Therapiekonzept Harninkontinenz und Enuresis
Transcription
Therapiekonzept Harninkontinenz und Enuresis
Anschrift: Mathilde-Wurm-Straße 7 36433 Bad Salzungen Telefon: Telefax: 03695/69 23-0 03695/69 23 20 E-mail: Internet: info@charlottenhall.com www.charlottenhall.com Therapiekonzept Stand: 10/15 Charlottenhall Bad Salzungen, Thüringen Harninkontinenz und Enuresis Stationäre Rehabilitation von Kindern und Bad Salzungen · Das Bad der starken Sole Jugendlichen mit Harninkontinenz und Enuresis Therapiekonzept Harninkontinenz und Enuresis Der Inhalt: Anschrift: Mathilde-Wurm-Straße 7 36433 Bad Salzungen Telefon: Telefax: 0 36 95 / 69 23-0 0 36 95 / 69 23 20 E-mail: Internet: info@charlottenhall.com www.charlottenhall.com Ärztliche Leitung: Dipl.-Med. Uta Zahn-Tesch Fachärztin für Kinderheilkunde S. 4 2. Rehabilitationsindikationen S. 5 3. Rehabilitationsziele S. 5 4. Diagnostik und ICD-10-Klassifikation S. 6 5. Therapie S. 6 5.1. 5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.3. 5.4. 5.5. Verwaltungsleiterin: Ellenore Lindner Geschäftsführer: 1. Einleitung Bedeutung, Epidemiologie und Terminologie Klaus Kurre 3 Vorbemerkungen und Prinzipien Therapieverfahren Urotherapie Pharmakotherapie Therapie der Komorbiditäten Entbehrliche Therapiemaßnahmen Einbeziehung der Eltern S. S. S. S. S. S. S. 6 6 6 7 8 8 9 6. Schule S. 9 7. Nachsorge S. 10 8. Teamgespräch S. 10 9. Qualitätssicherung S. 11 10. Rahmenbedingungen S. 11 11. Räumliche und personelle Ausstattung S. 12 12. Zeitliche und inhaltliche Koordination und praktischer Ablauf S. 12 13. Literatur S. 13 14. Anhang S. 14 1. Einleitung Bedeutung, Epidemiologie und Terminologie Harninkontinenz und Enuresis sind bei Kindern und Jugendlichen ein sehr häufiges Problem, aber selten Symptom einer organischen Erkrankung. Bei fast allen Kindern findet sich eine funktionelle Störung mit guter Langzeitprognose. Definitionen Kontinenz Fähigkeit, die Harnblase an einem sozial und hygienisch verträglichen Ort zu entleeren bei normalen anatomischen Strukturen und adäquater Entwicklung der nerval gesteuerten Harnblasenfunktion. Legt man eine mittlere Prävalenz von 7 % zugrunde, betrifft die Problematik ca. eine halbe Million Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 16 Jahren in Deutschland. Dennoch ist Einnässen oft ein Tabuthema. In den letzten Jahren haben sich die Behandlungsmöglichkeiten von Kindern mit Enuresis und Harninkontinenz erheblich verbessert. Entscheidend dafür sind ein besseres pathophysiologisches Verständnis von Entwicklungsstörungen der Blasenfunktion und Blasenkontrolle, moderne verhaltenstherapeutische Verfahren, neue Medikamente, technische Möglichkeiten und das Konzept der Urotherapie. Physiologische Harninkontinenz Die Blasenkontrolle entwickelt sich während der ersten drei bis sechs Lebensjahre. Bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres spricht man von physiologischer Harninkontinenz. Nichtphysiologische Harninkontinenz Organische Harninkontinenz mit Vorliegen einer strukturellen Anomalie von Niere und Harntrakt oder einer neurogenen Läsion. Funktionelle Harninkontinenz Formen: jeweils primär oder sekundär, mit und ohne Komorbidität Für den Therapieerfolg sind die differenzialdiagnostische Abklärung der verschiedenen Symptombilder und die Zuordnung der Kinder zu einer diagnostischen Kategorie mit einheitlicher Terminologie von wesentlicher Bedeutung. So bedeutet Enuresis unwillkürliches Einnässen nachts im Schlaf bei normaler Füllung und normaler Entleerung der Harnblase und funktionelle Harninkontinenz unwillkürlichen Urinverlust durch Störung der Blasenspeicherfunktion oder der Blasenentleerungsfunktion. Jedoch gibt es auch Kombinationen beider Störungen. Bei der primären Enuresis war das Kind noch nie länger als 6 Monate trocken. Die sekundäre Enuresis dagegen tritt nach einer Phase ohne Einnässen von mindestens 6 Monaten auf. Bei 75 bis 80 % der betroffenen Kinder liegt eine primäre Enuresis vor. 15 bis 20 % der Kinder haben neben der Enuresis eine Tagessymptomatik, wie imperativen Harndrang, Pollakisurie und/oder Dysurie und somit eine kindliche Harninkontinenz. 