Unterwegs in der einzigartigen Vulkanlandschaft der
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Unterwegs in der einzigartigen Vulkanlandschaft der
extra Wetterfest: die besten neuen Wanderprodukte Schnellster Mann am Berg: der Extremläufer Kilian Jornet Foto: Thomas Straub Unterwegs in der einzigartigen Vulkanlandschaft der Azoren Outdoor 16.4.2015 71 extra Outdoor Im feuer geboren ● Einst galt die Azoreninsel São Miguel als Tor zur Hölle. Von Christian Ewers; Fotos: Thomas Straub 72 16.4.2015 Stille im Krater: Der See Lagoa do Fogo entstand nach einem Vulkanausbruch. Er liegt inmitten von Lorbeerwäldern Heute erleben Wanderer hier ein Naturparadies 16.4.2015 73 extra 74 Outdoor 16.4.2015 Immer grün, immer farbenfroh: Subtropisches Klima und reichlich Wasser lassen die Insel erblühen. Und im Atlantik gibt es für die Fischer fette Beute (u.) D er Vulkan macht gerade Zigarettenpause. Er pafft so vor sich hin, hier und da steigt eine schlanke Rauchsäule auf im Tal von Furnas, und die Menschen sind froh, dass es zurzeit bei diesen paar Fluppen bleibt. Vom letzten Ausbruch im September 1630 ist bekannt, dass er fürchterlich war. Feuerwalzen verwüsteten weite Teile der Azoreninsel São Miguel, heiße Aschewolken verdunkelten den Himmel, drei Tage lang war es schwarz wie die Nacht. Als der Vulkan endlich Ruhe gab, folgte ein schweres Erdbeben. 200 Menschen starben. Erst 100 Jahre später wagten sich wieder einige Jesuitenmönche nach Furnas, das vielen Insulanern als Hölle galt, als das Ende der Welt. Heute bildet die Hügellandschaft, die der Vulkan aufgeworfen hat, ein einzigartiges Wanderrevier. In märchenhaft verwunschenen Wäldern versteckt sich ein blaugrüner Kratersee, umrahmt von Blumenstauden und duftenden Lorbeerbüschen. Ein kleines, noch immer bedrohtes Paradies ist da entstanden im Südosten von São Miguel, gelegen mitten im Atlantischen Ozean, 1400 Kilometer vom portugiesischen Festland entfernt. Am nördlichen Ufer des FurnasSees, wo der Vulkan aus Erdlöchern qualmt, beginnt ein lehrreicher Wanderweg, der viel erzählt über die wechselvolle Geschichte der Insel. Über die Kraft der Naturgewalten und die langsame Rückkehr des Lebens sowie über den Menschen, der das Land auszubeuten versuchte, das sich gerade von Eruptionen und Magmaströmen erholt hatte. Der Pfad führt vom dampfenden Thermalfeld hoch in den Wald. Die Luft ist klamm hier; gewaltige Farne fischen sich Feuchtigkeit aus der Luft, Moos überzieht den Fels. Durch das Blätterdach fällt kaum Licht, es fühlt sich an, als ziehe dieser Dschungel den Wanderer mit tausend Armen in ein grünschwarzes Nirgendwo. Je höher man kommt auf den Serpentinen, desto spärlicher und flacher wird die Vegetation. Auf dem Plateau unterhalb des 570 Meter hohen Pico do Ferro wachsen noch ein paar dürre Büsche, ansonsten: Wiesen. Die Wälder waren im vergangenen Jahrhundert gerodet worden, um Weideland zu gewinnen. Vor neun Jahren stoppte die Regierung der autonomen Azoren inseln die Milchwirtschaft rund um den Furnas-See. Die Wasserqualität hatte sich dramatisch verschlechtert; der viele Kunstdünger und vor allem der Kuhmist ließen das sensible Ökosystem beinahe kippen. Ein Rettungsplan zeigt mittlerweile erste Erfolge: Auf den ehemaligen Weideflächen stehen wieder heimische Gewächse wie die Besenheide, Lorbeer, Gagelbäume und die Azorische Stechpalme. „Der See erholt sich“, sagt Lígia Melo, 40, von der Initiative SPR Açores, die die Renaturierung koordiniert. „Die Blaualgen gehen zurück, Phosphate und Nitrate im Wasser nehmen ab, einige Kleinlebewesen siedeln sich wieder an – das sind sehr ermutigende Zeichen.