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Mehr Videokameras für mehr Sicherheit?! Jana Gummlich Impressum Hauptfach Bildsprache 7 - Die unsichtbare Stadt Dipl.-Ing. Grit Koalick Professur Darstellungslehre Fakultät Architektur Technische Universität Dresden Sommer 2007 Inhalt Videoüberwachung Was ist Videoüberwachung?................................................3 Rechtliche Bedeutung der Videoüberwachung................................5 Technische Möglichkeiten der Videoüberwachung............................6 Pro......................................................................7 Contra...................................................................8 Öffentlicher Raum Was ist öffentlicher Raum?...............................................9 Sicherheit im öffentlichen Raum Konsequenzen der Videoüberwachung.......................................11 Probleme des Einzelhandels..............................................13 (Halb-)öffentlicher Raum in der Öffentlichkeit am Beispiel der AltmarktGalerie Halböffentlicher Raum: Das Einkaufscenter...............................15 Auszüge der Center-Hausordnung der Altmarkt-Galerie Dresden.............16 Interview mit dem Center-Manager der Altmarkt-Galerie...................17 Videoüberwachung in Dresden.............................................19 Fazit...................................................................21 Quellen.................................................................23 3 Was ist Videoüberwachung? “Videoüberwachung ist die optisch-elektronische Beobachtung von Räumen beziehungsweise Personen, meist mit dem Zweck Rechtsverletzungen vorzubeugen oder aufzuklären” (Meyers Lexikon online, 2007). Die Videoüberwachungstechnik kann dabei in einzelne Systemkomponenten getrennt werden: Bildaufnahme durch die Videokamera, Bildübertragung über Leitungen oder Funkstrecken, Bildverteilung, Bildwiedergabe durch einen oder mehrere Monitore, Bildaufzeichnung durch Videorecorder und Bildauswertung. Aufnahme ist der Vorgang, bei dem das Objektiv der Videokamera ein optisches Abbild der erfassten Szenerie erzeugt und in ein elektronisches Signalgemisch umwandelt. Dieses Videosignal kann anschließend sowohl zu einem Wiedergabe- als auch zu einem Aufzeichnungsgerät übertragen werden. Die moderne digitale Kameratechnik ist anschlussfähig an vorhandene Netzwerke und Kommunikationsinfrastrukturen, sofern entsprechende Bildübertragungskapazitäten bestehen. Videoaufnahmen können daher problemlos direkt in Netze, etwa das Internet, eingespeist werden. Mit dieser Technik ist es möglich, auf einfache Art und Weise Videoaufnahmen einem beliebig großen Adressatenkreis zugänglich zu machen. Die einmal eingestellten Bilder hinterlassen elektronische Spuren, d.h. sie können unkontrollierbar kopiert werden, ohne dass der Urheber weiteren Einfluss darauf nehmen kann. Die Übertragungswege von Bilddaten sind, wie jeder andere Datenübertragungsweg, durch äußere Zugriffe, z. B durch Hacker, gefährdet. Zur rechtmäßigen Unterscheidung müssen private und öffentliche Überwachung getrennt werden. Bildaufnahme durch die Videokamera REC 4 REC REC REC REC Bildverteilung Varianten der weiteren Aufbereitung: Bildwiedergabe und Bildaufzeichnung REC Bildwiedergabe und Bildauswertung Bildwiedergabe, Aufzeichnung, Speicherung und Auswertung REC Bildaufzeichnung und Speicherung REC Bildaufzeichnung Bildübertragung über Leitung oder Funkstrecke REC 5 Rechtliche Bedeutung der Videoüberwachung Die Videoüberwachung durch private Unternehmen in öffentlich zugänglichen Räumen ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die Ausübung des Hausrechts oder die Wahrnehmung berechtigter Interessen dies erforderlich machen. Dabei muss die Überwachung und die verantwortliche Stelle kenntlich gemacht werden. Für die öffentliche Videoüberwachung