Biopolitik und Raum: Das Lager als ständiger Begleiter?
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Biopolitik und Raum: Das Lager als ständiger Begleiter?
Biopolitik und Raum: Das Lager als ständiger Begleiter? Sandra Lang Biopolitik und Raum: Das Lager als ständiger Begleiter? Abschlussarbeit Zürcher Hochschule der Künste ZHdK BA Kunst & Medien, Vertiefung Theorie Sommersemester 2012 Inhaltsverzeichnis Einleitung S. o3 Schwelle I Biopolitik – Souveränität – Ausnahmezustand. Der biopolitische Komplex nach Agamben S. o6 Einteilung in drei tempi S. o7 primo tempo: grave maestoso S. o7 secondo tempo: andante mosso - stringendo S. o9 terzo tempo: prestissimo - allargando S. 12 Il campo S. 16 Schwelle II Biopolitik bei Agamben und darüber hinaus: Kritik und Felderweiterung S. 18 Lorey: homo sacer und konstituierende Gewalt S. 18 Negri: Die zwei Agamben – potere costituente S. 21 Produktive Macht: Foucault - Biopolitik im Liberalismus und Neoliberalismus S. 22 Der Archipel S. 26 Ausgang S. 29 Bibliographie S. 33 2 „Nein mein Hochverehrtester, sie sind nach wie vor in der Hölle, man hat sie aber in ihren besten und vornehmsten Kreis aufgenommen – in den ersten Kreis.“ Der Gefangene Rubin in Solschenizyns Roman Der erste Kreis der Hölle.1 »Ich bitte um Vergebung für den Mangel an Humanität in diesem Lagerhaus der Seelen, gegen das Dantes Inferno verblasst.« Spyros Vougias, griechischer Vizeminister für Bürgerschutz 2009 nach dem Besuch des Lagers Pagani auf Lesvos.2 Einleitung Was heisst es, sich in einem biopolitischen Raum zu bewegen, darin zu atmen; welche Formen der Existenz kann dieser Raum produzieren; welche Arten von Subjektivitäten können sich hier herausbilden und aufeinandertreffen? Agamben malt ein düsteres Bild dieses biopolitischen Raumes. Bei Agamben nimmt er sich aus, wie eine Art Bermudadreieck, welches die politischen Koordinaten ihre Festigkeit verlieren lässt und alles in einen grauen Mantel taucht, in welchem man nicht mehr fähig ist, die Dinge zu unterscheiden, die Richtung zu bestimmen. In welchem man ständig die Augen zusammenkneift, in der Hoffnung, dass die Begriffe ihren wirren Tanz einen Moment stoppen möchten, endlich ihren Platz in Reih und Glied in schöner Abgrenzung zueinander finden möchten - statt ständig neue kompromittierende Liaisons einzugehen! Um dieser sprunghaften Thesenbildung langsam auf die Fährte zu kommen und sich ihr schrittweise zu nähern, wird sie zu Beginn der Arbeit in drei tempi strukturiert, indem Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben (im weiteren bezeichnet als Homo sacer 1) 1 Alexander Solschenizyn, Der Erste Kreis der Hölle, Frankfurt a. M.,1968, S.16 Roland Kirbach, „Der Kinderknast von Lesbos“, DIE ZEIT online, 04.02.2010 Nr. 06, URL: http://www.zeit.de/2010/06/DOS-Fluechtlinge/seite-1 Stand: 08.09.2012 2 3 und Ausnahmezustand (Homo sacer 2.1) wie ein fortlaufender Text behandelt werden.3 Wie die Benennung vermuten lässt, handelt es sich um eine Einteilung mit einer zeitlichen Dimension, die aber nicht eine pur chronologische Linie darstellt. Im ersten tempo wird das theoretische Gerüst umrissen, in welchem Agamben seine Interpretation der Biopolitik innerhalb einer Theorie des Ausnahmezustands und der abendländischen Souveränität verortet und die Biopolitik aus ihrem (bei Foucault) historischen Kontext der Moderne herauslöst.4 Im zweiten tempo wird der Ausnahmezustand als Regierungspraxis in der Moderne wieder innerhalb eines präzisen historischen Rahmens positioniert und im dritten werden jene Stellen thematisiert, in welchen Agamben Bezug auf die politische Gegenwart nimmt. Auf das dritte tempo folgt eine Verschiebung hin zu Biopolitik und Raum, und Agambens Beschreibung des Lagers, als der extreme Ort, in welchem, die im ersten tempo ausgemachte Verbindung zwischen Souveränität-Ausnahmezustand-Biopolitik in der schlimmst vorstellbaren Weise ihre negative „Erfüllung“ findet. Agamben geht dabei von den Konzentrationslagern im Naziregime aus.5 Im zweiten Teil der Arbeit werden Elemente der Kritik und der Kontextualisierung von Agambens Thesen und schliesslich der Biopolitik über Agamben hinaus mit Isabell Lorey, Antonio Negri, Michel Foucault, Sandro Mezzadra (und ansatzweise wenigen anderen Autoren) angeführt. Danach folgt wieder eine eher beschreibende Partie über das Lager, diesmal des sowjetischen Gulag-Lagersystems, welches eine Ergänzung zu dem von Agamben aufgeführten Beispiel der Konzentrationslager des dritten Reiches darstellen soll. Die zusammenfassende Auswertung der vorangehenden Kapitel im „Ausgang“ bildet den Abschluss. Das eigentliche Ziel der Arbeit ist es, Agambens Theorie des Ausnahmezustand und der Biopolitik nach Elementen zu befragen, welche produktiv zur Lektüre der Gegenwart eingesetzt werden können. In den letzten Jahren hat der ursprünglich von Foucault in die Philosophie eingeführte Begriff der Biopolitik eine inflationäre Ausbreitung gefunden (oft in entpolitisierter Form).6 Nebst Agambens Werken Homo sacer 1, welches 1995 auf Italienisch 3 HS 1 = Giorgio Agamben, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M., 2002 HS 2 = Ders.: Ausnahmezustand. (Homo sacer II. I), Frankfurt a. M., 2004 4 Zu Biopolitik und Biomacht, Moderne bei Foucault: Marianne Pieper, Thomas Atzert, Serhat Karakayali, Vassilis Tsianos, (Hg.), Biopolitik-in der Debatte, Wiesbaden, 2011, S. 8 5 Siehe: HS 1, Dritter Teil: „Das Lager als biopolitisches Paradigma der Moderne“, S. 127-209 6 Marianne Pieper, Thomas Atzert, Serhat Karakayali, Vassilis Tsianos, (Hg.), Biopolitik - in der Debatte, Wiesbaden, 2011, Einleitung Zur Begriffsgeschichte siehe ebd., S. 23, Endnote 3 4 und 2002 auf Deutsch erschien, und Ausnahmezustand aus dem Jahr 2003 (in deutscher Übersetzung 2004), hat sich eine lebhafte Debatte um die Biopolitik entwickelt, zu welcher Michael Hardt und Antonio Negri's Trilogie Empire, Multitude, Commonwealth (die alle Anfang 2000 publiziert wurden) einen wichtigen Beitrag geleistet haben, indem diese Autoren das Konzept jeweils in eigenständiger und origineller Weise weiterentwickelt haben.7 Die verschiedenen Ansätze der Interpretation und Weiterentwicklung von Biopolitik werden an dieser Stelle nur ansatzweise und fragmentarisch mit wenigen Beispielen dargestellt, ebenso wird in oberflächlicher und knapper Weise und nur soweit auf die Biopolitik bei Foucault eingegangen, als dass diese anderen Interpretationsweisen ein komplettierendes und erweiterndes Bild der Biopolitik bei Agamben ermöglichen und für einen Blick „über den agambenschen Theoriehorizont hinaus“ produktiv sind. Auf den Begriff der Gouvernementalität, welcher in engem Zusammenhang mit der Biopolitik bei Foucault steht und auch in der gegenwärtigen Theorieproduktion rund um die Biopolitik von grosser Bedeutung ist, kann innerhalb dieser Arbeit nicht eingegangen werden.8 Statt eine möglichst komplette Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes zum Begriff der Biopolitik innerhalb des poststrukturalistischen und postoperaistischen „Theoriefeldes“ (und der gegenwärtigen Theoriebildung, die sich, wie Agamben selber „um dieses herum gruppieren“) vorzunehmen, wird mit Ausgangspunkt von Agambens Analysen zum Zusammenhang von Lager und Biopolitik die Spur der raumtheoretischen Untersuchungen verfolgt. Dies geschieht aus der Überzeugung, dass die topologische „Linie“, die im (Post-)Strukturalismus stark verankert ist,9 sehr interessante Möglichkeiten der Analyse aktueller gesellschaftspolitischer Phänomene eröffnet und die Komplexität, welche durch das Zusammenwirken von Praktiken, Diskursen, Institutionen und Architekturen entsteht, aufzuzeigen vermag. Mit der Thematisierung aktueller, migrationspolitischer Massnahmen in westlichen Ländern, welche sich unter anderem und in äusserst beunruhigender Weise in der Errichtung von Internierungslagern für Asylsuchende manifestieren, wird am Beispiel Griechenlands und der 7 Giorgio Agamben, Homo sacer. Il potere sovrano e la nuda vita, Torino, 2005 (1995) Micheal Hardt, Antonio Negri, Empire, Die neue Weltordnung, Frankfurt a. M., 2002 Dies.: Multitude, Krieg und Demokratie im Empire, Frankfurt a. M., 2004 Dies.: Commonwealth, das Ende des Eigentums, Frankfurt a. M., 2010 8 Zu Biopolitik und Gouvernementalität bei Foucault siehe: Marianne Pieper, Thomas Atzert, Serhat Karakayali, Vassilis Tsianos, (Hg.), 2011, S.11-113 Zur Gouvernementalität in der heutigen Debatte um die Biopolitik siehe: Ebd., S.14 9 Siehe: Stephan Günzel „Spacial turn – topographical turn – topological turn. Über die Unterschiede zwischen Raumparadigmen“, in: J. Döring und T. Thielmann, (Hg.) Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld: [2. Aufl. 2009], 219-237, S.224 - 226 5 Beschreibung der katastrophalen Zustände in Auffangzentren und Internierungslagern dort ein Versuch gestartet, den Begriff der Biopolitik (und hier massgeblich der Biopolitik mit Agamben) als ein produktives Analyseinstrument der unmittelbaren Gegenwart und politischen Aktualität einzusetzen. Schwelle I Biopolitik – Souveränität – Ausnahmezustand. Der biopolitische Komplex nach Agamben In Homo sacer 1, macht es sich Giorgio Agamben zur Aufgabe, Michel Foucaults Begriff der Biopolitik, welcher jener erstmals 1976 in Der Wille zum Wissen, Sexualität und Wahrheit I einführte,10 in eine philosophisch-juridische Theorie des Ausnahmezustandes einzugliedern.11 Nach Agamben bildet die Biopolitik den unbedingten Rahmen, in welchem ein kritisches Projekt der politischen Gegenwart sich bewegen muss.12 Mit dem Begriffsgebilde des „nackten Lebens“ und der Figur des homo sacer,13 will Agamben Foucaults, in der Moderne beginnende Genealogie der Biopolitik als gewaltbasiertes Grundprinzip der westlichen Souveränität im römischen Recht verankern.14 Dann macht Agamben erneut einen Sprung und identifiziert das Lager (nach Hanna Arendt) als paradigmatisch für den politischen Raum der Moderne,15 sozusagen als Materialisierung und permanente Verräumlichung des an sich zeitlichen und zeitlich begrenzten Ausnahmezustands.16 Agamben vertritt mit seiner Theorie des Ausnahmezustands die Annahme einer strukturellen Ähnlichkeit zwischen geschichtlich auseinanderliegenden und verschiedenen, westlichen Staatsmodellen totalitärer wie demokratischer Ausprägung und nutzt diese als Fundament einer Kritik gegenwärtiger, westlicher Regierungspraktiken.17 10 Michel Foucault, Geschichte der Sexualität 1, Der Wille zum Wissen, Kapitel V: „Recht über den Tod und Macht zum Leben“, Frankfurt a. M., 1987, S. 160 - 190 11 HS 1, S.16 12 HS 1, S. 22 13 Der italienische Begriff ist tatsächlich „la nuda