics Office (CSO) Die Mehrheit aller Teenagergeburten in Irland betrifft Mädchen im Alter von 18 oder 19 Jahren. 2. Schwangerschaftsabbrüche bei 15–19-jährigen Teenagern Der vorangegangene Abschnitt befasste sich mit der Fertilitätsrate irischer Teenager. Wie bereits angemerkt, sind darin abgebrochene Schwangerschaften nicht berücksichtigt. In diesem Abschnitt wird deshalb die Anzahl der irischen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren in den Blick genommen, die sich an britische Schwangerschaftsabbruchkliniken wendeten. Erfasst wurde nur die Anzahl der irischen Teenager, die bei diesen Kliniken irische Adressen angaben. Auch wenn diese Daten unvollständig sind, lassen sie für die letzten drei Jahrzehnte einen erheblichen Anstieg erkennen (s. Abb. 4). Seit 2001 ist die Anzahl der Teenager, die in britischen Schwangerschaftsabbruchkliniken irische Adressen angaben, allerdings wieder zurückgegangen. Dies könnte teilweise damit erklärt werden, dass sie in andere Länder reisten, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Die Crisis Pregnangy Agency führt derzeit eine Studie durch, um das Ausmaß dieses Phänomens näher zu untersuchen. Wichtig ist jedoch anzumerken, dass die Anzahl der Lebendgeburten bei Teenangern seit 2001 ebenfalls abnimmt. Erwähnt werden sollte, dass Irland nach internationalen Maßstäben bei Teenagern eine sehr geringe Rate von Schwangerschaftsabbrüchen aufweist. Internationale Vergleiche von Abbruchraten finden sich im nächsten Abschnitt. TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 3 Anzahl der Kinder pro 15- bis 19-jähriger Mutter 2005 Erstgeburten Zweitgeburten 9% (211) Drittgeburten 1% (19) Viertgeburten 0%* (3) Ohne Angaben 0% (6) Quelle: CSO, „Vital Statistics Yearly Summary“, 2005 * Prozentzahlen sind gerundet; tatsächlicher Anteil vierter Kinder: 0,12%. Bei der Mehrheit aller Teenagergeburten handelt es sich um Erstgeburten. 3. Schwangerschaften (Geburten und Schwangerschaftsabbrüche) Die vorherigen Abschnitte befassten sich mit den Fertilitätsund Abbruchraten 2 irischer Teenager, also mit den Geburten beziehungsweise Schwangerschaftsabbrüchen pro 1000 Mädchen in der fraglichen Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren. Die Schwangerschaftsrate kombiniert Fertilitäts- und Abbruchraten. Dieser Abschnitt behandelt die Schwangerschaftsrate irischer Mädchen von 15 bis 19 Jahren und einen Vergleich der irischen Schwangerschaftsrate mit der anderer Länder. Schwangerschaftsrate bei Teenagern 1991 gab es in Irland 21,17 Schwangerschaften pro 1000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren. Die Schwangerschaftsrate bei Teenagern stieg in der zweiten Hälfte der 1990erJahre an und erreichte 2001 mit 25,67 ihren vorläufigen Höhepunkt (s. Abb. 6). Zu beachten ist, dass es bei der Berechnung von Fertilitätsraten über längere Zeiträume zu kleineren Ungenauigkeiten kommen kann. Dies liegt an den zum Zeitpunkt der 2 Die Daten zu den Schwangerschaftsabbrüchen geben nur die Anzahl der Teenager wieder, die in britischen Abtreibungskliniken irische Adressen angaben, müssen also in dieser Hinsicht als unvollständig gelten. 3 Entsprechende Forschungsarbeiten legen nahe, dass einige Teenager eine positive oder zumindest ambivalente Einstellung zu ihrer Schwangerschaft haben (Jaccard/Dodge/Dittus 2003; Condon/Donovan/Corkindale 2000), positiv auf die Nachricht reagieren, dass sie schwanger sind und darin eine erfreuliche Entwicklung ihres Lebens sehen (Dempsey/Heslin/ Bradley 2001). Berechnung zugrunde gelegten Bevölkerungsschätzungen und der jeweils in die Berechnung einbezogenen Altersgruppe. Internationale Vergleiche von Fertilitätsund Schwangerschaftsabbruchraten Nach internationalen Maßstäben ist die Schwangerschaftsabbruchrate bei Teenagern in Irland gering. Abbildung 7 zeigt, dass eine Teenagerschwangerschaft in Irland weniger wahrscheinlich in einen Abbruch mündet als in anderen Ländern, vor allem, wenn man Länder wie Norwegen, Schweden und Dänemark einbezieht. Schwangerschaften von Teenagern scheinen in diesen Ländern mit größerer Wahrscheinlichkeit abgebrochen zu werden. Die Schwangerschaftsrate bei Teenagern in Irland ist niedriger als die in England und Wales, Schottland, Neuseeland, Norwegen, Schweden und in den USA. 4. Irische Initiativen zur Förderung von sexueller Gesundheit und die Arbeit der Crisis Pregnancy Agency In Irland gibt es eine Reihe von staatlichen Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und gemeinnützigen Verbänden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die sexuelle Gesundheit junger Menschen zu fördern oder minderjährige Eltern zu unterstützen. Es gibt jedoch keine nationalen Strategien, die diese Ziele verfolgen. Allerdings gibt es ein umfassendes Sexualerziehungsprogramm für Grundschulen und weiterführende Schulen. Die Implementierung dieses Programms ist noch unvollständig, wird jedoch ständig verbessert. Für das Jahr 2005 gesammelte Daten zeigen, dass 41% aller weiterführenden Schulen das Programm in hohem Maße, 36% teilweise und 24% nur unzureichend umsetzten (Mayock/Kitching/Morgan 2007). Die Umsetzung ist im ersten Jahr mit 81% am höchsten, nimmt allerdings ab, wenn die Kinder älter werden. 30% der Schulen gaben an, das Programm im dritten Jahr nicht zu verwenden, 48% der Schulen unterrichten es nicht im Abschlussjahr. 2001 gründete die irische Regierung die Crisis Pregnancy Agency, die 2002 voll funktionsfähig wurde. Die Hauptaufgabe dieser Einrichtung besteht darin, in enger Zusammenarbeit mit den relevanten Regierungsressorts eine Strategie für den Umgang mit Krisenschwangerschaften vorzubereiten und umzusetzen. Als Krisenschwangerschaft wird eine Schwangerschaft bezeichnet, die von der betroffenen Frau weder geplant noch gewünscht wurde und für sie eine persönliche Krise darstellt. Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen sich eine ursprünglich geplante oder erwünschte Schwangerschaft aufgrund veränderter Umstände krisenhaft entwickeln kann. Ziel der Crisis Pregnancy Agency ist es, den strategischen Fokus der Gesellschaft auf das Thema Krisenschwangerschaft zu richten und so die Arbeit bereits existierender Einrichtungen aufzuwerten und zu unterstützen. Die Crisis Pregnancy Agency ist aber nicht ausschließlich mit der Prävention von Krisenschwangerschaften bei Teenagern befasst, denn die meisten jungen Frauen und Männer erleben diese erst, wenn sie Anfang 20 sind, und längst nicht alle Teenagerschwangerschaften können als Krisenschwangerschaften bezeichnet werden (O’Keefe 2004) 3. Der folgende Abschnitt fasst die Arbeit der Crisis Pregnancy Agency kurz zusammen. BZgA FORUM 2–2007 37 IRLAND Abb. 4 Anzahl irischer Teenager (15–19 Jahre) mit Schwangerschaftsabbruch in Großbritannien 1991–2006* 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Quelle: NSO UK, britisches Gesundheitsministerium http://www.dh.gov.uk/PublicationsAndStatistics/Statistics/StatisticalWorkAreas/StatisticalPublicHealth/fs/en * Mädchen, die in britischen, auf Schwangerschaftsabbruch spezialisierten Kliniken irische Adressen angaben; Mädchen oder Frauen, für die keine Altersangabe vorlag, wurden nicht berücksichtigt (seit 1985 betraf dies weniger als zwei Frauen pro Jahr). Abb. 5 Schwangerschaftsabbruchrate irischer Teenager (pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen) 1991–2006 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Quelle: Berechnung basiert auf Daten des britischen Gesundheitsministeriums Bei der Anzahl irischer Mädchen, die zu einem Schwangerschaftsabbruch nach Großbritannien reisten, gab es in den letzten drei Jahrzehnten einen erheblichen Anstieg; seit 2001 gehen die Zahlen kontinuierlich zurück. Abb. 6 Schwangerschaftsrate irischer Teenager (Summe aus Geburten und Abbrüchen pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen) 1991–2005 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quelle: Berechnung der CPA, basierend auf Zahlen von CSO, NSO und britischem Gesundheitsministerium Die Schwangerschaftsrate irischer Teenager war zwischen 1991 und 2005 relativ stabil. 