ist eine Ermächtigungsgrundlage notwendig. Sie ist nur für die Ausübung des Hausrechts, die Wahrnehmung berechtigter Interessen oder zur Aufgabenerfüllung der öffentlichen Behörden zulässig. Die Unterscheidung der Räume wird auf Seite neun und 15 vorgenommen. In Sachsen ist der Einsatz von Videotechnik, also Erhebung, Übertragung und Aufzeichnung, zulässig an gefährlichen bzw. sogenannten verrufenen oder verruchten Orten. Es muss ein Ort sein, von dem auf Grund von Tatsachen oder Erfahrungen anzunehmen ist, dass dort Straftaten verabredet und vorbereitet bzw. verübt werden oder Straftäter sich verbergen. Videotechnik ist auch erlaubt an Orten, an denen Personen sich ohne Aufenthaltserlaubnis treffen oder der Prostitution nachgehen. Die Befugnis zur Videoüberwachung an den sogenannten verrufenen Orten kann auch auf nicht öffentlich zugängliche Bereiche ausgedehnt werden. Es muss konkret festgelegt werden, wie lange die Daten gespeichert werden dürfen, meist zwischen 48 Stunden und acht Wochen. Selbst wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind ist eine Datenerhebung zulässig. Tatsächlich muss die Polizei diese „gefährlichen Orte“ einer Stadt nicht bekannt geben. Das deutsche Verfassungsrecht räumt dem Bürger das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das heißt, dass jeder Mensch grundsätzlich selbst darüber entscheiden darf, ob und wem er seine personenbezogenen Daten zu welchem Zweck preisgibt. Dieses Recht wird aus der im Grundgesetz verankerten Menschenwürde, sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit abgeleitet. In der Europäischen Menschenrechtskonvention wird jedem das Recht auf Achtung der Privatsphäre garantiert (Glatzner, 2006). Die Europäische Datenschutzrichtlinie setzt sich vor allem für die Transparenz der Videoüberwachung ein. So muss es eine Aussage geben, die darüber informiert wer für die Datenerhebung verantwortlich ist und zu welchen Zwecken sie erfolgt. Außerdem garantiert diese Richtlinie dem Betroffenen das Recht auf Berichtigung, Löschung oder Sperrung. Technische Möglichkeiten der Videoüberwachung Viele Städte, u. a. auch Dresden, installieren Kameras zum Zweck der polizeilichen Videoüberwachung. Die Zahlen der Überwachungskameras erhöhten sich seit dem Jahr 2000 drastisch: Ingesamt sollen 400.000 bis eine halbe Million Kameras in deutschen Städten an öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen und Geschäftsräumen im Einsatz sein. Billigere Technik und Akzeptanz bzw. Desinteresse der Bevölkerung gegenüber diesem Thema können als Gründe gesehen werden. Man unterscheidet kleinere und größere Systeme. Größere Systeme bestehen aus mindestens 20 Kameras. Solche finden sich überwiegend in Einkaufszentren oder Regierungsgebäuden. Sie sind meist mit Akteuren wie der Polizei, der Feuerwehr oder privaten Sicherheitsdiensten verbunden. Allerdings sind derart große Systeme eindeutig die Ausnahme, um genau zu sein etwa zwei Prozent. Das Angebot der Technik ist unüberschaubar und ständigen Neuerungen unterworfen. Als Laie ist es riskant, Aussagen über verwandte Technik zu machen, da viele Modelle in verschiedenen Ausführungen zu haben sind. Ebenso unterschiedlich sind dementsprechend die Kosten für die Geräte. Allgemein lässt sich nur feststellen, dass der Trend zum immer weniger sichtbaren Modellen geht und dass die durchschnittlichen Geräte wahre Hightech-Wunder sind. Die modernen Kameras sind extrem leistungsfähig. Sie zeichnen sich aus durch eine solide Mechanik, intelligente Elektronik und einfache Be-dienung. Viele Kameras sind mit hochwertigen optischen und digitalen Zooms ausgestattet. Sie agieren leise und die Objektive können präzise in die verschiedensten Positionen gedreht werden. Wahlweise können auch “Panoramatouren zur Übersicht bzw. Kontrolle nach eigenen Wünschen zusammengestellt bzw. programmiert