4 2. Rehabilitationsindikationen 3. Rehabilitationsziele Isolierte Harninkontinenz nachts = monosymptomatische Enuresis nocturna (MEN), Die Therapie der Harninkontinenz und Enuresis hat als Hauptziel den Erwerb der Blasenkontrolle und das Erreichen der Kontinenz. Aufklärung, Demystifizierung, Verhinderung der durch das Einnässen verursachten familiären Konflikte sowie Motivation zur Kooperationsbereitschaft des Patienten und der Familie gehören zum wesentlichen Bestandteil und sollen zur optimalen Versorgung und Verbesserung der Lebensqualität einnässender Kinder und deren Familie führen. Harninkontinenz nachts mit Tagessymptomatik (Non MEN) Isolierte Harninkontinenz tagsüber mit Blasendysfunktion Eingeschränkte Indikation Organisch bedingte Harninkontinenz nach partieller oder kompletter chirurgischer Korrektur. Weitere Behandlungsziele sind: Kontraindikationen Neurogene Blasenfunktionsstörungen Polyurie bei Diabetes mellitus bzw. Diabetes insipidus schwere geistige Behinderung - Behandlung von Komorbiditäten nach entsprechender Priorität, Stärkung des Selbstwertes, Abbau sozialer Ängste und Kontaktschwierigkeiten, Sicherung des Langzeiterfolges und Erarbeitung von Strategien bei Rückfällen. - Reduzierung bereits eingetretener Teilhabebeeinträchtigungen. Folgende Begleitkrankheiten bzw. Störungen können mitbehandelt werden: - Harntraktinfektion mit und ohne vesiko ureteralen Reflux (VUR) - Isolierte Obstipation, Stuhlinkontinenz/Enkopresis - ADHS - Störungen des Sozialverhaltens. 5 4. Diagnostik und ICD-10-Klassifikation 5. Therapie Kinderärztliche Basisdiagnostik modifiziert nach Beetz, R.: Kinder- und Jugendarzt, 39. Jahrgang 2008, Nr.12 1. Anamnese (am effektivsten mittels Fragebogen) - Familienanamnese - Einnäss-Frequenz und -menge - Miktionsverhalten - „Kontinenzverhalten“ (Drangsymptome, Haltemanöver) - Harnwegsinfektionen - Stuhlverhalten (Obstipation, Enkopresis) 5.1. Vorbemerkungen und Prinzipien Der Auswahl und Anwendung therapeutischer Interventionen sollten ambulant eine subtile Diagnostik und Abklärung des Entwicklungsstandes des Kindes vorausgehen, um Überforderungen vorzubeugen und den Rehabilitationserfolg nicht zu gefährden. Den Eltern wird mit Nachdruck vermittelt, dass Einnässen nicht auf einem Fehlverhalten des Kindes und/oder der Familie beruht. Kinder und Eltern sollten als aktive Partner in den Behandlungsprozess einbezogen werden. Sie sollten motiviert und kooperativ sein. 2. Aufzeichnungen zum Einnäss- und Miktionsverhalten - Enuresis-Kalender - Trink- und Miktionsprofil 1x24 Stunden - Miktions- und Einnässprotokoll - Schlaftiefenbestimmung Überflüssige, oft belastende diagnostische und therapeutische Maßnahmen müssen vermieden werden. Sie gefährden eher den therapeutischen Erfolg. Urotherapeutische Maßnahmen haben Priorität. Viele Kinder mit Enuresis und funktioneller Harninkontinenz haben komorbide Störungen. Die Behandlung findet in der Regel in mehreren Stufen statt. 