Impulse: Grundschule - Landesinstitut für Lehrerbildung und
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Impulse: Grundschule - Landesinstitut für Lehrerbildung und
Impulse: Grundschule Lesekompetenz Behörde für Bildung und Sport Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Begriff der Lesekompetenz ist nach den internationalen Untersuchungen PISA, IGLU, den Hambur g weiten Untersuchungen zur Lernausgangslage (LAU, KESS) und der noch stattfindenden Untersuchung DESI immer noch in aller Munde. Wegen Überfrachtung mit Wunschvorstellungen über das, was sich alles in Schule ändern muss, um eine gezielte För derung vorzunehmen, bedarf es einer Klarstellung und deutlichen Unterstützung darin, welche Inhalte und Methoden vorrangig gelten sollen. Im Zentrum dieser Broschüre stehen neben den theoretischen Klärungen konkrete Unterrichtsanregungen zur gezielten Förder ung der Lesekompetenz im Grundschulunterricht verschiedener Fächer. Zu diesem Zweck wurde die vorliegende Handreichung für die Grundschule unter der redaktionellen Leitung von Dr. Gabriele Rabkin (Landesinstitut, Primarstufe Deutsch) erstellt. Zunächst möchten wir die viel zitierte Definition von Lesekompetenz aus der PISAS tudie n och einm al ins Ge dächtnis rufen, da von dort ausgehend alle Beiträ ge de r Handreichung konzipiert worden sind: „Lesekompetenz (Reading Literacy) umfasst die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art (kontinuierliche und diskontinuierliche Texte) in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen.“ (C. Artelt u.a. Lesekompetenz: Testkonzeption und Ergebnisse; in: Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), 2001). Wichtig ist, dass die PISA-Definition für die 15-Jährigen gilt und in der Handreichung für die Arbeit in der Gr undschule „übersetzt“ wur de. Daraus folgt, das Leseverständnis altersgerecht und entsprechend den Erkennt nissen der Didaktik des Lesenlernens und –förderns sowie der Schriftspracherwerbsforschung im Grundschulbereich im Unterricht systematisch zu fördern und den Schritt zum Deuten und Diskutieren von Texten erst auf der Basis des Leseverständnisses zu vollziehen. Oftmals wurde dieser zweite Deutungsschritt vor dem ersten Verstehensschritt gemacht und so der eigentliche Textinhalt aus dem Auge verlor en. Der Pippi-Langstrumpf-Text des Experten für Analphabetismus, Jür gen Genuneit (Redakteur bei Ernst Klett Sprachen) eröf fnet die R eihe der B eitr äge . Hierin w ird in an regen- der Weise de r en ge Zu sammenh ang vo n Lesenlern en u nd Sc huler folg b zw. das Ent ste hen v on funkt ionale m Analp habe tismus d eu t lic h. Die unt er haltsame Tour d’ho rizon durch d ie Kinder - und Juge ndbücher, d ie in Erz ählzusa mme nhä ngen die hoh e Bede ut un g d es Lesens (von Bü cher n) u nd Schre iben s für die Lernentwicklung vo n Kinde rn the mat isie ren, eröffne t gle ic hze itig P erspe ktiv en für die Arbeit in d er Grun dsch ule. Es ist ersta unlich , wie ä hnlich d ie Ansätze zur Alph ab etisier ung Erwa ch sene r und zu m Lese nlerne n in de r Gr un dsch ule sind. Als wichtige Voraussetzung für eine gezielte Förderung der Lesefähigkeit wird die genaue Lernbeobachtung im Bereich Lesen aufgegriffen und auf die Möglichkeiten hingewiesen, wie von den Beobachtungserkenntnissen ausgehend individuelle Förder ung folgen kann. Das Diagnoseinstrum ent „Ham bu rger Lesep ro be“ wir d von He lga Arntz en (M itautorin d er Leseprobe) in seiner Konzeption und Anwendung vorgestellt. In der Br oschüre findet sich eine Re ihe unterric htspraktischer Anre gun gen, d ie Sie in Ihre m Unterricht um setz en können. D en Sc hluss de s ersten Teils bildet eine ausführliche u nd mit viele n konkreten Umse tzu ngsh inweisen verse hene D arst ellun g m öglich er Zu gänge zur Le se kompetenz im Fac h Deutsc h. Pe tr a Dalldo rf und Renate Fr ankF lie s ( Fa ch sem ina rleit er inne n am La nde sinstitu t) geht es da ru m, Kinder b eim Aufbau von Le sestrategien z u unterstü tzen , sie mit Hilfe u nte rschiedlicher Zugangswe isen und Textanregungen für das Lesen zu gewinnen und damit Gr und zu legen für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Die Broschüre ist eng mit den neuen Rahmenplänen Deutsch, Mathematik und Sachunterricht für die Grundschule verknüpft, die den Schulen inzwischen für einen Erprobungszeitraum von drei Jahren vorliegen. Die Bedeutung von Leseförderung in allen Fächern der Gr undschule sowie der Aspekt Deutsch als Zweitsprache sind Schwerpunkte des zweiten Teils. Monika Grell (Landesinstitut, Referat Sprachen) erläutert den Aspekt Deutsch als Zweitsprache fächerübergreifend. Die Beiträge zum Sachunter richt (Verfasserin: Anne Kolbe, Fachreferentin in der Behörde für Bildung und Sport sowie im Landesinstitut, Primarstufe Sachunterricht) und zum Mathematikunterricht (Verfasserinnen: Brigitta Hering, Landesinstitut, Primarstufe Mathematik und Eva Rhein, Mathematikmoderatorin) enthalten fachbezogene Aussagen und Anregungen zur bewussten Wahrnehmung und Verstärkung des Lesens in diesen Fächern. Häufig wird die Lesekompetenz allzu selbstverständlich vorausgesetzt, ohne dass sie wie eigentlich notwendig – auch in diesen Fächer n systematisch vertieft, geübt und angewendet wird. Ziel ist es, das Lernen in diesen Fächern durch eine Verstärkung der Lesekompetenz zu sichern. Zum Schluss wird durch den Beitrag von S ven Nickel (Unive rsität B re me n) ein weiterer wichtiger – nur scheinbar außenstehender – Aspekt über die Pr ogramme zur Literalitätsförder ung in den Familien (Family Literacy) aufgegrif fen. Hierin wird die Bedeutung von Leseförderung in der Familie deutlich und daraus ersichtlich, wie Schule ihre Rolle sehen muss, wenn die elterliche Aufgabe nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird. Das Gespräch mit Eltern über das Lesen und Angebote für die Literalisierung interessier ter Eltern und Erzieher werden in Zukunft eine wichtige Rolle spielen müssen. Alle Studien haben gezeigt, dass der Bildungshintergrund des Elternhauses (z.B. Bestand an Büchern zu Hause) einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Lesekompetenz und des Schulerfolgs hat. Wir wünschen Ihnen für die Arbeit mit diesem Heft ein vergnügliches Leseerlebnis und vor allem die Aufnahme einiger für Sie wichtiger Anregungen für Ihren Unterricht in der Grundschule. Viel wir d erreicht, wenn es gelingt, die Lesekompetenz jedes einzelnen Kindes zu fördern, indem die Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer der Grundschule den Kindern präzise Hinweise geben, wie sie - anknüpfend an ihrem LeseKönnen - weiter lernen können. Für die Erstellung der Broschüre möchten wir allen Verfasserinnen und Verfassern herzlich danken und dem Vorhaben För derung der Lesekompetenz an den Hamburger Grundschulen viel Erfolg wünschen. Die Frage des Vaters in Roald Dahls „Matilda“, warum seine Tochter denn ein „verdammtes Buch“ benötige, wird dann nicht mehr gestellt werden müssen, weil die Antwort aller frisch Alphabetisierten lauten könnte: „Weil wir gern lesen und uns die Welt ohne das Lesen gar nicht mehr vorstellen können!“ Gegen so eine Art Harr yPotter-Effekt wäre nichts einzuwenden. Bernd-Axel Widmann Referatsleiter Deutsch und Künste Behörde für Bildung und Sport Peter Daschner Direktor des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung Als die Mutter entdeckt, dass ihr vierjähriger Sohn lesen kann, ist sie entsetzt und rennt aufgeregt mit ihm zum Arzt. Doktor Santens kontrollierte, ob ich tatsäch lich lesen konnte. Dann untersuchte er mich von Kopf bis Fuß. ... Als er damit fertig war , lehnte er sich bedächtig in seinem Stuhl zurück. ... Tiefe Falten erschienen auf seiner Stirn. Schließlich blickte er meine Mutter ernst an. „Sonja“, sagte er, „ ich habe eine schlechte N achricht und eine gute. Die schlechte ist, daß Lesenk önnen unheilbar ist. Die gute ist, daß man nicht daran stirbt“ (Doorselaer, S. 8f.). Doch Kaspars Mutter bleibt beunruhigt und fragt verwirrt: „Aber das plötzliche Lesenkönnen, woher um Himmels willen kommt das? Das einzige, was wir lesen , ist die Fern sehzeitu ng. Wie ist das eigentlich, Doktor? Kann das Lesenkönnen plötz lich auf einen runterfallen? Wie Sch walben scheiße?“ (ebda, S. 13) Diese Szene stam mt a us d em nie de rländisc hen Kind er bu ch „Ich heiß e Kasp ar “ von W illy van Doorsela er, in dem „ Alphabetism us“ e ine Krankheit in e ine r von audiovisue lle n M edie n beh er rscht en We lt ist, in der allenf alls noch d ie Fer nseh ze it ung gelesen wird. Kaspar ist e in w ürdiger Br ud er von R oa ld D ahls „M atilda“, die sic h eb enfa lls das Le se n g egenü ber den medie nfix ie rt en Eltern erkämpft: Im Alter von drei Jahren hatte sich Matilda das Lesen beigebracht. (...) Im Alter von vier Jahren konnte sie rasch und fließend lesen und fing an, sich sehnsüchtig nach Büchern umzuschauen. Das einz ige Buch in diesem erleucht eten Haushalt war etwas namens „Kochen ist leicht“ und gehörte ihrer Mutter. Nachdem Matilda es v on vorn n ach hinte n d urchgelesen h atte, beschloss sie, sich nach etwas Interessanterem umzusehen. „Vati“, sagte sie, „meinst du, dass du mir ein Buch kaufen könntest?“ „Ein Buch?“, fragte er. „Wozu brauchst du denn ein verdammtes Buch?“ „Zum Lesen, Vati.“ „Und was hast du gegen das Fernsehen, um Himmels willen? Wir haben einen fabelhaften Fer nsehapparat mit einem Riesenbildschirm, und jetzt kommst du und willst ein Buch haben? Du bist ... verwöhnt, mein Mädchen!“ (Dahl 1997, S. 11) M a tilda versor gt sich vo n n un an m it Büchern aus der Bibliothek. Doch imm er wied er ko mm t es we gen de s Le se ns zu Kon flikten m it ih re m Vater, in den en sie sich schließ lich m it Br avo ur durchsetzt. B esonde rs Kaspar m it se iner be so rgten Mutter, a ber au ch Mat ilda mit ihrem S elb stb ewu sstse in und Durchsetzungsvermö ge n gegenüber ihr er leseunwillige n F am ilie st ellen zum Te il Gegenwelte n zur Kindheit m anc her fu nktio nale r An alp hab et en d ar, lasse n aber au ch Ähnlic hkeite n erkennen, die unte r ungünst igeren Bed ingungen bei ihnen zu e inem fu nktion ale n Analphabet ism us geführt hätte n. Die Ze ite n, in de nen sic h Elte rn – wie die von Kaspar u nd Ma tilda – übe r ihre lesew ütigen Kinder Sorgen m achen, sind inz wisc hen vorüber. Im me r me hr Kin de r – aber a uch Jug e nd lic h e – si nd Lesem uff e l. Im me r m eh r Kin de r haben so gar P roble me b eim Lesen- und Schr eibenlern en . Die Kla gen d er Le hre ri nnen und Leh rer so wi e de r Eltern sind u nüb er hörbar. Di e F ol ge: Im me r me hr Jug en d lic he ver l assen die S chu le o hn e au sre ic hen de Lese- un d Schre ibke n nt nis se, w as d ie P IS A-St ud ie schmerz haft b est ät igt . Vermehrt beschwert sich die Wirtschaft, dass diese Jugendlichen nicht ausbildungsreif sind und deshalb keine Le hrste lle e rhalt en könn en. Inz wisc hen spr icht man vo n vier M illion en (fu nktionalen) Analphabeten in Deutschland (vgl. Döbert/Hubertus, S. 25-40). Die Ur sache n d afür sind vielfältig. Eine wicht ige Ursa che ist das Fehlen von Vorbildern. Vie le Kinder sehen ihre Elt er n kaum noch schreiben oder lesen. In vielen Familien wird – äh nlich wie in denen von Kaspa r und M at ilda – allenfalls noch die Fer nsehzeitung gelesen. Deshalb wissen auch im me r weniger Kinder, w ar um und wozu sie eige nt lich lesen und schreiben lern en sollen . Das m uss ihnen erst mü hsa m in der Schule beigeb ra cht we rden . D enn nur, we nn m an das War um und Wozu weiß, lernt man gern. Das gilt besonders für das Lesen und Schreiben. Ein Beispiel dafür ist Mäusefriederike in Willi Fährmanns Kinderbuch „Der überaus starke Willibald“: Ihre Freundin Lillimaus hat sich das Lesen, als sie in de r Biblio thek ein gespe rrt war, selbst beigebracht. Stolz teilt sie dies Mäusefriederike mit, als diese sie besucht: „Ich will dir ein gr oßes Geheimnis anvertrauen. Denk dir, ich kann lesen.“ Doch Mäusefriederike kann mit diesem Geheimnis nichts anfangen. „Was ist das, lesen?“, fragt sie ratlos. „Ist das etwas, was du fressen ka nnst?“ „ Nein , nein“, antwortete Lillimaus u nd lac hte. „Le se n, das ist wie fliege n, fliegen aus unserer Küchentür hinaus hoch über die Bäume im Gar ten hin und weiter, immer weiter in fremde Länder und ferne Welten“ (Fährmann, S. 35 f.). Doch Mäusefriederike kann damit nichts anfangen. Deshalb versucht Lillimaus, ihrer Freundin mit immer neuen Bilder n zu erklären, was das ist, lesen. Bis Mäusefriederike endlich begreift – und dann will sie es auch können: „Lesen müßte man können, seufzte M ä usefr ied er ike. Ihr B lick schweifte sehnsüchtig über die tausend Bücher, die sich da Rücken an Rücken drängten ...“ (Fährmann, S. 40). „Und wie sollen wir unsere Kinder zum Lesen und Schreiben bringen?“, fragen viele Eltern, Lehrerinnen und Lehrer verzweifelt. Ein Weg, der hier vorgeschlagen werden soll, ist es, mit schriftsprachfernen Kindern und Jugendlichen Bücher zu lesen, die das Lesen und Schreiben thematisieren. Bücher, die deut lich m ac hen , w as Le sen - un d Schreibenkönnen bedeutet und die dadurch zum Lesen und Schreiben motivieren. Bücher, die auf Schwierigkeiten hinweisen, die man mit dem Lesen und Schreiben haben kann. Bücher, die zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit ihren Lese- und Schreibproblemen nicht allein stehen, die zeigen, dass es auch andere Menschen gibt, die diese Probleme haben. Das macht Mut, trotz Schwierigkeiten weiterzulernen oder immer wieder neu mit dem Ler nen zu beginnen. Das macht auch Mut, über die eigenen Lese- und Schreibprobleme zu spr echen, mit den Eltern, den Freunden, den Lehrern (vgl. Genuneit 2001). Das Thema Lesen- und Schreibenlernen wird in Büchern für Kinder aufgegriffen, seit es diese gibt. So spielt in dem ersten englisc hen Kinderb uch „The Histo ry of Little Goody Two-Shoes“ (1765) dieses Thema ber eits eine wichtige Rolle (vgl. Goetsch, S. 250 f.). Es wird auch in der deutschen Schwankund Märchenliteratur behandelt, z.B. bei Tyl Ule nsp ie gel, der versucht , einem Esel da s Lesen beizubringen (29. Histori, S. 48 ff.). In anderen Schwänken macht man sich über „Analphabetentölpel“ lustig (vgl. Moser -Rath, Sp. 482-484), und auch in frühen deutschen ABC-Büchern hat Lesen- und Schreibenlernen als Thema einen wichtigen Platz. So heißt es zum Beispiel in dem gerade neu aufgelegten und von Erlbruch neu illustrierten „Neuen ABC -B uch “ vo n Karl P h ilipp M oritz (1790/1794): Das Buch macht junge Kinder klug. Ich will in diesem kleinen Buche fleißig lesen lernen, damit ich noch mehr Bücher lesen kann, wodurch ich klüger werde. Ich muß beim lesen nicht zu dichte auf das Buch sehen, weil man sich die Augen damit verdirbet. Und zum Lesen sind gute Augen nöthig (Moritz 1794, S. 7 f.; vgl. auch Moritz/Erlbruch, o.p.). An anderer Stelle zeigt das Buch einen an einem Tisch sitzenden Mann, der in einem Buch gelesen hat und jetzt über das Gelesene nachdenkt: das Buch als Anlass zum Denken und Nachdenken. Hier klingen bereits einige Aspekte zum Lesen und Schreiben an, die von nun an imm er w ied er in de r Kinde rlit er atur auftauche n u nd die f ür Kinde r mit Lese- / Schreibproblemen Anstoß zur Reflexion und Veränderung ihr er Situation sein können – selbst wenn sie etwas moralisierend klingen: • Lesenlernen ist wichtig, denn Lesenkönnen und Lesen bedeutet gesellschaftlichen Au fstieg: Nur we r fleißig lie st , ko m mt voran. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass, wer nicht lesen und schreiben kann, später als Erwachsener Probleme hat, nicht vorankomm t und d em S pott der Alpha betisierten ausgeliefert ist. Ein Beispiel dafür aus dem 18. Jahr hundert ist das „Schuldiktat Nr. 5“ von Christian Friedrich Daniel Schubart, das er zwischen 1766 und 1769 seinen Schülern diktierte und in dem er einen armen Jungen schildert, der nicht lesen und schreiben kann (Schubart, S. 240 f.): Der Reiche kommt durch sein Geld fort, aber durch was sollen die Armen fortkommen? Ist es nicht ein Jammer, wenn man einen armen Knaben sieht, der weder lesen noch schreiben kann und dem der Hunger und die Dummheit zugleich aus den Augen heraussieht? Verachtet von jedermann, verschmäht und ver worfen muß er sein Brot vor der Tür suchen, und wenn ihn Krankheit und Alter drückt, noch froh sein, wenn er als ein Scheusal mit Bettelfuhren im Lande herumgefahren wird und wie ein armer Sünder sein Leben auf einem Karren endigen kann. O meine lieben Kinder, Gott bewahre euch vor Armut, aber noch weit mehr vor Dummheit. Das „Schuldiktat“ von Schubart zeigt aber auch, dass Lesen- und Schreibenlernen schei- ter n bzw. mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Die Gründe für das Scheitern sowie die Schwierigkeiten und ihr e Überwindung sind ebenfalls von Anfang an ein wichtiges Thema der Kinderliteratur. • Le sen- u nd Sc hreibenlerne n fü hrt zu Humanisierung und Zivilisierung. (vgl. u.a. Goetsch, S. 253 ff.; Genuneit 1998). Nicht umsonst vermittelt Karl Phillipp Moritz dem lesen und schreiben lernenden Kind, dass das Buch nicht nur klug macht, sondern auch das Denken und Nachdenken fördert. Das Denken ist es aber, was den Menschen vom Tier unterscheidet. So stellt auch Joachim Heinrich Campe in seinem „Abeze- und Lesebuch“ (1806) in einem Gespräch zwischen Großvater und seinem Enkel Karl her au s, da ss Sc hreiben un d Lesen dazu dienen, Gedanken zu vermit te ln, und ne nnt ihm d am it Grü nde, warum es sich lohnt, lesen und schreiben zu lernen: Großvater: (…) Durch das Schreiben können wir alles, was wir denken, vermittelst gewisser Zeichen sichtbar machen, und es auf Papier heften, dass es gar nicht w ieder verschw inden kann; durch das Lesen lern en wir jene Z eichen verstehen, und w erden dadurch in den Stand gesetzt, die Gedanken Anderer gleichsam vor Augen zu sehen. ... Hatte ich nicht Recht, lieber Karl, dieses Mittel ein herrliches zu nennen? Karl: Ja! Lehre es mir, lieber Großvater, wenn’s nicht zu schwer ist (Campe, S. 40f.). • Lesen- und Schr eibenlerne n fü hrt zur Disziplinierung – und zwar sowohl zur Körper- als auch zur Sozialdisziplinierung (vgl. u.a. Genuneit 1998, S. 29). So führt Karl Phillipp Moritz in seinem ABC-Buch zur Körperhaltung des lesenden Knaben aus: Er „hält den rechten Zeigefinger auf das Buch, damit er in der rechten Zeile bleibe“ und er sieht „nicht zu dichte“ auf das Buch „weil man sich die Augen damit verd irbe t“ (M or itz 179 4, S. 7 f .). Die Vorschriften, die sich Pädagogen für die Körperhaltung beim Schreiben ausgedacht haben, sind a llerdings noch wesentlich umfangreicher und rigider (vgl. Rude, S. 499 f., zit . bei Karweic k, S. 8 8). Zum Sozialverhalte n des le se n le rnenden Knaben weist Karl Phillipp Moritz darauf hin, dass der Knabe „sehr aufmerksam“ ist und „nicht umher gaft“ und dass er mit Fleiß lesen will (Moritz 1794, S. 7 f.). Diese Humanisierungs-, Zivilisier ungs- und Disziplinier ungsfunktionen des Lesen- und Schr eibenlernens gelten bis heute, auch wenn Philosophen sie für gescheitert halten wie Peter Sloterdijk in seinem umstrittenen Essay „Regeln für den Menschenpark“. Sie sind ein wichtiges Argument, um Kritikern des Lesenun d S ch reibenler nens b re iter M assen, die darin die Gefahr der Aufsässigkeit sehen, den Wind au s de n S eg eln zu neh me n (v gl. Goetsch, S. 242). Diese historische Diskussion wird auch in de r h eu tigen Kinde rlit erat ur au fge grif fen, zeigt sie doch, • dass das Lesen- und Schreibenlernen lange Zeit keine Selbstverständlichkeit für alle Kinder in Europa war, • dass das Recht auf Lesen- und Schreibenler nen für alle nur mit Mühe durchzusetzen war, • dass mit diesem Recht nicht nur Ängste, sondern auch politische und wirtschaftliche Ziele verbunden waren und • dass Lesen- und Schreibenkönnen Macht bedeuten kann. Ein Beispiel für diese Diskussion in der Kinderliteratur ist Susanne Ellensohns Buch „Der lange Hans oder Die heimliche Flucht“. Die österreichische Autorin schilder t hier, wie schwer es im 19. Jahrhundert war, die allgem eine S ch ulp flicht – beson de rs auf de m Lande – für alle verbindlich durchzusetzen. Dabe i sp ielt en nicht nur w irtschaftliche Gründe eine Rolle – die Kinder (auch der Held des B uche s Ha ns) w erd en als b illige Arbeitskräfte gebraucht –, sondern auch politische, wie die Auseinandersetzung zwischen Pfar rer und Bürgerm eist er zeigt, a ls eine amtliche Mitteilung über die Einführung der Schulpflicht im Dorf eintrifft. Der Bür germeister steckte den Brief wieder in die Jackentasche zurück. „Ich bin empört, Herr Pfarrer. Empört darüber, dass unser Kaiser persönlich dieses Gesetz gut geheißen hat.“ „Nun, es ist ja nicht so schlimm, wenn alle Kin der lesen und sch reiben lern en, Herr Bürgermeister. Dann können sie den Katechismus lesen und all die wunderbaren Heiligengeschichten. Das schaf ft eine gewisse religiöse Bildung im Volk. Und dies hat das Volk dringend nötig, ganz besonders in der h eutigen Z eit , deren Sitten losigkeit zu m Himmel schreit. Meinen Sie nicht auch?“ Abe r der Meinung: Bü rger m eister ist a nde rer „Ganz w as anderes w erden sie lesen“, br um mt e er schlecht gelaunt, „ganz w as ander es!“ Er blieb abrupt vor dem Pfarrer ste hen. „Sie wissen doch, daß sich in Wien der Pöbel zusammenrottet? (...) Es sind die Sozial demok raten, die Proletarier! Sie geben seit neuestem sogar eine eigene Zeitung heraus, die ‚Volksstimme’. Die werden sie lesen! Und was wird das Ergebnis sein? Unruhe, Aufstand und Rev olu tion gegen die von Gott gegeben e Monarchie, gegen unser en Kaiser! (...) Je gebild eter die Untersch icht ist, desto gefährlicher ist sie auch. Ich verstehe nicht, daß u nser Kaiser das nicht erken nt!“ (Ellensohn, S. 21-23). Doch diese Kr itiker setzten sich nicht durch, machtpolitische und wirtschaftliche Gründ e f ür e ine b re it e Alpha betisierung waren stärker als ihre Ängste: Denn ohne Lese- und Schreibkenntnisse größerer Teile der Bevölkerung war en weder eine funktionier ende Bürokratie als Instr ument der Kontr olle und der Herrschaftssicherung noch die Entwicklung einer funktionierenden, wach senden (kapitalistischen) Wirtschaft möglich (vgl. u.a. Genuneit 1998). Das ist meines Erachtens auch ein Hauptgr und dafür, dass Le sen- und S ch reibenlernen se it dem 18. Jahr hundert b is heut e als The ma in der Kinder- und Jugendliteratur auftritt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Kinder über Bücher und auch andere Medien bereits im Vorschulalter oder in den ersten Schuljahren für das Lesen- und Schreibenlernen und das Lesen und Schreiben selbst motiviert werden sollen. Dazu ein kleiner Überblick vom 19. bis ins 21. Jahrhunder t. Viele Bilder- und Kinderbücher versuchen, durch einen Vorgriff auf die Schulsituation, Kin de r neu gierig auf d as Lesen - und Schreibenler nen zu machen. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Buch „Wie der Tiger lesen lernt“ von Janosch. Hie r funkt ion iert d as Lesenlerne n de s kleinen Tigers offenbar problemlos, obwohl die Wörter, die der Lehrer Fuchs ihm in der Waldschule zum Erlesen präsentiert, aus lesedida ktische r Sicht nicht u npr oblematisch sind. Losgelöst von der Schulsituation versuchen die reich und sehr schön illustrierten Bücher „Bertram und Kasimir. Vom Abenteuer Lesen“ ( Jon as) u nd „Ein Bu ch für B runo“ (Heidelbach), Lust auf Lesen und Bücher zu wecken. In „Bertram und Kasimir“ macht die kleine M aus B er tram e ine n ve rbo te nen Ausflug in die Bibliothek und stößt dabei ein Buch aus dem Regal. Das Buch beschwert sich bei ihr darüber. Doch Bertram kann mit dem Buch nichts anfangen, weil er nicht weiß, „wozu dieses sonderbar e Ding gut sein sollte“. De shalb „w ollte er seine kleinen, sp itze n Zähne in den Buchdeckel schlagen“, um es zu fressen. Das Buch hindert ihn daran, indem es ihm eine Gesch icht e er zählt , ein e ganz andere, als er bisher von den Mäuseeltern gehört hatte. „So“, endete das Buch seine Erzählung „Ich habe die Geschichte meiner Seiten erzählt. Hättest du mich gefressen, hättest du sie niemals gehört, hättest nichts Ne ue s er fahren und nicht s da z uge lernt.“ Bertram ist „überwältigt“, kennt er doch jetzt zwei wichtige Funktionen eines Buches: etwas Neues erfahren und etwas dazulernen. Zur Beunruhigung seiner Eltern verändert ihn die se H orizon terweiterung: „S ein Zuhause erschie n ih m plö tzlich zu klein, u nd er beschloss wegzugehen. Schnell lief er los und befand sich bald an einem Ort, wo er noch nie zuvor gewesen war.“ Bertram will seine Verwandten auf dem Speicher besuchen, wird aber kurz vor deren Mäuseloch von dem Kater Kasimir erwischt, der ihn fr essen will. „Als Bertram sah, wie sich die Pfote auf ihn herabsenkte, nahm er all seinen Mut zusammen. Laut u nd e ntschlo ssen sa gte e r: ‚Warte, Kasimir! Ich w er de dir eine Geschic ht e erzählen!’“ Und Bertram erzählt Kasimir die Geschichte vom grünen Drachen, die er von dem Buch aus der Bibliothek gehört hatte. Während der Erzählung, die er mit immer neuen Episoden ausschmückt, spürt er, dass der Kater immer friedlicher wird. Die ander en Mäuse kommen hinzu und erblicken etwas, was sie – so weit sie zurückdenken können – n oc h nie gesehen ha ben: „Ein winz iges Mäuschen mit gekrümmten Schnurrhaaren erzählte einem riesigen Kater von grünen Dra ch en, währ end d er m it geschlo sse nen Au gen leise schnu rr te.