vita“, was wörtlich übersetzt nacktes Leben heisst, ist aber als Übersetzung für Benjamins Begriffspaar des „blossen Lebens“ gedacht. In der deutschen Übersetzung von Homo sacer wird bewusst „nacktes Leben“ verwendet, um Agambens eigenständiges Konzept von dem Benjamins abzuheben. Siehe „Anmerkungen zur Übersetzung“ von Ulrich Müller-Schöll, HS 1, S. 107 14 HS 1, S.16, 18 15 HS 1, S. 190, 186 16 HS 1, S. 177-178, S. 183 17 HS 1, S. 14 6 Einteilung in drei tempi Die hier vorgenommene Einteilung in drei tempi, ist ein Versuch, verschiedene Momente innerhalb Agambens Theoriebildung um die Biopolitik zu unterscheiden, um die Kritik und Auswertung der Elemente im zweiten Teil der Arbeit zu erleichtern. Es handelt sich dabei innerhalb von Agambens Werken Homo sacer 1 und 2.1 nicht unbedingt um drei gleichwertige Stränge, sie werden aber hier im Hinblick auf die Struktur der Arbeit angepasst so behandelt. Im ersten tempo wird beschrieben, wie Agamben einen grossen Bogen über den gesamten Horizont der abendländischen Souveränität spannt. Die hier vorkommende Auslegung des Begriffes Biopolitik ist eigentlich „ahistorisch“ und wird ausführlich in Homo sacer I, Die Souveränität und das nackte Leben ausgearbeitet.18 Agamben integriert im schmittschen Komplex von Souveränität, Ausnahmezustand und nomos (Schmitts topologischem Ausdruck von Recht) seine eigene Interpretation der foucaultschen Biopolitik am Beispiel des homo sacer, einer Figur im römischen Recht.19 Agamben übernimmt Schmitts dezisionistische Theorie der Souveränität,20 welche besagt: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“21 Als zweites tempo fungiert die in Ausnahmezustand (Homo sacer 2.1) hergeleitete historische Linie des Ausnahmezustands und der Ausnahmeregelungen als angewendete Regierungspraktiken während der Moderne.22 Das dritte tempo wird gebildet durch Agambens Einschätzungen der politischen Struktur, und Verfasstheit der Gegenwart, (vor allem der westlichen demokratischen Staaten). Die Genealogie und Analyseinstrumente dazu entwickelt Agamben in den beiden anderen tempi. primo tempo: grave maestoso Die intime Verbindung von Biopolitik und Ausnahme kommen nach Agamben im homo sacer, einem Sonderfall innerhalb des römischen Recht zusammen.23 Als homo sacer wird ein Mensch bezeichnet, der auf Grund eines bestimmten Vergehens durch die souveräne Instanz aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, dem sein politischer Status entzogen und der als 18 HS 1, z. B. S.16 HS 1, S. 120 20 Zu Agambens Übernahme des schmittschen „Dezisionismus“ siehe Astrid Deuber-Mankofsky, „Homo sacer, das blosse Leben und das Lager, Anmerkungen zu einem erneuten Versuch einer Kritik der Gewalt“, veröffentlicht auf xcult.org, URL: http://www.xcult.org/ xc editor/ Art director: Reinhard Storz, Stand: 11. 08. 2012. Dieser Text wurde zuerst in der Zeitschrift Die Philosophin 25/ 02 publiziert, S.95-115 21 Carl Schmitt, Politische Theologie, Vier Kapitel zur Lehre der Souveränität, 2. Auflage München/Leipzig: Duncker & Humblot, 1934 [1922], S. 11. 22 Siehe: HS 2, Kapitel 1, „Der Ausnahmezustand als Paradigma des Regierens“, S.7 - 41 23 HS 1, S.93 19 7 vogelfrei erklärt wird.24 Der homo sacer ist nach seinem Ausschluss kein Bürger mehr, er unterliegt nicht mehr der regulären Gerichtsbarkeit (Ordnung) der Stadt.25 Er ist ein, auf sein blosses biologisches Leben reduzierter Mensch, welcher von jedem Bürger straffrei getötet werden kann.26 In einer Zone, die ausserhalb des Rechts der Stadt liegt, ausserhalb der „cittadinanza“, der „citoyenneté“ wird in gewisser Weise jeder Bürger zum Richter und damit zum Souverän über den auf sein nacktes Leben zurückgeworfenen homo sacer.27 In dieser Beziehung zwischen dem souveränen Bürger und dem homo sacer, die durch die Macht über das Leben selbst gekennzeichnet ist, entdeckt Agamben die verborgene Struktur der Souveränität, welche sich in der rechtlichen Grenzsituation offenbart.28 Wie Agamben zu Anfang von Homo sacer 1 (und als Anlehnung an Foucaults Distinktion zwischen griechischem und biopolitischem Modell) erklärt, basierte in der griechischen Antike die Idee des Politischen gerade auf der Trennung zwischen einer Sphäre des Biologischen (Natur) und des Politischen (Kultur).29 Das biologische Leben (nicht menschenspezifisch) war von der Polis ausgeschlossen und ebenso alle Individuen,30 wie Frauen, Kinder und Sklav_innen, welche nicht als politische Bürger angesehen wurden, sondern als Bestandteil des oîkos, der apolitischen Verwaltung des Haushalts unterlagen. Es gibt eine Distinktion zwischen Lebensform, bíos, dem qualifizierten Leben und der eigentlich biologischen, unqualifizierten und unpolitischen zōḗ. Die Gründung der città (der Stadt) wird durch den Ausschluss des biologischen Lebens vollzogen,31 ein Teil der Menschen wird zu cittadini (Bürgern), welche mit ihrer cittadinanza („Staatsbürgerschaft“) ihre politischen Rechte und Entscheidungsbefugnisse erhalten.32 In der Beziehung zwischen dem römischen souveränen Subjekt und dem homo sacer wird nun nach Agamben, eine komplexe Doppelbewegung sichtbar, in welcher das Leben als zoe aus dem Politischen ausgeschlossen wird und in welcher „künstlich“ in der Figur des homo sacer ein neues nacktes Leben produziert wird.33 Dieses blosse Leben wird durch eine spezifische Form des Banns von der juridischen Gemeinschaft „abbandonato“ (verlassen) und gleichzeitig in der Ausnahme und 24 HS 1, S.81 HS 1, S. 92 26 HS 1, S. 114 27 HS 1, S. 94 28 Siehe: HS 2, S. 103: „Das nackte Leben ist ein Produkt der Maschine und nicht etwas, das vor ihr existiert hat, so wie das Recht keinerlei Gerichtshof in der Natur oder in einem göttlichen Verstand hat.“ 29 HS 1, S.11-12 30 HS 1, S.12 31 HS 1, S. 11 (città wir in der deutschen Fassung mit „Gemeinwesen“ übersetzt), S.12, S.17 32 Zur Beziehung von Menschenrechten und Staatsbürgerschaft siehe: HS 1, S.135 33 HS 1, S.100 25 8 mit dem Band der souveränen Tötungsmacht in die Gemeinschaft eingebunden.34 Homo sacer und Souverän treffen (gleichen) sich in der Ausnahme,35 denn auch der Souverän steht als derjenige, der über den Ausnahmezustand bestimmt „zugleich ausserhalb und innerhalb der Rechtsordnung“.36 Ein wichtiger Punkt in Agambens Theorie der Souveränität und des Ausnahmezustands ist die von ihm betonte Verbindung von Souveränität, Recht und Gewalt, die darauf zurückgeht, dass die Souveränität verstanden als die Kraft, welche über die Möglichkeit der Aufhebung oder Setzung von Recht in ihrem Kern Gewalt trägt (im Sinne der mehren Kraft des Stärkeren).37 Deshalb ist „der Souverän [...] der Punkt der Ununterschiedenheit zwischen Gewalt und Recht die Schwelle, auf der Gewalt in Recht und Recht in Gewalt übergeht.“38 Agambens konstitutive Verbindung von Gewalt und Souveränität drückt sich ebenfalls am Beispiel des homo sacer aus, indem die souveräne Machtposition auf der Möglichkeit der Tötung beruht. Die Macht des Souveräns ist eine totale Macht über den homo sacer, letzterer hat jeden rechtlichen Status und jegliches Recht verloren.39 secondo tempo: andante mosso - stringendo Nach den wilden Grabungen, die Agamben vorwiegend in Homo sacer 1 vornimmt, um das ahistorische, magische Dreieck Souveränität – Ausnahmezustand und Biopolitik ans Tageslicht zu befördern, verfolgt er im ersten Teil von Ausnahmezustand, Homo sacer 2.1 eine historische Linie, in der er die Anwendung von Ausnahmeverordnungen als gängige Regierungstechnik innerhalb der westlichen Staaten seit der Moderne aufzeigt.40 Der Begriff „Ausnahmezustand“ ist der Versuch, einer Reihe von unterschiedlich benannten und juridisch schwer einzuordnenden Phänomenen innerhalb der Regierungspraktik und staatsrechtlichen Theorie vor allem innerhalb der letzten 200 Jahre seit der französischen Revolution eine 34 HS 1, S. 119, 120 Bann ist die Bezeichnung für den dem Bannherrn unterstehenden Bezirk, für dessen „zuständige Gewalt und Gerichtsbarkeit“ und für das von ihm Ausgesprochene, Gebotene, Verbotene. Siehe: Jakob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Digitale Version, erstellt durch das Kompetenzzentrum für elektronische Erschliessungs- und Publikationsverfahren Universität Trier u. Berlin- Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Berlin, URLL.: http://woerterbuchnetz.de/DWB/, Stand: 12.08.2012, Bd. 1, Sp. 1114-1115 35 HS 1, S.112 36 HS 1, S. 25 37 HS 1, S.46 38 HS 1, S. 42 39 HS 1, S. 192 40 HS 2, Kapitel 1, „Der Ausnahmezustand als Paradigma des Regierens“, S.7 - 41 9 konzeptionelle Einheit zu geben.41 Diese Phänomene gehen vom italienischen und französischen Belagerungszustand (stato d'assedio und état de siège) über das angelsächsische martial law und die emergency powers zum, in der deutschen Rechtslehre verwendeten Not- oder Ausnahmezustand.42 Agamben wählt den Begriff Ausnahme, um einerseits die schwer zu definierende Beziehung der Ausnahme zum juridischen Normensystem, welches die oben genannten Phänomene allesamt auszeichnet, begrifflich anzulegen. Andererseits stammt ein gut Teil der Benennungen aus einem militärischkriegerischen Vokabular, wie beispielsweise der Belagerungszustand, welcher aber sowohl im Französischen als auch im Italienischen mit dem nicht mehr so eindeutig kriegerischen Zusätzen „fiktiv“ oder „politisch“ versehen wurde.43 Agamben geht es in seiner Theorie des Ausnahmezustands, (wie im dritten tempo hervorgehoben wird), um den zweifelhaften Einsatz von Ausnahmeregelungen in einem breiteren politischen Spektrum, das sich eben nicht auf eigentliche Kriegssituationen beschränkt. Nach Agamben ist der Ausnahmezustand im modernen Sinn, ein Kind der französischen Revolution.44 In einem Dekret von 1791 legt die konstituierende Versammlung den Grundstein für die Ausnahmeregelungen mit der juridischen Begriffssetzung des état de siège, welche zuerst nur die Übernahme der Befehlsgewalt seitens der Militärverwaltung von Stadttoren und militärischen Objekten verordnete, später zur Ausrufung des Belagerungszustandes über ganze Städte erweitert wurde und bis zu einer Möglichkeit der Suspendierung der Verfassung im Jahr VIII der Revolution in der Verfassung selber verankert wurde (1799 unter Napoleons Regierung): „Dans le cas de révolte à main armée ou de troubles, qui menacerais la sécurité de l'état, la loi peut suspendre, dans les lieux et pour le temps qu’elle détermine, l’empire de la constitution.“45 Agamben schreibt denn auch: „Die Geschichte des Belagerungszustands ist die Geschichte seiner fortschreitenden Emanzipation von der Kriegssituation, an die er ursprünglich gebunden war, und seiner zunehmenden Inanspruchnahme als aussergewöhnliche Polizeimassnahme bei inneren Unruhen und Aufständen.