PresseinformationMAGRITTE
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PresseinformationMAGRITTE
Inhalt der Pressemappe Ausstellungsdaten Pressetext Saaltexte Künstlerbiografie Künstlerbiografie Programm Kunstvermittlung Programm Freunde der Albertina Ausstellungsdaten Pressekonferenz 8. November 2011, 10 Uhr Eröffnung 8. November 2011, 18.30 Uhr Dauer 9. November 2011 – 26. Februar 2012 Ausstellungsort Kahn Galleries Kuratoren Christoph Grunenberg (Tate Liverpool), Darren Pih (Tate Liverpool) Gisela Fischer (Albertina) Werke 150 Gemälde und Zeichnungen, 117 Werke aus anderen Medien (Plakat, Film, Skulptur, Bücher usw.) Katalog Magritte. A bis Z. Herausgeber: Christoph Grunenberg, Darren Pih Redaktion: Gisela Fischer Mit Beiträgen von Patricia Allmer, Manchester Metropolitan University, Xavier Canonne, Musée de la Photographie, Charleroi, Krzysztof Fijalkowski, Norwich University College of the Arts, Gisela Fischer, Albertina, Wien, Christoph Grunenberg, Tate Liverpool, Neil Matheson, University of Westminster, Darren Pih, Tate Liverpool, Ian Walker, University of Wales, Newport und John C. Welchman, University of California, San Diego. Albertina, Wien 2011. Erhältlich im Shop der Albertina sowie unter www.albertina.at um 29 Euro. Kontakt Albertinaplatz 1, 1010 Wien T +43 (01) 534 83 – 0 info@albertina.at www.albertina.at Öffnungszeiten Täglich 10-18 Uhr, Mittwoch 10-21 Uhr Vortrag Magritte or Surrealism between Paris and Brussels Dr. Michel Draguet, Direktor der Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique 16. November 2011, 15 Uhr In englischer Sprache Anmeldung unter www.viennaartweek.at erforderlich Presse Partner der Albertina Mag. Verena Dahlitz (Leitung) T +43 (01) 534 83 - 510 , M +43 (0)699.121 78 720, v.dahlitz@albertina.at Mag. Barbara Simsa T +43 (01) 534 83 - 511 , M +43 (0)699.109 81743, b.simsa@albertina.at Sarah Wulbrandt T +43 (01) 534 83 - 511 , M +43 (0)699.121 787 31, s.wulbrandt@albertina.at Sponsor der Ausstellung Medienpartner Magritte 9. November 2011 – 26. Februar 2012 Gegen Ende des Jahres 2011 wartet die Albertina mit einem Ausstellungshighlight auf: René Magritte, einer der bekanntesten und beliebtesten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, wird umfassend gewürdigt. Rund 250 Exponate aus aller Welt und aus allen Stadien seiner künstlerischen Laufbahn werden gezeigt, darunter 150 bedeutende Gemälde und Papierarbeiten des belgischen Surrealisten. Über 90 Leihgeber tragen mit einer Reihe bedeutender Hauptwerke zu dieser großen Retrospektive bei. Arbeiten wie Der bedrohte Mörder, Der heimliche Spieler, Die gigantischen Tage, Die durchbohrte Zeit, Die ewige Evidenz, Golconda oder Das Reich der Lichter präsentieren René Magritte als einen der Hauptvertreter des Surrealismus. Neben Dalí ist er zweifelsohne der auffälligste und eingängigste. Seine Werke sind jedoch nicht nur populär, sondern besitzen auch einen großen intellektuellen Reiz sowie eine bis heute faszinierende geheimnisvolle Rätselhaftigkeit. Magritte ist in erster Linie ein Ideenmaler, ein Maler von sichtbaren Gedanken und weniger von Materiellem. Seine antimodernistische Gegenständlichkeit, die der Avantgarde gegenübersteht, hat die Kunstgeschichte nicht formal, dafür umso mehr motivisch bereichert. In seinem geradezu antiformalistischen Œuvre geht er mit der Welt der Erscheinungen provozierend und verwirrend frei um. Die Gegenstände, die er malt, sind allesamt deutlich erkennbar und entstammen dem Banalen und Alltäglichen. Indem Magritte sie jedoch nach seiner poetischen Logik präsentiert, nach einer Ordnung, die sie in ein ganz neues Licht setzt und mit einer gänzlich neuen Kraft ausstattet, gerät ihre Bedeutung ins Wanken. Die Lesbarkeit der Motive kollidiert mit der Rätselhaftigkeit ihrer Kombination: Magritte führt zusammen, was nicht zusammen gehört. Wahrnehmung und Sehgewohnheiten des Betrachters werden von diesem Künstler als stillschweigend akzeptierte Übereinkünfte und Konventionen entlarvt, wenn er durch die Darstellung unerklärlicher Metamorphosen, durch die Verkehrung der Welt, die Transformation von Größenverhältnissen oder surrealen Gegenüberstellungen die Kausalität unseres Weltverständnisses auf den Kopf stellt. Innen- und Außenraum stehen in trügerischer Beziehung zueinander, Tag und Nacht kollidieren, Gegenstände und menschliche Körper verschmelzen, und je klarer wir jeden Gegenstand erkennen, umso rätselhafter wird das Mysterium der Wirklichkeit. Magrittes Bilder sind von einer bedrückenden Atmosphäre erfüllt, einer kalten und emotionslosen Ästhetik des Dargestellten. Die Räume seiner Bilder sind von einer bürgerlichen Aufgeräumtheit und altmodischer Sauberkeit bestimmt – ein völlig unspektakuläres Ambiente, das doch jeden Moment zum Tatort werden kann. In seinem umfassenden Œuvre, bestehend aus Gemälden, Papierarbeiten, Objekten, Fotografien und Kurzfilmen, greift Magritte auf eine begrenzte