38 BZgA FORUM 2–2007 2004 2005 2006 TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Tab. 3 Geburten, Schwangerschaftsabbrüche und Schwangerschaften – Anzahl und Raten bei 15- bis 19-jährigen Mädchen in Irland Jahr Geschätzte Anzahl 15- bis 19-jähriger Mädchen in der GesamtAnzahl bevölkerung Geburten* Fertilitätsrate** Anzahl Abbrüche* 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 163618 162600 161000 161800 163800 165586 167568 167986 164687 160509 156165 152775 149767 146700 144567 17,1 16,9 16,3 15,0 15,1 16,7 17,5 19,1 20,2 19,3 19,6 19,4 19,0 17,1 16,8 693 711 650 619 691 760 812 891 919 874 932 901 826 787 682 2804 2740 2623 2435 2472 2767 2926 3230 3303 3106 3078 2940 2816 2490 2420 Abbruchrate** Anzahl Schwangerschaften* (Geburten und Abbrüche) Schwangerschaftsrate** (Geburten und Abbrüche) 4,2 4,4 4,0 3,8 4,2 4,6 4,8 5,3 5,6 5,4 6,0 5,9 5,5 5,4 4,7 3497 3451 3273 3054 3163 3527 3738 4121 4222 3980 4010 3841 3642 3277 3102 21,4 21,2 20,3 18,9 19,3 21,3 22,3 24,5 25,6 24,8 25,7 25,1 24,3 22,3 21,5 Quelle: Berechnung der CPA, basierend auf Zahlen von CSO, NSO und britischem Gesundheitsministerium * Bei 15- bis 19-jährigen Mädchen. ** Fertilitätsrate: Geburten 15- bis 19-jähriger Mädchen pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen; Abbruchrate: Abbrüche 15- bis 19-jähriger Mädchen pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen; Schwangerschaftsrate: Schwangerschaften 15- bis 19-jähriger Mädchen pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen. Die Crisis Pregnancy Agency hat drei Aufgaben: 1. Prävention von Krisenschwangerschaften Ziel ist eine Reduktion von Krisenschwangerschaften durch Aufklärung, Beratung und den vermehrten Einsatz von Verhütungsmitteln. 2. Unterstützung in Krisenschwangerschaften Ziel ist eine Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen in Krisenschwangerschaften durch Hilfsangebote, die andere Optionen attraktiver machen. 3. Unterstützung nach Krisenschwangerschaften Ziel ist eine qualifizierte Beratung und medizinische Betreuung nach einer Krisenschwangerschaft. In den ersten fünf Jahren ihres Bestehens unternahm die Crisis Pregnancy Agency mehrere konkrete Versuche, das Thema Krisenschwangerschaften auf die nationale Agenda zu setzen. Bei ihrer Einrichtung im Jahre 2001 gab es einen Mangel an Forschungsarbeiten zum Thema Sexualität und Krisenschwangerschaften in Irland. Inzwischen konnten diese Lücken teilweise geschlossen werden: Auf der Website der Crisis Pregnancy Agency sind über 20 Forschungsberichte nachzulesen, und das Wissen um die Faktoren, die zur Entstehung von Krisenschwangerschaften beitragen, hat sich verbreitert. Darüber hinaus ergaben sich in den letzten fünf Jahren signifikante neue Trends, darunter eine große Unterstützung für sexuelle Aufklärung (bei über 90% der Allgemeinbevölkerung 4 ), das sinkende Alter beim ersten 4 siehe Layte/McGee/Quail et al. (2006); Rundle/McGee/Layte (2004). sexuellen Kontakt und der zunehmende Einsatz von Verhütungsmitteln. Die Crisis Pregnancy Agency startete zwei landesweite Werbekampagnen, von denen eine auf die Prävention von Krisenschwangerschaften abzielte („Think Contraception“, www.thinkcontraception.ie, Zielgruppe: 18- bis 24-Jährige) und die andere auf Beratungsangebote für Frauen in Krisenschwangerschaften aufmerksam machte („Positive Options“). Darüber hinaus entwickelte die Agency verschiedene Informationsmaterialien sowohl für die Öffentlichkeit als auch für Fachleute zur Prävention von Krisenschwangerschaften und zur Unterstützung von Frauen in Krisenschwangerschaften. Informationsmaterialien über Beratungsangebote und medizinische Betreuungsmöglichkeiten nach einem Schwangerschaftsabbruch wurden ebenfalls zur Verfügung gestellt. Die Crisis Pregnancy Agency finanziert Organisationen, die Beratungsangebote machen und innovative Projekte entwickeln. Die erste Aufgabe der Crisis Pregnancy Agency, die Prävention von Krisenschwangerschaften, wird primär durch die Finanzierung innovativer edukativer und informativer Projekte realisiert, die sich an junge Menschen von 13 bis 24 Jahren richten. Zum Beispiel finanziert die Agency eine Reihe von „Jugend-Gesundheitscafés“, und gemeinsam mit dem Health Service Executive finanziert sie den ersten integrativen sexuellen Beratungsdienst für junge Teenager in Cork. Der zweiten Aufgabe, der Unterstützung von Frauen in Krisenschwangerschaften, wird die Agency hauptsächlich durch die Finanzierung von Beratungsstellen, aber auch von Einrichtungen zur Unterstützung junger Eltern und adoptionswilliger Frauen oder Paare gerecht. Den dritten Auftrag, die Unterstützung nach einer Krisenschwangerschaft, erfüllt BZgA FORUM 2–2007 39 IRLAND sie in erster Linie durch die Finanzierung von Angeboten zur Beratung und medizinischen Betreuung nach Schwangerschaftsabbrüchen. Sicherzustellen, dass junge Menschen in der Schule und zu Hause ein umfangreiches Wissen über Sexualität sowie zwischenmenschliche Beziehungen, Verhütung, Geschlechtsverkehr und sexuelle Gefühle vermittelt bekommen, wird in der Arbeit der Crisis Pregnancy Agency in den nächsten Jahren eine hohe Priorität haben. Langfristig gesehen ist dies ein Schlüsselelement zur erfolgreichen Prävention ungeplanter Schwangerschaften. Jedem jungen Menschen eine so umfassende Sexualerziehung zukommen zu lassen, dass er weiß, wie er glückliche, sichere und von gegenseitigem Respekt getragene sexuelle Beziehungen aufbauen kann, ist eine echte Herausforderung und eine Aufgabe, die von der Crisis Pregnancy Agency nicht allein bewerkstelligt werden kann. Eine enge Kooperation mit dem Familien- und Gesundheitsministerium, dem Ministerium für Erziehung und Wissenschaft, der Health Service Executive sowie Lehrpersonal, Eltern, Schulleitungen und Schulträgern ist deshalb wesentlich. Für die Agency wird diese Zusammenarbeit in den kommenden Jahren primäre strategische Priorität besitzen. „Health Service Executive“ (HSE) ist die Bezeichnung der staatlichen Einrichtung, die in Irland für die Prävention und Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten verantwortlich ist. Das „Health Protection Surveillance Center“ ist Teil dieser Einrichtung und bietet umfassende Informationen über sexuell übertragbare Infektionskrankheiten in Irland, sammelt die verfügbaren Daten und führt entsprechende epidemiologische Forschungen durch. Stephanie O’Keeffe, Mary Smith Abb. 7 Internationale Vergleiche von Fertilitäts- und Schwangerschaftsabbruchraten bei Teenagern (pro 1000 Mädchen) Dänemark England und Wales Neuseeland Norwegen Schottland Schweden USA Irland 0 10 20 30 40 50 Fertilitätsrate Schwangerschaftsabbruchrate Schwangerschaftsrate Quelle: http://www.stats.govt.nz/domino/external/web/prod_serv.n sf/0/36863e81f7da76d4cc256da30073ddb3/$FILE/Sept-03.pdf Daten über Irland: CSO Daten über Abtreibungen irischer Teenager: NSO UK Anmerkung: Die Fertilitätsrate bei Teenagern ergibt sich aus der Anzahl der Lebendgeburten pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen (geschätzter Mittelwert), die Abbruchrate aus der Anzahl der Abbrüche pro 1000 15- bis 19-jähriger Mädchen (geschätzter Mittelwert, basierend auf der Anzahl der Mädchen, die in britischen Kliniken irische Adressen angaben, und Bevölkerungsdaten aus dem Zensus von 2002). Die Zahlen beruhen auf den verfügbaren Daten von 1998 bis 2002. Die Schwangerschaftsrate ist die Summe aus Fertilitäts- und Abbruchrate. Nach internationalen Maßstäben hat Irland eine sehr niedrige Rate von Schwangerschaftsabbrüchen bei Teenagern zwischen 15 und 19 Jahren. 40 BZgA FORUM 2–2007 60 TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Dr. Stephanie O’Keeffe ist Sozialpsychologin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Theorie der Entscheidungsfindung, Forschungsmethodologie und angewandte Forschung. Derzeit arbeitet sie als Research Manager für die Crisis Pregnancy Agency in Dublin, einer staatlichen Einrichtung mit dem Ziel der Prävention von Krisenschwangerschaften in Irland. Mary Smith war im Bereich Krankenpflege und Geburtshilfe tätig. Ihr Interesse gilt allen Fragen der Frauengesundheit. Sie war Stipendiatin des Irish Health Research Board und veröffentlichte zahlreiche Beiträge zu einer großen Bandbreite gesundheitspolitischer Themen. Seit 2003 ist sie Research Officer bei der irischen Crisis Pregnancy Agency. Kontakt: Crisis Pregnancy Agency 4th Floor, 89–94 Capel Street Dublin 1 Telefon +353 01 8 14 62 92 Telefax +353 01 8 14 62 82 info@crisispregnancy.ie Literatur Condon, J. T./Donovan, J./Corkindale, C. J. (2000): „Australian adolescents’ attitudes and beliefs concerning pregnancy, childbirth and parenthood: the development, psychometric testing and results of a new scale“ in Journal of Adolescence (24) (6) (729–242) Dempsey, M./Heslin, J./Bradley, C. (2001): The experience of teenage pregnancy in the south east of Ireland. Synopsis of a detailed report submitted to the South Eastern Health Board in March 2000 Fahey, T./Russell, H. (2001): Family Formation in Ireland: Trends, Data Needs and Implications, Policy Research Series No. 43, Dublin: Economic and Social Research Institute Jaccard, J./Dodge, T./Dittus, P. (2003): Do Adolescents Want to Avoid Pregnancy? Attitudes Toward Pregnancy as Predictors of Pregnancy. Journal of Adolescent Health. (33) (2) (79–83) Kane, R./Wellings, K. 