“46 41 HS 2, S. 10-11 HS 2, S.10 43 Zur Definition des „fiktiven“ und des „politischen“ Ausnahmezustands siehe: HS 2, S. 11 44 HS 2, S. 18 45 HS 2, S.12, Übersetzung in Anmerkung 3, S. 105, „Im Fall eines bewaffneten Aufstands oder von Unruhen, welche die Sicherheit des Staates bedrohen, kann das Gesetz, an Orten und für einen Zeitraum, die es bestimmt, die Herrschaft der Verfassung suspendieren.“ 46 HS 2, S. 11-12 42 10 Wie in Frankreich, wo der état de siège eine Erfindung der revolutionären Constituante ist, und 1811 unter Napoleon zum état de siège fictive ou politique ausgeweitet übernommen wird,47 ist der Übergang der Anwendung des Ausnahmezustand von einem Regierungstyp zum anderen, von Demokratie zu totalitärem Staat und von linken, zu rechten Regierungen innerhalb demokratischer Staaten,48 zusammen mit dem Argument der inneren Sicherheit eine der von Agamben hervorgehobenen Charakteristiken.49 Während des ersten Weltkriegs und danach wurde der Ausnahmezustand in Europa generalisiert und ausgebaut, Deutschland war dabei kein Einzelfall.50 Vom kriegerischen Ausnahmezustand ging man in einen ökonomischen über, was zu dieser Zeit die Herausbildung von protektionistischen und staatsinterventionistischen, ökonomischen Modellen zur Folge hatte (der ökonomische Ausnahmezustand hat in den USA den New Deal hervorgebracht).51 Der italienische Staat ist seit jeher ein „politisch-juridisches Laboratorium“ für die Entwicklung von Praktiken mit denen die Gewaltenteilung umgangen und Verfügungen mit Gesetzeskraft von der Exekutive verfasst werden können.52 Diese auf Grund von theoretisch schwerdefinierbaren Dringlichkeits- oder Notstandssituationen verordneten „decreti-legge“ wurden während des faschistischen Regimes en masse produziert. Nach Beendigung des Regimes und mit der Auflage einer schnellen Ratifizierung mittels der Kammern und der Bedingung der Umwandlung des „decreto-legge“ in ein eigentliches Gesetz innert 60 Tagen, wurde diese Praxis als legales Vorgehen der Gesetzesproduktion in der Verfassung selbst verankert.53 Agamben beschreibt weiter, wie die generalisierte Anwendung des Ausnahmezustands während der Weimarer Republik und die totale Ausschaltung des Parlaments faktisch zu einer „Präsidialdiktatur“ geführt und die Machtübernahme von Hitler rechtlich erst ermöglicht hat.54 Die Internierung von Menschen in Konzentrationslagern wurde in Deutschland, nach Agamben, durch die Übernahme und drastische Erweiterung der in Preussen schon seit dem 19. Jh. existierenden und während dem ersten Weltkrieg ausgiebig angewendeten 47 HS 2, S. 11 HS 2, S. 20 49 HS 2, z. B.: S. 12, S.17, S.48 50 HS 2, S.20, S.21 51 HS 2, S. 20 52 HS 2, S. 24 53 HS 2, S. 24 - 26 54 HS 2, S. 22 48 11 „Schutzhaft“ rechtlich ermöglicht.55 Die „Schutzhaft“ wurde im Ausnahmezustand als Massnahme zur „Wahrung der inneren Sicherheit“ angewendet. Sie war von Anfang an ein Instrument, um politische Gegner und Regime-Kritiker ein zivilgerichtliches Verfahren umgehend, verfolgen zu können.56 In der Weimarer Republik existierten bereits „Konzentrationslager“ genannte Einrichtungen, in denen Dissidenten und Migranten auch jüdischen Ursprungs (viele sogenannte „Ostjuden“) interniert wurden.57 terzo tempo : prestissimo - allargando Zu Beginn von Ausnahmezustand, Homo sacer 2.1 macht Agamben auf weniger als zwei Seiten einen Übergang ohne Bruch vom dritten Reich zu den gegenwärtigen westlichen Staaten.58 Als Bindeglied dient ihm der Ausnahmezustand: „[Man kann] das dritte Reich vom juristischen Standpunkt als Ausnahmezustand betrachten […], der sich zwölf Jahre lang hinzog. So gesehen kann der moderne Totalitarismus definiert werden als die Einsetzung eines legalen Bürgerkriegs, der mittels des Ausnahmezustands die physische Eliminierung nicht nur des politischen Gegners, sondern ganzer Kategorien von Bürgern gestattet, die, aus welchen Gründen auch immer, als ins politische System nicht integrierbar betrachtet werden. Seither ist es für die Staaten der Gegenwart zu einer wesentlichen Praxis geworden, willentlich einen permanenten Ausnahmezustand zu schaffen, (wenn er auch vielleicht nicht im strikten Sinne ausgerufen wird), auch für die sogenannt demokratischen.“59 Der Regierungsstil hat sich in diesem permanenten Ausnahmezustand nach Agamben aus juristischer Perspektive merklich verändert (allerdings in einer Weise, die für die Staatsbürgerinnen kaum wahrnehmbar ist).60 Das Parlament ist nicht mehr die Quelle der Gesetzesproduktion, sondern verkümmert immer mehr zu einem Nebenschauplatz, da unter dem Vorwand der Dringlichkeit Dekrete und Erlasse direkt von der Exekutive abgefasst 55 MZ, S. 44 HS 1, S. 176, HS 2, S. 23 Zur Schutzhaft in der Weimarer Republik und im Ns-Regime, siehe auch : Wolfgang Bender: „ »Schutzhaft« – auf dem Weg in den Terrorstaat“, Rosenland, Zeitschrift für Lippische Geschichte, Online-Zeitschrift, Herausgeber: Jürgen Hartmann, Dr. Andreas Ruppert, S. 26-31, URLL: http://www.rosenland-lippe.de, Stand: 15. 08. 2012 57 Zu den Internierungen der „Ostjuden“, siehe z. B. Thomas Müller „Das Lager. Zur Aktualität einer deutschen Institution, Antisemitismus und Migration“ in: No. 516, November 2000, Hg.:AStA der Ruhr-Universität Bochum, der Vorstand der Studierendenschaft. Online-Zeitschrift, URLL: http://www.ruhr-unibochum.de/bsz/516/516lager.htm, Stand, 15. 08. 2012 58 HS 2, S. 8-9 59 HS 2, S. Ebd. 60 HS 2, S. 27 56 12 werden.61 Die Klausel „mit Gesetzeskraft“, steht hierbei für etwas, das nicht das Wesen, wohl aber die Wirkung eines Gesetzes hat.62 In Italien sind diese Praktiken weit fortgeschritten. Die Legislative ratifiziert im Schnellverfahren die „verstärkten Gesetzesentwürfe“ (disegni di legge rafforzata ad urgenza garantita) welche aus der Regierung (Exekutive) stammen.63 Die Gewaltentrennung ist nach Agamben ernsthaft in Frage gestellt und somit das Fundament und die Kultur der Demokratie selbst:64 „Technisch gesehen ist die Republik nicht mehr demokratisch sondern gouvernemental“.65 Über die Natur und Reichweite der Intervention (siehe die beeinflussten Bereiche innere und äussere Sicherheit und ökonomische Krise) der italienischen Exekutive mittels „Gesetzes-Dekreten“ steht in einer kürzlich erschienen Studie zum spezifischen Problem des „Governo »in« Parlamento“, der „Regierung »im« Parlament“66: „Das Gebiet der Intervention mittels Gesetzes-Dekreten (decreti-legge) der Regierung (Exekutive) wird immer grösser und komplexer. In den letzten Jahren wurden mit GesetzesDekreten (decreti-legge) weitläufiger Reichweite die internationalen Missionen gelenkt, es sind damit Reformen im Bereich der Justiz, der Öffentlichen Bildung und Sicherheit vorgenommen worden. Dem ist die neuere Praxis des Einsatzes des decreto-legge auf dem Gebiet der ökonomischen Politik beizufügen: es sind mehrere Vorkehrungen mit dem Objektiv, die Staatsausgaben zu kürzen, verabschiedet worden, dazu gehörten die ersten, welche den vorsommerlichen ökonomischen Manövern vorausgingen.“67 In diesem Beispiel werden zentrale Themen der nationalen und internationalen Politik genannt, wie die nationalen Massnahmen zur Eindämmung der grassierenden ökonomischen Krise, welche in einem Artikel von Rainer Hank in der Frankfurter Allgemeinen vom 12.08.2012 als 61 HS 2, S. 26 HS 2, S. 25 63 HS 2, S. 26 64 HS 2, S. 27 65 HS 2, Ebd. 66 Francesca Biondi, Stefania Leoni, „Il Governo »in« Parlamento: evoluzione storica e probelmatiche attuali.“ In: AIC, Rivista telematica juridica dell' Associazione Italiana dei Costituzionalisti, Rivista N° 1/2012, Publikation 14.03.2012, PDF auf URLL: http://www.associazionedeicostituzionalisti.it, Stand: 15.08. 2012 67 Ü. d. V. von: „In secondo luogo, le materie sui cui il Governo interviene con decreto-legge sono sempre più importanti e complesse. Negli ultimi anni, con decreti-legge di ampie dimensioni, si sono disciplinate le missioni internazionali e si sono introdotte riforme in tema di giustizia, istruzione e pubblica sicurezza. A ciò, si deve aggiungere la prassi, affermatasi di recente, di utilizzare il decreto-legge in materia di politica economica: diversi sono stati i provvedimenti approvati con l’obiettivo di razionalizzare la spesa pubblica, primi fra tutti quelli che hanno anticipato le manovre economiche prima dell’estate“ Ebd., S. 21 62 13 „Europäischen Ausnahmezustand“ bezeichnet wird.68 Wie schon erwähnt ist die Thematik der Sicherheit zentral im Bezug auf die konkreten Anwendungen von Ausnahmeregelungen. Die Bedrohung der Sicherheit dient als Hauptargument um den Ausnahmezustand auszurufen (siehe oben schon das Zitat über den état de siège). Heute, wo in den westlichen demokratischen Staaten keine eigentliche Bedrohung durch den Ausbruch eines kriegerischen Konflikts mit einem Nachbarstaat zu befürchten ist, werden im Zuge des „Krieges gegen den Terrorismus“ und mit dem Argument der „Bedrohung der inneren Sicherheit“, eine schrittweise Einführung von Ausnahmeregelungen vorgenommen, welche die Grundrechte der Staatsbürger_innen und der Individuen allgemein, mehr oder weniger drastisch einschränken. Zwei der bekanntesten und skandalösesten davon sind der amerikanische „Patriots Act“ und der „Military Commissions Act“. Ersterer betrifft unter anderem eine weitreichende Handlungsfreiheit amerikanischer, staatlicher Organe in der Einsicht von Daten und der Überwachung von Einzelpersonen und Vereinigungen, welchen die juristische Verteidigung weitgehend verwehrt bleibt, der zweite stellt seit 2006 die seit 2001 praktizierte zeitlich unbegrenzte Festhaltung ohne Anklage und Folter sogenannter „ungesetzlicher feindlicher Kombattanten“ auf eine pseudorechtliche Basis. Während die amerikanischen Geheim- und Foltergefängnisse als Skandal bezeichnet werden (an den man sich stillschweigend schon gewöhnt hat), als eine undemokratische Ausnahme, sind Sammellager für Flüchtlinge und Asylsuchende eine permanente Realität, auch innerhalb einiger westlicher, demokratischer Länder.69 So zum Beispiel in Australien, wo Asylsuchende prinzipiell festgenommen und in Lager, die von privaten Gefängnisverwaltungskonzernen geführt werden, zum Teil über Jahre hinter Gittern sitzen,70 oder in Griechenland, dem Tor zu Europa, wo das Zusammenpferchen von Flüchtlingen und die Misshandlung durch Polizeiangestellte in zu „Auffangzentren“ mit Stacheldrahtumzäunung umfunktionierten Rainer Hank, “Der Ausnahmezustand Europas” Faz.net., Artikel vom 12.08.2012, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt a. M., URL: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schuldenkrise-derausnahmezustand-europas-11852316.html, Stand: 14.09.2012 69 Vgl., Thomas Assheuer, „Rechtlos im Niemandsland“ Artikel publiziert 07.02.2002 Nr. 07, auf: ZEIT ONLINE, Die Zeit GmbH, Hamburg, Chefradakteur Wolfgang Bau, URL: http://www.zeit.de/2002/07/200207_fluechtlinge_xml, Stand: 14.09.2012 70 Axel Wagner, „Die Hölle der Flüchtlinge heisst Woomera“, In: Die Welt online, Aritkel vom 30.05.2001, URLL: www.welt.de454097, Stand: 15.08.2012 Indymedia.de, (diverse Beiträge zu Woomera: Internierungslager für Flüchtlinge, geographisch-politischer Kontext und Widerstandsaktionen in Woomera, Autorschaft unbekannt), URLL: http://de.indymedia.org/2002/04/19273.shtml, Stand: 15.08. 