“ Ber tram u nd die anderen M äu se le rnen hie r ein e weiter e Funktion von Büchern kennen: Bücher zähme n, Büch er disziplinieren – selb st gefä hrliche Ka te r. Die Mä use ziehe n ihr e Schlüsse daraus: „Sie sind alle umgezogen, in die Bibliothek, und verschlingen dort den ganzen Tag lang ... Bücher“ (Jonas, o.p.). In der Tat ein Buch, das neugierig auf Büche r ma cht u nd zum Lesenlernen motiviert, wenngleich es hier eigentlich nicht vordringlich um das Lesen, sondern um das Erzählen von Geschichten geht. Aber auch das ist eine wichtige Vorbereitung auf das Lese n, was viele Eltern und Großeltern allerdings in zwischen vergessen haben, sonst würden sie ihre n Kind ern viel me hr Geschic ht en erzählen. Auch Nikolaus Heidelbach versucht, mit „Ein Buch für Bruno“ Lust auf Bücher zu wecken, und es gelingt ihm dabei, ebenfalls eine wichtige Funktion von Büchern deutlich zu machen: Sie regen die Fantasie an und erlauben das Eindringen in neue unentdeckte Welten. Ulla, eine ausgesprochene Leseratte, wird t äglich von B ru no besu cht, der ihr immer etwas Neues zeigt, einen Aufkleber, ein T-Shir t, ein Rollbrett ..., um sich von ihr bewunder n und bestätigen zu lassen. Dann haut er wieder ab. Ulla wollte aber, dass er länger bliebe, und zeigte ihm deshalb ihre eigenen Bücher: „Aber Br uno hatte nur ein wenig geblätter t und sie dann liegen lassen. ‚Ph, Kinderbücher’, hatte er gesagt und schon war er draußen gewesen.“ Ulla probierte es erneut, diesmal mit den „ gefä hrliche n“ Büche rn, de nn d ie haben Abbildungen, vor denen sie sich fürchtete. „ Aber Br uno hatte sich nic ht gefürchtet. ‚Langweilig’, hatte er gesagt, und wieder war er draußen gewesen.“ Jetzt versucht Ulla es mit einem Trick: Sie täuscht mit einem Pflaster einen Schlangenbiss vor und behauptet, die Schlange komme aus einem Buch: „‘Da oben, das blaue. Ich glaube, es ist ein Zauberbuch. Alles drin kann lebendig wer den, nicht nur die Schlangen. Man muss sehr vorsichtig lesen (...).’ ‚Glaub ich nicht’, sagt Bruno. ‚Zeig!’“ Ulla holt das Buch und beginnt daraus vorzulesen. Von nun an gibt es keinen Text mehr, sonder n nur noch Bilder, die deutlich machen, dass Ulla und Bruno in eine Fantasiewelt eintauchen (Heidelbach, o.p.). Ein origineller Einfall, dem sich kaum ein Kind, wenn seine Fantasie dur ch die neue Medienwelt noch nicht völlig a bget öt e t ist, entz iehen k ann . Auc h Er wachsene werden sich diesem Einfall kaum entziehen können, schon wegen der vortr efflichen Illustrationen nicht. Nicht unproblematisch ist die Geschichte „W ie d er Fr anz lesen lernt e“, m it d er Christine Nöstlinger in ihrem Buch „Neues vom Franz“ Neugier auf das Lesen macht (Nöstlinger, S. 5-34). Um seiner Freundin zu imponieren und ihr zu zeigen, dass er lesen kann, lern t Franz B ilder bü cher auswen dig und seine Fr eundin glaubt ihm. Von nun an muss er Gabi immer wieder etwas vorlesen. „Der Franz tut das gern. Sehr schwer ist das ja auch nicht, wenn niemand daneben steht, der wirklich lesen kann.“ Auch das Lesebuch für die erste Klasse liest er Gabi vor. Aber er ist „sich nicht ganz sicher, o b die Gesc hichte n, die er zu den Buchstabenzeilen erfunden hat, auch wirklich die Geschichten sind, die im Lesebuch stehen“. Deshalb hat er ein bisschen Angst vor dem Schulanfang (Nöstlinger, S. 34). Sicherlich eine liebensw erte Geschichte, aber es fragt sich, ob die Fantasie, die durch u nverstand ene B uc hstaben zeile n he rvorge rufen wird, wirklich für das Lesen hilfreich ist o der ob n icht die „ falschen B ilder “ da s Verstehen der richtigen Inhalte zumindest behinder n. Eine ähnliche Situation findet sich auch in Frauke Nahrgangs Kinderbuch „Katja und die Buchstaben“. Katjas Leseler nprozess wird ger ad e dadurch empfindlich gestört, dass sie sich a uf Gr und d er Bilder in de r Fibel fant astische Ge schichten ausdenkt und diese ihrer M utte r vo rlie st. Da ihre Mu tter sie nicht korrigiert – sie kann es nicht, weil sie Analph abetin ist, was Katja nich t weiß – d en kt Katja, sie könne lese n u nd bekomm t deshalb in der Sch ule Pr obleme . Währ en d sich die M utter d ie aufr egenden Abe nt euer von Uli anhörte und dazu zustim me nd nickte , nickte Fr au Brau n, die Le hrerin , nicht: Sie wollte von diesem Abenteuer nichts wissen. „Du sollst nicht raten, Katja, du sollst lesen!“ „Aber meine Mama“, wollte sich Katja vertei digen. Doch Frau Braun winkte ab. „Schieb es nicht auf deine Mutter. Du hast einfach nicht genug geübt!“ Dann kam Jürgen an die Reihe, und er las: Uli sei leise So nun los Nadine las dasselbe. Alle Kinder lasen: Uli sei leise So nun los Und Frau Braun war einverstanden. Solche selt sam en Dinge passierten immer wieder. Katja las der Mutter von Uli, dem Schatzsucher, vor. Aber in der Schule wollte Frau Braun hören: Uli und Waldi wollen in den Wald wau wau. Und von der aufregenden Geschichte von Uli un d dem Geisterbahn m onster blieb n ichts übrig als: Uli und Susi sausen Hei das ist fein Tut tut Katja w ar sehr verwirrt. Z u Hau se kon nte sie die spannendsten Geschichten aus der Fibel v orlesen. Aber in der Schule standen dort nur noch erbärmlich langw eilige Geschichten, und Katja konnte gar nichts mehr davon lesen. (Nahr gang 1991, S. 19 f.) „Katja u nd die B uchstaben“ ist nicht nu r eine gelungene Fibe lkr itik (vgl. G enuneit 1 995, S. 180), so nd ern a uch e ine vehem ente Krit ik an einer Schule , die m it fan tasiebe gab ten Kindern wie Katja nichts anfangen kann. So erläutert die Autorin Frauke Nahrgang in einem Interview zu ihrem Buch: „ Die Le hrer in in der Geschichte sc had et Kat ja ga r nicht so sehr mit der Qu alität de r F ibeltext e ... Auch das Lernen im Gleichschritt hätte Katja vielleicht verkra fte t. Was sie abe r wirklich erst ar ren lä ßt, ist d ie I nteresselosigkeit der Lehrerin . Ich w ünsc he nicht nur Kindern m it Sc hu lpr oblemen Lehrer, d ie n eu gierig auf Kinder sind und je des einzelne sp anne nd finden“ (Hubertus/Nahrgang/Schöber, S. 16 f.). „Katja und die Buchstaben“ ist m.E. auch deshalb inter essant, weil hier eine analphabetische Mutter und deren Beziehung zu ihrer Tochter mit aller emotionalen Dramatik, aber auch voller Feingefühl dargestellt wird. „Katja und die Buchstaben“ ist in diesem Punkt vergleichbar mit den Jugendbüchern von Jochen Ziem „Bo ris, Kr euzberg, 12 Jahr e“ , Ka ren Hesse „Nennt mich einfach Jule“ und Carolin Philipps „Wer lacht, hat keine Ahnung“, in denen ebenfalls die Beziehungen zwischen Kindern bzw. Jugendlichen und ihren analphabetischen Elternteilen dargestellt werden. Das ist eine Thematik, die in der Schule bei betroffenen Kindern häufig aus Scham und aus Angst, von anderen wegen ihrer Eltern ausgelacht zu werden, tabuisiert ist. Das ist aber auch für Lehr erinnen und Lehrer ein sehr wichtiges Thema, um sie im Umgang mit analphabetischen Eltern zu sensibilisieren. Die heile Lesewelt hat Risse. Das zumindest machen diese Bücher deutlich. Und es scheint so, dass die Bücher, die sich mit die se n Rissen b esc häftigen, seit kur zem immer mehr zunehmen. Ein Beispiel dafür ist das Kinderbu ch „B enni und d ie Wör ter. Eine Geschicht e z um Lesenler nen“ von B ie ssels und Er lbruc h. Benni gehört wie Katja zu de n fa ntasieb ega bte n Kindern, die deshalb Problem e in d er Sch ule be im Lesen- und Schr eibenlerne n b ekomm en , weil die Lehrer innen und Lehrer sie nich t ver stehe n. Zuerst lä uft a lle s p roblemlo s, abe r als Benni das Wor t „S chaf“ lesen so ll, geht es nicht, weil d as geschriebene Wort „eigentlich nicht zu dem lieben Gesicht und weißen Locken eines Schafes passte. (...) ‚Da gehören Locken dran’, sagte Benni. Seine Lehrerin erklärte, wieso das nich t nötig sei. ‚Es sind doc h nur Buchstaben, Benni’, sagte sie (...). Alle sind sich darüber einig, dass Schaf so aussieht, wenn man es schreibt“ (Biessels/Erlbruch, S. 5 f.). Aber Benni kann sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden geben, denn er hat noch nicht verstanden, dass Lesen und Schreiben auf einer Abstraktionsebene stattfinden, der en äußere Form nichts mit der Realität zu tun hat. Von nun an verbindet Benni jede Person mit einem Tier: Der Arzt sieht aus wie ein Schaf, Onkel Willi wie ein Hund, und er malt ihre Gesichter neben die Wor te. Die Lehrerin r eagiert eher hilflos. „‚Benni ist zwar sehr eifrig, was das Lesen und Schreiben betrifft’, sagte Bennis Lehrerin (zu seiner M utt er), ‚a ber irge nd wie will e s bei ihm nic ht so ge hen wie be i den andere n Kind ern’“ (Biessels/Erlbruch, S. 24). Und damit trifft Carli Biessels den Nagel auf den Kopf: Unsere Schulen können mit abweichenden individuellen Lernpr ozessen nicht angemessen umgehen. Wenigstens schick t die Lehr er in Ben ni z u H er rn Rosenbaum, der so eine Art Schulpsychologe zu sein scheint und Verständnis für Benni hat. Bei ihm darf Benni die Wor te schreiben, die er will und auch die Zeichnungen dazu anfertigen, die er will. Heimlich steckt Benni seine Ergebnisse in einen Umsc hla g, de r ohn e se in Wissen an den S ch ulm inister geht. Der ist begeistert u nd will dara us ein „n eu es Leseprojekt für die Gru ndschule“ machen (Biessels/Erlbru ch, S . 30). Das kann zwa r vorder gründig Benni (und den Leserinnen und Lesern) Mut machen, ob es ihnen aber hilft, die näc hste S tu f e im P ro ze ss des Schriftspracherwe rb s zu e rr eiche n, bleib t offen, denn das Buch endet etwas abrupt. Es f ällt auf, dass die meiste n ne ueren Kinderbücher sich nur mit dem Lesenlernen und seine n Pr oble me n be sc häft igen . D as Schreibenlerne n u nd da s S chreib en selbst wird viel weniger thematisiert. Hier folgen die Kinderbücher einem bildungspolitischen, ja sogar allgemeinen politischen Trend, nach dem offenbar das Lesen als gesellschaftlich relevanter angesehen wird als das Schreiben. Wie ist es sonst zu erklären, dass sowohl die OECD -St ud ie „Literacy, Econo my and Societ y“ (1995) als au ch die PISA-Stu die (2001) led iglich die Le se fähigke it vo n Kin dern, Juge ndlichen und Erwachse nen ab geteste t hat, aber nicht deren Schreibfähigkeit? Ob das dam it zusamm en hängt, da ss ein e Unt ersuchung zur Schreibfähigkeit noch wesentlich katastrophaler ausfallen wird als die bisherigen zur Lesefähigkeit? Oder spielen da ganz andere Gründe eine Rolle: Lesen ist eine rezeptive Tätigkeit – man liest, was andere geschrieben haben. Schreiben hingegen ist eine produktive Tätigkeit, die m.E. ein viel größeres Entf a ltungs- un d Veränderungspotenz ial enthält als d as Lese n. Veränderungspote nziale sind abe r selten erwünscht. Wie dem auch sei, ich möchte diesem Trend m it z wei Bü chern ge gensteue rn , die au ch au f die Wichtigkeit des Schreibenlernens und -könnens eingehen. In Dietlof Reiches Kinde rb uch „F reddy. Ein wildes H amste rleben“ bringt sich der Hamster Freddy selbst das Lesen bei. Um aber an ausreichend Lesestoff heranzukommen, muss er sich mit den Menschen, deren Sprache er zwar beherrscht, aber nicht sprechen kann, schriftlich auseinander setzen. Unter großen Mühen lernt er Schreiben, was ihm allerdings erst gelingt, als ihm dafür ein Computer zur Verfügung steht. Er er kennt nicht nur, d ass S chre ibe n ein wic htige s Komm unikatio nsmittel ist, u m seine Ziele zu err eichen, sondern auch Spaß macht und sich zur literarischen Produktion eignet. So be ginnt er, sein e igenes Lesen aufzuschreiben. Ein Buch, das schreibunlustigen Kin dern und Erw a chsene n d eu t lich macht, dass Schriftsprache immer aus zwei Komponenten besteht: dem Lesen und dem Schr eib en, u nd das gleichz eitig wic htige F unkt ion en de s Sc hre ib ens auf zeigt (vgl. Genuneit 2002). Martin Baltscheit hingegen macht auf den in dividu ellen kom mu nika tiv en S inn des Schr eibens, zum Beispiel beim Liebesbrief, aufmerksam in seinem liebenswer ten Bilderu nd Kind er buch „Die Gesc hich te vom Löwen, der nicht schr eiben konnte“. Der Löwe konnte nicht schreiben. Aber das störte den Löwen nicht, denn der Löwe konnte brüllen und Zähne zeigen und mehr brauchte der Löwe nicht. Doch eines Tages verliebte er sich in eine lesende Löwin, die er sogleich küssen wollte. Doch dann fiel ihm ein: „Eine Löwin, die liest, ist eine Dame. Und einer Dame schreibt man Briefe. Bevor man sie küsst. Das hatte er von einem Missionar ge lernt, den er gefressen hatte. Da der Löwe nicht schreiben konnte, ging er zu dem Affen und beauftragte ihn, statt seiner einen Brief an die Löwin zu schreiben. Und der Af fe schrieb: „Liebste Freundin, wollen Sie mit mir auf die Bäume klettern? Ich hab auch Bananen. Total lecker! Gruß Löwe.“ Doch der Löwe w ar nicht damit zufrieden. „ Aber neiiiiiin!“, brüllte der Löw e, „so et w as hätt e ich doch nie geschrieben!“ Auch das N ilpferd, der Mistkäfer, die Giraffe, das Krokodil und der Geier, die er nacheinander mit dem Schreiben eines Briefes an die L öw in beauftragt, schreiben d iesen im mer n ur aus ihrer Perspektive. Dem Löwen reichte es. „N ein !“ , brüllte der Löw e. „N eiiiiiiin! N ein! und nochmals N ein!“ „Ich würde schreiben, wie sch ön sie ist. Ich würde ihr schreiben, wie gerne ich sie sehen w ürde. Einfach zusammen sein. Einfach faul unter einem Baum liegen. Einfach in den Abendhimmel gucken! … Und dann brüllte der Löwe los. Brüllte all die w un derbaren Dinge, die er schreiben w ürde, w enn er könnte. Das hörte seine angebetete Löw in und sie fragte ihn erstaunt: „Warum haben Sie denn nicht selbst geschrieben ?“ Und zerknirsch t muss der Löw e antw orten: „Ich habe nicht geschrieben, weil ich n icht schreiben kann.“ Da lächelte die Löw in , stupste den Löw en mit der N ase und n ahm ih n mit. Das letzte Bild zeigt die beiden unter einem Baum liegend, vor einem aufgeschlagenen leer en Buch, in das der Löwe mit Hilfe der Löwin ein gr oßes A schreibt, A wie Anfang. Ein liebenswertes Buch, dem sich weder Kinder noch Erwachsene entziehen können. Doch nicht nur Kinder- und Jugendbücher, die trotz bestehender Schwierigkeiten Mut zum Lesen- und Schreibenlernen machen, sind wichtig, sondern auch solche, in denen das Lesen- und S chr eibenlernen sc heite rt, wenn sie gleichzeitig zeigen, dass die gescheiterten Kinder andere Fähigkeiten haben, mit denen sie das Leben meistern. Zu solchen Büchern gehören z.B. „Pippi Langstrum pf “ vo n Ast rid Lindgren und „Hilfe, die Herdmanns kommen“ von Barbara Robinson. Pippi kann nur rudimentär lesen und schreiben, ihr ist noch nicht einmal die F un ktio n d er Komm un ikat ion dur ch Schriftsprache bekannt, denn sonst würde sie sich nicht selbst einen Brief schreiben. Sie will aber nicht lernen und meister t trotzdem ihr Leben. Ähnlich geht es den Herdmann-Kindern, über die Barbara Robinson schreibt. „Die Hermann-Kinder war en die schlimmsten Kinder aller Zeiten. Sie logen und klauten, rauchten Zigarren (sogar die Mädchen) und erzählten schmutzige Witze. Sie schlugen kle ine Kinder, fluc hten auf ihre Le hrer, mißbrauchten den Namen des Herrn und setzten den alten verfallenen Geräteschuppen von Fred Schumacher in Brand“ (Robinson, S. 5) – so charakterisiert die Autorin ihre kleinen Helden gleich zu Beginn der Geschichte. Klar, dass sie in der Schule Probleme mit dem Lesen- und Schreibenlernen haben. Aber das Merkwürdige ist, dass nie einer von ihnen sitzen bleibt: „Am Ende der ersten Klasse konnte Klaus Herdmann weder das Abc noch die Zahlen, er kannte keine Farben und konnte ein Viereck nicht von einem Kreis unterscheiden, er hatte weder gelernt, ‚Hänschen klein’ zu singen, noch mit anderen Kindern auszukommen. Aber Fräulein Brendel versetzte ihn trotzdem in die zweite Klasse: De nn eine s wußte sie: Im näch sten Jahr würde sie Olli Herdmann in der Klasse hab en. Das war eben die S ache mit de n Her dm anns: Es kam im me r einer nach. Und kein Lehrer wa r so verrüc kt, sich mit zwe ien von ihnen auf e inm al ein zulassen“ (R obinson, S . 11 f.). Hier gibt die Au to rin e inen wichtigen Hinw eis zur Ursachenfo rschung für funkt io nalen Analphabet ismu s: Vielfac h werden Kinder a us Be qu em lic hkeit einfach durch die Schulzeit „d urchgezogen“, um Schwier igkeite n zu verm eid en, in die nächste Klasse – m eist aus Altersgrü nd en – versetzt o der a uf d ie Sonderschule „abgesc hoben“ (vgl. Döbert 1997). Pip pi Langstrum pf und die He rdmanns sind alles irgendwo liebenswerte Kinder, die deutlich mache n, da ss es noch and er e Qualitäten gibt, als lesen und schreiben zu können. Aber haben sie eine Chance, in einer von Schriftsprache geprägten Welt zu überleben? Kaum. Von den Herdmanns können wir nur ahnen, was aus ihnen wird. Pippi kann nur überleben, glücklich und fröhlich bleiben, weil sie die Krummuluspille schluckt und so nie älter als neun Jahre wird. Insofern ist sie die einzige glückliche Analphabetin der Weltliteratur. Hier stellt sich die Frage, ob die Lektüre dieser Bücher Kindern mit Lese- und Schreibproblemen hilft. Bei der Überwindung dieser Pr obleme direkt wohl nicht, aber sie können ihnen Selbstbewusstsein vermitteln, das für den weiteren Lernprozess hilfreich sein kann. Und das ist doch auch schon etwas! In die Kategorie der Bücher, die Selbstbew usstsein ver mit teln , um tro tz Lese - un d Schr eibproblemen das Leben zu meistern, fällt auch das Buch „Der Pastor von Nibbleswick“, das Roald Dahl im Auftrag des Londoner D yslex ie- Inst itu ts f ür lese- und schr eibschwache Kinder geschrieben hat und mit d em d er Ü be rblic k b eend et we rd en so ll. Hochwürden Lee hat als Kind unter Lese-/ Rechtschr eibschwäche gelitten, ist aber durch die B em ühunge n des Lond oner DyslexieInstitut s weitgehend da von „geheilt“ worden. Nur wenn er unter Stress steht, sucht sie ihn noch heim, allerdings in einer merkwürdigen For m: Er spricht dann die wichtigsten Wörter rückwärts. So wird „dog“ zu „god“ – und umgekehrt – und e ine Zeile au s d em Vateru nse r lau tet „ Und ver gib u ns unsere D luh cs, wie a uc h wir ve rgeb en unser en Nregidluhcs“ (Dahl 2000, S. 18). Kein Wunder, dass die s in sein er neuen Kirchenge me ind e zu näc hst Verwirr ung st iftet. Die er reicht dann ihren Höhepunkt, als er nach einer Sonntagspredigt verkündet: „Die Straße vor unserer kleinen Kirche ist ausgesprochen schmal, und wie Sie wissen, ist kaum Platz genug, um mit zwei Fahrzeugen aneinander vorbeizukommen. Deshalb erscheint es mir r ic htig, we nn ich die Mit glie de r unser er Gemeinde bitte ...“ – und dann folgte wieder e ine dieser Wortverkehrungen. Er w ollte sagen: „... nicht vor dem Gottesdienst entlang der Vorderseite unserer Kirche zu parken.“ Parken heißt aber im Englischen park, und rückwär ts liest sich das Wort krap. Aber krap bedeutet scheißen. Also verstanden die Leute, sie sollten nicht vor dem Gottesdienst entlang der Vorderseite ihr er Kirche scheißen. Und weiter hörten sie den Pastor sagen: „Es ist nicht nur ein unschöner Anblick, sondern auch gefährlich. Wenn ihr alle auf einmal am Straßenrand scheißt, könnt ihr leicht von ein em v orb eifa hrend en Wagen überfahren werden. Es gibt doch genügend Platz an der Südseite der Kirche.“ (Dahl 1992, S. 19 f.) Mit Hilfe des Dorfarztes gelingt es Pastor Lee, mit seinem Problem fertig zu wer den: Er geht bei der Predigt immer rückwärts, dann kommen nämlich alle Wörter vorwärts raus, und um sehen zu können, wohin er geht, bringt er einen kleinen Rückspiegel mit einem Ela stikb and an de r Stir n a n. „Schließ lich wurde Hochwürden Robert Lee so gut im Rückwär tsgehen, daß er gar nicht mehr vorwärts lief, und für den Rest seines Lebens galt er als ein liebenswerter Exzentriker und eine echte Stütze der Gemeinde.“ (Dahl 1992, S. 22) Das Ermutigende an dieser Geschichte ist nicht nur, dass Pastor Lee eine Lösung für sein Pr oblem findet, sondern dass seine Gemeinde ihn tro tz seiner Schwäche ak zeptie rt . Die Realität sieht bei uns heutzutage noch anders aus: Bei uns werden Menschen mit Lese/ Schreibpr oble men imme r no ch versp ot tet und an den sozialen Rand gedrängt. Ihre Existe nz w ird geleu gnet, tab uisiert ode r herunter gespielt, sodass oft eine gezielte Hilfe für sie nicht möglich ist. An dieser Stelle soll der Streifzug durch die Kinder- und Jugendliteratur abgebrochen werden, obwohl es noch viele interessante Titel u nd Aspek te gibt, d ie vor ge st ellt werden könnten. Der Streifzug hat gezeigt, dass Lesen- und Schr eibenlernen seit mehr als zweihundertfünfzig Jahren ein Thema der Kinderliteratur ist. Dabei stehen Motivation zum Lesen- und Schr eibenlernen sowie die Überwindung der da be i auft ret en den Sc hwier igke iten im Mittelpunkt. Desha lb sind diese B ücher in der heutigen Ze it für Kinder wichtig. S ie er fahre n, woz u man Le se n und Schre iben bra uc ht und werd en so motiviert, es zu lernen und anzu wenden. Sie erfahren aber auch, dass Lesen- und Schreibenlernen mit Schwierigkeiten verbund en se in kann. Wenn sie selb st so lc he Schwierigkeiten haben, zeigen diese Bücher ihnen, dass sie nicht die Einzigen sind, und das macht Mut. Wenn sie keine Schwierigkeiten haben, erfahren sie, dass es Kinder gibt, die solche Pr obleme haben und dass man diese Kinder nicht auslacht, sondern ihnen hilft und Rücksicht auf sie nimmt. Baltscheit, Martin. 2002. Die Geschichte vom Löwen, der nicht sc hreiben ko nnte. Zür ich: Ba ja zzo. Biessels, Carli / Erlbr uch, Wolf. 2000. Benni und die Wörter. Eine Geschichte zum Lesenlernen. Weinheim: Beltz & Gelberg. Campe, Joachim Heinrich. 1830. Abeze- und Lesebuch. Braunschweig (Sämtliche Kinder- und Jugendschriften, Bd. 1, Faks. Nachdruck, Die bibliophilen Taschenbücher, Dortmund 1979). Dahl, Roald. 1997. Matilda. Reinbek: r ororo r otfuchs. Dahl, Roald. 1992. Der Pastor von Nibbleswick. Ravensburg: Otto Maier. Doorselaer, Willy van. 1995. Ich heiße Kaspar. München: Carl Hanser. Ellensohn, Susanne. 1999. Der lange Hans oder Die heimliche Flucht. 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Lesen ist ein komplizierter kognitiver Prozess, b ei de m die gesamte n sp rac hlichen und außersprachlichen Kenntnisse und Erfahrun gen des Lesers oder der Leserin einbezogen werden müssen: • Der Leser od er d ie Leserin m uss d ie Strukt ur eine s Wortes, eine s Tex tes e rfassen. • Der Le se r oder d ie Leser in m uss d ie im Tex t vor hande nen Be griff e m it ihren od er se ine r Vo rstellu ng ve rb inden b zw. d iese aus de m Tex tz usam me nhang ersc hließe n können. • Es m üssen vie lfältige Verknüpfungsleistu ng en vo llz o gen w er de n , z.B. Verknüpfu ngen vo n Wö rtern, vo n Ab schnit te n, Be zu g v on Üb erschr ift und Text, Verbind ung von Text anfang un d -e nde. Werde n genü gend Ver kn üpfungs- u nd Vo rst ellu ngsleist ungen er brac ht, so kan n die Aussa ge des Te xt es, de r Sinn, gefu nde n we rd en. Eine so lc he anstr engend e geist ige Tätigke it bedar f der M ot ivatio n, d.h ., die Lese nde n we nde n sich dem Tex t z u, weil sie S innge bu ng u nd Informa tion er wart en , we il sie au f da s Erge bnis ih rer Le se be mühun gen ge spannt sind . Der Deutschunterricht in der Gr undschule hat die Auf gabe, eine anhaltende Lesem otivation aufzubauen (vgl. Rahmenplan der BBS). Dafür sind die folgenden Aspekte konstitutiv: a) die Bedeutsamkeit der Inhalte (Wozu lese ich diesen Text? Geht der Text mich etwas an? Was habe ich von ihm?), b) die Möglichkeit der Rückkoppelung von Leseerfahrungen im Gespräch mit anderen und in Lernzusammenhängen (Wie habe ich den Text verstanden und was sagen die anderen dazu? Da gibt es ja ganz viele unterschiedliche Gedanken! Auf die wäre ich allein nicht gekommen!) sowie c) die Förderung der Erfolgszuversicht (Ich erwarte Antworten auf meine Fragen. Ich kriege das heraus!). Lesen er eignet sich im mer a uf zwe i Ebene n: Auf der inhaltlichen (z.B. Informationsentnahme) und auf der methodischen (z.B. Lesetechnik). Unverzichtbar für die didaktische Konz eption sinnvolle r Au fgab en st ellu ngen ist es daher, dass die Sinnentnahme immer mit M aßna hme n zu r Fö rderung d e r Lesestrategien verbunden wird. Wenn Kinder in dem komplexen Arbeitsfeld Lesen hierzu system atisch angeregt un d ange leitet wer den, lernen sie, Wörter und Sätze in Teileinheiten zu gliedern und d ie Be zieh un gen z wisch en die sen Einhe iten z u e r kenne n, In fo r mationen in ein em Text au szu mache n u nd die se zu b ewer ten, Be griffe u nd Sinnz usam me nhän ge zu klären, die Au fme rk sam keit a uf we sent lich e G edan ken in e ine m Tex t z u lenk en u sw. Sie lernen so, üb er genau jene St rate gien des Text verst eh ens zu ve rfügen, d.h. automa tisc h die St ra t eg ie a nzuwen den , die für das Ve rste hen notwe ndig sind (v gl. dazu Aebli. I n: Grundfor me n des Ler nens. S. 117 ff . und B au rm ann / M üller in PD, S. 44) . Das Intere sse am Lese n un d d ie Fähigkeit zu r Anwe ndung v on Le se stra te gien f ür das Tex tv erste he n bed ingen einand e r. Nu r w enn be i d es er k e nn ba r f ür d i e Kinde r mit einand er ve rbun de n ist, kö nnen sie d en Wer t de s Le sen s f ür sich pe rsönlich entdecke n, die fü r die Entwicklung der Str at egien not wen dige Anstrengungsbereitschaft auf- und a usbaue n un d Fre ude am Lesen gewinnen. Für die Ausbildung und För derung einer wie oben verstandenen Lesekompetenz werden sowo hl S acht ext e als auch v er antw ortungsvoll ausgewählte literarische Texte emp fohle n. Re ime , Rätse l, Ged ichte und Geschichten bieten auf Gr und ihrer sprach lichen Gestaltung vielerlei Ansätze dafür, die f ür d as Text ver stehe n erfor derlichen Strategien bewusst zu üben: • Bildhaftigkeit, Klang, Reim und Sprachrhythmus sprechen die Kinder emotional an und machen sie neugierig. • Besondere Gestaltungsweisen steuern die Aufmerksamkeit und fördern die Fähigkeit zu r bewusst en Sinn- und Informationsentnahme. • Reim und Rhythmus legen es nahe, Wörter und Sätze beim Lesen in Teileinheiten zu gliedern. • Die Kinde r gewinnen au f G ru nd der Bildhaftigkeit und der besonderen Sprachgestaltung von literarischen Texten relativ schnell Zugang zu Inhalten, die sie zum Nachdenke n u nd Mite rleb en anregen. • Spr ac hliche Prägnanz und Verknappung wir ken wie St o lpe rste ine u nd fo r dern zum N achdenk en u nd Fra gen he rau s. • Die Übe rscha ub ar ke it der Te xte wi rk t erm ut igend un d e r mö glicht un tersch ie d liche unt errich tlic he Arrangem ent s für die För derung d es Te xtve rstehe ns. • Die Kinde r begegne n Tex ten, die auf ihr Welt wissen u nd ihr e Vorste llu ngen und Erfahrungen t reffen und die ses erweitern. • R eim e, R ätsel, G edicht e und Ge schic hte n motivieren zum Aust au sch sowi e z ur Dif ferenzieru ng u nd z um Üb erdenken von ind ividue lle n Lese erfahrun gen und Vo r ste llu n ge n im Ge spr äch u nd im gem einsam en Tun. • Reime, Rätse l, G ed ichte und Geschic hten initiier en , le it en b zw. ergä n ze n Le rnzusammenhänge. • St r at egien für da s Te xtv erste hen er halten im inha lt lichen Kont ext u nd in Ler nzu sam me nhän gen ihre B ed eu t ung; das Le se n m uss f ür die Kind er zu ein em erkennbaren un d e r st rebenswer ten Ziel führen. • Die Begegnung mit d en Tex ten, die gelesen we rden so llen, seien es Sa ch te xte ode r literar ische Tex te , mu ss spa nnun gsvoll sein, sie mu ss z .B . Erwartungen wecken und e rfü llen , Vor ste llun gen eröffn en u nd dif ferenzieren. • I m Hinblick au f die Ausb ildu ng von Str ategien zu r Förderu ng des Textverst eh en s sind die Unt er sc hie de in de r R ezeptio n no n-fikt ion ale r und fiktio nale r Te xte nachr angig. (v gl. Hu rrelmann , B ett ina. In: PD 176/ 02, S . 