EMR_Gutachten_Satellit_GSDZ

Transcription

EMR_Gutachten_Satellit_GSDZ
Gutachten
Der Zugang zur digitalen Satellitenverbreitung
Digitalisierung und Fernsehen ohne Grenzen
Im Auftrag der
Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang
der
Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten
Erstellt durch das
Institut für Europäisches Medienrecht e.V. (EMR)
Medienzentrum
Nell-Breuning-Allee 6
66115 Saarbrücken
Alexander Roßnagel/Werner Sosalla/Thomas Kleist
Saarbrücken, im Mai 2003
2
Bearbeitet von
RA Thomas Kleist (Direktor, Vorsitzender des Vorstands des EMR),
Prof. Dr. Alexander Roßnagel (Wissenschaftlicher Direktor) und
RA Werner Sosalla (Mitglied des Vorstands des EMR, Direktor der Landesmedienanstalt
Saarland a.D.) sowie
RA Alexander Scheuer (Geschäftsführer, Mitglied des Direktoriums des EMR),
Rechtsassessor Jan Peter Müßig (wissenschaftlicher Mitarbeiter am EMR)
3
4
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
5
Management Summary
8
Einleitung
10
1.
12
2.
3.
Fragestellung
1.1. Vielfaltssicherung
1.1.1
Ursprungskonzept
1.1.2
Herausforderungen
13
13
13
1.2
Europäische Integration – „Fernsehen ohne Grenzen“
14
1.3
Zielsetzung und Gang der Untersuchung
15
Ausgangsbedingungen
17
2.1. Technik
2.1.1. Satellitenrundfunk in Europa
2.1.2
Verschlüsselung
2.1.3
Antennen
2.1.4
Receiver
2.1.5
Zusatzdienste
17
17
18
19
19
20
2.2 Wirtschaft
2.2.1
Die Satellitenbetreiber
2.2.2
Funktion des Satellitenempfangs
2.2.3
Europäische Rundfunkmärkte – Ausgangslage und Überblick
2.2.4
Der Vergleich ausgewählter Länder im Einzelnen
2.2.5
Offenheit im europäischen Binnenmarkt
2.2.6
Folgerungen für die Entwicklung eines europäischen Markts
20
20
25
25
31
46
46
2.3
47
Zusammenfassung
Der Satellitenrundfunk im geltenden Recht
48
3.1 Europäisches und deutsches Verfassungsrecht
3.1.1
Zugangsrecht und Grundfreiheiten auf europäischer Ebene
3.1.2
Zugangsrecht und Grundrechte in Deutschland
3.1.3
Zusammenfassung
48
48
54
56
3.2 Zur Geschichte der Regulierung des Satellitenempfangs
3.2.1
Überblick über die verfolgten Regulierungsansätze
3.2.2
Schlussfolgerungen für die Situation heute
57
57
60
3.3 Gegenwärtige Rechtslage und bestehende Rechtsprobleme
3.3.1
Die neuen Kommunikations-Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft
3.3.2
Frequenzvergabe
3.3.3
Empfangsfreiheit
3.3.4
Zugang zum Satelliten
3.3.5
Verbreitung und Urheberrecht
3.3.6
Zusammenfassung
61
61
63
71
84
109
122
3.4 Regelungen in anderen Staaten
3.4.1
Rechtslage in den einzelnen Beispielsländern
3.4.2
Zusammenfassung
125
126
148
5
4.
5.
6.