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Schwangerschaftswoche bei entsprechendem Wunsch das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Schwangerschaftsabbrüche werden in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt und von den Krankenkassen bezahlt. Die Frauen haben das Recht auf eine qualifizierte Beratung. Nach der 12. Schwangerschaftswoche ist die Zustimmung eines medizinischen Beirats notwendig. Prävention ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche in Norwegen Eine große Bandbreite von Maßnahmen zur Prävention ungewollter Schwangerschaften begleitet das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat die norwegische Regierung drei landesweite Aktionspläne finanziert und durchgeführt. Die grundlegenden Ziele sind: • Gewährleistung der sexuellen und reproduktiven Rechte für die gesamte Bevölkerung, • Senkung der Abbruchrate, vor allem bei Teenagern und jungen Erwachsenen. Strategien der Prävention – Empowerment Schlüsselkonzepte der präventiven Arbeit in Norwegen sind die Stärkung der Eigenverantwortung und die sexuelle Autonomie. Selbstbestimmung, Selbstvertrauen und Stolz auf den eigenen Körper sowie die eigene Sexualität stehen im Mittelpunkt. Junge Menschen sollen ermutigt werden, ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Das Schlüsselprinzip ist: Alle Inhalte und Projekte orientieren sich am jeweiligen Geschlecht, Alter und spezifischen kulturellen Hintergrund der Zielgruppen. Strategien – konkrete Umsetzung Zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen gehören: • ein kontinuierlicher, offener Dialog mit jungen Menschen zu allen Fragen der Sexualität, 42 BZgA FORUM 2–2007 • Vorbereitung von Jungen und Mädchen auf kompetente Entscheidungen und Handlungen in sexuellen Situationen, • leicht zugängliche Beratungsangebote und Verhütungsmittel, • niedrigschwellige Angebote für eine qualifizierte Verhütungsberatung und geschlechtsspezifische Sexualerziehung für Kinder und Jugendliche, • kostenfreie Abgabe von Verhütungsmitteln an alle jungen Menschen zwischen 16 und 19 Jahren, • Präventionsarbeit als kontinuierlicher Prozess. Erziehung und Beratung Die Arbeit wird sowohl landesweit als auch vor Ort durchgeführt. Sexualerziehung ist an norwegischen Schulen Pflicht und beginnt mit dem fünften Schuljahr. Norwegische Studien zeigen, dass Teenager sich in allen Fragen der Verhütung am ehesten von Angehörigen der Gesundheitsberufe beraten lassen. Eine entsprechende Information und Beratung wird deshalb von allen Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge angeboten, die für die Betreuung junger Menschen zuständig sind. Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln Sichere Verhütungsmittel sind für Jugendliche leicht zugänglich: • Junge Menschen können im ganzen Land bei den örtlichen Gesundheitsdiensten Kontrazeptiva kostenfrei bekommen. • Hormonelle Kontrazeptiva sind für Mädchen zwischen 16 und 19 Jahren ebenfalls kostenfrei verfügbar. Um den Zugang möglichst niedrigschwellig zu halten, dürfen auch Hebammen und Pflegekräfte mit spezieller Zusatzausbildung hormonelle Kontrazeptiva verschreiben. • Seit dem Jahr 2000 sind Notfallkontrazeptiva in Norwegen in allen Apotheken rezeptfrei erhältlich. Geschlechtsspezifische Programme Programme für Jungen Da Jungen andere Informationskanäle nutzen und von anderen Arten der Information und Vorbereitung zu profitieren scheinen, beschritten wir neue Wege, um sie noch gezielter erreichen zu können. Verschiedene interaktive Informationsund Trainingsprogramme starteten in den vergangenen TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Jahren im Internet, über SMS und in Form von Computerspielen. Programme für Mädchen Eine Hauptstrategie, die für die meisten jungen Mädchen besonders nützlich zu sein scheint, ist ein praxisorientiertes, grundlegendes Selbstbewusstseinstraining. Wie man Grenzen zieht, wie man über den eigenen Körper bestimmt, wie man lernt, sich in engen Beziehungen körperlich ebenso wie verbal zu behaupten – all dies wird in einem Trainingsprogramm vermittelt, das im ganzen Land angeboten wird. Lokale Peer-education-Angebote für beide Geschlechter Die jungen Menschen werden ermutigt, sich direkt in die präventive Arbeit mit einzubringen. In vielen Orten richtete man lokale Jugendgruppen ein, die von der landesweiten Freiwilligenorganisation junger, auf sexuelle Themen spezialisierter Medizinstudentinnen und -studenten geleitet werden. Einige wenige Projekte werden auch auf nationaler Basis durchgeführt. So wird zum Beispiel eine Broschüre über Safer Sex, die von einer örtlichen Gruppe von 15bis 16-jährigen Jungen entwickelt wurde, im ganzen Land eingesetzt. Auch Jungen in Russland verwenden diese Broschüre. Ergebnisse Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch Mit Ausnahme des Jahres 2001 ging die allgemeine Abbruchrate in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zurück. • Seit dem Beginn der 1990er-Jahre sank die allgemeine Schwangerschaftsabbruchrate in Norwegen um 19%. 2004 lag sie bei 12,6 pro 1000 Frauen. • Bei der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen ging die Abbruchrate von 1992 bis 2000 um insgesamt 24% zurück; das Ausmaß des Rückgangs variiert in den einzelnen Landesteilen von 12% bis 31%. Seit 2002 ist eine leichte Erhöhung zu verzeichnen. • Bei der Abbruchrate bei Teenagern gab es einen dramatischen Rückgang von 20 Schwangerschaftsabbrüchen pro 1000 Mädchen im Jahr 2000 auf 13 pro 1000 Mädchen im Jahr 2005 – die niedrigste Rate, die in dieser Altersgruppe je ermittelt wurde. • Insgesamt ist bei den Teenagerschwangerschaften seit 1990 ein kontinuierlicher Rückgang zu beobachten. Teenagergeburten sind ausgesprochen selten und machen weniger als 5% der gesamten jährlichen Geburten aus. Das Durchschnittsalter der norwegischen Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes liegt bei 28 Jahren. Abb. 1 Abb. 2 Schwangerschaftsabbrüche pro 1000 Frauen 1989/1999/2003 (Alter 15–19 Jahre) Schwangerschaftsabbrüche pro 1000 Frauen 1989/1999/2003 (Alter 20–24 Jahre) Dänemark Dänemark Finnland Finnland Island Island Norwegen Norwegen Schweden Schweden 0 5 10 15 20 25 30 35 0 5 10 1989 1999 1989 1999 2003 2003 Quelle: Finn Egil Skjeldestad, Sintef Unimed 2004 15 20 25 30 35 Quelle: Finn Egil Skjeldestad, Sintef Unimed 2004 BZgA FORUM 2–2007 43 NORWEGEN Gebrauch von Verhütungsmitteln Der Gebrauch von Verhütungsmitteln hat in den letzten fünf Jahren zugenommen. Die meisten Studien berichten von einem häufigen Einsatz von Kontrazeptiva bei Teenagern in allen nordischen Ländern. Die Datenlage ist jedoch nicht vollständig gesichert. • Beim Gebrauch von Kondomen bei Jungen und jungen Männern ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen. • Einen definitiven Anstieg gibt es beim Einsatz hormoneller Kontrazeptiva bei Frauen aller Altersgruppen, vor allem aber bei jungen Frauen, da diese Kontrazeptiva leicht zugänglich sind und kostenfrei abgegeben werden. Die Rate der jungen Mädchen, die diese Verhütungsmittel benutzen, lag 2005 bei 588 pro 1000. Schlussfolgerungen und zukünftige Aufgaben Die Ergebnisse aus Norwegen zeigen, dass eine gute Aufklärung nicht ausreicht, um die sexuelle Gesundheit junger Menschen zu verbessern. Strategien zur Förderung der sexuellen Gesundheit müssen auf einer ganzen Palette spezifischer Maßnahmen beruhen, die allesamt darauf abzielen, die sexuelle Autonomie zu stärken und den leichten Zugang zu Verhütungsmitteln und entsprechenden Beratungsangeboten sicherzustellen. Die wichtigste Aufgabe in den kommenden Jahren wird es sein, jungen Frauen die gleichen Angebote zu machen wie Teenagern. Junge Frauen, die während ihrer Ausbildung häufig weit von ihrem Heimatort entfernt leben, müssen heute erst ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen, um sich ein Rezept für hormonelle Kontrazeptiva zu besorgen. Sowohl für den Arzttermin als auch für die Kontrazeptiva müssen sie außerdem selbst zahlen. Ulla Leth Ollendorff 44 BZgA FORUM 2–2007 Ulla