1 2). • Es ist sinn voll, auch liter arische Text e so au sz uwä hle n u nd de n Unt er richt so z u ge st alte n, dass die Kind er m it e iner ge richt et e n Auf m er ksam keit le sen und sich über d en Te xt ver ständige n könne n. Ein Lesea uftrag wie „Sc hlagt das Buch au f Seit e ... a uf. Wer begin nt mit dem Vorle se n? “ ist nic ht m ot ivie re nd und schre ckt Kinder ab, die noc h nicht ü be r ein au sge bildetes Lese int er e sse u nd -vermögen ver fügen. • Vor d em la uten Vorlese n soll ten die Kind er d ie M ö glic hkeit habe n, d e n jeweiligen Te xt für sich zu lese n. Wenn wir d ie Kinder unb ekannte Tex te o hne a usr eic he nde Vorbere itung vo rlese n la ssen , b esteht d ie Gefahr, d ass sie Lesen vo rn ehm lic h a ls ein Lautw er denlasse n von S ch rift ze ic hen auffa ssen. Da sie M ü he genug ha be n, die Sc hrift in Laute u mz uset zen, ve rn ach lässigen sie angesicht s d er Erwar tung, m öglichst fehler frei vo rle se n z u so llen, da s Eigent liche und auch d as eigent lic h M otivie re nd e: Die d urch d ie Laute beze ichnete Sinnsuc he u nte rb le ibt ode r wird zum indest ver nachlässigt. • Gleiche s gilt au ch für m it lesende Kin der, d a diese auf d as Lesetem po d er Vorleserin od er d es Vorle ser s festg elegt wer den. Durc h b lo ßes Vor- und M itle sen lassen, d.h. ohne vor her iges individuelles Lese n, wir d d en Kin der n d ie Si nnent na hme erschwert ode r gar verste llt . • Das sinngesta ltende Vo rlese n d er Le hrkr af t e rleich ter t b zw. e rm öglicht d en Kindern jed och da s Zuh ören und d as Textverstehen. Ein solches gesta lte ndes Vorlesen trägt zur Lesem otivation be trächtlich bei. • Individu elles Lesen allein bietet alle rdings nic ht die Gewäh r fü r ein sinnersc hlie ßendes Lese n, sondern die gem einsam e B esinnu ng ist n otwe ndiger Be stand t ei l d es Leseunter richtes. • Da s Gesp räch dient dem Kläre n des Gelesenen sowie dem tieferen Eindringen in dessen Gehalt: Indem die Kinder das jeweils von ihnen Erfasste benennen, es zu verstehen und zu deuten versuchen und indem durch Nachlesen Aussagen geprüft, Inhalte z usam mengefa sst und Sc hlü sse gezogen werden, indem Bezüge zur eigenen Vorstellungs- und Erfahrungswelt und schließlic h Ler nzusamm en hänge herge st ellt w er den, gelange n d ie Kind er zu eine m Te xtve rstä ndnis, das ihnen au s eigener Kraft und allein nicht erreichbar wäre. In den folgenden Praxisvorschlägen wird jeweils eine wesentliche Strategie des Textverstehens beispielhaft in den Vordergrund gestellt: 1. Sinnentnahme durch Antizipation („Es klopft bei Wanja in der Nacht“) 2. Sinnentnahme vorbereiten durch Nachdenken über Wörter („Fingel“, „Ich wünsch’ gute Nacht“) 3. Sinnentnahme durch Retrospektive („Der süße Brei“) 4. Sinnentnahme durch Rekonstruktion („Droben auf grüner Waldheid“, „Weiß wie Kr eide“, Bodenbilder, Lesespur) • Ha ndlungs- un d pr oduktionsorientierte Verfahr en dienen dem vertiefenden Textverstehen. Damit dies gefördert werden kann, muss der Text selbst im Mittelpunkt stehen. Die handlungs- und produktions orientiert en Aufga be nstellungen m üsse n die Kin de r zu näc hst z u r ver tiefenden Auseina nde rset zung mit de m jewe ilige n Text herausfordern. Für das vertiefte Verstehen reicht es nicht, die vorgegebenen Inhalte nach eigenem Ermessen umgestalten oder weiterentwickeln zu lassen, diese szenisch darstellen oder sie mit Musikinstrumenten „vertonen“ zu lassen, viel mehr sollten die Kinder während solcher Prozesse zur kritischen Beobachtung ihrer Aktivitäten angeregt werden, und ihnen sollte dabei zunehmend klar werden, dass ihre Gestaltungsversuche Wer kz eu ge für das Textverstehen sind. Erst dann sind Ausgestaltungen, die über den Tex t hinau sg ehe n ode r ihn auc h abwandeln, sinnvoll. • Klang gestaltendes Lesen ist dem Kind eine Hilfe, den Gehalt eines Textes zu erfassen und zu behalten. Es sollte jedoch nicht am Anfang der Lesebemühungen stehen, sondern das Textverstehen begleiten und vorläufig abschließen. • Vorbereitetes Vorlesen sollte einen festen Platz im Unterricht erhalten. Es ist eine wichtige Übungsmöglichke it , und die Lehrerin oder der Lehrer erhält darüber hinaus durch die Art des Vortrags wichtige Hinweise, inwieweit der Text verstanden worden ist • Für das individuelle Stöbern in Bücher n und zum Austausch ihrer Leseerfahr ungen mit anderen müssen die Kinder freie Lesezeiten erhalten. 5. Sinnentnahme durch Gestaltung („anege, hanege“, „Der Flügelflagel“, „De Dag de graut“, „Geschichten von Franz“) Eine äu ße rliche B ed rohu ng ( ein nächt liche r Schneesturm) ist stä rker als die Angst vo reinande r und der Unfried en un tereinander (von Mensch, Hase, Fu ch s u nd Bä r). Erst de r neue M or gen lässt alle die Ge fahr, die vo m anderen au sge ht, e rkenne n, u nd jeder geht wiede r seinen eigenen Weg. Nur die Spure n im Schne e zeigen, da ss sie die Nac ht friedlich mite inander ve rb rac ht habe n. Gr undsc hulkinde r kenne n Gef ühle w ie Angst in d er N ac ht, Angst vo r N aturphänomenen oder vor anderen, die stärker sind als sie. Dass es aus der Angst bzw. Not heraus Lösungen gibt, die anders sind als unsere Erwar tu ngen, e r fahren sie im Bilde rb u ch „Es klopft b ei Wa nja in de r Nach t“. Die se „unge wöhnliche “ Lösung m acht Mu t und scha fft Vertra ue n in d as Leben. Das einfache Reimschema des Textes und der wie de rkehre nde Refr ain glie dern d en Text, unterstützen das Verständnis und sorgen für eine große emotionale Nähe zu den Figuren. D ie Geschicht e wird vor allem von den Illustr at ion en her e rschlossen . D ie S innentnahme erfolgt dur ch: • Antizipation der Handlung, • Vorlesen und Mitsprechen, • Schreiben und • szenisches Spiel. H au pt tätigke ite n be im gem einsam en Kennenler nen eine s B ilder buc hes sind: das Betrachten und Verweilen, das Reden, Vor lesen und Zuhören. Gemeinsam nachgedacht werden kann üb er Ab bild un gen, Übersch rif ten und Textteile (z.B. Einleitungssätze, Kernstellen, Schlusssätze etc.). Für den Unterricht bedeutet das, dass besonders viel Zeit für das Gespräch eingeplant werden muss. Die Lehrkraft klebt Titel und Titelbild des Bilderbuches zunächst zu. Die gemeinsame Erarbeitung findet im Stuhlkreis statt: • Die Lehrkraft betrachtet mit den Kindern die Spuren im Schnee auf der Innenseite de s Einba ndes. Die Kinde r st ellen Vermutungen an, um was für Spuren es sich handelt. • Die Leh rk ra f t li est d en Text v om Eintreff en d es Hasen bis z um R ef rain „Ba ld w ird es still im k leinen Haus ...“ vor. D ie Kin de r be sch re ib en da s Bild (Hase im Lehnst uhl n eben d em O fen) un d st ellen Vermut ungen a n, wie sic h d er Hase f ühlt . • Die Lehrkraft liest bis zum Eintreffen des Fuchses und der Bitte des Hasen, ihn nicht ein zu lassen, vor. Die Kind e r äuß er n Vermutungen dazu, wie Wanja sich entscheidet. • Die Lehr kra ft liest die Entsc he idu ng Wanjas bis zum Refrain vor. Sie spricht und übt mit den Kindern den Refrain. • Das Eintreffen des Bären wird bis zur Zeile „Was mach ich bloß? O Mann, o Mann.” vorgele sen. Die Kinder b et ra cht en und beschreibe n das Bild und stelle n Vermutungen an, was Wanja machen wird. Die Lehrkraft liest bis zur Entscheidung, den Bä re n a uf zune hmen. Die Kind er sprechen den abschließenden Refrain mit. • Die Lehrkraft zeigt das Bild vom tobenden Schneesturm und liest dan n bis zum Verweis a uf de n nächste n M orgen vor. Danach erst wird das Bild von Wanja und den friedlich schlafenden Tier en gezeigt. • Die a nschlie ße nde Schr eibaufga be z um Bild der friedlich schlafenden Tier e sollte möglichst offen for muliert sein bzw. die Aufgab enste llun gen könnte n d iffer enzierend eingesetzt werden (z.B.: Schreibe etwas zum Bild! oder: Am Morgen ist der Sturm vo rbei … od er: Wie könnt e es weitergehen?). • Nach der Präsent at io n d er S chü lertexte kann der Schluss des Textes mit den eigenen Lösungen verglichen werden. Der Kinderbuchklassiker „Es klopft bei Wanja in der Nacht“ eignet sich besonders zum szenischen Spiel. FINGEL (nach Klinger) 1. Fingel war ein Riese in Irland. In Schottland lebte ein anderer Riese. Der hörte von Fingel und wurde darüber unruhig. „Wer ist die ser Fingel? “ fragt e er sich immer wieder. „Ich will zu ihm hinübergehen und ihn sehen.“ So machte er sich auf den Weg und ging über den Irischen Kanal. Fingel hörte davon und erschrak, denn man hatte ihm er zählt, d ass der sc hottische R iese ih n u m Haupteslänge überrage. 2. Als er d en Riese n nu n a uf sein Hau s zukommen sah, rannte er so schnell er konnte in die Küche. „Weib!“ rief er, „schnell, schnell. Der große Schotte kommt! Ich lege mich rasch ins Bett, und wenn er fragt, wer da schläft, so sage, es sei dein Kind!“ Fingel sprang ins Bett und seine Frau hatte gerade noch Zeit, ihm die Decke überzuwerfen, als der Riese hereinkam. „Wo steckt dieser Fingel!“ schrie er. „Schaff ihn mir herbei, ich will ihn verprügeln!“ „Pst! Pst!“ wisperte die Frau. Du weckst mir das Kind auf!“ „Was für ein Kind?“ „Fingels Kind“, flüsterte die Frau und neigte sich über den großen Körper unter der Decke. „O heiliger Andreas!“ schrie der Riese auf. „Wenn das sein Kind ist, wie groß muss Fingel dann erst sein!“ Damit stürzte er aus dem Haus und rannte ohne Pause, bis er wieder sicher in seiner Heimat war. 3. Fingel aber stand auf und lachte so laut, dass es von den Wänden widerhallte. Jemand ist kleiner als ein anderer und hat Angst. Diese Situation ist Kindern eines zweiten und dritten Schuljahres nicht fremd. Zu erleben, wie in der Geschichte von Fingel der Kleinere zugibt, Angst zu haben, sich aber zu helfen weiß, ber eitet Vergnügen und entlastet von eigenen Ängsten. Die Verlagerung des Geschehens in die Fern e u nd in u nrealistisc he G röße nverhältnisse schafft den nötigen Abstand, um beim Lesen über eigenes Erleben nachdenken zu können. N ac h S ch aff en ansc hauliche r spr achlic her Gr undlagen durch Klärung von Begriffen und Wör tern erfolgt die Sinnentnahme durch: • Antizipation, • Zusammenfassen des Inhalts, • szenische Gestaltung und • eine Schreibphase. Schon beim ersten Satz „Fingel war ein Riese in Irland“ entwickelt der kompetente Leser von sich aus eine Vorstellung vom Ort und der Außerordentlichkeit des Geschehens und weckt Er wartungen, die ihn zum Weiterlesen veranlassen. Eine solche selbstständige Vorst ellungsb ildung, dur ch die Lese inter esse erzeugt wird, kann bei Kindern eines zweiten bzw. dritten Schuljahres nicht vorausgesetzt werden. Es müssen im Vorfeld der Lesearbeit anscha uliche u nd sprachliche Gr undlagen geschaffen werden. • Die Kinder betrachten das Bild und finden gemeinsam heraus, was es ihnen erzählt. Dies kann auch in Gruppen geschehen. • Während d er ge meinsame n Au ssp rac he wird auf folgende Begriffe eingegangen: Irland – Ire Schottland – Schotte Irischer Kanal (Irische See – die geographisch gebräuchliche Bezeichnung) • Wenn die Kinder von sich aus Vermutungen anstellen, was es mit den Riesen auf sich haben könnte, werden sie zum stillen Lesen des ersten Teils der Geschichte aufgefordert, um genau das herauszufinden: • Tafelarbeit: Was erfahren wir über die Riesen? • Ein Gespräch schließt sich an. Ziel ist, dass die Kinder herausfinden: „Fingel sitzt in der Klemme.“ Die weiterführende Frage stellt sich von selbst: Was kann er tun? Die Kinder machen Vorschläge. • Sie lesen nun den vollständigen Text und unterstreichen Stellen, die sie im Hinblick auf die Fragestellung besonders aufschlussreich oder „spannend“ finden. • Die Kinder lesen dann die entsprechenden Zeilen vor. Das Erschrecken Fingels, sein listiges Vorgehen und die Pfiffigkeit der Frau lassen sich gut sinngestaltend lesen und verdeutlichen. • Das sz enische Sp ielen einze lne r Dialogstellen kann der Vertiefung des Textverständnisses dienen, wenn es durch das Unterrich tsge spräch, das au f de n Text Bezug nimmt, ergänzt wird. Das bedeutet: Spiel- und Reflexionsphasen wechseln kontinuierlich. • M ögliche r Schre ibim puls: „Je ma nd ist kleiner als ein anderer und hat Angst. Aber er weiß sich zu helfen“. Die Kinde r können bei die se r Sc hreib aufgabe entweder die Geschichte noch einmal oder aber abgewandelt erzählen. Sie können auch eine neue Geschichte erfinden bzw. eine Geschichte von sich erzählen. Andere Texte, die das Them a Angst zum Inhalt ha ben, kö nnen mit der Gesc hic hte von Fingel in Beziehung gesetz t werden. Die Kinder über denken da nn no ch e inmal ihr bisheriges Verständnis und haben Gelegenheit, es zu erweitern oder zu mo difiz ieren . Als Beispiel seien die unten st ehenden Verse genannt. S ie heben jewe ils einen Aspekt von Angst hervor, der in d er F inge l-Geschichte zwa r mitsc hwingt, jedoch nicht a usdrücklic h Them a ist : Der erste Te xt st ellt hum or voll d ar, au f welche Weise Angstgefüh le entsteh en, d er zweite Ve rs e rm utigt zur Überwin dung von Angst. • Vorschlag für die Weiterarbeit: Welcher der beiden Verse passt deiner Meinung nach zur Fingel-Geschichte? Begründe deine Entscheidung. Mother Goose Mariechen auf der Mauer stund, sie hatte Angst vor einem Hund.Der Hund hatte Angst vor der Marie, weil sie immer so laut schrie. Die Nacht Die Nacht ist ein großes schwarzes Loch. Glühwür mchen aber wagt es doch, zögert nicht, zündet an sein Licht. (aus Japan) Ich wünsch’ gute Nacht, von Rosen ein Dach, von Zimt eine Tür, von Rosmarin einen Riegel dafür. Ich dank‘ für diesen Reim, die Rosen wachsen groß und klein, sie wachsen auf und nieder, eine geruhsame Nacht wünsch’ ich wieder. (mündlich überliefert) Kinder n im Grundschulalter ist es ein Anlie ge n, d ie We lt in der Vor st ellung für sic h so her zustelle n, wie sie se in soll. Es ist ihne n ein Bedür fnis, Gefü hle de s Ungesich er te n, des Unbeha ust- und Ausge liefertse ins durch Bilder d er Gebo rgenhe it un d de r Ha rm onie au szugleic hen. Die se we rden in d er erste n S trophe des Gedich tes – als Wu nsch an ein Gegenüber ger ic htet – au sgesprochen. Der Wunsch als eine leb en dige u nd wirksam e Vorstellu ng wird in d er zweite n Str ophe als Da nk zur ückgegeben. Das Gedicht ist jedoch in seiner Aussage nicht ohne gewisse Vorkenntnisse zu entschlüsseln. Die Kinder müssen erleben, nach Möglichkeit auch ausdrücken, welch angenehmes Empfinden der Duft der Rosen in ihnen weckt, und sie müssen über die Bedeutung von Zimt und besonders von Rosmarin als Heilpflanze informiert werden oder sich informieren können. Vor diesem Hintergrund sind die Kinder auch motiviert, über das Gedicht nachzudenken. Nach Schaffen anschaulicher und sprachlicher Grundlagen erfolgt die Sinnentnahme durch: • Assoziation, • Markier en von Sinn tragenden Wörter n, • Erschließen von Wortbedeutungen aus dem Kontext, • Gespräch, • dialogisches Lesen und Sprechen, • Textvergleich und • gegebenenfalls Einbettung in andere Lernzusammenhänge (z.B.: unser e Sinne, Gewür ze). • Die Kinder er halten die Gelegenheit, den spezifischen Duft der Rose, von Rosmarin und Zimt zu spür en und in Worte zu fassen. Die Lehrkraft hebt die Bedeutung der Rose als Inbegriff der Schönheit und des Wohlgeruches hervor und informiert über die Bedeutung von Zimt und besonders von Rosmarin als Heilpflanze. Die Lehrkraft zeigt und erklärt gemeinsam m it d en Kinde rn die Funk tio n eine s Riegels. (Die B edeu tu ng de s Wortes „R ieg el“ kö nnt e spä t er mö glich erweise auch aus dem Kontext ermittelt werden.) • Die Kinder lesen jedes für sich die erste Str ophe mit dem Auftrag: Lest und überlegt (evtl. zu zweit), was das, was wir eben herausgefunden und besprochen haben, mit diesem Reim zu tun hat. Unterstreicht die Zeile, die ihr besonders schön findet. • Die Kinder tauschen im Klassengespräch ihre Leseerfahrungen aus. • Die Kinder lesen die erste Strophe oder spr echen sie auswendig. • Die Lehrkraft wendet sich einem Kind zu und spricht die zweite Strophe so, dass der Dank, der darin enthalten ist, deutlich zum Ausdruck kommt. • D ie Kinder find en im Gesprä ch d en Zusammenhang zwischen erster und zwei- ter S tr op he he ra us ( z.B. „ Der ist dan kbar für d ie Worte, dass er ih m was G ut es wünscht!“). • Die Kinder lese n bzw. spr eche n d ie beiden Str o phe n im Dia log. Auß er der u rsprüngliche n erste n S trophe wer den den Kind ern noch zwe i Varianten gegeb en mit dem Auf tr ag: Le st die be iden ne ue n S trophe n gena u u nd ver gleich t sie m it der, die ihr zuerst z um Le se n bek om me n habt . Welche S tr ophe vo n den dreien gefä llt euch am beste n? B egr ünd et eu re Wahl. Variante 1 Ich wünsch’ gute Nacht, von Zimt ein Dach, von Rosen eine Tür, von Rosmarin einen Riegel dafür. 4. Da kocht es und sie isst sich satt. Nun will sie, dass das Töpfchen wieder aufhören soll, aber weiß das Wor t nicht. Also kocht es for t, und der Brei steigt über den Rand und kocht immerzu , die Küche und das ganze Haus voll und das zweite Haus und die Straße, als wollt’s die ganze Welt satt machen, und ist die größte Not und kein Mensch weiß sich zu helfen. 5. Endlich, wie nur noch ein Haus übrig ist, d a kommt das Kind u nd spricht nu r: „Töpfchen steh“, da steht es und hört auf zu kochen. Und wer in die Stadt wollte, der musste sich durchessen. Variante 2 Ich wünsch’ gute Nacht, von Rosmarin ein Dach, von Zimt eine Tür, von Rosen einen Riegel dafür. Die m aßvolle Han dhabu ng d esjenig en Mittels, das die Existenz sichert, ist an die Kenntnis zweier Regelungen gebunden, die ric ht ig ange wand t wer de n m üssen. I m Märchen ist es das Mädchen, das über diese Infor mat ione n u nd auc h über der en Handhabung verfügt. DER SÜSSE BREI Die Sinnentnahme erfolgt durch: • Hören und Zuhören, • Formulieren von Erwartungen und • Markieren und Identifizieren von Sinn tragenden Wörtern, um • einen Text szenisch darzustellen. 1. Es war e inma l ein ar me s, f rommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Mädchen hinaus in den Wald 2. und es begegnete ihm eine alte Frau, die wusste seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Töpfchen, zu dem sollte es sagen: „Töpfchen koche“, so kochte es guten, süßen Hirsebrei, und wenn es sagte: „Töpfchen steh“, so hörte es auf zu kochen. Das Mä dche n brachte d en Topf seiner Mutter heim, 3. und nun waren sie ihrer Armut und ihr es Hungers ledig und aßen süßen Brei, so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen, da sprach die Mutter: „Töpfchen koche.“ • Die Lehrkraft künd igt a n, nur den er st en Satz des Mä rchens vorzu st ellen und d en Fortgang der Hand lung ohne Worte und nur m it Hilfe von Klänge n zu erzählen. Vorher stellt sie die Per so nen und Dinge vor, die für dieses M är chen konstitutiv sind . An der Tafel stehen folgende Wörter, für die die Kinder in ihr en Tischgruppen entsprechende Bildsymbolen erhalten: Die Tochter Die Mutter Ein Dorf Der Wald Eine alte Frau Ein Töpfchen mit Hirse • Die Lehrkraft spricht den ersten Satz des Märchens. Dieser erste Satz steht auch an der Tafel. Sie stellt das Märchen dann mit ausgewählten Orff-Instrumenten dar. • Parallel dazu entwickeln die Kinder ihre Geschichte(n). Sie orientieren sich dabei an den Personen und Bildern an der Tafel und an den Klängen, die die Lehrkraft mit den Orff-Instrumenten erzeugt. • Die Kinder legen mit den Bildsymbolen noc h einma l a lle in, zu zwe it o de r in Gruppen ihre Geschichte. • Die Kinder er halten d en Te xt ohn e U nterstreichungen. Au fgabe: „ Le st nun d as M ärche n un d unterstreicht d ie Ste lle n im Tex t, von denen ihr me in t, dass sie z u de n Klängen be sonde rs gut passe n. Wie wü rd et ihr jetz t die Bild er legen ? Hat sich etwas geändert?“ • Es sc hlie ßt sich ein Gespr äc h a n, in d em da s im M ärche n d ar gestellte Geschehe n zu nehmend in d en Vorder grund tritt. • Zum vertie fend en Verstehen des Märchens wird d ieses sz en isch d arg est ell t. Als Vorbereit un g für d iese Aufgabe erhalten die Kinder d en Au ftrag: „ Unterstreic ht die Wört er und Stellen im Tex t, die e uch besonders gut d ar an erinne rn, was in der Ge sc hic hte ge schieht.“ D iese Ar beit sollte in den G ruppen vorgeno mm en werden. • Die Arb eitserge bnisse sind Gru ndla ge für mehrere S pie lversu che, die jeweils am Text üb er pr üft werden. Um möglichst vielen Kindern Ge legenhe it zum S pie len zu geb en, wir d da s M är chen in Ab sch nitte (s.o .) unterteilt. DROBEN AUF GRÜNER WALDHEID (überliefert) Droben auf grüner Waldheid, da steht ein schöner Birnbaum. Schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist an demselbigen Baum? Ein wunderschöner Ast. Ast an dem Baum, Baum in der Erd. Was ist an demselbigen Ast? Ein wunderschöner Zweig. Zweig an dem Ast, Ast an dem Baum, Baum in der Erd. Droben auf grüner Waldheid steht ein schöner Birnbaum, schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist an demselbigen Zweig? Ein wunderschönes Nest. Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast, Ast an dem Baum, Baum in der Erd. Dr oben auf grüner Waldheid steht ein schöner Birnbaum, schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist in demselbigen Nest? Ein wunderschönes Ei. Ei in dem Nest, Nest auf dem Zweig, Zweig an dem Ast, Ast an dem Baum, Baum in der Erd. Dr oben auf grüner Waldheid steht ein schöner Birnbaum, schöner Birnbaum trägt Laub. Was ist in demselbigen Ei? Ein wunderschöner Vogel. Vogel im Ei, Ei in dem Nest, Nest auf dem Zweig, Zweig auf dem Ast, Ast an dem Baum, Baum in der Erd. Droben auf grüner Waldheid steht ein schöner Birnbaum, Birnbaum trägt Laub. Das durch sein e b ildh afte S prac he , sein e lie dhaft e Rhyt hmik und seinen klar en Au fba u ein gän gige Ket te n ge dicht ka n n in Inha lt u nd St ru kt ur als Anle it ung für sinnersc hlie ße nde s Lese n b etr acht et w erden. „Schö n“ ist de r Birn baum . Er zie ht d ie B licke auf sich und we ckt Er wartunge n. Die e rsten d rei Zeile n der e rste n S tro phe k önne n a ls Ant wor t au f e ine Fr ag e a nge sehen wer de n, d ie (no ch) nic ht geste llt worden ist, die ab er nu n, da sie da ist, z um we ite r en Frage n an re gt . In einem sich stet ig wied erho lend en Fr ag e- u nd An tw o rtsp i el erschließ t sic h sukzessive d as „G eheimnis“ d es Ba um es, d er G r un d fü r sein e An ziehungskraft. Kinder n in d er G rund sch ule b e re itet d as Le se n e in es s olc h en Text es Ver gnügen. S ch nell le se nde Kinder e rkenn en na ch kurze r Zeit d en „Trick“ u nd ent wick eln da s Ge dicht d ann v on sich a us weite r. Kin der mit Le sesc hwier igke iten er mutigt der Text auf Gr und d er vie len Wor twiederholungen und we n ige n ne ue n W ör te r ( in jed er Strophe le diglic h e in neu es, S inn tr agend es Wort) zum se lb stst ändige n Lesen. N ac h S ch af fen anscha uliche r Gr undlagen erfolgt die Sinnentnahme durch: • schrittweises Erlesen des Inhaltes, • Antizipation, • Ergänzen von Textstellen, • bildhaftes Umsetzen des Gelesenen und • Sprechen des Gedichtes. • Das Gedicht wird den Kinder n in seiner gan ze n Läng e visuell prä sent iert . Die Kinder betrachten es „von außen“. („Das ist aber lang!“ „Da sind immer Wörter gleich!“ „Da ist ganz viel gleich!“) • Die Kinder lesen die erste Strophe still. • Sie gestalten in gemeinsamer Arbeit einen großen Baum mit vielen Blättern. • Eine Partnerarbeit schließt sich an. Leseauftrag: „Wie müssen wir unseren Baum verändern, damit er zum Gedicht passt? Unterstreicht die Stellen im Gedicht, die dafür wichtig sind.