Anzahl sorgfältig gewählter Motive zurück, die er wiederholt, und in immer neuen Kombinationen zu komplexen surrealen Bildwelten zusammenfügt. Der grüne Apfel, die Pfeife, der Mann mit Melone, das Ei, der Felsen, der Vorhang, das Meer – einige Elemente beschäftigen Magritte immer wieder. Sie sind das Kontinuierliche in seinem Schaffen und sind zum Markenzeichen des Künstlers avanciert. Magrittes einzigartiger Sprachwitz, der in fast all seinen Werken zum Ausdruck kommt, ist legendär. Zeichen und Bezeichnetes spielt er gegeneinander aus. Die Auseinandersetzung mit Sprache und unserem Sprachgebrauch nimmt bei ihm einen besonderen Stellenwert ein. Geprägt von den philosophischen Theorien vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Frage nach der Übereinstimmung unserer Wahrnehmung, ihrer verbalen Beschreibung und der tatsächlichen Erscheinung der Wirklichkeit, sucht Magritte in seinen Bildern nach Entsprechungen der Idee, ihrem Abbild und ihrer realen Existenz, wie in seiner berühmten Bildidee „Ceci n’est pas une pipe“. Mit seiner Malerei beeinflusste Magritte die abstrakten künstlerischen Tendenzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenso wie die Konzeptkunst und Pop Art der 60er Jahre bis hin zum analytischen Denken der Gegenwartskunst. Mit dem Zusatz seiner frühen gebrauchsgrafischen Arbeiten, den fotografischen Experimenten sowie den späten bizarr-skurrilen Kurzfilmen gibt die Ausstellung in der Albertina Aspekte und Werkphasen von Magrittes Schaffen und entwirft zum ersten Mal ein umfassendes Bild von der Komplexität seiner surrealistischen Methode und der gleichzeitigen Kontinuität wiederholter Motivgruppen. In 13 Kapiteln folgt die Ausstellung der chronologischen und inhaltlichen Entwicklung seiner Kunst: beginnend mit den vom Film und dem Collage-Prinzip inspirierten klassisch surrealistischen Bildern der 20er und 30er Jahre, über Experimente wie eine Renoir-Periode und Période vache der Nachkriegszeit, bis hin zu seinem Spätwerk mit den geheimnisvollen Tag-und-Nacht-Bildern der berühmten Serie Das Reich der Lichter sowie den „anonymen Porträts“ Melone tragender Männer. Der große belgische Surrealist ist nicht zum ersten Mal mit seinen Werken zu Gast in Wien. Der gedankliche Reichtum und das allgegenwärtige Geheimnis in seinen Werken fordern es jedoch geradezu heraus, sein Schaffen stets aufs Neue zu durchleuchten, bisher vernachlässigte Aspekte zu entdecken und so den Blick auf sein Werk und unsere Wirklichkeit zu schärfen. Großzügige Leihgaben aus den bedeutendsten Museen moderner Kunst ermöglichen dies, darunter die Königlichen Museen in Brüssel (Magritte Museum), The Menil Collection, Houston, The Art Institute of Chicago, das San Francisco Museum of Modern Art, das Metropolitan Museum of Art, New York, das Museum of Modern Art, New York, das Utsunomiya Museum of Art, Japan, die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, das Kunsthaus Zürich und das Museo ThyssenBornemisza, Madrid sowie wertvolle Privatsammlungen aus aller Welt. Mit dem Gemälde Das verzauberte Reich (1953) besitzt die Albertina selbst ein Hauptwerk aus der Spätphase des Künstlers. Die Retrospektive René Magritte ist Teil eines aktuellen Schwerpunkts zur surrealistischen Kunst, den die Albertina 2008 mit der Ausstellung zu Max Ernsts Une semaine de bonté eingeleitet hat und mit der für 2013 geplanten Max-Ernst-Retrospektive oder der ab Ende November laufenden Präsentation surrealistischer Druckgrafik aus der New Yorker Sammlung Gilbert und Lena Kaplan fortsetzt. Eine Ausstellung der Tate Liverpool in Kooperation mit der Albertina. Saaltexte DER MAGISCHE SPIEGEL „Ein merkwürdiges Zusammentreffen von Dingen kann für einen Menschen zu einer Offenbarung werden: zur Gewissheit, dass es Tatsachen gibt, die wir nicht sehen können.“ René Magritte Magritte sucht systematisch nach einem „überwältigenden poetischen Effekt“, der das Mysterium der Welt offenbart. 1925 begegnet er dem Schriftsteller und Philosophen Paul Nougé, der ab 1926 die „Belgischen Surrealisten“ anführt. In den folgenden Jahren stützt Magritte seine Recherchen auf Nougés Erkenntnis, „... dass bestimmte Gegenstände, die für sich alleine eines außergewöhnlichen emotionalen Sinns beraubt sind, in der Verfremdung genau diesen Sinn bewahren.“ So erweitert Magritte seine Methode, das Erlebnis des Schocks durch die Gegenüberstellung von Gegensätzen hervorzurufen, aber auch durch die überraschende Begegnung von Gleichem. Eine unheimliche Stimmung erzeugt etwa die Verdoppelung einer Person im Porträt Paul Nougés. Das Motiv des Doppelgängers stößt im Surrealismus auf großes Interesse. In der Psychologie entspricht es dem Bewusstwerden von Verdrängtem, ebenso wie in der Pathologie der gespaltene Persönlichkeit. Bilder wie Der Geist des Genies oder Überraschungen am Meeresstrand hingegen lassen durch das Innere einer Figur schauen: Symbolfigur der Auflösung der Persönlichkeit. Magrittes Auseinandersetzung mit der Identität des Menschen reicht von der Anonymität des gesichtslosen Phantoms (am eindringlichsten repräsentiert durch die Figur des Kriminellen Fantômas) über die Begegnung mit dem eigenen Spiegelbild und die zur Puppe erstarrte Figur bis hin zu Körpern, die als Torso zum identitätslosen Objekt werden. „GEMALTE COLLAGEN“ „Magritte studiert keine Gegenstände, er verwendet sie. Er stellt sie nicht vor, er benutzt sie als Vorstellung.