Leth Ollendorff ist Psychologin und Senior Adviser beim Norwegian Directorate of Health. Seit 1994 ist sie mit der Förderung der sexuellen Gesundheit in Norwegen befasst. Sie publizierte in verschiedenen norwegischen Zeitschriften und ist Mitherausgeberin der „Nordic Magazines“. Kontakt: Ulla Leth Ollendorff seniorrådgiver Sosial- og helsedirektoratet Avdeling for miljø og helse Pb 7000, St Olavs plass 0130 Oslo Norwegen Telefon +47 22 24 16 25 53 Telefax +47 22 24 16 30 01 ulo@shdir.no Teenagerschwangerschaften in Island In den vergangenen Jahrzehnten sanken zwar die Schwangerschaftsraten bei isländischen Jugendlichen, sie sind aber im Vergleich mit den anderen nordischen Ländern noch immer die höchsten. Im Rahmen einer allgemeinen „Geburtenfreudigkeit“ stoßen Teenagerschwangerschaften in der isländischen Gesellschaft auf große Akzeptanz, andererseits regen sich immer häufiger auch kritische Stimmen. Drei erklärende Faktoren für die vergleichsweise höheren Schwangerschaftsraten in Island werden beschrieben: der kulturelle Kontext, die frühen sexuellen Erfahrungen und der Mangel an altersgerechter Sexualberatung. Isländische Jugendliche scheinen ihr sexuelles Debüt früher zu erleben als ihre Altersgenossen in den anderen nordischen Ländern; gleichzeitig haben sie weniger Zugang zu einer altersgerechten Sexualberatung. Entsprechende Studien zeigen, dass sie bei der Suche nach Beratung zahlreiche Hindernisse zu überwinden haben und zum Beratungsangebot widersprüchliche Aussagen erhalten. Nötig scheint daher ein vereinfachter Zugang zu den verschiedenen Beratungsmöglichkeiten sowie zu kostengünstigen beziehungsweise kostenfreien Verhütungsmitteln. Vor allem gilt es, neue Wege zu einer sowohl qualifizierten als auch niedrigschwelligen Sexualberatung für junge Menschen zu finden, die letztlich zu einem verantwortungsvolleren Sexualverhalten in dieser Altersgruppe beitragen kann. Einführung Seit Jahrzehnten weist Island im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden) die höchsten Schwangerschaftsraten bei Jugendlichen auf (Bender/Geirsson/Kosunen 2003a). Obwohl die Raten von 70 pro 1000 in den Jahren 1976 bis 1980 auf weniger als 40 pro 1000 in den Jahren 2001 bis 2004 zurückgingen (s. Abb. 1), ist selbst diese geringere Rate noch immer beinahe doppelt so hoch wie etwa die entsprechende Rate in Dänemark (s. Abb. 2) (Bender 2005a). Die hohen isländischen Raten werfen mehrere Fragen auf: Wünschen sich isländische Jugendliche eher eine Schwangerschaft? Aufgrund der Ergebnisse einer landesweiten Studie lässt sich sagen, dass eine große Mehrheit eine Schwangerschaft in jungen Jahren nicht für erstrebenswert hält (Bender/ Kosunen 2005). Aber warum werden die Jugendlichen dann häufig schwanger, wenn es nicht als wünschenswert gilt? Gibt es in ihrem Umfeld etwas, das einem verantwortungsvollen Sexualverhalten entgegenwirkt? In diesem Artikel werden zwei kontextuelle Faktoren beschrieben, die hier eine Rolle spielen könnten: die isländische Kultur und das bestehende System von Gesundheitsdiensten im Bereich Sexualaufklärung und Familienplanung (sexual and reproductive health services). Teenagerschwangerschaften werden in der Literatur übereinstimmend als multifaktoriell bedingt bezeichnet. Es soll hier nicht versucht werden, alle diese Faktoren zu erklären; ein grundlegendes Verständnis ihrer Komplexität ist dennoch wichtig. Drei Arten von Faktoren sind hauptsächlich beteiligt (Bender 2005a, b): erstens die Jugendlichen selbst (intraper- Abb. 1 Fertilitäts-, Abbruch- und Schwangerschaftsraten pro 1000 der 15- bis 19-jährigen Frauen in Island, 1976–2004 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 1976 –1980 1981–1985 1986 –1990 1991–1995 1996 –2000 2001–2004 Fertilitätsraten Schwangerschaftsabbruchraten Schwangerschaftsraten BZgA FORUM 2–2007 45 ISLAND Abb. 2 Schwangerschaftsraten pro 1000 15- bis 19-jähriger Frauen in fünf nordischen Ländern, 1976–2002 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 1976 –1980 1981–1985 1986 –1990 1991–1995 1996 –2000 2001–2004 Island Norwegen Dänemark Finnland Schweden sonale Faktoren), zweitens die Interaktionen der Jugendlichen mit ihren Bezugspersonen (interpersonale Faktoren) und drittens die Gesellschaft als Ganze (extrapersonale Faktoren). Die intrapersonalen Faktoren beziehen sich auf den sozioökonomischen Hintergrund des Individuums ebenso wie auf seine kognitive und psychosoziale Reife, seine Einstellungen und Überzeugungen, sein Wissen, seine Art der Entscheidungsfindung und sein Verhalten (z.B. im Umgang mit Sexualität und Verhütungsmitteln). Die interpersonalen Faktoren umfassen die Interaktionen sowie mögliche Einflüsse durch wichtige Bezugspersonen wie Eltern, Freunde und Beziehungspartner. Die extrapersonalen Faktoren sind solche, die zur äußeren Umwelt gehören und zum Beispiel mit kulturellen und gesellschaftlichen Normen, öffentlichen Stellungnahmen, Sexualerziehung und Angeboten zur Sexualberatung zusammenhängen. Intra-, inter- und extrapersonale Faktoren sind nicht leicht voneinander zu trennen. Bei jedem Individuum sind sie auf vielfache Weise miteinander vermischt. Außerdem sind zwei Ebenen der Entscheidungsfindung relevant. Die eine betrifft die Entscheidung, sexuell aktiv zu werden, die andere die Entscheidung, Verhütungsmittel einzusetzen. In diesem Artikel werden wie bereits gesagt drei Faktoren beleuchtet, die Island von den anderen nordischen Ländern unterscheiden: erstens die isländische Kultur, zweitens die frühe sexuelle Aktivität und drittens der Mangel an jugendgemäßer Sexualberatung. Kultureller Kontext Das Gebären von Kindern genießt in der isländischen Kultur von alters her hohe Wertschätzung. Die allgemeine Einstellung lautet: „Jedes Kind ist ein Segen“ (Blessun fylgir barni hverju). Hohe Fertilitätsraten waren bis vor kurzem in Island üblich und hielten sich dort sehr viel länger als in anderen europäischen Ländern (etwa von 1960 bis 2000). Im Rahmen einer Studie in Island gaben rund 70% der befragten Personen an, sich drei oder mehr Kinder zu wünschen, und 85% bezeichneten ein eigenes Kind als Voraussetzung für das persönliche Glück (Gallup Iceland 1999). Auch unter vielleicht nicht ganz optimalen Umständen Kinder zu bekommen, wird nicht als Unglück angesehen. Auch hier gilt 46 BZgA FORUM 2–2007 die weit verbreitete Einstellung „Die Dinge werden sich schon von selbst regeln“ („Thetta reddast“). Die hinter dieser Haltung stehende allgemeine Akzeptanz könnte zu den relativ hohen Schwangerschaftsraten bei isländischen Jugendlichen in den vergangenen Jahrzehnten beigetragen haben. Allerdings war es damals (von 1856 bis zu den frühen 1930er-Jahren) nicht üblich, dass isländische Mädchen schon in jungen Jahren Kinder bekamen (s. Abb. 3). Abbildung 3 zeigt, dass die Raten in den frühen 1930erJahren zu steigen begannen und in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren ihren Höchststand erreichten (Statistics Iceland 1997). Seitdem sind sie wieder gesunken (Bender 2005a). Die Einstellung zu frühen Schwangerschaften war in den letzten Jahrzehnten in der isländischen Kultur im Allgemeinen eher von Akzeptanz geprägt, vor allem in bestimmten Regionen Islands, in denen Teenagerschwangerschaften häufiger vorkamen (Bender 2005a). Gleichzeitig gibt es allerdings auch Anzeichen der Nichtakzeptanz. Die akzeptierende Haltung scheint auf der Ansicht zu beruhen, dass Kinder rasch erwachsen werden sollen, damit sie mitarbeiten und so zum Überleben der Gemeinschaft beitragen können. Diese Einstellung könnte besonders in solchen Gegenden vorherrschend sein, in denen ein großer Teil des Einkommens auf der Fischindustrie basiert. Die nichtakzeptierende, eher städtische Sichtweise andererseits stellt die Bedürfnisse der jungen Mädchen nach einer individuellen Entwicklung und einer fundierten Ausbildung vor der Familiengründung mit dem Ziel in den Vordergrund, die Zukunftsperspektive der jungen Frauen zu verbessern. Interviews, die die Autorin dieses Artikels mit jungen Müttern führte, ergaben, dass sie häufig negative Reaktionen und missbilligende Kommentare zu hören bekamen – Ausdruck einer fehlenden Akzeptanz früher Schwangerschaft (Sveinsdottir/Gudmundsdottir 2000). Frühe sexuelle Kontakte Die vorläufigen Ergebnisse der letzten beiden Studien über die sexuellen Aktivitäten isländischer Jugendlicher zeigen, dass 2006 deutlich mehr Mädchen und Jungen als noch zehn Jahre zuvor angaben, bei ihrem sexuellen Debüt 15 