“ Dieser Arbeitsauftrag ist in sich differenzierend. Langsam ere Leserinnen und Leser werden über die erste oder zweite Strophe kaum hinauskommen, während die schnellen Lese rinnen und Leser in der gleichen Zeit bis zum Ende des Gedichtes vordringen können. Alle Kinder aber werden einen Beitrag zur Gestaltung des Baumes leisten. • Dadurch, dass die Kinder versuchen, das Ged icht auswendig z u spreche n – d ies kann sehr gut auch durch ein Reihumsprechen geschehen – , werden sie auch für seinen Aufbau sensibilisiert. Rätsel: gere im te R ätsel, be i denen das Re im wort, welches das Rätsel abschließt, zugleich das Lösungswort ist o de r bei de nen me hrere Lösungen möglich sind, können die Kinder an diese besondere Art des Textverstehens herangeführt wer den. z.B. Vom Himmel fällt’s, tut sich nicht weh, ist weiß und kalt, das ist _______. Wickele wackele – was ist das: Hinterm Schrank, da krabbelt was ist kein Fuchs und ist kein Has’ wickele wackele – was ist das? Das individuelle Lesen kann Vorbereitung für Rätselrunden sein. Hier üben sich die Kinder in der Gemeinschaft im Rätselgeben und Rätsellösen – gerade auch von selbst geschriebenen Rätseln. Das Rätsel vom Schnee ist typischerweise so aufgebaut, dass es den Leser zunächst verwirr t. Es geschieht deshalb auch häufig, dass die Kinder in der e rste n Zeile da s Wort „Kreide“ schnell als endgültige Antwort auf das Rätsel ansehen. Wenn sie aber Zeile für Ze ile weit erlese n, be me rken sie die Vorläufig keit ih rer Lö su ngen und erk enn en schließlich in der Situation, dass erst in der Ver knüpfung aller sp ra chlic h vermittelten Informationen des Rätsels Lösung liegt. Nach S ch affen anscha uliche r und sp rachlicher Grundlagen erfolgt die Sinnentnahme durch • Aktivieren von Sachwissen, • Erkennen von Sinn tragenden Wörtern, • Prüfen von Infor mationen, • Einordnen von Erfahrungen und • Verknüpfen von Informationen. Weiß wie Kreide, leicht wie Flaum, weich wie Seide, feucht wie Schaum. Literar ische Rä tsel kön n en zu m sinne rschließenden Lesen anr egen, sie erfordern jedoch geistige Aktivität und verlangen ver stärkt Konzentration auf das Medium Sprache; jede Art von optischer Unterstützung entfällt. Durch einfach strukturier te Rätselsätze, die das Sach- und Weltwissen der Kinder treffen (z.B.: „Ich klettere auf Bäume und esse ger n Bananen.“) besonders auch durch • Die Lehrkraft gibt den Kindern Gelegenheit, Kreide, weiche Federn und ein Stück Seide anzusehen, zu befühlen und sich über ihre Wahrnehmungen auszutauschen. Sie schreibt „Schaum“ an die Tafel und lässt die Kinder erzählen, an was sie das Wort er innert ( z.B. S eife nschau m, Meeresschaum, er ist feucht). • Jedes Kin d er hält d as Rä tsel mit de m Auftrag, es still zu lesen und die Wörter zu unterstre ichen, a n d ene n es beso nde rs de utlich erkenne n ka nn, wie das verrätselte Ding beschaffen ist. • Die Kinder nennen die Wörter, die sie unterstrichen haben, und diskutieren ihre Auswahl. • Die Lehrkraft klappt die Tafel auf, lässt das Rätsel noch einmal lesen und die „wichtigen Wörter“ unterstreichen. • Lösungsvorschläge der Kinder werden an der Tafel notiert. • Die Kinder prüfen, auf welches Lösungswort alle vier Eigenschaften zutreffen. Die Lehrkraft unterstützt Formulierungen wie: Es ist weiß wie Kreide, ist aber keine Kreide; denn Kreide ist nicht feucht. • Im Verlauf einer Rätseleinheit sammeln od er schr eibe n die Kinder Rä tsel und gestalten z.B. kleine Rätselhefte oder eine Rätselecke für die Klassenzeitung. D as Bo denbild e ignet sic h besonde rs für Vorschulkinder bzw. Erstklässer. Es unterstützt d as t eilnehm ende Zuhöre n, erleichte rt Kindern, die die Vorle sesitua tion von zu Hause nicht kennen, die Sinnentnahme und förder t die gemeinsame Erfahrung der Sinnkonstruktion. Während des Vorlesens oder des freien Erzählens eines Prosatextes (Erzählung, Märchen, kur ze Geschichte) durch die Lehrkraft wir d der Sinn des Vorgetragenen durch den parallelen Aufbau eines Bodenbildes unterstützt. Das Bodenbild wird auf einem schwarzen, dunkelblauen oder weißen Tuch aufgebaut. Es kann aus zum Text passenden • naturalistischen Gegenständen, • symbolischen Gegenständen • oder auch aus farbigen Tüchern bestehen. Die Gegenstände markieren die für das Verständnis notwendigen Schlüsselstellen. Die Sinnentnahme er folgt durch: • visuelle Konstruktion, • Zuhören und Schauen und • Hervorhebung der Schlüsselstellen. • Die Lehrkraft bereit et geeignete Gege nstände vor und bringt sie für die Kinder nicht sichtbar (z.B. in einer besonderen Kiste) mit in die Erzählrunde. Die Kinder setzen sich im Halbkreis um das in der Mitte ausgebreitete Tuch. • Die Lehrkraft liest (noch besser: erzählt) die Geschichte und legt an geeigneter Stelle den passenden Gegenstand auf das Tuch. • Unterschiedliche For men der Weiterarbeit sind möglich: Jeder G ege nstand ka nn Ausgangspu nkt eines den Inhalt vertiefenden Gesprächs sein oder: Die Lehrkraft will den Erzählfluss und Spannungsaufbau nicht bzw. nur an wenigen Stellen unterbr echen, dann sind nur einzelne Gegenstände Ausgangspunkte eines Gesprächs. • Das gestaltete Bod enb ild b le ibt für die anschließenden Aktivitäten aufgebaut. Es kann für das freie mündliche Er zählen der Kinder eingesetzt werden, oder es kann sich eine Schreibaufgabe an das Vortragen der Geschichte und den Bau des Bodenbildes anschließen. Im Ve rlaufe d er G rund sc hule sollte n d ie Kinder erste Erfahrungen mit einer Lektüre machen. Das stille Lesen zu Hause oder auch in der Klasse sollte während der Arbeit an einem Buch die wichtigste Leseform sein. Sicherlich werden zentrale Stellen der Lektüre auch einmal vo n der Le hrkraft o der d en Schülerinnen und Schülern, die sich darauf vorbereitet haben, vorgelesen. Den größten Teil der Lektüre sollten die Kinder aber allein in ihrem individue llen Lesetem po bewält igen. Da mit die Lehrkraft und die Kinder einen Überblick da rü ber hab en, an we lch er Ste lle des Buches jed es Kind gerade liest, kann eine Lesestr aß e im Klasse nra um hängen. Auf der Lesestraße sind die Kapitel (oder Seitenzahlen) des Buches mit Bildern oder deutlichen Zeichen markiert. Oft lässt sich eine Le ktü re a uc h u nt er inha lt lic hen Gesicht spunkt e n glieder n u nd visu alisieren. Jedes Kind heftet eine Wäscheklammer mit seinem Namen an die Stelle, an der es gerade in der Lektüre liest. Die Lehrkraft sollte im Verlaufe der Lektüre nach größeren Sinnabschnitten besonders für schwächere Leserinnen und Leser Phasen der gemeinsamen inhaltlichen Verständigung schaffen. Dazu eignet sich die Lesespur, d ie wie d as Bo de nbild z ent rale Inhalte des Textes visualisiert. Die Sinnentnahme erfolgt durch: • visuell unterstützte Rekonstruktion, • mündliches Erzählen und Stellung nehmen und • Arbeit an Schlüsselstellen. • Die Lesespu r w ird von der Leh rkraft vorbere it et : Sie sam me lt wic htige Gege nst änd e, die in den Ab sc hnitten d es Textes, die rekapituliert wer de n sollen , e ine wicht ige Rolle spie len. Die Gege nstände werd en in d er M itt e d es Stu hlkreises au f eine m Tuch au sgebr eitet, d ab ei wir d keine Re ihenf olge vor gegeben. Die Kin de r erhalten genüge nd Ze it, um die Gege nstände zu b et ra chte n. • Durch einen stum me n Impuls fo rder t die Lehrkr af t d ie Sc hüler inne n un d Schüler auf, e twas zu sagen. Ein Kind nim mt einen Gege nst and in die Ha nd und erzäh lt, was im Lekt ür eabschnitt , in d em d er G egen st and e ine Rolle spie lt, passiert. Das Kind legt dann d en Ge genstand zurüc k, und ein a nde re s Kind nimm t sich einen Gegen stand und setzt die Er zählung f ort. Gem ein sam rekonstruieren die Kinder so de n Inh a lt des Te xta bsch nitt es. Die Le hrkr aft sollte si ch in die se r Phase zurückhalte n u nd nur den äu ßer en Ablau f unt er stützen. • Die Kinder we rd en sich im Na che rzählen des Gelesenen ge genseitig er gänze n, korrigier en, den Au fba u f inde n et c. Die Lehrkraft bricht, wenn der Inh alt des Lek tü re ab sc hnittes erfasst ist, die Er zählp hase a b. Wenn es nötig ersche int, kö nnen einz eln e Kinder na chfrage n. D ie Gege nst änd e so llte n d anac h noc h e ine Weile im Raum sein, dam it sich einz elne Kinder noch üb er d ie gemeinsame Phase hinaus orien tieren kö nnen. Ist die Methode der Lesespur den Kindern b ek ann t, k ann d ie Vorbereitu ng eine r solche n Pha se au ch einma l vo n Kin de rn , die d ie Lek tü re u .U. sc hon gan z bew ält igt h a be n, gelei ste t werde n . D ie Lehr k ra ft k a nn d iesen Kind er n e inen begrenzten Text aussc hnitt ne nnen , d en sie noc h e inma l gen au lesen mü sse n, um ge eignete G egenstände zu f ind en . D ie Lehrkr aft so llte die Kin de r bei der Au swahl der Gegenstände gegebenenfalls beraten. anege hanege serige sirige ripeti, pipeti knoll Markanter Rhythmus und kräftiger Sprachklang sind Merkmale von Unsinnsversen. Es gibt davon viele und es entstehen immer wie de r ne ue ; d en n au ch Kin der w erden begeisterte Reimeschmiede, sind sie erst einmal mit der Machart solcher Verse ver traut geworden. Unsinnsverse, in denen Sprache zum Spielmaterial wird, verlangen genaues Lesen und deutliches Sprechen, und Kinder in der Grundschule lassen sich gerne auf diese Sprachexperimente ein. Auch in dem hier vorgestellten Reim verändern sic h die Wör ter durch kleine Abwan dlungen des jeweils vorhergehenden Wortes und kreiseln so um ein rhythmisches Zentrum, das jäh durch das aus dem Rahmen fallende letzte einsilbige Wort beendet wird – „knoll“. • Hören und zuhören, • Silben markier en und silbengliedernd lesen, • gleiche Buchstabengruppen erkennen und markieren, • gemeinsam rhythmisch sprechen, • die eigene Stimme erproben und • selbst erdachte Unsinnsverse schreiben und vorlesen. • Die Kinder sitzen mit der Lehrkraft im Halbkreis vor der Tafel. • Die Lehrkraft spricht den Text ein- oder zweimal vor. Die Kinder beginnen, den Vers nachzusprechen. • Einzelne Kinder versuchen jetzt, den Vers genau nachzusprechen. Zur Unterstützung steht de r Vers an der Ta fel. Die zuhör enden Kinder kontrollieren. Das sprechende Kind wird nicht unterbr ochen. Erst wenn es seinen Vortrag beendet hat, wer den eventuelle Abweichungen genannt. • Die Kinder sprec hen d en Ve rs in de r „ Ro bo tersprache “ und z eichnen Silb en bögen ein. • Die Kinder spre chen d en Ver s und sc hwingen dab ei die Arme im Kr eis. Imm er die er ste Silbe in den Wortbild ungen wird betont. • Der Vers kann laut, leise oder auch nur lautlos gesprochen werden. Das lautlose Lippensprechen bietet sich besonders dann an, wenn die Kinde r sc hon mehr ere Unsinnsverse kennen. Der jeweilige Vers kann da nn a n den M un db ew egun gen abgelesen werden. • Viele Kinder denken sich nach einer Eingew öh nung sz eit oh ne beso nd er e Au fforderung eigene Unsinnsverse aus, die sie der Kla sse vo rtr agen oder zum Le sen anbieten. Die Lehrkraft kann diese Kinder dazu anrege n, kleine Re imhe fte zu e rste llen. Die se können unter de n Kindern zu m Lesen und Lernen ausgetauscht wer den. Christian Morgenstern GRUSELETT Der Flügelflagel gaustert durchs Wiruwar uwolz. Die rote Fingur plauster t und grausig gutzt der Golz. Dieser Ver s von C hr istian Mor genstern leb t und e rhält seinen Sinn durch den Klang der S pr ache. Ind em der Vers gesp rochen wird, entfaltet sich seine „Bot sc haft“. Diese kann se hr u nter schied lich a usfalle n, je nachdem , we lc he Assoziationen die oder de r Lesende mit d en Wortbildungen im Zusam me nhang mit den w enigen unm ittelbar verst ändlichen Wö rtern im Mo ment des Sp rechens ent wickelt. Kindern, deren M utt erspr ache nic ht Deutsch ist, be reitet das Lesen so lcher Texte großes Vergnüge n, weil sie sich in ihrer grundlegenden F ähigkeit , au s de m Klang de r Sp ra che Be de utungen abzu leiten, den deutsc hsp ra chigen Kindern ebe nbürtig fühlen könne n. Die Sinnentnahme er folgt durch: „Ermitteln der Textstimmung“ (vgl. Menzel. In: PD Sonderheft. Texte Lesen und Verstehen. S. 8), • vergleichendes Lesen, • Austausch von Leseerfahrungen, • Erkennen von Wor tbedeutungen aus dem Kontext und aus dem Wortklang, • gestaltendes Lesen, • Auswendigspr echen und • Gestaltung des Textes in Schrift und Bild. • Die Kinder erhalten den Text und lesen ihn still. • Sie tauschen ihre ersten Leseeindrücke aus. Dafür ist es nicht unbedingt notwendig, dass alle Kinder den Text bis zum Ende gelesen haben („Das klingt unheimlich“, „ Da s ist ko misch “, „Da s ve rste h’ ich nic ht“ ...). • Das Gedicht steht an der Tafel. Die Kinder erhalten den Auftrag, die Wörter zu nennen b zw. z u unt er st re ichen , die ihnen unbekannt sind. • Die Lehrkr aft unte rstüt zt wä hrend de s Ge spr ächs die spon tanen Ver suche der Kinder, die unbe kannte n Wör te r mit Bedeutung zu füllen. • Auftrag: „Lies das Gedicht einmal so, dass wir hören können, was du dir vorstellst.“ • Gespräch • Die Lehrkraft bittet die Kinder, die unbekannten Wörter zu „übersetzen“. Dafür muss das Tafelbild so gestaltet sein, dass zwischen den Zeilen genügend Platz für Übertragungen ist. Es empfiehlt sich, diese Arbeit mit der gesamten Lerngruppe vorzunehmen, weil dadurch unterschiedliche Übertr agungen ge sam melt werd en könne n. z.B: Der Flügelflagel gaustert Das Gespenst geistert fliegt ... durchs Wir uwaruwolz. den Wald das Dickicht ... Die r ote Fingur plaustert Figur plustert sich auf Hexe plaudert ... und grausig gutzt der Golz. guckt der Gnom gluckst der Schlamm ... • Der Ver s wird noch einmal von freiwilligen Le ser inne n o de r Leser n gesp roc hen. Der Te xt an de r Ta fel die nt zur Unt erst ützu ng. Im G espr äc h wird erlä uter t, e ven tuell au ch an de r Tafe l f estge halten, welch e S timm ung da s jewe ils le sende Kind erze ugt hat. • Jedes Kind schreibt den Vers auf ein großes Bla tt u nd ge stalt et e s nac h seinen Vorstellungen. • Die Kinder stellen ihre Gedichtblätter vor und kommentier en ihre Illustrationen. Klaus Groth DE DAG, DE GRAUT De Dag de graut, de Katt de maut, de Klock de sleit, de Hahn de kreit, de Hund de bellt, de Köksch de schellt, de Höhner de kakelt un all de Vageln in’n Boom spektakelt. • • • • P latt de utsch ist he ut e in der R ege l auc h Kindern mit guten Kenntnissen der deutschen Spr ac he weitge hend u nbeka nnt. Ab gesehen davon, da ss da s Plat td eu tsche in seinem ihm eigene n C harm e, in seiner besonderen Ausdrucksmöglichke it und in se ine n b ild haften Formulieru nge n e ine n Plat z im Literaturunterricht ger ade auch der Grundschule habe n sollte, bieten solche Te xte in besondere r We ise Ge legenheit für ge nau es Lesen, für d ie Mö glichke it des Sprachvergleiches u nd d amit für die Fö rderung d er Spra chaufm erksam keit. In dem plattdeutschen Gedicht von Klaus Groth wird der Tagesanbruch in for melhafter Einfachheit dargestellt. Es zieht Kinder them atisch u nd in seinem S pr achdu ktu s und - klang an und m acht sie n eu gier ig. Wenn Kinder, der en Mu tte rsprache nich t Deu tsc h ist, m er ken, d ass ihre deu tschsprachigen Klassenkam er ad inne n u nd -kam er ad en genauso wie sie Schwier igke it en haben , die W ör ter auszusprec hen und zu verste hen, gibt ihnen d ie s Mut u nd steiger t ihre Anstrengungsbereitscha ft. Die Sinnentnahme erfolgt durch: • Ve rar beiten von Hintergrundinformationen, • Nutzen des Wortklanges für die Ermittlung der Wortbedeutung, • Kontextarbeit, • Textvergleich, • genaues Hören, • genaues Lesen und Sprechen, • sinngestaltendes Lesen und Sprechen, • szenisches Spiel und bildnerisches Gestalten. • Die Lehrkraft macht die Kinder durch eine Erzählu ng m it der Per son Klau s Gr oth be kannt. Das Gedich t steht an der Tafel. Nach • • • • er st en Leseversuchen erke nne n die Kinder and eu tungsweise die Verwandtsc haft der Wörter mit dem Hochde utschen. Bildkart en, a uf dene n jewe ils die im Gedicht genannten Tiere und die Köchin dargestellt sind, werden in ungeordneter Reihenfolge neben den Text geheftet. Die Kinder w erd en au fgeforder t, d ie Bildkar ten den entsprechenden Wörtern zuzuordnen. Sie vermuten, um was es in dem Text geht und über setzen ihn in gem einsam er m ündlicher Arbeit – in Gruppen oder im Klassengespräch. Der übersetzte Text wird neben den Text an die Tafel geschrieben. Beide Texte wer den gelesen. Die Kinder nennen Auffälligkeiten und Unterschiede, die sie während des Sprechens und Lesens wahrnehmen. Der plattdeutsche Text wird gemeinsam gesprochen . M öglich keite n: Wir fangen ga nz le ise a n u nd werd en allmäh lich lauter; jeweils ein Kind ahmt eines der im Gedicht genannten Geräusche nach; Das Spektakel der Vögel wird von mehreren Kindern produziert; Begleitung durch OrffInstrumente. Ein Gedichtblatt wird gestaltet. • Die Kinder gestalten ein Leporello. • Die Kinder üben in Gruppen das Vorlesen des Gedichtes und präsentieren es dann vor der Klasse. • Die Kind er sp re c hen da s Ge dicht u nd stellen es szenisch dar. • Die Kinder erarbeiten mit Unterstützung der Lehrkraft ein Hörspiel und nehmen es mit dem Kassettenr ekorder auf. • Ein ige Kind e r kö nne n sich üb e r das Internet od er au s Bü chern über de n Dichter Klau s Groth infor mieren und die Ergebnisse ihrer Recherche der Klasse vortragen. Christine Nöstlinger „FRANZ UND DIE EIFERSUCHT“ Die „Geschichten vom Franz“ von Christine Nöstlinger thematisieren allgemein gültige, Kinde r (wie Er wach sene) beschä ftigende Themen wie Einsamkeit, Fr eundschaft, Angst, Eifersucht, Zorn, Sehnsucht, Liebe u.a., sodass hier ein St of fangebo t vor lie gt, du rc h d as latente Befindlichkeiten der Kinder aktivier t und somit als Teil des eigenen Selbst erfasst wer den können. In „ Fr anz u nd die Eife rsucht “ werd en d ie t ypisc hen Pro blem e, die eine Dreieckskonstellation mit sich bringen kann, geschildert. Alle G eschicht en sind aus d er Pe rsp ektive d es Franz geschrieben, sodass die Gefühle der anderen Personen erahnt bzw. vermutet werden müssen. Durch diese Aussparungen lässt sich der Text besonders gut handelnd erschließen u nd eröffnet Kinder n im Grund schula lter M öglichke it en, sich in die Gefü hlswelt eines ander en hineinzuversetzen und diese differenziert mündlich und schriftlich auszudrücken. Durc h de n Einsat z der M etho de des Standbildes mit anschließender Schreibphase kommt es zu einer ver zögerten Textbegeg nung und e iner inte nsiven gem ein sam en Leseer fahrung. Die Sinnentnahme erfolgt durch: • den lebensweltlichen Bezug, • die Rollenübernahme und • den Perspektivwechsel. • Die Lehrkraft (oder ein darauf vorbereitetes Kind) liest den Text „Franz und die Eifersucht“ vor. Während des Vorlesens erfolgt eine Visualisier ung des Erzählten anhand von Symbolkarten, die prägnante Stellen der Geschichte widerspiegeln (z.B. Königskronen, Zipfelmütze). • Das Stand bild verfahren mit anschließend er Verbalisierungsphase soll die Auseinandersetzung mit dem Text ver zögern, zeitlich verlängern, intensivieren und dazu heraus fordern, mehr zu verstehen, als äußerlich dargestellt wird. • • • • Das Standbildverfahren: Die Lehrkraft wählt drei Kinder der Klasse au s u nd lässt sie sich der S zene e ntspr echend zu eina nder au fstellen (F ra nz allein, die Mädchen in Freundschaft vereint). Anschließend bittet die Lehrkraft die Kinder, eine Haltung einzunehmen, welche ihrer Meinung nach für sie in dieser Situation charakteristisch ist. (Zur Orientierung der Darstellerinnen und Darsteller können Bilder der handelnden Personen an die Tafel gehängt werden.) Um die Situation zu verdeutlichen, bekommt jede Darstellerin und jeder Darsteller als Requisit ein charakteristisches Attribut ihrer oder seiner Figur: Franz eine P ude lm üt ze, Gabi u nd Sa ndr a jewe ils Königskronen. Die Verbalisierungsphase: Die Le hrkraft fo rdert je tzt d ie Kinder nacheinander auf, nach vorne zu kommen, die Hand auf eine Figur ihrer Wahl zu legen und die möglichen Gedanken, die die jew eilige F igur sic h in die se r Situ at ion machen könnte, auszusprechen. Indem die Kin der de n Figur en ihr e Sp ra che leihen, geht e s zugleich um ihre subjektiven Pr ojektio nen, wie a uc h u m de n Nachvollzug der unterschiedlich en Perspektiven. Die mündlich geleisteten Beiträge werden im nächsten Arbeitsschritt als Anregung genutzt, jetzt auch auf schriftlicher Ebene die Geda nken de r Figu re n z u fixie ren. Arbe itsblätte r mit Denkbla sen übe r de r jeweiligen Figur werden angeboten. (Differenzierende Schreibaufgabe für leistungsstärker e Kinder : Wie f indest du d as Verhalten von Gabi und Sandra?) Die Ergebnisse der S chreibphase werden absc hließend am St andbild prä se ntiert: Die Kinder komm en nac heinander m it ihren Arbeitsblättern nac h vorne, legen die Han d a uf die Figur ihrer Wahl und lesen ihre verschriftlichten Geda nken vor. Ein „S timmeno rchester “ zur Pe rson des F ranz kann die Stand bildp hase abschließen: Im Unterschied zum vo rherigen Sta ndbildverfahren bleiben die Kinder hintereinander hinter F ranz stehen. Sind genü gen d „ Stimm en“ vorhand en, r uft d ie Lehrkra ft die Gedanken in wechselnd er Re ihenfolge und Lautstärke ab, indem sie z.B. a uf d ie betreffende Sc hülerin od er den b et ref fenden Schüler zeigt . Durch dieses Verfahren wird den Kindern die M öglichkeit ge geben, die Multiperspektivit ät e ine r einz elnen Figur na chzuvo llzie he n u nd mitz uerleben. Praxis Deutsch 127/1994. Leseförder ung. Praxis Deutsch 176/2002. Leseleistung – Lesekompetenz. Praxis Deutsch. Sonderheft Leseförder ung in einer Medienkultur. Lesen und Schreiben. Jahresheft Schüler 2003. Friedrich. Wedel-Wolf, A. v. 2001. Üben im Leseunterricht. Braunschweig. Rahmenplan Deutsch Grundschule. 15. Sept.2003. BBS. PISA und IGLU haben das The ma Lesekompete nz neu in den Vordergr und der Diskussion u m Erfassung der Schulleistungen gebr acht. Kann man Leseleistu ng „ messe n“? Da wäre einmal das Feststellen der „Lese tech nik“ – zum andere n das Abfrage n der „Sinn entnahm e“. Die gängigen Lesetests der letzten dreißig Jahre haben den einen oder anderen Aspekt in den Mittelpunkt gestellt, wobei die älteren Tests überwiegend Zeit und Lesefehler zählen (Br em er Lesehilfen, Zürche r Lesetest), während die bekannteren neuen Tests (ab Klasse 3) ausschließlich das Leseverständnis und die Sinn ent nah m e zu m Sc hwer pu nkt ha be n (Würzburger Lesetest, HAMLET). Zunehmend wird auch die möglichst früh zeitige Diagnostik und Förderung angestrebt, um günstige Voraussetzungen für alle Kinder f ür de n S chr ift spra che rwe rb a nzubahne n. Ber eits im Vorschulalter wird anhand des „Bielefelder Screenings” (BISC) die phonematische Bewusstheit beobachtet und gegebenenfalls werden mit dem Würzburger Lernpr ogra mm „ Hö ren, la usche n, lernen“ (Küspers, Schneider) auffällige Kinder vor der Einschu lu ng ge zielt geför dert. Au ch der HAVAS, der bei Vorschulkindern (vor allem bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache) die sprachlichen Voraussetzungen erheben soll, zielt in dieselbe Richtung. Hier so ll au sführ liche r die Hamburger Leseprobe (Peter May / Helga Arntzen) vorgestellt werden, die sowohl das sinnentnehm ende Lesen abfragt als auch im quantitativen Ber eich anhand von Lesepunkten und Lesezeit Vergleichswerte für die gesamte Grundschulzeit bietet (und zwar ab Ende Klasse 1). Bei der Hamburger Leseprobe handelt es sich um ein Beobachtungsverfahr en, das gleichz eit ig eine Fö rder sit uation beinh alt et. B eo bachte t wird d as Problemlöseverhalten des lesenden Kindes, das Prognosen zulässt für seine weitere Leseentwicklung. Neben der Beschreibung des Testverfahrens soll hier ausführ licher a uf eine Schü lerin und einen Schüler eingegangen we rden, deren Leselernentwicklung ü ber einen langen Ze itraum be gle ite t, beob achtet u nd ana lysiert wurde. Diese beiden Lernenden verdeutlichen exemplar isch zwei un terschiedliche Lernausgangslagen und somit bereits frühzeitig erkennbare Entwicklungen und Förderpräfere nze n. Es soll ver sucht werden, individ uelle F örderpläne für diese beiden Kinde r vo rzustellen. Die Hamburger Leseprobe ist ein Verfahren zur Erfassung der Lesefertigkeit und zur Analyse von Leseprozessen vom ersten bis zum vierten Schuljahr, bei Kindern mit gravierenden Leseschwierigkeiten auch darüber hinaus. Die HLP w ird se it 19 92 in H amb ur ger Grundschulen – insbesondere im Rahmen der Arbeit von Schriftsprach-Beraterinnen (PLUS) – eingesetzt. Seit 2003 ist die HLP erweitert um jeweils vier Fragen pro Geschichte zum Textverständnis, die be im Kind S tu fen de r Leseko mp eten z erkennbar machen sollen. Die HLP ermöglicht das Beobachten von Leseprozessen unter alltagsnahen Bedingungen u nd da s Ge winne n von Vergleichsm aß stäb en zu r Be ur teilu ng de r Förderbedürft igke it b esonder s schwach er Leselernerinnen und -lerner. 1. Die HLP enthält Geschichten, deren Inhalt und Wortschatz den Erfahr ungen der Kinder entsprechen. Die Kinder mögen die Geschichten, diese enthalten immer auch einen kleinen Gesprächsanlass. 2. Neben den Geschichten werden auch Liste n m it Einzelwörtern ange boten, die ausschließ lic h Nom en e ntha lten, die den Kindern von der Bede utu ng her ver traut sind. 3. Die HLP bietet zu allen Geschichten und Wörterlisten jeweils drei Parallelformen an, die in Länge und Aufga benschwier igkeit vergleic hbar sind. Ler nfort sch rit te d er Kinder lassen sich so über Jahre dokumentieren. 4. Das Hauptanliegen der HLP ist die Analyse von Lesep rozessen jener Kind er, deren Leseentwicklu ng sich kritisc h ge st alt et. Bereits eine leichte Geschichte und/oder e ine Wö r te rliste re ichen au s, um Vergleichswerte zu den verschiedenen Zeitpunkten zu erheb en. Die HLP u mf asst Geschichten mit vier und Wörterlisten mit zwei Schwierigkeitsstufen. 5. Die HLP ist ein Verfahr en für die Einzelbeobachtung, mit dem der Prozess des Er lesens und Sinnerfa sse ns differenziert analysiert werden kann. Er wird optimal mit einem Tonband dokumentier t. 6. Die Auswertung der HLP umfasst neben Punktwert en zur Ke nnzeic hnung d er Leseleistung und der Lesegeschwindigkeit auch eine qualitative Analyse des Leseproze sse s m it Hilfe e ine s vorgegebenen Auswertungsbogens. In diese qualitative Analyse geht die Erfahrung ein, dass das Erlesen eines unbekannten und für das Kind noch schwierigen Textes als Problemlöseprozess aufzu fassen ist, der verschiedenartige Teilprozesse umfasst. Außerdem werden nicht die Fehler, die das Kind beim Lesen macht, gezählt, sondern die einzelnen Wörter werden mit Hilfe einer Punktskala bewertet, sodass auch Teillösungen des Kindes in die Beurteilung eingehen. 