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Report
Besser schlafen dank Wünschelrute? Redakteurin Caren Hodel (31) machte den Test
„Liege ich auf einer Wasserader?“
Große
Nachfrage
M
von Caren Hodel
it roten, verquollenen
Augen stehe ich vor der
Kaffeemaschine. Wieder
liegt eine schlaflose Nacht
hinter mir. Und wieder hat mein
Gedanken-Karussell einige Extrarunden gedreht.
Wie 20 Millionen Deutsche leide auch ich unter Schlafstörungen
und komme nur mit einer ordentlichen Portion Koffein in Schwung.
Gerade will ich mir eine Tasse einschenken, als es an der Haustür
klingelt. Das muss sie sein: Marianne Jäger aus dem Taunus. Die
Frau, die dem nächtlichen Drama
ein Ende bereiten soll …
Wie eine mystische Wünschelruten-Gängerin sieht die 58-Jährige nicht gerade aus. Jeans, Stiefel,
ein modischer Kurzhaarschnitt.
„Die Kunst besteht darin, unsichtbare Kräfte aufzuspüren“, erklärt
Marianne Jäger im Vorgespräch.
„Darunter fallen vor allem Wasser-
Abgefedert
Die grüne SpezialMatratze soll die
Strahlen umlenken
Marianne Jäger (58,
rechts) untersuchte
das Schlafzimmer
von Caren Hodel mit
der Wünschelrute. Mit
ihrem Beruf liegt sie
im Trend: Fast eine Million Deutsche setzen
darauf, meist wegen
Schlafstörungen und
Gelenkproblemen
„Das Gerät piepst –
kein gutes Zeichen“
Friedlich schlummern –
das gelingt Redakteurin
Caren Hodel (31) leider
nur selten
adern. Wir können sie nicht sehen,
aber unser Körper spürt sie. Und
das kann uns krank machen.“
Dieses Wissen ist nicht neu.
Schon seit Jahrtausenden glauben
die Menschen an die Magie der
Wünschelrute. Im Mittelalter suchten Rutengänger im Bergbau nach
Erz. Und im alten China wurde sogar ein Gesetz erlassen, nach dem
ein Haus nur gebaut werden durfte,
wenn das Grundstück vorher von
einem so genannten „Erdwahrsager“ untersucht wurde.
Aber zurück zu Marianne. Wie
ist aus der gelernten Chefsekretärin eine Rutengängerin geworden?
„Als mein Mann vor sieben Jahren
starb, ging es mir sehr schlecht. Ich
hatte Gelenkprobleme und Schlafstörungen. Damals erzählte mir
eine Bekannte, dass Rutengänger
diesen Problemen auf den Grund
gehen. Ich hielt das für Hokuspokus, wollte es aber auf einen
Versuch ankommen lassen.“
Tatsächlich fand ein Experte von
der Vereinigung deutscher Rutengänger eine Wasserader in Mariannes Schlafgemach. „Nachdem ich
mein Bett umgestellt hatte, ging es
mir gesundheitlich besser“,
erzählt sie. „Das machte mich
natürlich neugierig. Deshalb
besuchte ich ein Wünschelruten-Seminar. Dort erfuhr
ich, dass Rutengehen ein
Handwerk
ist, das jeder
lernen kann.
Genau wie
Autofahren. Und es machte
mir irrsinnigen Spaß.“
So kündigte Marianne
nach 30 Jahren ihren Job
und beschloss, fortan mit
der Wünschelrute ihr Geld
zu verdienen. „Ich dachte,
was mir passiert ist, kennen
sicher auch viele andere.
Ich wollte diesen Menschen
helfen.“ Mit Erfolg: Pro Jahr
rutet Marianne mittlerweile rund
500 Grundstücke, Häuser und
Wohnungen aus.
Wie auch heute mein Zuhause.
„Ich bin keine verrückte Spinnerin“, sagt Marianne und öffnet ihren schwarzen Koffer. Sekunden
später hat sie ihr „Handwerkszeug“
parat: zwei 50 Zentimeter lange
Metallstäbe mit gebogenen Enden.
„So, dann wollen wir mal“, sagt sie
und marschiert in mein Schlafzimmer. Langsam geht sie von einem
Ende des Raumes zum anderen.
Den Blick voll
konzentriert auf
den Parkettboden gerichtet. „In
Gedanken frage
ich nach krank
machenden Strahlen“, erklärt sie.
Schon nach den ersten beiden
Schritten schieben sich die schimmernden Stäbe übereinander.
Der Ausschlag der Rute ist keine Zauberei, sondern eine Muskelreaktion. Das ist ähnlich wie beim
Tacho, der die Geschwindigkeit
misst, selbst aber nichts mit dem
Fahren zu tun hat. „Die Metallstäbe
dienen quasi als Hilfswerkzeug,
„Warum soll Wasser
gefährlich sein?!“
10 Alles für die Frau
Höchste Zeit zu handeln. Nur
wie? „Es ist ungünstig, dass die
Kabel zum Fernseher unterm Bett
entlanglaufen. Am besten nutzen
Sie eine andere Steckdose oder
verbannen das Gerät ganz aus dem
Raum. Und den Radiowecker sollten Sie weiter weg auf die Fensterbank stellen.“ Gute Idee. Aber was
ist mit der Wasserader? „Entweder
verrücken Sie das Bett oder Sie
legen eine spezielle Matratze darunter, die die Strahlen umleitet.“
durch das negative Energien angezeigt werden“, erklärt Marianne und
geht mit ernstem Gesichtsausdruck
weiter. „Ihr Bett steht genau auf
einer Wasserader“, stellt sie fest.
