Learning Communities durch den Einsatz von ICQ?

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Learning Communities durch den Einsatz von ICQ?
Prof. Dr.-Ing. Werner Beuschel
Dipl.-Inform. Joachim Bickenbach
Dipl.-Kffr. Birgit Gaiser
FH Brandenburg
Magdeburger Str. 50
D-14770 Brandenburg
<beuschel|bickenbach|gaiser>@fh-brandenburg.de
Learning Communities durch den Einsatz von
ICQ?
Hintergrund
Systematische Untersuchungen zu Generierung, Charakterisierung und zur Analyse virtueller Gemeinschaften (virtual communities) existieren zur Zeit höchstens
in fragmentarischen Ansätzen. Dem gegenüber ist festzustellen, daß die Existenz
(eigener) virtueller Gemeinschaften konstatiert wird, z. B. von Online-Providern
wie AOL, T-Online usw., von reinen Internet-Providern wie Gigabell oder von
Firmen, die Portale zur Verfügung stellen. Allen diesen ist gemeinsam, daß sie
ihre zahlenden Kunden (Mitglieder) unter dem Begriff virtuelle Gemeinschaft
subsummieren, sofern diese bestimmte Angebote nutzen.
Doch bilden bereits Kunden bei einer gemeinsamen Nutzung unter dem Aspekt
der räumlichen und gegebenenfalls zeitlichen Trennung bereits eine virtuelle Gemeinschaft? Von Kunden, die dasselbe Kaufhaus aufsuchen, würde man zweife llos nicht behaupten, sie bildeten eine (reale) Gemeinschaft.
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Vor diesem Hintergrund erscheint es hilfreich zu überlegen, in welchem Zusammenhang für gewöhnlich von Gemeinschaften gesprochen wird und welches ihr
konstitutives Element ist.
Beispiele hie rfür sind:
•
staatliche Gemeinschaften oder Versicherungsgemeinschaften, die sich aufgrund eines Rechtsakts wie Geburt bzw. Vertrag konstituieren;
•
Hausgemeinschaften, Wohnheimgemeinschaften oder Siedlungsgemeinschaften, die sich aufgrund eines festen Aufenthaltsortes bzw. des Wohnsitzes
konstituieren;
•
Gemeinschaften der Eisenbahnfreunde, der Studierenden oder Sportgemeinschaften, die sich aufgrund einer gemeinsamen Tätigkeit bzw. gemeinsamer
Interessen - sei es freiwillig oder gezwungenermaßen - konstituieren;
•
Reisegruppen oder Lerngruppen, die sich zeitlich befristet aufgrund einer
gemeinsamen Gegebenheit, Tätigkeit oder Interesses konstituieren.
Während die beiden ersten Gruppen aufgrund externer, nicht selbst geregelter
Akte jeweils eine Gemeinschaft bilden, steht bei den beiden letzten Gruppen im
Vordergrund, daß sich diese Gemeinschaften aufgrund eigenen Entschlusses und
aufgrund gemeinsamer Interessen bilden.
Was läßt sich daraus für virtuelle Gemeinschaften ableiten? Sicher ist, daß diese
sich medial konstituieren aufgrund der Nutzung des gleichen Mediums und daß
für ihre Herausbildung so etwas wie ein - gegebenenfalls diffuses - gemeinsames
Interesse vorhanden sein muß. Dem gegenüber steht die Vermutung, daß durch die
gemeinsame Nutzung des gleichen Mediums durch mehrere Personen mit Sicherheit noch keine virtuelle Gemeinschaft entsteht. Wie aber läßt sich feststellen, ob
mehrere räumlich und zeitlich voneinander getrennte Personen gleiche oder ähnliche Interessen haben? Wie und womit kann erreicht werden, daß sich gemeinsame
Interessen herausbilden?
Um diesen und weiteren Fragen nachzugehen, lohnt es, systematische Untersuchungen durchzuführen, die sich vorerst auf Einzelfragestellungen und kleine
Gemeinschaften (virtuelle Gruppen) beschränken. Aus diesem Grunde haben wir
eine empirische Studie angelegt, bei der die Verwendung des weltweit verbreiteten Kommunikationsprogramms ICQ in der Hauptsache durch studentische Gruppen an der FH Brandenburg untersucht wird. Ausgangspunkt ist dabei, daß dieses
Programm frei verfügbar ist und von Studierenden freiwillig und unter eigener
Initiative genutzt wird.
