ausgabe/issue #3 - I JUST MADE THIS

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ausgabe/issue #3 - I JUST MADE THIS
AUSGABE/ISSUE #3
TONER
PIC: BARRY LEWIS aus 24 Stunden Ruhrgebiet - Das Fotoereigniss
TXT: WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU Donnerstag, 16.02.04, Nr. 40
4 TONER #3
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PIC: FREDERIC VESTER Crashtest Mobilität - Die Zukunft des Verkehrs
TXT: MARSHALL MCLUHAN / QUENTIN FIORE Das Medium ist Massage
6 TONER #3
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PIC1: EDUARD AUGUSTIN, PHILIPP VON KREISENBERG, CHRISTIAN ZASCHKE Fussball unser
PIC2: BODO HARENBERG (Hrsg.) Rihrgebiet - die Menschen und ihre Region
8 TONER #4
I’m a tank. 9
TXT: SUSANNE STRÖSE, OSKAR GRISSEMANN Das Bastelbuch für unsere Soldaten
PIC 1: VEB LANDKARTENVERLAG BERLIN, DDR Mittlerer Thüringer Wald
PIC 2-8: ASS ALTENBURGER Tanks
PIC 9-11: HERDER
Lexikon der Biologie
PIC 12: DIE GROSSE BERTELMANN LEXIKOTHEK Band 1, Vierfüßer
PIC 13: JOYCE POPE Das große Lexikon der Säugetiere
PIC: 14: www.informatik2003.de/ grussworte/grussworte.htm
Sägt euch von einer Vierkantleiste, 3 cm im Quadrat, 10 cm ab. Die oberen Kanten werden flach abgeschrägt, die unteren abgerundet. Von
einem Besenstiel werden sechs 5 mm starke Scheiben abgesägt, durchbohrt und an den Klotz geschraubt. Oben wird ein abgerundetes
Klötzchen aufgeleimt, in das ein oder zwei dünne Rundstäbe als Maschienengewehre eingeleimt sind. Aus Wellpappe schneidet man sich
5 mm breite Streifen und klebt sie um die Räder herum. Der Tank kann auch mit einem Tarnanstrich versehen werden.
Bayern und Rheinländer
Wer durch Deutschland fährt, dem wird auffallen, daß zwei große Städte dieses Landes sich in vielem ähnlich sind, obwohl sie weit voneinander entfernt liegen, nämlich München und Köln. Frauenkirche und Dom,
Fasching und Karneval, Gaudi und Jeckerei; fast alles, was im Leben der einen Stadt eine Rolle spielt, findet
in der anderen sein Gegenstück, die Abneigung ihrer Bewohner gegen jede Art von Überanstrengung nicht
ausgenommen. Und diese Ähnlichkeiten beherrschen durchweg auch die Landschaften, deren Mittelpunkte
München und Köln bilden: Bayern und das Rheinland, zugleich die Gebiete, die sich am stärksten vom übrigen Deutschland abheben. Es lag darum nahe, einmal festzustellen, was denn nun das Besondere im Wesen
dieser beiden Landschaften sei, auf welche Art sich Bayern und Rheinländer von den übrigen Deutschen
unterscheiden, worin sie aber auch untereinander verschieden sind. Denn über all den Ähnlichkeiten wird
niemand die Gegensätze übersehen, die zwischen diesen Gebieten und ihren Bewohnern bestehen.
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PIC: HARRO HIERONIMUS Der Wellensittich
Ein Beitrag zur Wesenskunde zweier Stämme
von Anton Schwind
Auszüge
Bayrisches Wesen und bayrisches Leben lassen sich nur dann verstehen, wenn man als ihre Wurzel eine rein körperliche Gegebenheit erkennt, die vom Leiblichen aus durch alle anderen Bereiche
hindurchwirkt: die Kraft. Diese bayrische Kraft nun — und darin
liegt das Entscheidende für die besondere Gestaltung des bayrischen Stammeslebens — drängt nach außen. Und nur so ist der
unbändige Drang des Bayern zum Raufen, ist seine Freude am
Fingerhakeln und die besondere Form seines Tanzes, vor allem der
Schuhplattler, zu verstehen, bei dem sich dieser Kraftüberschuß
im Aufklatschen der Handflächen und Aufschlagen der Genagelten
höchst augen- und ohrenfällig ausdrückt. Aber auch die bayrische
Musik gibt in ihrer Taktierung und Instrumentierung Zeugnis von
dieser drängenden Kraft und nicht minder die bayrische Mundart,
in der Betonung sowohl wie der Wortwahl; denn sie räumt dem
Beißkorb den Vorrang ein vor dem Maulkorb, spricht vom Hackstock statt vom Holzblock und davon, daß das Wetter sich aufreißt
oder gar aufreißerisch ist, statt daß es, wie man im Hochdeutschen sagt, sich aufhellt.
Noch stärker aber tritt diese Kraft zutage in der Formenbildung
und Wortschöpfung, worin überall etwas Zugreifendes, Anpackendes, Prägendes zu spüren ist. Aus all diesen Wortprägungen und
-bildungen spricht die gleiche drängende Kraft, die überall im bayrischen Leben am Werk ist, und sie ist es ja auch, die in das
Wesen dieses Stammes neben den Hang zur Geruhsamkeit und
die Abneigung gegen alle Störungen des Friedens, die Kampffreude hineinbringt.
Deren Hauptausdruck aber ist das Raufen, das im bayrischen
Humor von jeher eine bevorzugte Rolle gespielt hat. Es ist das
Thema unzähliger Geschichten, Gedichte, Witze und lustigen
Zeichnungen und wird in der Häufigkeit des Vorkommens nur noch
vom Bier überboten.
In neuerer Zeit beobachtet man mehr und mehr, wie das
Raufen in Bayern an Bedeutung verliert. Der Grund dafür liegt aber
nicht etwa darin, daß der Kraftdrang der Bayern nachgelassen
hätte: er hat sich nur in der Zwischenzeit einem anderen Betätigungsfeld zugewandt: dem Sport, und bezeichnenderweise ganz
bestimmten Sportarten: Skifahren, Fußball und Motorradrennen,
solchen also, „wo es zu kämpfen gilt, wo es wild auf und schnell
dahin geht, wo die Härte den Ausschlag gibt und jeder weiß, daß
etwas Richtiges dabei herausschaut.“
Als glückliche Ergänzung zu seinem Kraftdrang hat die Natur
dem Bayern eine auffallende Robustheit mitgegeben, die ihn
gegen schmerzhafte Einwirkungen von außen — besonders durch
Maßkrüge und Stuhlbeine — weitgehend unempfindlich macht.
Geruhsamkeit: Dieses Wort könnte man über ganz Bayern
schreiben; denn gegen nichts hat der Bayer — von den Preußen
abgesehen — eine so starke Abneigung wie gegen Hast und
Überstürzung, und die Preußen sind ihm ja nicht zuletzt deshalb so
zuwider, weil sie das Sich-Zeit-Lassen nicht kennen.
So ist es nur zu verständlich, daß in diesem Land die Uhr keine
große Rolle spielt, und wirklich tritt im Bild der bayrischen Städte
die Straßenuhr auffallend zurück. Daran hat bei München nicht
einmal die Entwicklung zur Millionenstadt etwas ändern können.
Der, dem es auf die Minute ankommt, ist in Bayern von vomherein
verdächtig.
Diese Beschaulichkeit, die übrigens auch durch psychotechnische Messungen in Zahlen festgehalten worden ist und die zweifellos im Leiblichen wurzelt, gipfelt in der besonderen Einstellung
des Bayern zum Leben. „Da kannst nix macha !“ ist nur allzu oft
seine Antwort auf die großen und keinen Widrigkeiten des Daseins. Sie berechtigt uns, vom bayrischen Fatalismus zu sprechen,
einem Zug, ohne den sich so vieles im Wesen und Leben dieses
Stammes, vor allem auch in seiner Geschichte, nicht verstehen
läßt.
In enger Beziehung zu seiner Geruhsamkeit stellt die geringe
Beweglichkeit des Bayern, seine Neigung zur Beharrung und zum
Verharren, seine Abneigung gegen jede Änderung des Gewohnten.
„Die völkischen und staatlichen Grenzen des altbairischen
Stammes sind durch zwölfhundert Jahre im wesentlichen die gleichen geblieben. In dieser Tatsache liegt der Keim zu jeglicher
Aussage über bayrisches Wesen, gleichviel in welchem Bereiche.“
So grundlegend erscheint dem großen Stammeskundler Nadler
dieser Zug der Veränderungsunlust, daß er seinen Abschnitt über
die Bayern mit den obigen Worten einleitet, und Feldhütter meint,
das Beharrungsvermögen der Altbayern werde auch von Friesen
und Niedersachsen nicht überboten. Die bayrische Geschichte und
Kulturgeschichte geben ihm an vielen Stellen recht: Bauernhöfe,
auf denen schon seit vier Jahrhunderten dieselbe Familie sitzt,
sind in Altbayern nichts Ungewöhnliches, ja, es ist nach allem,
was wir in dieser Hinsicht beobachten können, durchaus denkbar
— auch wenn dies die Aufzeichnungen nicht mehr nachweisen —
, daß dieser Zeitraum in manchen Fällen ein ganzes Jahrtausend
oder noch mehr umfaßt. Nirgends aber auf deutschem Boden hat
sich so viel Vorchristlich—Heidnisches im Brauchtum erhalten wie
im bayrischen Raum, wo selbst in der Gegenwart noch Truden
und Perchten lebendig sind. In einem bayrischen Haus hat jeder
Bewohner seinen Löffel und seine Tasse und auf dem Land, teilweise sogar in der Stadt, gehört zu jedem Wochentag eine bestimmte Speise. Ein Stamm, der so ungern vom einmal Gewohnten, vom Altüberkommenen abweicht, muß allen Veränderungen
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und Neuerungen Mißtrauen entgegenbringen.
In sehr starker Ausprägung aber zeigt sich die Veränderungsfeindlichkeit des Bayern in seiner Reiseunlust und setzt ihn darin
in Gegensatz zu fast allen anderen deutschen Stämmen.
Der bayrische Stamm steht unter allen anderen deutschen in
Bezug auf künstlerische Begabung und Gesinnung mit Abstand an
der Spitze. Jeder holzgeschnitzte Löffelstiel, jedes gemalte Wirtshausschild, jedes Schnadahüpfl lassen etwas von diesem Drang
nach künstlerischer Formgebung und auch wirklicher künstlerischer Gestaltungskraft erkennen, Züge die anscheinend jedem
Bayern angeboren sind. Eine Aussage im Reime statt in gewöhnliche Worte zu fassen, stellt aber schon an sich einen künstlerischen Vorgang dar. Erstaunlich ist nur, in welchem Maß diese
Begabung und der Drang zu ihrer Betätigung im ganzen Volk
lebendig ist.
Wenn man die Menschen nach dem Vorherrschen von Gefühl
oder Verstand in zwei Gruppen einteilt, so gehört der Bayer zweifellos zu der ersteren. Seine Gefühle, ob Freude, Dankbarkeit,
Mitleid oder Zorn, sind leicht zu erregen, können heftig auflodern
und mitunter jäh in ihr Gegenteil umschlagen. Dazu werden sie,
wenigstens beim Oberbayern, im allgemeinen weit weniger verhüllt und viel ungescheuter geäußert, als dies z.B. beim Norddeutschen der Fall ist. Das gibt dem Ton der bayrischen Mundart,
bei der ja schon die hervorgehobene Rolle der Vokale als Zeichen
für eine starke Gefühlshaftigkeit anzusehen ist, das Herzliche
und Warme. Sie ist von allen deutschen Mundarten diejenige, die
am unmittelbarsten aus dem Herzen kommt.
Unter den Gefühlen nun kommt beim Bayern dem Mitgefühl,
d.h. eigentlich dem Mitleid — denn von der Mitfreude läßt sich
das sehr viel weniger sagen — eine besondere Bedeutung zu.
Man spricht vom „Goldenen Münchner Herzen“, aber was damit
gemeint ist, gilt ebensogut für ganz Bayern.
Das bayrische Mitgefühl, in dem letztlich auch die Wurzel des
großen Taktgefühl zu suchen ist, über das in diesem Land selbst
der Ungehobeltste verfügt, setzt sich unmittelbar in Hilfsbereitschaft um.
Die Bayern gehören zweifellos von allen deutschen Stammen
zu den erregbarsten. Das zeigt sich nicht nur auf Schritt und Tritt
in dem an dramatischen Szenen so reichen bayrischen Alltag, sondern auch in der bayrischen Mundart mit ihrer vom übrigen Deutschen in vielen Fällen abweichenden Betonung und Wortstellung.
(„Da geh her !“ — „Dös wannst net glaabst!“ — „A so a Krampf,
a elendiger !“), am stärksten aber in ihrem ungeheuren Reichtum
an Fluch— -und Schimpfwörtern, in der sie von keiner anderen,
nicht einmal der schwäbischen, erreicht wird.
12 TONER #3
Dreckata Pfundhammi, damischa Uhu, vareckter Schinderhundsmistkrippi, abscheilige Mistamsel, wampate Loas, sind nur einige
aus einer so großen Zahl von Benennungen, daß es wahrscheinlich niemals möglich sein wird, sie alle zu erfassen. Dies allein
schon darum nicht, weil die unerschöpfliche Phantasie des Bayern
und seine ungebrochene Sprachkraft immer wieder neue Ausdrücke gebiert, die der jeweiligen Eigenart des Empfängers angemessen sind, wie die „rinnaugade Hausmoasterdreckdrossel“.
Daß der auf solche Weise Angesprochene kein Gesicht, sondern
bestenfalls ein „saudumms Gfries“, keinen Kopf, sondern einen
„gschwoina Kohlrabi“ hat, kann unter diesen Umständen nicht
weiter verwundern.
Im Grad dieser Erregbarkeit und zugleich auch in ihrer Äußerungsweise besteht jedoch ein deutlich wahrnehmbarer Unterschied zwischen Ober— und Niederbayern. Der Oberbayer ist der
bei weitem Reizbarere, dessen Zorn sich unmittelbar in die Tat
umsetzt, mit der er auch wieder verfliegt. Der Niederbayer aber
wirkt nicht nur um vieles gelassener, er versteht auch, wenn er
etwa beleidigt worden ist, seine Erregung hintanzuhalten, um sich
dann bei günstiger Gelegenheit zu rächen. Bei tätlichen Auseinandersetzungen bevorzugt er das Messer, während der Oberbayer
mit dem Stock, dem Maßkrug oder einfach seiner „Pratzn“ zuschlägt.
In diesen ungleichartigen Verhältnissen liegt wohl der Hauptunterschied zwischen Ober— und Niederbayern, der zugleich
davor warnen soll, der allgemeinen nichtbayrischen Gepflogenheit
entsprechend, oberbayrisch immer mit bayrisch gleichzusetzen.
Der Oberbayer betont zwar den Unterschied zwischen den beiden
Landesteilen sehr stark, aber er tut es nur im abwertenden Sinn,
indem er mit einer gewissen Geringschätzung auf den in vielem
urtümlicheren Niederbayern herabsicht.
Die Bayern sind ohne Zweifel der bilderfreudigste Stamm
deutscher Zunge. Bemalte Hausmauern und Möbel, bildliche
Wiedergaben von Unglücksfällen auf Marterln und Votivtafeln, ja
selbst mit Blumenkränzen bemalte Totenschädel liefern den sichtbaren Nachweis dafür, weiche Freude dieser Stamm an der bildlichen Darstellung hat und wie sehr es ihn dazu drängt, alles ins
Anschauliche zu übersetzen. So ist es auf dem Land bei der Weihe
der Ostereier ein vielgeübter Brauch, vorher an einer Stelle die
Schale aufzuschlagen, „damit der Segen auch hineinkann”.
Diese Eigenschaft kann Formen annehmen, die Außenstehende geradezu grotesk anmuten. Bei den Oberammergauer Passionsspielen sah man in früheren Jahrhunderten im Anschluß an den
Tod des Judas, wie als Teufel verkleidete Buben dem Erhängten
die Därme, die aus schmalzgebackenen Strauben bestanden, aus
dem Leib zerrten und sie dann auffraßen.
Das Bild gilt dem Bayern alles, das Wort und der blasse Gedanke nichts. An Mathematikern und Philosophen ist diese
Landschaft daher immer arm gewesen, an Organisationstalenten
noch ärmer; denn das anschauliche Denken schließt das begriffliche aus.
Darum darf man es dem Bayern auch nicht allzusehr ankreiden, wenn es bei ihm in organisatorischen Dingen nirgends recht
klappt, wenn es in dieser Hinsicht, besonders in seiner Hauptstadt, an allen Ecken und Enden fehlt; die, z. T. allerdings auch
durch das chronische Münchner Defizit bedingten, katastrophalen
Zustände bei der Trambahn sind dafür ja ebenso nur ein Einzelbeispiel wie die mangelnde Koordinierung der Straßenaufreißungen, über die man in München schon vor dem ersten Weltkrieg
sang.
Allerdings spielt dabei auch das bayrische Selbstbewußtsein
vieler Verantwortlicher mit, die sich nicht in ihren Bereich hineinreden lassen wollen und denen deshalb auch so leicht niemand
hineinredet, daneben aber auch die bayrische Beschaulichkeit.
Wer seine Kraft kennt, wird auch immer über ein starkes
Selbstbewußtsein, in der Sprache der Seelenkunde, ein betontes
Eigenmachtgefühl, verfügen. Auch hier wirkt also die Kraft als
ursprünglich rein körperliche Gegebenheit ins Seelische hinein und
bildet die Ursache für das nur schwer zu erschütternde Selbstvertrauen des Bayern.
Damit allein aber ist das bayrische Selbstbewußtsein noch
nicht bestimmt. Was an seiner besonderen Prägung nicht weniger
beteiligt ist, ist ein ganz ausgesprochenes Eigenwertgefühl das
schon den Verfasser des ironischen „Katechismus der Münchner
Welt“ dazu veranlaßt hat, die Frage „Worauf beruht der Glaube
eines Jeden?“ mit dem Satz: „Auf der hohen Meinung, die Jeder
von sich selbst hat” zu beantworten.