Durch weitere Gänge macht die
Rutengängerin den Verlauf des
mutmaßlichen Rinnsals aus: Quer
durch das Schlafzimmer fließt es,
von Nord nach Süd. Marianne
fischt ein Pendel aus ihrem Koffer. „Damit kann ich die Tiefe der
Wasserader bestimmen“, sagt sie.
42-mal dreht sich der kleine Kegel.
Das bedeutet 42 Meter.
Aber warum soll Wasser eigentlich gefährlich sein? „Wo unterirdisch Flüsse mit einer gewaltigen
Geschwindigkeit fließen, reiben
sie am Gestein“, erklärt Marianne,
„dadurch entsteht Erdstrahlung.“
Wieder greift die 58-Jährige in
ihren Koffer. Diesmal zieht sie einen kleinen Apparat heraus, eine
so genannte EM-Feldsonde zur
Messung von Elektrosmog. „Die
Belastung durch elektrische Felder hat stark zugenommen“, sagt
Marianne. „Kein Wunder, wir umgeben uns ständig mit Computern, schnurlosen Telefonen und
Fernbedienungen.“ Stimmt. Auch
ich habe diverse elektrische Gerätschaften auf meinem Nachttisch
liegen. „Legen Sie sich jetzt einfach
mal in Ihr Bett und fassen Sie die
Sonde an“, fordert Marianne mich
auf. Kaum berühre ich die Antenne, piepst es und das Gerät schlägt
bis zum Anschlag aus. Kein gutes
Zeichen.
Da mein Minischlafzimmer nicht
viel Spielraum bietet, entscheide
ich mich für Letzteres. Gemeinsam hieven wir die „Biogentron“Matratze (665 Euro) aufs Bett und
ziehen die Kabel aus den Steckdosen. Und siehe da: Das Gerät
bleibt stumm und die Metallgabeln
bleiben gerade. Ich bin platt. Aber
die entscheidende Frage steht noch
aus: Schlafe ich auch besser?
Die erste und zweite Nacht bringen keine Veränderung: Unruhig
wälze ich mich von einer Seite
auf die andere. Doch dann – Überraschung! – schlafe ich sieben
Nächte durch! Hat die Matratze das
nächtliche Gedanken-Karussell gestoppt? Oder liegt es daran, dass
ich den Fernseher verbannt habe?
Keine Ahnung, aber meine Nächte
sind seither friedlicher … ●
Die „Vereinigung deutscher Rutengänger“ vermittelt bundesweit
geprüfte Rutengänger. Kostenpunkt:
248 J (inklusive Fahrtkosten).
Kontakt: www.rutengaengerverein.de
oder Tel.: 067 75/96 96 23.
Erdstrahlen – was
steckt dahinter?
Rutengänger behaupten,
so genannte Erdstrahlen
zu finden. Dazu zählen
Wasseradern, aber auch
Erdverwerfungen oder
Gesteinsbrüche. So nennt
man Stellen, an denen
sich die Schichten des
Erdbodens gegeneinander
verschieben. Berühren
sich z. B. zink- und kohlehaltige Schichten, kann es
zu elektrischen Impulsen
kommen. Solche Zonen
können Unwohlsein und
Krankheiten auslösen,
z. B. Schlafstörungen,
Gelenkbeschwerden oder
ungewollte Kinderlosigkeit. Viele Lebewesen,
die „Strahlenflüchter“,
meiden diese Bereiche.
Zu ihnen gehören Hunde
und Pferde. Es gibt aber
auch „Strahlensucher“,
z. B. Katzen und Insekten.
Für Menschen mit Schlafstörungen, die auf einer
Wasserader liegen,
bieten Rutengänger so
genannte BiogentronMatratzen an. Darin sind
Eicheln, Kastanien, Dinkel
und Jute verarbeitet, die
die Erdstrahlen angeblich
umleiten. Forscher sind
jedoch skeptisch. Denn
wissenschaftliche Beweise für die Erdstrahlen
stehen bislang noch aus.
Kleine Sonde
Was auf den ersten Blick
wie ein Spielzeug-Handy
aussieht, ist eine Feldsonde,
die die elektromagnetische
Strahlung (EM) misst
Elektrosmog?
Das Gerät schlägt prompt
Alarm. Das liegt vor allem
an den vielen Elektrokabeln
unter dem Bett
Fotos: Ulrike Schacht (5)
Schäfchenzählen,
Baldriantropfen,
Lavendelsäckchen
– kein Trick hat
mir bisher einen
ruhigen Schlaf
beschert. Ob eine
Rutengängerin
das ändern kann?