7. Ein beso nd er es Ke nnze ichen der HLP ist d ie gewollte Interaktion zwische n Lehrkraf t und Kind be im Erle se n. Das Kind wird be im Lesen nicht sich selbst übe rla ssen und d ie Le hrk raft ist nicht nur dist anz ierte Test leit ung, so nde rn als H elfer in od er Helfe r soll sie ode r er gezielt in den Pr ozess de r Lösungssuc he eingr eifen und de m Kind Hin weise für das we it ere Vorge he n ge ben. Dadurch wird e ine rseits die Lesesit ua tion psyc holo gisch gü nstig gestalte t un d Leist ungsbloc kaden bei prüfu ngsä ngst lic hen Kindern vorgebeugt ; ander erseits erlaub t diese gez ielt e Inte rak tion die Analyse de r Lesesitu atio n als Te il eines beginnend en Fö rderpr oze sses. Au ßerdem erfährt die Lehrkraf t, inwieweit d as Kind in der Lage ist, steuer nde u nd korrigier ende Hinweise in den e ige ne n Lösungspr oze ss zu integrieren. Es gib t zwö lf G esc hich te n in vier S chwie rigkeitsstuf en ( G1a bis G4c) u nd 6 Wört er liste n in z we i Schw ier igke itsstufe n (W1a bis W2c). Bei der Lesestufe 1 (14 bis 16 Wörter, in S innschr itte geglie de rt) gibt die Ab bildung schon Hinweise auf den Inhalt der Ge schichte. Selbst schwäc here Leser der Klassen 1 und 2 b ewältigen diese Texte mit Hilfe der Lehrkraft. Die Geschichten der Lesestufe 2 sind zwar auch noch bebildert, der Inhalt muss aber selbstständig erlesen werden. Die Schrift ist schon etwas kleiner und stellt auch in Satzbau und Wortwahl schon höhere Anforderungen an die Lesefähigkeit. Die umfa ngreicher en G esc hichte n d er Lesestu fe 3 (65 bis 71 Wör ter) sind nicht m ehr illustriert, die Sätze sind erheblich länger und aufw endiger st rukturiert. Entsprech end d en höher en Anfo rderungen an die Lesefertigkeit ist auch d ie S chrift kle iner gedruckt. Bei der Lese st ufe 4 (90 bis 99 Wör ter) sind die Texte kom plexe r strukturiert und eng ge druckt un d sin d somit gee igne t, die Lesefertigkeit vo n Schülern der Klasse 4 und auch darüber hin au s zu überprüfen und zu messe n. Alle Geschichten wer den von den Kindern gern gelesen. Die Texte bieten alle einen Gesprächsanlass, der nach der Vorlesephase im Gespräch Aufschluss geben kann über das Textverständnis des Kindes. Beim Erlesen der Einzelwörter (W1a bis W2c) kann das Kind sich bei der Bildung von Sinnhyp othe sen nic ht auf d en Konte xt stützen, sondern es muss die lautsprachlichen Entwürfe e inzeln au f se ine S innhaft igkeit überp rüfen . Das ist e ine d eu tlic he Erschwerung de r Aufga be . Der Ein sat z de r Wör te rlisten kann ab er sinnvo ll sein bei Kindern, die sich über wiegend am semantischen Kontext orientieren und raten. Die Hamburger Lesepr obe ist ein Einzelbeobachtungsverfahren, das nicht mit allen Kindern einer Klasse durchgeführ t werden muss, sondern nur m it solc hen Kindern, deren Leselernentwicklung sich als kritisch erwiesen hat od er w o dem ent sp rechend Unsiche rheiten vorliegen. Benö tigte Ut ensilien für die Testdurchführung: I. Bögen mit Geschichten (und evtl. Wörterlisten) II. Kassettenrecorder Für die Testauswertung zusätzlich: III. Ankr euzbögen IV. Auswertungsbogen V. Stoppuhr Es ist au s ver sc hied enen G ründ en z u e mp fehle n, die Le su ng d es Kind es auf Tonband aufzuzeichnen: VI. Die Lehrkraft kann sich ganz dem Kind widmen, kann Hilfestellungen geben und muss nicht nebenbei Notizen machen. Es kann keine belastende Testatmosphäre entstehen. VII. Die Lesezeit kann vom Tonband gestoppt werden. VIII. Die Lehrkraft hat die Möglichkeit, den Leseprozess mehr fach abzuhören. Gleichzeitig bekommt sie ein Dokum en t, mit dem sie Leseentwicklung langfristig dokumentieren kann. IX. Sie kann mit dem Kind zusammen das Gelesene abhören und z.B. dem Kind seine Fortschritte aufzeigen. Je des Kind kann entsc heiden, ob es er st le ise ode r gleich lau t lesen will. B eim geübt en Leser ist sinnentnehme ndes Lese n no rmalerweise leise s Le sen. Kinde r in d er Le rnphase mü ssen die einzelnen Segm ent e de r zu lesend en Wö rter e rst laut spr achlic h artikulieren, um den Sin n zu e ntdecke n; d.h. das Au sspre che n d er Laute, Wort teile od er Wortvor forme n ge ht dem Wortverstehen in der Regel voraus. So kann es geschehen, da ss Kinder de r 3. oder 4. Klasse beim leise n Lesen d en Inh alt d er Geschich te noc h nicht verst anden haben, weil sie längere u nd schwierigere W örter erst über die Artikulat ion verstehen. Als Besond erhe iten der Hamburger Leseprobe sind die Inte ra ktion und die Hilfen du rch die Lehrkraft her vorzuhe ben. Die Lehrkr aft ist nicht – wie bei her kö mm lichen Tests üb lich – passive Testleite rin oder passiver Testleiter, sondern sie greift aktiv in d en Leseprozess e in, indem sie d em Kind Hilfe stellun gen gibt, wenn es d ie Leseau fgabe nicht selbstst ändig b ewältigen kann. Diese Hilf en werden spä ter bei de r qua ntitat iven Punktbewer tung mit einb ezogen. Allerdings soll das Eingreife n der Lehrkraft mö glichst Hilfe zu r Se lb sthilfe se in. Kann ein Kind nach me hr als zwei Lehr erhilfen e in schwieriges Wort nicht en tschlüsseln, ist es sinnvo ll, d as Wort zu sagen, dam it d er Leseprozess weitergehen kann. In der Version von 2003 werden zu jeder Geschichte nach dem Vorlesen vier Fragen zum Leseverständnis gestellt, deren Beantwortung durch die Kinder vier Stufen der Lesekompetenz zugeordnet werden kann. Die Auswertung der HLP ermöglicht sowohl e ine qu antit ative Be stim mu ng der Le seleistung (R ichtigkeit d er W iedergabe und Lesetempo) als auch eine qualitative Analyse der Lesefähigkeit. Die qu alita tive B eob ac htun g de s Leseprozesses dient der Beurteilung der individ ue lle n Le sesch wierigk eiten u nd gib t Hinweise auf Besonderheiten des einzelnen Kindes, die in der Förderung berücksichtigt werden sollten. Die Ergebnisse de r qu antitative n u nd qualitativen Analysen werden in den Auswertungsbogen eingetragen. Für die Auswertung des Leseer gebnisses werden nicht – wie bei herkömmlichen Tests – die F ehler ge zählt, son dern anhand eine s Punktesystems werden auch Teilschritte beim Erlesen und Selbstkorrektur en mitbewertet, auch die Zahl der benötigten Hilfen wird mit ber üc ksic htigt . Für die Auswe rtu ng vo m Ton ba nd g ibt es für jed e Gesc hich te/ Wörterliste einen Ankreuzbogen. Die Le se ze it wir d von der Tonbandaufzeichnung gestoppt und auch auf dem Ankreuzbogen eingetragen. Anhand der Vergleichswerttabellen (im Anhang der Hamburger Leseprobe) wird dann für Lesepunkte und Lesezeit der Pr ozentrangbereic h a bgele sen u nd somit die Leseleistung einer der Leistungsgruppen zugeordnet. Die qualitative Auswertung soll vor allem Hinweise für eine gezielte Förderung liefern. Bei wiederholter Anwendung der Hamburger Lesepr obe k an n die Le seler nentwicklung eines Kindes nach einheitlichen Gesichtsp unkt en doku me ntier t werde n, wo durch a uc h wertvolle Einsichten für die An fe rtigung von Zeugnisberichten und für die Er folgskontrolle des Förderunterrichts gewonnen werden können. Nachdem die Ergebnisse der quantitativen Analyse auf dem Ausw ertu ngsbogen eingetragen wor den sind, bietet die HLP diverse Merkmalsfragen zur Lernstandsanalyse. Die sechs Bereiche, die der qualitativen Analyse zugeor dnet sind: I. Vorkenntnisse – Fertigkeiten – Teilfertigkeiten, II. Zu m Leseergebn is (dazu neu: Antw orten zum Textverständnis, gegliedert in vier Kompetenzstufen), III. Zum Vor gehen beim Erlesen, IV. Zum Lesefluss und zum überschauenden Lesen, V. Weitere Beobachtungen zum Lesever halten, VI. Bemerkungen zur Sprachkompetenz, erm öglichen die gena ue Zusta ndsbe schreib ung ein es Lesep ro to ko lls z u einem be stimmten Zeitpunkt und geben Hinweise auf die Schwachstellen, deren Behebung gezielt geför dert werden sollte. Besonders wertvoll wer den d iese Kategor ie n ab er du rc h die Wieder holu ng der HLP in bestimm te n Zeitabständen, da sie dann konkret und dezi diert d ie Lesele rn entw icklung de s Kindes aufzeigen. Während der Entwicklung der Hambur ger Leseprobe wurden 560 Hamburge r Gr undsc hulkinder in ihre r Lesele rnentwicklung durch die gesamte Grundschulzeit begleitet und dokumentiert. Die Tonbandaufzeichnungen der 28 schwächsten Leserinnen und Leser wur den verschrifte t und a usgewert et ü ber einen Zeitraum von drei Jahr en. Dabei wurden wertvolle Erkenntnisse gewonnen über die Besonderheiten der Kinder beim Lesen. So sind auf Grund der Ergebnisse der qualitativen Analyse bereits in Klasse zwei Prognosen möglich über die weitere Leselernentwicklung eines Kindes. Dazu ist besonders aufschlussr eich der Punkt drei der qualitativen Analyse. • Das Kind versucht bei schwierigen Wörtern verschiedene Zugriffsweisen. ( Zum Beispiel Lautfolge, Wortte il, Wiederholung des Gele- senen, Wortvorgestalt; es nutzt ggf. den Bild- und Satzkontext; nic ht nu r sukzessive Synt hese der La ute !) • Das Kind erkennt Fehler und/oder falsche Entwürfe selbst und versucht selbst, sie zu korrigieren. • Das Kind kann Hilfen weiterführend in seine Worterarbeitung einbeziehen. Diese Kriterien geben Aufschluss über das Pr oblemlöseverhalten des lesenden Kindes, das dann auch Hinweise gibt auf die weitere Lernentwicklung. Anhand von zwei Schülerbeschreibungen soll diese These verdeutlicht und untermauert werden. Isa und Jens Bereits im zweiten Schuljahr werden auf Gr und der Beobachtungen der Leseprozesse unterschiedliche Prognosen hinsichtlich der weiter en Ler nent wick lung nahe gele gt . Während bei Jens auf Gr und seiner vielfältigen, aktiven Zugriffsweisen in absehbarer Zeit eine St eigerung der Leseleistung zu erwarten ist, lässt Isas eher passives Verhalten beim Erlesen längerfristige Leseschwie rigkeiten vermuten. Beide Kinder er zielen im Februar der Klasse 2 vergleichbare Er gebnisse in der quantitativen Auswertung (Lesepunkte und Lesezeit). Beide werden der Kategorie „sehr schwach” zugeord net. In der q ualit ative n Analyse zeigen sich allerdings gerade beim „Vorgehen beim Erlesen” signifikante Unterschiede, was anhand einiger Ve rschr ift unge n dar gestellt werden soll. Isa kann man im Herbst der Klasse 2 fast als Nichtleserin bezeichnen. Sie braucht mit sehr viel Hilfe und Geduld für die ganz leichte Geschichte G1a fast acht Minuten. Einige Wörter liest (rät) sie spontan richtig mit Hilfe des Bild- und Satzkontextes (Maus, ruft, Tisch, Käse, M ä use). Be i a llen anderen Wörter n schweigt sie und muss jedes Mal aufgefordert werden, sich auf das ihr unbekannte Wort einzulassen. Beispiel: sagt Mit dem Wort haben (Sie haben auch Hunger) ist Isa schon überfordert. Zum einen kennt sie die Buchstaben noch nicht sicher (h und b). Darüber hinaus kann sie nicht mehr als zwei Laute synthetisieren und kommt so nicht zu einer Wortvorgestalt, die ein sinnvolles Wort nahe legt. Deshalb assoziiert sie schließlich zu dem Wort „sie”, das die Lehrerin ihr als semantische Hilfe anbietet, das Wort „sind”, was zwar semantisch und syntaktisch passen könnte, aber nichts mehr mit der Wortvorlage zu tun hat. Dr e i Mona te später steht sie noch ähnlich hilflos vor der Leseaufgabe. „Uta u nd ruft“ (G1b) lie st sie spont an. Aber bereits bei Opa schweigt sie erst m al, so, wie sie viele Wör ter mit Schweigen und Seufz en b eginnt. Na ch wie vor erschweren Buch stabenu nsicherheit und d as Bu chsta bieren (pe, es, ka) die Synthese. Ab er sie versuc ht inzwischen häu figer, die Hilfe n in ihre Worte rarbeitung e inzubeziehen. In der dritten Klasse hat Isa mit den sprachlich anspruchsvolleren Texten noch große Schwierigkeite n. Ihr e sc hwach e ntwickelt e Sprachkompetenz lässt sie bei unbekannten und weniger leicht vorhersehbaren Wörtern versagen: Sie schaut nicht genau hin, rät her um und bietet Pseudowörter an, sie achtet auch nicht auf semantische oder syntaktische Zusammenhänge. Ein Schulja hr spä t er ge ht sie selbstb ewusst er an d ie Leseaufga be heran. Die Texte der Lesestu fe vier übe rfordern sie , eine G3Geschichte schafft sie zwa r m ühsam , br au cht ab er nur w enige Hilfen. Tro tz sp ürbarer Lernfortsch ritte b leibt Isa eine schwa che Leserin, we il ihr Problemlöseverhalte n ehe r ge ring ist und sie nur wenige Str at egien zu r Verfügung hat. Jen s schafft beim e rste n Du rchgang nur 28 Proz ent de r erreichbar en Pu nkt e und w ir d der Kate go rie „ se hr schwach” zugeor dnet. S eine Vorgehensweise unterscheidet sich a ber von An fang a n sta rk von Isas Lesebemühungen. Es fällt au f, d ass seine Zugriffsweisen vielfältiger sind als bei Isa. Auch Jens buchstabiert (pe, es, ka, ha). Er kann sich gut semantisch orientieren (auch mit Hilfe des Bildes). Seine Vorgehensweise ist dennoch oft schwer zu analysieren, da er manchmal die Reihenfolge der Laute durcheinander bringt, oft rät (sehr starke Ratetendenz), oft Fehler selbst bem er kt und wiede r neu a nsetzt, manchmal Sc he inlösu ngen anb ietet , d ie m it de r Wortvorlage kaum noch etwas zu tun haben. Auf fallend ist seine In itiat ive, sich imm er wiede r neu auf den Ve rsuch e inzulassen. M an ge winnt den Eindru ck, e r jonglie rt mit d en Buchst abe n (Reihenfolge ist zweit rangig), b is er eine akzep table Lösung gefunden h at. Im zweiten Durchgang, im April der Klasse 2, hat Jens schon gute Fortschritte gemacht. Die Geschichte G1a schafft er mit nur drei Hilfen, zehn der sechzehn Wörter liest er spontan richtig. Bei der Wörterliste hat er noch größer e Schwierigkeiten, weil er sich nicht am semantischen Kontext orienti eren ka nn, sonde rn sic h auf jede Wor tstruktu r neu einlassen mu ss. Dabe i ze igen sich seh r gut se ine vie lfältigen Zugriffsweisen. Zu r Verd eutlichun g fo lgen Verschriftungsbeispiele: Geschichte G1a: h ier zw ei Jens‘ Lesen erlaubt einen guten Einblick in seine Strategien, da er alle Zwischenüberlegungen und -schritte laut äußert. Mit dem langen Wort „Bilderbuch” kann er spontan nichts anfangen. Auf den Impuls der Lehrerin fängt er klein an und erarbeitet sich den Wortt eil „bilder”. De n geratenen Wortteil „b är” verwirft e r selbst w ied er. Die D -bVertauschung wird von der Lehrerin korrigiert. Nun experimentiert er wieder: bil, bul, buch – und kommt zum richtigen Ergebnis. Bereits im Februar Klasse 3 kommt Jens allein zurecht und braucht keine zusätzliche Förderung mehr. Seine „Verlesungen” sind fast immer semantisch akzeptabel. Inhaltlich nicht stimmige Falschlesungen bemerkt er meistens selbst und kor rigiert sich selbst. In Klasse 4 ist Jens ein so sicherer Leser, dass er selbst mit schwierigen Wör tern, die n icht seinem aktiven Wortschatz ent sp rechen, problemlos zurechtkommt (Beispiele: Zylinder – Kopfbedeckung). Die beiden Beispiele von Isa und Jens steh en für zwe i u ntersc hied lic h v erlau fe nde Ler nentw ic klungen. Be i de r Lä ngsschnitt un tersuchung de r Lesele rnentwicklung Hamburger Grundschulkinder hat sich die These v ielfa ch be stätigt, da ss Kinder m it einem aktiven Pr oblemlöseverhalten wie Jens eine günstige Prognose haben in Bezug auf ihre weitere schulische Entwicklung, während Kinder wie Isa, die beim Leselernprozess über n ur we nige Str at egien v er füge n (Lau te ge dehnt zusamm en ziehe n u nd Ga nzwo rtr aten ), vora ussic htlich langsa m Lernende b le iben und lä nger frist ig professionelle Unterstützung benötigen. Zu Je ns’ Förder un g nac h seine m sehr schwachen Leseer gebnis in Klasse 2 seien einige För derhinweise genannt, die auch in der Handreichung der HLP nachzulesen sind: Jens sollte sich aus einem Angebot von Büchern solche Texte heraussuchen können, die für ihn persönlich besonders interessant sind (Jens hat z.B. eine Vorliebe für Autos). Die Texte sollten kurz, einfach geschrieben u nd klar gegliedert se in sow ie m öglic hst Bilder enthalten, um die Sinnentnahme zu erleichtern. Die Lese för derung sollte in mö glichst r uhiger Atmosphäre in einer Kleinstgruppe oder allein mit der Lehrerin, aber vorläufig nicht im Klassenverband stattfinden. So hätte Jen s die M öglic hkeit, bei sch wierige n Textpassagen Hilfe anzuforder n. Jeder Konkurr enzdruck beim Lesen ist zu ver meiden, damit Jens nicht in Hektik gerät. Zur Überwindung rein assoziativer Hypothesenbildungen sollte Jens bei schwierig zu erlesenden Wör tern den Inhalt des bisher G elesenen wied er gebe n u nd Vermutungen über den Fortgang des Satzes bzw. der Geschichte äußern. Um die Aufstellung angem essene r H ypo t hesen zu ü be n, k ön nen Kinder in einer Kleingruppe auch regelmäßig beim Vorlesen einer Textpassage innehalten und von den Partnern Vermutungen über die Fortsetzu ng anstellen lassen. R eiz voll sind au ch Tex te m it t eilweise abgedec kten Wör tern, bei denen zuerst die Sinnerwartung geäußert und anschließend anhand der aufgeklappten Textstelle überprüft wird. Zum vorlagegetre uen Erlesen könn en eb enso schr ift liche Hand lungsanw eisu ngen oder Rätsel motivieren, die allerdings ohne Zeitdruck bearbeitet werden sollten. Je ns so llte üb en, be i lä nge ren u nd schwierigen Wörtern, die er noch in mehreren Teilschritten erlesen muss, selbstständig kleinere Einheiten zu bilden. Lesen und S chr eiben sollte n auch im Förderunterric ht ste ts m ite ina nde r ver bund en werde n, au ch um d ie G elä ufigkeit be im Zusam menschme lzen me hrerer Laute u nd beim Erfassen häu figer Buchstabenver bindungen zu er höhen. So sollte Jens eigene kleine Sä tze mit Bu chstaben- und/ ode r Wortkarten legen, seinen Entwurf lesend überp rüfen und anschließ end a bschre iben. Die s wir kt auch gegen seinen impulsiven Arbeitsstil. Bei Kindern wie Isa muss von längerfristigen Problemen beim Lesenlernen ausgegangen werden. Der signifikante Unterschied zu Je ns ist ihr e ma ngelnde Anstr engungsbereitschaft und somit vermutlich auch ihr mangelndes Selbstwertgefühl. Sie muss vor a lle m motivier t w er de n, dass erst ens d as Lesen etwas für sie Bedeutsames sein kann und dass sie zweitens Hilfe anforder n kann und dass d er Erfo lg ganz sic her ist. Da zu kö nnten u.a. folgend e Angebot e h ilfreich sein: Das Ziel der Förderung ist es, Isa die Erfahrung zu vermitteln, dass sie selbst in der Lage ist, Phonem-Graphem-Beziehungen zu entschlüsseln und Bedeutung aus Schrift zu rekonstruier en. Da sie sich bisher noch vollständig auf andere verlässt, müssen die Übungen stets für Isa lösbar sein, damit sie selbstständig zum Erfolg kommen kann. Isa sollte zu folgenden schriftsprachlichen Übungen angeregt werden: • In ihr er Alltagsum ge bung Sch rift a ls Bedeutungsträger erforschen (z.B. Logographeme sammeln und entschlüsseln, einfache Wörter finden und lesen: Taxi, Post, Toto ...). • Wör ter mit sehr einfacher Struktur, mit nur wenigen verschiedenen Buchstaben und möglichst eindeutige r Kontext bindung erle sen . ( Be isp iele: Einf ac hste Heft e de r „Regenbogen-Kiste“ mit Bild und nur einem Wort pr o Seite, Spiele wie „Gezinktes Memory“ – auf eine Bildrückseite wird der Anfangsbuchstabe geschrieben - ,in denen der Sinnbezug eindeutig ist. • Su bstit ution süb unge n m ach en, u m die Phonem- Graphem- B ez ie hun gen z u klä re n (z.B. Mama – Lama, Maus – Laus, Hose – Dose – Rose). • Mit wenigen bekannten Buchstaben neue Wör ter legen und lesen. • Kle inst e sc hriftliche B ot schaf te n o de r Briefchen mit Klassenkameradinnen und -kameraden oder der Lehrerin tauschen. In Einzelsitua tio ne n sollte I sa vie le (lustvolle) Leseerfahrungen machen: • Die Lehrerin liest vor, wobei Isa bei der • • • • Bu c hauswahl mit einb ezoge n werden sollte. Die Lehrerin liest sehr langsam vor, wobei Isa die Wörter mit den Augen verfolgen soll. Die Lehrerin liest sehr leise und synchron mit Lisa – sie unterstützt nur und verstummt bei leichteren Wör tern. Isa wird er muntert, leichte und schon einmal geübte Textstellen auf Tonband zu lesen . Da s a nschlie ße nde Ab hören des Gelesenen soll Isa vom Wert des Übens überzeugen. Sie sollte ein eigenes Tonband (mit ihrem Nam en) e rh alt en und so ihre Le se fortschritte selbst überprüfen und dokumentieren können. Empfehlenswert für Isa wäre auch das Material von Bernd Ganser (Hrsg.): „Damit hab ich es gelernt!” (Auer Verlag 2001). Das Buch enthält viele Kopiervorlagen und Anre gungen zu den sich nach und nach aufbauenden Stufen des Schriftspracherwerbs und motiviere nde Anr egu ngen (oft in sp ie ler ischer For m) zu selbstständigem Handeln und z u Par tner- und Gruppe nspiele n. Unter Anleitung der Lehrerin – aber auch selbstständig in einer Kleingruppe könnte Isa nach u nd nach zu den an gebotene n Them enschwerpunkten arbeiten: • • • • Lesen/Rechtschreiben: alphabetische Stufe Rechtschreiben: orthografische Stufe Rechtschreiben: morphematische Stufe Lesen: orthografisch-morphematische Stufe • Rechtschreiben: wortübergr eifende Stufe • Lesen: Stufe der Sinnentnahme. Gerade für Kinder wie Isa mit Lese- und Schr eib schw ierigke iten w ur de das P rojekt „Wege zu Schrift und Kultur” entwickelt, bei dem über das Gestalten von Bildvorlagen (Schreibanregungen) hin z um schr ift lich en Verfassen eigener Gedanken Sch reibblockaden überwunden werden können. In den Anfängen könnte man bei Isa ältere Schülerinnen (oder die Lehrerin) als „Schreibhilfe” einsetzen, die Isas Gedanken zu Papier bringen. Nach und nach wird Isa in der La ge sein, selbst klein e Gesc hich te n zu ihr en Bildern z u schreiben und sie ihren Klassenkameraden vorzulesen. Dies ist ein vielfach erprobter Weg, emotionale Hemmschwellen zu überwinden und das Lesen und Schreiben als etwas für sich selbst emotional Wichtiges zu empfinden und zu erleben. (Hierzu: G. Rabkin: „Schreiben – Malen – Lesen”, „Der Engel fliegt zu einem Kind”, „D ie schö ne Hexe ”, er schie nen im Klett Verlag.) Die Hamburger Leseprobe erscheint im Eigenverlag und ist über die Autoren erhältlich: Dr. Peter May, Fax: 040 / 43 27 15 43, peter.may@li-hamburg.de, Internet: www.peter-may.de Helga Arntzen, Fax: 040 / 279 45 95, E-Mail: helga.arntzen@gmx.de In den Beiträgen zum Sachunterricht und zum Mathematikunterricht wird übereinstimmend gefor dert, dass die Kinder so früh wie möglich an das Lesen als Möglichkeit, Informationen kennen zu ler nen und zu entnehmen, herangeführt werden. Die Kinder erhalten einen für sie inter essanten Auftrag mit Aufforderungscharakter, dessen Lösung sie finden können, wenn sie einen dazu vorhandenen Text entschlüsseln und die darin „versteckten“ Angaben aufspür en. Dabei werden sie je nach der Aufgabenstellung und je nach Alter mit unterschiedlichen For men des Decodierens konfr ontiert. Von anfänglichen Bildsymbolen und deren Sinn geht es über das Deuten von Plänen und Skizzen weiter zu Lesekarteien und Bastela nleitungen b is hin zu fac hge bu ndene n Tex te n m it Fachwö rtern , die m it un terschied lic hen Lesest ra te gien (z .B . orie ntie rend es Lesen, se lektives Lesen) erschlossen wer de n. Hier be i gilt von Anfa ng an der Grundsat z, d ass Kin de r selbst tätig w erd en , d ass s ie i hr e Auf ga be a l le in e rlesen. Sich Le se hil fen bei M it sch üler n o de r der Le hrk raf t zu ho len so ll n ur ei ne nac hr angige M öglic hkeit se in. Die Anb ahnung de r notwend ige n Le sekom pete nz de r Kinder wird zusä tz lich gestä rkt dur c h ei ne l esef örd e rlic he Ausst at tu ng de r Schule, die zugle ich Int er essen de r Kin der b er ücksic htigt und weck t, sod ass die Er schlie ßu ng un ter sc hied lich er Texte de n Kinde rn zu m Bedü rfn is w ir d. Anschließ end lerne n sie syste ma tisch v ielfä ltige Textsort en ke nnen und be kom me n ge zielte S tr ategien zur Ent sch lüsselung d er e inzelnen Textformen a n d ie Hand . Wenn wir uns wegen der Pisa-Ergebnisse neu orientieren und die Leseförderung viel stärker und auch viel strukturierter auch im Unter richt dieser Fächer als unsere zentrale Aufgabe annehmen, so kann die Bedeutung d es Lesens un d des Le se ver st ehe ns seh r aufgewertet werden. Aber ist der oben aufgezeigte Weg wirklich so für alle Kinder gangbar? Überlegen wir uns do ch e inma l, w elc hes Bild vom Kind diese m Konzept d er Leseförder ung zugr unde liegt: • Es ha nde lt sich um Kind er, die Tex te lesend entziffern und sinnerfasse nd lesen könne n, e ven tu ell no ch nicht im me r ohne Schwierigkeiten. • Es ha nde lt sich um Kind e r, die üb er e ine gut a usgebildete S pr achfähigkeit in de r Alltagsko mm un ikatio n u nd spät er in de r S ch riftsp ra ch e ve rfü gen, sod ass sie sich in Sacht ext e in d e r M athem at ik un d im Sachunterricht selbst st än dig einlesen kön nen. • Es ha nde lt sich um Kinde r, de nen die Inha lt e der Texte entweder vertraut sind oder, falls sie neu sind, für die Kinder doch sinnvo ll in das bei ihnen vor handene Wisse n e inz uor dnen sind. • Es handelt sic h u m Kind er, d ie zur Texterschließung hau ptsächlich in die in Texten e nt haltenen Fachbegriffe eingeführt werden und nu r die sachgerechte Verwendu ng de r Fachwörter einüben m üssen. • Es hande lt sic h schließ lich u m Kinde r, d ie Interesse für d ie M ensc hen und die Dinge in ihre r Umwelt und ih re Zusa mm en hänge untere inan de r ze igen u nd sich weiter e I nfo rm ation en da zu le send erobern m öcht en. Kurzum : Es han delt sich um Kind er, de ren M utte rsp ra che Deutsch ist und die im Normalf all die notwen dige a lter sge mä ße Sprac h- und S achkom pet enz in dieser S prache besitzen. De shalb be zieh t sich die Aufga be der Lehrkräfte hauptsächlich auf die Vermittlung de r fa ch lic hen Inhalte und nu r in dem Maße auf die sp rachlic hen Inhalte, d ie ü ber die alte rsangemessene Spr ache hinausgehen, wie dies eben m eiste ns für den Fac hw ortschatz od er d ie Fa ch sprache (mit ungewohnt en Satzstr ukturen , wie z.B. komplizie rt en Passivkonstruktionen) gilt. I n u nse re n S c hule n h at je do ch je de s drit te Kin d ein en M igratio nshinte rgrund. Das bedeute t, es wä chst even tuell nicht o der nicht nur m it der d eu tschen S prach e auf . Wen n es da s d och tu t, so kan n da s trotzdem be deute n, d ass e s die de utsc he Spra che in ein er and er en We ise b eherrscht als die einspr achig d eut sc h auf wac hsende n