Im bayrischen Selbstbewußtsein aber ist noch mehr wirksam
als nur das Eigenmacht — und das Eigenwertgefühl. Es wird ohne
Zweifel auch noch von einem Zug bestimmt, den wir als Geltungsdrang bezeichnen; denn der Bayer legt sehr großen Wert darauf,
daß ihm die Achtung, die ihm auf Grund seiner Person und seines
Standes zukommt, von seiner Umwelt auch ungeschmälert erwiesen wird versteht sich die Bezeichnung „Ehrengeachteter Jüngling“, mit der beispielsweise der Hochzeitslader vom Hochzeiter
spricht, und so erklärt sich auch das ausgeprägte Standesbewußtsein, wie es sich besonders in der bayrischen Titelsucht und
der Betonung der Berufsbezeichnung (bei Ehefrauen der des
Gatten) namentlich in den Todesanzeigen äußert. Da stößt man z.
B. auf Angaben wie „Riesenradbesitzersgattin“‘ oder — übrigens
für eine Dame von siebzig Jahren — „Generalleutnantswaise“,
und Huret, der als Franzose diese „manie des titres“, wie er sie
nennt, besonders lustig findet, erwähnt in seinem Buch über
Bayern zur Erheiterung seiner Leser eine „Staatsschuldentilgungsbureauausgeherswitwe“‘.
Die Vorstellung vom bayrischen Gleichheitsgefühl, wie es
manchem Fremden aus dem Fortfall aller gesellschaftlichen
Unterschiede an den Biertischen des Hofbräuhauses zu sprechen
scheint, und auch die Deutung einzelner der oben angeführten
Beispiele („Wer ko, der ko !“ usw.) in ähnlichem Sinn ist eine
Täuschung; denn diese Beispiele zeigen nur, wie sehr der Bayer
vom Wert seiner Person überzeugt ist und wie sehr er darüber
wacht, daß die Achtung vor dieser Person von jedem — auch vom
König — gewahrt wird. Am Bewußtsein der bestehenden
Rangunterschiede ändert dies nichts; denn gerade in Bayern herrscht ein krasser Kastengeist, der sich allerdings von dem nord—
und ostdeutschen dadurch unterscheidet, daß er im Verkehr von
Mensch zu Mensch nicht im selben Maß hervorgehoben wird.
Jedoch wird vom Einzelnen erwartet, daß er sich des ihm zukommenden Platzes auf der Standesstufenleiter immer bewußt ist,
jenes Platzes, der ihm nach dem ungeschriebenen Gesetz des bayrischen Lebens in der Kirchenbank ebenso zugewiesen ist wie am
Tisch des Gasthauses oder auf dem Friedhof, wo die Reihenfolge
überall von der Standesordnung bestimmt wird.
Diese Standesordnung steht in enger Beziehung zum bayrischen Ordnungssinn überhaupt. „Der Ober sticht den Unter“,
gegen die „Regelung“, die mit diesem Wort aus der Kartenspielsprache gekennzeichnet ist, wird sich ein Bayer nicht so leicht auflehnen. Wer aber Ober und wer Unter ist, bestimmt in diesem
Land vor allem der Besitz und die Macht.
Natürlich ist diese Haltung von der norddeutschen Arroganz
immer noch ein gutes Stück entfernt, aber sie schult sich an ihr,
und in den vorwiegend „preußisch“ bewohnten Münchner Stadtvierteln haben die einheimischen Ladeninhaber und Verkäufer in
dieser Hinsicht schon manches dazugelernt.
Die Anmaßung der genannten Gruppen entspringt aber nicht
der bayrischen Standesordnung, sondern einem anderen Gesetz
des bayrischen Lebens, dem nämlich, daß derjenige, der etwas
von einem anderen haben will, diesem gegenüber immer der
„Unter“ ist, auch wenn er das Gewünschte hundertmal mit gutem
Geld bezahlt.
Der Bayer hat eine Abneigung gegen das Zusammenleben auf
engen Raum. Er möchte für sich sein, möchte Platz um sich haben,
und so bildet der Einzelhof in Bayern die ursprüngliche Siedlungsform, ähnlich wie im geselligen deutschen Westen und in Franken
Bayern und Rheinländer 13
PIC2: TITANIC Die besten Satiren aus 7 Jahren
PIC1: STERN Nr. 38, 9.9.2004
die Stadt und das Haufendorf. Auch die Figur des Einsiedlers, des
„Oasiegls“, spielt im bayrischen Raum eine viel größere Rolle als
in anderen deutschen Landschaften.
Wo aber, wie in den größeren Orten, der Bayer zu engem Zusammenwohnen mit anderen gezwungen ist, da gilt die Türschwelle vor jeder Wohnung als streng geachtete Grenze. Wenn
es nach dem ironischen „Katechismus der Münchner Welt“ für
einen Münchner zu den „himmelschreienden Sünden“ zählt, einem
Fremden den Zutritt in sein Haus zu gestatten, so spricht daraus
dasselbe Für—sich——sein—Wollen wie aus den fehlenden
Namen neben den Klingelknöpfen am Hauseingang und der großen Vorliebe für dort angebrachte neuzeitliche Sprechanlagen in
dieser sonst durchaus nicht so fortschrittsbeflissenen Stadt.
Der bayrische Unabhängigkeitsdrang hat sich nicht nur in der
Geschichte immer und immer wieder geltend gemacht, er bildet
auch im bayrischen Leben einen der bestimmendsten Züge. Um
jeden Bayern steckt ein unsichtbarer Zaun, den niemand, der die
ungeschriebenen Gesetze dieses Landes kennt, mißachtet. Wehe
dem aber, der dagegen stößt oder gar darüber hinwegsetzt: er
be-kommt mit aller Wucht das zu spüren, was man als bajuwarische Grobheit bezeichnet. Auf die mindestens ebenso ausgeprägte
bayrische Höflichkeit aber wird er immer rechnen dürfen, wenn er,
schon in seinen Bitten und Anreden, zeigt, daß er sich dieser
Grenze um die Person des anderen stets bewußt ist.
Denn diese Menschenanhäufung in den auffallend großen
Münchner Mietshäusern geht ja lediglich auf die wirtschaftlichen
Erwägungen der Bauherrn, keineswegs auf den Wunsch der Mieter selbst, zurück. Die ursprüngliche Münchner Wohnweise ist die,
in einem zwar kleinen und niedrigen, dafür aber, wenn irgend
möglich, nur von den „eigenen Leuten“ bewohnten Haus, wie es
heute noch an bestimmten Stellen der Stadt zu sehen ist.
Gerade wegen dieser unfreiwilligen Zusammendrängung hat
der Münchner das urbayrische Für-sich-sein-Wollen bis zum Extrem gesteigert, ist für ihn der Begriff „geselliges Leben“ innerhalb
seiner Wohnung geradezu ein Fremdwort. Weil er weiß, daß ein
Gast für den Gastgeber eine Beeinträchtigung seiner Ungezwungenheit, eine Störung seiner angestammten Gewohnheiten bedeutet, wird er ohne Not niemandem auf diese Weise „lästig fallen“
wollen, erwartet er umgekehrt aber auch, daß der andere seine
Einstellung teilt.
Eigenartig nimmt sich neben der Bilderfreude und Phantasie,
neben der künstlerischen Begabung und der großen Erregbarkeit
die Nüchternheit des Bayern aus; aber sie ist da und macht sich
mit Vorliebe dort bemerkbar, wo jemand in seiner Begeisterung
den Boden der gesunden Wirklichkeit unter den Füßen zu verlieren
droht; denn kaum etwas ist dem Bayern mehr zuwider als Überspanntheit. Weder die Romantik noch der Expressionismus haben
in der bayrischen Literatur eine Heimstätte gefunden.
Eng verwandt mit der Liebe zum Bildhaften ist die Phantasie
des Bayern; denn sie macht bei aller Kühnheit doch nie den
Sprung ins Gegenstandslose und Phantastische, sondern bleibt
immer anschauungsgebunden und bildverhaftet. Dabei ist sie
gleichzeitig viel größer und lebhafter, als man es bei der geringen
sonstigen Beweglichkeit dieses Stammes erwarten würde, und
weist dem Bayern zusammen mit dem Rheinländer und zum Teil
auch dem Berliner in dieser Hinsicht unbestritten den ersten Platz
unter allen Deutschen zu.
Höchste Triumphe aber feiert die bayrische Phantasie, wenn
sie in den Dienst einer Redeform gestellt wird, die in Bayern zur
höchsten Vollendung gebracht wurde und deren Handhabung dort
sehr oft geradezu als künstlerisch bezeichnet werden muß: der
Ausrede.
Das Leben des Rheinländers geht trotz aller Feierfreude und allein
bunten Festgewoge einen ruhigen Gang. Rasche Bewegungen sind
in dieser Landschaft verpönt und wirken lächerlich. Es eilig zu
haben, wird beinahe als verdächtig empfunden. Das gilt für das
Rheinland in einem sehr weiten Sinn, von Emmerich bis zu den
Kämmen des Hunsrücks; nur das Bergische Land macht darin eine
ganz entschiedene Ausnahme. Nicht umsonst hat man seinen
rasch erregten Bewohnern nach ihrem Lieblingsfluch den Namen
„Donnerkiele“ gegeben. Zweifellos spielen bei diesen Unterschieden klimatische Verhältnisse eine große Rolle. Je weiter man
rheinabwärts kommt, um so schwerer wird die Luft und um so trä-
Bayern und Rheinländer 15
16 TONER #3
all diesen Späßen begegnen, jenes Geistes, der seine stärkste
Ausprägung in der Freude am Schabernack findet, die das ganze
Rheinland beseelt. Geboren aus der Lust am Lachen, aus Schadenfreude, List und Phantasie, lebt der rheinische Schabernack in
erster Linie aus der Geselligkeit; denn abgesehen davon, daß das
Ersinnen und Ausführen eines solchen Streichs an sich schon eine
mitmenschliche Bezugnahme darstellt, gewinnt ja der Schabernack seinen eigentlichen Reiz erst dadurch, daß über den Hereingefallenen nachher eine ganze Runde, vielleicht sogar die ganze
Stadt, in ein schallendes Gelächter ausbricht. So weist auch diese
Erscheinung letztlich auf eine der Grundeigentümlichkeiten des
rheinischen Wesens, die Gemeinschaftsbezogenheit, zurück, deren
Wirken auf allen Gebieten des rheinischen Lebens offenbar wird.
Der Rheinländer ist, ganz wie der Romane, von Natur aus
gesellig und drängt daher wie dieser zum Siedeln in der Gemeinschaft. Schon auf dem Land findet man das Mehrfamilienhaus; wo
der Einzelhof anfängt, hört das eigentliche Rheinland auf. Rheinisches Leben ist daher immer gemeinschaftsbezogen, so wie niedersächsisches in erster Linie einzelbezogen ist.
Über das, was die Leute sagen, kann sich kein Rheinländer
ohne weiteres hinwegsetzen. Er ist Glied eines Verbandes, der
ihm Teilnahme entgegenbringt, und das bedeutet je nach den
Umständen ebensogut Unterstützung wie Kritik. Ohne diese Gemeinschaftsbezogenheit, die wie die Lachlust eine Wurzeleigenschaft des rheinischen Charakters darstellt, ist das Leben des
Rheinlandes, wie das des ganzen deutschen Westens, nicht zu
verstehen.
Das Uzen, das im Rheinland zwischen Bekannten geradezu
zum guten Ton gehört, unterscheidet sich sehr wesentlich vom
Spott. Während dieser eine Verletzung des anderen bedeutet,
liegt dem Uzen eine solche Absicht fern. Es soll den Angeredeten
nur ein wenig kitzeln und zwar so, daß er mitlachen muß.
Das Hauptmittel, dessen sich solche Neckereien bedienen, ist
die Anzüglichkeit. Sie wird vom Rheinländer als geborenem
Meister in dieser Redeform besonders dann gebraucht, wenn er
einen Angriff erwidert, eine Herausforderung beantwortet oder
lediglich einem anderen seinen Unmut ausdrücken will. Dem stark
entwickelten Gerechtigkeitssinn des Rheinländers entsprechend
ist seine Anzüglichkeit um so schärfer, je stärker er sich herausgefordert fühlt.
„Mer muß och jönne künne.” — Es scheint, als gebe es ein
solches Wort nur in Ripuarien, und tatsächlich spricht aus den
Gesichtern der meisten Menschen dieser Landschaft ebenso wie
aus ihren Äußerungen und ihrem Verhalten dem Mitmenschen
gegenüber — sofern sich dieser nicht als ausgesprochen „fieser
PIC: STERN Nr. 49, 25.11.2004
ger der Ablauf aller Bewegungen.
Wer aus einer anderen deutschen Landschaft ins Rheinland
kommt — und auch dies gilt für das Rheinland im weitesten Sinn
—, dem werden die vielen Menschen auffallen, die dort überall
untätig herumstehen, ohne sich wegen ihrer Beschäftigungslosigkeit unwohl zu fühlen, ein Bild, das dem Europareisenden noch
ausgeprägter vor allem von den Mittelmeerländern her bekannt
ist. Abneigung gegen rasche Bewegung braucht noch keine Abneigung gegen Anstrengung überhaupt zu bedeuten.
Rheinisches Denken kreist eben immer wieder um den vollen
Becher, der übrigens nur in der Vorstellung anderer Landschaften
immer mit Rebensaft gefüllt ist; denn in Wirklichkeit sind in
Ripuarien — mit Ausnahme des Ahrtals — Bier und Schnaps, auf
rheinisch „Schabau“, die Hauptgetränke.
Die Trinkfreude gehört als untrennbarer Bestandteil zum
Wesen des Rheinländers, dessen innerster Drang es ist, sich über
den Alltag zu erheben und, wie es ein begnadeter Dichter dieses
Landes, Franz Peter Kürten, ausgedruckt hat, stets halb im Himmel
zu schweben.
Der kennzeichnendste Zug des Rheinländers ist ganz zweifellos sein Drang zu lachen und andere zum Lachen zu bringen. Vielleicht gibt es in ganz Europa keine zweite Landschaft, in der diese
Eigenschaft eine solche Rolle spielt wie im ripuarischen Rheinland, und es gibt keine Lage im Dasein des Rheinländers, in der
sie nicht wirksam wäre. Ja, man muß feststellen, daß der Ripuarier von dem unüberwindlichen Drang, um nicht zu sagen, Zwang,
erfüllt ist, jeder Äußerung, und sei sie noch so belanglos, die
Wendung zum Witz zu geben. Wäre man über die Grenzen dieses
Landes im unklaren, so hätte man keine Schwierigkeiten, sie festzustellen: Ripuarien beginnt überall dort, wo jede Unterhaltung, ob
zwischen Bekannten oder einander völlig Fremden, immer wieder
durch lautes Lachen unterbrochen wird und wo man selbst Beschwerden nicht anders vorbringt als in Form eines Witzes.
So ist es verständlich, daß es zu ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen Rheinländern viel schwerer kommen kann als
zwischen den Angehörigen der allermeisten anderen deutschen
Stämme. Die Lachlust erweist sich hier als eine der wichtigsten
von allen Eigenschaften, denen das menschliche Zusammenleben
im Rheinland seine auffallende Reibungsarmut verdankt.
Nicht umsonst ist das Wort vom rheinischen Schalk zu einem
feststehenden Begriff geworden; denn die „mutwillige Laune, die
sich in neckischem Spott, in Scherz und Possen äußert“, um der
Grimmschen Deutung des Wortes „Schalk“ zu folgen, verläßt den
Rheinländer nie und nirgends.
Es ist immer der Ausdruck des gleichen Übermuts, dem wir in
Möpp“ erweist — ein beständiges Wohlwollen, das zweifellos in
enger Verbindung zu der beinahe unerschütterlichen guten Laune
steht, die den Ripuarier wie den Niederfranken kennzeichnet. Das
Lächeln, das diese Menschen fast immer auf den Lippen haben,
wenn sie einem gegenübertreten, ist nicht künstlich oder angewöhnt, es entspricht vielmehr ihrer heiteren Grundstimmung und
ist zugleich ein unmittelbarer Ausdruck ihres Wohlwollens und
Gönnenkönnens. Die rheinische Sitte, allen möglichen Leuten, die
das Haus betreten, zuerst einmal ein Schnäpschen anzubieten, das
Auswerfen von Süßigkeiten in riesigen Mengen beim Rosenmontagszug, die rheinische Schenkfreue überhaupt, sind Äußerungen
dieses gleichen Zuges.
Aus dieser Haltung im Verein mit der bereits erwähnten ausgeprägten Geselligkeit erwächst auch die große rheinische Gastfreundschaft. Nicht ohne Grund gilt ja das Rheinland als eine der
gastlichsten Gegenden Deutschlands.
Nicht nur körperlich, auch seelisch fällt es schwer, den Rheinländer aus der Ruhe zu bringen, und richtig ist das eigentlich nur am
Fastelovend oder im Rahmen der mit Recht berühmten rheinischen
Geselligkeit möglich. Das Verhalten des Rheinländers bei solchen
Anlässen hat anderswo die Vorstellung vom „rheinischen Temperament“ entstehen lassen, das oft genug geradezu mit dem italienischen gleichgesetzt wird, und dabei ist kaum etwas so irrig wie
diese Meinung. Der durchschnittliche Rheinländer ist vielmehr von
einer seelischen Unerschütterlichkeit, im Vergleich zu der die
Wesensart des Westfalen noch als erregbar gelten muß. Man
sollte weniger vom rheinischen Temperament sprechen, das doch
nur bei besonderen Gelegenheiten zur Geltung kommt, als von der
rheinischen, genauer gesagt, der ripuarischen Ruhe.
Leichtsinn wird dem Rheinländer von fast allen übrigen Deutschen nachgesagt, und er selbst wird sich sicher zuletzt darum
bemühen, diese Meinung zu entkräften. Der Leichtsinn bildet aber
Bayern und Rheinländer 17
18 TONER #3
Lust gerade an diesen, besonders im Norden Deutschlands verpönten Themen feststellen, woraus manche glauben, ihm einen
Vorwurf machen zu müssen.
PIC: JOACHIM SCHÜTTE Haustauben, Deutsche Schautaube
gleichzeitig auch eine der glücklichsten Veranlagungen des Rheinländers; denn er läßt ihn über die Schwierigkeiten des Lebens viel
schneller hinwegkommen, als dies etwa beim Westfalen oder
Niedersachsen möglich sein könnte. In Notzeiten, an denen ja in
den Grenzlanden noch selten Mangel war, kommt dem Rheinländer diese Eigenschaft besonders zugut. Wie hätte er sich sonst
seinen ungebrochenen Mut durch den ganzen Bombenkrieg hindurch erhalten können?