Jah- TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Abb. 3 Fertilitätsraten pro 1000 junger isländischer Frauen (≤ 20 Jahre), 1856–2004 90.0 80.0 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 1856 bis 1865 1866 bis 1875 1876 bis 1885 1886 bis 1895 1896 bis 1905 1906 bis 1915 1916 bis 1925 re oder jünger gewesen zu sein (Mädchen: 66% 2006 und 54% 1996; Jungen: 54% 2006 und 45% 1996; Bender 2002; Bjarnason et al. 2006). Eine frühere Studie (1996) über 17- bis 20-jährige Jugendliche ergab, dass das Durchschnittsalter bei der ersten sexuellen Erfahrung bei den sexuell Aktiven (n=1405) bei 15,4 Jahren lag und dass zwischen beiden Geschlechtern kein signifikanter Unterschied bestand (Bender 1999; 2004). Dieser Studie zufolge nehmen isländische Jugendliche früher sexuelle Beziehungen auf als ihre Altergenossen in benachbarten Ländern wie Norwegen und Schweden, wo das Durchschnittsalter beim ersten sexuellen Kontakt im gleichen Zeitraum bei 17 bis 18 Jahren lag (Kraft 1991; Weinberg et al. 1995). Wichtig ist hier, dass mehreren Studien zufolge frühe sexuelle Kontakte mit riskanten Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkohol trinken und nachlässigem Umgang mit Verhütungsmitteln verbunden sein können (Mårdh et al. 2000; Manning et al. 2000; Mott et al. 1996; Rosenthal et al. 1999). Eine landesweite Studie in Island (1996) ergab, dass ein höheres Alter beim ersten sexuellen Kontakt bei Mädchen mit einem vermehrten Einsatz von Verhütungsmitteln verbunden war. Mädchen, die mit 15 oder 16 Jahren den ersten Geschlechtsverkehr hatten, setzten mit mehr als zweimal so hoher Wahrscheinlichkeit Verhütungsmittel ein als Mädchen, die beim ersten Geschlechtsverkehr 14 Jahre und jünger waren. Waren die Mädchen beim ersten Geschlechtsverkehr gar 17 Jahre und älter, war die Wahrscheinlichkeit sogar fünfmal so hoch (Bender/Kosunen 2005). Beratungsangebote Jahrelang waren die isländischen Gesundheitsbehörden eher zurückhaltend, was die Einrichtung von Sexual- und Familienplanungsberatungsstellen anging; zudem gab es keinen entsprechenden Aktionsplan. Im letzten Schwangerschaftsabbruchgesetz aus dem Jahre 1975 (Log um radgjof Nr. 25/1975) wird die Bereitstellung von Sexualberatung für alle im Rahmen der medizinischen Grundversorgung und in den Krankenhäusern als Ziel genannt. Der präventive Schwerpunkt wurde jedoch nur in sehr geringem Maße umgesetzt. Obwohl die Schwangerschaftsraten bei jungen 1926 bis 1935 1936 bis 1945 1946 bis 1955 1956 bis 1965 1966 bis 1975 1976 bis 1985 1986 bis 1995 1996 bis 2004 Mädchen in Island im Vergleich zu denen der anderen nordischen Länder deutlich höher lagen, wurden Schwangerschaften bei Jugendlichen nicht als gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Möglicherweise ging man davon aus, dass junge Mütter aufgrund des traditionell sehr engen Familienzusammenhalts in Island bei ihren Angehörigen ausreichende Unterstützung finden. Dieses Nichterkennen eines gesellschaftlichen Problems stand insbesondere der Entwicklung speziell auf die Bedürfnisse junger Menschen zugeschnittener Programme zur Prävention von Teenagerschwangerschaften und zur gezielten Unterstützung sehr junger Mütter im Weg. Erst 2001 wurden frühe Schwangerschaften erstmals in der isländischen Geschichte im Rahmen eines nationalen Gesundheitsplans thematisiert. Gleichzeitig formulierte man das Ziel, die Zahl der Teenagerschwangerschaften bis zum Jahr 2010 um 50% zu senken (Ministry of Health and Social Security 2001). Infolge der in den nordischen Ländern in den frühen 1970er-Jahren eingeführten Schwangerschaftsabbruchgesetze wurde die Bedeutung der Prävention betont und eine verbesserte Sexualaufklärung und Sexualberatung für junge Menschen angestrebt. In Schweden etwa bezog man Hebammen in diesen Prozess mit ein und erleichterte so den Zugang zu den präventiven Angeboten. Gleichzeitig subventionierte man Verhütungsmittel und gab sie günstig oder vollkommen kostenfrei an Jugendliche ab. In Island dagegen wurde auf präventive Initiativen weniger Wert gelegt und damit die Entwicklung einer jugendgemäßen Sexual- und Familienplanungsberatung versäumt. Hinzu kommt, dass junge Menschen bis heute die Kosten für die von ihnen verwendeten Kontrazeptiva in voller Höhe selbst tragen müssen. Das erste speziell für Jugendliche gedachte Angebot im Rahmen der medizinischen Grundversorgung wurde 1999 in Akureyri im Norden Islands eingerichtet, später folgten weitere Beratungsstellen in der Region um Reykjavik. Das Vorsorgeangebot war breit gefasst, es schloss Fragen der Sexualität und Verhütung ebenso mit ein wie auch andere Aspekte körperlicher und seelischer Gesundheit. Von Anfang an hatte es jedoch erhebliche Einschränkungen wie beispielsweise sehr reduzierte Öffnungszeiten (eine Stunde pro Woche) gegeben. Außerdem mangelte es an einer regelmäßigen finanziellen Unterstützung für die Beratungsstellen. BZgA FORUM 2–2007 47 ISLAND 2000 ermöglichten der Director of Public Health in Island und die Icelandic Medicines Control Agency die direkte Bereitstellung von Notfallkontrazeptiva durch isländische Apotheken. Seit 2002 gibt es im Rahmen der medizinischen Grundversorgung in der Region Reykjavik Beratungsangebote, die sich gezielt an 14- bis 18-jährige Jugendliche richten. Sowohl in Gesundheitszentren und in Krankenhäusern als auch in weiterführenden Schulen wird nun verstärkt auf diese Angebote hingewiesen (Primary Health Care 2002). Auch wenn dies positive Signale sind, sind sie bei weitem nicht ausreichend. Es werden mehr Angebote gebraucht, und es muss wesentlich mehr zur Absicherung ihrer Qualität getan werden. Innerhalb des isländischen Gesundheitssystems gelten die Allgemeinärztinnen und -ärzte in der medizinischen Grundversorgung als Ansprechpersonen für die Verschreibung von Kontrazeptiva. Entsprechende Studien zeigen jedoch, dass junge Menschen erst viele Hürden überwinden müssen, um dieses Angebot tatsächlich wahrnehmen zu können (Bender 2000; 2003b). Die Betroffenen berichteten zum Beispiel von Schwierigkeiten, überhaupt einen Termin zu bekommen. War ihnen dies schließlich doch gelungen, kam es nicht selten zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Interaktion zwischen Klientin/Klient und Berater oder Beraterin. Viele Jugendliche äußerten sich zudem sehr besorgt hinsichtlich der Vertraulichkeit der Beratung. Vor allem der erste Besuch wurde als schwierig empfunden. Die Jugendlichen machten sich Sorgen, was ihr Gegenüber wohl über sie denken mochte, und waren sich unsicher, welche Hilfe sie im Einzelnen erwarten konnten. Manche empfanden Arzt oder Ärztin als wenig verständnisvoll und berichteten davon, keine Gelegenheit bekommen zu haben, selbst Fragen zu stellen. Manchen von ihnen wurde die Verschreibung von Kontrazeptiva sogar völlig verweigert, ohne dass andere Verhütungsmethoden besprochen oder empfohlen wurden. Außerdem erhielten sie widersprüchliche Angaben über das gesetzliche Mindestalter bei der Verschreibung von Kontrazeptiva sowie das dafür erforderliche Einverständnis der Eltern. Einige dachten, das gesetzliche Mindestalter liege bei 18 Jahren, während andere ganz anderslautende Informationen bekamen. Manchen Jugendlichen wurde auch gesagt, dazu sei das Einverständnis der Eltern nötig. Tatsächlich gibt es keine gesetzliche Regelung dieser Art in Island, die Verschreibung von Kontrazeptiva ist einzig und allein eine ärztliche Entscheidung. Alle diese Hemmnisse hängen mit intrapersonalen Faktoren (Fragen der eigenen Identität, der Unerfahrenheit usw.) der Jugendlichen, größtenteils jedoch mit extrapersonalen Faktoren (Ausführung und Qualität der bestehenden Angebote) zusammen. Diese extrapersonalen Faktoren können zum Beispiel durch die Schulung der beteiligten Fachkräfte und eine verbesserte Organisation gezielt verändert werden. Die Ergebnisse einer landesweiten Studie aus dem Jahre 1996 sowie einer weiteren Studie aus dem Frühjahr 2007 über junge Menschen, die die einzige organisierte Sprechstunde für sexuell übertragbare Krankheiten in Reykjavik aufsuchten, zeigen, dass Jugendliche sich Beratungsstellen mit großzügigen Öffnungszeiten wünschen, in denen freundliche Menschen sie vertraulich beraten (Bender 1999; Hafsteinsdottir/Ingvarsdottir 2007). Gezielte Studien haben außerdem ergeben, dass Jugendliche darüber hinaus auch gerne eine Beratung innerhalb der Schulen (für 16- bis 20-Jährige) hätten, dass für sie jedoch von ausschlaggebender Wichtigkeit ist, wie diese Beratung organisiert ist. Ein sehr 48 BZgA