2012Woomera wurde 2003 geschlossen, es gibt aber noch andere Lager in Australien. 68 14 Lagergebäuden und Containern zum Alltag gehört.71Die Zustände in Pagani, auf Lesvos, dem „Kinderknast“, werden in einem Artikel der Taz von 2010 wie fort geschildert:72 „So endet die »South Eastern European Route«, dieser alarmierend dicke Pfeil auf den Observierungskarten der Europäischen Union, vor allem für Kinder in einem staubigen Gewerbegebiet nördlich von Mitilini: Pagani. In einem Lagerhaus, das einmal zum Stapeln von Waren erbaut wurde, nicht zur Unterbringung von Menschen. Wie in einem Schweinestall reiht sich Box an Box, Zelle an Zelle. Der Boden ist aus Beton, drei von vier Wänden der riesigen Halle sind fensterlos, nur die Frontseite ist offen, ein Gitter, durch das im Sommer die Sonne brennt und im Winter kalter Wind weht. Für höchstens 300 Menschen bietet die heruntergekommene Halle Platz, doch im vergangenen Sommer waren hier bis zu 1000 Menschen eingepfercht. Das Gelände ist mit Stacheldraht umzäunt. Es gibt keinen Hofgang und keinen Kontakt zur Außenwelt. Es stinkt beißend nach Exkrementen.“ In einem anderen Bericht steht, dass für 300 Häftlinge im Frauenpart nur eine Toilette zur Verfügung stand und das fast alle auf Grund der katastrophalen hygienischen Verhältnisse krank wurden, wobei ihnen keine medizinische Hilfe geleistet wurde (nur die kleinen Kinder konnten überhaupt den vollgestopften Raum verlassen, da sie zwischen den Gitterstäben, welche die Zellen vom Freien trennten durchschlüpfen konnten.73 Im Sommer 2009 errichteten noborder-Aktivist_innen ein camp in Mytilini um die eingesperrten Flüchtlinge zu unterstützen, fünf Tage zuvor gab es bereits einen Aufstand innerhalb von Pagani und diese gingen auch nach Ende des noborder camps weiter. Ausserdem konnten Gefangene ein Video über die Zustände innerhalb des Lagers drehen, welches auf you tube veröffentlicht wurde.74 Erst nach diesen hartnäckigen Protestaktionen kam eine UNHCR-Kommission zusammen mit dem stellvertretenden Minister für der damals neugewählten, sozialistischen Regierung nach Pagani und versprach, das Lager zu 71 „Folter am Tor nach Europa“ Artikel vom Juni 2010, Amensty International Sektion Schweiz, amnesty.ch, URLL.: http://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/griechenland/dok/2010/keine-rueckschaffungennach-griechenland/hintergrund-asylsituation-griechenland, Stand: 15.08.2012 72 Roland Kirbach, „Der Kinderknast von Lesbos“, DIE ZEIT online, 04.02.2010 Nr. 06, Die Zeit GmbH Hamburg, Chefredaktion Wolfgang Bau, URLL: http://www.zeit.de/2010/06/DOS-Fluechtlinge/seite-1 Stand: 08.09.2012 73 Aida Ibrahim, „Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich gut angekommen bin, Eritreische Frauen auf der Flucht im griechischen Transit“, in: Graswurzelrevolution (09.03.2010), Linksnet.de, Hg.: Linksnet e.V, Koordination Webseite: Stefan Kühn, Harry Adler, Köln, URLL: http://www.linksnet.de/de/artikel/25393, Stand: 08.09.2012, S. 2 74 Artikel über die Aufstände, Kontext des und Link zum noborder-Video „Voices From the Inside of Pagani detention Center, Lesvos, Greece“: Umbruch Bildarchiv e.V., Vorstand: T. D. Lehmann, U.v. Klinggräff, O. Ramcke, Berlin, URL:http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/lesvos_pagani09.html, Stand: 08.09.2012 15 schliessen.75 Nach einer zeitweiligen Schliessung von wenigen Wochen wurde das Lager in reduzierterer Weise, zur Festhaltung von Flüchtlingen während einiger Tage vor der Ausweisung wieder in Betrieb genommen, neuere Berichte nach 2010 lassen sich über Pagani nicht finden, doch sind die Zustände in vielen anderen provisorischen „Auffangzentren“ auch heute keineswegs besser, wie ein sechsundneunzigseitiger, aktueller Bericht über die Verhältnisse an der Grenzregion Evros zeigt.76 Die äussert schlechte Behandlung der Asylsuchenden durch die griechische Polizei geht dabei einher mit einer breitangelegten europäischen Initiative zur Militarisierung der EU-Grenzen.77 Folgt man Agambens Theorie des Ausnahmezustands, so haben die Konzentrationslager der NS-Zeit, die heutigen Foltergefängnisse für mutmassliche „Terroristen“ und Internierungslager für Flüchtlinge die gleiche juridisch-politische Struktur, sie sind die „Materialisierung des Ausnahmezustands.“78 Il campo Ein Lager ist ein ganz reales Stück Erde (Feld, Campo) mit in den Boden einbettonierten Zaunpfählen, Stacheldraht und Überwachungskameras, einer bewachten Schleuse, die Tag für Tag von Männern und Frauen passiert wird, welche sich am Morgen zu Hause vor dem Spiegel die Zähne geputzt, den Kaffe getrunken haben und dann in täglicher Routine womöglich missmutig oder heiter pfeifend zur Arbeit gefahren sind. Dieses vulgäre Stück Erde ist aber überlagert und durchtränkt von anderen Räumen, denn es ist ein geographischer Aus- oder Einschnitt in einem nationalen Territorium im Sinn eines rechtlichen Raums, von dem das Lager Teil aber auch Aus-schnitt ist.79 Der Lagerraum bildet in der Ausnahme ein „rechtliches Vakuum“,80 Die Lager sind Orte der Grenzerfahrung für die Menschen, welche sich in ihnen befinden, auch der Grenze der souveränen Macht, welche dort zur totalen Macht 75 Aida Ibrahim, siehe Fussnote 72 Katerina Tsapopoulou, Marianna Tzeferakou, Salinia Stroux, Walls of shame accounts from the inside: The detention centres of Evros, Report, publiziert im April 2012, PRO ASYL Foundation and Friends of PRO ASYL in co-operation with the Greek Council for Refugees and Infomobile/Welcome to Europe, download auf URL: www.proasyl.de, www.gcr.gr, www.infomobile.w2eu.net, Stand: 08.09.2012 77 Zur Militarisierung der humanitären Krise in Evros durch die griechische Regierung siehe: Ebd., S. 6 Zur Finanzierung der Aufrüstung der europäischen Grenzen durch die EU siehe: Matthias Monroy, „Abschiebelager in Griechenland von Eu finanziert“, veröffentlicht am 23.08. 2012 auf: Onlinemagazin Telepolis, Christian Heise (Hg.)Heise Zeitschriftenverlag, Hannover, URL: http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/37/37480/1.html 78 Katerina Tsapopoulou, Marianna Tzeferakou, Salinia Stroux, 2012, S. 30 79 HS 1, S.179 80 HS 2, S. 72 76 16 der einen über die anderen wird.81 Nach Agamben ist es kein Zufall, dass sich die grauenhaftesten Dinge innerhalb einer solchen Zone ereignen können, denn in einem rechtleeren Raum wird effektiv alles möglich,82 die Macht entfaltet sich in ihrer Virtualität. Dieser Raum ist kein Container, sondern eine Schwelle; in der eccezione (Aus-nahme) wird das Aussen hereingenommen.83 Das Lager verkörpert die biopolitische Schwelle, als ein schicksalhafter Ort der Transformation und des Übergangs, wo aus Menschen mit einem politischen Status Menschenmaterial wird, „nacktes Leben“.84 Aus diesem Jenseits des Rechts, ist es schwierig zurückzukommen oder jemanden zurückzuholen, das zeigt die Verlegenheit, in welche die amerikanische Regierung gerät, wenn es darum geht, die „Übriggebliebenen“ aus Guantánamo aus dem Niemandsland zurück in die Welt des Rechts zu manövrieren.85 Agamben stützt sich bei seiner Beschreibung des Lagers auf Carl Schmitts räumliches Verständnis des Rechts, welches sich im Begriff des nomos ausdrückt. Der nomos ist die „Einheit zwischen Ordnung und Ortung“.86 Mit dem nomos, differenziert Schmitt einen Begriff aus, dem er mit seinem Verweis auf die Antike mehr Gewicht verleihen will, der stärker sein soll als das abstrakte, vom Boden losgelöste Recht, verstanden als blosse Norm, die für ihn Ausdruk eines „verhassten [liberalen und jüdischen] Rechtspositivismus“ war.87 „Der nomos im ursprünglichen Sinn aber ist gerade die volle Unmittelbarkeit einer nicht durch Gesetze vermittelten Rechtskraft; er ist ein konstituierendes geschichtliches Ereignis, ein Akt der Legitimität, der die Legalität des blossen Rechts überhaupt erst sinnvoll macht.“88 Nach Schmitt ist die Landnahme der das europäische Völkerrecht begründende Akt; er nimmt damit Bezug auf die kolonialistische Landnahme, und auf den Imperialismus, dessen nomos sich, wie Schmitt konstatiert am Ende des zweiten Weltkriegs in der Krise befindet. „Die bisherige, europa-zentrische Ordnung des Völkerrechts geht heute unter. Mit ihr versinkt der 81 Hannah Arendt: „Die Konzentrationslager sind Laboratorien für das Experiment der totalen Herrschaft“ Hannah Arendt, „Social Science Techniques and the Study of Concentration Camps“ in: dies. Essays in Understanding, 1930-1954, edited by Jerome Kohn, New York/San Diepgo/London, 1994, S. 240, zitiert nach: HS 1, S.128 82 HS 1, S. 179 83 MZ, S.45 „Was ist ein Lager?“ (MZ S. 43 - 49) leicht abweichende Version und divergierende Übersetzung des Kapitels 7.1 „Das Lager als nomós der Moderne“ in HS 1, S. 175- 189, siehe S. 179 84 HS 1, S. 183 85 Andreas Rüesch, “Zurück in die Sackgasse” Artikel vom 16.05.2009, nzz.ch, Chefredaktion Markus Spillmann, URL: http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/zurueck-in-die-sackgasse-1.2565276, Stand: 15.09.2012 86 Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus publicum Europäum, Berlin, 1988 [1950], nach Agamben HS 1, S. 29 - 30 87 Siehe Fussnote 20: Astrid Deuber-Mankowsky, 2002, S. 4, 5 88 Carl Schmitt, 1988 [1950], S. 42 nach HS 1, S. 43 17 alte Nomos der Erde. Er war aus der märchenhaften, unerwarteten Entdeckung einer Neuen Welt hervorgegangen, aus einem unwieder-holbaren geschichtlichen Ereignis.