“ Louis Scutenaire Zwischen 1925 und 1927 fertigt Magritte unter dem Eindruck der Collagen von Max Ernst rund dreißig papiers collés mit Ausschnitten aus Zeitungen und Notenheften. Die Darstellung der Wirklichkeit aus „vorgefundenem Material“ ist eine bevorzugte „Methode“ der Surrealisten zum Arbeiten aus der freien Assoziation heraus. 1913/14 deklariert Marcel Duchamp mit seinen Ready-mades zum ersten Mal Gegenstände des Alltags zum Kunstobjekt. Im Versuch, alles Traditionelle hinter sich zu lassen, wird die Kunst von herkömmlichen Materialien wie Pinsel und Farbe befreit: Collagen, Fotomontagen und Objéts trouvés schaffen neue Bildrealitäten von vieldeutiger Aussagekraft. Durch Fragmentierung, Gegenüberstellung und die Überlagerung von Objekten schafft Magritte in seinem malerischen Œuvre Kompositionen, die Max Ernst als „handgemalte Collagen“ bezeichnete. Vor seinem Umzug nach Paris im Oktober 1927 tauchen in Magrittes Bildern gigantische schwebende Scherenschnitte in bühnenartigen Szenerien auf. Zugleich versieht er diese Bilder mit irritierenden Trompe-l’œil Effekten. WÖRTER & BILDER „Es gibt wenig Beziehungen zwischen einem Gegenstand und dem Bild, das ihn darstellt.“ René Magritte Von 1928 bis 1930 verkehrt Magritte in Paris im Kreise der Surrealisten um André Breton, Salvador Dalí, Max Ernst und Joan Miró. Unter dem Einfluss ihrer gattungsüberschreitenden Kunst und der Verknüpfung von Malerei und Dichtung malt er rund vierzig Sprach-Bilder, in denen er die Beziehung zwischen einem realen Gegenstand sowie seinem Abbild und dessen sprachlicher Bezeichnung untersucht. Magritte hinterfragt die herkömmliche Vorstellung, die den realistisch gemalten Gegenstand mit der Sache selbst gleichsetzt: Jedes Abbild ist nur eine Abstraktion der Wirklichkeit. Es ist ebenso ein Zeichen wie Worte und Begriffe nur Zeichen sind und nicht die Sache selbst. So ersetzt er die bildliche Repräsentation eines Gegenstandes durch biomorphe Formen und durch bloße Begriffe wie “Menschlicher Körper“, „Frau“ oder „Spiegel“. 1929 entwickelt Magritte seine berühmte Bildidee Der Verrat der Bilder: Ceci n’est pas une pipe (Dies ist keine Pfeife) : diese Pfeife, so realistisch sie auch gemalt ist, kann man nicht rauchen. Welche inhaltliche Verbindung besteht also überhaupt zwischen dem realen Objekt und seiner bildlicher Darstellung? Damit geht Magritte weit über die um 1900 von Maurice Denis formulierte Einsicht, dass ein Bild ein Bild ist, und kein Schlachtross oder Stuhl. Magritte übt mit seinen gemalten sprachphilosophischen Reflexionen über den Widerspruch zwischen Bild und Wort einen großen Einfluss auf die Konzeptkunst der 60er und 70er Jahre aus, von Marcel Broodthaers bis Josef Kossuth. 1929 erscheint auch Magrittes Traktat Les Mots et les images (Wörter und Bilder), der das Verhältnis von Wort und Bild erläutert. So wie unser Sprachgebrauch die Bedeutung der Worte verändert, setzt die Alltagssprache unserer Vorstellungskraft unbewusst Grenzen. Magritte untergräbt bewusst die konventionellen Beziehungen zwischen Wörtern, Bildern und Objekten. In Der Schlüssel der Träume setzt er unter das Abbild eines Objekts eine „falsche“ Bezeichnung. In Bild-Text-Kombinationen wie Hut/Schnee, Glas/Sturm oder Schuh/Mond sucht er nach neuen Verknüpfungen zwischen Bild und Text und entlarvt unsere Bezeichnungen als bloße Übereinkünfte. COLLAGEN & ZEICHNUNGEN 19251925-1962 „Schere und Klebstoff, Illustrationen und Genie haben Pinsel und Farben, das Modell, den Stil und die höhere Eingebung der Künstler ersetzt.“ René Magritte Dieser Raum vereint Arbeiten, die Magritte zur Findung seiner Bildideen dienten: Collagen, Zeichnungen, Briefe und Postkarten. Nachdem sich Magritte erstmals in seiner frühen surrealistischen Phase intensiv mit der Collage auseinandergesetzt hat, kehrt er 1959 noch einmal zu ihr zurück. Im Vortrag La Ligne de vie (1938) schreibt er unter dem Eindruck der Collagen von Max Ernst „... dass man leicht auf all das verzichten kann, was der traditionellen Malerei Ansehen verleiht.“ Die Technik der Collage lässt Bildwelten erschaffen, die den schmalen Grat zwischen der Realität einer Fotografie oder Illustration und der freien Erfindung einer Bildidee erkunden. Das surrealistische Konzept der Zeichnung als automatischen und unbewussten Akt weist Magritte zurück. Die Erkennbarkeit der Motive, deren realistische Darstellung und die erzählerischen Züge in Magrittes Bildern werden im zweiten surrealistischen Manifest Bretons (1929) gleichrangig mit der automatischen, unkontrollierten Zeichnung (écriture automatique) behandelt. „Ich kann nicht malen, bevor ich das Bild nicht vollständig in meinem Kopf habe.