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27.08.2013
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BESCHAFFUNG Global Sourcing
Türkei: Gelobtes Land für Investoren
Der deutsch-türkische Handel entwickelt sich außerordentlich dynamisch. Das Land bietet
blendende Zukunftsperspektiven. Einkäufer und Logistiker beobachten freilich auch die politischen
Rahmenbedingungen genau. BIP analysiert den Markt rund um den unruhigen Bosporus.
Turbulenzen. So mancher Experte erkundigte sich denn auch im Juni wäh36
rend der weltgrößten Messe für Logistik, Mobilität, IT und Supply Chain Management, der transport logistic in München, besorgt nach den Auswirkungen
auf das logistische Tagesgeschäft.
Kostas Sandalcidis, Vice President der
International Federation of Freight Forwarders Associations (FIATA) und beim
international tätigen Transportlogistikdienstleister Militzer & Münch (M&M)
zu besuchen.“ Es sei aber von keinen
nennenswerten Ausfällen zu berichten
gewesen. „Sicher kann es zu weiteren
Spannungen kommen, aber die Lage
wird sich in der Türkei mit der Zeit
beruhigen“, meint der griechischstämmige Türke.
Sandalcidis verweist auf Risikomanagementmaßnahmen, die Unternehmen
für alle Eventualitäten in der Schublade
„Was in Deutschland als Problem
definiert wird, kommt mit drei bis vier Jahren
Verzug in der Türkei an.“ Kostas Sandalcidis, Militzer & Münch
als Regional Managing Director für
Middle East und Central Asia zuständig:
„Während der Demonstrationen auf
dem Taksim-Platz war der ohnehin turbulente Verkehr noch chaotischer. An
diesen Tagen war es zwecklos, Kunden
haben sollten. Vorübergehende Ausfälle, etwa durch Demonstrationen oder
auch Brände, seien freilich eher zu bewältigen als Naturkatastrophen in der
erdbebengefährdeten Region Istanbul.
Die Türkei habe in Bezug auf geeignete
BIP 5· 2013, 4. Jahrgang
Foto: guroldinneden/Shutterstock
N
eben wirtschaftlichen Fragen ist unser Verhältnis zur
Türkei aufgrund vieler Mitbürger in Deutschland mit
türkischen Wurzeln durch
eine besondere persönliche Nähe geprägt. Entsprechend verfolgen wir die
Geschehnisse im jeweils anderen Land
mit besonderer Aufmerksamkeit“, bekundete Wirtschaftminister Philipp Rösler im April in Ankara. Auch der BME
war seinerzeit mit Delegationsvertreten
dabei. Wenig später sollten die Ministerworte an Relevanz gewinnen: Bürgerdemonstrationen und drastische
Polizeiaktionen rückten das Land für
Wochen in den Fokus der Weltöffentlichkeit – und dieses Mal war nicht vom
gelobten kommenden Schwergewicht
die Rede und nicht von der Kraft für
Zentralasien, sondern vom Unruheherd,
dessen heiße Ströme sich womöglich
störend auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirken könnten.
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und Einkäufer?
Maßnahmenpläne, wenn man es mit
Deutschland vergleicht, noch Nachholbedarf, sei aber Ländern wie Kasachstan
oder Tadschikistan weit voraus.
Fahrermangel droht auch der Türkei. Risikoverteilung ist eine der Möglichkeiten,
auf Lieferprobleme zu reagieren. Einer
der großen auch in der Türkei produ-
SWOT-Analyse Türkei
STRENGTHS (Stärken)
OPPORTUNITIES (Chancen)
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mögliche Rolle als Energiedrehscheibe
Fertigung hochwertiger Waren
wachsender Binnenmarkt
massiver Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
steigendes Interesse an erneuerbaren
Energien und Energieffizienz
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•
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W
T
hohes Leistungsbilanzdefizit
Schwächen in der Berufsausbildung
innenpolitische Konflikte
schwerfällige Bürokratie
hohe Importabhängigkeit
bei Energieträgern
THREATS (Risiken)
• Abhängigkeit von spekulativen
Kapitaleinfuhren
• drohende Energieengpässe
• Währungsinstabilität
• Beeinträchtigung durch
regionale Konflikte
• Einbruch von Exportmärkten
Quelle: GTAI 2013
S
O
• großer, dynamischer Markt
• gegenüber neuen Produkten
aufgeschlossene junge Bevölkerung
• geografische und kulturelle Mittlerposition
zwischen Europa, Nahost und Zentralasien
• gut entwickelte Industriebasis
• motivierte Arbeitnehmerschaft
WEAKNESSES (Schwächen)
zierenden deutschen Konzerne benötigt
200 Lkw wöchentlich auf der Route
Deutschland–Türkei und zurück. Das
Risiko wird auf zehn Spediteure verteilt.