deu tsch en Kinder. • Es handelt sich um Kinder, die Texte lesend entziffern und gut, teilweise oder gar nicht sinnerfassend lesen können. • Es handelt sich um Kinder, die über eine sehr unterschiedlich ausgeprägte Sprachfähigkeit in der Alltagskommunikation verfügen. Ihr Verhältnis zur Schriftsprache ist eventuell noch gar nicht angelegt worden oder ist gering, sodass sie sich in Sachtexte in der Mathematik und im Sachunterricht nicht unb ed ingt selbststä ndig ein lesen könne n, selb st w enn sie daran großes Interesse haben. • Es hand elt sic h u m Kinder, d ene n die Inhalte der Texte nicht ver traut sind oder die sie nur mit Zusatzinformationen sinnvoll in das bei ihnen vorhandene Wissen einordnen können. • Es handelt sich um Kinder, die zur Texterschließung zusätzlich in die in Texten enthaltenen Fachbegriffe eingeführt werden und außerdem die sachgerechte Verwendung der Fachwörter einüben müssen. • Es handelt sich um Kinder, die Interesse für die M enschen und die Dinge in ihr er Umwelt und ihre Zusammenhänge zeigen und sich weitere Informationen dazu le send erobern möchten. Das Verhalten der Menschen in ihrer persönlichen Umwelt kann sich jedoch erheblich unterscheiden von dem der Menschen, die in deutschsp ra chigen Te xten prä sentiert wer den. Au ch kö nnen D inge vo rk omm en, m it denen diese Kinder noch wenig in Kontakt gekommen sind. Um die richtigen Zusamme nhänge he ra usfinden z u k önnen, brauchen sie die informierende Begleitung durch die Lehrkraft. Die Aufga b e de r Lehrkr af t, die Kinde r mit ei ner a n de re n Er stsp ra che a ls De utsc h unterricht et , ist also z wingend vie l kom pl ex er a ls be i ein spra c hig d eu t sc h Aufwachse nden. S ie be steh t imm er in einer sp ra chli ch en , f ach sp rac hl ich e n un d inhalt lic h- sa chlic hen Hinf ühr ung z um Le se the ma a ls Vo ra usset zung für di e Ent wi ck lun g v on Leseko m pete nz in de r Zweitsp r ac he Deu tsch. Währen d im D eu tsch u nter rich t d ie sprachliche u nd die inh alt liche Ebene im M itt elpun kt de r Ause ina nde rset zu ng mit dem Te xt f ür a lle Kind er gleic herma ße n als Ar be itsauf tr ag steh en, auch wen n da be i die andersart igen Vor bedingu ngen de r Kind er mit e ine r ander en Erstsp ra che als Deutsch n icht vorra ngig gesehe n we rden, so ist bis jet zt de r U nte rr ic ht in d en an dere n Fäch ern hauptsä chlich abge st imm t au f die Sa che und a uf n eu e fa chg ep rä gte sprac hli ch e Ausdr uc ksweisen . Er m üsste in zune hme ndem M a ße die gesam te ve rwe nde te S prac he de r Texte in de n B lick nehme n u nd de ren kulture lle S ac hinf o rm at io nen de ut lic h ma ch en, d amit Kin de r, deren Erstsprac he nicht D eutsc h ist , nich t nur lesen , sond e rn auc h zum Leseverste he n komm en könn en. Die von der Lehr kra ft ausgeh end e Sp ra chstrukturierungs- und Infor ma tio nsa rb eit wird ab er nur a uf d as e ingeh en können, von de m sie auf Grund ihres eigen en Wissens a nnimm t, dass Kinder mit e iner and er en Erstsp ra che als Deutsch Hilf e brauchen. D a diese Kinder in ihr en Sp ra ch- und Sacherfahr ungen a ls ein e sehr he teroge ne Gru pp e anzu sehen sind, wird e s der Le hrkr aft sc hwe rlich gelinge n, alle Be dü rfnisse der Kinder z u er kenne n und au f sie einzugehe n. Kurzum: Es handelt sich um Kinder, deren Lesefähigkeit genauso ausgebildet ist wie die ihrer deutschen M itschüler, d eren Sprach kom pe tenz a ber in unterschied liche r Weise and er s au sge bilde t sein ka nn u nd de ren Sachkom pe te nz gleichfalls anders ausger ichtet sein kann und nicht unbedingt gepr ägt ist vo n der d eutschsprac hige n Umwelt. Be i diesen Kin dern sind Lese nkö nnen u nd Leseve rste hen zwe i unt ersc hiedlic he Bereiche . Le se nkö nnen ist erst einmal d er Leseproz ess u nd sch lie ßt nicht a utom atisc h d en Verstehenspro zess m it ein. Die Annah me d er Lehr kräf te , dass ein Kind na ch a b geschlo ssene m Lese le rnpr oz e ss und etlic her Übu ng a uch gu t verste hen kann, was es gu t lesen od er vo rlesen kann, hat für z we ispra chig au fw achse nde Kind er ke ine allgem eine Gü lt igke it und ist ind ividue ll zu übe rprüfen. Deshalb ist es besonders für diese Kinder wichtig, Strategien zu erlernen und zu benutzen, mit denen sie sich selbst und der Lehrkr aft gez ielt signalisieren kö nnen, wo ihr Leseverstehen eine Hürde nicht ne hmen ka nn. Der Umgang m it so lc hen Erschließungsstrate gien ergibt sich nicht einfach durch das Tun, sondern muss sorgfältig eingeführt und eingeübt werden, damit er für die Kinder zur Selbstverständlichkeit wird. Sie lernen, ihre eigenen Leseverstehensprobleme zu erkennen, wählen passende Lesestrategien aus und wenden sie sinngemäß an. Schon bevor der Leselernprozess einsetzt, kann die Lehrkraft durch Vorle se n vo n Tex ten gemeinsam mit d en Kindern Tex te rschließ ung mit St ra teg ien betreiben. So pla nvoll a n e inen Tex t heranzu gehen, er gibt jed oc h nur e inen Sinn, wenn d ie Kinder gleichzeitig lernen, Fragen zu stellen, dort nachzufragen, wo sie bei der Arbeit feststellen müssen, dass sie etwas nicht oder nicht sicher wissen. Fragen will auch gelernt und geübt werden und kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt wer den. Es fällt vielen Kindern schwer, Unsicherheiten oder Nichtwissen zu artikulieren. • Das Fragen kann am me isten fru chte n, wenn die Lehrkraft d en Kindern zu ver stehen gibt, dass sie d en Wert des Fragens sehr h och einschätzt. • Auf alle Fragen der Kinde r zum Text wir d sorgfältig eingegangen. • Der Lehrkra ft ist bewu sst , da ss die Kinder nicht immer ge nau wissen, was sie siche r wissen und was sie nic ht wisse n, wo sie a lso frage n sollten. • Bei schwe r zu verstehenden Fr agen versuch t die Lehrkraft he rauszufinden, worum es geht, um eine passende An twort geben zu könne n. • Alle Fragen zum Text werden als berechtigt angesehen, auch wenn sie schon in anderer sprachlicher Form gestellt und beantwortet wurden. • Sprachliche Entdeckungen mit Nachfragen werden von de r Leh rkraf t b ewusst zur Kenntnis genommen und kommentiert. • Fragen zu Wort- und Satzbedeutungen werden ausführlich besprochen und eventuell mit Beispielen und Übungen verdeutlicht. Das Prinzip des selbst entdeckenden und selbstst än dige n Ar beiten s w ird durch das Prinzip des Nachfragens nicht aufgehoben, de nn gezie lte Fra geste llun gen e rfor dern selbstständiges Durchdenken eines Problems und zeigen das eigenständige Arbeiten einer Zweitsprachlerin oder eines Zweitsprachlers an ihr em oder seinem Leseverstehensprozess. Schon durch die Ar t der Textpräsentation kann die Lehrkraft viel zur Textentlastung beitragen. Einige solcher Strategien seien hier genannt: • Klein geschriebene Text e kön nen ver größert und in deutlich gegliederte Abschnitt e eingeteilt werden. • Die einzelnen Textreihen wer den beziffert. • Schlüsselwörter aus dem Text werden, als Poster gestaltet, zum Text hinzugefügt. • Das Fachvokabular wird durch Fettdruck oder Unterstreichung herausgehoben. • Fragen, die die Textproblematik erhellen, werden mit dem Text ausgegeben. • Texte werden zuerst in einer vereinfachten For m gelesen und anschließend in der Originalform bearbeitet. • Texte werden mit Bildmaterialien versehen, sofern sie keines enthalten. • Texte werden vorgelesen, bevor die Kinder selbst lesen. • Texte werden von den Kindern gelesen und dann den Kindern vorgelesen. Kind er m it einer a nderen Er stsp rac he a ls De ut sch lese n ge nauso gu t und ger n wie ihre de ut sc he n M its ch ül er in ne n u nd schüler, we nn ihr e Spra ch- und Sac hkomp et en z ihnen da s sinne rfa sse nde Le sen ermöglic ht. Le sen o hne die anschlie ßende M öglichkeit der Sinnen tn ahme aber demotiviert n ach ha lt ig. We nn zw e isp ra ch ige Kind er m erke n, d ass sie v er ste hen , worum es ge ht, u nt er nehm en sie auch bereitwillig Anstreng un ge n. Di e Lese au fgab e kann anspruc hsvoll se in. Die Kinder st ellen sich ihr, solange sie da s Ge fühl haben , dass sie erlerne n kö nne n, wa s sie f ür d ie Auf gabe b ra uc hen. Wen n Ki nder ab e r zu d er Überzeugun g ko mm en, d ass e s a n ihnen liegt , dass sie z u dumm sind, dann hab en wir sie als Le se r ver lor en! Inge Büchner / Heiko Balhorn. 2003. „Textverständnis ist schwer zu haben.“ In: Grundschule Sprachen 09, „Sache und Sprache“, Kallmeyer. Richard Meier. 2003. „Die Sache (auch) durch die Texte erschließen.“ Ebenda. Helga Meier / Michaela Hein. 2003. „Sachtexte gezielt nutzen.“ Ebenda. Es ist das Anliegen dieses Beitrages, auf Unterrichtsbeispiele hinzuweisen, die gleich zeitig zum informativen Lesen anregen, die Schülerinnen und Schüler über einen relativ langen Zeitraum so konsequent und kontinuierlich im Gespräch über Gelesenes fesseln und die zur Auseinandersetzung mit einer Problemstellung aus der Mathematik anregen. Eingefügt sind kritische Anmerkungen von M. Grell, die aus der Sicht der Expertin für De utsc h a ls Zwe itspr ac he (DaZ) Ler nhür de n im P rozess de r Entw icklun g d er Lese ko mp etenz im M athe ma tiku nt er richt exemplarisch aufdeckt. Die d or t angege be nen Ziffern ver weisen au f die ange sproc hene Them atik in den Ka pit eln d ieses B eit ra gs, sodass e in schn elle s N achlesen m öglic h ist. (DaZ = Deutsch als Zweitsprache): Die Inhalte, für die man das Interesse der Kinder erwar tet, müssen für Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutsch ver ständlich sein, sonst können sie ihr Interesse gar nicht zeigen. Es kann aber auch wegen der unterschiedlichen kulturellen Lebensumstände vorkommen, dass DaZKinder an anderen Dingen inter essiert sind, als die deutsche Schule es von ihnen erwar tet (s. Kap. 1.2). Informa tives Lesen ler nen Schü ler inne n und Schüler am besten durch Übungsfor men zum • „orientierenden“ Lesen, um sich über den Sachverha lt e inen Über blick zu versch affen, • genauen Lesen, um Beziehungen zwischen Textaussagen herzustellen, • se lektiven Le se n, um für die Problemlösung die we sentlichen Info rmationen herauszupicken, • krit isch en Lesen, u m t e xt im ma nente Widersprüche, aber auch solche zwischen Textaussage und eigener Er fahrung zu entdecken, • produktive n Le sen, u m mit den I nformationen zu operieren, • „worterschließ enden“ Le sen (Kle inschmidt), um z.B. die Bedeutung von Fachbegriffen zu entschlüsseln, • rückversichernden Lesen, um sich eines neu en Sa chve rha lt s z u ve rgewissern (Erichson 1993, S. 18, Schipper 2000, S. 195). Lehre rinne n u nd Lehr er sollten auc h ungewöhnliche Wege nutzen, um Kommunika t ion und In terakt ion im M at hem at ikunterric ht anzu re gen. Es muss nicht eine umfassende Erzählung oder eine Ganzschrift sein, die zur Auseinandersetzung mit mathem atisch en Pr ob le men e in lädt. Au ch eine kurz e Episode aus einer G eschic hte, eine Lesekar tei, eine Bastel- oder Bauanleitung o.Ä. können Sinn stiftende Leseanregungen sein, die zum Mathematisieren auffordern. Im Rahmenplan Mathematik ist gefordert, die Le sekom petenz der Schülerinne n u nd Sc hüler zu fö r dern u nd zu fo rder n u nd Leseanlässe zu gestalten. In de r Einbindung von Au fgabenste llung en zur Le sekom pe tenz im M athematikunterric ht ver birgt sic h jedo ch d ie Gefahr, m ath ematische Inh alt e zu verschleiern. N eben der The ma tisier un g von bewusstem Textumgang ist unbedingt darauf zu achten, dass der eigentliche mathematische Gehalt nicht verloren geht. Lehrerinnen und Lehrer sollten Möglichkeiten im Umgang mit Texten im Mathematikunterricht erkunde n, sie m it B edac ht nutzen un d ihren Einfluss a uf die P ro zesse inne rha lb d es Unterrichts geltend machen. In vielen Mathematik-Lernbüchern für die Grundschule gibt es eine Fülle von substanzlosen Aufgaben, bei denen sich Kinder nach dem Erlesen des Textes fragen: „Was gibt es hier zu rechnen? Verstehe ich nicht!“ Eine Aufforder ung zum erneuten, genauen Lesen hilft hier nicht. Die Kinder reagieren mit Orientierungslosigkeit. Will man Kinder anregen, etwas zu durchschauen, zu begreifen, muss man ihnen Inhalte anbieten, die ihr Interesse wecken. Es mü sse n Sc hüle rinnen und S chü le rn Aufgaben angeboten werden, in denen es nac h dem Erle sen f ür sie (nic ht für d en Mathematikunterricht) etwas zu ber echnen gibt. Aufgaben zum Entdecken, Argumentier en und Begründen sind in vielen Unterrichtswe rk en bisher in de utlic h g er inge r Za hl vertreten. Häufig handelt es sich bei den Sachaufgaben überwiegend um eingekleidete Aufgaben. Die Aufgabeninformationen sind in Bild- o de r Textfor m da rge st ellt, sodass generell e ine ma thematisc he Mo dellierung auf der Basis einer textlich und/oder bildlich dargestellt en Situ ation zu leist en ist . Das Bearbeiten erfor dert von Schülerinnen und Schülern be stimm te Kom pe te nzen: Einsatz von Faktenwissen, einfache mathematische Begriffe , F ertigkeite n, St an dar dverfahren, Zu sam menfügen m ehr erer be kannt er rech- nerischer oder begrif flicher Lösungsschritte o der Lösun gsele ment e zu ein er Ge sa mt lösung; schöpferisches Denken zur Überwindu ng v on Barriere n b ei problemhaften Aufgaben. Das „Anwen den“ von M athe matik au f außerma them atisc he Situationen so ll n icht a uf das Lösen einfac her Rec hen aufga be n b eschränkt werden. Ein allgemein bilde nder Mathematikunterric ht mu ss au f die Entw icklu ng d er M od ellie rungsfähigkeit von S ch üle rin nen und S chüle rn ausgericht et se in. Zu ve rfolgen ist ein Bünd el kom plexer ko gnit ive r Pro zesse, in dem etwa aus der ge gebe nen textliche n Präsentation d er Situ ation zunächst ein Verständnis der Sachsituation gew onn en u nd die zu grunde liege nd e Sachstruktur b zw. ein Realmodell herausgeschält we rden kann (W inter 1 995) . In der Pha se de s M athe matisierens wird d ie Sa chstruktur da nn in die Spr ac he der Mathemat ik üb erse tzt. Hierfür er weisen sic h Auf gaben mit authent ischen Informa tione n a ls besonde rs ge eignet, die Info rm ationen kritisch zu hinterfragen u nd die Daten r echnerisch z u über pr üfen: Zeitu ngsausschnitte, Quittungen , Kalen derblätter, Tabelle n, Au sschnitte au s d em G uiness-Buch de r Rekor de, Sa chte xte u .v.m. Beit ra g zur Au seinand erse tz ung m it dem mat he ma tische n The ma „Lä ngen und Längenmessung“, lädt ein zu einer handlungsorientierten Unterrichtseinheit mit dem Ziel d er geme insame n Ent de c kung de r nor mierten Maßeinheiten. Die mathematischen Aufgabenstellungen (Lesen – Problem – Handeln – Reflexion), die sich im Leseprozess stellten, sind hier beispielhaft vorgestellt: Authentische Inhalte sind nur gut zu verwenden, wenn sie sich für alle Kinder als „authentisch“ erweisen und auch von allen verstanden wer den können (s. Kap. 1.2). Lehrerinnen und Lehrer sind aufgefor dert, „sinnleere“ Sachaufgaben aus Schul büchern so zu verändern, dass daraus „sinnvolle“ Aufgaben entstehen, die Kinder zum Lesen anregen und über deren Sachverhalt Kinder sprechen möchten. D ie Geschicht e de r HEXE ZENTIM O SI A (Simone Reinhold), ein Leseanlass in einem zweiten Schuljahr als fächerverbindender Abb. 1: Zwei Messergebnisse der Kinder. Wer hat richtig gemessen? Schon die Überschrift des Textes w eist auf seine „Schw ierigk eit“ hin. Das Verb „brodeln“ hat eine Wortbedeutung, die auch für einsprachig aufwachsende Kinder nicht bekannt sein m uss. Die Geschichte ist dann auch in einer gehobenen Schriftsprache verfasst, die mit dem Gebrauch des Präteritum s, der Verwen dung von Satzgefügen mit w ech selnden Konjunk tionen, mit Adjektiven, die gleichz eitig auch adverbial benutzt werden, und m it Fragewörtern und Frage sätzen einen sehr hohen sprach lichen Schw ierigk eitsgrad aufweist. Hinzu kommt der Inhalt, der eindeutig kulturell gebunden ist mit seiner positiven Darstellung des Zauberwesens „ Hexe“ (s. Kap. 2, 3, 4). Gerade Witze und Cartoons haben eine hohe Bindung an den Kulturkreis, in dem sie ver breitet werden. Figuren, die in der deutschsprachigen Lebenswelt w ie selbstver ständlich in Äußerungen einbe zogen w erden, haben keine Bedeutung für Menschen in anderen kulturellen Umfeldern. Daher sind für sie Tex te mit diesen Figuren „nur an der Ober fläche“ decodierbar. Die Funktion der F iguren muss ein deutig verständlich gemacht werden, w eil sonst kein Lesever stehen einsetzen kann, das aber für die Lösung der mathematischen Aufgabe von Bedeutung sein könnte. Auch beim Janosch-Rechenbuch sind „die vertrauten Figuren“ gar nicht allen Kindern bekannt, geschweige denn vertraut (s. Kap. 1.2). Aus: R einhold, Simone: „Geschichten als Ko m munikationsa nlass im M at hem at ikunterricht.“ In: Praxis Grun dsc hu le, He ft 2/ 2002, S. 26-30. Ein unerschöpfliches Repertoire an authentisc hen Schna ppsc hüssen (Wahr -Nehmung vo n Infor ma t ione n m it m athem at isch em Geh alt a us allen Interessensbereiche n d er Kin de r ) finde t sich in d er S achlit era tu r. Be sonders ge eignet z ur S t eige r un g der Lesemotivation sind u.a. Witze und Cartoons. „Oh, wie schön ist Panam a“ , von Janosch um gewa ndelt in eine Rechengeschichte, regt zu Lesebereit schaft und zu Rechenleistung du rch die Handlungen vertraute r Figuren (Tigerente, Tiger und B är ) an. Die Einbe ziehung bekannter und lieb gewordener Figuren u nd die veränderte Textstru ktur (wörtliche Rede , Er zählstil ...) regen zum Lesen an . Du rch die Einbindung m at he mat ischer Problem e und durch Bilde r zum Text wir d das Textve rstä ndnis e rleichtert, und d ie Kinder werden zu m Lösen de r ma thematisch en P robleme m otiviert. Franke, M.: „Mit Janosch besser rechnen.“ In: G rundschulunter richt H ef t 10/ 2002 , Material 1-6. Am Ende der Grundschulzeit sollten die S chüle rinn en und Schüler in der Lage sein, in Alltagssituationen m athem atisc he Asp ekte und Beziehungen zu erken nen und d urch Zahlen und M aße ausz udr üc ken . I hr e Sachrechenfähigkeite n und ihre Lesekom pe tenz beziehen sic h d abei nicht nur auf reine Textaufgaben, sondern auch auf die Interpretation von Diagram men, Sc haubildern u nd Tabellen. Verschiede ne Bearbeitun gshilfen, z.B. Fragen stellen, Textstellen unterstr eichen, Skizzen anfertigen sowie geeign et e Darstellungsformen zur Präsentation von Lösungswe gen sollt en bekannt sein. (in Anlehnung an Radatz u.a. Handbuch für den Mathematikunter richt 3. und 4. Schuljahr, Kapitel 4: „Sachrechnen und Größen“, Schr oedel 1999) D ie folgenden Be ar beitungshilf en wurden favorisiert, weil sie die Phase des Verstehens von Sa chsituat ionen o de r Sacht ext en in besonder em Maße u nte r stü tze n. D ie Anforderungen bei der Arbeit mit Sachaufgaben steigen im Laufe der Grundschulzeit. Der Schwierigkeitsgrad im Erfassen des zu lösenden Problems er höht sich zum einen dur ch ein erhöhtes Niveau der sprachlichen Mittel in den Formulier ungen (Steigerung des S chwie rigkeit sgrad e s d ur ch sp ra chlich e Gestaltung), zum anderen durch die für das Lösen des Problems komplexer werdenden mathematischen Mittel bzw. Rechenschritte (Steigerung des Schwierigkeitsgrades in der mathematischen Struktur). Textaufgaben, die sich in e inem R echenschr itt lö sen lasse n, werden von den me isten Kindern bewä ltigt . Zusam mengeset zte Textau fgaben e rfor dern je doch mehrere vernetzte und a ufeinand er a ufb au end e Re chnunge n. Viele Kinder fühle n sich von d er Komplexit ät solcher Aufgaben überfor dert. Sie haben die Erfahrun g ge macht , dass sic h jede Au fgabe lösen lässt. Za hlen werte werden m anchm al gemä ß dem Unterrichtsschwe rpu nkt zusamm enhanglos mit einand er verrechnet, ohne ihren B ede utungsgeha lt zu pr üfen. Folgende Beobachtungskriterien sollten die Lehrer inne n un d Lehr er be rü cksicht ige n, be vor sie differenziere nde M aß nahm en ergreifen: „Erz ähle den Inhalt m it e ige nen Worten. Be gle it e die Erzählun g m it Handlung ode r fer tige eine Skizze oder Tabelle zur Handlung an.“ Es ist sinnvoll, den Kinder n Gelegenheit zu biet en , e ine n Sac hver halt a us ihrem Ve rst ä ndnis he ra us ne u zu fo rmulieren. M ögliche fe hlgede ut ete oder nic ht ver stand ene B egr iff e/ Spra chele me nt e we rden d eu tlich und kö nne n fü r de n sich anschließ end en M athematisierungsproze ss erläutert wer den. H in zu kom mt , da ss ver schiedene Lernstände der Schülerinnen und Schüler fordern, Lerninhalte auf verschiede nen Repräsentationsebenen zu durchdringen. Die Ve rknü pf ung von Text , Sp ra che und Ha ndlu ng ve ransc haulic ht besond ers für schwache Schüler den Sachverhalt. Diese Übungsform dient dazu, sich einen Überblick über die dargestellte Situation zu verschaffen. Es gilt, Textstellen als Belege zu Die angegebenen Bearbeitungshilfen müssten die Kinder , insbesondere die DaZKinder , durch die Mathematiklehrkraft im han delnden Umgang, also auf dem Weg zur Lösung der Aufgabe kennen ler nen und einüben. Nur die Fachkraft kann entscheiden, was ein Kind an Strategien für die fachliche Lösung braucht. Die Fachkraft muss aber zusätzlich die notwendigen sprachlich orien tierten Strategien in den Unterricht einbringen, denn nur ein Zusammenwirken von Sache und Sprache kann die erforderliche Lesekompetenz aufbauen (s. Kap. 3, 4, 5). Bei Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch sollte das Kriterium: „Versteht er/sie den Text nicht?“ ausgeweitet werden um die Aspekte: wegen noch fehlender Sprach kompetenz im Wor tschatzbereich / im Strukturbereich, wegen anderer kultur eller Sichtweise, damit gezielt ausgeschlossen werden kann, dass hier eventuelle Stör ungen für mathematisches Nichtkönnen vorliegen (s. Kap. 4, 6). finden, um die Fakten in den Mittelpunkt zu rü-cken. Textstellen, bei denen es um die für die rechnerische Lösung relevanten Aspekte geht, werden hier nicht behandelt Durch da s b ewusste Verändern vo n Sa cha ufga ben wir d verde ut lic ht, we lche Angaben wesentlich sind für die Problem stellung. Variation der Sachaufgaben nach Gesichtspunkten: • Zahlen, Maßzahlen ändern; Wie sehr „unscheinbare • Personen, Gegenstände ändern; Wörter“: „bereits“, „schon“, • Größenarte n ände rn, S achsit ua tion be „noch“, „gerade“ einen lassen; Bedeutungswechsel in • Sachverha lt änd er n, ab er d ie f ormale Aussagen hervorrufen, ist Struktur beibehalten; besonders in Fachtexten • Operative Umkehrung durchführen; gravierend. Wenn nun mehr • „Ausschm üc kung der Sa ch aufga be und Sprache in den Mathematik umgekehrt Verkürzen“ des Aufgabentextes unter richt einbezogen wird, (Wagemann 1991, S. 203). muss die Sprache von den Fachkräften auch mehr beachtet werden. Spracharbeit kann geleistet werden, indem die Klärung von Wort- und Satzbedeutungen eine zen trale Rolle neben den mathe matischen Lösungswegen erhält (s. Kap. 3, 4, 5). Karten mit Elementen einer Sachaufgabe: Obwohl viele Komponenten ausgetauscht werden könnten, bleibt die Rechenart erhalten. Es soll deutlic h we rd en, d ass einige Angaben für den Lösungsweg unbedeutend sind. Wesentlich ist, dass bei allen Angaben zu einer v or hand ene n M en ge e tw as hinzukommt. Den Schülerinnen und Schülern werden bereits fer tige Lösungswege vorgegeben. Diese sollen sie miteinander vergleichen und in einer „Strategiekonferenz“ besondere Merkmale herausstellen. • • • • • Ähnliche Lösungswege Fehleranfällige Lösungswege Vorteilhafte Lösungswege Kurze/lange Lösungswege Richtige/falsche Lösungswege Es sollen Textstellen als Belege gefunden und auf das W esentliche reduziert werden, um die rechnerische Lösung anzubahnen. Lie s die be ide n S ac hau fgabe n ge nau. Vergleiche anhand der Unterstreichungen die Interessen der beiden Jungen. Durch welche Unterstreic hunge n w ir d eine rechnerische Lösung vorber eitet? Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass die Selektion von wichtigen Textteilen abhä ngig ist von der dam it verbunden en Intention: Wenn eine r echnerische Lösung de s Pr ob lems an gestreb t ist, sind an dere Komponenten wichtiger als wenn die Ferienerlebnisse zusammengetragen werden sollen. Das Be zie hungsgef lec ht von Daten kann b eso nde rs gut in F or m von Lück ent exte n ange bot en werden. Es m uss durch ge nau es Le se n herausgefu nde n werden, wie die Lücken sinnvo ll ausgefü llt we rden können. Es m uss vom Kontex t auf die Daten ge sc hlo ssen werd en . Er st e ine „Lesekont rolle“ d urch die Sch ülerinnen und Schü ler schließt die Übung ab. Arithm etisc he Sac hverh alt e kö nnen ge ometrisch veranschaulicht werden. Umgekehr t werden geometrische Sachverhalte mit arithmetischen Mitteln tiefer durchdrungen. Ein wichtiges Ziel der Grundschularbeit ist es, Ref lexionsfä higke it vo n Kin de rn zu en twickeln. Deshalb sollen sie angehalten werden, sowohl ihre Lösungen als auch ihre Antworten zu überprüfen. • Passt die Antwort zum Text? • Passt meine Antwort zu der Frage? • Zu welchen Fragen findest du Antworten im Text? Unterstreiche die Stelle im Text farbig und kreise die dazugehörige Frage in der gleichen Farbe ein. Beispiel: Textunterstr eic hungen und „ Schlüsselwo rt f indu nge n“ die nen d azu, d ie f ür die Pr oblemstellung wesentlichen Komponenten her vorzuheben. Zu welchen Fragen findest du wesentliche Informa tione n im Text ? Unt er st re iche die Stelle im Text farbig und kreise die dazugehörige Frage in der gleichen Farbe ein. Beispiel: • • • • • • • • Mögliche Fragen: Wer kauft neue Geräte? Wie viele Geräte werden gekauft? Warum werden neue Geräte gekauft? Wofür werden die Geräte gekauft? Welche Geräte werden gekauft? Welche Person bezahlt die Geräte? Wie teuer sind die Geräte zusammen? Bleibt Geld übrig? Mögliche Fragen: • Wie lange dauern die Osterferien? • Wer ve rbr ingt z wei Woc hen au f de m Reiterhof? • Wo sind Nadja und ihre Freundin? • Wie alt ist Nadja? • Hat Nadja noch andere Freundinnen? • Hat Nadja ein Pfer d? • Wie lange verbringen die Freundinnen auf dem Reiterhof? • Wie viele Tage sind Osterferien? • Wie lange bleibt Nadja zu Hause? Kinder suchen in Sachkontexten nach dem „rationalen Ker n“ und schießen dabei auch manchmal über das Ziel hinaus. Sie konstruier en r echt un er wartet e Re chn unge n. Es bedarf hie r sich er lic h e iner v er änder ten Unterrichtssituation: den Kindern nicht einfach e ine Aufgabe vo rle gen und rechnen lassen, sondern die Kinder darauf hinweisen, da ss einige Aufgaben lösba r sin d, andere nicht zum Rechnen aufforder n. Woran liegt es, dass folgende Aufgaben nicht lösbar sind? Kannst du die Aufgaben verändern, um sie lö se n zu k önnen, in de m du eve nt ue ll fehlende Angaben hinzufügst oder überflüssige weglässt? ein Bestandteil des M ath em at ikunt errichts sein. Daten, Zahlen, Größenangaben lassen sich leichter interpretieren, wenn man sie in übersichtlicher Form darstellt. Ein mö gliches Be ispiel: Die folge nd e Tabelle zeigt, wie viele Jungen und Mädchen aus den drei 3. Klassen bereits schwimmen können: Tom hat angefangen, zu dieser Tabelle ein Säulenbild zu malen. Vervollständige es. Daten, Zahlen, Größenangaben usw. lassen sich leichter interpretieren, wenn man sie in übersichtlicher Form darstellt. In der Grundschule bieten sich Darstellungen in Form von Säulendiagrammen oder Tabellen an. Weitere Beispiele: • Pr oportionale Zuordnungen in Tabellenform (z.B. Preise/Gewicht) • Befragungen durchführen • Säulendiagramm erstellen • Sch au bilde r le sen, in te rpretier en und zeichnen Ein weiter er Aspekt ist das Lesen, Deuten und Interpr etiere n vo n Tab ellen und Diagramm en. Die „ In for ma tio nsent nahm e“ bei Tabellen und Diagrammen muss zunehmend Dröge , Rotraut. 