Maria von Betanien
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Maria von Betanien
glauben.wachsen.leben Maria von Bethanien – die Hörende, die Trauernde, die Anbetende Bibeltexte: 5. Mose 6,1-9; Lukas 10,38-42 Maria von Bethanien Maria von Bethanien! So kennt ihr sie vermutlich. Vor Jesus auf dem Boden sitzend, ihm zu Füssen. Die Augen gespannt auf ihn gerichtet hört sie still und aufmerksam zu. Das Bibellexikon, in dem ich nachgeschlagen habe, zählt 7 Marias auf: (1) die Mutter Jesu; (2) Maria Magdalena; (3) die Mutter von Jakobus dem Jüngeren und von Joses; (4) „die Maria des Klopas“, vielleicht seine Frau; (5) die Mutter des Johannes Markus; (6) ein Mitglied der römischen Gemeinde und schliesslich eben Maria von Bethanien. Was wissen wir von ihr? Wir begegnen ihr in der Bibel nur drei Mal: In Lukas 10, wo sie Jesus zu Füssen sitzt und ihm zuhört. Hier erfahren wir, dass sie die Schwester von der vermutlich älteren Martha ist. Schüler sassen ihren Lehrern zu Füssen und hörten ihnen zu. Das finden wir schon im Alten Testament. Dass eine Frau wie ein Schüler lernte, war für damalige Verhältnisse ganz ausserordentlich. Bei Jesus war dies möglich. In Johannes 11, in der Geschichte von der Auferweckung des Lazarus treffen wir sie zum zweiten Mal an. Lazarus ist ihr Bruder. Sie kommt zu Jesus, lässt sich vor ihm auf den Boden fallen und weint vor Schmerz. Wir erfahren auch, dass sie mit Martha und Lazarus in Bethanien, 3 km von Jerusalem entfernt, lebt, und dass sie enge Freunde Jesu sind. Schliesslich erzählt Johannes 12, wie Maria Jesus eine grosse Ehre erweist. Indem sie seine Füsse mit einem kostbaren Öl salbt, zeigt sie ihm ihre ganze Liebe. Ist es euch aufgefallen? Drei Mal wird von Maria erzählt und drei Mal finden wir sie Jesus zu Füssen. Einmal hörend, einmal trauernd, einmal ihn anbetend. In unserer Predigtreihe glauben.leben.wachsen stehen biblische Personen im Mittelpunkt. Wir beobachten sie, nehmen wahr, wie sie glaubten, lebten, wuchsen. Heute achten wir auf Maria Jesus zu Füssen, auf Maria, die Hörende, die Trauernde, die Anbetende. Möge Gottes Geist Maria brauchen, um uns ein persönliches Wort zu sagen, uns zu trösten und in unserem Herz Anbetung zu wecken. Maria – die Hörende Jesus ist mit seinen Jüngern unterwegs nach Jerusalem. Sie kommen auch nach Bethanien. Da wird Jesus von Martha in ihr Haus eingeladen. – Vielleicht hat mit dieser Einladung ihre Freundschaft begonnen. Martha als Hausherrin macht sich sofort an die Arbeit und bewirtet Jesus. Maria setzt sich Jesus zu Füssen und hört ihm still und gespannt zu. Was er sagt, fasziniert sie. Sie lässt sich von ihrer umtriebigen, älteren Schwester nicht aus der Ruhe bringen. Sie ist ganz bei Jesus. Sie schenkt ihrem Gast ihre ganze Aufmerksamkeit und Zeit. Und Jesus gibt ihr Recht: Sie tue das, was jetzt dran sei. Mich dünkt es, Maria hat im Blick auf den Glauben etwas Wichtiges verstanden. Sie sitzt Jesus zu Füssen und hört. Mit Leib und Seele ist sie bei ihm. Sie vergisst sich ganz. Ganz Ohr. Offen für das, was Jesus ihr sagen möchte. Offen, Jesus zu begegnen. Sie lässt sich von seinem Wort treffen, berühren. Sie lässt Jesu Worte in ihr Herz fallen wie ein erfrischender Regen auf trockenen Boden. Sie lässt sich erneuern und verwandeln. Denn Hören verwandelt. Durch Jesu Worte wird sie neu. Das ist das eine Notwendige, das ist der gute Teil. Er schliesst den andern, das Dienen, nicht aus. Maria wird auch wieder aufstehen und an die Arbeit gehen, spätestens wenn Jesus aufbricht. Aber das Hören hat klaren Vorrang. Denn im Hören geschieht Verwandlung, im Aufnehmen von Jesu Worten. Im Sich-beschenken-Lassen geschieht Erlösung und Heilung. Vielleicht seid ihr heute Morgen schon ziemlich auf Trab wie Martha damals. Die Kinder mussten bereit gemacht oder angespornt werden, um zeitig hier zu sein. Die Gottesdienstgestaltung oder der KiGo benötigte noch den letzten Schliff. Hoffentlich klappt alles wie geplant! Am Mittag kommt Besuch. Der Arzttermin vom Montag beschäf- tigt dich. Der Beruf beansprucht dich. Du bist gefordert. Das wirkt sich auch auf das Wochenende aus. Dies und jenes muss unbedingt noch erledigt werden. Die