werden”. “Die einfache Bedienung bzw. Ansteuerung aller Funktionen [...] mit einer beliebig langen Übertragungsstrecke bei zusätzlicher Einbindung in das öffentliche Daten- bzw. Nachrichtennetz demonstriert die große Vielfalt in der Anwendung und dem praktischen Nutzen dieser Technik.” (Henri electronic, 2007). Viele Überwachungsanlagen lassen sich in vorhandene Alltagsobjekte integrieren, so dass Kameras zum Beispiel in Wassersprinklern oder Bewegungsmeldern versteckt werden können. Manchmal werden sogenannte Kamera-Attrappen verwendet. Sie wirken durch zweckfrei blinkende LEDs und einer vorgetäuschten Kabelführung in die Wand täuschend echt. Einige besitzen integrierte Bewegungsmelder: “Sobald dieser ausgelöst wird, dreht sich die Kamera für 15 Sekunden nach links und rechts. Niemandem wird auffallen, daß es sich um eine Attrappe handelt.“ (Henri electronic, 2007). Mit einer cleveren Software ist die Auswertung des Bildmaterials einfach und zeitsparend. 6 7 Pro + + Durch den offenen Einsatz von Videotechnik an Kriminalitätsbrennpunkten kann die Kriminalitätshäufigkeit reduziert werden, denn Videoüberwachung wirkt abschreckend und somit kann ein präventiver Effekt erzielt werden. + Eine ständige Bildschirmbeobachtung verbessert die Kontrollmöglich- keit überwachter Bereiche und somit wird die Reaktionszeit der Polizei verkürzt. + Man prognostiziert eine höhere Aufklärungsquote von beobachteten Straftaten. + Aufzeichnungen dienen der Identifizierung von Tätern und können als Beweismaterial gesichert werden. + Kameraüberwachung erhöht das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. + Videoüberwachung erhöht den ‚feel good Faktor’ in der Innenstadt und kann damit einen Bestandteil einer Revitalisierung von Innenstädten bilden. + Zudem wird die Technik kleiner und billiger, was ihrer weiteren Ver- breitung zuträglich ist. + Die Technik wird immer leistungsfähiger. Es ist also möglich, dass durch Gesichtserkennung oder Verhaltensmustererkennung neue Dimensionen der Datenerfassung und Verarbeitung erreicht werden. _ Contra - Videoüberwachung verletzt die Rechtsstaatlichkeit, da die Unschulds- 8 vermutung durch das ständige Beobachten außer Kraft gesetzt wird und die Würde des Menschen verletzt wird. - Gegenüber Videoüberwachung bestehen datenschutzrechtliche Bedenken. - Videoüberwachung führt zu einer Sicherheitspolitik der Ausgrenzung. Die kulturelle Funktion der Innenstadt geht durch Videobeobachtung verloren. - Viele Täter werden auch durch Videoüberwachung nicht identifiziert. - Videoüberwachung unterstützt eine Verdrängung der kriminellen Szene, damit wird aber keine Lösung des Kriminalitätsproblems erzielt. - Dem Bürger wird eine nicht vorhandene Sicherheit vorgespielt. - Videoüberwachung vereinfacht die Komplexität des Kriminalitätsproblems nicht. - Werden Videoaufnahmen nicht straff und personalintensiv bearbeitet, wer- den die meisten Straftaten nicht gesehen und erkannt. - Durch eine intensive Beobachtung und stereotype Verdachtsmomente wird Kameraüberwachung zum Instrument der Verdächtigung und Überwachung. - Die Videoüberwachung hilft keinem Opfer. - Die Technik wird immer leistungsfähiger. Es ist also möglich, dass durch Gesichtserkennung oder Verhaltensmustererkennung neue Dimensionen der Datenerfassung und Verarbeitung erreicht werden. Die Technik wird kleiner und billiger, was zur weiteren Verbreitung führen kann. 9 Was ist öffentlicher Raum? Öffentlicher Raum steht unter öffentlichem Recht, privater Raum unter dem privaten Hausrecht des Eigentümers. Dementsprechend entscheidet diese Definition darüber, wer Räume wofür nutzen kann. Öffentliche Räume sind zu jeder Zeit für die Allgemeinheit uneingeschränkt zugänglich und besitzen eine öffentliche bzw. individuelle Nutzbarkeit mit allen Möglichkeiten der Kommunikation. Die gesellschaftliche Bedeutung