Phantasie, so sagt die Seelenkunde, ist die Fähigkeit, in der
Vorstellung über das bisher Erfahrene hinauszugreifen. Diese
Fähigkeit besitzt der Rheinländer in höchstem Maß. Im germanischen Bereich können nur die Bayern und Berliner mit in etwa
Vergleichbarem aufwarten. Sucht man für die Vorstellungskraft
des Rheinländers nach Entsprechungen, so muß man sich in die
keltische und romanische Welt begeben.
Die rheinische Phantasie ist stets bereit, sich von der Wirklichkeit zu lösen. In den meisten Fällen vollzieht sie diese Lösung
und bietet sich dann als Spiel mit dem Unwirklichen dar. Sie hat
darin in der irischen Phantasie eine nahe, vielleicht die nächste
Verwandte.
Schon bei der Trinkfreude war von dem Drang der rheinischen
Seele, sich über den grauen Alltag zu erheben, die Rede. In der
Phantasie verfügt sie dazu über ein weiteres Mittel; denn sie gestattet es ihr, sich von der Wirklichkeit zu lösen, so wie sich ein
Trapezkünstler, aller Schwerkraft spottend, durch den Raum
schwingt. Das Spiel mit dem Unwirklichen ist eine der Lieblingsbeschäftigungen des rheinischen Geistes. Er bedient sich seiner
nicht zuletzt, um sich, oft mit einem einzigen Witzwort, über
die Welt der Dinge hinwegzusetzen.
Rheinisches Denken ist durch eine Schlauheit, ja Durchtriebenheit, gekennzeichnet, wie wir sie zwar bei den Romanen auf
Schritt und Tritt, in Deutschland aber sonst nirgends antreffen, und
so zählt das Motiv der Überlistung zu den beliebtesten im ganzen
rheinischen Humor.
Die geistige Beweglichkeit des Rheinländers findet ihren hervorragendsten Ausdruck in seiner Schlagfertigkeit, auf der gleichzeitig auch ein guter Teil der Wirkung des rheinischen Witzes
beruht. Man hat Rheinländern gegenüber den Eindruck, daß sie in
keiner Lage um eine treffende Antwort verlegen sind.
Ein sehr kennzeichnendes Merkmal des Rheinländers ist seine
Natürlichkeit und Zwanglosigkeit. Der Rheinländer gibt sich so,
wie er ist, und haßt alle Ziererei und alles Getue. Das zeigt sich
vor allein in seinem Humor, der mit Vorliebe Dinge behandelt, die
man sich anderswo scheut auszusprechen. Ja, über seine Natürlichkeit hinausgehend läßt sich beim Rheinländer eine gewisse
Bayern und Rheinländer 19
2. Der Rechtspopulismus ist [...]
3. Natürlich kann der Rechtspopulismus [...]
4. Der Rechtspopulismus gewinnt [...]
5. Der Rechtspopulismus ist [...]
6. Der Rechtspopulismus ist [...]
7. Der Rechtspopulist ist [...]
8. Der Rechtspopulismus ist [...]
1. Der Rechtspopulist ist [...]
2. Der Rechtspopulist bringt [...]
3. Entsprechend führt der Rechtspopulist [...]
4. Der Rechtspopulist ist [...]
5. Der Rechtspopulist ist [...]
6. Der neuere Rechtspopulist betont [...]
7. Dennoch ist der Rechtspopulist [...]
8. Der Rechtspopulist ist [...]
9. Der Rechtspopulist bietet [...]
10. Der Rechtspopulist ist. nicht nur [...]
11. Der Rechtspopulist ist nicht [...]
12. Der rechtspopulistische Politiker verspricht [...]
1. Einen rauschhaften Konsens [...]
2. Einen bürgerlichen Steigbügelhalter [...]
3. Schließlich benötigt der erfolgreiche Rechtspopulist [...]“*
„[...] Linke Dummheiten sind natürlich lehrreicher als rechte. [...]“**
„[...] Das System ist nervös. Das Kapital kann nicht warten, bis sich der Faschismus entfaltet hat, die amerikanische Konkurrenz wartet
nicht. [...]“***
„Ich will Deutschland dienen.“****, *****
[...]„‚Wissen Sie, woraus man Leberkäse macht? [...] Aus den Resten der Knackwurst. Und wissen Sie woraus die Knackwurst gemacht
wird? [...] Die Knacker wird wieder aus den Resten vom Leberkäse gemacht. Und aus den Knackerresten wird dann wieder der Leberkäse,
und aus den Leberkäseresten wieder die Knacker und so weiter, das ist eine Unendlichkeit.’“[...]******
* aus Wie werde ich ein Rechtspopulist? von Georg Seßlen
** aus Alright, Kids? von Diedrich Diederichsen
*** aus Dem Volk dienen von Rote Armee Fraktion
**** Angela Merkel in der ZEIT Nr. 23 vom 2. Juni 2005
***** „Dem Volk dienen: Titel der Rede Mao Tse-Tungs auf einer Trauerfeier für einen Kämpfer des Wachregiments des ZK des KPCh, s. Mao Tse-Tung, Ausgewählte
Werke Bd. 3, S. 205f. Die Parole „Dem Volke dienen“ spielte in der großen proletarischen Kulturrevolution eine bedeutende Rolle, z.B. bei den Kampagnen für
Barfußärzte oder „Mittelschüler aufs Land“. In der BRD und West-Berlin griffen 1969/70 verschieden revolutionäre Studentenorganisationen die Parole auf, um die
Hinwendung der Studenten zur Arbeiterklasse zu propagieren. So nannte der KSV, die Studentenorganistaion der KPD/AO, seine Zeitung „Dem Volke dienen“. Sie verbanden mit der Parole Vorstellungen von „Ausbildung im Dienste des Volkes“ u.ä.: „Ärzte, die Arbeiter wirklich gesund machen“, Juristen, die „dem Proletarier vor
Gericht helfen“, Ingenieure, Chemiker und Naturwissenschaftler, die „unermütlich an der Erfindung von arbeitserleichternden Verbesserungen der Maschinen arbeiten,
für die Entwicklung von einfachen und haltbaren Produkten eintreten“, Lehrer, „die auf jedes einzelne Kind und seine Fähigkeiten ... eingehen“. (KSV) ***
****** aus Silentium! von Wolf Haas
20 TONER #3
PIC: HEINRICH PLETICHA (Hg.) Deutsche Geschichte, Geteiltes Deutschland nach 1945
„[...] 1. Er ist Ausdruck [...]
PIC1: GEORG WENKER Deutscher Sprachatlas
22 TONER #3
Überich 23
PIC 2: ROBERT GERNAHRT Ich Ich Ich
PIC1: HANS RIEDWYL Grafische Gestaltung von Zahlenmaterial
26 TONER #3
PIC2: TOYS MADE IN CHINA
Das Ende der Konsequenz
von Hans Magnus Enzensberger
PIC: DIE ZEIT Nummer 22 19.05.2004
- Püree, sagte der kleine Mann mit dem blonden Schnurrbart und der altmodischen Hornbrille. Er machte
eine ausladende Handbewegung, die nicht nur das riesige Studio und die bunten Fachwerk-Attrappen zu
umfassen schien, aus denen eigens für diese Sendung eine altdeutsche Kneipe aufgebaut worden war.
- Alles Püree.
Ich war in eine jener Veranstaltungen geraten, für die unser Land
berüchtigt ist und die, offenbar in Unkenntnis dessen, was dieses
Wort bedeutet, als „Diskussion“ bezeichnet werden. Wie die
Sendung hieß, habe ich vergessen: Kultur-Klappe? Denk-Disco?
Sozio-Flipper? Auch weiß ich nicht mehr, worum es an diesem
Abend ging. Sicher bin ich nur, daß es eine jener Bangen Fragen
war, die jedem Moderator zwischen Kiel und Konstanz auf der
Seele brennen. Sind wir eine verspätete Nation? Stehen wir vor
einer neuen Jugendrevolte? Brauchen wir mehr (oder weniger)
Staat? Sind unsere Universitäten noch zu retten? Haben die
Rebellen resigniert?
Bange Fragen lassen im allgemeinen keine bündige Antwort
zu. Das ist ja gerade das Wertvolle an ihnen: sie fördern die Meinungsvielfalt. Das offenbar hartnäckige Problem zum Beispiel, wie
viele deutsche Literaturen es gebe, eine oder zwei, ist immer für
Überraschungen gut; gelegentlich findet sich ein Experte, der bis
neun zählen kann, inklusive Liechtenstein und Siebenbürgen dann geht ein Raunen durchs Publikum.
Irgend etwas in dieser Art wird es wohl gewesen sein: jedenfalls ein voller Erfolg. Kaum waren die Kameras abgeschaltet,
folgte ein kleiner Empfang, zwanglos, wie üblich; man aß im
Stehen, wie üblich; und es wurden die üblichen abscheulichen
Getränke angeboten.
Der kleine Mann mit der Hornbrille hatte mich in eine Ecke
gedrängt. Er kam mir vage bekannt vor, und ich fragte mich vergeblich, ob er etwas mit dem Fernsehen zu tun habe, oder mit der
SPD, oder mit der Werbung, oder mit der Stadtverwaltung, oder
vielleicht mit dem Theater. Am Ende war er auch nur ein meinungsbildender Kritiker. Ihn einfach danach zu fragen war ausgeschlossen; denn es gehört zu den eisernen Regeln der PodiumsBranche, daß jeder jeden kennt. Obwohl der Mann sich ausführlich zu der bewußten Bangen Frage geäußert hatte, wirkte er keineswegs erschöpft. Während er ein Stück kalter Pizza verzehrte,
redete er mit großer Energie auf mich ein.
- Alles Quatsch! sagte er. Ich begreife beim besten Willen nicht,
wie Sie sich auf eine solche Sache haben einlassen können - ein
Mann wie Sie!
Zu meiner Verteidigung wußte ich wenig vorzubringen.
- Immerhin habe ich kein einziges Mal den Mund aufgetan.
- Das ist es ja eben, rief er. Gerade von Ihnen hätte ich erwartet,
daß Sie einen eindeutigen Standpunkt beziehen. Ein klares Wort
hätte doch genügt, um diesem lächerlichen Geschwafel ein Ende
zu machen. Ich muß sagen, ich bin enttäuscht.
Ich erkundigte mich schüchtern, was ihn, den Herrn mit dem
blonden Schnurrbart, dazu veranlaßt habe, an der Veranstaltung
teilzunehmen.
- Das will ich Ihnen sagen. Ich fehle nie. Ich bin gewissermaßen Fachmann auf diesem Gebiet, und da zählt für mich nur
eines: Überblick. Überblick über das geistige Leben. Ich will Ihnen
auch gerne sagen, woraus dieses geistige Leben besteht, nämlich
aus Püree. Ich sah mich außerstande, ihm zu widersprechen. Seitdem habe ich öfters an diesen harmlosen, wenn auch etwas lästigen Herrn gedacht; ja, er wurde mir, kaum daß ich ihn losgeworden war, beinahe sympathisch. Ich bin sogar so weit gegangen,
mich nach ihm zu erkundigen. Es stellte sich heraus, daß er sowohl mit der SPD, als auch mit dem Fernsehen, als auch mit der
Werbung zu tun hatte. Er war nämlich „Kommunikationsexperte“,
was immer das sein mag; im übrigen besaß er eine Villa in der
Nähe von Köln, ein pied-a-terre in Paris und eine tadellos restaurierte Windmühle in Holland. Außerdem hatte er drei Scheidungen
und einen Selbstmordversuch hinter sich. Die Leute, die mir diese
Auskünfte gaben, schienen ihn kurioserweise zu beneiden.
Seine Tirade ging mir nicht aus dem Kopf. Der Mann hatte
ohne Zweifel recht. Das allgemeine Gebrabbel, das bei uns die
Stelle einer demokratischen LJffentlichkeit vertritt, ist in der Tat
schwer zu ertragen. Schranzen, Parteibudibesitzer, Mafiosi, dummdreiste Besserwisser geben in diesem Milieu den Ton an. Es herrscht ein militantes Mittelmaß, das beliebige Ansichten über beliebige Gegenstände vervielfältigt. Durch Urteilsvermögen oder qualitative Unterscheidungen wird diese Diskussion im großen und
ganzen nicht getrübt.
Bis dahin konnte ich meinem Gewährsmann, Herrn G. (denn so
hieß er), mühelos folgen. Merkwürdig war nur, daß er unter diesem Zustand aufrichtig zu leiden schien.
- Manchmal weiß ich selbst nicht mehr, was ich denke, hatte
er zum Schluß gesagt, und der ratlose Blick aus seinen braunen,
leicht hervorquellenden Augen war der Beweis dafür, daß er nicht
übertrieb.
Herr G. hatte wohl verstanden, daß das Märchen vom Schlaraffenland mit einer frommen Lüge beginnt. Der Brei, dessen man
ansichtig wird, sobald man sich dieser fabelhaften Region nähert,
ist nämlich gar keine Grenzbarriere. Er bedeckt das ganze Territorium, und wer dort Einlaß begehrt, der wiegt sich in einer trügerischen Hoffnung, wenn er glaubt, es genüge, sich durch den Brei
hindurchzufressen, um, am andern Ende der Grenzbefestigung,
wieder an die frische Luft zu gelangen. Es war also offenbar die
Angst des Essers, von seiner Speise verschlungen zu werden, die
Herrn G. zum Moralisten gemacht hatte.
Ich verstand seine Sehnsucht nach einer Art Schneepflug, der
29
alles, was ihn störte, sozusagen über Nacht beiseite räumen sollte: das amorphe Durcheinander, den Opportunismus, die schiere
Anpassung an das Püree. Dennoch verblüffte mich der schneidende Ton, in dem er seine Forderungen vortrug. Er verlangte es war
nicht ganz klar, von wem, aber vermutlich wandte er sich an die
Intelligenz des Landes Prinzipienfestigkeit, Radikalität, Unbestechlichkeit, kompromißlose Klarheit, unerbittliche Konsequenz. Ja, die
Konsequenz hatte es ihm besonders angetan. Er hatte eine
schmerzliche Art, das Wort auszusprechen, als bezeichne es ein
heiliges Bedürfnis.
Die niederschmetternde, ihm selber gänzlich unbekannte
Komik des Herrn G. lag natürlich darin, daß sein bloßes Dasein
jede einzelne der zahlreichen Silben, die er in einem feuchten,
aufgebrachten Stakkato hervorstieß, dementierte. Der Inbegriff
des Opportunisten hielt eine Predigt gegen den Opportunismus,
der perfekte Anpasser wütete gegen die Anpassung, der versierte
Quatschkopf verwahrte sich gegen den Quatsch.
An diesem Punkt können wir darauf verzichten, unsere Bekanntschaft mit Herrn G. zu vertiefen; denn seine persönlichen Eigenschaften spielen keine Rolle, und seine Komik ist nicht sein
Privatbesitz. Es gibt in unserm Land Hunderttausende, wenn nicht
Millionen seinesgleichen. Er gehört zu einem Typus, der für den
Zustand dieser eigentümlichen Republik bezeichnend ist. Wer
behauptet, er könne zwischen ihm und sich keinerlei Ähnlichkeit
erblicken, der tut das auf eigene Gefahr. Auch Herr G. kann nämlich keine Ähnlichkeit zwischen sich und sich erblicken. Das gehört
zu seinem inneren Haushalt, zur Struktur seines Bewußtseins oder,
wenn man will, seiner Bewußtlosigkeit.
Von Eldridge Cleaver, einem schwarzen Revolutionär aus den
USA, der seither als Hosenfabrikant Schiffbruch erlitten hat, stammt ein Satz, der in den sechziger Jahren zum geflügelten Wort
wurde: „Baby“, sagte der Schwarze Panther damals, „you’re either
part of the problem, or you’re part of the solution.“ - Inzwischen
hat sich herausgestellt, daß das nicht zutrifft. Je weniger eine
„Lösung“ in Sicht ist, desto offenkundiger dürfte die Tatsache geworden sein, daß es niemanden gibt, der nicht ein Teil des Problems wäre. Es ist bemerkenswert, mit welcher Vehemenz sich die
Intelligenz unseres Landes gegen diese schlichte Einsicht sträubt.
So wird die Verdrängung zur Hauptaufgabe der kritischen Kritik.
Jeder, der sich die Mühe macht, den Jahrmarkt des Bewußtseins eine Zeitlang zu beobachten, kann sich ohne weiteres von
der Gültigkeit der folgenden Faustregeln überzeugen:
Je mürber die eigne Identität, desto dringender das Verlangen
nach Eindeutigkeit. Je serviler die Abhängigkeit von der Mode,
30 TONER #3
desto lauter der Ruf nach grundsätzlichen Überzeugungen. Je frenetischer die Spesenjägerei, desto heroischer das Ringen um
Integrität. Je schicker das Ambiente, desto inniger der Hang zum
„Subversiven“. Je größer die Bestechlichkeit, desto ärger die
Angst davor, „integriert“ zu werden. Je weicher der Brei, desto
fester die Prinzipien, und je hilfloser das Gezappel, desto inständiger die Liebe zur Konsequenz.
Das Resultat ist eine Verfassung, die ziemlich schwer zu begreifen ist. Man könnte versucht sein, auf den altväterlichen
Begriff der Doppelmoral zurückzugreifen; aber das wäre eine Verharmlosung. Überhaupt gleiten die überlieferten Kennzeichnungen,
so treffend sie auf den ersten Blick anmuten mögen, an der undurchdringlichen Haut des Phänomens ab: Selbstbetrug, Hypokrisie, Maulhurerei, Pharisäertum - das alles kommt der Sache nahe
und verfehlt doch ihren Kern. Solche Diagnosen aus der Überlieferung setzen nämlich beim Subjekt an und zielen auf Charaktere,
wo gar keine vorauszusetzen sind. Im Aggregatzustand des Pürees
ist die Heuchelei sozusagen objektiv geworden, die Lebenslüge zur
baren, unzerbrechlichen Selbstverständlichkeit.