“ Auch in seinen Briefen an Freunde, Kollegen, Denker und Sammler skizziert Magritte neue Bildideen, Kurzgeschichten oder Filmskripts und diskutiert mögliche Titel für seine Werke. Die Sammlung von Postkarten bezeugt sein Interesse an reproduzierbaren Werken. Immer wieder eignet er sich für seine Werke vorhandene Bilder an: Abbildungen aus Enzyklopädien, Roman- und Comicbüchern sowie Fotos und Filme. DER BEDROHTE MÖRDER „Fantômas verlangt von den anderen mehr als von sich selbst. Er ist niemals ganz unsichtbar. Man kann sein Gesicht durch seine Maske hindurch sehen. Seine Bewegungen sind die eines Automaten, er räumt Möbel oder Wände beiseite, die ihm im Wege stehn.“ René Magritte, 1928 Magrittes Faszination für Kriminalgeschichten wie für die zwischen 1911 und 1913 erschienene Romanserie „Fantômas“, geht mit dem Interesse der Surrealisten an psychischen Abgründen sowie an allem, was der bürgerlichen Ordnung widerspricht, einher: das Verbrechen wird als anarchistischer Akt gesehen, das Handeln des Kriminellen als frei von Normen und Zwängen gefeiert. Fantômas ist skrupelloser Krimineller und zugleich Gentleman: ein Phantom, dessen durchtriebener Einfallsreichtum seine Gegner vor unlösbare Rätsel stellt. Als Meister der Verkleidung schlüpft er in verschiedene Identitäten. Das Verbrechen begeht er allein aus Lust an der Übertretung von Gesetzen. Am deutlichsten zeigt sich Magrittes Interesse an Fantômas im Rückgriff auf die ersten Buchumschläge. Als typisches Repertoire der Kriminalliteratur finden auch die leblosen Körper, vor Schreck erstarrte Blicke und Posen sowie verhüllte oder maskierte Gesichter Eingang in seine Werke. 1913/14 adaptiert Louis Feuillade die Romanvorlage fürs Kino. Magritte, der schon als Kind vom Film fasziniert ist, übernimmt für die Komposition seines Gemäldes Der bedrohte Mörder (1927) eine Einstellung aus dem Stummfilm Le Mort qui tue. In einer ebenso spannungsreichen wie völlig erstarrten Szene hält er das Erzählerische aufrecht. Selbst die blasse Leiche stört nicht die magische, traumartige Ruhe. Die Begeisterung für die Möglichkeiten des Films teilt Magritte mit den Surrealisten: In der Illusion des Realen und dem Nebeneinander von Alltäglichem und Fantastischen verbindet sich die Logik des Films mit der Logik des Traumes. EIN GEFÜHL VON WIRKLICHKEIT Nachdem Magritte für sich die Unmöglichkeit erkennt, das Mysterium der Wirklichkeit zu erfassen, wendet er sich dem Sichtbaren zu: „Ich beschloss, die Gegenstände ganz veristisch zu malen, denn meine Forschungen konnten sich nur unter dieser Bedingung entwickeln.“ Er malt realistisch, verzichtet auf malerischen Ausdruck und konstruiert traditionelle perspektivische Kompositionen, um seine absurden Bildfindungen auf eine scheinbar objektive Ebene zu heben. Die Verhüllung und Enthüllung von Verborgenem ist ein wiederkehrendes Leitmotiv in seinem Werk. Vorhänge, Bildrahmen, Fensteröffnungen oder Staffeleien sind Elemente, mit denen er seine „Bild-im-Bild“-Werke inszeniert. Seine Idee vom „unsichtbaren Sichtbaren“ und vom Bild als „sichtbar gemachtes Denken“ bilden die Grundlage solcher Werke. „Wir sind umgeben von Vorhängen“, schreibt Magritte. Wir nehmen die Welt nur hinter einem Schleier des Scheins wahr. Zugleich bedarf ein Gegenstand der Verschleierung, um überhaupt erkannt zu werden. Magritte malt Wolken, die sich über fremde Objekte wie eine Fahne oder die Totenmaske Napoleons legen. Er malt Bilder als Fenster oder setzt Leinwände als Ausblick in die Realität ins Bild. Durch diese Überlagerung von Innen und Außen, von Wirklichkeit und Illusion hinterfragt er unser Konzept der Wirklichkeit und stimmt in die jahrhundertealte Debatte um die Vorstellung vom Bild als Fenster zur Wirklichkeit ein. In Werken wie So lebt der Mensch widmet sich der Künstler diesem Problem, indem er einen Teil des gemalten Bildes – den Blick durchs Fenster – durch eine Staffelei verbirgt und diesen verborgenen Teil gleichzeitig im Gemälde auf der Staffelei darstellt: „So sehen wir die Welt. Wir sehen sie außerhalb unserer selbst und haben dennoch eine Vorstellung von ihr allein in uns.“ DIE ZERSTÜCKELTE FRAU „Der Mensch ist eine sichtbare Erscheinung, so wie eine Wolke, wie ein Baum, wie ein Haus, wie alles, was wir sehen. Ich räume ihm keinen Vorrang in einer Hierarchie der Dinge dieser Welt ein.