Veränderungen durch die Digitalisierung
150
4.1 Veränderungen
4.1.1
Transparenz der Transportwege
4.1.2
Vervielfachung der Übertragungskapazität
4.1.3
Verbreitungsgebiet
4.1.4
Conditional Access
4.1.5
Interaktivität
4.1.6
Neue Prozesse durch Digitalisierung
4.1.7
Abrechnungsverfahren
4.1.8
Nutzungsprofile und Zuschauerdaten
150
150
151
152
153
153
154
156
157
4.2 Marktentwicklung
4.2.1
Technische Verfügbarkeit
4.2.2
Der Markt für interaktive Angebote
157
157
158
4.3 Handlungsoptionen der Beteiligten
4.3.1
Satellitenbetreiber
4.3.2
Kabelnetzbetreiber
4.3.3
Programmveranstalter
4.3.4
Endgeräteindustrie
4.3.5
Rechteinhaber
4.3.6
Zuschauer
158
158
159
160
161
162
163
4.4
164
Fragestellungen
4.5 Mögliche Zukünfte
4.5.1
Trendszenario
4.5.2
Integrationsszenario
4.5.3
Dienstleistungsszenario
165
166
168
170
4.6
172
Zusammenfassung
Neue Rechtsprobleme durch die Digitalisierung
174
5.1
Regelungsregime
174
5.2
Frequenzvergabe
175
5.3
Zugang des Empfängers
176
5.4 Zugang der Programmveranstalter
5.4.1
Rundfunkpolitische Ziele
5.4.2
Marktentwicklung
5.4.3
Endgeräte
177
177
178
182
5.5 Urheberschutz und Informationsfreiheit
5.5.1
Relevante Veränderungen durch die Digitalisierung
5.5.2
Gefährdung des europäischen Rundfunkmarkts
5.5.3
Beschränkung des individuellen Zugangs
5.5.4
Europaweit interessierende Sendungen
5.5.5
Rechtlicher Regelungsbedarf
183
183
184
185
185
186
5.6
187
Zusammenfassung
Strategien zur Sicherung des Zugangs
188
6.1 Handlungsstrategien im Trendszenario
6.1.1
Herausforderungen für Vielfalt und Zugangsfreiheit
6.1.2
Auswirkungen auf die Regulierung
190
190
192
6.2 Handlungsstrategien im Integrationsszenario
6.2.1
Herausforderungen für Vielfalt und Zugangsfreiheit
6.2.2
Auswirkungen auf die Regulierung
194
194
195
6.3 Handlungsstrategien im Dienstleistungsszenario
6.3.1
Herausforderungen für Vielfalt und Zugangsfreiheit
201
201
6
6.3.2
6.4.
7.
8.
Auswirkungen auf die Regulierung
Zusammenfassung
Strategien zur Sicherung der Verbreitung
202
203
205
7.1 Trendszenario
7.1.1
Gemeinsamer Rechteerwerb
7.1.2
Listenregelungen
7.1.3
Die Unterscheidung nach Sprachgebieten
7.1.4
Die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter Zugangspflicht
7.1.5
Ergebnis
206
207
207
209
210
211
7.2 Integrationsszenario
7.2.1
Listenregelungen
7.2.2
Die Unterscheidung nach Sprachgebieten
7.2.3
Die Abgeltung der Rechte entsprechend der tatsächlichen Nutzung
7.2.4
Die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter Zugangspflicht
7.2.5
Ergebnis
7.2.6
Auswirkungen der vertikalen Integration auf das Vergütungsmodell
212
213
213
214
215
215
215
7.3 Dienstleistungsszenario
7.3.1
Listenregelungen
7.3.2
Die Unterscheidung nach Sprachgebieten
7.3.3
Die Abgeltung der Rechte entsprechend der tatsächlichen Nutzung
7.3.4
Die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter Zugangspflicht
7.3.5
Urheberrechtsprobleme durch Modularisierung von Produktion und Vertrieb?
216
217
217
217
218
218
7.4
218
Rechtsetzungskompetenz und Regelungsform
7.5 Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Lösung mit Rechtspositionen der Urheber und Lizenznehmer
7.5.1
Eigentum
7.5.2
Berufsfreiheit
7.5.3
Ergebnis
219
220
221
222
7.6
Die Verortung im internationalen Urheberrecht
222
7.7
Zusammenfassung
223
Handlungsempfehlungen
224
Abkürzungsverzeichnis
229
Literaturverzeichnis
234
7
Management Summary
1. Die Beantwortung der Frage, ob die möglichen Auswirkungen der Digitalisierung der
Satellitenübertragung auf einen freien und vielfältigen Rundfunk veränderte Regulierungskonzepte erfordern, setzt eine Analyse der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Prognosen zu verschiedenen möglichen Zukunftsentwicklungen voraus.
2. Bei der Satellitenübertragung in Europa ist bisher weitestgehend das Anbieten von Inhalten und von Übertragungskapazitäten wirtschaftlich getrennt. Der Satellit hat sich als ein bedeutendes, gegenüber Inhalten neutrales und unter Vielfaltsgesichtspunkten förderliches
Übertragungsmedium etabliert.
3. Sowohl das europäische als auch das deutsche Recht fordern einen vielfältigen, europaweit frei und chancengleich zugänglichen Rundfunk, ohne allerdings einzelnen Akteuren einen unmittelbar durchsetzbaren Anspruch auf Zugang zur Satellitenübertragung zu geben. Die
jeweils zuständigen Gesetzgeber, Gerichte und Behörden verfügen über ausreichende Möglichkeiten, um durch Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen die Zielsetzung eines
vielfältigen Rundfunks ohne Grenzen zu verfolgen.