“89 In der Einleitung zum nomos der Erde schreibt er, das heute eine Landnahme nur noch als eine Kolonialisierung des Alls möglich wäre, was er als sinnlose Phantasie ansieht.90 Zwar übernimmt Agamben Schmitts räumliches Verständnis des Rechts, für ihn betrifft aber das Zentrum der souveränen Aneignung nicht das Land, sondern das Leben. Statt aus dem Blickwinkel der Besetzung des Territoriums durch Gewalt als Begründung der Ordnung, beschreibt Agamben die gewaltbasierte Aneignung des nackten Lebens im Lager.91 Das nackte Leben muss im Gegensatz zum kolonialisierbaren Boden erst produziert werden bevor es in der Ausnahme „herausgenommen“ werden kann.92 Lager sind nach dieser Interpretation struktureller Bestandteil der heutigen, sich in der Krise befindenden europäischen Souveränität, sie sind die Produktionsstätten des nackten Lebens im Ausnahmezustand. Schwelle II Biopolitik bei Agamben und darüber hinaus: Kritik und Felderweiterung Lorey: homo sacer und konstituierende Gewalt Agambens Projekt, die Biopolitik mittels der Figur des homo sacer in die Grundstruktur der Souveränität einzugliedern ist wie Isabell Lorey zeigt, eine problematische Angelegenheit: Agamben löst den homo sacer aus seinem historischen Kontext innerhalb der Geschichte des plebeijschen Widerstands gegen die römischen Patrizier.93 Die Plebejer begeben sich, um gegen ihre rechtliche Diskriminierung vor den Römern zu protestieren ausserhalb der Stadt, man könnte nach Agamben sagen, sie begeben sich in die Ausnahme, ausserhalb des römischen nomos, mit dem sie aber in Verbindung bleiben. Die Plebejer brechen aber nicht mit dem römischen Recht, sondern versuchen es durch einen dreimaligen Auszug und anschliessende Verhandlungen zu verändern. Die Möglichkeit einer Verurteilung als homo sacer war Teil eines sich herausbildenden politischen Bündnisses 89 Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus publicum Europäum, Berlin 1974 [1950], Vorwort Ebd. 91 HS 1, S. 180 92 HS 2, S. 103, HS 1, S. 179, 93 Isabell Lorey: „Jenseits von Souveränität und Ausnahme. Der homo sacer als Funktion konstituierender Macht“, in: Daniel Loick (Hg.): Der Nomos der Moderne. Die politische Philosophie Giorgio Agambens, Reihe „Staatsverständnisse“, Baden-Baden: Nomos 2011, S. 150 90 18 zwischen Plebejern und Römern und stellte eine Art Schutz zur Verteidigung der Rechte der Plebejer dar. Zum homo sacer konnte von den plebeijschen Tribunen (welche, wie Lorey betont nicht als souverän betrachtet werden können, da sie nicht über Leben und Tod entscheiden konnten) gemacht werden,94 wer gewisse, die plebejische Allgemeinheit betreffende Rechte missachtete.95 „Die Sanktion, sacer zu werden, ist in der plebejischen Ordnung zwar jenseits der ›legalen‹ patrizischen Rechtsordnung positioniert, aber de facto nicht in der Sphäre der Rechtlosigkeit. In der selbstgesetzten Rechtsordnung der Plebejer fungiert der homo sacer als angedrohte Sanktion, um gegenüber den Patriziern politisch handlungsfähig zu werden.“96 Lorey formuliert eine zweite Kritik an Agamben am Beispiel der Plebejer: Nach Agamben fällt die konstituierende Macht praktisch mit der Souveränität zusammen,97 denn souverän ist die Kraft, welche mit Gewalt eine Ordnung setzt (und somit das vorherige Recht absetzt).98 Die konstituierende Macht und die das Recht bewahrende Macht werden fast deckungsgleich.99 Recht und Gerechtigkeit entspringen in diesem Szenario der gleichen Quelle, welche die Gewalt innehat und ausübt, was auf eine irreduzible Ambiguität dieser verschiedenen Elemente und der Souveränität selbst hindeutet.100 Wie Lorey zeigt, folgt Agamben mit seiner Gleichsetzung von konstituierender und konstituierter Macht Emmanuel Sieyès, dem Theoretiker der französischen Revolution.101 Agamben betont die Nähe von Revolution (am Beispiel von Frankreich) und Ausnahmezustand.102 In der Revolution bewegen sich, schematisiert dargestellt, die aufständischen oppositionellen Kräfte in einer Zone ausserhalb des Rechts, sie stürzen den Souverän, um selber zur souveränen Macht zu avancieren. Nach Sieyès verkörpert die „Constituante“ die Souveränität des Volkes und den konstituierenden Willen zugleich.103 Nach Lorey handelt es sich aber beim Auszug der Plebejer nicht um eine Revolution, sondern 94 Isabell Lorey: „Jenseits von Souveränität und Ausnahme. Der homo sacer als Funktion konstituierender Macht“, in: Daniel Loick (Hg.): Der Nomos der Moderne. Die politische Philosophie Giorgio Agambens, Reihe „Staatsverständnisse“, Baden-Baden; 2011, S. 157 95 Ebd., S. 155 96 Ebd., S. 159 97 HS 1, S. 44 98 Siehe HS 1, S. 52 99 HS 1, S. 52 100 HS 1, S. 41-44 101 Lorey in: Loick (Hg.), 2011, S. 160 102 HS 2, S. 8, S. 11-12, S. 17-18 103 Lorey S.160, HS, S. 52 19 um eigentliche „Ordnungskämpfe“, das heisst, um Kämpfe, welche die römische Ordnung statt sie zu stürzen, durch einen temporären Exodus und darauffolgende Verhandlungen mit den Patriziern dahingehend modifizieren, dass eine gemeinsame Ordnung geschaffen werden kann.104 Die Plebejer verkörpern eine konstituierende Kraft, welche nicht mit der Souveränität übereinstimmt, welche nicht zugleich die das Recht bewahrende Macht ist (das ist in diesem Fall der römische Senat).105 Hiermit wird ein wichtiger Vorwurf an Agamben formuliert, nämlich, dass er dem Widerstand in Form einer konstituierenden Macht, (welche nicht mit der souveränen Macht zusammenfällt) keinen Platz einräumt.106 Eine andere Linie in dieser Hinsicht schlägt Negri ein, der auf die Irreduzibilität der konstituierenden Kraft im Bezug auf die Souveränität beharrt, eine konstituierende Kraft die sich als eine Möglichkeit des Widerstandes jenseits der Souveränität bildet, als Biopotenz welche in einem antagonistischen Verhältnis zur Biomacht steht (Biomacht, welche die tendentiell repressive, expansive Seite der souveränen Macht verkörpert). Man könnte sagen, in Agambens Beschreibung des Ausnahmezustands findet man die ausführliche Beschreibung einer negativen Extremvision einer souveränen Biomacht, und wenn nicht einen völlig absenten, so doch einen atrophen Verweis auf die Existenz einer gegenläufigen Biopotenz. Biopolitik, verstanden als die Einschreibung des Lebens in die Struktur der Souveränität am Beispiel des homo sacer scheint gerade darauf zu basieren, dass ein aus dem Recht ausgestossenes oder herausgerissenes Subjekt hergestellt wird, welches, in einem Raum der Ausnahme zu einem völlig handlungsunfähigen „nackten Leben“ mutiert, während dem Souveränen Subjekt die totale Handlungsfreiheit zukommt. Agamben nimmt Bezug auf Negri, indem er dessen Vorgehen, die konstituierende Macht in eine ontologische Dimension zu übertragen positiv einschätzt,107 aber einen grundlegenden Zweifel an der Idee einer politisch verstandenen konstituierenden Gewalt hegt, welche sich jenseits der Souveränität bewegen soll: „Konstituierende Gewalt und souveräne Macht überschreiten […] beide die Ebene der Rechtsnorm (sogar diejenige der fundamentalen Norm), doch die Symmetrie dieser Überschreitung zeugt auch von einer bis zur Deckungsgleichheit reichenden Nähe.“108 104 Lorey in: Loick (Hg.), 2011, S. 151 Ebd., S. 157 106 Deuber-Mankowsky, S. 9 107 HS 1, S. 54, 55 108 HS1, S.54 105 20 Negri: Die zwei Agamben – potere costituente Wie Antonio Negri in einer Rezension von Ausnahmezustand darstellt, „gibt es in der Tat zwei Agamben. Es gibt einen, welcher sich auf einem existenziellen, schicksalshaften und schrecklichen Hintergrund aufhält und hier zu einer kontinuierlichen Gegenüberstellung mit der Idee des Todes gezwungen ist und es gibt einen anderen, welcher durch die Immersion in der philologischen Arbeit und der linguistischen Analyse den biopolitischen Horizont erobert (Stücke setzt, manövriert, konstruiert).“109 Diesen letzteren der beiden Agamben, den „deuleuzianischen“ und „spinozistischen“,110 findet man in den letzten Seiten von Ausnahmezustand, wenn Agamben plötzlich davon spricht, dass der Ausnahmezustand auch ein Feld der Möglichkeiten ist, die kriegerische „Maschine zu unterbrechen“,111 eine Zone in der zwei entgegengesetzt wirkende Kräfte wie Eisschollen aufeinanderprallen. Immer noch betont Agamben, dass diese beiden Kräfte, die entsetzende und die setzende, im Ausnahmezustand drohen sich in verhängnisvoller Weise zu vereinheitlichen, und skizziert eine Form des immanenten (Mikro-)Widerstands, welcher im täglichen und permanenten Versuch darin bestehen muss, die Trennung der beiden Kräfte anzustreben.112 Agamben sieht seine Aufgabe in Homo sacer 1 und Ausnahmezustand dementsprechend nicht in der Beschreibung einer widerständigen konstituierenden Macht. Vielmehr in der akribischen Begriffsarbeit als Trennung dessen, was nicht zusammengehört und was aber seiner Meinung nach der Ununterscheidbarkeit des Ausnahmezustandes anheim gefallen ist, in der Aufdeckung einer „Fiktion“, welche im „leeren Zentrum“ der Macht eine künstliche Bindung „zwischen Gewalt und Recht, zwischen Leben und Norm“ zum unheimlichen Gebilde der Souveränität zusammenschweisst. 113 Obwohl Agamben also die „Künstlichkeit“ in der souveränen, biopolitischen Struktur aufzeigt, gibt es nach ihm aber auch kein zurück in einen „präbiopolitischen“ Zustand, in welchem die Trennung und Differenzierungsmöglichkeiten von Natur und Kultur, Leben und Politik nach dem Vorbild 109 „Ci sono infatti due Agamben. C'è quello che si intrattiene su uno sfondo esistenziale, destinale e terrifico, e qui è costretto ad un confronto continuo con l'idea della morte; ce n'è un altro che attraverso l'immersione nel lavoro filologico e nell'analisi linguistica, conquista (mette pezzi, manovra, costruisce) l'orizzonte biopolitico.“ Antonio Negri, „Negri su »Stato di eccezione« di Agamben“, online auf: Rifondazione comunista Pescara. Sito della Federazione di Pescara. URL: http://62.149.226.72/rifondazionepescara/?p=2175 Stand: 08.09.2012, ursprünglich publiziert in: Il Manifesto, 26. Juli 2003 (Seitenzahl unbekannt) 110 Ebd. 111 HS2, S. 103 112 HS2, S. 103 113 HS2, S. 102 21 eines reinen Ursprungszustands rehabilitiert werden könnte.114 Das Politische muss unter dem Zeichen der Biopolitik und nach der Entmystifizierung (und Säkularisierung) der politischen Kategorien neu definiert werden,115 „die Begriffe von Souveränität und verfassungsgebender Gewalt [potere], die im Zentrum unserer politischen Tradition stehen, müssen deshalb aufgegeben oder zumindest von Grund auf neu gedacht werden.