Jakob-Muth-Preis - online

donaukurier.de - meine Heimat
03.06.16, 06:34
02.06.2016 21:28 Uhr
Einsame Spitze im Freistaat
Thalmässing (DK) Als erste Schule in Bayern erhält die Grund- und Mittelschule Thalmässing
(Landkreis Roth) den Jakob-Muth-Preis für inklusive Schule. Damit werden seit 2009 Schulen
ausgezeichnet, die beispielhaft den Unterricht für alle Menschen - ob mit oder ohne Behinderung umsetzen.
"Das ist eine Aufwertung für das Thema Inklusion in ganz Bayern", sagt Schulleiter
Ottmar Misoph erfreut. "Für uns ist es eine Anerkennung und Wertschätzung der
Arbeit der vergangenen Jahre." Mit dem jetzigen Preis unterstreicht die kleine
Landschule in der 5000-Seelen-Gemeinde ihre Ausnahmestellung: Sie ist das, was
man neudeutsch einen Leuchtturm nennt, didaktisch wie in der Ausstattung. Sie
war dank großer Eigeninitiative die erste staatliche Volksschule in Bayern, die
komplett mit interaktiven Tafeln ausgestattet war.
Keine Schranken
zwischen Kindern mit
unterschiedlichen
Begabungen gibt es an
der Grund- und
Mittelschule Thalmässing.
Für ihren inklusiven
Unterricht erhält sie als
erste Schule in Bayern
den mit 3000 Euro
dotierten Jakob-MuthPreis. - Foto: Tschapka
Nicht zuletzt ist sie seit 2011 sogenannte Modus-Schule, die in Teilen von der
Schulordnung in Bayern abweichen darf. Das didaktische Konzept setzt stark auf die
Eigenverantwortung. Es gibt offene Schulräume - hier ist beispielsweise der Flur ein
Lernraum für die Kinder, Tische können so flexibel verschoben werden, dass
jederzeit Lernen jahrgangsübergreifend in Kleingruppen möglich ist.
All dies erleichtert die Integration von "Kindern mit Hindernissen für Lernen und
Teilhabe" - so werden lernschwache oder behinderte Schüler in Thalmässing
bezeichnet. Rektor Misoph und sein Kollegium merkten das schon in einer Zeit, als
das gemeinsame Lernen von allen Kindern an einer Regelschule noch längst kein
erklärtes Ziel der Politik war. 2004 nahm man einen Asperger-Autisten auf, der
andernorts als "unbeschulbar" galt. Wenig später kam ein Schüler mit DownSyndrom hinzu. Schritt für Schritt entwickelten die Lehrer Konzepte für inklusiven Unterricht.
Erst 2011 setzte der Freistaat die UN-Behindertenrechtskonvention im bayerischen Schulwesen um. Dass die
Thalmässinger Schule auf diesem Feld schon weit vorgearbeitet hatte, wurde drei Jahre später deutlich, als sie
beim bundesweiten Wettbewerb "Starke Schule" den Sonderpreis Inklusion zuerkannt bekam. Sie arbeite "nicht
auf Abschlüsse hin, sondern auf Anschlüsse", attestierte damals Bundespräsident Joachim Gauck bei der
Preisverleihung. Dennoch lernen die Kinder mehr als die Tatsache, dass Vielfalt etwas Wertvolles ist: 75 Prozent
der Schüler erhalten nach der vierten Klasse eine Empfehlung für die Realschule oder das Gymnasium.
Das detaillierte Förderkonzept, das ein möglichst selbstständiges Lernen der Schüler in den Vordergrund stellt,
werde von den Lehrern immer wieder hinterfragt und weiterentwickelt, sagt die Lehrerin Elke Moder, die die
Bewerbung für den Jakob-Muth-Preis verfasst hat - zuletzt hat man ein System der Lernpatenschaften zwischen
Grund- und Mittelschule installiert: Die Älteren helfen den Jüngeren.
Der Preis ist mit 3000 Euro dotiert. Projektträger sind die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange
behinderter Menschen, Verena Bentele, die deutsche Unesco-Kommission und die Bertelsmann-Stiftung.
Von Volker Luff
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