19 94. „Kann es Sa ch aufgab en geb en , be i d ene n sic h so ga r das R ec hnen lohnt ?“ I n: Pr axis Grundsch ule ; Heft 2, S . 2 0-22. Er ichson, C . 200 3. I de en zum Re chn en. Geschichten, m it denen m an rechnen m uss, Bd. 1. vpm. Erichso n, C. 2003. „Tu nne lbau er im Sam tanzug.“ In: Grundschu le Sp ra ch en, He ft 9, 2003, S. 22-25 . Franke, M .: „Mit Jano sch b esse r rechnen.“ In: Gr undschulunterric ht, He ft 10/2002, M at eria l 1 -6. Franke , M . 2 003. Didaktik de s Sachrec hnens in der Gru ndschule. He ide lb er g: Spektr um. Krauthau se n, G. 199 8. Lernen-Lehren-Lehr en-Lernen. Zur m at hemat ik-didakt ischen Lehre rb ild u ng a m B eispiel de r Prim arstufe . Le ipzig: Klet t, S .149. Müller, G .N. / Wit tmann,E.C . (H rsg.) 1 995. Mit Kindern re chnen. Arbe itskre is GrundschuleDer Gr undschulver ba nd e.V. Hannove r, S. 6 3. R adatz, F. / Schipper, W. / Dröge , R . / Ebeling, A. 1998- 1999. Handbuc h f ür den Mathematikunter ric ht, Bd . 1., 4 . S chu lja hr. H anno ver : Schr oedel, Kapitel 4 Sa ch rechnen und Gr öß en. Rasch, R. 2 003. „... imm er d er Dritt e war’s“. I n: Gr undsc hule Sp ra che n, Heft 9 , 2003, S. 2 6-29. Reinho ld, S . 2002. „Gesch ichten a ls Ko m mu nikatio nsa nlass im M at hem at ikunte rr icht.“ In: Pr ax is Grund sch ule , He ft 2 , S. 26-30. Schipper, W. / Drö ge, R: / Ebeling, A. 20 00. Ha ndbu ch für den M at hem atikunter richt . 4. S chulja hr. Hannover: Schroedel. B os, W. / La nkes, E.M. / u.a. 2003. Erste Er geb nisse aus IGLU. M ü nst er : Waxmann. Morteza nimmt sich eine Aufgabenkarte aus d er Löwe nzahn-Werkstat t. Ein e Ka rte mit e ine m dic ken rot en Klebepu nkt – eine „Mussaufgabe“. Er kommt zu mir an den Berater tisch. „Was muss ich da machen?“ Ich sc hüt tele d en Kop f und erinnere ihn an unsere Regeln: „Versuche erst, selber zu lesen. Wenn es zu schwierig ist, bitte ein anderes Kind, dir zu helfen. Wenn ihr beide es nicht schafft, dann darfst du zu mir kommen.“* Er geht wieder und macht sich an die für ihn noch mühevolle Arbeit, die Buchstaben zu Wörtern zusammenzufügen. Er kann es schaffen. Das weiß ich. Deshalb muss er es zuerst alleine versuchen. Nach einiger Zeit steht er auf und lacht mich an. „Ich weiß jetzt“, sagt er, hängt sich den Fotoapparat aus der Forscherecke um den Hals und geht aufs Schulgelände. Fotografiere den schönste n Lö we nz ahn, den du finden kannst. zu nehm end selb ststä ndig zu er schlie ßen (B ild ung splan Gr un dsc hule, Rahme nplan Sachunterricht). Die se r Anspruch ist sehr komplex und fordert eine große fachliche und methodische Kompetenz bei der Auseinandersetzung mit natürlichen, gesellschaftlichen und technische n Gegebenh eiten . Deme nt spr echend vielfältig sind die Darstellungsformen schriftlicher Informationen, die für die Kinder dabei von Bedeutung sind. Sie müssen lernen, • diese Informationen zu dekodieren, • sie aufgabenbezogen zu bewerten und • sie für den Erwerb und für die Anwendung ihres W issens zu nutzen. Genauso vielfältig sind die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten im Sachunterricht, eigene Text e in ganz u nte rschied lic hen Formen selbstständig zu verfassen. Auch dies tr ägt be deutend z ur St är kung de r Lesekompetenz bei. Zunä chst ein mal sind h ier für e inige Grundsätze im Schulalltag zu beachten: Täglich gibt es solche Situationen. Und wie oft sind wir versucht, den Kinder n die kleine Aufgabenstellung schnell mal vor zulesen! Eine Stärkung der Lesekompetenz in der Gr undschule bedeutet aber auch, möglichst v iele die ser sic h t äglich er gebenden Gelegenheiten zum Üben zu nutzen. Die in der Pisa-Stu die ge teste te Lesek om peten z zie lt au f d ie Fä higke it, im Alltagsleben mit Texten unterschiedlicher Art – und dazu gehör en Fließtexte, aber auch Symbole, Tabellen, Verzeichnisse usw. – prak tisch umzugehen. Eine so beschriebene Lesekompetenz wird besonders im Sachunterricht gebraucht und muss deshalb in diesem Fach auch besonders gefördert werden. Es ist das Ziel des Sachunterrichts, den Kinder n zu ermöglichen, sich ihre Lebenswelt • Die Kinder so of t wie m öglich a nregen, sich mit schrift liche n Inf or ma t ione n – un d seien sie no ch so kle in – auseinander zu set zen: d ies a ber nic ht nur neb enb ei und u nver bi ndlich, so nd er n im Zusa mm enha ng m it e in em Au ftrag, der z um Entsch lüssel n mo t ivie rt ; so lc he Inform ation en kö nnen Hinw eissc hilder au f de m Sc hulgelände sein, M er kz et tel, Aufgab enst ellungen im Tagesplan. • Dab ei und b ei allem G eschrie be nen gilt für d ie Kind er die Re ge l: Ich mu ss zu erst allein e ve r suc hen, d e n Te xt zu lesen, e rst d ann da rf ich mir Hilfe hole n. • M it Arbeitsergebn issen , d ie im S ac hunterr icht en tst ehe n, ei ne lesef örderliche Umge bung in de r Sc hule gest alte n: So kö nnen z.B. e in Po st er m it e inem R ätsel zum Sa chu nt er ric htst hem a (m it Ge winncha nce !), Infos zu Freize itange bo ten im S tad tt eil, ein e Tau sc hbö rse am schwarzen Br et t „ Su che – b iete“ u.Ä. im Kla ssen- Bei „Musa“ oder „Emel“ hätte dieser Arbeitsauftrag aber auch ein anderes Szenario auslösen können: Ein hilfloses Kind, das nicht weiß, was es tun soll, und lustlos und untätig herumsitzt. Denn der vorgegebene Arbeits auftrag ist nicht so einfach zu bewältigen, wie es scheint. Das Erlesen der Aufforderung bedeutet noch nicht, die Aufgabe zu verstehen. Und das Verständnis kann an unbekann ten Wortbedeutungen und an Sprachstr ukturen scheitern. Der Fachbegriff „Löwenzahn“ wird durch die Zeichnung verdeut licht, aber die Satzstruktur des Imperativs mit einem anschließenden Relativsatz ist nicht der all-tagskommunika tiven Sprache der Kinder ent nommen. Auch das Adjektiv im Superlativ ist in seiner Bedeutung eventuell noch sprachlich genau zu definieren. Die Lehrkraft muss bei Kindern, deren Erst sprach e nicht Deu tsch ist , einen Balan ceakt v ollz ieh en zw i schen dem aufmun ternden „D as kann st du schon allein !“ und einem ebenso bestärken den „Da brauch st du noch meine Hilf e, das kannst du noch nicht allein können!“ Das Kind, für das der z w eit e Satz gilt, darf n ich t zu lang das Gef ühl haben, rat - und hilflos zu sein, w eil son st sein Interesse an der Aufgabe spür bar nach lässt. S. Kap. 1, 2, 4. Für Kinder mit einer an deren Erstsprache als Deutsch stellt sich die Erschließung der Lebensw elt nicht nur als eine fachlich und methodisch komplexe Aufgabe dar, sondern oft auch als eine ebenso komplex e sprachliche Aufgabe. Verstärkt sollten sie m it der Strategie der selbstständigen N achfrage vertraut gemacht werden, damit sie sprachliche Hilfen rechtzeitig bekommen . Für sie sollte eher der Grundsatz gelten: Ich m uss mir Hilfe holen, anstatt w ie für ein sprachig aufwachsende: Erst dann darf ich mir Hilfe h olen. Das gilt besonders für das Verfassen eigener Texte. Ohne hinreichende sprach liche Mittel ist das Schreiben von eigenen Texten nur eine große – zu große ? – Last für Kinder und wird wenig zur Stärkun g ihrer Lesekompetenz beitragen (s. Kap. 4 ). rau m, au f d en Flure n, in d er P ausen halle attraktiv, also Int ere sse we ckend präsentiert w er de n. Diese Pr äsent at ionen mü sse n a ber gepfle gt, das he ißt r egelmäßig au sgewec hselt bzw. akt ualisier t w er den, so nst guck t kein M ensc h m ehr hin! • Zu jedem Thema einen Büchertisch einrichten. So lch e u nd ähn lic he Gr und sä tz e sind wichtig, um immer wieder zum selbstständigen U mga ng m it Gesch rie be nem a uf zuforder n. Sie allein sichern aber noch nicht d en Erwe rb d er Le sekom pe te nz , die im Sachunterricht gebraucht wird. Deshalb ist es notwendig, darüber hinaus die Begegnung mit ganz unterschiedlichen Textfor men und die S ch ulu ng der M eth oden für ih re Erschließung systematisch zu organisieren. „Es gehören auch anscheinend einfache methodische Schulungen wie die Benutzung eines Inhaltsverzeichnisses oder die Prüfung der Hinweise im Index eines Buches dazu. (...) Wenn solche Werkzeuge fehlen, bleibt es bei de r Besc hwö rung des Zie le s >S elbstständigkeit<, die sich nicht von allein einstellt.“ (Meier 2002, S. 305) Einige Textformen, die im Laufe der vier Grundschuljahre im Sachunterricht vorkomm en könne n, solle n hier vorgestellt und Zugangs- und Übungsmöglichkeiten beschrieben werden. Die gewählte Reihenfolge ist beispielhaft zu sehen. Selbstverständlich kann es sich ergeben, dass der Umgang mit einer b est imm ten Textform, z .B . mit Tabellen, nicht wie hier b eschrie be n e rst im 3./ 4. Schuljahr eingeführt, sondern schon im 1. Schuljahr gebraucht wird. Dann muss die m etho dische Schu lu ng a uc h z u diesem Zeitpunkt stattfinden – dem Lesevermögen der Kinder angepasst. Wichtig ist es, alle sich ergebenden Chancen zur För derung der Lesekompetenz so früh wie möglich zu nutzen, mit dem Ziel, damit das Vermögen der Kinder zu stärken, sich die Welt zunehm end selbstständig zu er schließen . • und durch motivierende Leseanreize unterstützen und begünstigen. „Wir ler nen uns und unsere Schule kennen“ – da s ist das Sachu nterricht -The ma in den er ste n Schu lwoche n u nd eine wic ht ige Voraussetzung für gemeinsames Arbeiten und Spielen. Also haben alle Kinder ein Namensschildchen, auf dem auch ein Bildsymbol für die Gruppenzugehörigkeit gestempelt ist. Dies ist schon in den ersten Tagen häufig Anlass für Kennenlerngespräche. An vielen Stellen im Klassenraum finden sich Kärtchen mit unterschiedlichen Zeichen: Symbole für das, was die Kinder dort tun können, für die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten in diesem Raum: ein Stift als Symbol fürs Schreiben . ein Buch als Symbol für die Leseecke Zahlen als Symbol für Mathematikmaterialien eine Lupe für die Forscherecke . . . . . . aber lernen können sie es dabei! Förderung der Lesekompetenz sollte für DaZ-Kinder immer auch Förderung der Sprachkompetenz beinhal ten, und zwar auch so früh wie möglich (s. Kap. 1.2, 2). Der Sachunterricht kann den Schriftspracherwerb • durch die Einführung und Nutzung von Bildsymbolen, • durch einfache Pläne und Skizzen, • durc h „Fac hwö rterlern en“ als wic htige Gru nd lage z um Ver ständnis von Sac htexten Es gibt Symbolkarten für alle Aktivitäten des Schulvormittags: ein Kreis aus Köpfen für den Morgenkreis, Bausteine für die Spielzeit, ein Brö tche n u nd ein e M ilc hflasch e fü r das gemeinsame Pausenfrühstück. B ald , w enn d ie Kind er sic h im Klassen- r aum auskenn en, w ir d es ein e Liste m it verschie d en en Aufga b en fü r die Klassengem einschaf t geben, auch hier S ymb ole für die ve rschiedenen Dienste , d az u Fot os von den Kin de rn mit ihrem Na me n d ar unter. All dies – die Na menssc hilde r mit d em Gr up pe nsym bol, d ie Besc hriftun g d er Kla sse nec ken , der Tage splan , d ie Auf ga benl iste – sollte jed och nicht nu r sch öne D ekor ation sein, sond er n immer w iede r mit Auffor deru ngen und Au f gab enste llu nge n v er bunden we rd en w ie : • Wer hat in dieser Woche Milchdienst? • Die Schilder der Ecken sind durcheinander geraten! • M it welc her Au fgabe v om Tagesplan möchtest du heute anfangen? So lerne n d ie Kinder, d ie S ymb ole zu deuten und für die eigene Orientierung zu nutzen. Die Eige nständigke it, m it d er sich die Kinder, die ja „noch nicht lesen können“, mit H ilfe diese r Sym b ole im Klassenr aum zur echtfinden und so ihre Arbeit und ihr Spiel schon ein Stück selbstständig organisier en kö nnen, ist a uc h e ine Entlastung für die Lehrkraft. Bei der fünften Frage „Wann haben wir heute Turnen?“ ist sie sicherlich gelassener, wenn sie auf den an der Tafel dargestellten Tagesplan zeigen kann, als wenn sie zum f ünfte n M a l a ntwor te n m uss: „Nac h der zweiten Pause!“ F ür d ie Ordn ung ihrer eigen en Schulsachen finden die Kinder selber Zeichen oder Bildsymbole. Das stärkt ihre Kompetenz im U mga ng m it Sy m b ole n und das Sic hzur echtfinden mit ihren Heften, Stiften und Bücher n. Damit wird auch das Sammeln und Ord nen , eine weite re M ethode des Sachunter richts (vgl. Meier 2003), von Anfang an geübt und mit in die Verantwor tung der Kinder gelegt. Anders als durch eine vorgegebene, evtl. von ihnen nicht nachzuvollziehende Or dnung ist durch das selbstständige S tr ukturiere n u nd se lb st ständ ige Kennzeichnen ihr er Sachen die Chance vielleicht größer, das übliche Chaos im Ranzen und in Ablagekörben zu verringern. Nach der Orientierung im Klassenraum und der Str ukturierung der eigenen Schulsachen ist die Orientier ung auf dem Schulgelände an der Reihe. Die Kinder erforschen die Gebäude, was man in ihnen tun kann und wo gearbeitet wird. Sie ler nen die Menschen kennen, die für sie wichtig sind und sie erkunden das Gelände: Wo kann man spielen und welche Regeln gibt es da? Wo darf man nicht sein? Welche Besonderheiten gibt es an unserer Schule? Alles Erforschte soll festgehalten werden, soll zueinander in Beziehung gesetzt werden, damit das Ganze sichtbar wird und damit es zur vertiefenden Orientier ung genutzt werden kann. Ein Plan oder ein Modell wird also mit den Kindern, vielleicht im Sandkasten in der Klasse, gebaut. Probleme tauchen auf: „Wie können wir zeigen, dass dieses Haus die Pausenhalle ist? Wie können wir darstellen, dass im Gebüsch hinter der Tur nhalle nicht gespielt werden darf?“ Sie werden diskutiert, und die Kinder finden Lösungen, die ihrem eigenen Darstellungsvermögen entspr echen: ein Bild, ein Symbo l, ein Anlau t (P wie Pausenhalle) oder schon das ganze Wort. Sehr motiviert stehen sie in der nächsten Zeit vor ihrem Schulplan und „lesen“ die Informationen, die sie dort gemeinsam festgehalten haben. Ein nächster Schritt zur Erweiterung der Lesek omp eten z kann im Sa c hunter richt durch die Orientierung im Wohngebiet erreicht werden. „Hier wohnen wir“ heißt das Thema. Die Häuser aller Kinder werden besucht, die Wege dorthin erkundet, um sich bald nachmittags alleine besuchen zu können. Dabei üben sie die Orientierung an markanten Gebäuden, an Parks, an Brücken, an Straßenschildern. Das alles w ird auf ein em ver größerten St ad tte ilp lan wied er er kannt , ge lesen also. Die Kinder entdecken dabei Kartenzeichen: ein Kreuz für die Kirche, der Park ist grün, der kleine See blau gezeichnet. Erste „Einführ ung ins Kartenverständnis“ also – und nicht erst in der 3. Klasse! Den Fachwortschatz des Sachunterrichts einzuführen, zu erläutern und Bedeu tungen zu klären, sodass er von den Kindern sachgerecht verstanden und benutzt wer den kann, ist ein zentrales Anliegen des Unterrichts mit Kindern anderer Erst sprachen, denn das Fach vokabular ist eine Domäne der Schule und kann haupt sächlich nur dort von ihnen erworben werden. Es macht aber einen großen Unterschied, ob Fachausdrücke auf der Basis intuitiv beherrschter deutscher Strukturen oder aber auf noch nicht abgesicherten Sprachkenntnissen einer Zweitsprache eingeführt werden. Hier sollten Übungs formen und Überprü fungsmöglichkeiten bereit gestellt wer den, ob jedes Kind die notwendigen Begriffsklär ungen auch tat sächlich verstanden hat (s. Kap. 2, 3, 4). Alle Kinder haben Freude an so ungewöhnlichen Dingen wie „Hosentaschenwörtern“. Trotzdem ist zu überlegen, ob die hier vorgestellten Arbeitsformen für DaZKinder nicht eher eine Erschwernis beim Lernen darstellen. Wenn es in ihrer Familie niemanden gibt, der über das notwendige Fachwortwissen verfügt, kön nen die Kinder ihre Aufgabe nicht oder eventuell nur falsch lösen. Beides ist gleichermaßen misslich. Bei solcher Aufgabenstellung sollten für alle Kinder Möglichkeiten gefunden wer den, sich zu informieren, sodass kein Kind sich wegen seiner familiären Lebens umstände zurückgesetzt fühlen muss (s. Kap. 1, 2, 3). I n a llen S ac hgespräc hen mü ssen wir auf Begriffskläru ng, au f d ie Einf ühr ung neu er Fachbegrif fe u nd au f ihr e sa ch ge mä ße Ver wen du ng a cht en . Au ch dies von Anfang a n. Es d ien t der Er weiterung d es Wortsc ha tz e s u nd st ärk t somit die Lesekom petenz , de nn Fach wör te rkennt nis ist eine wicht ige Vor ausset zu ng zu m Verständnis von Sa chte xte n.* Eine gute Möglichkeit für die Kinder, ihren Wortschatz zu erweitern, ist dabei die Arbeit mit „Hosentaschenwörtern“. Am nächsten Tag stellen die drei Kinder ihre Wörter den ander en im Morgenkreis vor. Die Erklärungen, die sie dazu geben, schreibt die Leh rerin od e r der Le hrer mit und an schließ end in Sc hön sc hrift a uf eine Karteikarte. Das Wortkärtchen wird mit auf die Kar t e gek leb t, u nd zu r weite ren Auseinandersetzung mit seinem Wort malt das Kind noch ein Bild dazu. Alle so gestaltete n Kar teikart en w er den a n die Wand gehängt und ergeben im Laufe der Zeit, wenn alle Kind er na ch und na ch ein Wort vorgestellt und erklär t haben, ein großes „Wandlexikon“. Wie oft stehen die Kinder davor, suchen ihr Wort und die Wörter ihrer Freunde und unterhalten sich als „Experten“ mit Wörter n aus der „Baumfachsprache“! Imm er wie de r zum Lesen, z ur Au seinandersetzung mit Geschriebenem anregen – das ist ein täglicher Grundsatz im Schulalltag. Dafür sind Dokumentationen von gemeinsamen Erlebnissen und Aktivitäten in der ersten Klasse besonders geeignet: • „Regenspaziergang“ , do kum entie rt m it den Bildern und den kleinen Texten der Kinder auf einem Poster • „Aufregend e Ge schic ht en au s u nserer Klasse“ – festgehalten in einem Klassentagebuch • „Unser Laternenfest“ – Fotos, dazu von den Kindern geschriebene Bildunterschriften Kümmere dich um dein Wort und er zähl uns mor gen, was du darüber herausgefunden hast. The ma Bäum e. Die Kinder haben scho n viel übe r ihren Klassenbaum her au sge fund en. S ie w issen, wie die Te ile des Baum es he ißen: Sta mm, R inde , Äste, Zweige, Knospen, Blätte r, Blüten. Nun sollen sie weite re Wörter, die alle etw as m it Bä um en zu tu n haben, ke nnen lernen. Jeden Tag bekommen immer dr ei Kinder ein Kärtchen mit einem „Baumwort“ – so, dass die anderen Kinder es nicht sehen kön nen. Sie nehmen es – am besten in der Hosentasche – mit nach Hause mit der Aufforderu ng, sich d ar um zu küm mern. N icht imm er können sie es schon selber le sen. Dann m üssen sie jemande n bitten, es ihnen vorzulesen. Sich da rum küm mern heiß t, herausfinden, was das Wort bedeutet, was es mit dem Baum zu tun hat und es anderen erklär en können. Häufig wir d so ein Begriff zum Gesprächs thema für die ganze Familie. All das würdigt die Mühe und Arbeit der Kinder. Sie sind stolz darauf, ihre Beiträge so schön pr äsen tiert wie derzu finde n u nd deshalb motiviert, sie immer wieder zu lesen. . . . und auch schreiben. Deshalb bekommen d ie Kind er m öglichst vie le Auf gabe nst ellunge n un d Arbe itsanw eisu ngen im Sachunterricht in schriftlicher For m, und sie werden möglichst häufig aufgefordert, auch ihre Arbeitsergebnisse schriftlich dar zustellen. Eine Unter richtsform, die die s be sonde rs begünstigt, ist die Werkstattarbeit.* Hier werden zu einem Thema vielfältige Materialien, Anr egungen und Arbeitsaufträge in unterschiedlic hen Textform en ange b ot en. Da s erfor dert von de n Kin de rn gro ße Lesea nstrengungen, bietet ihnen viel Lesetraining und fördert das selbstständige Lernen. Der Umgang mit Sachtexten im 2. Schuljahr k an n d ie Lesek ompet enz de r Kinder wesentlich steigern, aber nur dann, • wenn sie eine Chance haben, die Texte auch entschlüsseln und nutzen zu können, d.h. wenn diese ihrem jeweiligen Lesevermögen entsprechen, • und wenn sie „Texte und Bilder nutzen“ als ein e M etho de im S achu nterr icht (vgl. Meier 2003) durch verschiedene Übungen immer wieder trainieren können. „Auch die Prüfung eines Textes mit der Frage nach seiner Ergiebigkeit für ein bestimmtes Thema oder eine spezifische Frage ist eine die ser vor be r eit en de n Arbe it en. Diesen Text dann zu lesen, im Sinne des Wortes zu erschließen und für die gefragte Sache auszuwer ten, ist eine nicht gerade einfache Aufgabe. Sie muss bewusst und über lange Ze it b ea rbeite t und als Fähigkeit entwickelt wer den.“ (Meier 2002, S. 305) Deshalb sollte mit dieser Aufgabe auch mö glichst fr üh b ego nne n werd en. Das Angebot an Sachtexten für Kinder ist für fast alle Themen sehr groß. Es gibt viele schön gestaltete Sachbücher mit informativen Fotos und Texten. Häufig sind diese Texte aber für Leseanfänger zu schwierig und zu umfangre ich. Viele Büc her ha ben z ud e m ke in Inhaltsver zeich nis, mit dessen Hilf e die Kinde r sic h im Buc h or ient iere n kö nnt en. Wir m üssen d ie Bü ch er also, we nn die Kinde r sie a ls Arb eit sm ater ial nu tz en so llen, präparieren. Ei n z u umf a ngre ic her Text k ann z um B eispiel durch e inen ve reinfacht en und gekür zte n ersetzt werden, der ab er imm er no ch d ie wichtigsten In for mationen ent hält . Dieser gekü rzte Te xt wird auf eine Kar teikart e gesch rie be n u nd mi t entspr echen der Se itenkennzeichnu ng zum B uch gele gt . De r Or igin alt ex t ist da nn e in Ange bo t f ür „ lese starke“ Schü lerinne n u nd Schüler. D ie Su che na ch einer bestimm ten Inform at io n in ein em Bu ch kann du rch ein Inhaltsver ze ic hn is, das in Fo rm ei nes Fr age nkat alo gs f o rmulier t ist , se hr er leichtert werden. So kö nne n d ie Kind er ga nz gezie lt nac h Ant wo rt en au f ihr e Fr agen suche n. Dazu ein Beispiel zum kleinen Buch über Meerschweinchen von J. Reichen: Man braucht eine Sammlung ausgesuchter kleiner Sachtexte z.B. aus Kinderzeitschriften. Die Kinder wählen sich daraus einen Text aus, der sie besonders interessiert. Sie lesen ihn, überlegen: „Was habe ich Neues, Wichtiges, Intere ssantes er fahren? “, e ntwerfen Fra gen dazu, üben das deutliche Vorlesen des Textes und lesen ihn bei Gelegenheit, vielleicht im Abschlusskreis am Ende des Schulvormittags, den anderen Kinder n vor. Diese müssen so gut z uhö re n,** dass sie die a nschlie ße nd gestellten Fragen zum Text beantworten können. Gut eignen sich dafür auch eigene Texte der Kinder, die bei der Bearbeitung eines Themas entstanden sind. Sie erfahren so noch einmal eine besondere Würdigung. Diese Übung fördert: • den Er werb von Sachkenntnissen, • die Fähigkeit, sachbezogene Fragen zu formulier en, • die Vorlesekompetenz und • bei den Zuhörer n das Hörverstehen. Wenn die Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, bei der Werkstattarbeit gezielt die Möglichkeit bekommen, in Partner- und Gr uppenarbeit für ihre Lese- und Schreibaufgaben Anregungen, Verbesserungs vorschläge und sprachliche Hilfe zu erhalten, werden sie die für sie schwierigen Aufgaben auch bewältigen können. Für die höheren Klassenstufen gilt das in verstärktem Maße (s. Kap. 2, 5). Mit dem guten Z uhören ist es nur dann getan, w enn man alles verstehen k ann , was gesagt w ird. Genau das ist aber das eventuelle Problem bei Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch, dass wir als Lehrkräfte und die Kinder selbst nicht sicher w is sen, ob und w as sie alles ver standen haben. Hier muss die Lehrkraft außerordentlich beharrlich und auch erfindungsreich nach Wegen suchen, die das Textverstehen ermöglichen (s. 1 , 2). D as Era rbe ite n eig ener Textdarstellungen trägt, wie schon erwähnt, viel zur Stärkung der Lesekompetenz bei. Hierfür eignen sich ab Klasse 2 kurze Textformen wie: • Beobachtungsproto kolle, z.B . vom Ent wicklungsprozess einer Blume, von jahreszeitliche n Veränderungen de s Lieb lingsbaums, • eigene B egr iffserklärungen (z.B. für e in Pferdelexikon), • Erkundungserge bnisse (z.B. Fr eizeitmöglichkeiten im Stadtteil), • Kartei-Seiten nach gemeinsam aufgestellten Kriterien („Kleine Tiere auf unserem Schulgelände“). Der Umgang mit allen bisher eingeführten Textform en wird in be iden Klasse nstufen weiter vertiefend geübt und neue Textformen werden eingeführt. „Bei der Arbeit an einem Thema empfiehlt es sich, die Arbeit mit Texten und Bildern imm er wie de r einzup lane n. D ie unter sc hiedlich ent wic kelt e Lesefä higke it der Kinder und der sachliche Anspruch der Texte erfordern Zeit und Mühe. Es empfiehlt sich, immer wieder Phasen einzuplanen, in denen ind ivid uell und g eme insam an de r Er schließung von Texten gearbeitet wird. Dazu sind Arbe itste chniken wie Unt er streichen, Herausschr eib en, Not izen ma chen (z .B . Fragen notieren) , Nachschlagen einzuübe n und gezielt zu nutzen.