“ Lígia Melo, eine kleine, energische Frau, beschäftigt sich nicht nur wissenschaftlich mit dem Furnas-See. Sie half mit bei den Pflanzungen und bei der Sicherung der Hänge 4 16.4.2015 75 extra Outdoor gegen Erosion. Sie sagt: „Was der Mensch mit seinen Händen vernichtet hat, muss er mit seinen Händen auch wieder aufbauen.“ Noch sind die Wunden der Vergangenheit nicht ganz verheilt oben am Pico do Ferro. Man watet stellenweise durch Matsch und Sumpf, der sich in tiefen Traktorfurchen gesammelt hat. Futtertröge und Tränken liegen herum, Zeugen einer vergangenen Zeit. Achtung: Alle Wetter! Man muss das mögen, diesen plötzlichen Wechsel der Kulissen. Vom lieblichen Zauberwald hin zur spröden Landschaft sind es auf São Miguel mitunter nur ein paar Schritte. Überhaupt wird man als Wanderer ziemlich gefordert. Der Himmel ist ständig in Bewegung, alle paar Stunden gehen Schauer nieder, und so muss man sich auch rüsten für die Touren auf der Insel: Regenzeug, Wollpullover, aber auch T-Shirt und Sonnenhut gehören stets in den Rucksack. Alles ist jederzeit möglich auf den Azoren. Es herrscht hier feuchtwarmes Klima, das gern mal Pause macht und sich von Schietwetter vertreten lässt, wie man es von der deutschen Nordseeküste kennt. Dafür ist das Gelände recht gnädig. Mit einer mittelprächtigen Kondition kommt man gut voran auf São Miguel; es gibt viele ehemalige Wirtschaftswege, die gemütlich auf die Hügelplateaus führen. Die Landwirtschaft auf den Azoren hat schon einige Wandlungen 76 16.4.2015 hinter sich. Die wirtschaftlich erfolgreichste Zeit war der sogenannte Orangenzyklus zwischen 1750 und 1870, als man Zitrusfrüchte vor allem nach England exportierte. Der plötzliche Reichtum veränderte vor allem São Miguel nachhaltig. Wenn jetzt im Frühjahr die Natur erblüht, sind es oftmals importierte Pflanzen, die die Insel zum Leuchten bringen. Die Orangenhändler kauften damals Blumenstauden und Bäume aus aller Welt ein, um damit ihre Privatgärten zu verzieren. Es gab regelrechte Gartenkunstwettbewerbe. Aus Tasmanien ließen sie sich Akazien schicken, aus Japan Kamelien, aus der Karibik die Goldrute, und hoch aus dem Himalaja kam die Schmetterlingsblume. Die Schmuckpflanzen wilderten bald aus, und heute haben die Landschaftsgärtner auf São Miguel einige Mühe, ein gesundes Gleichgewicht zwischen heimischen und exotischen Gewächsen herzustellen. Besonders gut gelungen ist das in dem Gebiet um die Lagoa do Fogo, einen Kratersee westlich von Furnas. Hier mischen sich europäische Seekiefern mit azorischen Heidelbeersträuchern, hoch aufgeschossene Japanische Zedern mit dem knorrigen Kurzblättrigen Wacholder. Nur die Schmetterlingsblume, aus deren gelben Ähren orangefarbene Staubblätter