Das mit unserer Untersuchung verbundene Interesse besteht in erster Linie darin
auszuloten, inwieweit virtuelle Gemeinschaften zur Begleitung und Unterstützung
telematischer Lernformen eingesetzt werden könnten. Die Einschränkung auf rein
formale Ziele wie Inhalte und Wissensvermittlung und die damit verbundene
mangelnde Berücksichtigung der sozialen Komponente von Lernprozessen stellt
ein wesentliches Problem aktueller Ansätze im Bereich virtueller – nämlich web-
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basierter – Lehr- und Lernformen dar. Dabei wird ausgeblendet, daß es sich beim
Lernen um einen sozialen Prozeß handelt, der sich nur unzureichend virtualisieren
bzw. formalisieren läßt. Der begleitende Einsatz eines Kommunikationsprogramms - insbesondere zur Unterstützung informeller Kommunikationsprozesse könnte helfen dieses Defizit auszugleichen und den Aufbau sozialer Beziehungen
im Sinne eines virtuellen Klassenverbands zu ermöglichen und damit eine höhere
Akzeptanz und Motivation der Studierenden zu erreichen. Möglicherweise könnte
auf diese Weise eine stärkere persönliche Bindung an virtuelle Lehrmaßnahmen
erreicht und Abbrecherquoten gesenkt werden.
Entstehung, Verbreitung und Funktionsbeschreibung von ICQ
Das Kommunikationsprogramm ICQ (I seek you) wurde Ende 1996 von der is raelischen Firma Mirabilis Ltd. erstmals kostenlos zum Download im Internet
bereitgestellt. Im darauffolgenden Jahr wurde Mirabilis Ltd. mitsamt ihrem Produkt ICQ vom Online-Provider AOL übernommen. AOL und Mirabilis entwikkelten das Kommunikationsprogramm über mehrere Versionen weiter, bauten die
Funktionalitäten aus und machten es zu einem weit verbreiteten Internetprogramm, das noch immer als Freeware für alle gängigen Plattformen im WWW frei
verfügbar ist.
Bereits Ende 1998 wird die ICQ Community weltweit auf über 20 Millionen geschätzt, davon benutzen über 4,6 Millionen Personen das Kommunikationsprogramm täglich und bleiben durchschnittlich 2 Stunden und 35 Minuten mit ICQ
verbunden. Zu Spitzenzeiten bewegen sich bis zu 700.000 Benutzer synchron im
ICQ Netzwerk (Golem Network News, 28.10.98).
Diese weite Verbreitung und große Beliebtheit des Anwendungsprogramms
könnte auf die individuelle Moderierbarkeit und Transparenz des Werkzeugs zurückzuführen sein. Die Funktionsweise von ICQ basiert auf der Definition einer
persönlichen Kontaktliste, die Hinweise darüber gibt, welche der in der Liste enthaltenen Personen zur betreffenden Zeit ebenfalls online sind. Möglich ist auch
die Definition größerer ICQ Benutzergruppen über die Einrichtung einer Homepage, auf welcher die einzelnen Teilnehmer mit entsprechendem Onlinestatus
aufgeführt sind und direkt angesprochen werden können.
Es ist dem einzelnen Benutzer überlassen, anderen ICQ Benutzern generell oder
nur gegen eine entsprechende Autorisation zu erlauben, die eigene Person in die
jeweilige Kontaktliste aufzunehmen. In jedem Fall wird dem Betreffenden eine
Information über eine erfolgte Aufnahme zugeschickt, so daß für den Einzelnen
nachvollziehbar wird, in welchen Kontaktlisten er selbst vertreten ist.
Ein weiterer Vorteil von ICQ ist der Umstand, daß das Programm nicht bei anderen Aktivitäten stört, wie dies teilweise beim Einsatz anderer Kommunikationstechnologien der Fall ist. Der erfolgte Zugang zum Netz durch Kontaktpersonen
bzw. das Eingehen von Nachrichten oder Chatanfragen wird wahlweise mittels
optischer oder akustischer Signale gemeldet. Es erscheinen keine Dialogfenster,
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auf die der Benutzer erst reagieren muß und ihn bei seinen aktuellen Tätigkeiten
unterbrechen. Auch in technischer Hinsicht belegt ICQ nur sehr begrenzt Systemressourcen und hat daher kaum Auswirkungen auf die Rechnergeschwindigkeit.