“ René Magritte In den 1930er-Jahren malt Magritte Bilder von zerstückelten Körpern und Körperfragmenten. Indem er den menschlichen Körper auf die dingliche Objektebene hebt, thematisiert er die Frage nach der Wirklichkeit des Bildes, nach dem Verhältnis von Realität und bildlicher Repräsentation. In seinen geformten Leinwänden (toiles découpés) gewinnt die Bildwelt plötzlich eine eigene Realität als Objekt. Der Surrealismus betrieb einen Kult um das Objekt. Die Versetzung von Fragmenten der Wirklichkeit in ein neues Milieu regt die Fantasie und unser Unterbewusstsein an. Im Zusammenführen von scheinbar Unvereinbarem zu einer neuen überraschenden Einheit offenbart sich für Magritte die absolute Wirklichkeit. Vor allem anhand der Frau als Symbol des Ursprungs der Welt üben die Surrealisten ihre Verformungs- und Verzerrungsfantasien. Eine obsessive Faszination für den weiblichen Körper zieht sich auch durch Magrittes Schaffen. Im Gegensatz zur männlichen Gestalt, die stets bekleidet und wohlsituiert auftritt, zeigt er die Frau meist nackt: als puppenartige Figur oder fragmentiert. Wie der Apfel in seinen Bildern nur ein sinnentleertes Modell ist, wird die Figur zum Stellvertreter des menschlichen Individuums. Beliebig austausch- und kombinierbar spiegelt sie die Vielseitigkeit der Erscheinungsformen der Wirklichkeit. In Bildern wie Die philosophische Lampe oder Das rote Modell experimentiert Magritte mit der Metamorphose, der Verwandlung eines Gegenstands in einen anderen: „Ich habe ein neues den Dingen innewohnendes Potenzial gefunden - ihre Fähigkeit, allmählich zu etwas anderem zu werden. Das scheint mir etwas ganz anderes zu sein als ein zusammengesetztes Objekt, zumal es keine Bruchstelle zwischen den beiden Stofflichkeiten gibt.“ Mit der Methode der fließenden Transformation will Magritte Antwort auf die Frage finden, was unser Dasein formt und was ihm Bedeutung gibt. „ANGEWANDTE KUNST ODER: DER ZUGANG ZUM BROTERWERB“ Wie viele Studenten und junge Künstler verdient Magritte seinen Lebensunterhalt mit kommerziellen Auftragsarbeiten. 1921 entwirft er ornamentale Muster für eine Tapetenfabrik. „Ich ertrage die Fabrik ebenso schlecht wie die Kaserne.“, schreibt er später“. „Nach einem Jahr als Angestellter habe ich aufgegeben und für meinen Unterhalt gesorgt, indem ich blödsinnige Arbeiten ausführte: Werbeplakate und -zeichnungen.“ Er entwirft Annoncen für ein Modehaus, Umschläge für Partituren, die im Musikverlag seines Bruders erscheinen. Er entwirft Bühnenbilder fürs Theater. Nach seiner Rückkehr aus Paris gründet Magritte 1931 mit seinem Bruder das Studio Dongo, eine Zwei-Mann-Werkstatt, die Schaufensterdekorationen, Reklameschriften, Fotomontagen und Werbetexte realisiert. Obwohl er mehr als 50 Jahre (1918-1966) für die Werbung arbeitet, steht er seiner gebrauchsgrafischen Arbeit stets zwiespältig gegenüber. Seine Entwürfe für Filmplakate und Propaganda für die kommunistische Partei, für Mode, Zigaretten und Parfüm basieren wie seine Gemälde auf der Neuanordnung „realer“ Objekte und integrieren bereits ab 1926 Motive wie den Vorhang, Fächer, Baluster oder die Schelle. DER SURREALISMUS IN PRALLER SONNE „Ich überlasse andern die Aufgabe, Unruhe zu stiften, zu terrorisieren und alles durcheinanderzubringen.“ René Magritte Während des Zweiten Weltkriegs wandelt sich Magrittes Stil radikal. Ab 1943 malt er plötzlich impressionistische Bilder in grellen Farben. Er wählt gefällige Sujets wie Badende, Frauenakte und Blumenstillleben nach Rubens und Renoir. Im Gegensatz zu seiner keineswegs gewaltfreien frühen Bildsprache feiert er nun voller Ironie „die schöne Seite des Lebens“ und „die Freude der Augen und des Geistes“. Magritte entwirft seine Sonnenperiode als subversive Reaktion auf die Tendenz des Pariser Surrealismus zu einer verdunkelten, „magisch-esoterischen Ideologie“. In seinem hedonistisch gefärbten Traktat Der Surrealismus in praller Sonne (1946) plädiert er für die „Herrschaft der Lust“. Diese bewusste Abgrenzung von den Pariser Surrealisten markiert eine tiefe Krise zwischen Breton und Magritte mit heftigen polemischen Auseinandersetzungen. In der Pariser Ausstellung Le Surréalisme en 1947 verdammt Breton Magrittes Konzept eines neuen Surrealismus und verbannt seine Werke in einen Raum mit dem Titel „Surrealisten, die keine mehr sind.“ Magritte wird endgültig aus dem Kreise der Surrealisten ausgeschlossen. PÉRIODE VACHE „Die Période Vache vereint Werke von einer funkelnden Freiheit: In ihnen vermischt sich Flegelhaftigkeit mit Esprit, Empörung mit Verblüffung, Gewalt mit Zärtlichkeit, Weisheit mit Jux.“ Louis Scutenaire 1948 erhält Magritte seine erste, lang ersehnte Einzelausstellung in Paris, dem Zentrum der Kunstwelt und des Surrealismus. Enttäuscht durch die verspätete Anerkennung und entfremdet von Breton nutzt er die Ausstellung als Rache am elitären Intellektualismus der Pariser Kunstszene. In nur fünf Wochen malt er 39 Bilder und schockiert erneut mit einem radikalen Stil der Geschmacklosigkeit, seine Période Vache: wild gemalte Werke, inspiriert von der Populärkultur, von Comics und Karikaturen, die in krassem Widerspruch zu seinen wohl durchdachten, reflektierten Bildideen stehen. Die grobe Malerei und die schrille, den „guten Geschmack“ beleidigende Farbwahl entsprechen den provozierenden, obszönen, kitschigen und grotesken Sujets. Indem er seine eigene künstlerische Identität, die zivilisierten Regeln des Kunstbetriebs und die Gültigkeit ästhetischer Normen in Frage stellt, reagiert er auf die reaktionäre Haltung der erstarrten surrealistischen Bewegung Bretons. Für das Pariser Publikum, für viele Freunde und vor allem für die Breton-Gruppe war dieses Experiment ein Affront. Sie verstanden nicht, dass Magritte damit eine durch und durch surrealistische Aktion der Blasphemie inszeniert hat. DIE WAHRHEIT DER BILDER „Wäre ich nur ein Fotoapparat, würde das Mysterium nicht evoziert.