3. Klinische Untersuchung - Allgemeiner Untersuchungsstatus - Orientierender Neurostatus Muskeleigenreflexe und grobe Kraft der unteren Extremitäten - Fußstellung, Gangbild - Inspektion und Palpation des Lumbosakralbereichs - Äußeres Genitale 5.2. Therapieverfahren 3.2.1. Urotherapie - Ansätze zu einem neuen Therapieverständnis 4. Labor, Bildgebung, - Teststreifen - Urinstatus: Spezifisches Gewicht, Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit, Glukose - Sediment - Uricult - Sonographie: Nieren, ableitende Harnwege, Blasenwanddicke, Restharn Unter Urotherapie versteht man in Anlehnung an die Definition der International Children`s Continence Society ein therapeutisches Konzept, das alle nicht pharmakologische „und nicht chirurgische” Verfahren erfasst. Urotherapeutische Verfahren kommen bei allen Formen der Harninkontinenz zur Anwendung, sie sind der erste Schritt in der Behandlung. Die Urotherapie gliedert sich in Maßnahmen der Standardurotherapie und der weiterführenden speziellen Urotherapie. ICD-10-Klassifikation für die diagnostischen Entitäten der Harninkontinenz: F 98.0 Nichtorganische Enuresis N 39.3/ N39.4 Belastungsinkontinenz und sonstige näher bezeichnete Harninkontinenz inklusive Dranginkontinenz F 98.1Enkopresis Standardurotherapie sind diagnostischer Prozess, Beratung, urotherapeutische Instruktion und Kontinenzschulung. 6 Therapie Im Besonderen: Information und Demystifizierung, Erläuterung der normalen Blasenfunktion, Charakterisierung der Blasenfunktionsstörungen, Instruktion zum optimalen Miktionsverhalten, Instruktion zum Trink- und Ernährungsverhalten, Dokumentation von Symptomatik und Miktionsmustern mit Hilfe von Protokollsystemen sowie regelmäßige Begleitung und Unterstützung von Kind und Familie. (Details und Instruktionen im Anhang) Weitere therapeutische Maßnahmen mit entsprechender Indikationsstellung und Kombinationsmöglichkeiten kommen zur Anwendung: Operante und materielle Verstärker Blasentraining, Beckenbodengymnastik Einzel- und Gruppengesprächstherapie Autogenes Training mit formelhafter Vorsatzbildung - Ergo-, Moto- und Musiktherapie - standardisierte Kontinenzschulung nach Vorgaben der KgKS (ab 2012) - Die Elemente der Standardurotherapie werden bevorzugt bei funktioneller Harninkontinenz eingesetzt. Die spezielle Urotherapie umfasst die Weckapparatetherapie, Verhaltenstherapien, die Elektrostimulation sowie (auch bei organisch bedingten Inkontinenzformen eingesetzt) Beckenbodentraining, Biofeedback-Training und Befähigung zum selbständigen intermittierenden Katheterismus. 5.2.2. Pharmokotherapie Eine standardisierte Diagnostik ist notwendig, um die richtigen Kinder mit der richtigen Therapie zu behandeln. Die Behandlung muss ebenso dem sozialen Umfeld angepasst werden, um Akzeptanz und Adherence zu garantieren. Gleichfalls sind optimale, auf Erfahrung beruhende Behandlungszeiten, Ausschleichprogramme und adjuvante Therapieoptionen von Bedeutung. Apparative Verhaltenstherapie (AVT, Weckapparatetherapie) Ziel ist die Kontinenz in der Nacht mit nächtlichem trockenem Durchschlafen. Unabdingbare Voraussetzungen sind Motivation und Therapiebereitschaft von Kind und Eltern. Die Kinder müssen nachts so wach sein, dass sie auf Toilette gehen und sich am nächsten Morgen an den nächtlichen Gang erinnern. Als initialer Erfolg gelten 14 konsekutive trockene Nächte nach maximal 16 Wochen AVT. Eine Anwendung unterhalb eines Lebensalters von 5 ½ Jahren ist ineffektiv. Medikamentöse Therapien gelten für folgende spezielle Indikationen: - Therapieresistenz gegenüber anderen Methoden - Kombinationstherapie mit AVT, vor allem zur Motivationssteigerung - Situationen, die ein kurzfristiges Trockenwerden erfordern und wenn eine nicht medikamentösen Therapie bei einem Kind nicht möglich ist. (Entwicklungsverzögerung, familiäre