“ (Meier 2003, S. 23) Ebenso wie im De utschu nterr icht d er Umgang mit dem Wörterbuch systematisch eingeübt werden muss, müssen die Kinder auch im Sachunterricht ler nen, mit Nachsc hla gew erke n umzugehe n: mit B estim mungsbüchern, Schü ler le xika, Kinder Suchmaschinen u.Ä. Dabei werden grundlege nde F ähigke it en wie alp habe tisch e Reihenfolge beachten, Schlagwörterverzeichnisse nu tze n u nd gezielt es, aufga benb ezo genes Recherchieren trainiert. Entscheidend für er folgreich es Ar be iten und f ür eine Stärkun g dieser Me thod en kom pete nzen ist auch hier wiederum die Kompatibilität von Lesefähigkeit und Text. „Kinder brauchen in ALLEN Schuljahren Lehrer Innen, (...) d ie sich um d reierlei bemühen: • sich zu vergewissern, welche Lesefähigkeiten sie voraussetzen können, • die Leseanforderungen den Fähigkeiten der Kinder anzupassen, • sich nicht abzufinden mit Rückständen, sondern für die Entwicklu ng d er Le sefähigkeiten zu sorgen.“ (Andresen 2002, S. 141) Den se hr unt ersch iedlich en Lese fähigkeiten in diesen beiden Klassenstufen muss also R ec hnung get ragen we rden . Manc he Kinder br au c hen Un te rstü tzung, ander e br au che n He rausf orderungen zu r weit eren Entwicklung ihrer Lesefähigkeit. Deshalb müssen wir bei der Arbeit mit Nac hschlage werken die Auf ga ben dif ferenziert stellen und Hilfe anbieten. Solche Hilfe kön nen et wa gele itet e Aufgabenstellungen sein, die besonders bei der selbstständigen Informationsbeschaffung der Kind er a us umfangreicheren Büchern, aus dem Internet oder auf CD-ROMs sinnvoll sind. Die Kinder werd en da bei durch gezie lte F ra gen ode r Anweisungen unterstützt. So wird besonders beim Umgang mit den neuen Medien ein qualifiziertes Erler nen die ser Technik gefördert und ein e Zeit ra ubend e, abschweifende Suche verhindert. Bei vielen Sachunterricht-Themen ergibt es sich, dass die Kinder über längere Zeit Daten sammeln, diese vergleichen, mit den Daten ander er in Beziehu ng set zen und sie auswerten. Dafür sind Tabellen nützlich. Der We g zum Tabellen lesen geht ü ber das motivier ende eigen e Tab ellenanle gen. Ein Beispiel: Übersichtlich dargestellte Daten erleichtern den Ver gleich. So macht es Sinn, die Kinder im Zusammenhang mit solchen Aufgaben a uc h in die gru nd lege nd en Tabellenf un ktione n d es Wor d-Pro gramm s e inzuführen. Wann immer sich eine Gelegenheit ergibt – und es sind im Laufe von vier Schuljahren viele – sollten diese Fähigkeiten geübt werden. Voraussetzung für ein kontinuierliches Training dieser und aller anderen Textformen, die im Sachunter richt vorkommen, ist allerdings eine Grundausstattung in jeder Klasse. Wenn die Kinder mit brennenden Fragen etwa zu Beobachtungen auf ihr em Schulweg, zu aktuellen Ereignissen (Erdbeben, Vulkanausbruch, Sonnenfinsternis…) in die Schule kommen, dann sollten sie auch möglichst zeitnah nach Antworten suchen können. Das Vertrösten auf spätere Gelegenheiten lässt das Interesse verblassen und eine motivationsreiche Situation ungenutzt verstreichen. Die Kinder b ra uc hen also ne be n d en M ö glic hkeit en hand elnd zu f orsc hen, z.B. an Experimentier tischen in den Klassen oder in eine r Sachu nter ric ht werkst att der Sc hule, auch eine „Handbibliothek“ bestehend aus Sachbücher n für Kinde r, Lexika und Be stimmungsbüchern. Und sie brauchen die M ö glic hke it , sic h je de rz e it auf e inem S ta dt - teilplan, auf dem Stadtplan von Hamburg, auf e iner Deut schla ndka rt e, Eu ropakarte u nd Weltkarte orientieren zu können. Eine solche Grundausstattung für die Klassen ist leider noch nicht in allen Schulen vorhanden. Der Sachunterricht sollte aber wenigstens bei der Lehr- und Lernmittelverteilung im gleichen M a ße b edach t w er den wie d ie a nde ren Fächer. Vielfä lt ige Textform en sind d am it im Sachunterricht eingeführt und der Umgang mit ihnen ist geübt worden. Nun gilt es, die erworbenen Kompetenzen der Kinder auch zu nutze n, d.h. ihnen die Anwe ndu ng ihres Wissen s in a uthe ntisch en Sit uatione n z u ermöglichen, z.B.: • die Bahnverbindungen für den Ausflug ins Museum aus dem Streckenplan des HVV heraussuchen • „Wie kommen wir vom Bahnhof Blankenese ins Treppenviertel?“ – den Weg im Stadtplan finden • „We lche In for mat ione n b iet et uns www.sachunterricht-online.de zum Thema Feuer wehr?“ • Tabellen zum Strom- oder Wasserverbrauch der Schule anlegen Solche Aufträge geben dem Erwerb der Lesefähigkeiten erst einen Sinn und fördern den praktischen und selbstständigen Umgang mit unterschiedlichen Textformen in realen Alltagssituationen. Genau diese Lesekompe tenz hat PISA getestet. „Zure ch t wird in der angela ufen en Diskussion nach PISA… die kritische Frage an unsere Schule gestellt, ob unsere Kinder und Jugendlichen im Unter richt wirklich lernen, selbstständig und problemorientiert schriftliche Texte zu nutzen.“ (Spinner 2002, S. 93) Eine Schule, die sich in der dargestellten Weise oder ähnlich im Sachunterricht um die Förderung der Lesekompetenz bemüht, würde dazu wohl ein Stück beitragen können. Bildungsplan Grundschule, Rahmenplan Sachunterricht, Hamburg. Andresen, U. „Wenn Kinder nicht „rechtzeitig“ lesen geler nt haben“, in: Sprachliches Handeln in der Grundschule. Meier, Richard. 2002. Freie Arbeit im Sachunterricht. In: Drews, U., Wallrabenstein, W. (Hrsg.). Freiarbeit in der Grundschule, Frankfurt a.M. Meier, Richard. 2003. „Methoden im Sachunterricht“. In: Grundschule Sachunterricht, Heft 18. Reichen, J. „Meerschweinchentext.“ In: Heimtiere. Spinner, Kaspar H. 2002. „Kann man Leseleistung messen?“ In: Sprachliches Handeln in der Grundschule. D ie kind liche Lese-S chreibsozialisation ( »early literac y«) b eginnt in de r Familie. Eltern schauen mit ihren Kin dern Bild erb üc her an und f ühr en vor lese be gle itende D ia loge, die eine spezifische I nter aktionsstruktur aufweisen. So gilt Vorlesen als komprimierteste S prac herw er bssituat ion ü berhaupt. Entspr echend bezeichnet Hurr elmann (1994) den Umgang mit Kinderbüchern als „Schaukelstuhl“ zwischen Mündlichkeit und Sc hriftlic hke it. Kinde r entde cken beim Betrachten von Bilderbüchern Bezüge zwischen Erlebtem und Abgebildetem (»Dekontextualisierung«). Und in (oftmals ritualisiert en) S ing- und S prac hspielen ler ne n sie zudem, Sprache unter formalen Kriterien zu b etr ac hte n, w ob ei sie beim Vor lesen au f G eme insa mke it en und Unt er sc hiede z wischen mündlicher und schriftlicher Sprache aufmerksam werden. Eine alltägliche Schriftverwendung in der Familie hilft den Kindern also, die Funktion und den Gebrauchswert v on S chr ift z u er kenne n u nd so mit Schriftnutzung als Sinn stiftend zu erleben. Das Ausmaß der frühen literalen Erlebnisse, in denen Bücher dem einzelnen Kind p ersö nlic h be deut sam werd en , be stimm t daher die Einstellung des Kindes zur Schrift maßgeblich. Aus zahlreichen Untersuchungen mit Kindern, Jugendlichen sowie leseund schreibunk und ige n Er wach senen ist be kannt, d ass M e nschen mit großen Pr ob leme n im S ch rif tsprac herw er b d iese frühen literalen Er fahrungen nicht gemacht haben und sie auf Grund ihr er nur sehr gering ausgeprägten Lese- und Schreibkompetenzen die Funktion von Schrift für sich nicht nutzen k onnt e n (daher auc h der B egrif f »funkt io naler « An alp habet ism us)1 . M a ngeln de Erfahrungen mit Sprache und Schrift sowie – infolgedessen – eine gering ausgebildete phonologische Bewusstheit gelten nach heutigem Erkenn tnisst and als b edeu te nd st e R isikofaktore n inner halb de s komp le xen Be dingungsgefüges des Schriftspracherwerbs. 1 Nun ist Schrift nicht gegen die Alltagswelt der Kinder durchsetzbar (Dehn 1996). Daraus lassen sich prinzipiell mehrere pädagogischdidaktische Schlüsse ziehen: 1. Es gilt, d ie schulisc he Allt agsw elt der Kinder literal zu gestalten (Bambach 1989) u nd so d ie Teilh abe an »ele me nt arer S ch rif tkultur« (D eh n 1 996 ) in d en Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen, um de n Kinde rn liter ale Erfahrun gen zu ermöglichen, denen sie in ihrer vorschulischen Sozialisation verschlossen blieben2 . Bewährt hat sich ferner eine enge Zusamm ena rb eit von Sc hule und B ib lio thek (Milhoffer 1991). Im weiterführenden Lese- und Literaturunterricht hat sich eine handlungs- und pr oduktionsorientierte M a xime (Haa s/ Menzel/Spinner 1994) dur chgesetzt, die es ermöglicht, Kinder auch mit ihren persönliche n Ge fühle n u nd Erfahrun gen an Literatur Anteil haben zu lassen und Texte som it per sönlic h sinnvo ll w erd en z u lassen. 2. Diese schulischen Bestrebungen können ihre Wirkung am besten dann entfalten, wenn ihre Inhalte bei den Kindern auf »fr uchtbare n B oden« falle n, sodass die Kinder an bisherige Erfahrungen anknüpfen können. Insofern wäre es wichtig, bereits vor der Schule Wert auf literale Erfahrungen zu legen. Umgang mit Büchern war schon immer Bestandteil von elementarp äd ago gische r Arb eit (S t if tu ng Le sen u.a. 1998), ebenso wie ritualisierte Sprachund Singspiele, die eine wichtige Funktion f ür d ie me tasp ra chliche Ent wick lung haben. Der gezielte Einbezug von Schrift hing ege n w ird häu fig a ls »Schu lvo rbereitung« verdammt, während insbesondere sozial-emotionale Ziele betont werden (Kretschmann 2003). Dabei könnte Schrift als Visualisier ung der ansonsten flüchtigen Laut sp rach e Kin de rn helfe n, ihr e Au fme rksam keit zu nehm end vo n de r In Abgrenzung zum natürlichen, primär en An-Alphabetismus, der wörtlich übersetzt bedeutet, dass jemand nicht des Alphabetes kundig sei. Davon kann bei den betr of fenen Menschen, die jahrelang eine Schule besucht haben, nicht die Rede sein (vgl. zum Thema: Döbert/Hubertus 2000, Hubertus/Nickel 2003, Egtoff 1997). 2 Das Prinzip der Sel ekt ion von Kindern mit geringen li teralen Erfahrungen u nd d eren S eparierung au f So nderschulen muss angesichts der erwiesenen Ineffizienz von Sonderschulmaßnahmen (Wocken 2000) - für die es eine Reihe systemischer Gründe gibt - als nicht angemessen und kontraproduktiv angesehen werden. Bedeutungsebene der Sprache auf die lautliche Ebene zu richten1 (Osburg 1997) und zudem ein Schriftbewusstsein auszubilden. Erste Ansätze hierzu sind mittlerweile zu erkennen (Ulich 2003, Tenta 2002). 3. Da Kinder nur eine begrenzte Zeit in institutionellen Lernarrangements verbringen, wäre es ange bracht, den Inter ventionshorizont weiter zu ziehen und das familiäre Wirkumfeld von Kindern stärker in den Blick zu nehmen. Eine frühe Intervention ist a ngeze igt, w eil au s dive rsen Untersuchungen hinlänglich bekannt ist, dass die Gruppe der bei Schuleintritt schwächsten Schüle rinn en und Schüler ihre r elative Position beibehalten bzw. der Unterschied zu d er Grupp e de r durchschnittlichen Schülerinnen und Schüler oft noch größer wird (Helmke 1997). Dieser Effekt wird oft als »Matthäus-Effekt« (»Wer hat, dem wird gegeben«) bezeichnet: Alle Schülerinnen und Schüler verbessern ihre Fähigkeiten, aber die S chülerinnen und Sc hü ler m it relativ hohen Komp etenze n p rofitieren we se ntlich stär ker vom sc hulischen Angebo t als andere: Die Leistungsschere öffnet sich. Aus einer Reihe von Unt ersuc hunge n ist ferner be kannt , dass pr äve ntive bzw. inter venierende Maßnahm en dann a m effektivsten sind, wenn sie (a) m öglic hst fr üh einsetzen und (b) möglichst lange , also bis in die Schulzeit hinein, durchgeführt we rden. Dieser Zusammenhang ist in den angelsächsischen Ländern schon längst erkannt word en. Auch hier zu Land e w ur den e rste Pr ogramme aufgelegt, die gezielt soziokultur ell benachteiligte Familien in den Blick nehmen. »Mama lernt Deutsch (Papa auch)« ist an Elte rn mit M igr atio nshinte rgrund gerichtet und soll ihnen helfen, ihre Kinder b esser be i der schulisch en Inte gra tion zu unterstützen. Solche reinen Elternbildungsmaßnahmen wurden in letzter Zeit erweiter t um Programme, die sowohl Eltern als auch ihre Kinder einbeziehen. »HIPPY« richtet sich ebenfalls an Eltern mit Migrationshintergrund. In einem zweijäh rigen Hausb esu ch spr o gra mm w er den M üt ter d ur ch ge schult e Laie nhe lferinn en angele itet , tägliche Aktivitäten m it Bilde rbüchern oder Arbeitsblättern durchzuführen. Die m ittler weile r echt gro ße Verbreitung dieses Programms spricht für seinen Erfolg. »Opstap je « wird z ur zeit e valu ie rt , do ch zeichnet sich auch hier ein ähnlicher Erfolg ab. Dieses Programm richtet sich an Eltern und ihre 2-4jährigen Kinder aus Familien in belasteten Lebenslagen. Dies schließt explizit sozial benachteiligte Familien ohne Migrationshintergru nd ein. Au ch hie r w ird ein zweijähriges Hausbesuchsprogramm dur chgeführt. G eschulte Laienhelfer innen (M ütter au s der Zielgrup pe ) ste llen alter sge rechte, anre gende M a teria lien ber eit und z eig en modellhaft entwicklungsfördernde elterliche Verhaltensweisen auf. Die Ziele richten sich auf e ine S tä rkun g d er elt er lic hen Erzie hun gsko mp et enz , die Verbesseru ng d e r Eltern-Kin d-I nte ra ktion und auf die F ör derung der kognitiven, motorischen, sozialen und emotionalen Entwicklung der Kinder. Keines der Programme jedoch legt seinen Sc hwer pu nkt au f Spra ch- un d Lite ra litätsförderu ng. Solc he fam ilie nzentrier ten Literalitätsprogramme sind hingegen unter dem Oberbegriff »Family Literacy« in den USA und Großbritannien weit verbreitet. Die Vielzahl von Variationen solcher Programme ist sch ier un überb lickb ar, die Effizienz vielfach beschrieben. Entsprechend der vielen Variant en unte rsche id en sich a uc h d er konkrete Aufb au u nd die Zie lsetz ung der einzelnen Projekte zum Teil beträchtlich. Der theore tische Hint ergr un d so wie die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse dieser Programme in den angelsächsischen Ländern 1 In jüngster Zeit werden Trainings der phonologischen Bewusstheit populär (Küspert/Schneider 2000). Trotz der er wiesenen Erfolge im statistisch-psychologischen Sinne (Schneider et al. 1998; 2000) wird vor allem aus (sprachheil-)pädagogischer Sicht (Schmid-Barkow 1999) Kritik geübt. Trainings zur phonologischen Bewusstheit r eduzieren metasprachliche Entwicklung auf den metaphonologischen Aspekt. Andere Aspekte bleiben unberücksichtigt, • bleiben als Handlungen, in denen metaphonologische Operationen geförder t werden ohne subjektive Bedeutung für die schriftsprachliche Tätigkeit. Der einzige Sinn, Phoneme aus dem kontinuierlichen Strom der Lautsprache zu isolieren, ist, den alphabetischen Aufbau der Schriftsprache zu erfassen, Sprache somit zu verschriften und die eigenen Handlungskompetenzen erweitern zu können, • bewer ten die Lese- und Schreibtätigkeit als technische Angelegenheit (-Kulturtechnik-) und blenden die Rolle der Teilhabe an Schriftkultur aus. Dass die technische Fähigkeit des Lesens und Schr eibens nicht automatisch zur kompetenten Nutzung dieser Fähigkeit führt, belegt u.a. ein Detail der PISA-Studie (Baumert et al. 2000), nach der 42 Prozent der befragten Jugendlichen nie zum Ver gnügen lesen. Einen derart hohen Anteil von Leseunlust konnten die PISA-Forscher in keinem anderen Land finden. Zudem kann die diesbezügliche Forschung leider keine Daten zum Einfluss literaler Erfahr ung anbieten. Es ist zu vermuten, dass Kinder aus literal geprägten Familien stärker von einem Training der phonologischen Bewusstheit profitieren können als Kinder ohne Schrifter fahrungen. sind stärker entfaltet in Nickel (2004 i.V.). An dieser Stelle soll der Fokus auf die praktischen Inhalte derar tiger Programme begrenzt werden. Qualität als jede dieser einzelnen Komponenten für sich getrennt. Die konkrete Praxis von Family Literacy könnte beispielhaft wie folgt aussehen, wobei eine Reihe weiterer Bereiche denkbar ist:1 Mit »Family Literacy« kann prinzipiell der G eb r au ch lit er ale r Pra ktiken, d ie Zu sa mmenarbeit von Schule und Familien, oder es kö nnen ge ner at ionsübe rgr eifende Inte rven tionsprogramme gemeint sein. Die folgenden Ausführu nge n w er den sich auf le tzte res beziehen, also auf die übergreifende Arbeit. Zielgru ppe de s Ansatzes sind Elt ern mit geringer formaler Bildung und/oder negativen Schulerfahrungen samt ihrer Kinder im Vorschulalter. Für diese Familien – so die Erfahrung – wirkt Family Literacy häufig als „bridge to literacy« »from generation to generation«. • In der »Elternsitzung« erfahren die Eltern die Bedeutung von kreativen Aktivitäten für die kindliche Entwicklung. Dabei werde n sie mit ein er Re ihe kr eativer Arbeitsweisen vertraut gemacht wie z.B. M alen, M ode llier en , Anf er tigen von Collagen etc. Es wird besprochen, wie diese Aktivitäten einfach und kostengünstig zu Hause durchgeführt werden können. • In der »Kindersitzung« werden die Kinder ermutigt zu experimentieren. Ihnen wird die Möglichkeit gegeben, möglichst viele G er äte, Werk zeuge und M a t er ialen auszupr obieren. • In der »gemeinsamen Sitzung« probieren Eltern etc. kreative Aktivitäten zusammen mit den Kindern aus. Das Charakteristische an Family-LiteracyPr ogrammen ist ihr Aufbau in drei Teilen: • In den Sitzungen mit Eltern verbessern die Eltern ihre e ige nen Gr undbildungskompetenzen. Zudem erhalten sie Informationen darüber, wie ihr Kind in sprachlicher und literaler Hinsicht lernt und wie sie dieses Lernen unterstützen können. In den Elternsitzungen ber eiten die Eltern das wöchentliche gemeinsame Tr effen vor. • In den Sitzungen mit Kindern wird der Schwerpunkt auf sprachliche, kreative und literale Aktivitäten gelegt. • In den gemeinsamen Sitzungen führen die Eltern lern- und entwicklungsförderliche Aktivitäten mit ihren Kindern durch. Die Kursleiterinnen sind dabei supervisorisch tätig. In den kommenden Sitzungen mit Eltern werden die gemachten Erfahrungen reflektiert. Im Wesentlichen basiert Family Literacy auf dr ei Säulen für zwei Generationen, die k oo pe ra tiv mite inand er u nd am ge me insamen Gegenstand tätig wer den. Dabei bringt familienorientier te Lite ralisierung Elem ente aus Vorschulpädagogik, Erwachsenenbildung u nd Elternb ildu ng z usam me n, entf alt et jedoch durch seinen generationsübergreifend en, systemisc hen C har akter e ine höhe re 1 • D ie »Elter nsitz ung « die nt da zu, die gesellschaftliche Bedeutung der Schrift im persönlichen Umfeld zu erkennen. Es wird gemeinsam erarbeitet, an welchen Stellen im persönliche n Alltag Lesen und Schreiben eine Rolle spielt oder spielen könnte. • D ie »Kind er sitz ung« soll den Kind ern helfen, sich der Sprache und der Schrift in ihre r Umwe lt bewu sst( er ) zu werden. Beispielsweise wer den m it Hilf e einer Einkaufsliste die Namen der Lebensmittel erarbeitet. Dabei können Geschmack und die Beschaffenheit der Lebensmittel verbal beschrieben werden. • Die »gem ein sam e Sitzung« kö nnte au s e inem Einka ufsgang be st ehe n, bei de m Eltern zusammen mit ihren Kindern verschiedene Lebensmittel auf der Grundlage e ine r gem einsam e rste llt en Einkauf sliste besorgen und probieren. Auf dem Weg zum Su pe rm ar kt k önnte n S ch ild er, Symbole und Straßennamen aufmerksam Die folgende Übersicht geht partiell zurück auf die Zuarbeit von Yvonne Zir ra und Markus Rahde, beide Studierende an der Universität Br emen. Vgl. auch: Brooks et al. 1996, NCFL 2000 sovle: The Basic Skills Agency (o.J.). Developing Family Literacy. Four 30minute Training Programmes for Teachers (Video), London. Weiter e Ber eiche könnten sich beispielsweise auf die sprachlich-kommunikative Entwicklung (z.B. durch den Einsatz von Handpuppen), die Entwicklung des Wortschatzes, die Entwicklung von Weltwissen oder die indviduelle Entscheidungsfähigkeit richten. betrachtet werden. Alternativ bietet sich die Erkundung der Schriftvielfalt in der Nähe der häuslichen Wohnung oder/und auf dem Weg zum Kindergarten an. • In de r »Elt ernsitz ung« erfahre n Elt er n, welch e Sp iele w elc he spe ziellen Fe rtig keiten fördern können und wie diese Spiele sowohl im Kindergar ten bzw. in der Schule als auch zu Hause durchgeführt werden können. • In der »Kindersitzung« liegt der Fokus auf sozia len Fe rtigke it en, die zum S pie le n benötigt werden. Dazu zählen beispielsweise: teilen können, gewinnen und verliere n kö nne n, mit e ine r möglic he n Wendung der Spielsituation umgehen können usw. • In der »gemeinsamen Sitzung« betrachten Eltern und Kinder eine Reihe von Spielen für zu Hause oder für den Schulgebrauch, um später einige dieser Spiele gemeinsam auszuprobieren. • Die »Elternsitzung« soll den Eltern zu einer Be wusstseinsbild ung be züglich de r Be de utu ng r ege lm äßigen Vo rlesens b zw. Be trac htens von Bilder- und Kinde rbüchern dienen. Sie können somit einen Überblick über das Angebot an Kinderbüchern und -kassett en erha lte n u nd dadurch die Möglichkeiten erkennen, die sich ihnen und ihren Kindern bieten. • Die »Kindersitzung« macht die Kinder mit einer Bibliothek vertraut; sie können sich dort Büche r ansc hau en oder mit nach Hause nehmen. Ziel ist es, einer Geschichte zuhören zu können, sie nacherzählen zu können oder einen möglichen weiteren Verlauf antizipieren zu können. • Die »gem einsam e Sitzung« können die Eltern nutzen, um mit ihren Kindern eine Bücherei zu besuchen. Dort können sie eine Reihe von Büchern und Kassetten betrachten und einer Geschichte zuhören, die von der Bibliothekarin vorgelesen wird. Vorlesebegleitende Dialoge werden modell haft erlebt. Natürlich können die Eltern auch selbst vorlesen oder sich Bücher zum Vorlesen mit nach Hause nehmen. • In der »Elternsitzung« erfahren die Elter n die Wicht igkeit de r einze lnen Entwick- lungsstufen des Schriftspracherwerbs. Die Eltern lernen Mittel und Wege kennen, wie sie ihre Kind er a uf ihre m jew eilig en Entwicklungsniveau unterstützen können. Ferner ge winnen die Elte rn ein en Überblick über eine Reihe von Materialien und Akt ivität en, w elch e die S chr eibfertigkeit ermutigen und unterstützen, wie be isp ielsw eise: Um gan g mit Scher en, Kreide, Farben, Filz, Zeichenstiften jeder Art , G emä lden, Bildern, Ge sch icht en , Reimen, Liedern etc. • In der »Kindersitzung« verfassen Kinder e rste »Br ie fe « und kön nen m it allen möglichen Materialien ihre gestalterischen Qualität en ent wick eln; dur ch Bast eln , Schne ide n, M alen usw. e ntwic kelt sich zudem ihre Fingerfertigkeit. • In der »gemeinsamen Sitzung« können die Eltern mit Kindern verschiedene Aktivitäten aus dem Bereich des Malens und des frü hen Schr eibe ns a uspr obieren. Dab ei erkennen sie die jeweiligen Entwicklungsniveaus ihres Kinder. Auc h d ie Stif tun g Lesen resümiert: „»Die Eltern unterrichten und die Kinder err eichen« ist ...p d er zurz eit Er folg versp rechendste Ansatz z ur Verbesseru ng d er Le se - u nd Schreibkompetenz in breiten, sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten“ (Franzmann u.a. 2002, 186). Die an gelsäc hsische n Er fahrungen mit dem familienzentrierten Ansatz zeigen, dass Familienprogramme sinnvoll an bestehende Bildungsinstitutionen (Kindergarten, Schule, Erwa chsenenbildu ng) a nge bu nde n werden können. Die Ergebnisse ermutigen, diesen Bereich systematischer und auf eine mögliche Adaptation hin zu untersuchen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Aktivitäten in ein größeres Forschungs- und Modellprogramm münden. Da nebe n wär e es wün sch ensw ert, da ss schu lische Einr ic htu nge n die Be deutu ng dieses Ansatzes für sich erkennen und ihn im Rahmen ihrer Möglichkeiten, also auf lokaler Basis, praktizieren. Erste eigene Ansätze lassen sich in Hamburg sowie in Graz vernehmen. Auf wisse nsc haft lic her bz w. bildungspolitisc her Eb ene fin de n diese Aktivitäten ihre Entspre chunge n in Auffa ssu ngen de r Universität Bremen und des Bundesverbandes Alphabetisierung. Insbesondere f ür Sc hulen in soz ia len Brennpunkten bietet sich eine Einbindung familienorientierter Bildungsarbeit in das jeweilige Schulprogramm an. Wenn es möglich ist, die C ha nce n a uf B ildungst eilh ab e soziokulturell benachteiligter Kinder durch eine Veränderung ihr er Alltagswelt zu vergrößern, dann sollte ü be rlegt werden , in welcher Form Schule zur Bildungsinstitution eines Stadtteils werden kann. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass die Erfahrungen mit ähnliche n An sät ze n a uch Gr enzen aufzeigen, z.B. wenn ökonomische, psychische und soziale Probleme der Familien so se hr kum ulier en , dass a n dieser Stelle Maßnahmen der Sozialarbeit und der psychotherapeutischen Unterstützung notwend ig wä ren. Gleic hzeitig gilt es, d ie se sozia lp ädago gisc he u nd - the rape ut ische Arbeit stärker mit schulischer Bildungsarbeit zu verknüpfen. Es kö nnte sinnvo ll sein, Elternbildu ng hier zu La nd e als or iginäre Aufgab e staat lic he r Bild ungsinstitutionen zu sehen. Generell bedarf es dazu meiner Ansicht nach einer grundlegenden Änderung in Richt ung einer „fa milienzentrierten Bildun gspolitik“ ( Ache nbac h 20 03) und damit einer Änderung der gesamtgesellschaftlichen Auffassung von Schule. In einer solchen Auf fassung könnte sich Schule – mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet – für alle Menschen in ihrem Einzugsgebiet zuständig fühlen und sich als Lern- wie auch als Lebensmittelpunkt eines Stadtteils oder einer Kommune begreifen. Achenbach, Susanne. 2003. „Vom Pr oblem zur Herausforderung – eine Wegbeschreibung für eine politische Bildungsr eise.” In: Arbeitnehmerkammer Bremen (Hrsg.). 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