Der Umstürzler, der, ganz in Leder, um seine Planstelle kämpft,
als wäre der Menschheitstraum des Kommunismus die Pensionsberechtigung; der Kritiker, der, unerbittlich wie ein zweiter Robespierre, darüber wacht, daß kein Theaterautor sich mit den Mächtigen arrangiert, während er selber, zäh wie Filz, den Traumposten
eines Museumsdirektors anstrebt; der Aussteiger, der seine
Alternative lückenlos auf Video dokumentiert; der hakenkreuzgeschmückte Punker, der Spesenquittungen sammelt; der Konfliktforscher, der auf den Sekretärinnen seines Instituts herumhackt
das alles sind ja keineswegs Einzelerscheinungen. Jede Kritik, die
sich ans scheinbar Individuelle heften wollte, liefe Gefahr, dem
anheimzuf allen, was sie kritisiert. Der moralische Schizo ist die
Norm.
So erklärt sich auch das leise, aber unaufhörliche Pochen, das
landauf, landab bei uns zu vernehmen ist, als wären die Heinzelmännchen am Werk. Worauf dabei gepocht wird, ist völlig
nebensächlich: auf linke oder rechte Grundsätze, Standpunkte,
Prinzipien. Hauptsache, ein anderer, immer ein anderer ist es, den
man ertappen, denunzieren, dingfest machen, überführen kann. So
ruft einer dem andern zu: Ausverkauf! Renegatentum! Anpasserei!
Karrierismus! Jeder ist verdächtig, nur der nicht, der im Moment
das Mikrophon ergriffen und sich zum Aufpasser, zum Sheriff der
Moral, zum Guru der Konsequenz aufgeschwungen hat.
Freilich, nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage wächst
das Rettende auch. Die Sehnsucht nach dem Eindeutigen schafft
sich ihre kulturellen Helden. Wer den eigenen Forderungen nicht
mehr gewachsen ist, der delegiert sie an eine buntscheckige
Schar von Philosophen, Therapeuten, Künstlern, Mystikern, Ideologen, Terroristen, Sektierern und Verbrechern. Ihnen schreibt man
zu, was einem selber fehlt: eine Integrität, an der kein Zweifel erlaubt ist. So entsteht eine wunderliche Walhalla der Kompromißlosigkeit, in der man Sid Vicious und Mutter Teresa, Castañeda
und Einstein, Samuel Beckett und Josef Stalin, Charles Manson
und Erich Fromm, John Cage und Ulrike Meinhof, Chiang Ch’ing
und Arno Schmidt, den Reverend Moon und den Professor Beuys
bewundern kann.
Die Delegierten, die in diese Ruhmeshalle der Eindeutigkeit
abgeordnet werden, hat allerdings kein Mensch gefragt, ob sie
sich als Kandidaten zur Verfügung stellen und ob sie Lust haben,
die Wahl anzunehmen. Zu beneiden sind sie nicht. Wehe ihnen,
wenn sie sich einer Regung überführen lassen, die sie ihren Fans
kommensurabel macht; dann nämlich brächen diejenigen, die mit
dem Idol ihre T-Shirts schmücken, am liebsten in den Ruf aus:
Steinigt ihn! Der Säulenheilige ist einer von uns! Nichts Schlimmeres kann man off enbar einem Menschen nachsagen.
„Er jagte“ - dies konnte man schon vor hundertfünfzig Jahren
lesen - „mit rasender Schnelligkeit sein Leben durch und dann
sagte er: konsequent, konsequent - , wenn Jemand was sprach:
inkonsequent, inkonsequent; es war die Kluft unrettbaren Wahnsinns.“
Diese berühmte Passage läßt sich schwer in andere Sprachen
übersetzen. Die unglückliche Liebe zur Konsequenz scheint eine
deutsche Obsession zu sein; wenigstens von unsern Nachbarn
wird sie nicht ohne weiteres geteilt. A man of consequence kann
allenfalls bedeuten, daß es sich um jemanden handelt, der über
Macht oder Einfluß verfügt; um homme de consequence ist eine
wichtige Person; um uomo conseguente ist eine Wendung, die
überhaupt keinen Sinn ergibt.
Wo die historischen Wurzeln dieser eigentümlichen Vorliebe
liegen, weiß ich nicht. Hat sie etwas mit dem Protestantismus, mit
der Reformation zu tun? Handelt es sich um den traurigen Überrest einer längst abgestorbenen philosophischen Tradition? War es
nicht der begabteste Politiker der deutschen Geschichte, der stolz
verkündet hat: „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst
willen tun“? Das ferne Echo dieses Satzes ist im deutschen Einzelhandel heute noch zu vernehmen, wenn die Verkäuferin, ebenfalls
mit einer gewissen Befriedigung, den Kunden wissen last.- „Wir
führen prinzipiell keine Massenware.“ Tönt einem hier, im Fachgeschäft, nicht in lächerlicher Verdünnung ein Widerhall jener
autoritären Entschlossenheit entgegen, die der Belesene aus den
Schriften Carl Schmitts, Ernst Jüngers und Martin Heideggers
kennt? Ich frage ja nur. Und ich möchte wahrhaftig nicht behaupten, daß die Deutschen Prinzipienreiterei und Unerbittlichkeitsrhetorik für sich gepachtet hätten. Die italienischen Utopisten, die
spanischen Theologen und die französischen Jakobiner haben
sich, auch wenn ihnen das mot juste fehlte, auf die blutige Konsequenz sehr wohl verstanden.
Die nationalen Vorlieben, Traditionen und Talentehaben ohnehin an Gewicht verloren, seitdem sich die Freunde der kompromißlosen Entschiedenheit von Korea bis Haiti und von Bissau bis
Bukarest massenhaft organisiert haben - auch wenn es vielleicht
kein Zufall ist, daß die historischen Vorbilder der jeweiligen Einheitsparteien unstreitig auf deutschem Mist gewachsen sind.
Der Jargon der Eindeutigkeit dröhnt von den Tribünen ganzer
Kontinente und verpestet alle Kanäle der öffentlichen Rede: die
Gesetze der Geschichte sind „ehern“, die Beschlüsse „unumstößlich“, die Entschlossenheit ist „fanatisch“, „eisern“, „unbeirrbar“,
und so weiter und so immer fort. Menschen, die das tiefe Bedürfnis haben, konsequent zu sein, lassen sich mühelos in Vereinen
organisieren. Die Konsequenz der Konsequenz heißt meistens:
Schule, Gruppe, Kirche, Kaserne oder Partei. Wer das Pathos der
Entschlossenheit sucht, der irrt, wenn er damit seine eigene Existenz ins Spiel zu bringen, sich selbst zu „verwirklichen“ meint.
Nichts ist schematischer als der Amoklauf der Unbeirrbaren.
Etwas Vorschriftsmäßiges, ja Bürokratisches haftet jeder Radikalität an, die sich auf nichts weiter beruft als auf Grundsätze. Wer
von Prinzipientreue spricht, der hat bereits vergessen, daß man
nur Menschen verraten kann, Ideen nicht.
Das Konsequenz-Gebot verwechselt eine logische Kategorie mit
einem moralischen Postulat. Weit entfernt davon, Klarheit zu
schaffen, richtet es infolgedessen ein krausemauses Durcheinander in den Köpfen an. Zum ersten kann das Pathos der Entschiedenheit nicht darüber hinwegtäuschen, daß die bloße Konsequenz, wie jede logische Bestimmung, leer ist; ich kann ebensogut
ein konsequenter Vegetarier sein wie ein konsequenter Faschist,
Zechpreller, Atomkraftgegner, Trotzkist, Heiratsschwindler oder
Anthroposoph.
Zum andern bleibt meistens undeutlich, welche Art von Deckungsgleichheit es ist, die da eingeklagt werden soll. Geht es um
das Denken? Darum, daß es hübsch bei sich selber bleibt und
nicht von dem abweicht, was es zuvor gedacht hat? Oder will die
Forderung nach Konsequenz darauf hinaus, daß Denken und Handeln miteinander übereinstimmen müssen?
Vielleicht kann uns eine Begegnung mit Herbert Wehncr als
Das Ende der Konsequenz 31
32 TONER #3
begnüge, der mache sichs zu leicht. Wer etwa zugibt, er habe
etwas mit dem Christentum zu tun, von dem werde man doch verlangen dürfen, daß er sein Leben in einem LepraKrankenhaus
zubringe, statt seinen Mitmenschen auf die Nerven zu gehen. Und
dann gar noch Brötchen fordern, jene Brötchen, die man schließlich eben jenem System verdanke, gegen das hier dauernd gestänkert werde. Nein, wer mit dem Kapitalismus nicht einverstanden
ist, der soll auch nicht essen, und wer ißt, der hat kein Recht, an
etwas anderes auch nur zu denken. Alles andere sei schlicht und
einfach inkonsequent.
Gegen solche bauernf ängerischen, heimtückischen Tricks hat
Adorno einmal, höflich wie er war, eingewandt, die Trennung von
Theorie und Praxis sei ein großer zivilisatorischer Fortschritt. Das
hat man ihm ziemlich übelgenommen. Die sadistische Version des
Konsequenz-Gebotes hat er am eigenen Leib erfahren. Sie erinnert
an den Schrei des Mobs, der dem hoch oben auf dem Dach kauernden Selbstmörder zuruft: Nun spring doch endlich runter!
Liebe Landsleute! In Anbetracht dieser historischen Voraussetzungen und Umstände möchte ich euch mit den Vorzügen, was
sage ich, mit den Freuden der Inkonsequenz bekanntmachen. Ich
weiß, daß ihr das nicht gerne hört, und ich rechne damit, daß ihr
mir diese Wohltat übel vergelten werdet. Ein liebgewordenes
Spielzeug gibt man ungern aus der Hand, auch wenn es sich dabei
um ein Schlachtermesser handelt, mit dem man Gefahr läuft, sich
und andern weh zu tun.
Vor allem bitte ich euch zu bedenken, daß ihr euer Leben dem
Wankelmut, der Unentschlossenheit, dem Kompromißlertum zu
verdanken habt. Überlegt einmal, es kostet ja nichts, ob ihr noch
in der Lage wärt, euch über meine bescheidenen Sätze zu ärgern,
wenn Nikita Chruschtschow, dieser prinzipienlose Opportunist,
nicht seinerzeit den Rückzug angetreten hätte, damals, 1962, mit
seinen Raketen - ihr wißt schon, was ich meine. Nichts als Zaudern, langes Hin und Her, feige Bedenklichkeiten! Und im ganzen
Kreml fand sich keiner, der im entscheidenden Moment die Sache
einmal auf den Punkt gebracht und radikal durchgegriffen hätte,
ohne Rücksicht auf Verluste. Statt dessen: Anpassung, Zurückweichen, Sorge um die eigene Haut, ums eigene Wohlergehen.
Dabei wissen wir doch, wie weit man es bringen kann, wenn
man nur folgerichtig vorgeht:
Jede beliebige ökonomische Doktrin hat, wenn sie rücksichtslos
angewandt wird, den Zusammenbruch des Wirtschaftssystems zur
Folge, das mit ihrer Hilfe kuriert werden soll.
Der konsequente Kapitalismus bringt faschistische Diktaturen hervor.
PIC: DER SPIEGEL Nr. 27, 28.06.2004
Beispiel und als Warnung dienen. W. hält keinen Vortrag, er ist
kurz angebunden, er wirft dem Publikum ein paar Knochen hin. In
der „anschließenden Diskussion“, die, wie gewohnt, an nichts
anschließt, steht, bleich vor seiner eignen Entschlossenheit, ein
Junglehrer auf. Er heißt Bernhard, zart gebaut ist er, lieb, wir kennen doch unsern Bernhard, eine von diesen olivgrünen Uniformjacken hat er an, obwohl er die Bundeswehr nicht ausstehen kann,
mit den Farben des Landes, das er konsequent BRD nennt, am
Ärmel, und sein langes braunes Haar ist sorgfältig gekrusselt, wie
der Tabak, aus dem er seine Selbstgedrehten herstellt - wie macht
er das nur, fragt man sich, diese Tausenden von kleinen Löckchen,
das sieht ja zauberhaft aus, ob es wohl eine Dauerwelle ist?
Jedenfalls, Bernhard zieht einen vergilbten Zeitungsausschnitt
aus der Tasche und liest ihn vor. Tatsächlich! Es geht daraus hervor, schwarz auf weiß, daß Wehner im Jahre 1926 öffentlich zum
Bombenwerfen aufgefordert hat. Und heute ist er gegen den
Terrorismus! Jetzt blickt sich Bernhard einen Moment lang beinahe triumphierend um. Er findet Herbert Wehner „unglaubwürdig“.
Er hat den Eindruck, als hätte er soeben etwas bewiesen. Aber
was eigentlich? Daß der alte Mann besser daran täte, Bomben zu
werfen? Daß er nur so tut, als hätte er etwas gegen den Terrorismus, aus Gründen der Opportunität? Oder daß er eine Wetterfahne ist, einer, der nicht weiß, was er will?
Wehner scheint seine Entlarvung mühelos zu überleben. Nicht
einmal wütend wird er, sondern er geht einfach zur Tagesordnung
über. Bernhard kann das gar nicht fassen. Er macht einen geradezu
hilfsbedürftigen Eindruck, und nur zögernd setzt er sich wieder hin.
Ja, lieber Bernhard, stell dir vor: Der Mann hat sich die Sache mit
dem Bombenwerfen im Laufe eines halben Jahrhunderts einfach
anders überlegt. Der Mann lebt nämlich, d. h., er bewegt sich, in
seinem Gehirn herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, er ist
noch lange nicht tot. Ist es das, was Bernhard so unverzeihlich findet? Ist er wirklich ein Liebhaber der Zwangsjacke, oder redet er
sich das bloß ein? Das wäre schade, schade um ihn und schade
um seine Schüler. Aber auch er bewegt sich immerhin, wenngleich
ungelenk; nur Mut, auch für ihn ist noch nicht aller Tage Abend.
Weniger lieb, weniger treuherzig, weniger verzweifelt als die
unseres Freundes Bernhard klingt eine andere Stimme, die sich
gern in solche Gespräche mischt, nämlich ölig, geübt und hämisch;
sie könnte einem Anwalt gehören oder einem aufstrebenden Politiker. Auch er bringt Unbedingtheitsforderungen vor. Und zwar will
er Taten sehen. Wem es nicht passe hier, der solle doch mal ausprobieren, wohin es führe, wenn einer mit dem Kopf durch die
Wand will. Bitte sehr! Aber einfach aufstehen und bloße Reden
halten gegen alles und jedes, ungestraft natürlich - wer sich damit
Der konsequente politische Kampf mit allen Mitteln führt zum
Terrorismus, ebenso wie die konsequente Verteidigung der
Staatssicherheit.
Die reine Lehre der Ökologie, die nicht den Menschen vor der
Umwelt, sondern die Umwelt vor dem Menschen schützen will,
landet beim Pfahlbauerntum.
Der Aufbau des Kommunismus endet, wenn man ihn ohne Wenn
und Aber betreibt, in dem mit Recht so genannten „sozialistischen
Lager“.
Das industrielle Wachstum, kompromißlos fortgesetzt, hat die
Vernichtung der Biosphäre zur Folge.
Die Konsequenz aus dem Wettrüsten ist der atomare Krieg.
Etc.
Wir befinden uns also, da hilft alles nichts, in einer neuartigen
Lage, die mir ziemlich gefährlich vorkommt. Den Risiken, die sie
mit sich bringt, wird man mit Mutproben schwerlich beikommen
können. Vielleicht sollten wir es einmal mit folgender Maxime versuchen: Die gute Sache, jede gute Sache, wird falsch, sobald wir
sie zu Ende denken. „In Gefahr und großer Not / ist die Konsequenz der Tod.“ Sie ist nicht so neu, wie sie sich anhört. In den
letzten Jahrzehnten haben die meisten Völker, im Lauf eines langwierigen, riesigen, bisher kaum erforschten molekularen Lernprozesses verstanden, daß ihre einzige Überlebenschance im Kuddelmuddel, im Durcheinander, im zähen, unübersichtlichen, immer nur
vorläufigen Ausprobieren besteht. Nur deshalb, nicht aus irgendwelchen ideologischen Loyalitäten heraus, finden sich Amerikaner
und Westdeutsche, Griechen und Japaner, Briten und Italiener, kurzum alle, die überhaupt die Wahl haben, mit den Segnungen der
(Sozial)Demokratie ab. Sie ahnen, daß die Alternative zur halben
Sache Barbarei und Selbstzerstörung hieße.
Es gibt sogar eine ganze Reihe von Politikern, die das begreifen, und zwar nicht nur im Westen. Schlechte Zeiten für charismatische Heldenväter und echte Führerfiguren. Glücklicherweise lassen sich Ganz Große Männer nirgends blicken. Die Weltpolitik
gleicht zunehmend einer Reparaturwerkstatt, wo sich sorgenvolle
Mechaniker, über stotternde Motoren gebeugt, am Hinterkopf kratzen und überlegen, wie sie ihre Karren wieder flottmachen könnten. (Die Rechnungen fallen entsprechend hoch aus.) Alexander der
Große wäre hier ebenso fehl am Platze wie Napoleon oder Stalin.
Dieses Milieu der Mittelmäßigkeit, diese ProthesenPolitik des
Sididurchwurstelns, die ja keineswegs nur in unserer unmittelbaren Umgebung an der Tagesordnung ist - oder gibt es auch nur
eine einzige Gesellschaft auf der Welt, die der Zukunft anders als
auf Krücken entgegenstolpert? -, hat schon manchen zu der Annahme verleitet, ein gut gezielter Fußtritt wäre genug, um die
Das Ende der Konsequenz 33
„Verhältnisse“ zum Einsturz zu bringen, so daß der Errichtung
einer Schönen Neuen Welt nichts mehr im Wege stünde. Die
Erfahrung lehrt, daß dies leider ein Trugschluß ist. Der Zusammenbruch der großen Kolonialreiche - um nur das massivste aller
Beispiele zu nennen, ein Ereignis, von dem immerhin zwei Drittel
der Menschheit betroffen waren - hat keine der Hoffnungen eingelöst, die sich vor dreißig Jahren daran knüpften, und zwar unabhängig davon, welche Form von „Unabhängigkeit“ sich die befreiten
Völker eingehandelt haben. Politik in der zweiten Hälfte des
zwanzigsten Jahrhunderts ist, wohin man blickt, nichts anderes
als Bastelarbeit, Zeitgewinn, Flickwerk, Improvisation, und der
größte Ehrgeiz, den sie kennt, ist das Überleben.