des öffentlichen Raumes liegt vor allem in der Präsenz aller sozialen Gruppen in der Öffentlichkeit und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung als Grundlage einer demokratischen und sozialen Gesellschaftsordnung. Der öffentliche Raum wird definiert durch das Verständnis von Heterogenität und Vielfalt und durch die Förderung H H O O T T E E L L 10 von sozialer Integration. Der öffentliche Raum prägt unsere Stadt. Er bildet die tragende Struktur urbanen Lebens. Er verbindet uns zu einem Netz städtischer Infrastruktur. Er bildet die Bühne für Ereignisse von gesellschaftlicher oder kultureller Relevanz und gleichzeitig ist er Kulisse für Armut und soziale Segregation (Glasze, 2001). Öffentlicher Raum ist multifunktional. Öffentlicher Raum ist Integration: Er ist Aufenthalts- und Treffpunkt von Menschen mit verschiedensten sozialen Herkünften, Alter oder kulturellem Hintergrund. Der öffentliche Raum ist auch eine Herausforderung, ein Raum in dem Menschen, die fast nichts voneinander wissen, Arrangements eingehen müssen. Im öffentlichen Raum erlernt man den alltäglichen Umgang mit der Differenz der Mitmenschen, was die Voraussetzung für ein zivilisiertes Miteinander ist. 11 Sicherheit im öffentlichen Raum – Konsequenzen der Videoüberwachung Videoüberwachung boomt. Neben den öffentlichen Sicherheitsorganen verbreiten sich zunehmend private Sicherheitsdienste. In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Wach- und Sicherheitsunternehmen in Deutschland stetig gestiegen. Das bedeutet, Sicherheit hat Priorität. Das hat auch Konsequenzen für die Gestaltung öffentlicher Räume, denn Videoüberwachung verlangt Überschaubarkeit und Einsehbarkeit. Aber was bedeutet Sicherheit? Meyers Lexikon online beschreibt es folgenderweise: “Sicherheit, [bedeutet] das Freisein von Bedrohung, bezogen einerseits auf den Einzelnen und seine soziale Situation, andererseits auf ein Kollektiv, auf Staat und Gesellschaft und ihre Ordnungen, nicht zuletzt die militärische Absicherung.” Die nebenstehende Abbildung zeigt die Anzahl der Wach- und Sicherheitsunternehmen in Deutschland in den Jahren 1998-2005. Die Konsequenz der Zunahme der Videoüberwachung im öffentlichen Raum, ist eine vermehrte Fragmentierung der Städte, eine steigende Ausgrenzung. Es entstehen Orte, aus denen gezielt bestimmte soziale Gruppen entfernt werden können. So werden mehr oder minder erfolgreich Bettler, Obdachlose, Prostituierte, Hütchenspieler, Punks, Drogenabhängige aus dem Innenstadt- bild entfernt. Dadurch wird eine Grundbedingung des öffentlichen Raums infrage gestellt: seine allgemeine Zugänglichkeit. Mit dem zunehmenen Ausbau der Technik der Videoüberwachung nimmt man eines scheinbar gern in Kauf: Man riskiert eines der zentralen Merkmale und die Grundvoraussetzung des öffentlichen Raums zu verlieren: die Anonymität. „Und damit die Freiheit der Städter, immer nur einen Ausschnitt seiner Persönlichkeit preiszugeben.“ „Anonymität ist vielleicht das treffendste Beispiel für die Ambivalenz der Stadt. Anonimität symbolisiert sowohl die Gefahr als auch die Freiheit, die mit Stadt assoziiert ist: Freiheit von unentrinnbaren Kontrollen dörflicher Gemeinschaften einerseits und Gefahr, in soziale Isolation zu geraten, sowie Opfer strafbarer Handlungen zu werden andererseits.“ (Siebel, 2003) Videoüberwachung katalysiert den Prozess der Exklusion, d.h. Anormales wird mit hilfe der gesellschaftlichen Ordnung ausgegrenzt. Diese Haltung entspricht der Idee der Unvereinbarkeit gewisser Personen mit der Gesell+schaft. Städtebaulich steht dieses Prinzip für die Bildung von Ghettos oder von gesellschaftlich segregierten Zonen. Die nebenstehende Abbildung zeigt Kirchen, die in den Wintermonaten Nachtcafés für Obdachlose öffnen: Auffällig ist die Kirchendichte in der Altstadt (dunkelgrau) und das fehlende Angebot direkt im Zentrum. 