“ René Magritte Magritte hat rätselhafte Situationen nicht nur gemalt, sondern auch zur Grundlage seiner Fotografien und Kurzfilme gemacht. Seit den 1920er-Jahren fotografiert er. Während viele Fotografien Schnappschüsse und Aufnahmen absurd-surrealer Aktivitäten sind oder die Dokumentation seines Alltags Lebens, geben andere Fotografien Einblick in seinen Schaffensprozess. Oft weisen sie eine direkte Beziehung zu seiner Malerei auf, wenn er Fotos entweder als Vorlage für seine Gemälde verwendet oder nach seiner Malerei inszeniert. Obwohl sich Magritte der Fotografie lebenslang widmet, steht er dem Medium kritisch gegenüber. Der Objektivität, in der sich die abgelichteten Gegenstände präsentieren, steht für ihn die fehlende Fantasie als Manko gegenüber. Die Fotografie war für ihn vor allem eine Methode zum Experimentieren. Trotzdem vermitteln seine Amateuraufnahmen den Eindruck „inszenierter Momentfotografie“, mit den typischen Charakteristika seines malerischen Schaffens: seltsame Aktionen, die ungewöhnliche Begegnung von disparaten Objekten und das Spiel mit Ent- und Verhüllung. Zwischen 1956 und 1960 dreht Magritte 40 Kurzfilme, in denen er mit seinen Freunden und seiner Frau auftritt. Schon als Kind war Magritte vom Film begeistert, insbesondere von den SlaptstickKomödien von Stan Laurel & Oliver Hardy oder Charlie Chaplin. Seine Amateurfilme folgen diesem Genre im abrupten Abbruch von Handlungen, im Sinn für bizarren Humor und das Unerwartete, sowie in der Inszenierung absurder Albernheiten. DAS REICH DER LICHTER „Ich finde, dass diese Gleichzeitigkeit von Tag und Nacht die Kraft hat, zu überraschen und zu bezaubern. Ich nenne diese Kraft Poesie.“ René Magritte Nach den experimentellen Episoden seines Schaffens kehrt Magritte zu seinen bewährten Methoden und seiner früheren Malweise zurück. Von 1949 bis in die späten 1960er Jahre malt Magritte die Serie L’Empire luminaire (Das Reich der Lichter). Während die Bilder in Format und Größe variieren, bleibt das Thema stets dasselbe: ein blauer Wolkenhimmel im Tageslicht liegt über einer Häuserfront im nächtlichen Dunkel, erhellt nur vom Licht einer Straßenlaterne. Diese Vereinigung von Gegensätzen, das System thematischer Paradoxie, läßt Tag und Nacht ohne gemeinsamen Nenner auf unerklärliche Weise zusammenstoßen. DIE STIMME DES MYSTERIUMS „Das Surreale ist nichts als die Realität, die noch nicht von ihrem Mysterium getrennt worden ist.“ René Magritte Das „Mysterium“ ist die zentrale Kategorie, auf die Magrittes Bildfindungen zielen. Anders als die Pariser Surrealisten setzt er dieses Unerkennbare nicht mit dem Unbewussten gleich: „Das Mysterium ist keine Möglichkeit des Realen. Das Mysterium ist das, was unbedingt notwendig ist, damit es überhaupt Reales gibt.“ Aus diesem Grund werden Alltagsobjekte in ungewohnte Zusammenhänge gebracht. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner der verschiedenen Dinge, die auf einer gemeinsamen Bühne zusammentreffen. Nach Kriegsende will Magritte keine Rätsel mehr lösen, sondern malt Zustände, die uns die Welt neu erleben lassen. In den 1950er-Jahren werden seine Bilder zunehmend monumentaler: die Verkehrung von Maßstäben, die Überdimensionierung von Objekten in einem engen Raum oder die Versteinerung von Szenerien sind ihr Thema. Magritte setzt Raumverhältnisse und die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft, indem er Steine und Äpfel gigantisch vergrößert oder sie schweben lässt. In seinen Schriften und Vorträgen plädiert Magritte für die Freiheit des Denkens, unkontrolliertes Denken, unabhängig von Gewohnheiten und Erfahrungen. Er fordert unvoreingenommene Sehen, das frei von Reflexion und Interpretation absichtslos nur auf Betrachtete gerichtet ist. Die Bilder von versteinerten Lebe- und Fabelwesen, von Stillleben ein das das und Landschaften spielen mit der Idee der Metamorphose. Die Verwandlung ist hier bereits abgeschlossen. Es ist der bildliche Ausdruck vom „Stillstand des Denkens“, den Magritte anstrebt: „Man kann über das Mysterium nicht sprechen, man muss von ihm ergriffen sein.“ SICHTBARE POESIE „Die Gleichgültigkeit der Steine ist zweifellos dieselbe wie die Gleichgültigkeit des Nichts.