Darüber hinaus bestehen verschiedene Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Einstellung des Benutzerstatus, der auch selektiv hinsichtlich einzelner Kontaktpersonen festgelegt werden kann. Diese Zusatzinformationen geben Hinweise auf die
derzeitige Situation insbesondere die Kommunikationsbereitschaft des Ansprechpartners. Beispielsweise signalisiert der Benutzerstatus "free for chat", "occupied"
oder "away", ob und inwieweit der Benutzer im Augenblick offen für Aktivitäten
ist, so daß unerwünschte Versuche der Kontaktaufnahme unterbleiben können.
Abbildung 1: ICQ Oberfläche und Benutzerstaus
Neben einer Vielzahl von Funktionalitäten, bietet ICQ die Funktionen Message,
File, Web Page Address und ICQ Chat an. Zur direkten Übertragung von Mitteilungen wird die Funktion Message eingesetzt. Im Gegensatz zu üblicher E-Mail
sind die ICQ-Botschaften auf 450 Zeichen begrenzt und werden in Echtzeit übertragen. Dadurch wird ein sehr direkter Austausch ermöglicht, der im Gegensatz
zum Chat dennoch parallele Aktivitäten am Rechner erlaubt. Die Funktion File
dient der Übertragung von Dateien beliebiger Größe und unterschiedlichen For-
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mats. Mit der Funktion Web Page Address werden Internet-Adressen gesendet.
Es ist möglich, automatisch die URL einzusetzen, die sich gerade auf dem eigenen
Browser befindet. Es können jedoch auch manuell eingegebene oder Adressen aus
dem Adreßbuch übertragen werden. Wird eine eingehende URL akzeptiert, setzt
ICQ die übermittelte URL in den Browser des Empfängers ein und öffnet die
Adresse. Die Funktionalität ICQ Chat sendet eine Chat-Anfrage an die ausgewählten Kontaktperson. Akzeptiert die Gegenstelle das Angebot wird ein Fenster
geöffnet, in dem die Konferenz stattfindet.
Abbildung 2: ICQ Funktionen
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Empirische Studie
Unsere Erkenntnisse basieren auf der Auswertung einer zweistufigen Erhebung.
Zunächst wurden im Wintersemester 98/99 an der FH Brandenburg im Rahmen
studentischer Hausarbeiten mit Hilfe von Fragebögen zwei Erhebungen zur Ve rbreitung, Akzeptanz und Benutzung des Programms ICQ durchgeführt. Im Rah men dieser Untersuchungen wurden ausschließlich Studierende und Dozenten des
Studiengangs Wirtschaftsinformatik insbesondere in Hinsicht auf den Verwendungszweck im allgemeinen und die Eignung von ICQ zur Unterstützung von
Lehr- bzw. Lernprozessen im besonderen befragt, sowie die Benutzung spezifischer Funktionalitäten überprüft. Darüber hinaus wurden Hinweise zum aktuellen
Stand des Einbezugs des Kommunikationsprogramms in der Lehre an Hochschulen gesammelt. Die Umfragen verfolgten in erster Linie explorative Ziele und
dienten im Rahmen einer Vorstudie der Hypothesenbildung für die folgende Untersuchung.
Aufbauend auf den Ergebnissen aus der Vorstudie erfolgte im Rahmen der zwe iten Erhebung im Wintersemester 99/00 eine Verifizierung und Überprüfung der
gewonnenen Hypothesen sowie die Vertiefung einzelner ausgewählter Themenkomplexe.
Im wesentlichen wurden folgende Fragestellungen thematisiert:
•
Trennen Studierende, die ohnehin ICQ privat für informelle Zwecke verwenden, dies explizit von Tätigkeiten, die in Bezug zu ihrem Studium stehen?
•
Kann bei der Verwendung von ICQ im Zusammenhang mit telematischen
Lehrveranstaltungen mit hoher Akzeptanz und Motivation auf Seiten der Studierenden gerechnet werden?
•
Eignet sich ICQ grundsätzlich als Instrument zur Unterstützung kooperativer
studentischer Lernaktivitäten?
•
Wird ICQ für den Dokumentenaustausch eingesetzt oder wird bei der studentischen Gruppenarbeit für diesen Zweck auf andere Tools zurückgegriffen?
•
Ist das Onlineverhalten der Studierenden von längeren Verbindungszeiten
charakterisiert und sind diese bereit, die dafür anfallenden Kosten zu tragen?