Und nun zu euch, liebe Kollegen, oder besser gesagt, zu uns denn ich möchte mich nicht ausschließen-, zu uns, die wir davon
leben, daß uns ab und zu etwas Neues einfällt. (Überlassen wir es
lieber anderen, uns „die Intellektuellen“ oder gar „die Kulturschaffenden“ zu nennen.) Daß es uns schwerer als andere ankommt,
das Ende der Konsequenz als Tatsache zu akzeptieren, ist leicht
einzusehen. Schließlich verdanken wir einen erheblichen Teil
unseres Selbstbewußtseins dem Hang, alles, was wir treiben, auf
die Spitze zu treiben. Seitdem es uns, als soziale Kategorie, überhaupt gibt, also wenigstens seit dem achtzehnten Jahrhundert,
haben wir mit- und gegeneinander das schöne Spiel gespielt „Ich
gehe weiter als du!“ Und nie waren dabei die Einsätze höher als
in den ersten fünfzig Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, der
heroischen Zeit der Moderne. Wer weiter als alle andern ging, der
war das Salz der Erde. Das ganze Pathos der Avantgarde, ihr
Prestige und ihr Hochgefühl, hing von dieser Logik ab. Ihr wichtigster theoretischer und ästhetischer Imperativ war die Konsequenz.
Nun muß man uns eines lassen: daß dieser Prozeß der Radikalisierung ziemlich unblutig verlaufen ist. Er führte ja nicht zu
Massakern, sondern im schlimmsten Fall zu einer gewissen Ode,
Intoleranz und Borniertheit. Man kann also ohne Zorn auf jene
heroische Periode zurückblicken; ja, es mag sich mit der Zeit sogar
eine gewisse Rührung einstellen angesichts jener schwarzen
Quadrate an der Wand, die man einst für den Kulminationspunkt
der europäischen Malerei gehalten hat, weil man glaubte, sie hätten die berühmte eherne Logik der Geschichte auf ihrer Seite. Das
waren noch Zeiten, als ganze Seiten voller kleiner e’s als der
Gipfel der Kühnheit galten und als zukunftsweisende poetische
Leistung! Und wenn einer einen 4 Minuten langen Vortrag Über
Nichts hielt, verharrte der Saal in ehrfürchtigem Schweigen, weil
„der objektive historische Stand des musikalischen Materials“
34 TONER #3
eine solche Konsequenz einfach unausweichlich machte.
Nicht immer freilich ist das intellektuelle Lieblingsspiel der
Dichter und Denker, der Bildner und Bauer („Ich bin radikaler als
du“) so glimpflich ausgegangen. Einigermaßen harmlos war es
nur, solange es in geschlossenen Räumen ablief. Als zum Beispiel
die Pioniere des Neuen Bauens die Idee aufbrachten, die architektonische Phantasie konsequent auf das Stapeln von weißen
Würfeln zu reduzieren, hatte das für diejenigen, die in diesen
Würfeln arbeiten und wohnen mußten, ziemlich fatale Folgen. Und
was die Theorie betrifft, so möchte ich, um es kurz zu machen, mit
eurer Erlaubnis eine kleine Geschichte erzählen.
Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre lehrte an einer der
Hohen Schulen von Paris, ich glaube, es war die Sorbonne, ein
jüngerer Dozent Gesellschaftswissenschaften und politische Ökonomie. Sein Spezialgebiet war die Volkswirtschaft der sogenannten Entwicklungsländer. In seinen Vorlesungen und Seminaren sah
man deshalb viele Stipendiaten aus dem ehemaligen französischen Kolonialreich: Senegalesen und Madegassen, Algerier und
Somalis, Vietnamesen und Marokkaner.
Aufgrund seiner theoretischen und empirischen Analysen war
er zu dem Schluß gekommen, daß die Befreiungsbewegungen in
den armen Ländern Herr des endemischen Elends nur werden
könnten, indem sie die von der Fremdherrschaft deformierten
Kolonialgesellschaften sozusagen umpflügten. Die Vertreibung der
Imperialisten und die Übernahme der politischen Macht nütze
nichts, wenn man die vorhandenen Sozialstrukturen unangetastet
lasse. Man müsse sie vielmehr von Grund auf mit radikalen Maßnahmen umwälzen. Im einzelnen schlug der Dozent drei fundamentale Eingriffe vor:
Als erstes gelte es, das Verhältnis von Stadt und Land umzugestalten. Die Urbanisierung der armen Länder sei verhängnisvoll;
sie müsse mit allen Mitteln rückgängig gemacht werden. Industrielle Projekte, die nur neue Abhängigkeiten vom ausländischen
Kapital schüfen, seien zurückzustellen. Der Landwirtschaft gebühre der absolute Vorrang.
Zweitens müßten sich die armen Länder vom Weltmarkt
abkoppeln, auf dem sich naturwüchsig das kapitalistische Gesetz
des Stärkeren durchsetze. Eine lang andauernde Isolation von der
Außenwelt sei in Kauf zu nehmen. Erstes ökonomisches Ziel
müsse die Selbstversorgung sein. Eine autarke Subsistenzwirtschaft habe zwar Entbehrungen zur Folge, von denen aber in erster
„Linie die ohnehin privilegierten Schichten betroffen seien.
Drittens sei es nötig, auch den kulturellen Einfluß des Westens zu brechen. Die einheimischen Eliten, vom Händler bis zum
Beamten, vom Lehrer bis zum Arzt, seien allesamt von den Wertvorstellungen und Ideologien der Metropolen infiziert. Es handle
sich um eine korrupte, parasitäre Schicht, von der eine ständige
Ansteckungsgefahr ausgehe und die entschlossen sei, jede wahrhaft selbständige nationale Entwicklung zu vereiteln. Deshalb
müsse ihr Einfluß ein für allemal liquidiert, ihre Macht gebrochen
werden.
Worauf beruht dieses Programm? Zum einen natürlich auf konkreten Erfahrungen aus verschiedenen Ländern, vor allem Nordafrikas; der junge Wissenschaftler hat ihre gesellschaftliche und
wirtschaftliche Dynamik eingehend untersucht. Aber seine Interpretation der Fakten wäre undenkbar ohne Voraussetzungen, die
aus der europäischen Tradition stammen. Und zwar hat er nicht
auf obskure Heilslehren und irrationale Weltanschauungen zurückgegriffen (schließlich hat das „abendländische Denken“ auch den
Rassenwahn, den Chauvinismus und den Judenhaß hervorgebracht), sondern auf den besten Teil unserer Überlieferung. Dem
Lehrer ging es, ebenso wie den Zuhörern aus allen Kontinenten,
die sich seine Thesen eifrig in ihre Kolleghefte schrieben, darum,
die krasseste Ungerechtigkeit, die unmenschlichste Unterdrückung
und das vermeidbare Leiden der Hungernden abzuschaffen. Sie
waren entschlossen, die Maximen der Französischen Revolution,
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die in ihrem Ursprungsland
nur noch Rathäuser und Drucksachen schmücken, beim Wort zu
nehmen.
Unter den stillen, fleißigen Studenten in diesen Seminaren
waren auch einige Kambodschaner; einer von ihnen hieß Khieu
Samphan, ein anderer Jeng Sary, ein dritter Saloth Sar - besser
bekannt unter seinem nom dc guerre Pol Pot. Fünfzehn Jahre nach
ihrem Examen, das sie allesamt mit Auszeichnung bestanden,
setzten diese Leute die Anweisungen ihres Lehrers konsequent in
die Tat um. Das Resultat ist jedem bekannt, der lesen kann oder
einen Fernseher besitzt; nur um die Frage, ob das Experiment der
Roten Khmer einer halben oder zweieinhalb Millionen Kambodschanern das Leben gekostet hat, streiten sich die Historiker noch.
Was aus dem Dozenten geworden ist, und was er von seinen
Schülern hält, weiß ich nicht.
Damit mich meine lieben Freunde nicht mißverstehen: Niemand
behauptet, daß es ein Verbrechen wäre, eine Sache zu Ende zu
denken. Wir sind allzumal neugierige Leute, die um ihr Leben gern
wissen möchten, wohin diese Hypothese oder jener Einfall führt.
Das ist schließlich unser Beruf. Auch ist es keine Schande, daß
sich die Wege, die wir auskundschaften, früher oder später meist
als Sackgassen erweisen. In einer endlichen Welt sollte man sich
hierüber nicht allzusehr wundern. Manche ziehen es vor, sich
lebenslänglich in ihrem cul-de-sac einzurichten. Und solange es
beim Denken bleibt, ist auch dagegen wenig einzuwenden, obwohl mir ein solcher Aufenthalt ziemlich langweilig scheint. Aber
wie die Fabel lehrt, halten die Liebhaber der Konsequenz sehr
wenig von der Differenz zwischen Theorie und Praxis. Gerade dort,
wo kein Weg mehr weiterführt, wollen sie ihre Idee in die Tat
umsetzen. Das kann, wie die Fabel lehrt, mörderische Folgen
haben. Wo Konsequenz nur um den Preis der Barbarei oder der
Selbstverstümmelung zu haben ist, kommt sie mir als verabscheuungswürdiger Anachronismus vor.
Dabei liegt die Alternative ziemlich nahe. Wenn euer Denken,
liebe Kollegen, diese Grenze erreicht hat, warum kehrt ihr dann
nicht einfach um und probiert den nächsten unerforschten Weg
aus? Das tut gar nicht so weh, wie ihr denkt. Natürlich müßt ihr
mit eurer Sehnsucht nach den heroischen Zeiten fertig werden, in
denen es noch so aussah, als könnte einer ein für allemal im
Recht sein. Natürlich dürft ihr keine Angst haben vor dieser oder
jener Partei, die ihr Biwak in der Sackgasse aufgeschlagen hat,
und die begreiflicherweise aufheult, wenn es so aussieht, als
könnten ihre geheiligten Prinzipien in die Binsen gehen. Natürlich
ist es auch nicht immer angenehm, von der eigenen Unfehlbarkeit
Abschied zu nehmen. Doch der geordnete Rückzug aus einer unhaltbaren Position ist das non plus ultra der Kriegskunst; alle
guten Strategen haben das gewußt, und alle Kommißstiefel haben
es vergessen.
Wenn ihr das Opportunismus nennen wollt oder Anpassung gebenedeit sei die Anpassung! Ich hielte es, im Zweifelsfall, lieber mit Paul Feyerabend, der behauptet: „Nicht die Ausrottung des
Opportunismus macht uns zu guten Menschen - sie macht uns
höchstens dumm -, sondern die Ausrottung der Tendenz, unsere
selbstischen Träume von einem guten oder ‘rationalen’ oder ‘verantwortlichen’ Leben sofort zu objektivieren und anderen Menschen in der Gestalt objektiver Werte aufzuzwingen.“
Aber, aber, wer wird denn da gleich so verbiesterte Gesichter
machen, nur weil Paul Feyerabend sagt, was er denkt! Es besteht
kein Grund, darüber gekränkt zu sein. Und ich für meinen Teil lade
euch ein, die Vorzüge der Inkonsequenz zu bedenken: das Risiko,
das sie gewährt, die Freiheit, sich ungehindert zu bewegen, das
Vergnügen an der Phantasie. Nur keine Angst, und vor allem:
keine Angst vor der Angst! Sogar zu einem bißchen Sarkasmus
könnte es wieder reichen, wenn man sich weigert, jederzeit auf
Verlangen grundsätzlich zu werden, zu einer gewissen Heiterkeit
im Angesicht der allgemeinen Depression. Hie und da eine Prise
Lichtenberg, ein Quentchen Diderot, ein Hauch Heine - und schon
Das Ende der Konsequenz 35
Und das Püree? Richtig, fast hätten wir es aus den Augen verloren! Aber es ist immer noch da, eine epochale Tatsache, allgegenwärtig wie Hamburger und Kreditkarten, ein weltgeschichtliches
Kontinuum. Das Püree bleibt. Es hat objektive Gründe. Deshalb ist
ihm mit Sarkasmus nicht beizukommen, geschweige denn mit Konsequenz und moralischen Grundsätzen. Man kann den Brei nicht
bis aufs Messer bekämpfen - dazu ist er zu nachgiebig; man kann
ihn nicht widerlegen dazu ist er zu zäh; man kann ihn nicht beseitigen - dazu ist er zu voluminös. Aber am Brei stirbt man nicht. Nur
wer sich ihm, wie der arme Herr G., in die Arme wirft, kommt
darin um.
Also was sagt die Stimme der Vernunft? Stoisch ertragen und
beharrlich ignorieren, sagt sie: den Bericht aus Bonn, zum fünfhundertsten Mal, das Symposion, live übertragen aus dem Verbrauchermarkt, den Kultur-Roller, die Denk-Theke; den Geheimtip runterschlucken; die Förderungsmittel ignorieren, die Lebenshilfe, den
Psychoquark, das Sozialgesuddel; den moraltriefenden, staatserhaltenden, revolutionären,kommunikationstheoretisch abgesicherten Verwertungsbrei stillschweigend, gleichmütig, geduldig über
sich ergehen lassen.
Leichter gesagt als getan. Ich weiß, das Püree gehört zu den
Unkosten der demokratischen, der einzigen Zivilisation, die wir
haben, wie die riesigen Dreckhaufen, die sich vor unseren Städten
auftürmen; es stinkt zum Himmel, aber gewalttätig ist es nicht. Ich
weiß, bei uns soll jeder dürfen, auch der niederträchtige Besserwisser, auch der gemeine Pharisäer, auch der moralische Kretin,
und kein Verfassungsgericht kann und will ihm das Maul verbieten. Im Gegenteil, es ist ein Grundrecht, im Püree zu waten. Aufgeschlossen, vorurteilslos, tolerant, so wie ichs gern wäre, möchte
ich am liebsten in den Ruf ausbrechen: Weiter so! Jedem das
Seine! Aber ich bringe es nicht fertig. Ich hasse diese machtge-
36 TONER #3
schützte Klebrigkeit. Das ist nicht logisch. Das ist nicht konsequent.
Bei Alfred Döblin heißt es einmal: „Ich habe nie versäumt, wo
ich ‘ja’ sagte, gleich hinterher ‘nein’ zu sagen.“ Der Aufsatz, in
dem dieser Satz zu finden ist, trägt keine gelassene, übermütige,
elegante Überschrift. Er heißt „Überfließend vor Ekel“.
Da ich sonst nichts Besonderes zu verherrlichen finde, wandelt
mich die Lust an, mit einer Lobrede auf den Eigensinn zu enden.
Natürlich wird es nicht an Trotteln fehlen - ich höre förmlich ihre
Zwischenrufe -, die Eigensinn und Konsequenz in einen Topf werfen und meinen, wo diese am Ende sei, müsse man auch jenen
fahren lassen. Das ist falsch. Der Eigensinn ist eine Frage der
Haltung, nicht eine Frage des Prinzips. Er braucht keine Begründungen, und Rechtfertigungen hat er nicht zu bieten. Genügsam,
wie er ist, erhebt er nicht den geringsten missionarischen Anspruch. Auch läßt er sich von keiner Theorie „ableiten“. Durch Meinungsumfragen und Statistiken wird er kaum zu „erfassen“ sein. Er
entzieht sich dem logischen Kalkül ebenso wie der politischen
Kontrolle, und wie sein Name schon sagt, läßt er sich nicht organisieren. „Sagt, was ihr wollt“, denkt der Eigensinnige, „ich weiß,
was ich will, und ich behalte es für mich.“ Dann, beim Abschied,
sagt er nur: „Es ist nicht zum ändern.“
Zum Beispiel - denn ohne Vorbilder geht es, aber ohne Beispiele geht es nicht - der unauffällige Mann, der ruhig, freundlich,
aber einsilbig im Schnellzug München-Konstanz sitzt. Vor den
Fenstern des Abteils III. Klasse ein trüber Novembernachmittag, es
wird früh dunkel. Der Mann mit den grauen Augen ist Mitte
Dreißig, ordentlich, aber arm gekleidet, wie ein kleiner Handwerker; er schwäbelt ein wenig; seine Hände sind feingliedrig und
geschickt. Was wird er gelernt haben, Kunsttischler vielleicht oder
Feinmechaniker; nach Feierabend spielt er Zither oder, wenn das
Geld reicht, geht er tanzen. Nein, Zeitungen liest er keine. Manchmal geht er in die Kirche, aber ausgeprägte religiöse oder ideologische Überzeugungen hat er nicht, und von Politik hält er wenig.
Endlich kommt der Zug in Konstanz an. Er steigt aus, geht
ohne Eile, aber zielstrebig durch die Dunkelheit, an Schrebergärten
und Schuppen vorbei. Es ist inzwischen dreiviertel neun Uhr, gleich
wird er die Schweizer Grenze erreicht haben. Da treten ihm zwei
Zöllner in den Weg, fragen ihn nach seinem Paß, der abgelaufen
ist, und verlangen, daß er seine Taschen ausleere. Schmuggelwaren hat er nicht bei sich, nur ein paar Zettel in der Tasche, ein
altes Rotfrontkämpfer-Abzeichen („aus alter Erinnerung“), ein paar
Schrauben, Federn und Bolzen, außerdem eine Ansichtskarte aus
einer Münchener Gastwirtschaft, dem Bürgerbräukel1er. Die Zoll-
beamten fordern ihn auf, zum Grenzpolizeiposten mitzukommen.
Es ist nur eine Routine-Kontrolle.
Während er dort in der Amtsstube wartet, der Kalender an der
Wand zeigt den 8. November 1939, explodiert um 21.10 Uhr, auf
die Sekunde genau, in München, drei Minuten nachdem Hitler, früher als vorgesehen, den Saal verlassen hat, die Bombe, die Georg
Elsner in vier Monaten langer Arbeit hergestellt und in einem
Stützpfeiler des Bierlokals eingebaut hatte.
Georg Elser, geboren am 4. Januar 1903 in Hermaringen und
am 9. April 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet, Hitlers
gefährlichster Gegner, gehörte keiner Versdiwörergruppe an, er
gehorchte nicht den Weisungen einer Partei. Er hat sein Attentat
ganz allein geplant, vorbereitet und ausgeführt. Seine Geschichte
gehört nicht zum Lesestoff deutscher Schulbücher. Die deutschen
Historiker verzeichnen sie, wenn überhaupt, in einer Fußnote. Für
Diskussionen gibt sic wenig her. Sie läßt sich nicht verallgemeinern.