“116 „Verfassungsgebende Gewalt“ ist das Begriffspaar, welches in der deutschen Fassung an Stelle des im Original verwendeten potere costituente verwendet wird, welchem aber hier die Übersetzung konstituierende Macht [potere] vorgezogen wird, um den Zusammenhang zur Debatte um konstituierende und konstituierte Macht [potere] zu betonen. „Verfassungsgebend“ stellt ebenfalls eine Verkürzung des italienischen „costituente“ oder des französischen constituant dar, weil sich diese beiden Begriffe nicht nur auf die Instanz beziehen, welche eine „Costituzione/Constitution“ (Verfassung) instituieren, sondern auch auf eine (speziell im Falle Negris) sich konstituierende, sich bildende und gleichzeitig etwas konstituierende und setzende Kraft. Irritierend ist wohl, dass gerade in seinen Betrachtungen über die Biopolitik, der Politik in welcher das „Leben“ zentral ist, dieser erste (in Homo sacer 1 und 2.1) ,,dunkle“ Agamben deutlich überhand nimmt. Agamben lässt den produktiven Aspekt der Biopolitik weitgehend ausser Acht,117 oder deutet ihn im Sinn einer Produktion einer äussersten Enteignung von Leben, in welcher dem homo sacer scheinbar eine ausschliesslich passive Rolle zukommt. Produktive Macht: Foucault - Biopolitik im Liberalismus und Neoliberalismus Foucault definiert die Biopolitik als eine spezifisch in der Moderne verankerte Machtform, welche sich deutlich von der souveränen Macht abgrenzt.118 Sie charakterisiert sich nicht mehr als eine Art direkte Beziehung eines Souveräns zu eines jedem seiner ihm untergebenen Subjekte, wie sie in „Überwachen und Strafen“ an der Bestrafung in Form von öffentlicher Folter verdeutlicht wird, welche als ein nahezu privater Racheakt des 114 HS2, S.103 HS 3 = Giorgio Agamben, Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge, Frankfurt a. M., 2003, S.15, MZ, S. 107, 109, HS 2, S. 102 116 MZ, S.107 117 Thomas Lehmke, “Die politische Ökonomie des Lebens. Biopolitik und Rassismus bei Michel Foucault und Giorgio Agamben” in: Ulrich Bröckling, Benjamin Bühler, Marcus Hahn, Matthias Schöning und Manfred Weinberg (Hg.), Disziplinen des Lebens. Zwischen Anthropologie, Literatur und Politik, Tübingen, 2004, S. 266 118 Michel Foucault, 1977, S. 172-173 115 22 Souveräns am Körper seines Untertans, seiner Untertanin angesehen werden kann.119 Die Biopolitik ist vielmehr eine produktive Macht,120 welche auf das Individuum als Teil einer Bevölkerung einwirkt, einer in den kapitalistischen Produktionsprozess integrierten Biomasse, welche das Objekt von statistischen Erhebungen, staatlichen Massnahmen zum Monitoring der Gesundheit etc. ist.121 Hier wird das frevelhafte Individuum nicht gevierteilt sondern rehabilitiert, wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert. Am Anfang der biopolitischen Ära (und der Geburt des Kapitalismus) wird das Individuum in Disziplinarinstitutionen geformt, in einer späteren Phase stehen Politiken der Sicherheit, Kontrolle und Autokontrolle im Zentrum.122 Wie Judith Revel erklärt, steht der Begriff der Biopolitik bei Foucault nach »Disziplin« und »Kontrolle« chronologisch an letzter Stelle.123 Er bezeichnet einen Paradigmenwechsel, nachdem der Wechsel von Disziplin zu Kontrolle eine Änderung im historischen Gegenstand seiner Forschung darstellte, da die Massnahmen zur Kontrolle von Individuen (und der verinnerlichten Autokontrolle) nach der stärker direkt repressiven Disziplinierung entstand.124 Nach Revel existieren Disziplin und Kontrolle durchaus nebeneinander und können eng zusammenwirken, bei der Biopolitik aber handelt es sich um einen anderen Blickpunkt, in welcher eine Subjektivität angesiedelt ist, welche „die Mechanismen der Macht in Frage stellt und sie zu verändern sucht.”125 Revel knüpft damit an eine Sichtweise der Biopolitik und Biomacht an, wie sie von Negri und anderen vertreten wird, bei welchem das Vermögen zur Widerständigkeit im Zentrum steht.126 In der Sphäre der Biopolitik vermischen sich Produktion und Reproduktion, dadurch wird die Bevölkerung selbst, als lebendiges Potential Objekt einer ständigen Beobachtung, einer Produktion von Wissen und Ziel von Investitionsströmen.127 In seinen Vorlesungen von 1978/79 mit dem Titel „Die Geburt der Biopolitik“ verortet Foucault die Biopolitik 119 Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1976 Judith Revel, „Biopolitik“, in: Empire und die biopolitische Wende-Die internationale Diskussion im Anschluss an Hardt und Negri, Frankfurt a. M., 2007, S. 249 121 Isabell Lorey, „Als das Leben in die Politik eintrat. Die biopolitisch-gouvernementale Moderne, Foucault und Agamben. In: Marianne Pieper, Thomas Atzert, Serhat Karakayali, Vassilis Tsianos, Hg., Empire und die biopolitiksche Wende. Die internationale Diskussion im Anschluss an Hardt und Negri, Frankfurt a. M., 2007, S. 272, S. 273 122 Ebd. 123 Judith Revel, „Biopolitik“, 2007, S. 246 124 Ebd., S. 246-247 125 Revel, 2007, S. 247 126 Zur Dimension des Widerstands in der Biopolitik siehe ebd., S. 251 - 252 127 Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität II. Die Geburt der Biopolitik, Vorlesungen am Collège de France 1978-1979, Frankfurt a. M., 2004, S.443 120 23 innerhalb der Entwicklung liberaler und schliesslich neoliberaler Gesellschaften.128 Das Objekt seiner Forschung erfährt dann eine Verschiebung und der Begriff der Biopolitik tritt zu Gunsten der Gouvernementalität in den Hintergrund.129 Nach Philipp Sarasin und weil Foucaults Begriff der Gouvernementalität eng mit dessen Analyse der Geschichte des Liberalismus verknüpft ist, bekommt die Frage der Freiheit eine zentrale Bedeutung: „In dieser Form von Gouvernementalität [rückt] konsequenterweise die Freiheit des Individuums ins Zentrum der Problematisierung des Regierens: Wie kann regiert werden, wenn Individuen frei sind?“130 Auf diesen Aspekt der Freiheit beruft sich ein Teil der Kritik an Agamben, welche eine Lesart der Gegenwart wählt, die das freie Individuum innerhalb der westlichen, neoliberalen Gesellschaften ins Zentrum stellt, bei dem die Grenzen zwischen Zwang und Zustimmung fliessend sind.131 Nach Mezzadra (welcher dieser Auffassung kritisch gegenübersteht) gehören zu diesen Paul Rabinow und Nikolas Rose, welche zwar der Verbindung von Souveränität und Ausnahme bei Agamben zustimmen, aber die amerikanischen Foltergefängnisse und die Flüchtlingslager als archaische Residuen sähen, aus welchen die „horizontale und sanfte oder pastorale Matrix neoliberaler Gouvernementalität“ letztendlich nicht bestehen könne.132 Ein Vorwurf den Mezzadra diesen beiden Autoren macht ist, dass sie blind sind für die Aspekte der Gewalt und des Terrors, welche seiner Meinung nach alles andere als ein vernachlässigbarer Nebenschauplatz neoliberalen spätkapitalistischen Gesellschaften bilden.133 Foucault behandelt die Frage der Gewalt anhand des Rassismus, welcher einerseits die Funktion übernimmt, Zäsuren innerhalb des biologisches Kontinuums der Bevölkerung zu schaffen und andererseits die Legitimation der Tötung von Menschen in einem Staat zu erbringen, welcher ansonsten unter dem Zeichen einer lebensverwaltenden und -fördernden 128 Michel Foucault, Frankfurt a. M., 2004 (b), Michel Sennelart, „Situierung der Vorlesungen“, in: Michel Foucault, Geschichte der Gouvernementalität 1, Sicherheit, Territorium, Population, Vorlesungen am Collège de France 1977-1978, (Hg.) Michel Sennelart, Frankfurt a. M., 2004, S. 528 130 Philipp Sarasin, „Unternehmer seiner Selbst. Rezension von: Michel Foucault: Geschichte der Gouvernementalität, Bd. 1 und 2“, Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich. Permanente URL: http://www.zora.uzh.ch/47955/ , Ursprünglich publiziert in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 55(3), S. 477 131 Sandro Mezzadra, „Kräfte und Formen, Gouvernementalität und ›Bios‹ in der Zeit des globalen Kapitals“, In: (Hg.): Isabell Lorey, Roberto Nigro, Gerald Raunig, Inventionen 2 Exodus. Reale Demokratie. Immanenz. Territorium. Maßlose Differenz. Biopolitik, Zürich/Berlin, Erscheinungsdatum: 24.09.2012, (Seitenzahl kann nicht angegeben werden, da der Text noch nicht veröffentlich ist) 132 Ebd. Mezzadra bezieht sich auf: Paul Rabinow, und Nikolas Rose,: »Biopower Today«, in: BioSocieties 1, 2006, S. 195-217 133 Ebd. 129 24 und Biopolitik steht.134 Wie in Homo sacer 1 dargelegt wird, konnten sich die aus dem Liberalismus stammenden biopolitischen Erwägungen und Errungenschaften innerhalb des Naziregimes in eine andere Richtung weiterentwickeln; dazu ein von Agamben angeführtes Zitat von Verschuer: „Erst zu Beginn unseres Jahrhunderts ist man auf der Grundlage von Lehren, die deutlich vom Liberalismus geprägt sind, in Deutschland darauf gekommen, auch den Wert des Menschen in Betracht zu ziehen und zu definieren-Definitionen, welche sich damals wohlverstanden nur auf die liberalen Formen und Prinzipien stützen konnten.“135 Die nazistische Regierung brachte ihre eigenen Definitionen dieses Wertes des Menschen hervor und sah es als ihre Aufgabe, diesen medizinisch und „wissenschaftlich“ zu überwachen und zu steigern. Diese Aufgabe ging weit darüber hinaus, nur eine Gruppe der Bevölkerung zu stigmatisieren und zu vernichten, sondern sie sollte eine kontinuierliche „Säuberung“ und „Verbesserung“ des deutschen Volkes produzieren, bei der z.B. kranke Menschen ausgesondert werden sollten.136 Interessant sind hier weitere Zitate Verschuers, welche klar das Bewusstsein ausdrücken, dass die Pflege „des biologischen Körpers der Nation“ eine ökonomische und politische Frage sei:137 „Wir nähern uns immer mehr einer logischen Synthese der Biologie und der Ökonomie an.[...] die Politik wird im Stande sein müssen, diese Synthese immer enger zu führen.“138 Die Konzentrationslager waren ein Funktionsrad innerhalb dieser mörderischen, totalitären Version der Biopolitik. Der andere grosse totalitäre Staat die UDSSR, welcher ebenfalls Millionen von Opfern gefordert hat, wird viel weniger erwähnt, vielleicht weil dort die massenhafte Ermordung von Menschen über Jahrzehnte hinweg stattgefunden hat und nicht nur vorwiegend eine „einfach“ identifizierbare Bevölkerungsgruppe die Zielscheibe des Terrors war, sondern weil von der Staatsmaschinerie immer wieder neue Arten von „Feinden“ des sowjetischen Staats und der Revolution produziert wurden, wie die von Solschenizyn in Archipel Gulag 134 Michel Foucault, Zur Verteidigung der Gesellschaft, Vorlesungen am Collège de France 1975-76, Frankfurt a. M., 1999, S. 295 135 Otmar von Verschuer, „Etat de santé. Cahiers de l'Institut allemand“, publiés par Karl Epting, vol. IV, Paris: Sorlot 1942, S. 31, zitiert nach HS 1, S. 153 136 HS 1, S. 159 137 Otmar von Verschuer, „Etat de santé“, S. 51, nach Agamben, HS 1, S. 154 138 Ebd., (Verschuer, S. 48) 25 beschriebenen „Verhaftungswellen“ deutlich machen.139 Natürlich hat es auch damit zu tun, dass die russischen Staatsarchive immer noch weitgehend verschlossen sind und die Regierungen bis heute kein Interesse daran zeigen, Geschichte aufzuarbeiten. Der Archipel An der Geschichte des noch wenig erforschten sowjetischen Gulag-Lagersystems wird sichtbar, wie ökonomische Interessen, Terrorinstrumente (innere Sicherheit), und Bevölkerungspolitik verbunden sein können. Solschenizyn beschreibt in seinen literarischen Werken, wie ein russischer Häftling vom sibirischen Durchgangslager in Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch, in den ersten, den Luxus-Kreis der Hölle, zum Sondergefängnis für technische Spezialisten versetzt werden kann und von dort in die sibirische Verbannung, in den Tod oder in die weiterhin ständig bedrohte, soziale Rehabilitation.140 In den Durchgangslagern, einer der schlimmsten Formen von sowjetischen Arbeitslagern, wurden die Häftlinge nicht wie in letzter Konsequenz im NSStaat in den Gaskammern vernichtet, sondern durch Aushungerung, Erschöpfung, Erschiessen, Erschlagen in Massen getötet.141 In „Ein Tag im Leben von Iwan Denissowitsch“ sind Gestalten beschrieben, die extreme Ähnlichkeiten mit dem „Muselmann“ der NS-Lager aufweisen, der Figur, welche Agamben in Homo sacer 3, als den Inbegriff des auf sein nackten Leben reduzierten Menschen beschreibt, welcher „auf der äussersten Schwelle zwischen Leben und Tod, zwischen Menschlichem und Unmenschlichem [...] wohnt.