4. Die Digitalisierung könnte die beschriebene Entwicklung dahingehend verändern, dass
neue Übertragungskapazitäten, Kommunikationsformen und Kooperationsmöglichkeiten geschaffen werden, die die Handlungsbedingungen für Satellitenbetreiber, Kabelnetzbetreiber,
Programmveranstalter, Endgeräteanbieter, Rechteinhaber und Zuschauer nachhaltig beeinflussen . Dadurch könnte die Zugangsmöglichkeit der Programmveranstalter und der Zuschauer
zum Verbreitungsweg Satellit beeinträchtigt werden.
5. Ob die Digitalisierung der Satellitenübertragung für einen freien und vielfältigen Rundfunk positive oder negative Auswirkungen hat, hängt unter anderem davon ab, welche neuen
Organisationen, Prozesse, Technikanwendungen und Geschäftsmodelle sich durchsetzen. Die
Untersuchung bezieht hier die Methode ein, künftige Entwicklungen idealtypisch durch Szenarien zu beschreiben. Das Trendszenario, das die wahrscheinlichste Entwicklung beschreibt,
geht von der Vorgabe aus, dass – wie in der Vergangenheit – die Anbieter von Übertragungskapazitäten ihre Dienstleistungen zu fairen und chancengleichen Bedingungen allen Programmveranstaltern und Zuschauern bereit stellen. Das Integrationsszenario geht davon aus,
dass – wie für das Kabelnetz diskutiert – Satellitenbetreiber auch am Angebot von Inhalten
interessiert sind und daher der Wettbewerb um den Zugang zum Satelliten beeinträchtigt werden könnte. Das Dienstleistungsszenario unterstellt, dass neue Dienstleistungsangebote im
Rahmen von Übertragungsplattformen entstehen, die den Vertrieb, das Marketing, die Verbreitung, den Schutz, die Abrechnung und die Verwaltung von Programmen anbieten und
koordinieren.
6. Für die Sicherung des freien und chancengleichen Zugangs zum Satelliten ist insbesondere entscheidend, wie sich der Wettbewerb künftig entwickelt. Es sind vor allem drei Faktoren,
die die Unabhängigkeit und Vielfalt des über Satellit verbreiteten Fernsehens beeinflussen
können, nämlich die Trennung von Netzen und Inhalten, die Standardisierung der Empfangsund Zugangssicherungssysteme sowie die Entwicklung neutraler, von Inhalteanbietern unabhängiger Plattformen, die es auch kleineren Inhalteanbietern erlauben, die Grundfunktionen
für ein digitalisiertes Angebot zu erbringen. Im Trendszenario sind keine, im Integrationsszenario stärkere und im Dienstleistungsszenario eventuell unterstützende regulatorische Eingriffe erforderlich. Um auf alle möglichen Zukunftsentwicklungen vorbereitet zu sein, sollten auf
8
europäischer Ebene wirksame Mechanismen vorgehalten werden, die die Entwicklung des
Satellitenrundfunks beobachten und regulatorisch wirken, soweit, solange und sobald der
Markt der Satellitenübertragung die Voraussetzungen eines chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs nicht erfüllt.
7. Für die Sicherung der freien und europaweiten Verbreitung über Satelliten sind vor allem
die territoriale Vergabe von Senderechten und deren technische Absicherung durch Verschlüsselung entscheidend. Dieses Ziel könnte auch bei territorialer Rechtevergabe durch eine
Verpflichtung der Programmveranstalter und Plattformanbieter, jedem interessierten Zuschauer auf dessen Anfrage Zugang zu gewähren, in einer Form erreicht werden, die den Eingriff in die Rechte der Urheber so gering wie nötig hält.
8. Auch wenn kein akuter Handlungsbedarf festgestellt wird, schließt das Gutachten mit
zehn konkreten Handlungsempfehlungen für die Landesmedienanstalten. Deren Umsetzung
ist unabhängig von der konkreten Entwicklung des Satellitenrundfunks und ihrer Dynamik.
Sie orientieren sich an dem Ziel, den weiteren Weg in die Digitalisierung vielfaltsorientiert
und unter Beachtung einer ausgewogenen Marktentwicklung zu gestalten. Sie bieten Regulierungsoptionen, die hinsichtlich ihrer Umsetzung und Intensität vor allem von der Einschätzung abhängig sind, ob und inwieweit ein Szenario Realität wird, in dem starke Medienunternehmen auch im Bereich des Satellitenrundfunks nicht nur die Inhalte, sondern auch die
Transportkapazitäten und Netze beherrschen.