FORUM 2–2007 bedeutender Aspekt ist für sie die Qualität. Sie wünschen sich eine freundliche, verständnis- und respektvolle Beratung in verständlicher Sprache, ohne jede Vorverurteilung und ohne befürchten zu müssen, dass ihr Gegenüber von dem, was sie sagen oder getan haben, schockiert sein könnte. Zukunftsperspektiven Die Prävention im Arbeitsbereich reproduktiver und sexueller Gesundheit hat in Island einen klaren gesetzlichen Rahmen (Log um radgjof Nr. 25/1975). In den Strategien des Ministeriums für Gesundheit und Soziales (Ministry of Health and Social Security 2001) und der für die medizinische Grundversorgung in der Region Reykjavik zuständigen Behörde (Primary Health Care 2002) wird der Fokus auf Prävention gerichtet. Das Manko beider Stellungnahmen besteht darin, dass sie von keinem Aktionsplan begleitet werden. Es gibt keine konkreten Vorstellungen über die für die qualifizierte Beratung von Jugendlichen nötige Schulung der beteiligten Fachleute und keine Überlegungen dazu, wie die Angebote so organisiert werden können, dass sie leichter zugänglich und attraktiver sind. Derzeit bekommen Jugendliche nur schwer einen Beratungstermin und machen die Erfahrung mangelnder Beratungsqualität. Die hier präsentierten Daten zeigen, dass es einigen der beteiligten Fachleute an Motivation für den Umgang mit jungen Menschen zu fehlen scheint. Darüber hinaus sind die gegebenen Ratschläge oft widersprüchlich. Der Mangel an Motivation und entsprechender Schulung als Voraussetzung für ein qualifiziertes Beratungsangebot muss gezielt angegangen werden. Schließlich sollten die Jugendlichen nicht diejenigen sein, die unter den bestehenden Defiziten leiden müssen. Eine Lösung könnte darin bestehen, andere Fachkräfte einzubeziehen, die von ihrer Ausbildung her (z.B. in den Bereichen der Prävention und Gesundheitsförderung) einen anderen Hintergrund haben und sich im Hinblick auf die benötigten Angebote als motivierter erweisen könnten. Pflegekräfte und Hebammen zu schulen und in die präventive Sexualberatung einzubeziehen, könnte ein erster Schritt sein, um den Zugang zu den Beratungsangeboten zu vereinfachen und deren Qualität zu steigern. Sóley S. Bender TEENAGERSCHWANGERSCHAFTEN INTERNATIONAL Literatur Bender, S. S. (1999): Attitudes of Icelandic young people toward sexual and reproductive health services. Family Planning Perspectives, 31 (6), 294–301 Bender, S. S. (2000): Throun radgjafarthjonustu med ungu folki, fyrir ungt folk um kynlif, getnadarvarnir og barneignir [Development of a counseling service with young people, for young people regarding sexuality, contraception and childbearing]. Unpublished manuscript Bender, S. S. (2002): Sexual behavior of young people in Iceland. Unpublished manuscript Bender, S. S. (2003b): Attitudes of youn gpeople towards sexual and reproductive health services: Focus groups study. Unpublished manuscript Bender, S. S. (2004): Iceland. In: Francoeur, R.T./Noonan, R. J. (Eds.). International Encyclopedia of Sexuality (pp. 503–516). New York: Continuum Bender, S. S. (2005a): Adolescent pregnancy. Doctoral thesis. University of Iceland, Faculty of Medicine Bender, S. S. 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(2007): Vidhorf ungs folks til kynheilbrigdisthjonustu [Attitudes of young people towards sexual- and reproductive health services]. Unpublished undergraduate thesis. University of Iceland, Faculty of Nursing Kraft, P. (1991): Age at first experience of intercourse among Norwegian adolescents: A lifestyle perspective. Social Science Medicine, 33 (2), 207–213 Log um radgjof og fraedslu vardandi kynlif og barneignir og um fostureydingar og ofrjosemisadgerdir [Laws about counseling and information about sexuality, childbearing, abortion and sterilization]. 25. Lagasafn. (1975). Retrieved 20th of May 2004 from http://www.althingi.is Manning, W. D./Longmore, M. A./Giordano, P. C. (2000): The relationship context of contraceptive use at first intercourse. Family Planning Perspectives, 32 (3), 104–110 Mårdh, P.-A./Creatsas, G./Guaschino, S./Hellberg, D./ Henry-Suchet, J. 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Reykjavik: Statistics Iceland Sveinsdottir, M. Th./Gudmundsdottir, V. B. (2000): Unglingsmaedur og skynjun a modurhlutverkinu. [Young mothers and their perceived experience of the mother role]. Unpublished undergraduate thesis. University of Iceland, Faculty of Nursing Weinberg, M. S./Lottes, I. L./Shaver, F. M. (1995): Swedish or American heterosexual college youth: Who is more permissive? Archives of Sexual Behavior, 24:409–437 Sóley S. Bender, RN, PhD, lehrt seit 1985 zu Themen der sexuellen Gesundheit an der University of Iceland, Faculty of Nursing. Sie ist Dekanin der Faculty of Nursing sowie Director of Research and Development for Sexual and Reproductive Health an der University of Iceland und am Landspitali-University Hospital. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Förderung der sexuellen Gesundheit. Kontakt: Sóley S. Bender, RN, PhD Faculty of Nursing, University of Iceland Eirberg, Eiriksgata 34, 101 Reykjavik Telefon +354 5 25 49 80 Mobil +354 8 63 43 14 ssb@hi.is www.hi.is/~ssb/ BZgA FORUM 2–2007 49 Infothek BROSCHÜREN Pränataldiagnostik Die Broschüre der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. zur Pränataldiagnostik, über die wir in FORUM 1/2007 ausführlich berichtet haben, liegt vor. Die 48-seitige, von der BZgA geförderte Publikation informiert über vorgeburtliche Untersuchungen, beantwortet viele wichtige Fragen und zeigt vor allem auf, was die verschiedenen Beratungsangebote im Kontext der Pränataldiagnostik leisten können. Eine tabellarische Übersicht im Anhang zeigt wie, warum und wann die einzelnen pränataldiagnostischen Verfahren angewandt werden, was genau sie ermitteln (können) und was es jeweils zu bedenken gibt. Bestelladresse: BZgA 51101 Köln order@bzga.de www.bzga.de Best.-Nr. 13625300 Informationspaket zur Prävention von Schwangerschaften bei Minderjährigen Das Informationspaket der BZgA beinhaltet eine Stellungnahme der BZgA zu Teenagerschwangerschaften in Deutschland, häufig gestellte Fragen zum Thema „Schwangerschaften Minderjähriger“, einen Sonderdruck „Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbruch bei minderjährigen Frauen“, einen weiteren Sonderdruck der Materialliste der BZgA, die vorliegende Ausgabe 2/2007 der Zeitschrift Forum Sexualaufklärung und Familienplanung zum Thema „Teenagerschwangerschaften international“, die Studie „Jugendsexualität 2006“ sowie einen Flyer zur Broschüre „Komm auf Tour“. Das Informationspaket richtet sich an 50 BZgA FORUM 2–2007 Beratungskräfte und wird kostenlos abgegeben (maximal fünf Exemplare). Die Bausteine können über die Homepage www.sexualaufklaerung.de auch einzeln und zum Teil englischsprachig bestellt werden. Bestelladresse: BZgA 51101 Köln order@bzga.de www.bzga.de Best.-Nr. 13050000 Migration und öffentliche Gesundheit Die BZgA gibt vierteljährlich eine Druckversion des Informationsdienstes „Migration und öffentliche Gesundheit“ heraus, der auch im Internet ständig aktualisiert zur Verfügung steht. Er ist aus dem gleichnamigen Arbeitskreis hervorgegangen (vgl. Beitrag von Dorothea Grieger in FORUM 3/2006), der vom Büro der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung koordiniert wird. Auf je einer DIN-A4-Seite werden Veröffentlichungen, Projekte, Termine, Tagungen, Fortbildungen etc. vorgestellt. Die Redaktion freut sich über Beiträge und Bestellungen. Kontakt: T/S/Text und Service Infodienst Migration Horst Heinemann Postfach 23 02 72 45070 Essen TextServ@web.de www.textundservice.de www.infobrief-migration.de Telefax (0 20 54) 9 35 79 46 Frauenrat Der Informationsdienst des Deutschen Frauenrates berichtet in Ausgabe 1/2007 unter anderem über Lebensentwürfe 12- bis 29-Jähriger in Deutschland. Der Schwerpunkt des Heftes liegt auf den Themen Bildung und Beruf, unter anderem geht es um Einstellungen von Mädchen zu Beruf und Familie, Mädchenbildung, Hochbegabung, Girl’s day, junge Mütter zwischen Kind und Beruf und die besondere Situation von Teenagermüttern. International werden die Folgen der Ein-Kind-Politik in China („China gehen die Mädchen aus“) und der Kampf gegen Menschenhandel in Albanien thematisiert. Das Magazin erscheint sechsmal im Jahr und kostet im Abonnement 23,52 Euro inklusive Versandkosten. Bestelladresse: Deutscher Frauenrat Axel-Springer-Straße 54 a 10117 Berlin Telefon (0 30) 20 45 69-0 Telefax (0 30) 20 45 69-44 kontakt@frauenrat.de www.frauenrat.de Deine Sexualität – deine Rechte „Können meine Eltern mir verbieten, mit meiner Freundin zu schlafen?