“142 Die Überwachungsstrukturen in den sowjetischen Lagern (wie auch im KZ und vielleicht noch weitreichender) wurden weitgehend durch Mechanismen ermöglicht, in denen die Häftlinge sich selber und ihre Arbeitsleistung gegenseitig überwachten (dies wurde durch eine militärische Einteilung in Brigaden, welche in gewissen Bereichen untereinander konkurrierten und ein System der Koppelung Essensration - Arbeitsleistung erreicht.)143 Durch Rassistische und klassenrassistische Zäsuren wurde die sowjetische Bevölkerung in 139 Alexander Solschenizyn, Der Archipel Gulag, Zürich, 1975 Alexander Solschenizyn, Der Erste Kreis der Hölle, Frankfurt a. M.,1968, (a) Ders. Krebsstation 1, 2, Neuwied, 1968 (b) Ders. Matrjonas Hof, in: Alexander Solschenizyn, Zwischenfall auf dem Bahnhof Kretsschetowka, Erzählungen, München, 1973 Ders. Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch. München, 1974 141 Siehe Solschenizyn, 1974 142 Ebd. und HS 3, S. 41 143 Alexander Solschenizyn, 1974 140 26 immer neuen Verhaftungswellen in immer neue zu verfolgende, auszusondernde Bevölkerungsgruppen unterteilt. Zwangsarbeit war ein wichtiger, ökonomischer Faktor, in der Durchsetzung von Planwirtschaft und Grossbauprojekten und es kann deswegen von einem regelrechten Lager-Industriekomplex gesprochen werden.144 Oft wird die sowjetische Lagergeschichte nur vom Standpunkt der Terrorausübung und Herrschaftssicherung betrachtet, was sich als ungenügend erweist, (trotz und wegen der prekären Forschungslage und extremer Schwierigkeit des Zugangs zu historischen Quellen), weil sie die Mischung des ökonomischen Kalküls und Experiments in Zusammenhang mit den bevölkerungstechnischen Eingriffen der Parteidiktatur ausser Acht lässt.145 Die Arbeitskräfte-Lenkung war ein stetes Problem während der gesamten StalinÄra, dem Mangel an Arbeitskräften und der zu geringen Produktivität wurde mit einem, Zwangsarbeitssystem versucht beizukommen, welches seinen Vorläufer im Kriegskommunismus hatte und in welchem die Zwangsarbeitslager ein Parallelsystem zu den in der Zivilbevölkerung durchgesetzten Zwangs- und Disziplinarmassnahmen bildeten.146 Nach Steven Rosefielde kamen die Ertragserfolge während der „Tour de Force“ der sowjetischen Industrialisierung massgeblich auf Kosten menschlicher Ausbeutung zu Stande, in den Zwangsarbeitslagern des Gulag und durch die Zwangsumverteilung der arbeitenden Landbevölkerung in die Städte und nicht primär durch anderweitig angeführte Argumente wie z. B. technische Errungenschaften und dem technologischem Fortschritt allgemein.147 „Betrachtet man die Sowjetökonomie der Stalinzeit im Überblick, so zeichnet sie sich durch die Militarisierung der Ziele, durch ihren Charakter als »Kriegswirtschaft im Frieden« aus. In einem ständigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ausnahmezustand, lösten die Umwälzungen der ersten Fünfjahrespläne, Massenterror und Kriegsvorbereitungen, zweiter Weltkrieg, Wiederaufbau und eine erneute Rüstungsphase bis zu Stalins Tod einander ab.“148 144 Zu Gulag und Wirtschaft, speziell in Verbindung zu sowjetischen Grossbauprojekten siehe: Klaus Gestwa, Kapitel 6.1 „Der Lagerindustriekomplex Gulag und Zwangsarbeit.“ In: Die Stalinischen Grossbauten des Kommunismus. Sowjetische Technik- und Umweltgeschichte 1948-1967, München, 2010, S. 393 – 440 145 Ralf Stettner, »Archipel GULag«: Stalins Zwangslager - Terrorinstrument und Wirtschaftsgigant; Entstehung Organisation und Funktion des sowjetischen Lagersystems 1928-1956, Paderborn, 1996, S.27 146 Ebd., S. 95, 96 147 Steven Rosefielde, „The first great leap forward reconsidered: Lessons of Solzhenitsyn's Gulag Archipelago. In: slavic history review, Vol. 39, No. 4, 1980, S. 587 Publiziert durch: The American Association for the Advancement of Slavic Studies, permanente URL: http://www.jstor.org/stable/2496497, Stand: 08.09.2012 148 Stettner, 1996, S.95 27 Der Archipel Gulag (und das ganze Territorium der stalinschen UDSSR), ist das andere Beispiel aus dem zwanzigsten Jahrhundert, in welchem in einem totalitären Staat Millionen von Menschen zwangsumgesiedelt, deportiert und/oder getötet wurden. In diesem Beispiel zeigt sich, wie Ausnahmezustand, Kontrolle, Disziplin, biopolitische Bürokratie und Ökonomie ein Netz bilden, in welchem die Lager wie Schleusen funktionieren, durch welche die sowjetische Bevölkerung in einem Vorgang einer ständigen sozialen Umschichtung gewaltsam „hindurchgepresst“ wurden. Wie eine riesige Spinne breitete sich der Archipel der Zwangsarbeitslager über das gesamte geographische Territorium der Sowjetunion aus, ihre Opfer verschluckte sie im Gewimmel der Metropole, in den Dörfern und speite sie vielleicht irgendwann, in einem Verbanntendorf inmitten der sibirischen Weiten wieder aus, nach dem sie ihre Odyssee mit schwarzen Raben und StolypinWaggons durch die russische Lagergeographie vor langer Zeit aufgenommen hatten.149 In der Geschichte der stalinschen Ära der UDSSR zeigt sich das Ineinanderwirken der Produktion und Reproduktion eines Gesellschaftstyps mit der Einführung eines Wirtschaftsmodells und bestimmter Produktionsformen. Der Versuch, eine monokulturelle und kontrollierbare Gesellschaft herzustellen führt dabei auch (und nicht nur) über die Terrormassnahmen, welche sich im kontinuierlichen Vornehmen rassistischer und klassenrassistischer Zäsuren und der damit verbundenen Verfolgung immer wieder neuer Gruppen ausdrückt. Dieser Versuch steht in engem Zusammenhang mit den ökonomischen Aspekten und der Archipel Gulag muss in dieser Doppelfunktion gesehen werden.150 Das System der Zwangslager wird als Lager-Industrie-Komplex bezeichnet,151 das Innenministerium wurde durch seine Macht über enorme menschliche Ressourcen in den Zwangslagern zum Wirtschaftsgiganten, welchem mehr Investitionskapital zukam als bedeutenden Industrieministerien.152 Die Bevölkerung wurde als ein mobilisierbarer, biologischer Rohstoff behandelt (was auch mit der oben genannten Weiterführung der Kriegsökonomie in Zusammenhang steht).153 Diese drastischen Eingriffe seitens der 149 Der schwarze Rabe (schwarzer Personenwagen) und die Stolypin-Wagen (Bahnwaggons) waren Transportmittel mit denen die Gefangenen verschleppt und befördert wurden. Siehe Alexander Solschnizyn, Der Archipel Gulag,, Zürich, 1975, S. 463-465 Zu den verschiedenen Stadien einer solchen Odysse, siehe: Alexander Solschenizyn, 1968 (a) und (b), Ders. 1973, Ders. 1974 150 Stettner, 1996, Vorwort 151 Gestwa, 2010, S. 396 152 Ebd. 153 Zu Arbeitspolitik und Kriegsökonomie während dem 2. Weltkrieg siehe: Stettner, 1996, S.32: Es „wurden 1941 und 1943 Verordnungen erlassen, mit denen es möglich wurde, Arbeiter und Angestellte gemäss 28 Organe der Parteidiktatur wurden im Modus eines permanenten Ausnahmezustands durchgeführt. Ausgang Wie mit der Kritik von Lorey gezeigt wird, ist Agambens Versuch, die Biopolitik mittels der Figur des homo sacer in eine Souveränitätstheorie einzubinden eine problematische Vorgehensweisen. Damit scheint auch die Absicht, die Biopolitik jenseits der Moderne zu verankern in die Schieflage zu geraten. Die Unterteilung in drei tempi erlaubt es, Aspekte aus Agambens Theoriegebilde um die Biopolitik und den Ausnahmezustand herauszufiltern, welche sich zum Zweck der Betrachtung der politischen Aktualität als besonders produktiv erweisen. Dazu gehört die historische Linie, welche im zweiten und auf die Gegenwart bezogenen dritten tempo beschrieben wird und in welchen der Übergang eines kriegsbedingten Ausnahmezustands zu einem ökonomischen Ausnahmezustand von besonderem Interesse ist und die eher „schleichende“ Form der Einführung von partiellen Ausnahmezuständen oder von Ausnahmeregelungen, ihre Einwirkungen auf die Struktur der demokratischen Regierungen heute und ihre Auswirkungen auf Individuen, welche im schlimmsten Fall zu total recht- und wehrlosen Subjekten gemacht werden. Um die Dimension des Widerstands nicht zu vernachlässigen, sind im Text Isabell Lorey und Antonio Negri vertreten, welche eine Möglichkeit der konstituierenden Macht jenseits der Souveränität betonen. Der Frage der konstituierenden Macht kann aber, aus Gründen des beschränkten Umfangs dieser Arbeit nicht nachgegangen werden. Es sei nur angemerkt, dass Agambens Meinung, nach welcher die konstituierende Macht eine strukturelle Verbindung mit der Souveränität und der Gewalt aufweist vielleicht durch eine genauere Betrachtung und Unterscheidung der mehreren Bedeutungen des Begriffes der Gewalt angegangen werden könnte. Im italienischen potere sind sowohl violenza/violence als auch Vermögen enthalten. Oder es werden andere Definitionen der Souveränität beigezogen, welche die Verbindung Souveränität-Gewalt umgehen (Agamben selber erwähnt Batailles Souveräntiätsbegriff, welchen er aber anzweifelt.)154 kriegswirtschaftlicher Prioritäten zwangszuversetzten, diese dort als Mobilisierte zu binden [...] Zudem wurde eine Arbeitsdienstpflicht für die gesamte Stadtbevölkerung eingeführt.