12 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 entspricht 100 Unternehmen Quelle: Grafik BDWS Kirchen Kirchen in der Altstadt Kirchen mit Nachtcafés Quelle: www.dresden.de/pressemitteilungen www.dresden.de/themenstadtplan 13 Probleme des Einzelhandels Laut eines Berichtes der Ordnungspartnerschaften in Nordrhein-Westfalen ist die Kriminalitätsbelastung vieler Städte und die Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung in den letzten Jahren gewachsen und wird möglicherweise weiter wachsen. Besonders für den Einzelhandel in der Innenstadt spielen die Themen Kriminalität und Sicherheit eine besondere Rolle, vor allem in Hinblick auf den Standortwettbewerb zwischen zentralen und suburbanen Standortüberlegungen. Der Einzelhandelsstandort Innenstadt sieht sich durch eine Reihe verschiedener Nachteile erheblich belastet, zum Beispiel durch Verkehrs- und Parkplatzprobleme oder baubehördliche Auflagen. Daher entschied sich der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) für eine Umfrage bei den Einzelhandelsunternehmen, um eine aktuelle und wirklichkeitsnahe Bestandsaufnahme zu erhalten. Die Erhebung fand im 100 % 50 % 0 % Verunreinigungen Graffiti Drogenszene aggressives Betteln Die Innenstadt leidet am meisten (Quelle: Grafik Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE)) 14 Sommer 1997 statt und basiert auf mehr als 1500 Antworten. Alle Branchen sowie Stadt- und Unternehmensgrößen sind vertreten. Die Auswertung belegt deutlich, dass sogenannte sozial unerwünschte Verhaltensweisen die Standortqualität der Einzelhandelsunternehmen in den Stadtkernen beeinträchtigen. So ist das Drogenmilieu eine der am deutlichsten, als störend empfundenen Erscheinungsformen. Auch fühlen sich Anlieger stark durch andere Randgruppen, wie alkoholisierte oder aggressiv bettelnde Menschen oder andere Beeinträchtigungen des Stadtbildes wie Demolierungen von Mobiliar und andere Vandalismusschäden, belästigt. Für Geschäftsleute in den betroffenen Innenstädten stellt die Häufung solcher Verhaltensweisen eine wirtschaftliche Bedrohung dar, denn eine der Auswirkungen ist das zunehmende Fernbleiben der Kundschaft. in Citylage in anderen Lagen alkoholisierte Trick- und Taschen- Gruppen diebstahl Vandalismus Unternehmen in Prozent deren Standort durch folgende Probleme beeinträchtigt ist 15 (Halb-)öffentlicher Raum: Das Einkaufscenter Neben öffentlichen Räumen gewinnen zunehmend private oder sogennante halböffentliche Räume an Relevanz für das Stadtgeschehen. Diese halb-öffentlichen Räume sind öffentlich zugänglich, unterliegen aber dem privaten Hausrecht, wie beispielsweise Shopping Malls oder Bahnhöfe. Das Centermanagement kann durch eine Hausordnung die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit bestimmen. So können damit bestimmte, konsumkräftige Gruppen der Gesellschaft angezogen und andere Gruppen ausgeschlossen werden. Damit werden Räume geschaffen, die dem Kunden die Sicherheit geben, ungestört konsumieren zu können und dabei nicht von potentiell einschüchternden Personen belästigt zu werden. Diese neuen Typen des “öffentlichen” Raums werden durch ihre massenhafte Nutzung und die Tatsache, dass diese Orte zu sozialen Treffpunkten werden, bedeutsamer. Sie werden also nicht nur auf ihre Marktfunktion beschränkt, sondern bekommen eine neue Qualität. Ursprüglich die Idee der Passage weiterführend, bieten diese “Kaufkisten” mittlerweile ein bauliches Einerlei im Stadtbild. Vor allem durch ihre Wettbewerbsvorteile konnten sie sich in den Städten etablieren: ein immer gleicher Branchenmix, ausgeklügelte Marketing-Strategien, ein großes Angebot an Stellplätzen, gute Verkehrsanbindungen und der zentrale Standort bieten Komfort, den viele Konsumenten schätzen. Derzeit gibt es schätzungsweise mehr als 210 großflächige innerstädtische Einkaufszentren