“, „Was mache ich, wenn ich glaube, schwanger zu sein?“, „Kann ich die Pille bekommen, ohne dass meine Eltern davon erfahren?“ – auf diese Fragen gibt eine neue Broschüre des pro familia-Bundesverbands Auskunft. In „Deine Sexualität – deine Rechte“ geht es um das Recht Jugendlicher, Sexualität unabhängig von Herkunft, Religion und Hautfarbe zu leben, über Verhütungsmittel informiert zu werden und sie zu nutzen. Zu den Rechten gehört auch, vertraulich beraten, medizinisch betreut und vor sexuell übertragbaren Krankheiten geschützt zu werden. Hierzu gibt es Adressen und Hilfeangebote. Um möglichst praxisnah an die alltäglichen Fragen bezüglich Sexualität und Partnerschaft anzuknüpfen, wurden Jugendliche beim Erstellen der Broschüre, die kostenlos angefordert werden kann, mit einbezogen. INFOTHEK Bestelladresse: pro familia-Bundesverband Stresemannallee 3 60596 Frankfurt Telefon (0 69) 63 90 02 www.profamilia.de Verein Pfiffigunde e.V. Telefon (0 71 31) 16 61 78 Telefax (0 71 31) 77 29 22 info@pfiffigunde-hn.de „Liebe verdient Respekt – Sevgi Saygiya Deger“ Präventionspaket Zwangsheirat Die Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ hat einen Flyer und Postkarten entwickelt, die Mädchen mit Migrationshintergrund ermutigen sollen, bei einer drohenden Zwangsheirat oder einer Heiratsverschleppung ins Ausland eine der aufgeführten Beratungseinrichtungen zu kontaktieren. Der Flyer mit dem Titel „Wer entscheidet, wen du heiratest?“ enthält wichtige Verhaltensregeln und auch eine Notfallnummer des Auswärtigen Amtes. Die Postkarten mit zwei verschiedenen Motiven für Jugendliche zu den Themen „Ehre“ und „Zwangsheirat“ sind in deutscher, arabischer, albanischer, persischer und türkischer Sprache erhältlich. 100 Flyer kosten 4,90 Euro, 10 Postkarten 1,00 Euro zuzüglich Versandkosten. Bestelladresse: Terre des Femmes Menschenrechte für die Frau e.V. Konrad-Adenauer-Straße 40 72070 Tübingen www.frauenrechte.de vertrieb@frauenrechte.de Und wo bleibe ich? Eltern im Spannungsfeld sexuellen Missbrauchs Diese wohl einmalige Broschüre ist zur Unterstützung für Eltern gedacht, deren Kinder einem sexuellen Missbrauchsdelikt zum Opfer gefallen sind. Da die meisten dieser Straftaten im engeren sozialen Umfeld geschehen, ist dem Aspekt „Familiendynamik“ ein ausführliches Kapitel gewidmet, das betroffene Eltern stärken und ermutigen soll, auch innerfamiliärem Druck zu widerstehen, um das Kind wirkungsvoll zu schützen. Gefühle wie Angst, Scham, Wut und Schuld werden behandelt, der Umgang mit Behörden und vieles mehr. Die 52-seitige Broschüre kann für 2 Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden. Bestelladresse: Fachberatungsstelle bei sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt Dieses 68-seitige zweisprachige Heft fasst die wichtigsten Informationen rund um das Thema Homosexualität und Coming-out zusammen: Ursachen, Vorurteile, Religion, HIV/AIDS, Kultur, Geschichte, Politik, Eltern, zudem Adressen, Hilfsangebote und Tipps. Es ist als Wegweiser für junge Schwule, Lesben und ihre Angehörigen gedacht und enthält sämtliche Texte in deutscher und türkischer Sprache. Herausgeber ist der Lesben- und Schwulenverband Deutschland e.V. (LSVD) Berlin-Brandenburg. Bestelladresse: LSVD-Zentrum MILES Telefon (0 30) 22 50 22 15 miles@lsvd.de www.miles.lsvd.de BÜCHER Volle Fahrt voraus. Schwule und Lesben mit Behinderung Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung erzählen in diesem Lesebuch von Thomas Rattay und dem Jugendnetzwerk Lambda e.V. von ihrem Leben. Dem Buch liegt ein Interviewprojekt zugrunde, in dem 18 Frauen und Männer von ihrem Leben mit Behinderung und zugleich von ihrer Homosexualität und der Zeit des Coming-outs berichten. Die persönlichen Lebenserfahrungen, die individuellen Umgangsweisen mit Problemen, Sehnsüchten und Hoffnungen des Alltags, ergeben eine Vielfalt eindrucksvoller Porträts. Ein umfangreicher Adress-, Literatur- und Medienteil findet sich im Anhang. „Volle Fahrt voraus“ ist 2007 im Querverlag erschienen, umfasst 188 Seiten und kostet 14,90 Euro. Bezug: Im Buchhandel ZEITSCHRIFTEN Balanceakte. Psychische Grenzerfahrungen von Mädchen und jungen Frauen Die neue Ausgabe der bundesweit erscheinenden Fachzeitschrift „Betrifft Mädchen“ beschäftigt sich mit der Bedeutung und Auswirkung von psychischen Grenzerfahrungen in der pädagogischen Arbeit mit Mädchen. Die Beiträge vermitteln Fachwissen über psychische Belastungen von Mädchen und jungen Frauen und stellen Praxisbeispiele für die Arbeit mit betroffenen Mädchen vor. In dem Heft befinden sich unter anderem Beiträge zu folgenden Themen: Psychische Problematiken und Krisen von Kindern und Jugendlichen im Geschlechtervergleich, Selbstverletzung als Bewältigungshandeln junger Frauen, Magersucht als Grenzerfahrung, Depressionen im Kindes- und Jugendalter aus geschlechtsspezifischer Perspektive, Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen, Behandlungsgruppen für Mädchen mit Borderline-Tendenz. Herausgeberin ist die LAG Mädchenarbeit in NRW e.V. (lag@maedchen arbeit-nrw.de, www.maedchenarbeitnrw.de). Bestelladresse: Juventa Verlag Telefon (0 62 01) 90 20 13 steinmetz@juventa.de www.juventa.de NEWSLETTER Frauen. Männer. Gleichberechtigung Im aktuellen Newsletter 03/2007 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird über den nationalen Integrationsplan der Bundesregierung informiert, der unter anderem darauf zielt, die Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund zu verbessern und hier Gleichberechtigung zu verwirklichen. Das BMFSFJ fördert in diesem Zusammenhang Projekte im Umfang von 70 Millionen Euro, unter anderem im Bereich der frühen Sprachförderung und der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements von, für und mit Migrantinnen und Migranten. Den BZgA FORUM 2–2007 51 INFOTHEK wichtigsten Beitrag sieht Bundesministerin Ursula von der Leyen aber in der Unterstützung der Integration von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund, etwa durch ein gefördertes Mentoring-Programm für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende. Ein weiteres Thema ist etwa das Engagement des Ministeriums für die Gleichstellung der Frauen bei Löhnen und Gehältern, wie sie die EUKommission fordert. Bezug: www.bmfsfj.de/Kategorien/Service/new sletter-abo.html STUDIEN Studie über „Abstinence-onlyPogramme“ in den USA Die an öffentlichen Schulen in den USA durchgeführten „Abstinence-onlyProgramme“ zur Propagierung sexueller Enthaltsamkeit vor der Ehe, die in der Regel jede Form von Sexualkundeunterricht und Aufklärung über den Gebrauch von Verhütungsmitteln ersetzen, wurden hierzulande häufig kritisiert. Sie geraten nun durch eine Langzeitstudie des Mathematica Policy Institute unter Druck, die keinerlei Anhaltspunkte dafür fand, dass die Enthaltsamkeitslehre den Beginn der sexuellen Aktivität von Teenagern verzögert. Zudem ist die Zahl der Teenagerschwangerschaften bereits seit 1991, vor dem Start dieser Programme, rückläufig, aber gerade in Texas, wo das Abstinenzprogramm besonders intensiv durchgeführt wird, sinken die Schwangerschaftsraten am wenigsten, wie Auswertungen der Regierungsstatistiken zeigen. Eine Kurzfassung der Ergebnisse kann auf der Homepage des Instituts nachgelesen werden. Kontakt: www.mathematica-mpr.com/ publications/PDF.s/ impactabstinenceEs.pdf 52 BZgA FORUM 2–2007 FORTBILDUNGEN Integrative berufsbegleitende Weiterbildung „Sexualpädagogik und Familienplanung“ Im Oktober 2007 startet Kurs 5 des berufsbegleitenden integrativen Studiengangs „Sexualpädagogik und Familienplanung“ an der Hochschule Merseburg. Die Hochschule bietet ein deutschlandweit einmaliges, theoretisch und praktisch ausgerichtetes Studienangebot im Feld der anwendungsorientierten Sexualwissenschaften. Sowohl Professorinnen und Professoren der Hochschule als auch ausgewiesene externe Expertinnen und Experten stehen den Studierenden zu grundlegenden, aktuellen und interessengeleiteten Themenschwerpunkten zur Verfügung. Das Studium qualifiziert zur Arbeit in Schwangerschaftsberatungsstellen nach dem SchKG wie auch zur Arbeit in vielfältigen anderen Themenfeldern und ist für Berufstätige in den Bereichen Sozialpädagogik, Psychologie, Erziehung, Pädagogik, Medizin, Krankenpflege etc. geeignet. Für das Masterstudium gibt es spezielle Zugangsvoraussetzungen (Hochschulabschluss – Näheres siehe Studienordnung). Es berechtigt zur Zulassung zum höheren Dienst und zur Promotion. Der gebührenpflichtige Studiengang beginnt bereits am 19. 