Belastung) Im Rahmen der stationären Rehabilitationsmaßnahme werden Patienten und Eltern in die apparativen Systeme „Klingelmatte“ bzw. „Klingelhose“ eingewiesen und mit Protokollbögen vertraut gemacht. Es werden folgende Substanzgruppen eingesetzt: ADH-Analoga: (Desmopressin als Tablette) Bevorzugte Indikationen MEN (mit nächtlicher Polyurie) Wichtig sind eine entsprechende Vordiagnostik mit Bestimmung von Natrium, Chlorid und Osmolalität im Adjuvante und verstärkende Maßnahmen sind Overlearning, Arousal-Training auch kombiniert mit Desmopressin-Therapie bei höherer Einnässfrequenz. 7 Therapie Serum sowie die Flüssigkeitsbeschränkung abends und nach Einnahme der Medikation. Die Therapie muss nach bewährtem Algorithmus mit Aufbau-, Erhaltungsund Ausschleichphase erfolgen. Gastroenterologische Komorbiditäten - Isolierte Obstipation - Stuhlinkontinenz/Enkopresis mit/ohne Obstipation Psychiatrische Komorbiditäten - Verhaltensauffälligkeiten externalisierend: hyperkinetische Störungen (ADHS), Störungen des Sozialverhaltens - Verhaltensauffälligkeiten internalisierend: Angststörungen, depressive Störungen Anticholinergika: (Oxybutynin, Propiverin) Bevorzugte Indikationen sind: Einnnässen mit gleichzeitiger Blasenfunktionsstörung, wobei Propiverin das Mittel der 1. Wahl ist. Oxybutynin zeigt bei vergleichbarer Wirkung häufiger Nebenwirkungen. Entwicklungsstörungen - Teilleistungsstörungen - Wahrnehmungsstörungen - Lernbehinderungen - Geistige Behinderungen Antibiotika: Langzeitprophylaxe über 3 bis 6 Monate bei rezidivierenden Harnwegsinfekten mit Nitrofurantoin, Trimethoprim oder Cephalosporinen. Laxantien: Bevorzugt werden in der Dauertherapie osmotisch wirksame, stuhlaufweichende Medikamente, wie Polyethylenglykol 3.500 bzw. Macrogol oder Lactulose angewandt. Schlafstörungen - Schlafapnoesyndrom - Parasomnien Für die Therapie wird folgendes Procedere empfohlen: - Bei Non MEN erfolgt zuerst die Therapie der Tagessymptomatik. - Bei Kombination von Harn- und Stuhlinkontinenz hat die Therapie der Stuhlinkontinenz Vorrang. - Sind Harninkontinenz und Harntraktinfektionen kombiniert, wird eine präventive antibiotische Therapie durchgeführt. - Beim Zusammentreffen von Harninkontinenz und behandlungsbedürftigen psychiatrischen Störungen werden beide in der Regel simultan behandelt. Andere Medikamente: "-Blocker und trizyklische Antidepressiva werden wegen nicht ausreichender Daten zur Sicherheit bzw. potentiell gefährlichen kardiotoxischen Nebenwirkungen nicht mehr eingesetzt. 5.3. Therapie der Komorbiditäten Harninkontinenz ist häufig von Komorbiditäten begleitet. Sie können sich in unterschiedlicher Weise beeinflussen. Die International Children´s Continence Society (ICCS) beschreibt 5 verschiedene Kategorien von Komorbiditäten. 5.4. Entbehrliche Therapiemaßnahmen In der Praxis werden häufig Maßnahmen durchgeführt, die sich als ineffektiv erwiesen haben, wie: - ineffektive Hausmittel, Flüssigkeitsrestriktion, nächtliches Wecken und „Abhalten“ ohne Klingelgerät, Bestrafung, allgemeine unspezifische Psychotherapie und Blasentraining. Beim Blasentraining besteht die Gefahr, dass eine Nephrologische Komorbiditäten - Harnwegsinfektionen, symptomatisch und asymptomatisch, mit/ohne vesikoureteralem Reflux 8 Therapie 6. Schule Unsere Klinikschule bietet einen schulischen Überbrückungs- und Regelunterricht an, der die krankheitsbedingte Leistungsminderung der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt. In der klinikeigenen, staatlich genehmigten Schule wird in kleinen Schülergruppen entsprechend der Schulart Regelunterricht erteilt. Der Umfang des Unterrichtes wird mit dem Therapieplan abgestimmt, die Anzahl der Unterrichtsstunden beträgt mindestens 10 Stunden/ Woche. Die Schule ist Teil des ganzheitlichen interdisziplinären Behandlungskonzeptes. Es erfolgen sowohl die Abstimmung mit dem Lehrplan der Heimatschule als auch schulpädagogische Anregungen für nachbetreuende Institutionen. Dyskoordination antrainiert wird. Relaxationsmethoden haben ihren Stellenwert, Retentionsübungen mit Anspannung des Beckenbodens sollten unterlassen werden. 