In methodischer Hinsicht wurde auch in der zweiten Untersuchung eine Fragebogenerhebung durchgeführt. Die daraus gewonnenen Daten wurden durch Experteninterviews ergänzt. In diesem Kontext wurden Dozenten befragt, die bereits seit
längerer Zeit ICQ für Lehr- bzw. Lernzwecke einsetzen, Mitarbeiter des Rechenzentrums, die in organisatorischer und technischer Hinsicht Erfahrungen mit ICQ
gesammelt haben, sowie studentische ICQ-Spezialisten. Darüber hinaus wurde der
Erhebungsraum ausgeweitet und neben dem Studiengang Wirtschaftsinformatik
(WI) auch Studierende der Studiengänge Informatik (AI) und der Betriebswirtschaftslehre (BWL) an der FH Brandenburg befragt. Hauptsächliche Erhebungsdimensionen stellen die technische Austattung, das Onlineverhalten, sowie die
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Benutzung computergestützter Dienste im allgemeinen bzw. von ICQ im besonderen durch die Studierenden dar.
Ergebnisse und Schlußfolgerungen
Im Rahmen unserer Befragung konnten insgesamt 103 Fragebögen ausgewertet
werden. Alle Befragten sind an der FH Brandenburg in einem der Studiengänge
Informatik, Betriebswirtschaftslehre oder Wirtschaftsinformatik im Hauptstudium
eingeschrieben. Diese Studiengänge wurden ausgewählt um die Möglichkeiten der
Initialisierung von Learning Communities durch Kommunikationsprogramme wie
ICQ sowohl in technischen als auch nicht-technischen Bereichen zu erheben. Die
Verteilung auf die Studiengänge gestaltet sich wie folgt; 37% der Befragten gehören dem Studiengang BWL an, während 25% WI bzw. 38% AI studieren.
Unabhängig von der Wahl des Studienfachs sind ca. 18% der Befragten im
Wohnheim der Fachhochschule untergebracht. Diese Frage wurde im Zusammenhang mit den Onlinekosten in den Fragebogen mitaufgenommen. Das Wohnheim
der FH Brandenburg ist über ein Campusnetz an das Internet angeschlossen, die
Bewohner werden lediglich mit einer Flatrate von DM 20 monatlich belastet.
Hinsichtlich der technischen Ausstattung konnten wir feststellen, daß die Studierenden nahezu ausnahmslos über eine private Rechnerausstattung verfügen.
Es ergeben sich hingegen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Internetanbindung in Abhängigkeit mit dem jeweiligen Studienfach. Während in den technischen Studiengängen 84% der Studierenden auch privat über einen Zugang verfügen, ist dies in der BWL bei nur 66% der Befragten der Fall.
Hieraus ergeben sich Konsequenzen für die Form der Kommunikation; durch die
bessere technische Ausstattung - insbesondere den Internetzugang – kommunizieren Studierende der technischen Studiengänge zu einem höheren Ausmaß comp utergestützt. Bei 47% der Befragten in der AI bzw. WI ist dies sehr oft bzw. oft, in
der BWL hingegen bei nur 28% der Befragten der Fall. In der BWL spielt in erster
Linie die persönliche (84% sehr oft bis oft) und die telefonische Kommunikation
(42% sehr oft bis oft) eine Rolle. In der AI und der WI wird neben der elektronischen Kommunikation zu einem noch höheren Umfang persönlich kommuniziert
(87% oft bzw. sehr oft), das Telefon spielt hierbei hingegen im Rahmen der studentischen Kommunikation eine geringere Rolle (36% oft bzw. sehr oft).
Die verhältnismäßig geringe Bedeutung telefonischer Kommunikation zwischen
den Studierenden der technischen Studiengänge könnte möglicherweise durch
Substitutionseffekte zwischen den verschiedenen Kommunikationstechnologien
erklärt werden. Davon abgesehen fällt bei der Betrachtung aller Kommunikationsformen auf, daß in den technischen Studiengängen insgesamt intensiver kommuniziert wird, als dies in der BWL der Fall ist. Dies könnte auf die stärkere Projektorientierung in den technischen Studiengängen im Gegensatz zur Betriebswirtschaftslehre begründet sein. Die curricular verankerte studentische Gruppenarbeit
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erfordert ein höheres Ausmaß an Kommunikation und fördert das kooperative
Arbeiten der Studierenden ganz allgemein. Diese These konnten wir in Interviews
mit Studierenden verifizieren. In den technischen Studiengängen bilden sich durch
Gruppenaufgaben in verschiedenen Lehrveranstaltungen meist bereits im Grundstudium feste Arbeitsgruppen, die teilweise das gesamte Studium überdauern.