Marthaseite gehört zum Leben als Christin und Christ. Gott hat uns nicht zum Faulenzen, sondern zum Dienst, zum Engagement, zur Arbeit geschaffen. Aber zur Marthaseite gehört eben auch die Mariaseite. Gott hat uns auch zum Hören, zur Begegnung mit ihm geschaffen. Nur wer eine Maria ist, kann eine Martha sein, die nicht ausbrennt. Nur wer immer wieder eine Maria wird, kann zu einer gesunden Martha werden. Ich lade euch ein, jetzt eine Maria zu sein – Jesus zu Füssen! Versuche, dein inneres Auge ganz auf Jesus zu richten und dich ihm ganz und gar hinzuhalten. Vielleicht hilft es dir, wenn du die Augen schliesst oder die Hände offen hinhältst. Jetzt kannst du Jesus fragen: Was möchtest du mir sagen? Was denkst du von mir? Was sagst du zu meinem Leben? Wie steht es wirklich um mich? Herr, gib du mir ein Wort, ein persönliches Wort für mich in meiner Situation, in meinem Zustand. – Vielleicht sind dir jetzt spontan Worte von Jesus eingefallen, die du in der Bibel gelesen hast. Du brauchst nicht nach ihnen zu suchen. Sie fallen dir spontan zu. Durch sie will Jesus dich jetzt ansprechen. Vielleicht ist es ein neues Wort, ein ganz persönliches nur für dich; vielleicht ein tröstendes und ermutigendes Wort, ein befreiendes, ein wegweisendes, vielleicht ein korrigierendes; ein Wort der Liebe, ein Wort, das dich ins Herz trifft und dir die Augen öffnet für dein Leben und für Gott. Nimm es mit in diesen Tag und die neue Woche wie Maria, die Mutter Jesu, die Worte der Hirten! „Maria aber bewahrte all das Gehörte in ihrem Herzen und dachte viel darüber nach.“ (Lukas 2,19) Jesus Worte verwandeln. Hören verwandelt uns in sein Bild. Maria – die Trauernde Auch in Johannes 11 begegnen wir Maria Jesus zu Füssen. Diesmal weint sie. Bittere Tränen rinnen ihr über die Wange. Lazarus, ihr Bruder, ist gestorben. „Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben!“ (Johannes 11,32), klagt sie. Ihre Trauer ist riesig. Sie lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Martha reagierte anders, weniger emotional, scheinbar gefasster, sachlicher. Obwohl – auch sie klagt: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben!“ Aber dann beginnt sie mit Jesus ein tiefes Gespräch über den Glauben, über Tod, Aufer- stehung und das Leben an. Und am Schluss bekennt sie: „Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“ (Johannes 11,27) Das kann Maria nicht. Es übernimmt sie, als sie zu Jesus kommt. Und sie lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Sie weint einfach nur. Und Jesus? Martha wollte reden, also redete Jesus mit ihr. Maria weint, also weint Jesus mit ihr: „Jesu Augen füllten sich mit Tränen.“ (Johannes 11,35) „Weint mit denen, die weinen!“ (Römer 12,15), schreibt Paulus an die Römer. Jesus tut es. Jesus weint mit Maria. So lieb hat er sie. So persönlich und individuell geht Jesus auf uns Menschen ein! Das ist eine grosse Ermutigung, ihm so zu begegnen, wie wir sind, und uns nicht zu scheuen, ihm unsere Gefühle zu zeigen, ihnen bei ihm freien Lauf zu lassen – Trauer, Schmerz, auch Ärger, Wut. Natürlich auch Freude. All diese Gefühle kennt er ja auch. Aber Jesus sieht tiefer. Hinter unseren Gefühlen sieht er den bedürftigen Menschen in seiner Not, sieht er uns, unser Herz, unser Innerstes. Ich lade euch wiederum ein, Maria zu sein – Jesus zu Füssen. Diesmal, um das Herz vor ihm auszuschütten, um abzuladen und loszulassen, was dich bedrückt. Jetzt kannst du ihm sagen, was dir das Herz schwer macht, traurig, unruhig, wütig. – Vielleicht kannst du deine Not aber gar nicht in Worten sagen. Vielleicht ist es vielmehr ein Ausleeren des Innersten. Jesus sieht dein Herz. Halte dich ihm einfach hin: ‚Herr, hier bin ich, so wie ich bin mit allem, was im Moment zu mir gehört. – Heile du mich! Rühr du mich an mit deinem neuen Leben!‘ – Jesus ist da. Er hört dich. Er sieht dich. Er teilt deine Not mit dir wie damals die Not von Maria. Johannes hörte einmal eine mächtige Stimme rufen: „Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offenbarung 21,4) Es ist wahr, soweit ist noch nicht. Und doch, Menschen erfahren immer wieder: Gott wischt meine Tränen ab. Seit vielen Generationen jubeln Menschen: „Du hast mein Klagelied in einen Reigentanz verwandelt! Den Trauermantel hast du mir ausgezogen und mich in ein Festgewand gekleidet.