ragen, ist in ihrer Ausbreitung kaum zu bremsen. Schönheit kann auch eine Plage sein. Die Lagoa do Fogo ist wie der Furnas-See vulkanischen Ursprungs. Alte Meister: In der Teemanufaktur Chá Gorreana wird mit Maschinen aus dem 19. Jahrhundert gearbeitet Feuerspucker Noch immer entstehen Vulkane auf den Azoren. Der jüngste tauchte 1957/58 vor der Insel F aial auf und heißt Capelinhos Sie entstand vor knapp 500 Jahren und liegt abgeschieden oberhalb des Küstenstädtchens Água de Pau. Wer die Hochsaison zwischen Juni und Mitte September meidet, kann diesen stillen, tiefblauen See ziemlich allein genießen. Gelegentlich kreist ein Mäusebussard über den angrenzenden Lorbeerwald; ansonsten sind nur Möwen in der Luft, ständig auf der Jagd nach Fischen oder Material für den Nestbau. Die Lagoa do Fogo ist der Höhepunkt einer etwa dreieinhalbstündigen Tour, die grandiose Panoramablicke bietet. Bei klarem Wetter kann man im Süden bis auf den Atlantik schauen und das Inselchen Vila Franca; im Norden zeichnen sich sanfte Hügelketten am Horizont ab. Der Weg hinab ins Tal führt zwei Kilometer an schmalen Kanälen entlang, sogenannten Levadas. Mit dem Zufluss aus der Lagune wurde 70 Jahre lang ein Wasserkraftwerk betrieben. Überhaupt ist São Miguel fortschrittlich, was die Energiegewinnung betrifft. Mehr als 40 Prozent des Stroms stammen mittlerweile aus Geothermie-Anlagen. In Ribeira Grande, wenige Kilometer von der Lagoa do Fogo entfernt, herrschen schon in 500 Meter Tiefe Temperaturen von 200 Grad Celsius. Die Insulaner haben den Vulkanen jahrhundertelang beim Rauchen zugeschaut, oft angsterfüllt. Jetzt wärmen die Menschen sich an ihnen – und hoffen einfach, dass sie weiter ruhig und friedlich vor sich hin schmauchen. 2 extra Outdoor Verlassene Schönheit: Vor 50 Jahren wurde das Bergdorf Sanguinho aufgegeben für entdecker São Miguel bietet spektakuläre Wanderwege, köstliche Vulkanküche – und sogar Nachtleben ● Das Terra Nostra Hotel liegt im Dorfkern von Furnas und verfügt über einen 12,5 Hektar großen botanischen Garten mit Thermalbecken. Der Garten wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Unterkünfte Idealer Ausgangspunkt für Wanderungen durch die Vulkanlandschaft ist das Dorf Furnas im Südosten von São Miguel. In der Nähe der Lagoa das Furnas, eines Kratersees, liegt die Quinta da Mó. Vermietet werden komfortable Ferienhäuser für zwei bis sechs Personen. Ab 135 Euro pro Nacht. Tel. +351/917/ 80 02 81, www.quintadamo.com 78 16.4.2015 dem amerikanischen Kaufmann Thomas Hickling angelegt. Schmuckstück ist eine Sammlung von mehr als 200 Kamelienarten. DZ ab 85 Euro. Tel. +351/296 54 90 90, www.bensaude.pt/ terranostragardenhotel Ein sehr gutes PreisLeistungs-Verhältnis bietet das Hotel Villa Verde. Die zehn Zimmer sind einfach, aber ge schmackvoll eingerichtet. DZ ab 45 Euro. Rua das Caldeiras 3, Tel. +351/296 54 90 10, www.hotelvaleverde.com Essen und Trinken Das Restaurant Tony’s ist bei den Einheimischen beliebt. Chef António Arruda und sein Sohn Marco servieren den besten Fisch in Furnas. Besonders lecker: Bacalhau (Stockfisch) und Tintenfisch. Largo do Teatro 5, Tel. +351/296 58 42 90, www.restaurantetonys.pt Im