“ René Magritte In den 1950er und 60er Jahren lässt Magritte Steine schwerelos schweben. Die Schwere des Steines ist mit seiner Leichtigkeit im Bild logisch unvereinbar. Magritte nimmt sich die Freiheit, über die Erscheinung der Welt zu verfügen und ihr eine Logik zuweisen, die den Naturgesetzen und unserer Wahrnehmung widerspricht. Mit diesem Abweichen von der sichtbaren Realität dringt er ins Reich der Surrealität vor. Magritte unterscheidet zwischen dem Traum als sous-réalité und seiner Malerei, die durch Poesie in die Surrealität übergeht. Seine Bilder sind „selbstgewollte Träume“, die nichts Vages haben. “BÜRGERLICHKEIT ALS CAMOUFLAGE“ „Ich für meinen Teil finde mich damit ab, eine eher glanzlose Existenz bis zum Ende durchzuziehen.“ René Magritte Die Tendenz zur Auflösung und Dekonstruktion, zu Abstraktion und Anonymität hat Magritte von Anfang an in seinem Werk entwickelt. In seinen Figurenbildern der 1960er-Jahre lebt sie noch einmal deutlich auf. Mit dem geheimnisvollen Mann im schwarzen Anzug und mit Melone greift er auf einen Protagonisten seiner frühen Werke zurück. Die späten „Bowler-Hat-Porträts“ versteht er als „anonyme Selbstporträts mit Melone“. Magritte lebte im Zwiespalt zwischen seinem anarchistischen Ich und seiner äußerlich angepassten Erscheinung. Dem Wunsch nach Aufmerksamkeit, die er als Künstler durch die Störung der gewohnten Ordnung erzielt, steht sein bürgerliches öffentliches Auftreten gegenüber. Mit Anzug und Melone kostümierte er sich bewusst als „Einer unter Vielen“. Damit wird er zum Vorreiter von Gilbert und George und deren strenger Selbstinszenierung als englische Konformisten. Zusammen mit dem immer wieder betonten Desinteresse an seiner Herkunft und Vergangenheit und dem Zurückweisen von allem charakterlich Prägenden findet diese Haltung in seiner Kunst eine Entsprechung in der Sinnentleerung von Objekten sowie der kalten Emotionslosigkeit seiner Malerei. In seinen sogenannten „fehlenden Porträts“ (portraits manqués) erweitert Magritte das Konzept der Anonymität durch Rückenfiguren und das Verdecken oder Ersetzen von Gesichtern und Köpfen durch banale Gegenstände. Magritte standardisiert seine Figuren zu Objekten: ohne Individualität, von einer unnahbaren Distanziertheit und ohne Bezug zur Umgebung. Geisterhaft sind sie in mysteriösen Bildwelten gefangen. Solche Werke leben vom Doppelsinn zwischen dem Verlorensein im Dasein der Wirklichkeit und der Auflösung des Ichs. BIOGRAFIE RENÉ MAGRITTE 1898 - 1967 18981898-1924: Kindheit – Jugend – Künstlerische Anfänge René Magritte wird am 21. November 1898 im belgischen Lessines geboren. Seine Mutter ist Modistin, sein Vater Textilhändler und Schneider. Nach dem Selbstmord der Mutter im Jahr 1912- sie stürzt sich nachts von einer Brücke in den Fluss wachsen Magritte und seine beiden jüngeren Brüder in der Obhut von Gouvernanten heran. Die Erinnerung an den Anblick der toten Mutter mit dem über das Gesicht gezogenen Tuch kehrt in Magrittes Werk in den immer wiederkehrenden verhüllten Köpfen wieder. Mit 17 Jahren inskribiert Magritte an der Königlichen Akademie in Brüssel. Seinen Lebensunterhalt verdient er anfangs als Entwurfszeichner in einer Tapetenfabrik, später als Werbegrafiker; erst ab den 1950er-Jahren kann er von seiner Kunst leben. 1922 heiratet Magritte Georgette Berger (1901-1986), die in einer Brüsseler Kunsthandlung Malerutensilien und Bilder verkauft. Die Begegnung mit dem Werk Giorgio de Chiricos wird für Magritte zur Offenbarung und ebnet ihm den Weg zum Surrealismus. 19241924-1930: Magritte und der Surrealismus in Paris und Brüssel 1924 veröffentlicht André Breton das Erste surrealistische Manifest, in dem der unkontrollierte Bewusstseinsstrom durch die Methode des Automatischen Schreibens (écriture automatique) zur Grundlage aller surrealistischen Kunst erklärt wird. Im Zweiten surrealistischen Manifest, 1929, räumt Breton den Paradoxien des Traums, dem rätselhaften Realismus unerklärlicher Bildwelten sowie dem Erzählerischen einen prominenten Platz ein. Dieses Programm rückt die Kunst Magrittes, Dalís und Max Ernsts in den Vordergrund. 1927 stellt Magritte zum ersten Mal alleine aus. In kurzer Zeit malt er 280 Bilder, ein Viertel seines gesamten Schaffens, darunter so große und bedeutende Gemälde wie Der bedrohte Mörder und Der geheime Spieler. Im selben Jahr übersiedeln Magritte und seine Frau nach Paris. In Paris findet Magritte Anschluss an die französischen Surrealisten um Jean Arp, Luis Buñuel, Salvador Dalí und Joan Míro. Magritte malt seine ersten Sprachbilder. Sein bedeutender Text Die Wörter und die Bilder wird in der Zeitschrift der Pariser Surrealisten La Révolution surréaliste abgedruckt. Nach einem Zerwürfnis mit Breton, der das Kreuz an der Halskette Georgettes kritisiert, kehren Magritte und seine Frau 1930 nach Brüssel zurück. Der Künstler distanziert sich von der Gruppe um Breton. Erst 1933 versöhnt er sich wieder mit den Pariser Surrealisten. 