5.5. Einbeziehung der Eltern Mit der Verschickung des Fragebogens und der Auswertung desselben im Aufnahmegespräch werden wichtige Daten erfasst, die die Diagnostik- und Therapiestrategie erleichtern. Dies betrifft Informationen zum bisherigen Umgang mit der Problematik, Verhaltensweisen und Behandlungsversuchen. Im Gespräch wird ein sensibler Umgang mit der Problematik mit Ansprechen der Tabuisierung, der bestehenden intrafamiliären Konflikte und möglicher familiärer Dysfunktionalität gewählt. Familiäre Ressourcen und Entlastung hinsichtlich Schuldgefühlen werden signalisiert. Die Eltern werden über die Aufnahmebedingungen, Regeln und Struktur und das Behandlungskonzept informiert. Der Kontakt zwischen Kind und Eltern wird durch eine großzügige Besuchsregelung und regelmäßige Telefonate aufrecht erhalten und gefördert. Mitaufgenommene Eltern werden zu Co-Therapeuten. In einem abschließenden Gespräch am Ende der Rehabilitationszeit werden die Eltern über Verlauf und Ergebnis informiert. Sie erhalten Hinweise und Beratung zum weiteren Umgang. Ein Nachsorgeprogramm wird besprochen. Ziel des Schulbesuchs ist letztendlich die Aufrechterhaltung des schulischen Leistungsstandards und die Vermeidung von Defiziten im Lehrplan. Somit wird eine Reintegration nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme erleichtert. 9 7. Nachsorge 8. Teamgespräch Zur Sicherung des Behandlungserfolges im Rahmen eines Gesamtkonzeptes ist die Weiterbetreuung unbedingt erforderlich. Im Abschlussgespräch werden Nachsorgeempfehlungen erarbeitet, die im ärztlichen Entlassungsbericht aufgeführt werden. Bei Bedarf erfolgt eine Kontaktaufnahme zu entsprechenden Behandlungsstellen (Kinderarzt, Hausarzt, Psychologe). Die stationäre Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Harninkontinenz und Enuresis verlangt eine gute Koordination mit wechselseitiger Abstimmung aller Therapeuten. An der Teambesprechung am Ende der 1. Woche nehmen behandelnder Arzt, Psychologe, Erzieher, Lehrer, Therapeuten, Heil- und Sozialpädagogen teil. Es werden die ersten Daten aus Diagnostik und Verhaltensbeobachtung ausgewertet. In weiteren wöchentlichen Teamgesprächen wird der Behandlungsverlauf jedes einzelnen Patienten besprochen und entsprechend angepasst. Kurzfristige Absprachen zwischen den am Gesamtkonzept beteiligten Mitarbeitern bzw. Eltern sind selbstverständlich. Wichtige Informationen für den weiterbehandelnden Arzt werden über einen Kurzbrief mitgeteilt. Es werden Empfehlungen für die weitere ambulante Betreuung, die Sicherung des Behandlungserfolges und die Maßnahmen bei möglichen Rückfällen gegeben. Bei bisher fehlender ambulanter Behandlung bemühen wir uns um die Vermittlung einer geeigneten Behandlungsstelle. 10 Im letzten Teamgespräch werden Nachsorgeempfehlungen erarbeitet. 