Fachleute, die seit Jahrzehnten auf dem neuesten Stand der
Forschung stehen, und Leitartikler, die es ihnen nachbeten, versichern uns, daß wir in einer anonymen Massengesellschaft leben,
daß wir außengesteuerte Zombies sind, und daß ganze Generationen unter Anomie, Narzißmus und Ich-Schwäche leiden. In
Wirklichkeit aber kann man eigensinnige Menschen heute wie vor
vierzig, wie vor vierhundert Jahren überall antreffen, an jeder
Straßenecke, in jedem Milieu. Der Eigensinn hat keinen soziologischen Ort. Er ist kein Privileg der Intellektuellen, im Gegenteil. Ich
vermute, daß er so leicht und so schwer auszurotten ist wie das
Menschengeschlecht. Aber das kann ich, wie die meisten meiner
Vermutungen, nicht beweisen. Woher, mitten im tiefsten Brei, der
Eigensinn kommt, wovon er zehrt und worauf er es abgesehen hat,
kann ich mir nicht erklären. Ich möchte diese Frage, wie die meisten, die mich interessieren, offenlassen.
PIC: HANS-JÜRGEN BURKHARD aus 24 Stunden Ruhrgebiet - Das Fotoereigniss
röche es nicht mehr so muffig im intellektuellen Psychodrom.
Denn „wer ist dieser stille Gentleman, der den Staat nicht grüßen
und weder Nebukadnezar noch dem Proletariat dienen will und
eher glaubt, daß jeder schon genügend zu tun hat, sein eigenes
Kanu durch den Strom des Lebens zu paddeln?“ Dreimal dürft ihr
raten. Richtig! „Es ist Mr. Dooley, der weiseste Wicht, den unser
Land je kannte.“
Unter den verbotenen Hintergedanken, die da, nach Aufhebung der Selbstzensur, zum Vorschein kämen, könnte sich, wer
weiß, manches Brauchbare, manches Überraschende finden; und
wie angenehm wäre es doch, wenn der ganze Apparat der mühsamen Verdrängung, der politischen Bigotterie und der selbstverliebten Prinzipienreiterei auf dem Sperrmüll verschwände!
Das Ende der Konsequenz 37
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PIC1: GEORG WENKER Deutscher Sprachatlas
PIC2: ATELIER LITZENRATH
PIC3: UNBEKANNT
40 TONER #3
41
PIC: FIT FOR FUN, Nr. 9/03
TXT1: DEUTSCHER SPARKASSENVERLAG Wissen wie man weiter kommt
TXT2: ECKHARD HENSCHEID Was ist eigentlich der Herr Engholm für einer?
Brain up!
Die kesse Werbeagentur, die der Bundesbildungsministerin den
Slogan Brain up! verkauft hat, wollte damit vielleicht nur an den BH
mit Push-up-Effekt erinnern und einem Mangel an Sexappeal in der
deutschen Forschungslandschaft abhelfen. Trotzdem stellt sich die
Frage, ob der Wonderbra wirklich als Vorbild für die Verbesserung
der akademischen Konkurrenzfähigkeit taugen kann. Soll das Wissenschaftsniveau tatsächlich nur optisch angehoben werden ? Geht
es um das Vortäuschen von Volumina, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind? Beschränkt sich die neue Professionalität darauf, mit
importierten Wundermitteln zu wiederholen, was früher schon einmal billiger mit Papiertaschentüchern erreicht wurde?
Die Botschaft, die Edelgard Bulmahn im Jahr der Innovation
verkündet, ermutigt nicht gerade den ehrlichen Forscher. Gibt es
Geld nur für kosmetische Anstrengungen? Ist es vielleicht schon für
die PR-Aktion des Ministeriums verpulvert worden? Brain up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten. Einer solchen Spitzenformulierung ist gewiss ein Brainstorming vorausgegangen. Wahrscheinlich ist die Aktion auch schon ans Fernsehen verkauft worden. In der Jury, der die Spitzenuniversitäten dann vortanzen werden, könnte Verona Feldbusch sitzen. Da werden die Rekoren geholfen!
Denn das ist offenbar auch der Vorzug des Englischen, dem sich
die deutsche Hochschulen anbequemen sollen, um in die internationale Spitzenliga zu kommen: dass die Grammatik nicht so verzwickt
ist - push up, brush up, brain up! So einfach geht das. Komplexitätsreduktion ist eine der großen Innovationsleistungen der Wissenschaft. Man konnte sie schon jetzt bei dem Kongress beobachten, den Frau Bulmahn angeregt hat. Er heißt: Deutschland. Das
von morgen.
Das ist Spitzenrhetorik: Deutschland. Punkt. Damit ist schon so
vieles gesagt. Da muss man erst einmal Atem holen für die folgende, alles entscheidende Differenzierung: Das von morgen. Nicht
etwa das von gestern! Gott behüte! Auch nicht das von heute. Das
traurige Heute muss erst überwunden werden durch Innovation.
Noch ist sie unsichtbar, kaum größer als ein Punkt. Aber in diesem
Punkt steckt die ganze Verheißung: Wir werden sein ein einig Volk
von morgen! Darauf könnte Dieter Bohlen eine einnovative Hymne
komponieren, die durch die Universitäten beim großen Fernsehwettbewerb vorgesungen wird. Zu fürchten steht allerdings, dass
am Ende der Rektor mit der knackigsten Figur gewinnt, der noch
nicht einmal den ministeriellen Wonderbra benutzt.
42 TONER #3
PIC: MAX GOLDT aus Die Kugel in unseren Köpfen
Die Superstars der Wissensvhaft
von Jens Jessen
Brain up! 43
44
Eins bis Achtzehn 45
PICS: FRAU VON HEUTE Nr. 51 vom 10.Dezember 2004;
YAM Nr. 51 vom 8. Dezember 2004
46 TONER #3
47
* aus Silentium! von Wolf HaasPIC 1: PRAKTIKER (Werbebeilage) gültig ab Freitag 06.05 - 12.05.05
PIC 2: JÖRG KIRCHBAUM (Hg.) Deutsche Standarts
TXT 2: WIGLAF DROSTE Am Arsch die Räuber
TXT: DIE ZEIT Nr. 4 vom 20. Januar 2005
PIVC: BERNHARD STEIN Meine große Welt der kleinen Bahnen
„Wir laufen zwar verstärkt Streife, aber es ist nicht strafrechtlich
relevant, amerikanische Fähnchen in Hundekot zu stecken.“
Reiner Küchler, Polizeisprecher von Bayreuth, aus gegebenem Anlass
von Edmund Stoiber
zusammengestellt von Stefan Wirner
Auzüge
Ich danke allen, die gekommen sind. Viele haben nur einen Stehplatz oder können die Veranstaltung wegen
Überfüllung nur vor der Halle verfolgen. Mein Gruß gilt jedem von Ihnen. Ich grüße alle Altbaiern, alle
Schwaben und alle Franken und unseren vierten Stamm, die Sudetendeutschen! Allen Sudetendeutschen
gilt mein ganz herzlicher Gruß. Meine Frau und ich wünschen Ihnen alles Gute. Ich grüße alle Gäste, die von
außerhalb Bayerns einen teilweise langen Weg auf sich genommen haben, um heute hier zu sein. [...]
50 TONER #3
PIC: HERMANN LINDER Biologie, 17. völlig neuüberarbeitete Auflage, 1971
Eine Rede
Ich grüße auch unsere ausländischen Gäste und alle, die unsere
Veranstaltung am Bildschirm verfolgen. Von den Alpen bis zur
Nordsee und vom Rhein bis an die Oder reicht die Anziehungskraft
dieser Veranstaltung. [...]
In Passau trifft sich der größte politische Stammtisch in Deutschland. An den Stammtischen werden die Sorgen und Nöte der
Menschen diskutiert. Wer die nicht ernst nimmt, nimmt die Menschen nicht ernst. Wer Stammtische diffamiert, der diffamiert die
Bevölkerung.
Sie können aber heute sicher sein: Vor Ihnen steht das Original! Die Menschen haben nicht das Interesse an Politik verloren!
Sie wollen eine Politik, die glaubwürdig ist! Sie wollen eine Politik
mit Sachverstand und Weitblick! Sie wollen eine Politik, in der
nicht um den heißen Brei herumgeredet wird, sondern die die
Dinge beim Namen nennt und erfolgreich voranbringt! Dafür stehen
Passau und die CSU!
Wir sagen, was wir tun, und wir tun, was wir sagen. Wir müssen nicht sagen, was ankommt, sondern worauf es ankommt. Wir
werden aufnehmen, was die Menschen bewegt und wir werden
ihnen Gehör verschaffen. Die CSU spricht die Sprache des Volkes.
Die CSU greift die Themen auf, die die Menschen bewegen. Die
CSU ist die große Volkspartei in Bayern! Wir verbinden Tradition
und Fortschritt, Laptop und Lederhose.
Wir sind die politische Heimat für Liberale, Christlich-Soziale
und Konservative. Es menschelt auch bei uns. Skandal und Skandälchen gehören zur deutschen Parteiengeschichte. Wir sind die
große politische Gemeinschaft der bürgerlichen Mitte. Wir wollen
Werte vermitteln. Dafür steht auch das Kruzifix, das hier in Bayern
auch weiterhin im Klassenzimmer hängen wird. Der Mensch lebt ja
nicht nur von Abwechslung und permanenter Veränderung. Der
Mensch braucht auch Fixpunkte, auf die er sich verlassen kann, die
ihm vertraut sind und die ihm Halt geben.
Die Mehrheit der Menschen nimmt Alkohol nicht, um besoffen
zu werden. Nur wer etwas kann, hat Chancen. Wer nichts leistet,
obwohl er etwas leisten könnte, darf dem Staat nicht auf der
Tasche liegen. Nicht Wohltaten, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Lebensweisheit gilt heute mehr als je zuvor. [...]
Meine Damen und Herren, ein Volk kann nicht von Tag zu Tag
leben. Es braucht zu seiner Selbstvergewisserung und zu seiner
Selbstachtung die Verwurzelung in seiner Geschichte, in seinen
Traditionen, in seinem Brauchtum. Die Menschen tragen in sich die
Liebe zu ihrer Heimat. Bayern ist zuallererst meine Heimat, Deutschland ist mein Vaterland. Und es ist meine feste Überzeugung,
dass die Politik beitragen muss, die deutsche Identität zu formulieren.
51
52 TONER #3
vertriebenen Sudetendeutschen in Bayern ein eigener Stamm.
Vor allem in der so genannten 68er Generation wollen manche
Deutsche alles sein, nur keine Deutschen. Als Reflex auf den
schamlosen Missbrauch des Nationalen zwischen 1933 und 1945
war das psychologisch verständlich, aber ein auf Dauer unhaltbarer Versuch des Ausstiegs aus der Geschichte und der Verdrängung der eigenen Identität. Wir können nicht einfach einen
Schlussstrich ziehen, weder indem wir unsere Zugehörigkeit zu
dieser Nation leugnen, noch indem wir die Auseinandersetzung
mit der Zeit vor 1945 einfach beenden.
Wir müssen dennoch - und zwar eben auf andere Weise - zu
einem geläuterten Verhältnis zur Nation und zu einem aufgeklärten Patriotismus finden. Für die Amerikaner, die Franzosen, die
Briten und andere Nationen ist Patriotismus etwas Selbstverständliches. Wir müssen gerade auch bei unserer Jugend ein
historisch gefestigtes Wissen über die Sternstunden, aber auch
über die Abgründe unserer Geschichte fördern. Nur so schützen
wir unser Volk und unsere Jugend vor Irrwegen, die ein für alle
Mal hinter uns liegen müssen. Wenn wir dafür sorgen, dann wird
der Tag der Deutschen Einheit als unser Nationalfeiertag auf
Dauer lebendig im Volk verankert bleiben und dann wird unser
Vaterland in der Tat im Glanze dieses Glückes blühen, wie es
unsere Nationalhymne beschwört.
Die Zukunft Europas steht vor bedeutenden Weichenstellungen: Wie kann die Ost-Erweiterung funktionieren? Wo liegen die
Grenzen Europas? Wollen wir einen europäischen Staat? Wir steigen in Passau ins Auto und in Rom, Madrid oder Paris wieder aus,
ohne Grenzkontrollen. Das alles ist Europa! Was wir erreicht
haben, müssen wir bewahren. Wir dürfen es nicht aufs Spiel setzen! [...]
Die Mehrheit der Bürger bei uns will kein Europa, das wie
wild geworden über das kleine Österreich herfällt und mit Sanktionen droht, als ob der Untergang des Abendlandes unmittelbar
bevorstünde. Das ist nicht das Europa, das wir uns wünschen! Das
steht Europa heute nicht zu und das darf Europa auch in Zukunft
nicht zustehen! Österreich ist Urgestein Europas und Brücke zwischen West- und Osteuropa. Wer Österreich boykottiert, trifft
Europa ins Herz. [...]
Wir geben Europa, was es braucht, aber wir lassen uns von
Europa nicht nach Belieben melken. Die D-Mark ist keine Morgengabe für die Integration Europas. Die Währungsunion war niemals
als Vehikel für die politische Union Europas gedacht. Die EU ist
kein Staat. Wir sind nicht die Vereinigten Staaten von Europa.
Brüssel ist nicht unsere Hauptstadt.
Demokratie braucht Bürgernähe. Wir wollen, dass unser herrli-
PIC: DIE ZEIT NR. 25, 9. Juni 2004
Wir müssen uns bewusst werden, was die deutsche Identität eigentlich ist. Wir wollen daran erinnern, welcher Mut und welche
Kraft der Menschen notwendig war, um die Mauer zu überwinden.
Kraft und Mut brauchen wir auch heute noch, um die Reste der
Mauer in den Köpfen einzureißen und um die enorme Aufbauarbeit zu Ende zu bringen, die wir in den letzten zehn Jahren geleistet haben.
Die ohnehin schwierige Umstellung auf ein völlig anderes
wirtschaftliches und politisches System ist für viele sehr schmerzhaft geworden. Manche Erwartung wurde bitter enttäuscht. Aber
wir dürfen darüber nicht all das vergessen, was an Positivem
geleistet wurde. Wer heute in Ostdeutschland unterwegs ist und
den Vergleich mit früher zieht, der sieht ein anderes Land. Es gibt
heute tatsächlich vielerorts die „blühenden Landschaften“, von
denen Helmut Kohl gesprochen hat und wofür er von vielen verspottet wurde. [...]
Es liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, um die Spuren,
die 40 Jahre Sozialismus im Osten des geteilten Deutschlands
hinterlassen haben, endgültig zu überwinden. In Deutschland wird
zu Recht gemahnt: Es darf kein Vergessen der Opfer unserer Geschichte geben! Ich frage: Gilt das nicht auch für die Opfer der
Mauer? Sie wollten von Deutschland nach Deutschland und haben
dafür mit ihrem Leben bezahlt. Ihr Schicksal darf nicht umsonst
gewesen sein. Ihr unbeugsamer Mut bleibt uns Mahnung gegen
zwangsbeglückenden Sozialismus und Teilung. Wir erinnern uns
der nahezu 1 000 Toten von Mauer und Stacheldraht. Wir gedenken der Zigtausenden politischen Gefangenen der DDR. Wir gedenken der 17 Millionen Deutschen, die hinter dieser schrecklichen Mauer ihrer Freiheit, ihrer Hoffnungen und ihrer Lebenschancen beraubt wurden. Wir sind Deutsche, und wir gehören
zusammen!
Wir werden die Wiedervereinigung nicht allein mit der materiellen Angleichung der Lebensverhältnisse schaffen, wir brauchen
einen natürlichen Patriotismus. Ich bin der festen Überzeugung:
Die Nation hat nach wie vor eine elementar wichtige Bedeutung.
Die Nation ist - zumindest auf absehbare Zeit - die größte gesellschaftliche Einheit, mit der sich die Menschen identifizieren können, zu der Menschen eine emotionale Bindung spüren und innerhalb derer eine einigermaßen belastbare Solidarität herrscht.
Alle Deutschen stehen gleichermaßen in der Verantwortung
für das Unglück, das die verhängnisvolle Wahl einer verbrecherischen Regierung unter Adolf Hitler über Deutschland und die Welt
gebracht hat. Für die deutsche Nation gibt es, was das Verhältnis
zu den Juden anbelangt, kein Zurück zur Normalität. Die Juden
sind neben den Altbaiern, Schwaben und Franken und den heimat-
54 TONER #3
Wer sie erdulden musste, wird dies sein Leben lang nicht vergessen. Lassen Sie sich, lassen wir uns daher von niemandem das
Recht nehmen oder absprechen, über unsere Toten von Flucht,
Vertreibung und Deportation zu trauern, über unsere Toten von
Krieg, Gefangenschaft und Zwangsarbeit. Deutsche haben durch
Russen, Polen, Tschechen und im Namen der jeweiligen Regime
gelitten. Trauer und Erinnerung an die Vertreibung müssen selbstverständlicher Teil unseres nationalen historischen und kulturellen
Fundus sein.
Dieser Erinnerungsfundus ist es, der uns als Einzelperson wie
als Nation Identitäten gibt. Wer sich nicht erinnert, versinkt im
Dunkel der Geschichte. Wer sich dagegen erinnert, bleibt unverwechselbar, behauptet seine Identität. Diese Identität zu behaupten, war und ist die große Sorge der Heimatvertriebenen. Denn sie
erwarten zu Recht, dass die eigenen Landsleute ihr Schicksal nicht
verharmlosen, nicht unter den Teppich kehren, nicht einfach einen
Schlussstrich darunter ziehen. [...]
Meine Damen und Herren! Rot-Grün will über Staatsangehörigkeitsrecht und Einwanderung eine andere Republik. Innenminister
Schily will ein Einwanderungsland Deutschland. Das ist mit der
CSU - und ich nehme an, auch mit der CDU/CSU-Fraktion - nicht zu
machen. Wir sind gegen eine lasche Handhabung des Staatsbürgerschaftsrechts. Unsere einmalige Rechtslage lädt geradezu ein,
unlösbare Probleme anderer Staaten in unser Land zu tragen. Die
doppelte Staatsbürgerschaft wird die Sicherheitslage mehr gefährden als die Terroraktionen der RAF in den siebziger und achtziger
Jahren.
Dass man nach acht Jahren einfach Deutscher werden soll, das
regt fast alle auf. Die Menschen spüren, dass das die Grenzen
unserer Identität als Deutsche sprengt. Nicht einmal das klassische
Einwanderungsland USA öffnet sich für eine unbegrenzte und
ungesteuerte Zuwanderung. Wer sein Kind zum Beispiel hier im
Münchner Stadtteil Hasenbergl in einer Schule mit über 50 Prozent
Ausländeranteil hat oder wer als Lehrer dort unterrichten muss, der
hat kein Verständnis dafür, wenn Rot-Grün der CSU den Hinweis
auf Integrationsprobleme als mangelnde Liberalität oder Deutschtümelei vorwirft.