19301930-1954: Erste Erfolge, Flucht und Neubeginn Nach der deutschen Invasion in Belgien flieht Magritte für drei Monate in den Süden Frankreichs nach Carcassonne. Aus Mangel an Leinwänden malt er zum ersten Mal auf Flaschen. Nach Kriegsende schockieren die belgischen Surrealisten mit blasphemischen und antipatriotischen Publikationen. Magritte illustriert Bücher, die seelische, sexuelle und moralische Abgründe zum Thema haben. Auf der Internationalen Surrealismus-Ausstellung in Paris 1947 verdammt Breton Magrittes neues, antiästhetisches Konzept, in dem dieser Slapstick und Pornografie, religiöse Blasphemie und Kitsch, bewusst schlechte Malerei und Comic vereint. Diese Werkgruppe, im Grunde eine surrealistische Aktion, bezeichnet er selbst als Periode Vache: die ordinäre Phase seines Schaffens. Magritte wird endgültig aus dem Kreise der Surrealisten ausgeschlossen. Der Durchbruch zum Erfolg: 1954 bis 1967 Bereits 1936 erhielt Magritte seine erste Einzelausstellung in New York. Der eigentliche Siegeszug Magrittes in den USA beginnt jedoch erst mit den Ausstellungen ab 1954. In den folgenden Jahren finden in den USA zahlreiche Retrospektiven des Künstlers statt. Magritte dreht viele kurze Experimentalfilme und surrealistische home movies. 1965 verschlechtert sich Magrittes Gesundheitszustand. In den letzten Jahren seines Lebens führt der Künstler einen regen Gedankenaustausch mit dem französischen Philosophen Michel Foucault. Die Diskussionen veranlassen Foucault zu seinem Essay Ceci n’est pas une pipe. Am 15. August 1967 stirbt Magritte im Alter von 68 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. KUNSTVERMITTLUNG Ab 5 Jahren Apfel, flieg In Magrittes Bildern ist das Unmögliche möglich geworden: Felsen fliegen, Apfel und Trinkglas sind so groß wie ein ganzes Zimmer, und ein Zug rast aus dem Kamin. In dem spielbasierten Ausstellungsrundgang erforschen die SchülerInnen die rätselhafte Welt René Magrittes. Sie erfahren, wie der Künstler lebte und welche Erinnerungen er auf seinen Bildern verewigte. Im halbstündigen Workshop fertigen die SchülerInnen eine surrealistische Collage an. In der einstündigen Atelierarbeit wird eine „Magritte“-Figur gestaltet. Ab 10 Jahren Der MagritteMagritte-Code René Magritte zählt zu den bedeutendsten Künstlern des Surrealismus. In seinen Bildern finden sich vertraute Gegenstände aus dem Alltag, die allerdings so kombiniert werden, wie sie in der Realität niemals vorkommen. Die dialogische Führung basiert auf drei Themen: Biografie des Künstlers, (Be-)Deutung von Träumen und Surrealismus. Wir gehen auch der Frage nach, inwiefern die Bildschöpfungen Magrittes für die Lebenswelt der SchülerInnen heute Gültigkeit haben. Im halbstündigen Workshop entwerfen die SchülerInnen eine surrealistische Komposition in einer kombinierten Collage-Abpaus-Technik. Im Zuge des einstündigen Workshops wird diese ausgearbeitet. Ab 15 Jahren Das reale Unterbewusstsein Im Mittelpunkt des gesprächsorientierten Ausstellungsrundgangs für SchülerInnen der Oberstufe stehen das Phänomen des Surrealismus und Sigmund Freuds Psychoanalyse und Traumdeutung. Alle SchülerInnen bekommen ein Handout mit den wichtigsten Daten und Fakten rund um Ausstellung und Künstler. Im anschließenden 30- Minuten Kreativ-Workshop inszenieren die SchülerInnen als Gruppenarbeit mit unterschiedlichen Requisiten eine surrealistische Szene. Im einstündigen Workshop arbeiten mehrere Kleingruppen parallel ebenfalls an einem surrealistischen Tableau. Die Ergebnisse der Workshops werden als Fotos auf unserer Website veröffentlicht*) und stellen sich einem Onlinevoting der SchülerInnen. *) Dafür benötigen wir die Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten. Die Fotos von und mit den Kindern/Jugendlichen werden von der Albertina ausschließlich im Rahmen dieses Projekts oder in Publikationen/Werbemedien der Albertina verwendet. Die Bildrechte bleiben im Besitz der Albertina. Freunde sehen mehr – ab € 50,50,Freunde der Albertina genießen 365 Tage ab Kauf einer Mitgliedschaft zahlreiche Vorteile und unterstützen das Museum darin, weiterhin einzigartige Ausstellungen zu konzipieren und die Sammlung zu erweitern. Überblick der Vorteile der Freunde der Albertina: - Unbeschränkt freier Eintritt, 365 Tage ab Kauf Exklusive Vorbesichtigungstage bereits vor Eröffnung Kein Anstellen an der Kassa, direkter Zutritt zu den Ausstellungen Morgenöffnungen der Ausstellungen vor den regulären Öffnungszeiten des Museums Führungen, Veranstaltungen Ermäßigungen im Albertina Shop,* ermäßigte Audioguides Vorkaufsrecht der jährlich aufgelegten exklusiven ALBERTINA EDITION Studierende** sind bereits ab € 15,- (Semesterkarte) dabei! Informationen und Verkauf am Infostand der Albertina, während der Öffnungszeiten des Museums T +43 (0)1 534 83-555 Kontakt Mag. Alice Trenkwalder T +43 (0)1 534 83-561 membership@albertina.at www.albertina.at/freunde * gilt nicht für preisgebundene Bücher ** für Studierende bis 27 Jahre, mit gültigem Studentenausweis