O Miroma gibt es fast immer einen freien Tisch. Das hat nichts mit der Qualität des Essens zu tun, sondern allein mit Fotos: Thomas Straub Anreise Von Deutschland aus gibt es wöchentlich drei direkte Flugverbindungen auf die Azoreninsel. Air Berlin fliegt mittwochs ab Düsseldorf, die azo rische Fluggesellschaft Sata mittwochs und sonntags ab Frankfurt. www.airberlin.de; www.sata.pt/de dem turnhallengroßen Speisesaal. Spezialitäten des Hauses sind Morcela (Blutwurst) und Eintöpfe. Rua Dr. Frederico Moniz Pereira 15, Tel. +351/296 58 44 22 Auf einen Absacker nach der deftigen Inselkost trifft man sich im 3 Bicas Club. Im Sommer lockt die Terrasse, im Herbst und Winter der offene Kamin. Etwas anstrengend können die Karaoke-Nächte in der Hauptsaison sein. Rua Padre José J. Botelho 19 Thermale Küche Hier kocht der Vulkan noch selbst: Am Nordufer des Furnas-Sees kann man Speisen in heißen Erdlöchern garen lassen. Ein Wär- ter vergräbt die Töpfe im Boden, wo sie dann stundenlang köcheln. Mittags um zwölf werden die Schätze wieder gehoben und auf Picknickbänken oder im Schatten der angrenzenden Bäume verspeist. Caldeiras da Lagoa Wanderung zur Lagoa do Fogo Einer der schönsten Wege auf São Miguel führt zum Kratersee Lagoa do Fogo (s. Karte unten). Startund Zielpunkt des Rundkurses ist ein Parkplatz ca. 1,5 Kilometer oberhalb des Hotels Bahia Palace in Rocha dos Campos. Man folgt dem Caminho Ribeira da Praia bergauf. Bald erreicht man ein altes Gehöft – ab hier beginnt der einsame Teil der Tour. Umsäumt von Zedern und Lorbeerbäumen geht es hoch Richtung See. Dreht man sich um, sieht man im Süden den Atlantik und die Insel Vila Franca. Die Lagoa do Fogo ist vor 500 Jahren durch eine VulkanEruption entstanden. Es gibt schmale Strände; im Sommer kann man hier baden. Auf dem Rückweg folgt man kleinen Kanälen Richtung Tal. Das Lagoa do Fogo » » das Furnas; ca. zwei Kilometer westlich vom Dorfzentrum entfernt. AZO REN, SÃO MI GU EL 10,8 km Wanderweg » Levada Ribeira Chã Start Wasser der umliegenden Bäche ist trinkbar. Man muss auch gelegentlich auftanken während dieser knapp vierstündigen Tour, die einige sportliche An- und Abstiege bereithält. Geführte Touren Picos de Aventura Tel. +351/296 28 32 88, www.picosdeaventura. com Futurismo Tel. +351/296 62 85 22, www.futurismo.pt Geo Fun Tel. +351/296 09 26 70, www.geo-fun.com Touren im Netz www.wanderwege. visitazores.com Sehr gutes Internetangebot: Präzise beschriebene Wandertouren, reichhaltiges Kartenmaterial, GPS-Daten der einzelnen Touren stehen zum Download bereit. Reisezeit Für Wanderungen auf São Miguel empfehlen sich Mai und Juni sowie die zweite Septemberhälfte und der Oktober. Dann ist das Klima angenehm mild. Im Hochsommer herrscht dagegen Sauna-Atmosphäre: Luftfeuchtigkeit von 80 bis 90 Prozent, dazu Temperaturen um die 30 Grad Celsius. Nichts für nordeuropäische Wanderer, die die Kühle der Alpen gewohnt sind. Literatur Michael Bussmann: „Azoren“, M. Müller Verlag, 540 Seiten, 22,90 Euro. Sehr detaillierter, 2013 aktualisierter Reiseführer Susanne Lipps: „Azoren“, DuMont, 296 Seiten, 17,99 Euro. Kompakte, bildstarke Orientierungshilfe PORTUGAL Azoren 16.4.2015 79