Wir wollen, dass die Deutschen ihre Probleme im eigenen Land
möglichst selbst lösen. Das Zuwanderungsgesetz muss ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz sein. Deutschland ist kein Einwanderungsland und braucht deshalb auch kein Einwanderungsgesetz. Wir
müssen die Zuwanderung insgesamt begrenzen und verstärkt an
den Erfordernissen der sozialen Stabilität und wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft ausrichten. Dazu gehört
nach wie vor die Umwandlung des Asylrechts in eine institutionelle
Garantie. Das muss man auch einmal offen ansprechen können!
Wir dürfen doch aus lauter Political Correctness die Realität nicht
leugnen.
Es geht um die Zukunft für Bayern, für Deutschland und für
Europa. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen. Die Zuwanderungsregelung ist eine Frage von größter Bedeutung für unser
Land. Was ist mit den Parallelgesellschaften? Was passiert im
Bereich des Nachzugs? Wir sind heute schon das Land mit dem
größten Ausländeranteil in der EU, und wir integrieren jedes Jahr
in Deutschland eine Stadt in der Größe von Dortmund oder
Nürnberg. Da ist für die Mehrheit der Bürger eine Grenze erreicht.
Man darf nicht auf Dauer treiben lassen, was auf den erbitterten
Widerstand der Bevölkerung stößt. Wer Ausländer ungeregelt
zuziehen lässt, der importiert auch Kriminalität. [...]
Wir werden uns nicht irre machen lassen, wenn Rot-Grün in
„heiliger“ Empörung über die herfällt, die nichts anderes fordern,
als dass das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern vom
Respekt vor den geltenden Regeln und Werten in unserem Land
geprägt sein muss und die dafür das Wort Leitkultur verwenden.
Dabei geht es doch nicht um deutsche Überheblichkeit gegenüber
fremden Kulturen, sondern um die Minimierung von Konflikten.
Wir wollen keine unbegrenzte Zuwanderung und eine multikulturelle Gesellschaft, in der es kein gegenseitiges Bemühen um
Integration gibt, sondern Ghettoisierung und Parallelgesellschaften, die sich kulturell, sprachlich und religiös nicht verständigen
können und wollen. Wir sagen klar: Auf eine Prüfung des Bekenntnisses zur Verfassung und der Bereitschaft zur Integration bei Ausländern darf nicht verzichtet werden.
Sich seiner eigenen Identität sicher zu sein, ist unverzichtbare
Voraussetzung für Integration. Aber Integration ist auch mehr als
das selbstverständliche Bekenntnis zur Verfassung. Es ist das Interesse und die Offenheit für die kulturelle Überlieferung der neuen
Heimat und es ist die Bereitschaft zur Anpassung an die dort geltenden zentralen Werte und Regeln.
Wir müssen alles tun, um die Fluchtursachen zu verhindern.
Das Schließen der Grenzen bei einer Völkerwanderung darf nicht
zum Tabu werden. Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht! Die
durchrasste und durchmischte Gesellschaft ist eine Gefahr für
Deutschland. [...]
Was wir brauchen, ist ein starker Staat gegen Extremisten
gleich aus welcher Ecke. Wer hier zwischen guten und schlechten
extremistischen Gewalttaten unterscheiden will, macht sich vollkommen unglaubwürdig. Wer mit dem Terror sympathisiert, hat in
unserem Land keinen Platz! Diese Leute müssen unser Land verlassen - und zwar so schnell wie möglich! Wir brauchen auch
einen starken und wehrhaften Staat, der notfalls mit allen staatlichen Machtmitteln einschreitet. Für PDS-Mitglieder wird dann im
öffentlichen Dienst dasselbe gelten wie für DKP- und NPD-Mitglieder.
Es ist geradezu eine Verdrehung des Gnadengedankens, Straftätern, die aus politischer oder sonstiger Überzeugung letztlich
den Rechtsstaat angreifen, nachträglich Straffreiheit einzuräumen.
Liberalität heißt doch nicht, für alles offen zu sein und alles zu
tolerieren! Das ist doch Wahnsinn! [...]
Es geht um eine Schicksalsfrage - nicht nur für Europa, sondern auch für Deutschland.
Wir werden für Werte und Prinzipien kämpfen, weil es um
unser Land geht! Ihnen allen wünsche ich viel Erfolg auf dem
Weg, in Ihrer Gemeinde mit und für Ihre Bürgerinnen und Bürger
Heimat zu gestalten! Ich bitte Sie, unterstützen Sie uns! Ich bin
bereit, meine Kraft und meine Erfahrung für ganz Deutschland einzusetzen.
PIC: TITANIC Die beste Satiere aus sieben Jahren
ches Bayern bürgernah bleibt. Vielleicht definierten wir uns in
letzter Zeit zu stark über Europa. Sicher, Europa ist wichtig für
unsere Zukunft, aber es kann das Vaterland nicht ersetzen. Ich
bin im Krieg geboren und betrachte mich als der unmittelbaren
Nachkriegsgeneration zugehörig. Natürlich kann ich aufgrund
meiner Kriegserlebnisse als kleines Kind beurteilen, welche
enorme Leistung bezüglich der Integration Europas von Adenauer
bis Kohl erbracht wurde.
Der „amerikanische Weg“ oder irgendwelche nicht näher
definierten „Dritten Wege“ können für uns kein Vorbild sein. Wir
wollen ein bürgernahes Europa der Nationen und Regionen und
keinen europäischen Zentralstaat. Ein Europa ohne Nationen ist
ein geschichtlicher Widerspruch. Europa kann niemals die Bindungen der Nation ersetzen! Wir wollen ein Europa der Vielfalt
und keine Gleichmacherei. Europa muss Heimat sein! Bayern
muss Bayern bleiben können - auch in einem gemeinsamen
Europa.
Die Sudetendeutschen kommen aus einem Herzland Europas.
Ihre Heimat ist europäisches Urgestein. Die Sudetendeutschen
sind in vielfältiger Weise trotz der Vertreibung gerade wegen der
langen gemeinsamen Geschichte eigentlich die natürlichen
Befürworter des Beitritts auch ihrer Heimat in die Europäische
Union, sicherlich mehr als die Portugiesen oder Griechen.
Die Sudetendeutschen haben in den vergangenen Jahren
wirklich viel für ihre Heimat getan. Das große Engagement in
den vergangenen Jahren zeigt, wie eng und wie liebevoll die
Sudetendeutschen nach wie vor mit ihrer alten Heimat verbunden sind. Sie haben wirklich daran gearbeitet, das Eis zu brechen, das sich durch die NS-Verbrechen, die Vertreibung und den
40jährigen Kalten Krieg aufgetürmt hatte. Sie haben tausendfache Brücken in die alte Heimat gebaut. Ideologen und Extremisten hatten in ihren Reihen nie eine Chance.
Heimatrecht ist mehr als Niederlassungsfreiheit. Niederlassungsfreiheit ist rein ökonomisch definiert. Heimatrecht umfasst
das Recht, in seiner angestammten Heimat zu leben oder dorthin
zurückkehren zu können. Wer, wenn nicht die deutschen Heimatvertriebenen, ist dazu berufen, Mahner zu sein. Denn damals,
1950, lebten die meisten Vertriebenen noch in Lagern und
Sammelunterkünften, ohne Habe, zum Teil getrennt von Familien,
verzweifelt, hoffnungslos, apathisch, voller Trauer über den
Verlust von Angehörigen. Millionen blickten in eine ungewisse
Zukunft. Hinter ihnen lagen Not und Tod, Flucht bei bitterer Kälte
über die Ostsee oder das Riesengebirge, Todesmärsche, Vergewaltigungen der Frauen, Zwangsarbeit, Demütigungen aller Art.
Die Vertreibung war ein tief einschneidendes Geschehen.
Eine Rede 55
PIC: MARION HERZOG So kocht man in der Bundeswehr
TXT1: WERNER SCHAUBE Anders gesagt - Gebetimpulse für junge Leute
TXT2: DIE ZEIT GESCHICHTE , Nr.1, Teil 2 April 2005
PIC: BILD vom Sonnabend, 14. Mai 2005
TXT: www.heinrichluebke.de
„... Herr Professor Hess sich auch von seinem Thema abwandte und uns über das Wesen und das, den Sinn
der Elemente, über die alter-, über die mittelalterliche über die heutige Dichtung über das Wasser sprach,
ist nicht nur etwas, was man nicht tun sollte, sondern es ist etwas, was man tun sollte. Dadurch - (Beifall) dadurch wird solch ein Vortrag erst interessant; und ich glaube, es ist auch besser für das Publikum, wenn
ein solch umfassender Vortrag einige Punkte des nachfolgenden Redners freimacht, und nicht vorge.., weil
er nicht vorgetragen zu werden braucht, sondern auch den Redner entlastet, in einer Situation, wo er das
gerne sieht.Sie haben in einer wundervollen Art die gesamte Notwendigkeit und den Sinn der Pflege des
Wassers auch unter die kulturellen Gesichtspunkte gestellt. Sie haben damit angefangen, sie haben damit
aufgehört. Man sollte wirklich denken, wenn wir heute ein gebildetes Europäertum wären, dann würden wir
schon aus diesem Grunde der engen Verbindung alles dessen, was mit Wasser zu tun hat, gleichzeitig mit
unserer Kultur, auch mit unserer, nicht auch, sondern mit unserer Dichtkunst ist das hier sehr klar in Erscheinung getreten. Dann würden wir schon aus dem Grunde vermeiden, dass wir hier Wasserläufe haben, die
man als Wasserläufe nicht mehr ansprechen kann, sondern die als Kloaken nur bezeichnen kann.“
Heinrich Lübke, ehemaliger Bundespräsident der BRD zum Thema Wasser
PIC: http://www.fdp-bundesverband.de/forum
PIC 1: ARAL BV-Karte, Blatt 2 Ausgabe Westdeutschland
PIC 2-5: YAM! Nr. 51 vom 8.Dezember 2004
Rockmusik als Beruf
PIC + TXT : YAM! Nr. 51 vom 8.Dezember 2004
aus Rock und Pop in Deutschland von Rainer Niketta und Eva Volke
64 TONER #3
Das Spielen von Rock/Pop kann als interessante Freizeitaktivität gesehen werden, die es aus freizeitpädagogischen Gründen zu fördern gilt; eine derartige Förderung hätte zudem auch angenehme wirtschaftliche
Konsequenzen (höherer Umsatz in der Musikbranche). Werden überhaupt Berufsmusiker im Rock/PopBereich in der Bundesrepublik benötigt? Auf der anderen Seite geistert der Traum des Professionals, des
Superstars durch die Wunschträume der Musizierenden, aber auch aus politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Erwägungen stimmt es nachdenklich, wenn eine kulturelle Eigenständigkeit aufgegeben werden
würde: Ohne Berufsmusiker keine eigenständigen Produktionen, zudem würde im P-A-P-System der Professional fehlen. Die Aussicht, Rockmusik als Beruf ausüben zu können, war aber schon immer gering (vgl.
Frith, 1978 1981). Wie im Kapitel 2.1 ausgeführt wurde, stellt der Professionalisierungsgrad eine wichtige
Determinante für Eigenständigkeit einer Musikszene dar. Im folgenden Abschnitt werden wir auf den
Professionalisierungsgrad der Rockmusiker und Rockmusikerinnen näher eingehen und überprüfen, mit welchen Variablen dieser verbunden ist.
65
66 TONER #3
gegeben. Nahezu alle Rockmusiker und Rockmusikerinnen halten
die Fähigkeiten zum kreativen Arbeiten für eine wichtige Voraussetzung. Auf den beiden folgenden Plätzen folgen nicht musikalische Voraussetzungen, sondern Persönlichkeitseigenschaften: Ein
Profimusiker muß sich „gut verkaufen können“ und „muß die
Fähigkeit besitzen, sich in unterschiedlichen Gruppen schnell zurecht zu finden“ (Originalwortlaut der Fragen). Nicht ganz 1/4 der
Befragten halten kaufmännische Kenntnisse und die Fähigkeit,
mehrere Instrumente spielen zu können, für wichtig. Auch Notenkenntnisse werden für einen Profimusiker für nicht sonderlich
wichtig gehalten. Wichtiger sind Spieltechnik (,’überdurchschnittliche spieltechnische Fähigkeiten auf dem Instrument“) und Musiktheorie. Wie allerdings fehlende Notenkenntnisse und musiktheoretisches Wissen miteinander harmonisieren können, ist fraglich.
Es sei angemerkt, daß sich das Anforderungsprofil seit der Untersuchung von Niketta, Niepel und Nonninger in Bielefeld (1983)
nicht geändert hat (genaue Ergebnisse in Niepel, 1982).
Für die weitere Analyse wurde eine Reduktion der Daten vorgenommen. Mittels des statistischen Verfahrens der Faktorenanalyse wurden die zugrundeliegenden Dimensionen der Professionalisierungsinhalte ermittelt. Wir können die vier Dimensionen der
Professionalisierungsinhalte wie folgt interpretieren (Zustimmungsprozente in Klammern):
Kreativität hingegen kann nicht gelehrt werden. Hier stoßen Ausbildungsinstitutionen an ihre Grenzen.
Hängt das Anforderungsprofil für einen Profimusiker bzw. eine
Profimusikerin von dem Professionalisierungsgrad ab? Es kann
davon ausgegangen werden, daß Professionals ein realistisches
Anforderungsprofil besitzen, da sie ja wissen müßten, was von
ihnen gefordert wird. Abweichungen bei den Rockmusikern und
Rockmusikerinnen, die nicht als Professionals tätig sind, könnten
dann als ein Hinweis auf eine nicht ganz realistische Einschätzung
von Professionalisierungsinhalten interpretiert werden. Die Ergebnisse zeigen, daß keine Unterschiede hinsichtlich der Kreativität
und der Flexibität vorhanden sind.3 Allerdings unterschätzen Pre-,
Semi- und Non-Professionals die Businessqualitäten, die ein Profimusiker benötigt. Über die Hälfte der Professionals halten derartige
Qualitäten für notwendig - sie wissen, warum. Musikalische Kompetenzen halten Professionals wie Non-Professionals gleichermaßen für wichtig. Abweichende Vorstellungen haben die PreProfessionals, die derartige Kompetenzen als gering erachten.
1. Kreativität (95 %). Ein Profimusiker muß zum kreativen Arbeiten
fähig sein.
2. Flexibilität (55 %). Ein Profimusiker muß sich gut verkaufen können, er muß sich den Publikumswünschen anpassen können usw.
3. Musikalische Kompetenz (38 %). Ein Profimusiker muß musiktheoretisches Wissen besitzen, sein Instrument beherrschen usw.
4. Businessqualitäten (38 %). Branchenkenntnisse und kaufmännische Kenntnisse sind gefragt.
Es fällt auf, daß persönliche Flexibilität insgesamt vor der musikalischen Kompetenz rangiert. Die befragten Rockmusiker und Rockmusikerinnen halten also Voraussetzungen, die in der Person des
Musikers bzw. der Musikerin liegen, für insgesamt bedeutsamer
als musikalische Kompetenz. Verlangt werden von einem Profimusiker also Durchsetzungskraft und Anpassungsstrategien.
Interessant ist weiterhin, daß Kreativität von der musikalischen
Kompetenz getrennt gesehen wird. Kreativität wird wohl als notwendige Bedingung für den Professionalisierungsprozeß gesehen.
Musikalische Kompetenzen und Businessqualitäten können an den
Ausbildungsinstitutionen vermittelt werden, persönliche Flexibilität kann in einem gewissen Rahmen angeeignet werden.
PIC + TXT : YAM! Nr. 51 vom 8.Dezember 2004
Rockmusikern und Rockmusikerinnen wird gerne nachgesagt, daß
sie von der „großen Karriere“ träumen, also von ihrer Musik leben
möchten. Stimmen diese eher unsystematisch gemachten Beobachtungen? Sind die Professionalisierungsabsichten der Rockmusiker und Rockmusikerinnen hoch? In diesem Zusammenhang formulierten wir die Frage: „Kannst Du Dir vorstellen, überwiegend vom
Musikmachen zu leben?“. Bei der Auswertung wurden Professionals nicht miteinbezogen. Generell sind Professionalisierungsvorstellungen stark vorhanden, lediglich 22 % können es sich auf keinen Fall vorstellen, 40 % können es sich eventuell vorstellen, und
38 % können es sich vorstellen. Die Antworten sind aber in einem
sehr starken Ausmaß vom Professionalisierungsgrad abhängig.
Pre-Professionals haben ausgeprägte Absichten, während hingegen die Semi-Professionals in zwei beinahe gleich große Lager
aufgeteilt werden können: 50 % der Semi-Professionals können es
sich vorstellen, während die anderen es sich eventuell vorstellen
können bzw. es sich überhaupt nicht vorstellen können. Der Anteil
der Non-Professionals mit Professionalisierungsabsichten beträgt
lediglich 20 %. Regionale Unterschiede, die sich auf den ersten
Blick zeigen, sind überwiegend durch den Professionalisierungsgrad bedingt.
Insgesamt erscheinen die Vorstellungen der Rockmusiker und
Rockmusikerinnen über eine etwaige Professionalisierung durchaus realistisch. Daß die Professionalisierungsabsichten mit zunehmender Professionalisierung steigen, ist plausibel. Von Interesse
ist aber eine Differenzierung unter den Semi-Professionals und
Non-Professionals in Musiker, die ProfiAbsichten hegen und in
Musiker, die derartige Absichten nicht haben.
Der Prozeß der Professionalisierung muß selbstverständlich
mit Inhalten gefüllt werden, Ausbildungsinstitutionen wie Musikhochschulen müssen sich dementsprechende Gedanken machen,
die sich in den jeweiligen Lehrplänen niederschlagen. Auch
Rockmusiker und Rockmusikerinnen entwickeln bestimmte Vorstellungen über eine professionelle Arbeit in diesem Bereich. Diese
Inhalte können die Professionalisierungsabsichten steuern: Wenn
die Anforderungen zu hoch angesetzt werden, wird auf eine
Professionalisierung verzichtet, werden die Anforderungen zu
niedrig angesetzt, wird eine berufliche Tätigkeit als Rockmusiker
oder Rockmusikerin angepeilt, die kaum Aussicht auf Erfolg hat.