9. Qualitätssicherung 10. Rahmenbedingungen Die Klinik ist seit 2008 nach IQMP-Reha zertifiziert. Dies ist ein Zertifikat mit Bestätigung (EQR = Excellente Qualität in der Rehabilitation). Wir orientieren uns an den Vorgaben der verbindlichen BAR-Rechtlinien (Vereinbarung zum internen Qualitätsmanagement nach § 20, Abs. 2a, SGB IX). Alter: Aufnahme ab dem 6. Lebensjahr, entweder in eine indikationsspezifische Gruppe von 12 bis maximal 14 Kindern/Jugendlichen oder mit Begleitperson in den Wohnbereichen für Kinder mit Begleitpersonen, zusammen mit anderen Indikationsgruppen. Für Diagnostik, Therapie und Nachsorge gelten die Empfehlungen und bewährten Standards der entsprechenden Fachgremien. Therapiedauer: Sie beträgt in der Regel 6 Wochen, bei Kindern mit Begleitpersonen 4 Wochen, jeweils mit der Möglichkeit zur Verlängerung um 2 Wochen Die Behandlungsergebnisse werden im engen fachlichen Austausch mit den an der Betreuung beteiligten Therapeuten und Institutionen in Form eines anzustrebenden Netzwerkes besprochen und kritisch bewertet. 11 Für die Gruppe steht ein stabiles, erfahrenes Betreuerteam, einschließlich durchgängiger nächtlicher Betreuung, zur Verfügung. 11. Räumliche und personelle Ausstattung 12. Zeitliche und inhaltliche Koordination u. praktischer Ablauf der Rehabilitation Räumliche Ausstattung: Kind- und jugendgerecht eingerichteter Wohn- und Schlafbereich, incl. Dusche und WC sowie Aufenthaltsräume mit Radio, Video, TV und Telefonanschluss. Schulungs- und Entspannungsräume, Behandlungsräume Ergo-, Moto- und Musiktherapie, Sporthalle, Gymnastik- und Fitness-Räume, Sauna. - Nach der Genehmigung des Antrages auf Rehabilitation für ein Kind bzw. Jugendlichen mit der Symptomatik des Einnässens beginnt die Kontaktaufnahme mit der Klinik zwecks Vereinbarung eines Aufnahmetermins. Manche Eltern nutzen auch eine informative Klinikführung und die Möglichkeit zu einem Gespräch mit dem Arzt am „Schnuppertag“. - Mit der Versendung eines strukturierten Fragebogens zur Einnässproblematik werden wichtige anamnestische Daten erhoben. Es erfolgt die Sichtung der Antragsunterlagen mit Wertung der ärztlichen Angaben zur Anamnese und Symptomatik. - Ein ausführliches Aufnahmegespräch mit Patient und Eltern dient der Präzisierung und Ergänzung der bisher erhobenen Daten. - In der Beobachtungsphase (1. Woche) erfolgen die Komplettierung der Diagnostik sowie eine sorgfältige Registrierung der Symptome und des Verhaltens, mitunter eine psychologische Exploration. Die Zusammenfassung der patientenspezifischen, klinischen und diagnostischen Befunde erlaubt die Zuordnung zu einer diagnostischen Kategorie und ermöglicht die Aufstellung eines vorläufigen Behandlungsplanes. Im Ergebnis des Teamgesprächs am Ende der 1. Woche steht die Konkretisierung des Behandlungsplanes. - Im weiteren Verlauf werden Elterngespräche geführt, und wenn nötig patientenspezifische Änderungen der Therapie vorgenommen. - Am Ende der Rehabilitation stehen ein Resümeè, eine Einschätzung des Verlaufs und des Rehabilitationsverfolges sowie eine Beratung für Patient und Eltern mit praktischen Empfehlungen sowie die Organisation der Nachsorge. Abteilung Physiotherapie mit Hydrotherapie, Unterwassermassage, Bäderbehandlung und Elektrotherapie, Bewegungsbecken mit Gegenstromanlage. Krankenstation mit Notfallraum 3 Speisesäle Weiträumige Außenanlage mit Sport-und Spielflächen für vielfältige Beschäftigungsspiele sowie ein Tischtennisraum. Personelle Ausstattung: Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Dermatologie, Orthopädie, Urologie (extern konsiliarisch), Psychologen, Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Musik-, Ergo- und Mototherapeuten, Ökotrophologin und Diätassistentinnen, Physio- und Sporttherapeuten, Kinderkrankenschwestern und Krankenschwestern, Erzieher (mit Fachkenntnis und Erfahrung bei Enuresispatienten), Lehrer. 2 Enuresistrainer befinden sich in Ausbildung. 