in Deutschland. Glücklicherweise zeigt sich allmählich die Sättigunsgrenze der Einkaufscenter-Planung: In ostdeutschen Städten sollen zukünftig insgesamt weniger als sechs neue Anlagen entstehen. Auszüge der Center-Hausordnung der Altmarkt-Galerie Dresden 16 Betteln und Hausieren sowie unnötiger Aufenthalt sind nicht gestattet. Feilbieten von Waren, Musizieren, Auftritte sowie Veranstaltungen sind ohne schriftliche Genehmigung des CenterManagements nicht erlaubt. Für das Verteilen von Werbematerial, das Anbringen von Plakaten, Kundenbefragungen, Fotografieren, Filmen usw. benötigen Sie eine schriftliche Genehmigung des CenterManagements. Das Sitzen ist nur auf den dafür bereitgestellten Bänken, nicht jedoch auf den Treppen sowie in den Blumenanlagen erlaubt. Das weitere Verweilen, nach der Aufforderung durch das Center-Management oder seine Beauftragten, das Center zu verlassen, kann als Hausfriedensbruch strafrechtlich verfolgt werden. 17 Interview mit dem Center-Manager der Altmarkt-Galerie Die Entstehung dieser Broschüre begann mit einer ausgedehnten Recherche. So sollte ein Telefoninterview mit dem Center-Manager der AltmarktGalerie Thorsten Kemp erstes Licht in das Thema Videoberwachung bringen. Das Ergebnis des Gesprächs ist nicht besonders informationsreich, doch durchaus aussagekräftig: Nachdem mich am Hörer eine hypnotische Stimme dazu bringen wollte, unbedingt einen erlebnisreichen Tag in der Galerie zu verbringen, ging endlich der Chef persönlich ans Telefon. Da ich mich bei der Sekretärin bereits vorstellte, schien er über den Grund meines Anrufes informiert zu sein. Entsprechend war seine Laune. Es scheint, als würde man nicht gern über dieses Thema sprechen. Nachdem ich ausgiebige Informationen zu meiner Person, meiner Arbeit, den Umständen usw. geben musste, bekam er zunächst die Gelegenheit sich darüber zu beschweren, dass das Thema Videobeobachtung immer zur schlagzeilenträchtigen Überwachung gesteigert würde und dass es sofort diesen faden “Big-Brother-is-watching-you”-Beigeschmack bekäme. Allegemein verlief das Gespräch eher zäh, nur soviel: Es gab keine schriftlichen Informationen für mich. Täglich besuchen etwa 35.000 Konsumfreudige die Galerie. Über die verwandte Videobeobachtungstechnik werden keine Aussagen gemacht, weil man Marktführer sei. Wie viele Anlagen konkret vorhanden sind, dürfe man auch nicht preisgeben, aber ein großer Teil wird nicht zur Aufnahme eingesetzt, d.h. ein großer Teil besteht aus Attrappen oder es gibt eine Direktübertragung. Es gibt keine Statistik über Strafdelikte in der Altmarkt-Galerie. Der größte Teil der Kameras diene der Abschreckung, nicht der Beobachtung oder der Aufnahme. Mit Hilfe der Kameras werden keine Strafdelikte aufgeklärt, weil keine Aufnahme stattfindet. Die Polizei würde gern mit der Galerie zusammenarbeiten, bezüglich des Videomaterials, aber die Galerie stellt ihr Material nicht zur Verfügung. Wenn ich nicht die selben Fragen stellen würde, könne ich gern noch einmal anrufen. Danke für Ihre Zusammenarbeit, Herr Kemp. 18 Kamera Zugang Zentralhal- Zugang Altmarkt testelle Postplatz Zugang Prager Straße Videoüberwachung im Erdgeschoss der Altmarkt-Galerie (ohne Gewähr) (Kartengrundlage: Werbebroschüre Übersicht Altmarkt-Galerie Dresden) 19 Videoüberwachung in Dresden “Zur Verhütung von Straftaten finden von diesem Platz Bildübertragungen in die Polizeidirektion Dresden statt.”, erklärt ein unscheinbares Schild mitten auf der Prager Straße. Diese wird seit September 1999 mit Hilfe von zwei Kameras, jeweils am Ende der Prager Straße (siehe Cover: polizeiliche Videoüberwachung, montiert auf dem Dach des Mercure Hotels), polizeilich überwacht, da diese Fußgängerzone einen Kriminalitätsschwerpunkt darstellt. Die Maßnahme wurde von ansässigen Geschäftsleuten finanziert. Allerdings werden die Daten nicht gespeichert (Lin, 2006). Aber nicht nur die Altstadt wird überwacht: Seit Ende 2006 gibt es eine Polizeikamera in der Dresdner Neustadt (Alaunstraße/Louisenstraße). Laut der Initiative Leipziger Kamera ist nicht klar, ob diese Kamera läuft, d.h. es könnte sich durchaus um eine Attrappe handeln. Dieses Frühjahr gab es eine Diskussion, ob die Veranstaltung “Bunte Republik Neustadt” mit polizeilicher Überwachungstechnik ausgestattet werden sollte. Allerdings gibt es laut der “Leipziger Kamera” keinen großen Bedarf bei den Hauseigentümern in der Neustadt zu kooperieren. Die Kameraüberwachung im öffentlichen Raum beschränkt sich in Dresden leider nicht nur auf die Alt- und Neustadt: Weiterhin werden alle Bahnhöfe, einige S- und Straßenbahnhaltestellen und einige Hauptverkehrsstraßen überwacht. In den neuen Straßenbahnen ist diese Technik Standard. Letzlich beschränkt sich das Verhältnis der Videomaßnahmen in Dresden auf ein “Normalmaß” im Vergleich zu anderen deutschen Städten, bzw. ist der Ausbau der Technik eher unterdurchschnittlich. Es ist jedoch nicht möglich konkrete Aussagen zu verfassen, weshalb diese Situation so ist, dafür müssten verschiedene deutsche Städte auf unterschiedliche städtebauliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte untersucht werden. Die nebenstehende Abbildung zeigt die erfassten Fälle von Straßenkriminalität in Dresden und einigen Revierbereichen im Jahr 2006 und im Vergleich dazu die 2005 erfassten Fälle in Chemnitz und Leipzig. Quelle: Email-Korrespondenz und Polizeistatistik 20 20.000 15.000 10.000 Sieben weitere Polizeidirektionen Dresdens Altstadt 5.000 Neustadt Cotta Prohlis 0 Erfasste Fälle von Straßenkriminalität Dresden, Chemnitz, Leipzig, 2006 2005 2005 21 Fazit Nach der Recherchie und Erarbeitund des Themas Videoüberwachung fällt es immer noch schwer ein abschließendes Plädoyer zu verfassen, denn die Meinungen zu diesem Thema sind sehr kontrovers. Trotz einiger erfolgreicher Einsätze der Kameraüberwachungstechnik - wir erinnern uns besonders an Darstellungen aus den Medien, wie beispielsweise die erfolgreiche Überführung eines Bombenattentäters dank der Videoüberwachung des Bahnhofs in Kiel - konnte ich während der Erstellung der Broschüre nicht so recht von der Videoüberwachung überzeugt werden. Die auf Seite sieben und acht formulierten Argumente für und gegen Videoüberwachung zeigen deutlich, dass das Thema allgemein negativ konnotiert ist. Abschließend möchte ich nur festhalten, dass in Deutschland bisher keine seriösen wissenschaftlichen Studien existieren, die eine Verbesserung der Sicherheitslage durch die Wirkung der Videoüberwachung belegen könnten. Alle bisherigen Aussagen über potentielle Konsequenzen resultieren aus ausländischen Erfahrungsberichten. Es sollte betont werden, dass der Einsatz der Videotechnik unter keinen Umständen zu vorschnellen Standard-Maßnahmen zur Kriminalprävention gehören sollte. Videoüberwachung darf nicht zu einer unnötigen Kontrolle und Überwachung der Bürger führen. Denn eins ist klar: Videoüberwachung allein schafft keine Sicherheit. Gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht nicht durch Repression, sondern aus der Gesellschaft heraus. Diese Regel gilt auch in Stadtentwicklungsprozessen, denn durch räumliche Trennung von Funktionen und sozialen Gruppen entstehen einheitliche Räume, in denen die Erfahrung von Differenz nicht mehr alltäglich ist. Damit können auch Fähigkeiten verloren gehen, mit der Erfahrung von Fremdheit gelassen umzugehen. Ich sehe es also als eine Herausforderung für die Stadtplanung und Architektur urbane Räume zu schaffen, die Dank einer guten Durchmischung an Nutzungen und Nutzern, einer sensiblen Planung und zweckorientierten Materialwahl, die offen für physische und symbolische Aneignung sind und einer gesellschaftlichen Segregation entgegenwirken. “Die