“ (Psalm 30,12) Maria hat es eindrücklich erlebt. Jesus hat Lazarus aus dem Grab herausgerufen und ihnen noch ein paar gemeinsame Lebensjahre geschenkt. Für uns ein Zeichen. Das Leben ist stärker als der Tod. Vor allem aber, Jesus 2 selber wurde von den Toten auferweckt. An Ostern. Und er ist im Unterschied zum Lazarus nicht mehr gestorben. Seither sind die Christinnen und Christen gewiss: Das Leben, das Gott neu schafft, ist definitiv stärker als alles Lebenzerstörende. Hör, Jesus hat deine Tränen mitgeweint. Deine Tränen hat Gott durch den Tod und die Auferstehung von Jesus hindurch ins neue Leben auferweckt und verwandelt. So hat Gott deine Tränen abgewischt. So trocknet Jesus deine Tränen. Jetzt, wo du dies hörst. Das ist das Geheimnis des Glaubens. Maria – die Anbetende Wieder einmal ist Jesus bei seinen Freunden zu Gast. Sie haben für ihn ein tolles Fest mit einem feinen Essen organisiert. Man ist fröhlich und feiert. Es wird diskutiert und gelacht. Da verschwindet Maria plötzlich und kommt nach kurzer Zeit mit einem Fläschchen mit kostbarem Öl zu-rück. 300 Denare ist das Fläschchen Öl wert – der Lohn eines ganzen Jahres. Auch wenn Maria nur ein Teil davon brauchte, hatte es einen schönen Wert. Sie kniet vor Jesus auf den Boden, nimmt vom Öl, salbt seine Füsse und trocknet sie mit ihren Haaren. Es duftet so intensiv, dass der Geruch des Öls den ganzen Raum, in dem sie sind, erfüllt. Jesus versteht sofort: ‚Was für eine tiefe Liebe und Hingabe!‘ Das ist Marias Art zu bekennen, wer Jesus für sie ist: ‚Jesus, du bist Herr! Du bist der Christus‘ – Christus heisst wie Messias: der Gesalbte. Martha drückte dies mit Worten aus. „Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“, sagte sie. Ihre Schwester, Maria, bekennt ihre Liebe, ihre Hingabe zu Jesus mit dieser Symbolhandlung. Sie ehrt Jesus, indem sie seine Füsse mit einem edlen Öl salbt wie einen König. Jetzt beschenkt Maria Jesus. In der ersten Szene, als Hörende, liess sie sich beschenken. Jetzt schenkt sie – kostbares Öl, damit sich selbst. Wieder ist sie ganz bei Jesus. Ihre Augen, ihr Herz sind ganz auf ihn gerichtet. „Höre, Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr und sonst keiner. Darum liebt ihn von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft“, hat sie von ihren Eltern gelernt. Diese tiefe Liebe bringt sie hier zum Ausdruck. Das ist Anbetung! Worum geht es in der Anbetung, im Gotteslob? Allein um Gott! Alles andere tritt in den Hintergrund – wir selbst mit unseren Anliegen, auch Gottes Gaben für uns. Jetzt geht es nur noch um ihn und das, was er tut. Vielleicht hat Maria den nahen Tod Jesu geahnt, bestimmt aber nicht seine Auferweckung. Aber wir wissen davon. Seit Ostern sind wir gewiss, Gott schafft einen neuen Himmel und eine neue Erde. Gott ist ein Gott des Lebens. Und das Leben, das er schenkt, ist stärker als alle Mächte, die das Leben – dein Leben, mein Leben, das Leben der übrigen Geschöpfe – zerstören will. Dieser Leben schaffende und Leben schenkende Gott ist Inhalt unserer Anbetung. Maria hat die Füsse Jesu gesalbt. So hat sie ihn angebetet. Das können wir nicht. Aber wir kennen andere Formen. Wir können ihn im Gebet anbeten oder im Loblieder-Singen. Dazu lade ich euch jetzt ein. Lasst uns diese Strophe zwei Mal singen miteinander und dabei unser Herz ganz auf Gott richten. – Schluss Maria – die Hörende, die Trauernde, die Anbetende. Als Martha sich über ihre Schwester beschwert, sagt Jesus: „Notwendig ist nur eines. Maria hat das Bessere gewählt, und das soll ihr nicht genommen werden.“ (Lukas 10,42) Ich habe es gesagt, die Marthaseite gehört zum Christsein – und auch die Mariaseite. Nur wer eine Maria ist, kann eine gesunde Martha sein. Nur wer immer wieder eine Maria wird, kann eine Martha werden ohne sich zu erschöpfen. ‚Maria habe das Bessere gewählt, und das werde ihr niemand wegnehmen‘, sagt Jesus. Maria hat gewählt – auf Jesus hören, mit ihrer Trauer zu ihm kommen, ihn anbeten. Was wählst du? Amen. 28. Februar 2014 / Pfr. Stefan Zürcher 3