12 13. Literaturverzeichnis 1. Bachmann, H. und C. Steuber (Hrsg.) Kontinenzschulung im Kindes- und Jugendalter Manual für die standardisierte Diagnostik, Therapie und Schulung bei Kindern und Jugend-lichen mit funktioneller Harninkontinenz, 2010, Pabst, Science Publishers 9. Zulley, J. und Barbara Schneider: Schlaf, Schlafstörungen und Enuresis nocturna bei Kindern 7./8./9. in Kinderärztliche Praxis, Sonderheft „Bettnässen“ 81. Jahrgang, Jan. 2010 10. Kneifel, G.: Keine Angst vor nassen Nächten Pädiatrix 1, 2003, S. 7 - 10 2. Benz, M. R. et al.: Enuresis 11. Marschall-Kehrel, Arne-Daniela: Der „goldene Weg“ zum trockenen Kind, erfolgreicher Therapie- Mein Kind ist Bettnässer Pädiatrie (20. Jahrgang) 1, 2008, S. 28 34 algorithmus päd., Praktische Pädiatrie 5/2007, S. 2 3. v. Gontard, A. und G. Lehmkuhl Enuresis (Band 4) 2. überarbeitete Auflage Hogrefe Verlag 2009 12. Marschall-Kehrel, Arne-Daniela: Enuresis-Therapie Kinder- und Jugendmed. 4/2008 4. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugend- psychiatrie und psychotherapie (Hrsg.) Enuresis und funktionelle Harninkontinenz Deutscher Ärzteverlag, 3. überarbeitete Auflage 2007 13. Nevéus, T. et al. (2006) The standardisation of terminolgy of lower urinary tract function in children and adolescents Journal of Urology, 176, 314 324 14. Warpakowksi, Andrea; Bettnässen ist eine 5. 104. Jahrestagung der DGKJ, Sept. 2008 Satellitensymposium Aktuelle Therapieoptionen bei kindlicher Harninkontinenz und Enuresis Beetz, R.: Schlüssel zur angemessenen Therapie: Differentialdiagnose bei Enuresis und Inkontinenz Kuwertz-Bröking, E.: Urotherapie Ansätze zu einem neuen Therapieverständnis Wilke, Sibylle: Pharmakotherapie bei Harninkontinenz und Enuresis v. Gontard, A.: Eine therapeutische Herausforderung, das Kind mit Harninkontinenz und ADHS 6. Kindliche Harninkontinenz und Enuresis Einnässen im Kindesalter - Aktuelles aus Diagnostik und Therapie Kinder- und Jugendarzt (Supplement) 39. Jahrgang (2008) Nr. 12 7. Henne, T.: Harninkontinenz und Enuresis - pathophy- siologische und klinische Aspekte 8. Kuwertz-Bröking, E.: Harninkontinenz und Enuresis - praktisches Vorgehen in der kinderärztlichen Praxis 13 therapiebedürftige Erkrankung (neue Studiendaten zur Enuresis) Kinder- und Jugendarzt 4/2008 15. Gemeinsames Rahmenkonzept der BAR - Verein- barung zum internen Qualitätsmanagement, Frankfurt M. 2008 16. Vande Walle J et al. Eur J Pediatr 2012; 171(6): 971-983 Praktische Konsensus-Leitlinie zur Enuresis- Therapie. Abkürzungsverzeichnis ADH Antidiuretisches Hormon ADHS Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom AVT Apparative Verhaltenstherapie BAR Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation EQR Excellente Qualität in der Rehabilitation ICD-10 International Classifcation of Diseases, Zehnte Version ICCS International Children´s Continence Society MEN Monosymptomatische Enuresis nocturna Non MEN Nicht monosymptomatische Enuresis nocturna VUR vesiko-ureteraler Reflux WHO World Health Organisation 14. Anhang Symtombeschreibung bei Harninkontinenz (nach Neveus. T. et al., 2006) Symptom Erläuterung Bemerkungen Pollakisurie* („daytime frequency“) ** >8 Miktionen am Tag Definiert wird nur die Miktionsfrequenz während der Wachstunden Erniedrigte Miktionsfrequenz* („decreased daytime frequency“) <4 Miktionen am Tag Definiert wird nur die Miktionsfrequenz während der Wachstunden Ständiges Harnträufeln Konstanter Urinverlust z. B. bei ektopem Ureter (Mädchen) Intermittierende Inkontinenz Urinverlust mit „trockenen“ Intervallen Imperativer Harndrang („urgency“) Plötzlich einsetzender, unerwarteter Harndrang Nykturie Erwachen aus dem Schlaf und