“ 154 HS 1, S. 59 29 Der Ausnahmezustand und die Ausnahmeverordnungen werden eher und entgegen Agambens Absicht, als regierungstechnische Instrumente betrachtet und nicht als Grösse, von welcher aus die gesamte Geschichte der westlichen Souveränität und vor allem der Moderne definiert werden kann. Das Gleiche gilt als Konsequenz daraus für das Lager, dessen Dimension als verräumlichter Ausnahmezustand einleuchtet, das aber deswegen nicht zwingend zu dem Ort erklärt werden muss, von welchem aus die ganze politische Gegenwart erklärt werden kann. Das soll die wichtige Debatte um „das“ Lager nicht verhindern, im Gegenteil sie nimmt hier einen bedeutenden Platz ein und die Lenkung auf ihre Aufmerksamkeit ist ein Verdienst Agambens, welchem beigestimmt wird, das die Existenz von Lagern oder lagerähnlichen Institutionen, nicht als empörender Ausrutscher in westlichen demokratischen Regierungen, nicht als böser Alptraum aus einer zurückgelassenen Vergangenheit und nicht als anachronistische Überbleibsel innerhalb anarchischer aussereuropäischer Territorien betrachtet werden können. Es ist wichtig klarzustellen, dass der Bezug und die Beschreibung verschiedener Lagertypen in verschiedenen historischen Kontexten und Momenten nicht eine Gleichsetzung dieser bedeuten. Es geht hier darum zu zeigen, dass räumlich begrenzte Zonen, innerhalb welcher Individuen tendenziell zur totalen Wehrlosigkeit verdammt sind und mit absoluter Willkür behandelt werden können offensichtlich in demokratischen wie totalitären Systemen existieren und das sie darin bestimmte Funktionen erfüllen, sie deshalb auch heute eine permanente Realität sind. Die Biopolitik ist eine Sichtweise, von welcher aus versucht werden kann, die Funktionsweise der Lager und das Warum ihrer Existenz zu beleuchten. Die Funktionsweise der Lager erklärt sich aus der Verbindung von Biopolitik und Rassismus, letzterer verstanden nach Foucault, als Instrument der Zäsur innerhalb eines biologischen Kontinuums (siehe oben). Als solche existieren sie durchaus nach dem Ende eines eigentlich nationalstaatlich strukturierten Territoriums und vor dem Hintergrund eines von Etienne Balibar beschriebenen Neorassismus weiter.155 Die Biopolitik muss in ökonomischpolitischen Termen gedacht werden und so muss das Lager in seiner Funktion als konkretem (und an ihr Extrem getriebener) Umsetzungsort rassistischer Regierungsstrategien, welche zur Unterteilung und Umschichtung eines mobilen, zu monitorierenden und zu administrierenden „Bevölkerungskörpers“ dienen. Biopolitik bedeutet die Anerkennung des ökonomischen Wertes des Lebendigen und den Versuch, ihn mit vervielfältigen regierungstechnischen 155 Siehe Etienne Balibar, „Gibt es einen Neorassismus?“ in: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg, 1990, Kapitel 1, S. 23 - 38 30 Mitteln zu beeinflussen, was ein immanent politisches Tätigkeitsfeld eröffnet. An den verschiedenen hier angeführten oder erwähnten Beispielen (Nazismus, Sowjetunion unter Stalin, neoliberale westliche Gesellschaften heute) soll deutlich werden, dass biopolitische Funktionsweisen (und als Teil von ihnen das Lager) in verschiedenen wirtschaftlichpolitischen Systemen vorkommen, dass sie transformierbar und historisch entwicklungsfähig sind. Es macht keinen Sinn, die Biopolitik heute und vor dem Hintergrund eines globalisierten Spätkapitalismus Gesellschaftstyps innerhalb und nationaler der mit Grenzen ihm oder innerhalb korrespondierenden, des westlichen vorherrschenden Subjektivierungsweisen zu betrachten. Sandro Mezzadra bemerkt dazu und im Hinblick auf die vorangehend skizzierten Theorien von Rose und Rabinow, welche die weichen, liberalen, freiheitsfördernden Regierungsweisen als typisch für die Biopolitik halten: „Mir scheint, dass etwas einfach nicht funktioniert in dieser Theorie der Gouvernementalität, die am Ende die beharrliche Rolle der Gewalt in den neoliberalen Regimes des Biopolitischen und des Bioökonomischen negiert und die Souveränität eines gegebenen Modells des Individuums (vor allem des liberalen Individuums) feiert, es zugleich aber ablehnt, die andauernde Reproduktion anderer »Lebensformen« als materielle Bedingung der Souveränität selbst zu bedenken, anderer Modelle der Subjektivität, in denen die Unterscheidung zwischen Zustimmung und Zwang weit davon entfernt ist, unsichtbar zu bleiben.“156 Der biopolitische Horizont ist keiner, unter welchem die physische und psychische Vernichtung und Gewalt gegen Menschen verschwinden, im Gegensatz dazu bilden sich darunter „lokale“ historisch spezifische Formen der Gewaltausübung aus. Das Beispiel von Griechenland ist besonders beeindruckend und erschreckend, weil heute hier die verschiedenen biopolitischen Subjektivierungsweisen, die westliche, liberale (sich dort in Degradierung befindliche), und andere Formen wie die migrantische, nomadische unter der europäischen Ausformung der globalen Wirtschaftskrise in einem sich dramatisch zuspitzenden, ökonomischen (und politischen) Ausnahmezustand aufeinanderprallen. Zum bürokratischen, versteckten Rassismus der die „Migrationsströme“ lenkenden EUInstanzen und dem schon weniger versteckten Rassismus der griechischen Regierung, gesellt sich ein offen gewalttätiger populistischer Rassismus. Alle drei visieren dabei die gleichen Opfer: die rechtsextremen Gruppierungen machen Menschenjagd auf Migrant_innen in den 156 Mezzadra, siehe Fussnote 129 31 Strassen von Athen, die Polizei lässt sie gewähren oder imitiert sie, wie im Grossaufgebot Anfang August, bei dem innert zwei Tagen allein in Athen 1100 Menschen festgenommen wurden.157 Der immer grösser werdende Einfluss der rechtsextremen Partei „goldene Morgenröte“ liess die Regierung im April ein Tag vor den Wahlen das erste offizielle „Internierungslager“ für Migrant_innen eröffnen.158 Die EU, welche massgeblich mit der Einführung des Dublin II Abkommens an der humanitären Katastrophe verantwortlich ist kritisiert die Zustände, investiert weiter tüchtig in die Militarisierung der Grenzen und spendet 250 Millionen extra zur Eröffnung von 30 weiteren Lagern.159 Agambens Lektüre der Moderne vom Extrempunkt her,160 und sein Beharren auf die negativen Aspekte der Biopolitik zeigen sich insofern produktiv, dass sie eine Debatte um die Frage der Gewalt in einem biopolitischen Rahmen dezidiert in Angriff nehmen, und mit ihrem zwar monodimensionalen Fokus auf das rechtliche Subjekt eine andere Sichtweise einbringen, welche andere Beschreibungen von biopolitischen Subjektivierungsformen, wie zum Beispiel die des neoliberalen, unternehmerischen Subjekts ergänzt. Das soll nicht heissen, dass diese negative Seite kein Potential des Widerstands innehat, das zeigen die Aufstände, im australischen Flüchtlingslager Woomera,161 im griechischen Pagani im Sommer 2009,162 in welchen beide Male die Protestrufe von innerhalb der Mauern in einem vielstimmigen Echo von jenseits des Stacheldrahts zurückgeworfen wurden. 157 „Migranteninvasion in Griechenlang unerwünscht“ Artikel vom 06.08.2012, veröffentlicht auf news.ch, Hg.: Pietro Stinelli, Till Bannwart, Vadiant.net AG, St. Gallen, Quelle: sda, URL: http://www.news.ch/Migranten+Invasion+in+Griechenland+unerwuenscht/552251/detail.htm, Stand: 08.09.2012 158 „Griechenland eröffnet Internierungslager“ Artikel vom 30.04.2012, veröffentlicht auf news.ch, Quelle: sda URL:http://www.news.ch/Griechenland+eroeffnet+Internierungslager/539914/detail.htm, Stand 08.09.2012 159 „Griechenland will Haft als Quarantäne Massnahme deklarieren“ Artikel vom 10.04.2012, Quelle: proasyl.de, Förderverein Pro Asyl, e.V., Frankfurt a. M. URL: http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/griechenland_will_haft_als_quarantaenemassnahme_deklarieren/, Stand: 08.09.2012 160 Deuber-Mankowsky, 2002, S. 1-2 161 „Grenzcamp und Aktionstage auf Woomera“, Artikel publiziert am 03.04.2002 auf Indymedia, URL: http://de.indymedia.org/2002/04/19273.shtml, Stand: 09.09.2012 162 Marily Stroux (? Autor_in unsicher) „Der Kanpf der Flüchlinge um Freiheit/AZADI-Lesvos 2009“ Quelle: Umbruch Bildarchiv e. V., Berlin, URL: http://www.umbruchbildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/lesvos_pagani09.html, Stand 09.09.2012 32 Abbildung I: Woomera detention center, Australien, Quelle unbekannt, publiziert auflndymedia.org, 03.04.2002, URL: http://de.indymedia.org/2002/04/19273.shtml, Stand: 09.09.2012 Abbildung 2: Pagani, Griechenland, Quelle: "Lotte Ri", URL: http ://schwarzemilch.wordpress.com/tag/lesvos/, Stand: 09.09.2012 Bibliographie: Giorgio Agamben, HS 1= Homo sacer, Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. M., 2002 Ders.: HS 2 = Ausnahmezustand. (Homo sacer II. I), Frankfurt a. M., 2004 Ders.: HS 3 = Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge, Frankfurt a. M., 2003 Ders.: MZ = Mittel ohne Zweck. Noten zur Politik, Freiburg / Berlin, 2001 Etienne Balibar, „Gibt es einen Neorassismus?“ in: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg, 1990, Kapitel 1, S. 23 - 38 Wolfgang Bender: „ »Schutzhaft« – auf dem Weg in den Terrorstaat“, Rosenland, Zeitschrift für Lippische Geschichte, Online-Zeitschrift, Herausgeber: Jürgen Hartmann, Dr. Andreas Ruppert, S. 26-31, URLL: http://www.rosenland-lippe.de, Stand: 15. 08. 2012 Francesca Biondi, Stefania Leoni, „Il Governo »in« Parlamento: evoluzione storica e probelmatiche attuali.“ In: AIC, Rivista telematica juridica dell' Associazione Italiana dei Costituzionalisti, Rivista N° 1/2012, Publikation 14.03.2012, PDF auf URLL: http://www.associazionedeicostituzionalisti.it, Stand: 15.08. 2012 Astrid Deuber-Mankowsky, „Homo sacer, das blosse Leben und das Lager, Anmerkungen zu einem erneuten Versuch einer Kritik der Gewalt“, veröffentlicht auf xcult.org, Art director: Reinhard Storz, URL: http://www.xcult.org/ xc editor/, Stand: 11. 08. 2012. Dieser Text wurde zuerst in der Zeitschrift Die Philosophin 25/ 02 veröffentlicht, S.95-115 Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1976 Ders., Geschichte der Sexualität 1, Der Wille zum Wissen, Kapitel V: „Recht über den Tod und Macht zum Leben“, Frankfurt a. M., 1987 Ders., Zur Verteidigung der Gesellschaft, Vorlesungen am Collège de France 1975-76, 33 Frankfurt a. M, 1999 Ders., Geschichte der Gouvernementalität II. Die Geburt der Biopolitik, Vorlesungen am Collège de France 1978-1979, Frankfurt a. M., 2004 Klaus Gestwa, Die Stalinischen Grossbauten des Kommunismus. Sowjetische Technik- und Umweltgeschichte 1948-1967, München, 2010 Stephan Günzel „Spacial turn – topographical turn – topological turn. Über die Unterschiede zwischen Raumparadigmen“, in: J. Döring und T. Thielmann, (Hg.), Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld: [2. 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Ramcke, Berlin, URL: http://www.umbruchbildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/lesvos_pagani09.html, Stand: 08.09.2012, direkte URL: http://www.youtube.com/watch?v=lP2yT6EjBXo&feature=player_embedded, hochgeladen auf youtube.com am 20.08.2009, durch noborderlesvos, Griechenland, Stand: 08.09.2012 Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Woomera detention center, Australien, Quelle unbekannt, publiziert auf Indymedia.uk, 17.06.2004, URL: http://oxford.indymedia.org.uk/2004/06/293540.html, Stand: 09.09.2012 Abbildung 2: Pagani, Griechenland, Quelle: “Lotte Ri”, URL: http://schwarzemilch.wordpress.com/tag/lesvos/, Stand: 09.09.2012 39