Den Rockmusikern und Rockmusikerinnen wurde eine Liste
von 13 Eigenschaften vorgelegt mit der Bitte anzugeben, in welchem Umfang ein Profimusiker die jeweiligen Voraussetzungen
ihrer Meinung nach erfüllen muß. In der Abbildung 6.6. sind zur
Vereinfachung die Zustimmungsprozente wiedergegeben. Der
genaue Wortlaut der jeweiligen Eigenschaften ist verkürzt wieder-
Rockmusik als Beruf 67
Tabelle 3. 1.: Der „typische“ Rockmusiker:
aus Rock und Pop in Deutschland von Rainer Niketta und Eva Volke
- wenn beruflich tätig:
- wenn in Ausbildung
Wohnsituation
Familienstand
Art des Einkommens
männlich
25-29 Jahre
Abitur
beruflich tätig (51 %)
oder in Ausbildung (49 %)
Angestellter
Student
wohnt bei den Eltern
ledig
regelmäßige Erwerbstätigkeit
Lebensstil
Freizeitaktivität
Einstellung zum Musikmachen
Wichtigste Voraussetzung für einen Professional
Einstellung gegenüber Rockförderung
hedonistisch
lesen und kulturelle Aktivitäten
soundorientiert
Kreativität
positiv
Einkünfte aus dem Musikbereich
Höhe der Investition in die technische Ausrüstung
Art der Finanzierung
Gemeinsame Anlage vorhanden
Proberaum
Monatsmiete
Investitionen in den Proberaum
Größter Vorteil des Proberaums
Größter Nachteil des Proberaums
Proben pro Monat
keine
5.000DM
Barzahlung
ja
privat
164DM
458 DM
Probezeiten
Lüftung
4-6
Zahl der Auftritte in den letzten 12 Monaten
Häufigster Auftrittsort
5-6
Kneipe
Geschlecht
Alter
Bildungsabschluß
beruflicher Status
68 TONER #3
Beste Note bei den Auftritten für
Schlechteste Note bei den Auftritten für
Bewerbung für Wettbewerbe
Auftrittseinnahmen werden verwendet für
Reaktionen des Publikums
Verhältnis Aufwand/Gage
nein
Werbung/Plakate
Teilnahme an Workshops u.ä.
Grund für die Nichtteilnahme
Höchster Weiterbildungsbedarf
gewünschte Weiterbildungsinstitution
nein
keine Zeit
Studioarbeit
öffentliche Stellen (z.B. Rockbeauftragte, Rockbüros)
Der „ideale“ Dozent
Spezialist aus dem jeweiligen Bereich der Musikbranche
Häufigste Medienaktivität
Häufigster Tonträger
Musikbranche: Am wichtigsten sind
Musikbranche: Beste Note für
Musikbranche: Schlechteste Note für
Medien: Häufigster Kontakt zu
Konzertkritik
Demo-Tape
Konzertveranstalter
Tonstudios
Major companies
Tages-/Lokalzeitungen
Wichtigste Aufgabe eines Rockbeauftragten
Unwichtigste Aufgabe eines Rockbeauftragten
Proberäume und Auftrittsmöglichkeiten organisieren
Bandwettbewerbe organisieren
TXT 2: DIE ZEIT Nr. 19, 4. Mai 2005
E-guitar
Rock/Blues
Rock’n’ Roll
Tekkno
Semi-Professional
eventuell
nicht organisiert
seit 7 Jahren
mit 16-17 Jahren
seit 2 Jahren
ja
ja (privater Unterricht)
PIC + TXT1: YAM! Nr. 51 vom 8.Dezember 2004
Instrument
Musikstil
Musikstil mit dem höchsten Einfluß
Musikstil mit dem niedrigsten Einfluß
Professionalisierungsgrad
Professionalisierungsabsicht
Organisationsgrad
spielt Rockmusik
fing Rockmusik zu spielen an
spielt in der jetzigen Band mit
spielte schon in anderen Bands
Musikunterricht außerhalb der Schule
Auch Sido passt ins Raster 69
70 TONER #3
„Azad! Wir kämpfen gegeneinander! Ich fick dich!“ Oder so ähnlich. Aber das kannten wir ja schon von dem Marktschreier der
Azad als Hund bezeichnet hat. Sido: Lass dir was neues einfallen.
Und das ist nicht nur auf diese Drohung bezogen. Ich habe mich
schön öfters über Sido und andere deutsche Gestalten des Raps
amüsiert. Aber dieses Video war nicht zum lachen. Ich empfehle
euch wärmstens, dass Video anzusehen. Die Gestalten, die sich
bemühen, um aus ihren Mündern Sätze, die grammatikalische
GAUs sind, und Wörter, die nicht schlechter gewählt sein könnten,
zu bringen, sind wirklich die Anti-Vorbilder und lassen jedes
Grinsen aus eurem Gesicht weichen. Die Umkehr der Evolution
wurde auf Video gebannt. Ganz schön Aggro. Aggro Berlin. Und
als abschließende Nachricht an einen deutschen Rapper, der das
wahrscheinlich niemals lesen wird: „Azad, du Hund!“ Kommentare
Am 15. Februar 2005 um 19:06 schrieb Der Türke Azad Sdo alle
sind Shit !!Ganz aggro berlin is shit!!Möchtegern!!Der wahre king
is eko fresh!!!Und seine Crew!!!!Die ficken alle!!!!Wir sind wallstreet türken wir steigen wie der dow jones ihr motherfucker!Am
09. Februar 2005 um 22:24 schrieb Callerah / mail Azad isn
hurensohn diese mistschwuchtel verkauft sich doch fürnen eruro
an stricher dieser wichskurde boar ich hab sonen brastAm 26.
Januar 2005 um 17:02 schrieb peterdermeter / http://www.gelitten.com/game/dieb.php?id=17754 Am 25. Januar 2005 um 04:28
schrieb geschieht sido recht noch mal abschliessend an noizzza
und lasse.an euch erkennt man mal wieder die typisch unterentwickelten aggro fans.lasse mit seinen beleidigungen, von denen er
wahrscheinlich selbst noch nicht mal die hälfte versteht, und mein
liebling der beiden noizzza.du denkst sido und seine gangster wie
er sie nennt leben im ghetto.in deutschland gibt es ghettos???wo
denn bitte?hast du überhaupt schonmal bilder oder ähnliches
eines ghettos gesehen.weisst du überhaupt was ein ghetto ist.
besuche mal z.b. die bronx in den USA.dann weisst du was ein
ghetto ist.in deutschland sind deine sogenannten ghettos lediglich
gegenden in denen die jugendlichen auf der strasse rumlaufen
(was sie in jeder stadt tun, was sollen sie auch sonst machen) und
deren familien etwas unter der mittelklasse der deutschen vorzeigefamilie stehen in sachen finanzen.absolute armut in deinen so
geliebten deutschen ghettos ist überhaupt nicht möglich da es
hier sozialhilfe gibt.ausserdem findest du es anscheinend so toll
das sie kiffen.was ist daran toll?das beweisst nur einmal mehr
wie erbärmlich diese menschen sind.sie sind es selbst schuld was
aus denen wird.sido sagte doch einst so stolz „ich bin so stolz das
ich keinen abschluss besitze“!lass mal ein paar jahre vergehen,
und dann werden wir sehen ob der immernoch so stolz darauf
ist.als letztes nun noch zu der schlägerei von azad gegen sido. ich
bin zwar eigentlich gegen gewalt aber bei sido was es völlig
berechtigt.an dieser stelle kann ich nur noch mal eine stelle aus
noizzza beitrag zitieren: „ihr seid nur alle traurig das ihr selbst
keine harten jungs seid die unter schlechteren sozialen bedingungen aufgewachsen sind.“wenn sido so ein harter junge ist wie du
sagst, warum lag er heulend auf dem boden?und das lächerlichste
daran ist, das sido und seine möchtegerns über ca.15 leute waren
und azad unter 10! letztendlich war das noch nicht alles, denn
spätestens wenn azad dieses video mal z gesiht bekommen sollte,
kann sido sich auf ne neue tracht freuen.ich hoffe dieser text ist
nicht zu hoch für lasse und noizzza, ihr unterbemittelten esel! Am
13. Januar 2005 um 15:08 schrieb noizzza / mail ihr seid genau so
arrogant wie die gymnasiasten die irgendwelche hauptschüler
runtermachen. ihr seid nur alle traurig das ihr selbst keine harten
jungs seid die unter schlechteren sozialen bedingungen aufgewachsen sind. wer behauptet in deutschland gibt es kein ghetto
der ist ein idiot und hat keine ahnung. Aggro Berlin spricht die
Leute an die selber kiffen und in den Strassen rumhängen. die
reden in unserer sprache. Am 26. Dezember 2004 um 23:19
schrieb Esin Sido und CO ihr seid alle soo scheiße man!! Last
euch mal was neues einfallen außer „Azad du Hund“ !!! Ihr seid
soo lächerlich, und auserdem sido du schaußt so scheiße aus
ohne Maske!!! Ihr seid alle arschgefikte Hurensöhne !!! AzAd is
the BOZZ und ihr seid nur ein Stück scheiße ich spucke auf
euch!!! AzAd ich liebe dich!!! Am 22. Dezember 2004 um 09:49
schrieb Nobody ich hab mir den scheiß angeguckt bzw durchgelesen und dazu sag ich nur echt primitiv und wer die musik von solchen hirnlosen deppen auch noch anhört hat ja wohl net mehr im
hirn als die deppen selbst!!!!!!!!!! kein wunder das sido ne
maske drägt mit sonem gesicht würd ich mich au net ohne auf die
straße trauen. „Yea wie cool alta“„ich fick dich du Hund“ der sollte sich mal was neues einfallen lassen, aber das der depp keine
ideen und geschmack hat kennen wir ja schon aus all seinen
videos. Die sowieso keiner sehen will...Der hats doch nötig vom
ficken usw.zu singen ich mein wenn man es in real nicht
bekommt... Die gehören doch grad nochmal in da Kindergarten um
richtig sprechen zu lernen!!!!! echt gutes Komentar Thorsten. Am
16. Dezember 2004 um 08:33 schrieb lasse azad ist ein hund ich
ficke ihn den hund. arschlecker hund. Am 04. Dezember 2004 um
23:12 schrieb NEUKÖLLN-44 alle sind srück scheiße deutscher rap
ist scheiße. Am 25. Oktober 2004 um 17:19 schrieb achso, noch
was! sido sieht ohne maske aus wie ein pupsie, deshalb auch die
maske, oder? er soll nach kassel kommen u mir meinen ring küssen, vielleicht kann er damit zeigen, dass er doch noch ein paar
gehirnzellen hat, die ihm zeigen wie es geht einen ring zu küssen!
ps: er soll noch die ganzen furzköppe mitbringen, hab faustjucken....macht alter! Am 25. Oktober 2004 um 17:15 schrieb sido
ist eine dorfnutte! er kann azad sein schwanz lutschen. Am 01.
Oktober 2004 um 10:47 schrieb Nils Er könnte Azad tatsächlich
gefickt haben .. immerhin ist Sido hochgradig Analfixiert....
http://www.magistrix.de/lyrics/Sido/15608.htm lAm 08.
September 2004 um 18:44 schrieb esire / mail / url da sollte man
wirklich heulen! excellent contribution! Am 18. Juli 2004 um
16:41 schrieb Thorsten Ok, im Nachhinein kann ich wohl doch
sagen, dass ich das nicht schreiben hätte sollen. Dann tut es mir
wohl Leid. Am 18. Juli 2004 um 16:37 schrieb Sir Robin Gemäß
dieser Auffassung müssten so einige Leute kein Geld verdienen.
Ich gebe dir aber den Tipp, einfach mal den Fernseher anzuschalten, und schon wirst du deine Auffassung widerlegt sehen. Am 18.
Juli 2004 um 16:21 schrieb Thorsten Ja, das zieht den
Durchschnitts-sozialhilfemepfänger runter. Und das sind keine
schlechten Menschen, denn oft können sie nichts dafür, dass sie
eben diese Hilfe brauchen (alleinerziehende Mütter). Aber ich
wollt es eben so als Anspielung stehen lassen, da ich nicht glaube, dass einer von den A.K. Leuten wirklich Geld verdient und das
jemals getan hat. Am 18. Juli 2004 um 15:52 schrieb Sir Robin
„wer alles von den Sozialhilfeempfängern“ ... so ist es, schlechtes
Niveau immer mit dem selbigen bekämpfen. Schade um den an
sich guten Beitrag. Am 16. Juli 2004 um 16:12 schrieb Tim „sehr
geiler comment leuchte...aber du weißt ich fick dich wirklich :P“
Mr. Herrman. I think you got there something very wrong. :p Auch
wenn der Kern deiner Aussage natürlich zweifelsohne korrekt ist.
Am 16. Juli 2004 um 08:54 schrieb nils glaubt ihr im Ernst der
KANN überhaupt lesen. Guter Beitrag und danke für den Fisch äh
Link : Am 16. Juli 2004 um 08:07 schrieb Thorsten Ich war das!
Am 16. Juli 2004 um 01:52 schrieb aXn sehr geiler comment
leuchte...aber du weißt ich fick dich wirklich :P. Am 15. Juli 2004
um 23:19 schrieb RPL > Und als abschließende Nachricht an einen
deutschen Rapper, der das wahrscheinlich niemals lesen wird: —
—— oder kann ;-) Es ist doch wirklich unfassbar... *heulendindereckesitz*
TXT: http://777.damnsite.net/single32.html
Home Kategorien:.film .lecker .linux .musik .programmieren
.rückblick .world .www Autoren Archiv Impressum
.musik: Der arme Azad...Thorsten / 15. Juli 2004 / 22:32 Seit einiger Zeit hatte ich schon aufgrund diverser Interview und Musikclip
Austrahlungen die Befürchtung, dass unser aller deutschsprachiger Lieblingsrapper Sido nicht der hellste ist. Das hat sich heute
bewahrheitet als ich ein Video runter geladen habe, auf das ich
per IRC hingewiesen wurde. In diesem Video ist zu sehen wie Sido
und ein anderer schmucker Kerl mit Schmuck und Kopftuch in
einem Wohnwagen auf dem Gelände des „Hip Hop Open 2004“ in
Stuttgart interviewt werden. Das ganze ist ungeschnitten und
somit kommt mehr zum Vorschein als man eigentlich sehen will.
Ich war ja schon entsetzt als der Junge mit der Kopfbedeckung
neben Sido anfing davon zu erzählen „wie Sido ihn von der Straße
geholt hat“ und dass er jetzt vor der Wahl steht zwischen „Straße
und Musik (, Alter!)“. Aber der barmherzige Berliner mit der
Maske der sich Sido nennt will seinen Freund trösten und zeigt,
dass er ein großes Herz für ungebildete Proleten hat, indem er einwirft, dass „er die Jungs nie mehr auf die Straße lässt“. Ok, man
könnte meinen das wäre das übliche Gerede von fiesen Jungs die
kiffen und in den bösen deutschen Ghettos aufgewachsen sind.
Und als sie grad schwer mit Dealen und Rappen beschäftigt
waren haben sie wohl vergessen für ihr Quali zu lernen und es
versaut. Aber es kommt noch mehr: In diesem etwas längeren
Video fängt auf einmal ein anderer stotternder Junge, der etwas
verstört wirkt, in dem Wohnwagen, in dem sich bestimmt 5 oder
mehr Personen aufhalten, aus der Tür zu rufen: „Azad! Ich fick
dich! Du Hund! Komm her, lass kämpfen wie Mann! Wir beide
gegeneinander, alleine! Azad, du Hund!“ Schockiert war ich nicht,
denn solche Kämpfe unter den bösen Rappern sind ja bereits von
den USA und ihren alten East-West-Coast-Fights bekannt. Als ich
grad drüber nachdacht wie tief man doch sinken und dann doch
noch auf ein schlechtes HipHop-Album kommen kann, bewegt sich
der junge Herr von eben noch einmal auf die Kamera zu und erläutert nochmal in aller Präzision seinen Aufruf: „Azad, du Hund! Ich
hab vor nichts Angst! Nur vor Gott! Hund! Ich fick dich! Wir kämpfen gegeneinander! Mann gegen Mann!“ Und dann taucht mein
persönlicher Fixstern am Himmel des deutschen HipHops auf: BTight. Sido hatte ja vorher schon lauthals beweisen wollen, dass
sein Freund B-Tight aus der A.I.D.S Clique nicht so ein „Kommerzlümmel“ wie er ist und „sie alle ficken wird“. Und als dieser auftaucht erzählt er ganz cool mit Sonnenbrillen und fahrigen Armbewegungen wer alles von den Sozialhilfeempfängern aus dem
Wohnwagen auf B-Tights Album vor sich her sabbelt. Genial. Die
Kamera schwenkt zu Sido, denn dieser hat noch was zu sagen:
Perlen für Säue 71
PIC: KOMMUNALVERBAND RUHRGEBIET, ABTEILUNG ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Revier Report 1983
TXT: JOSEF HANKA UND TORSTEN GEBHARD Deutschland
TXT1: LANDESAMT FÜR DATENVERARBEITUNG UND STATISTIK NRW Statistisches Jahrbuch NRW 2004
74 TONER #3
75
TXT2: ERNST BORNEMANN Sex im Voksmund
TXT3: DIE ZEIT Nr. 19, 29.April 2004
PIC: ÖKO-TEST Nr. 3, 2004
Lebesweisheiten die kein Schwein braucht:
(3) Schnell ist keine Lösung.
TONER
Katrin Hauser und Dirk Rose
Scharnhorststrasse 50
44147 Dortmund
Germany
toner@gmx.de
dankedanke an alle und vor allem an:
Sabine an Huef, Susanne Brügger,
Iris Dressler, Hans D. Christ,
Katrin Mundt, Christoph Keller
77
PIC: MARION HERZOG So kocht man in der Bundeswehr
TXT: GALORE Volume 07, April 2005
„Das Erfolgsmodell Mensch hat mit der starken Tendenz zur Gruppenbildung zu tun.“
Reinhard Kopiez
PIC1: DAVID SHRIGLEY Why we got the sack from the museum
PIC2: BODO HARENBERG (Hrsg.) Rihrgebiet - die Menschen und ihre Region
PIC3: UNBEKANNT