Von Seemannssonntagen und Datenwolken
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Von Seemannssonntagen und Datenwolken
4 Stadtteil-Kurier DONNERSTAG 7. JULI 2016 Von Seemannssonntagen und Datenwolken Sonderausstellung „Schiffsmeldungen“ im Hafenmuseum gewährt Einblick in den Alltag an Bord Von A n n E G E R L I nG Überseestadt. Rostock – Amsterdam – Nordschottland: Insgesamt 17 Tage hat die Sottrumer Künstlerin Maria Mathieu an Bord des Frachtschiffs „André W“ verbracht und dabei erkundet, wie das Leben auf einem modernen Arbeitsschiff abläuft. Mathieu hat den Höllenlärm erlebt, den der Schiffskran beim Löschen der Ladung direkt vor ihrem Bullauge veranstaltet – morgens um halb sechs. Sie hat das Kommen und Gehen der Lotsen beobachtet. Und sie kennt jetzt die seemännische Tradition: Der Donnerstag ist der „Seemanns-Sonntag“, dann gab es auf der „André W“ Zitronenund Schokokuchen! Die Mahlzeiten nämlich wurden schon bald für Maria Mathieu zu den wichtigsten Unterbrechungen im Tagesablauf, wie sie in ihrem Logbuch notiert hat. Die Eindrücke ihrer ungewöhnlichen Schiffsreise hat die Künstlerin mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln visualisiert und festgehalten, die nun in der aktuellen Sonderschau im Hafenmuseum Speicher XI zu sehen sind. „Schiffsmeldungen“ ist die Ausstellung überschrieben, und Einführungsredner Albrecht Lampe merkt dazu an: „Der Bremer Schiffsmeldedienst stellt tagesgenaue Seekarten, Wetterdaten, Schiffsverkehrsbewegungen, Hafenkapazitäten, Positionsangaben et cetera zur Verfügung. Schiffe melden ihren Reedereien Details zu ihren Routen und können von ihnen zeitgenau verfolgt werden, nicht immer zum Vergnügen der Kapitäne. Schiffsbesatzungen produzieren auf Reede oder unterwegs Datenwolken; verfolgt man das nur ansatzweise, verschwindet jede Vorstellung von der Freiheit der Meere hinter solchen Kulissen. Alles nicht sehr poetisch.“ Wenig poetisch war in der Tat auch Maria Mathieus Reise – nicht nur wegen der Maria Mathieu in der Ausstellung „Schiffsmeldungen“. Seekrankheit, gegen die die Künstlerin schon in der Elbmündung ankämpfte und weil es kaum einmal eine funktionierende Internetverbindung gab. Nach Erledigung ihrer Aufträge ging die André W „auf Reede“: Das Schiff ankerte im Meer, und die FOTO: WALTER GERBACHT Besatzung wartete auf neue Ladung. 27 weitere wartende Schiffe zählte Maria Mathieu am ersten Tag, einen Tag später waren es bereits 49. „Der Kampf um Ladung nimmt beängstigende Ausmaße an, sagt der Kapitän“, no- tiert die Künstlerin in ihrem Logbuch. Am dritten Tag auf Reede spürt sie den ersten Anflug von Melancholie. Und auch die fröhliche ghanaische Crew beginnt sich schließlich zu langweilen, als alle Aufgaben erledigt sind. Wie lässt sich künstlerisch auf neue Strukturen und Arbeitsformen im Hafen und auf See reagieren? Während sich Maria Mathieu ganz konkret mit der Erfahrung an Bord eines Arbeitsschiffes konfrontiert hat, um sich den Weg zum Thema „Schiffsmeldungen“ zu bahnen, ist Bernd Müller-Pflug indes an Land geblieben – obwohl es ihm dort gedanklich zu eng ist. Sein Thema: Die Entgrenzung von Räumen, die Auflösung geometrischer Verhältnisse und Fokussierungen, symbolisiert durch die alles systematisierende und gleichermaßen zersetzende Digitalisierung. Müller-Pflug spielt mit übereinander projizierten Isobarenkarten. Der Künstler aus dem Fesenfeld begeistert sich bei seiner Hinterglasarbeit für die I-Pad-Ästhetik des eleganten, modernen Architekturmaterials, für Spiegelungen und die daraus entstehenden weiteren Einblicke in eine Bildfläche. Bunt, schrill, geometrisch, grafisch, vielschichtig, räumlich, mehrdimensional und abstrakt kommen seine Arbeiten daher. Und der Betrachter sieht diesen Arbeiten fast irgendwie an, dass der Bremer Maler als Kind Architekt werden wollte und damals besonders gerne Baupläne für Häuser und Räume gezeichnet hat. In der Ausstellung ist außerdem eine Videoarbeit zu sehen, die Maria Mathieu gemeinsam mit dem Fotografen Andreas Wiegand aus der Neustadt entwickelt hat. Andreas Wiegand hat sich an den hiesigen Küsten aufgehalten und ist mit dem Kanu an ihnen entlanggefahren. Sein fotografischer Blick richtet sich auf ein vermutetes Ansteigen des Wasserspiegels um zwei Meter: „Ich sehe was, was Du noch siehst!“ Entstanden ist daraus eine Videoinstallation, die die durchaus nicht hypothetischen Wechselwirkungen des Klimawandels bebildert. Neue Aufgaben fürs Tauwerk. 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