DER MERZBAU VON KURT SCHWITTERS: EIN

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DER MERZBAU VON KURT SCHWITTERS: EIN
Frieder Nake
nake@informatik.uni-bremen.de
Tel. 218-3525
Vorschlag für eine Diplomarbeit
DER MERZBAU VON KURT SCHWITTERS: EIN KLANGEREIGNIS
Kooperation mit
Andreas Genz, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Kurt Schwitters war ein Dadaist, ein Individualist, ein Bürgerschreck, ein
Hannoveraner. Sein verücktestes Werk war der Merzbau, mit dem er das Haus
seiner Eltern, in dem er wohnte, allmählich vollbaute. Der „Bau” wucherte durch
zwei Etagen, aufs Dach hinaus, in den Keller hinunter. Eine wilde fantastische
Architektur ohne tieferen Sinn und Nutzen, nur dazu da, Form zu sein und allerlei
Schnipsel, Kritzeleien, Texte, Zeichnungen, Gefundenes aufzunehmen, das der
Meister hineinsteckte und daranheftete. Der „Bau” sollte und konnte nie fertig
werden. Er konnte nur kaputt gehen. Das war 1943 unter Bomben der Fall.
Schwitters war seit 1937 im norwegischen und englischen Exil. Dort führte er
seine Idee weiter. Im Sprengel-Museum in Hannover gibt es eine Rekonstruktion.
Mitte 2000 hat es dort eine grosse Retrospektive gegeben.
Wir hatten ein kleines Forschungsprojekt von Herbst 1999 bis Herbst 2002, in
dessen Rahmen der Merzbau virtuell rekonstruiert und zu einem Hypermedium
ausgebaut worden ist. Allerlei Schabernack und Experimente sind dort möglich,
der Unsinn, um den es Schwitters ging, herrscht. Unsere hypermediale
Installation ist eine Kombination aus virtueller, navigierbarer Architektur und
virtueller, interaktiver Enzyklopädie. Die Eintragungen aus der Datenbasis werden
innerhalb der Architektur in hypermedialer Weise dargestellt und zur Interaktion
dargeboten. Es kommt zu Text, Sprache, Bild, Film, Klang. Die Installation ist im
Kunstunterricht der Primarstufe, aber auch im Studium von KunsterzieherInnen
verwendet worden.
Mit diesem Vorschlag einer Abschlussarbeit wollen wir die Klang- und Musikwelt
des Merzbau gestalten und erproben. Da der Bau so verwinkelt und
verschnörkelt war, wie wir es sonst nicht antreffen, kann es darin auch zu
ungewohnten Klangerlebnissen kommen. Die Virtualisierung im Computer kann
darüber hinaus zu allerlei Experimenten genutzt werden, die vielleicht noch
ungewohnter wären, da sie in einer körperlich erfahrbaren Umwelt nicht möglich
sind.
Die Arbeit kann ihren Reiz daraus ziehen, dass die vorhandene visuelle
Modellierung von Dreidimensionalität, die immer wieder in Zweidimensionalem
mündet und allerlei unsinnige Interaktionsgeräte anbietet, die außerhalb jeder
Intuition und Erwartungstreue liegen, einem Wechsel- und Zusammenspiel mit
Klangeffekten aufs köstlichste ausgesetzt wird. Ein Gag könnte es z.B. sein,
Fetzen aus Schwitters’ Ursonate hier und da einzubauen und so dem CollagePrinzip des begnadeten Unsinns gerecht zu werden. (Eine solche Ecke, hier
„Grotte” genannt, ist schon eingebaut. Dort rezitieren Fische die Ursonate.) –
Eine Zusammenarbeit mit einer Person aus dem Bereich Musik ist anzustreben,
aber noch nicht gesichert.