Alle Leistungen wurden im Vorfeld zu
gleichen Konditionen ausgeschrieben.
Die Türkei, derzeit mit 60 000 internationalen Lkw die Nummer eins in
Europa, wird sich im Laufe der kommenden Jahre mit Fahrermangel konfrontiert sehen. „Was in Deutschland als
Problem definiert wird, kommt mit drei
bis vier Jahren Verzug in der Türkei an“,
sagt Kostas Sandalcidis, der auch an der
Universität Istanbul Eisenbahnlogistik
lehrt. Dann gelte es, vermehrt Fahrer
aus Syrien oder dem Irak anzuwerben.
„Spätestens im Jahr 2025 wird die Türkei ganz anders aussehen als jetzt“, prophezeit Sandalcidis. Er verweist auf Projekte wie den geplanten größten Flughafen der Welt in Istanbul (erster Bauabschnitt: 2017) und auf neue komplexe
Verkehrswege. Häfen und Gleisanbindungen sind lange vernachlässigt worden am Bosporus. Sandalcidis setzt dabei auf den seit über zehn Jahren im
Amt weilenden Verkehrsminister Binali
Yildirim – eine ungewöhnlich lange Zeit
für einen türkischen Politiker.
Transportlogistik: Stärken und Schwächen.
„Vor dem Hintergrund möglicher Regionalisierungstendenzen besitzt die
Türkei alle Voraussetzungen, um ihre
Stellung im Bereich Beschaffung auszubauen“, sagt Erik Leiss, CEO bei
Schenker Arkas. Im Bereich internationaler Transporte erfüllten bereits viele
Lieferanten die geforderten Qualitätsund Umweltstandards. Leiss: „Im Segment Inlandstransporte allerdings entsprechen nur wenige Frächter unseren
Vorstellungen.“ Ungeachtet dessen habe das Land hohe strategische Bedeutung als Drehscheibe zwischen Europa
und Asien. Die Präsenz von DB Schenker in der Türkei reicht bis 1889 zurück,
als Firmengründer Gottfried Schenker
hier erstmals Gschäftstätigkeiten aufnahm. Man arbeitete fast 100 Jahre mit
Agenten in Istanbul und Izmir zusammen, bis es 1995 zum Joint Venture mit
der Arkas-Gruppe kam, einem führenden türkischen Unternehmen im See37
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frachtgeschäft. Heute beschäftigt DB
Schenker Arkas 400 Mitarbeiter an elf
Standorten: Istanbul, Istanbul Flughafen, Bursa, Ankara, Izmir, Mersin, Gaziantep, Eskisehir, Denizli, Konya und
Kayseri. Geplant sind der Aufbau multimodaler Verkehre zwischen Europa und
der Türkei auf der Schiene, Ausbau der
Präsenz in Bursa, Verstärkung im Bereich Automotive und die Erweiterung
der Flächen im Raum Istanbul. Als Herausforderungen bezeichnet Erik Leiss
das Ungleichgewicht der Warenströme
(Import versus Export), steigenden
Wettbewerbsdruck und infrastrukturelle
Mängel, etwa das veraltete Schienennetz. Zudem gebe es keine leistungsfähigen Railports. Und: „Verzollungsund Genehmigungsverfahren sind kompliziert und zeitaufwendig.“
Infrastruktur. Die Entwicklung des türkischen Außenhandels und damit auch
die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Landes hängen laut Erik Leiss
wesentlich davon ab, inwieweit es gelinge, effiziente multimodale Transportsysteme zu entwickeln. „Hier geht es
vor allem um die Schaffung von Railports für den Güterumschlag von der
Straße auf die Schiene. Daneben spielen ausreichende Hafenkapazitäten für
den Containerumschlag in der Seefracht
eine entscheidende Rolle“, sagt der
Mann von Schenker Arkas. Von zentraler Bedeutung sei auch die von der EU
betriebene Wiederbelebung der Seidenstraße für die Türkei als wichtiges
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Transitland in den Kaukasus und nach
Asien sowie die Untertunnelung des
Bosporus, die eine Schienenverbindung
durch die Türkei von West nach Ost
schafft.
Infrastrukturelle Maßnahmen konzentrieren sich auf die wirtschaftlichen
Ballungsräume, also die Marmara-Region und die dynamisch wachsende Region Südost-Anatolien.
Luftverkehr. Die teilstaatliche Turkish
Airlines (TA), Mitglied der Luftfahrt-
Auf einen Blick
Das sagen Einkäufer der
BME-Fachgruppe Low Cost Countries
• Türkei etabliert sich zunehmend
• Vorteile durch viele deutschsprachige
Geschäftspartner
• bekannte, geschätzte Mentalität
• wenig kulturelle Hürden
• gut ausgebildete Fachkräfte
• stabiles Bankensystem
• weitgehend unproblematische Logistik
via Lkw
• Kostenvorteile gegenüber Westund Osteuropa
Interessante Branchen für Einkäufer:
• Edelstahlverarbeitung
• Wärmetauscher
• Textilien
• Schmiede- und Gussteile
Allianz Star Alliance, bietet innerhalb
des Landes 38 Verbindungen; weltweit
sind es 234 Standorte in 103 Ländern.