Des weiteren ergeben sich starke Unterschiede bezüglich des Onlineverhaltens in
Abhängigkeit mit der Unterbringung im Wohnheim: Die im Wohnheim untergebrachten Personen sind zu 93% mehrmals bzw. zu 7% einmal täglich online. Die
Gruppe außerhalb des Wohnheims ist nur zu 60% mehrmals täglich, zu 20% ein mal täglich, zu 17% mehrmals wöchentlich und zu 3% nur einmal wöchentlich
online.
Auch hinsichtlich der Dauer der Sitzungen ergeben sich deutliche Unterschiede.
Während die Onlinedauer im Wohnheim bei 84% der Befragten mehr als 2 h, bei
8% bis zu 2 h, bzw. bei 8% wenige Minuten beträgt, sind privat untergebrachte
Studierende nur zu 24% mehr als 2 h, zu 52% bis zu 2 h, bzw. zu 24% wenige
Minuten online. Dieser Befund wird durch Interviews mit Mitarbeitern des Rechenzentrums gestützt, die von erheblichem Onlineverkehr über die Anschlüsse
im Wohnheim berichten.
Dieses Ergebnis legt den Schluß nahe, daß das Onlineverhalten finanziell beeinflußt ist. Dennoch wird deutlich, daß sich ein Großteil der Studierenden allgemein
über längere Zeitabschnitte im Netz bewegen, welches eine notwendige Voraussetzung für den Einsatz eines zeitlich synchronen Kommunikationsprogramms
darstellt. Im Rahmen der Interviews konnte ergänzend ermittelt werden, daß privat
untergebrachte Studierende teilweise durchaus bereit sind, monatliche Onlinekosten in Höhe von DM 150-200 zu tragen.
Weitere Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Benutzung computergestützter
Dienste. 65% der Studierenden der BWL benutzen oft bis sehr oft E-Mail bzw.
78% das WWW, wohingegen in der AI und der WI 90% bzw. 92% der Befragten
E-Mail und das WWW nutzen. Noch deutlicher sind die Unterschiede hinsichtlich
der Nutzung der Dienste Telnet, FTP und BSCW. Diese werden in den technischen Studiengängen erheblich intensiver genutzt (Benutzung oft bis sehr oft:
Telnet 20%, FTP 41% bzw. BSCW 22%), bei der BWL spielt die Benutzung
dieser Dienste kaum eine Rolle (Benutzung oft bis sehr oft: Telnet 0%, FTP 2%
bzw. BSCW 0%).
Hervorzuheben wäre, daß sich bei der Benutzung von BSCW auch deutliche Unterschiede zwischen den technischen Studiengängen ergeben. Nur knapp 3% der
Studierenden der AI arbeiten oft bis sehr oft mit BSCW, wohingegen in der WI
50% der Befragten oft bis sehr oft mit BSCW arbeiten. Im Rahmen der Interviews
stellten wir fest, daß BSCW im Rahmen einer Lehrveranstaltung in der Wirtschaftsinformatik eingeführt wurde und darüber hinaus auch weiterhin für die
Unterstützung studentischer Gruppenarbeiten verwendet wird.
Hinsichtlich des Bekanntheitsgrades von ICQ konnten wir feststellen, daß das
Kommunikationsprogramm in den technischen Studiengängen 55% der Befragten
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bekannt ist, während dies in der BWL bei insgesamt nur 39% der Studierenden der
Fall ist.
Der inhaltliche Schwerpunkt beim Einsatz von ICQ liegt in der privaten Nutzung.
73% der Studierenden der BWL bzw. 57% der AI und WI setzt ICQ sehr oft bzw.
oft für private bzw. informelle Zwecke ein. Der Einsatz von ICQ zur Klärung
inhaltlicher Fragen, die das Studium betreffen, findet hingegen nur teilweise statt.
Für fachliche Fragen setzen 13% der BWL und 17% der AI/WI das Kommunikationsprogramm oft bzw. sehr oft ein. Für Planungszwecke setzen nur 7% der
BWL-Studierenden ICQ verstärkt ein, in den technischen Studiengängen sind es
hingegen 27%. Auch dieser Befund könnte als Manifestation des erhöhten Koordinationsbedarfes durch die intensive studentische Gruppenarbeit in den technischen Studiengängen gedeutet werden. Darüber hinaus könnte dieses Ergebnis
darauf hinweisen, daß Studierende, die ohnehin intensiver computergestützt ko mmunizieren, offenbar das Kommunikationsprogramm zumindest ansatzweise auch
für organisatorische bzw. auch für fachliche Fragen einsetzen.