besondere Chance des öffentlichen Raumes liegt in seiner Offenheit und damit seiner allgemeinen Aneignungsfähigkeit; Vertrautheit in der Anonymität oder der Aufenthalt ohne Rechenschaftspflicht für die Anwesenheit sind Wesenselemente des Öffentlichen Raums.” (Siebel, 2003) 22 23 Literatur/Quellen Seite 3 + o.A., Definition Videoüberwachung: www.baunetz.de > Infoline > Sicherheitstechnik > Grundla- gen > Grundbegriffe > Videoüberwachung (Stand 15.07.07) + o.A., Videoüberwachung: http://lexikon.meyers.de > Lexikonsuche > Videoüberwachung (Stand 15.07.07) Seite 5 + FoeBuD e.V., Videoüberwachung: www.foebud.org > Videoüberwachung > Florian Glatzner: Die staatliche Videoüberwachung des öffentlichen Raumes als Instrument der Kriminalitätsbekäm- pfung (Glatzner, Florian. 2006. Die staatliche Videoüberwachung des öffentlichen Raumes als Instrument der Kriminalitätsbekämpfung. Magisterarbeit, Münster, Stand 08.05.07) + Lang, Markus, Die polizeirechtlichen Grundlagen für den Einsatz von Videoüberwachungstech nik im öffentlichen Raum: www.jurpc.de/aufsatz/20050093.htm (Stand 08.05.07) + o.A. Videoüberwachung: www.lexexakt.de > glossar > videoüberwachung (Stand 15.07.07) Seite 6 + HENRI electronic GmbH, Überwachungstechnik (Stand 21.05.07): http://henri.de > Video-Überwachung > Kameras > S/W Kameras > Ausführung getarnt als http://henri.de > Video-Überwachung > Kameras > Kamera-Dummy http://henri.de > Video-Überwachung > Fernsteuerbare Systeme > Professional Serie + o.A. Digitale Videoüberwachung in Perfektion: www.kusche.de > Produkte > Videoüberwachung (Stand 15.07.07) Seite 9 + Siebel, Walter, Öffentlichkeit und Privatheit in der überwachten Stadt: www.nsl.ethz.ch/in- dex/php/content/download/172/844/file/ (Stand 05.06.07) Seite 11 + o.A., Sicherheit: http://lexikon.meyers.de > Lexikonsuche > Sicherheit (Stand 23.07.07) + Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V.,Statistiken: Mitgliederent wicklung im BDWS: www.dbws.de/cms/index.php > Angebot > Statistiken > Anzahl der Wach- und Sicherheitsunternehmen (Stand 08.06.07) + o.A., Anlaufstellen für Obdachlosen: http://dresden.de > Stadt, Verwaltung und Rat > Pressemitteilungen > Anlaufstellen für Obdachlose (Stand 27.06.07) + o.A., Themenstadtplan: http://dresden.de > Themenstadtplan > Kirchen, Gotteshäuser (Stand 27.06.07) Seite 13 + Innenministerium Nordrhein-Westfalen. Mehr Sicherheit in Städten und Gemeinden - Erfah- rungen, Empfehlungen und Ratschläge für Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in Innenstädten:www1.polizei-nrw.de/paderborn/stepone/data/downloads/1c/00/00/op_leitfaden.pdf 24 (Stand 08.06.07) Seite 15 + Glasze, Georg. (2001). Privatisierung öffentlicher Räume? Einkaufszentren, Business Im provement Districts und geschlossene Wohnkomplexe. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 75 2/3: 160-177.: www.staff.uni-mainz.de/glasze/publikationen > Berichte zur deutschen Landeskunde (Stand 24.05.07) Seite 16 + Center-Hausordnung der Altmarkt-Galerie Dresden Seite 18 + Broschüre der Altmarkt-Galerie Dresden: Übersicht der Shops Seite 19 + o.A., Dresden: Stationäre Videoüberwachungskameras der Polizei: http://leipzigerkamera. twoday.net/topics/05++dokumentation (Stand 27.07.07) + Silvio Heinze, Öffentliche Videoüberwachung in Dresden: www.datenspuren.de/2004/vortraege/ videoüberwachung.html (Stand 27.07.07) + Yu-Lin, Chen. 2006. 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Köln/Berlin: http:// www.staedteag.de > themenschwerpunkte > fachinformationen > Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr > Diskussionspapier “Strategien für den öffentlichen Raum” + von Zezschwitz, Friedrich, Videoüberwachung - Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Fra gen: www. datenschutz.hessen.de/ o-hilfen/VideoverfassFragen.pdf. Alle Abbildungen wurden von der Verfasserin erstellt.