bewusste Miktion auf der Toilette Bei Schulkindern oft physiologisch Verzögerte Miktion („hesitancy“) Erschwerte Miktionseinleitung Das Kind muss längere Zeit warten, bis die bewusst beabsichtigte Miktion einsetzt Pressen („straining“) Einsatz der Bauchpresse zur Einleitung und während der Miktion Abgeschwächter Harnstrahl („weak stream“) unterbrochene Miktion („intermittency“) Portionsweise Miktion, von kurzen Pausen unterbrochen Halte-Manöver („holding maneuvers“) Erkennbare Manöver, um eine Miktion zu unterdrücken (z. B. Hocke mit Ferse im Dammbereich, Übereinanderschlagen der Beine etc.) Gefühl der inkompletten Blasenentleerung („feelinig of incomplete emptying“) Postmiktionelles Harnträufeln (post-micturition dribble“) *Die Miktionsfrequenz ist oft anamnestisch schwieriger zu erfassen als durch ein mehrtägiges Miktionstagebuch, das dann auch die Tages-Trinkmenge mit einbeziehen sollte **Manche Begriffe sind im Englischen prägnanter. Hier werden deshalb die von der ICCS verwendeten Bezeichnungen zusätzlich aufgeführt 14 Anhang Kindernephrologische/urologische Termini sowie Definition und Normalwerte für die Basisdiagnostik Parameter/Definition/Termini Erklärung und Normalbefunde 1. Miktionsfrequenz 3 - 5 (-7) Tag vermindert < 3/Tag vermehrt >8/Tag 2. Blasenvolumen (ml) (Blasenkapazität, EBC, entspr. erwartetem Miktionsvolumen) (Alter +1 J.) x 30 anwendbar bis zum 12. Lebensjahr danach: 390 ml Diese Formel ist Anhaltswert <65% der EBC >150% der EBC - kleine Blasenkapazität - große Blasenkapazität 3. Maximales Miktionsvolumen (maximale Füllung der Blase) Maximale Harnmenge, die während eines längeren Zeitraums (Miktionstagebuch) bei einer Miktion entleert wird. 4. Funktionelle Blasenkapazität FBC Quersumme der täglichen Miktionsportionen/Anzahl der Miktionen 5. Nächtliches Diuresevolumen (NDV) Windelgewicht - Windelnettogewicht + Urinmenge (1. Entleerung am Morgen) Harnmenge, die nachts während des Schlafes produziert wird (Windelgewicht - Windelnettogewicht + Menge der 1. Urinportion am Morgen) 6. Normale nächtliche Harnproduktion 20 ml/Stunde (während des Schlafes) 7. Polyurie Harnmenge >2 Liter/m² KO/24 Stunden 8. Nächtliche Polyurie NDV 20 % über der erwarteten altersentsprechenden Blasenkapazität 9. Restharn Normal < 5ml Grenzbereich 5 - 20 ml Pathologisch > 20 ml 10. Blasenwanddicke bei voller Harnblase < 4 mm bei entleerter Harnblase < 6 mm 15 Anhang Miktionsverhalten und Technik Regulierung der Trinkmenge - Regelmäßige, gleichmäßig über den Tag verteilte Flüssigkeitszufuhr „7-Becher-Training“ 7 Becher über den Tag verteilt mit jeweils 100 - 200 ml, letzte Portion 2 Stunden vor dem Schlafengehen - Oder: empfohlene Trinkmenge/Tag 50% bis 13.00 Uhr 75% bis 17.00 (18.00) Uhr Rest zum Abendessen/vor dem Schlafengehen Kutschersitz auf dem WC Füße stehen fest auf dem Boden oder Hocker Beine 90° angewinkelt und „baumeln“ nicht Oberkörper entspannt vorgebeugt Arme auf Oberschenkel aufgestützt Empfohlene Trinkmenge (F. Manz, et al., Forschungsinstitut für Ernährung Dortmund (2003 und 2005) Alter: 4 - 6 Jahre 800 ml 7 - 9 Jahre 900 ml 10 - 12 Jahre 1000 ml 13 - 14 Jahre 1200 ml Erwachsene Männer: Erwachsene Frauen: - rechtzeitiger Toilettengang bei Harndrang, Haltemanöver vermeiden - grundsätzlich Miktion im Sitzen für beide Geschlechter Gleichmäßiger, an Intensität abnehmender, nicht unterbrochener Strahl hörbar - vor dem Schlafen die Blase in Ruhe vollständig entleeren - Stuhlregulation - Führen eines Trink- und Miktionsprotokolls sowie eines Trocken-Nass-Kalenders 1600 ml 1250 ml Getränke: Trinkwasser, Mineralwasser, verdünnte Säfte, ungesüßte, koffeinfreie Tees 16