Die TA hat das Streckennetz erheblich
ausgebaut, in Deutschland kam in diesem Jahr Friedrichshafen hinzu. Derzeit
gibt es laut Okan Küfeci, Senior Manager Corporate Sales EMEA, „konkrete
Planungen für 37 weitere Ziele, darunter San Francisco, Havanna und Mexico City“. Das Skytrax Airline Ranking
2013 sieht die TA zum dritten Mal in
Folge als beste Fluggesellschaft Europas; im weltweiten Ranking steht die TA
auf Platz neun (Sieger im Skytrax-Vergleich und auch bei den Air Cargo News
Awards 2013: Emirates).
Istanbul gilt als das Drehkreuz mit
glänzender Zukunft. Okan Küfeci: „Der
Flugverkehr verlagert sich zunehmend
von West nach Ost, Istanbul ist geradezu ideal platziert, um internationale Passagier- und Warenströme zu verbinden.
Das gilt auch für die Verknüpfung von
Europa mit dem afrikanischen Kontinent
und dem Mittleren und Nahen Osten.“
Der geplante Großflughafen wird nicht
nur der Turkish Cargo ein erhebliches
Wachstumspotenzial bescheren.
Einkäufer-Erfahrungen: Automotive. Markus Schatz, Einkaufsleiter NichtProduktionsmaterial beim Automobilzulieferer Grammer (Amberg), war mit
dem BME und Minister Rösler bereits in
Portugal und in der Türkei. Grammer
produziert und beschafft seit Mitte der
80er Jahre in der Türkei, derzeit ein
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Produktspektrum mit Schwerpunkt
Stahl, Stahlkomponenten, Kunststoffteile und Bezugsmaterial. „Die Lohnstückkosten in der Türkei sind deutlich
güns-tiger als in anderen Teilen
Europas, die Vorteile variieren von Produktgruppe zu Produktgruppe“, sagt
Schatz. Gut ausgebildete Mitarbeiter,
teilweise auch mit Berufserfahrung in
Deutschland, seien zumindest im Westen, also Istanbul und Umgebung, vorhanden.
Grammer nutzt den Straßen- beziehungsweise Kombiverkehr als Verkehrsanbindung von und nach Deutschland, auch hier bestehen große regionale Unterschiede. Die Abwicklung
durch Behörden, wie beispielsweise
den Zoll, bezeichnet Markus Schatz als
„schwierig und umständlich, es muss
eine Vielzahl unterschiedlicher Dokumente erstellt werden“. Dem Thema
Korruption begegnet der Automobil-
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zulieferer mit transparentem eigenem
Handeln und klaren Forderungen an
Lieferanten: Grammer ist der BMECompliance-Initiative beigetreten, die
Leitlinien gelten auch für die Werke beziehungsweise die Mitarbeiter in der
Türkei. Markus Schatz hat trotz guter
Erfahrungen die Politik des Landes im
Blick: „Eskalierende Demonstrationen
und Ausschreitungen beunruhigen, das
beobachten wir genau.“
Einkäufer-Erfahrungen: Maschinenbau.
Seit 2004 beschafft die Aerzener Maschinenfabrik GmbH (Aerzen bei Hameln) große Graugusskomponenten.
Matthias Duttmann, Leiter Strategischer
Einkauf, bezeichnet das Preis-Leistungs-Verhältnis als „sehr gut“, die Qualität der Produkte hingegen als zuweilen „schlecht“. Hier gilt es also, weiter
Nachhilfe zu geben und Prozesse genau
zu verfolgen. Seit Kurzem ist bei Aerze-
ner ein Risikomanagementsystem installiert. Matthias Duttmann hält die
politischen Verhältnisse in der Türkei
für „schwierig“. Die Frage sei, wie stabil die Türkei in Zukunft sein werde.
„Konkrete neue Pläne haben wir nicht“,
so Duttmann, „aber wir werden den Beschaffungsmarkt im Auge behalten.“
Support durch den BME. „Die Türkei ist
von wachsender strategischer Bedeutung auch für den Mittelstand“, sagt
BME-Hauptgeschäftsführer Holger Hildebrandt. Potenziale gebe es für deutsche Unternehmen in Sachen Produktion, Beschaffung und Supply Chain
Management. Der Verband unterstützt
Einkäufer und auch die Aktivitäten des
Bundeswirtschaftsministeriums und des
Auswärtige Amtes.
Sabine Ursel, BME
Ansprechpartner: Olaf Holzgrefe,
olaf.holzgrefe@bme.de
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