Im Zusammenhang mit der Nutzung der verschiedenen Funktionalitäten des
Kommunikationsprogramms konnten wir einen klaren Schwerpunkt bei der Nut zung der Funktionen Message und Chat feststellen. Demnach nutzen 33% der
Befragten in der BWL oft bis sehr oft Chat bzw. 93% die Funktion Message. In
den technischen Studiengängen kann eine verstärkte Nutzung von Chat bei 41%
bzw. bei 54% bei der Funktion Message festgestellt werden. Datentransfer findet
unabhängig vom Studiengang in 27% der Fälle statt. Die Funktion URL wiederum
spielt bei der BWL keine Rolle, in den technischen Studiengängen wird diese
Funktion in 20% der Fälle verstärkt genutzt.
Es wird deutlich, daß die Studierenden in den technischen Studiengängen die
verschiedenen Funktionen von ICQ intensiver nutzen, während in der BWL das
Kommunikationsprogramm vergleichsweise einseitig eingesetzt wird.
Fazit und Ausblick
Die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten, Programme wie ICQ als begleitendes
Kommunikationsmittel im Rahmen von virtuellen Lehrveranstaltungen einzusetzen, scheint stark von der Art der Studiengänge abzuhängen. Dabei ist nicht nur
die technische Ausrichtung der Studiengänge und eine damit verbundene Komp etenz und Affinität hinsichtlich technischer Kommunikationsmedien bzw. die technische Ausstattung der Studierenden entscheidend, sondern auch das Ausmaß mit
dem kooperative Gruppenarbeit im Rahmen der Lehrveranstaltungen eingeführt
und eingesetzt wird. Somit spielen nicht nur inhaltliche sondern auch studienorganisatorische Rahmenbedingungen für die Akzeptanz des von uns skizzierten Konzepts eine wesentliche Ro lle.
Das Onlineverhalten der Studierenden ist stark abhängig von den anfallenden
Verbindungskosten. Dennoch sind häufig längere, ununterbrochene Verbindungszeiten festzustellen. Dieser Befund belegt, daß dem Einsatz von Kommunikati-
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onsprogrammen - und auch anderen zeitlich synchronen Kommunikationstechnologien - zunächst keine prinzipiellen organisatorischen Hinderungsgründe entgegen stehen. Telekommunikationskosten scheinen bei den Studierenden zunehmend
einen ähnlichen Stellenwert wie Kosten für studienbegleitende Literatur einzunehmen. Im Rahmen der Konzeption virtueller Lehrmaßnahmen – insbesondere
im Zusammenhang mit informellen Aktivitäten - kann somit zumindest mit einer
begrenzten Bereitschaft gerechnet werden, zusätzliche Kosten für diese Zwecke zu
tragen.
Eine strikte Trennung formaler und informeller Aktivitäten beim Einsatz von ICQ
erfolgt offenbar nicht.
Eine Übertragung unserer Ergebnisse auf virtuelle Lehr- und Lernformen wäre
vertieft zu diskutieren, da die vorgestellten Erhebungen in einer Präsenzhochschule durchgeführt wurden. Sinnvoll wäre eine darauf aufbauende Erhebung im
Rahmen räumlich verteilter Lehrmaßnahmen, um die Erfolgsaussichten des begleitenden Einsatzes von Kommunikationsprogrammen unter anderen Rahmenbedingungen zu untersuchen.
Literatur
Eschenburg, Axel, Wo laufen sie denn? ICQ hält Verbindung zu Bekannten. In: c't, Heft
22, 1998, S.92-95
Helmers, Sabine, Hoffmann, Ute, Hofmann, Jeanette, Internet... The Final Frontier: Eine
Ethnographie. Forschungsbericht FS II 98-112 des Wissenschaftszentrums Berlin für
Sozialforschung, Berlin, 1998
Lipnack, Jessica, Stamps, Jeffrey, Virtuelle Teams. Projekte ohne Grenzen; Teambildung;
virtuelle Orte. Ueberreuter, Wien, 1997
Rheingold, Howard, The Virtual Community. Homesteading on the Electronic Frontier.
Addison-Wesley, Reading, Mass., 1993
Mirabilis (Hrsg.), 1998: ICQ - such a good feeling to be among friends!, User's guide,
Version 98a, Tel-Aviv, Mirabilis.
www.icq.com
Mirabilis Ltd., Israel
www.gnn.de
Golem Network News
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