10. 2007. Kontakt: Silke Ait-Kaki Telefon (0 34 61) 46 12 00 silke.ait-kaki@hs-merseburg.de Prof. Dr. Ulrike Busch ulrike.busch@hs-merseburg.de. www.sexpaed.de www.hs-merseburg.de Studiengang MA Gender Studies in Bielefeld Zum Wintersemester 2007/08 startet der viersemestrige Masterstudiengang „Gender Studies – Interdisziplinäre Forschung und Anwendung“ an der Universität Bielefeld. Mit Schwerpunkten in den Themenfeldern „Sozialisation, Bildung und Interkulturalität“, „Arbeit und Organisation“, „Körper und Gesundheit“ sowie „Transnationalisierung und Demokratisierung“ bündelt und vernetzt der Studiengang die vielfältigen Aktivitäten im Bereich der Geschlechterforschung an der Universität Bielefeld. Der Studiengang bereitet auf die Übernahme wissenschaftlicher Nachwuchspositionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vor und befähigt zur Übernahme von Positionen in öffentlichen und politischen Einrichtungen, in der Privatwirtschaft, in NichtRegierungsorganisationen und in Verbänden. Der Erwerb der Fähigkeit zur Analyse und Reflexion der Geschlechterverhältnisse in professionellen Kontexten qualifiziert die Absolventinnen und Absolventen für vielfältige Tätigkeitsfelder, unter anderem in den Bereichen Bildung und Weiterbildung, Politik und Verwaltung, Medien und Kultur, Public Health, Soziale Arbeit und Sport. Informationen: http://www.uni-bielefeld.de/ genderstudies Fokus Sexualpädagogik – Supervision für sexualpädagogisch Tätige Die Sexualpädagogik ist ein vergleichsweise neuer Arbeitsbereich innerhalb der Schwangerschaftsberatung, der in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Viele Beraterinnen bieten inzwischen Projekte für Schulklassen, Mädchengruppen etc. zu den Themenfeldern Sexualität, Verhütung und Beziehung an. Das Anforderungsprofil unterscheidet sich dabei in vielen Punkten von dem der Beratungsarbeit. Neben fachlichem Know-how, etwa zu Jugendsexualität, Verhütung und Fruchtbarkeit, ist gruppenpädagogisches und methodisches Wissen sowie die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Kontakt mit den Jugendlichen erforderlich. Neben explizit supervisorischen Fragestellungen sind auch Elemente von Fachberatung und kollegialem Austausch vorgesehen. In einer kleinen Gruppe (8 bis max. 10 Personen) können ganz spezifische sach- und personenbezogene Themen bearbeitet werden. Die Veranstaltung findet am 10. und 11. Oktober in Dortmund statt. Die Kosten betragen inkl. Unterkunft und Verpflegung zwischen 60 und 120 Euro. Informationen: Sozialdienst katholischer Frauen – Zentrale e. V. – Referat Frauen und Familien Gisela Pingen-Rainer Agnes-Neuhaus-Straße 5 Telefon (02 31) 55 70 26-34 Telefax (02 31) 55 70 26-60 INFOTHEK TAGUNGEN Babysimulatoren in der pädagogischen Praxis Seit einigen Jahren greift die pädagogische Praxis auf computergestützte Babysimulatoren zurück, um in schulischen und außerschulischen Zusammenhängen Mutterschaft oder Elternschaft als Lebensentwurf zu thematisieren. Mit der unabhängigen Evaluationsstudie „Lebensplanung mit dem Babysimulator – Konzepte, Umsetzungen und Reichweite eines sexualpädagogischen Präventionskonzeptes (für Mädchen)“ liegen nun Befunde zur pädagogischen Arbeit mit Babysimulatoren für Deutschland vor. Die Ergebnisse der Studie werden im Rahmen einer Fachtagung am 12. September 2007 in der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg von Anke Spies, der Autorin der Studie, präsentiert. Informationen: http://www.uni-oldenburg.de/ babysimulatoren/ Es geht ums Ganze, Constanze! Am 20. Oktober 2007 findet ein Frauenkongress des FrauenMädchenNetz NRW und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn statt. Was berührt Frauen und Mädchen? Was begehren sie? Was bewegt sie? Der Kongress bietet ein Forum, Bilanz zu ziehen und attraktive Perspektiven für die frauen- und mädchenpolitische Arbeit zu entwickeln. Themen der Fachforen sind: „Frauen in der Waagschale – Recht und Gerechtigkeit“, „Nicht Mangel sondern Fülle – Zukunft der Bildung und Arbeit für Frauen“, „Wer nicht träumt … Macht ist die Möglichkeit zu handeln“, „Immer in Bewegung – schneller, schöner, total gesund?“ Die Veranstalter laden Pädagoginnen, Fachfrauen und Interessierte aus der Mädchenarbeit dazu ein, sich am Kongress zu beteiligen. Der Kongress bietet auch die Möglichkeit, eine Verbindung zwischen Mädchenund Frauenarbeit herzustellen. Weitere Informationen: www.frauenmaedchennetz-nrw.de oder www.maedchenarbeit-nrw.de Frauensachen – Konferenz für Frauen mit Behinderung Vom 9. bis 11. November 2007 veranstaltet der Bundesverband für Körperund Mehrfachbehinderte e.V. in Rheinsberg eine Frauenkonferenz als Auftakt eines neuen Projekts für Frauen und Männer mit Behinderung mit dem Titel „Frauen sind anders – Männer auch“. Ziel ist es, Konzepte zur geschlechterspezifischen Arbeit mit behinderten Frauen und Männern zu entwickeln und zu erproben. Am 30. November und 1. Dezember wird es in einer Folgeveranstaltung dieser Reihe in Kassel um die Männer gehen: „Neue Konzepte braucht der Mann!“ Kontakt und Information: Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. Brehmstraße 5–7 40239 Düsseldorf Projektbereich Frauen Anne Ott Anne.ott@bvkm.de Projektbereich Männer Fabian Schwarz Fabian-schwarz@bvkm.de Telefon (02 11) 6 40 04-21 www.bvkm.de INTERNET FORUM online Eine neue Online-Version des FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung bietet einen Überblick über Medien, Projekte und Maßnahmen zur Sexualaufklärung und Familienplanung. Ergebnisse aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen und Evaluationen werden vorgestellt. Alle Ausgaben der Zeitschrift FORUM seit 1996 sind hier zu finden: Insgesamt stehen über 1000 Artikel im Volltext zur Verfügung. FORUM online bietet selbstverständlich eine Schlagwortsuchfunktion, zahlreiche Links, die unter anderem das Bestellen vereinfachen sowie eine Autorendatenbank mit Anschriften und Kurzbiografien. Kontakt: www.forum.sexualaufklaerung.de BZgA FORUM 2–2007 53 INHALT Berichte 3 FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung Eine Schriftenreihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung Ostmerheimer Straße 220 51109 Köln 12 Teenagerschwangerschaften in Deutschland. Studienergebnisse zu Risikofaktoren und Verhütungsfehlern bei Schwangerschaften minderjähriger Frauen Karin Block, Silja Matthiesen 18 Angebote und Hilfebedarf für minderjährige Schwangere und Mütter in Berlin und Brandenburg. Ergebnisse einer Expertenbefragung Monika Häußler-Sczepan, Sabine Wienholz 25 „Schwanger unter 18“. Ein neues Internetangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Petra Otto, Mechthild Paul 29 Geburtenraten minderjähriger Mädchen in Europa. Trends und Determinanten Osmo Kontula 34 Teenagerschwangerschaften in Irland Stephanie O’Keeffe, Mary Smith 42 Sexuelle und reproduktive Gesundheit. Prävention ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche in Norwegen Ulla Leth Ollendorff 45 Teenagerschwangerschaften in Island Sóley S. Bender www.sexualaufklaerung.de Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme Forum Sexualaufklärung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung/BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung – Köln: BZgA Erscheint jährlich dreimal. Aufnahme nach 1996,I ISSN 1431-4282 Konzeption: Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung Verantwortlich: Monika Hünert Text und Redaktion: Heike Lauer, Frankfurt Übersetzungen aus dem Englischen: Irmela Erckenbrecht, Nörten-Hardenberg Layout und Satz: Dietmar Burger, Berlin Druck: Moeker/Merkur, Köln Auflage: 1./30./9.07 FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung 2–2007 ist kostenlos erhältlich unter der Bestelladresse BZgA, 51101 Köln Best.-Nr. 13 32 92 06 order@bzga.de Alle Rechte vorbehalten. Namentlich gekennzeichnete oder mit einem Kürzel versehene Artikel geben nicht in jedem Fall die Meinung der Herausgeberin wieder. Diese Zeitschrift wird von der BZgA kostenlos abgegeben. Sie ist nicht zum Weiterverkauf durch die Empfängerin/den Empfänger oder Dritte bestimmt. Minderjährige Schwangere in Deutschland. Statistische Daten zu Schwangerschaftsabbrüchen und Geburten Evelyn Laue Infothek 51 Broschüren, Bücher, Zeitschriften, Newsletter, Studien, Fortbildungen, Tagungen, Internet ´ ` ´ ` ´ ` ´ ` ´ `