9
Einleitung
Die Satellitenbetreiber, allen voran SES-Astra und Eutelsat, haben sich im vergangenen Jahrzehnt in Europa, vor allem aber in Deutschland, eine starke Position erobert. Ein gutes Drittel
der Haushalte in Deutschland wird über eine Parabolantenne direkt mit mehreren hundert
Programmen versorgt – Tendenz weiter steigend.
Wegen der technischen Parameter sind es heute noch vor allem Ein- und Zwei-FamilienHäuser, für die der Satellit unter dem Aspekt der Vielfalt, vor allem aber unter Kostengesichtspunkten eine Alternative zum Kabelanschluss bietet.
Nicht zuletzt die Veränderungen im Kabelmarkt machen den Satelliten außerdem zunehmend
attraktiv als Lieferant von Fernsehsignalen für kleine und mittlere Betreiber von BreitbandKabelnetzen. Mittlerweile rückt die Tatsache stärker ins Bewusstsein, dass der Satellitenempfang schon heute auch für diejenigen Haushalte, die in der Statistik als Kabelkunden ausgewiesen sind, ein unverzichtbares Glied in der Kette des Signaltransports darstellt: Das selbe
Satellitensignal, das für den Direktempfang zur Verfügung steht, wird für die Zuführung der
Programme in die Kabelnetze genutzt. Alle Kabelzuschauer sind daher letzten Endes auch
Satellitenkunden.
Ganz anders als das Breitbandkabelnetz, das von Beginn an Gegenstand politischer Gestaltung war und heute noch Objekt hoheitlicher Regulierung ist, hat sich der Transportweg Satellit weitestgehend frei von Regulierung unter Marktbedingungen entwickelt und etabliert.
Zwar hat es auf nationaler wie auf europäischer Ebene zunächst verschiedene Versuche gegeben, die damals neue Technologie regulatorisch zu begleiten, wobei zumindest zeitweise der
Schutz des Postmonopols das ausschlaggebende Motiv des Handelns war. Die Versuche sind
allerdings allesamt gescheitert, weil die traditionellen Regulierungsmechanismen des Rundfunks letztlich mit der Realität der technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen nicht
Schritt halten konnten.
Seither hat sich die Satellitentechnologie im TV-Segment unauffällig und nahezu ohne regulatorische Vorgaben entwickeln können. Wirkliche oder vermeintliche Missstände, die im
Bereich des Breitbandkabels Anlass für grundlegende medienpolitische Diskussionen waren,
hat man dem Satelliten nachgesehen: Vorübergehende Engpässe, eine unklare Vergabe- und
Preispolitik, der faktische Ausschluss einzelner Anbieter – all dies wurde in der deutschen
Medienpolitik kaum zur Kenntnis genommen. Angebot und Nachfrage bestimmten den Preis.
Da die für die Satellitenverbreitung zu zahlenden Entgelte an der Reichweite orientiert sind,
ist der Satellit im Wesentlichen ein überregionaler Distributionsweg geworden. Völlig selbstverständlich verhinderte der Preis lange Zeit, dass kleine oder regionale Veranstalter den Zuschauer erreichen, der nur noch die Parabolantenne benutzt. Obwohl dieser Umstand vor allem öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit ihren dritten Programmen überall dort erheblich zu schaffen machte, wo die Hausantenne einer Satellitenschüssel weichen musste, war
dies von wenigen Ausnahmen abgesehen akzeptiert, während die Kabelnetzbetreiber – unabhängig von den jeweiligen technischen Strukturen – zum teilweise kostenfreien Transport
regionaler und lokaler Angebote verpflichtet wurden. Während die Umsetzung eines elektronischen Programmführers (EPG) oder einer sonstigen Navigationshilfe für das digitale Kabel
auch heute noch lebhafte Diskussionen auslösen können, sind derartige EPG’s im Bereich
digitaler Satellitentechnik längst etabliert, ohne dass öffentliche Aufregung um die Positionierung von ARD und ZDF erkennbar gewesen wäre.
10
Insgesamt scheinen sich die Satellitenbetreiber eine Vertrauensposition erarbeitet zu haben,
die trotz ihrer erheblichen und ständig wachsenden Bedeutung für die Versorgung des Landes
mit Rundfunk kaum eine andere Reaktion hervorruft als Zufriedenheit.
Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich dies demnächst ändern müsste – oder doch?
Die fortschreitende Digitalisierung und mit ihr die Entwicklung neuer Angebote und Vermarktungsansätze wird alle Ebenen berühren: Veranstalter, Zuschauer und Transporteure. Sie
wird neue Anforderungen an die technischen Plattformen stellen und die Notwendigkeit differenzierter Abrechnungstechnologien mit sich bringen. Zugleich entstehen – etwa mit DVB-T
einerseits oder IP (Internet Protokoll)-basierten Diensten andererseits – neue Distributionsangebote, die das theoretische Potenzial haben, bisherige Strukturen zu verändern.
Die tatsächlichen Auswirkungen denkbarer Veränderungen lassen sich nicht ohne weiteres
absehen, zumal die schwerpunktmäßige Betrachtung eines einzelnen Distributionswegs nicht
von den möglichen Entwicklungen alternativer Verbreitungsformen abgekoppelt werden
kann. Zumindest eine Bestandsaufnahme und die Erörterung möglicher Perspektiven erscheinen aber schon heute möglich und angebracht: Die Diskussion um das Kabelnetz zeigt, wie
rasch sich potenzielle Risiken realisieren können; die im Grunde immer noch offenen Fragen
um die digitale Satellitenübertragung von Sportereignissen geben erste Hinweise darauf, dass
sich auch im Umfeld der Satellitenübertragung die Parameter allmählich ändern. Die Europäische Union jedenfalls sieht zumindest im Bereich der Rechtesituation akuten Handlungsbedarf.
Wie die Risiken und Chancen für einen offenen Zugang zu Wegen und Inhalten einzuschätzen
sind, ob und inwieweit Handlungsbedarf besteht bzw. welche rechtlichen Gestaltungen denkbar sind, untersucht das vorliegende Gutachten vorrangig für den Bereich digitaler Satellitenübertragung. Dabei steht im Vordergrund, Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen, die das
bisherige Erfolgsmodell nicht behindern, sondern unterstützen. Das Gutachten soll einen Beitrag dazu leisten, eine sachliche Diskussion unter Umständen zu führen, die es erlauben, frühzeitig im Dialog mit allen Beteiligten die weitere Entwicklung zu gestalten.
11
1.
Fragestellung
Die Satellitenübertragung war und ist eine der tragenden technischen Säulen für die Entwicklung unserer vielfaltsorientierten Rundfunklandschaft. Sie wird künftig die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen noch stärker prägen, als dies bisher der Fall war.
Die Präsenz der Satellitenübertragung in den medienpolitischen Diskussionsforen als Gegenstand eigenständiger politischer und rechtlicher Gestaltungsansätze war und ist demgegenüber
erstaunlich gering. Die positive Ordnung des Rundfunks scheint sich auch heute noch in inhaltlicher Hinsicht auf Fragen wie Lizenzierung und Grundversorgung und technisch auf die
Rahmenbedingungen der Terrestrik und des Breitbandkabelnetzes im Zeichen der Digitalisierung zu beschränken. Dies mag seine Ursache nicht zuletzt in dem Umstand gehabt haben,
dass sich Rundfunk via Satellit zumindest in der für Deutschland relevanten Konstellation
rasch der nationalen Gestaltungshoheit entzogen hatte und zu europäischer Dimension gelangt
war. Damit wurden die Mechanismen der regulatorischen Beeinflussung komplexer, denn sie
berührten mit dem europäischen Rundfunk- und Telekommunikationsrecht zugleich jenen
Bereich, in dem Bund wie Länder massive Steuerungsdefizite hatten und zum Teil noch heute
haben.
Erst die gelegentlich unübersichtliche Entwicklung während des versuchten Verkaufs der
Breitbandkabelnetze an Liberty mit ihren potenziell weit reichenden Folgen für das bis dahin
stabil geglaubte System inhaltlicher und technischer Verantwortung hat eine Sensibilisierung
für die Dynamik bewirkt, die derartige Systeme entwickeln können. Der Ablauf des Geschäfts
hat zugleich gezeigt, dass es zur Wahrung eines möglichst weiten politischen Gestaltungsrahmens darauf ankommt, konzeptionelle Grundüberlegungen zu einer Zeit anzustellen, die
noch nicht von akutem Handlungsbedarf geprägt ist.
Ebenso wie im Bereich der Breitbandkabelnetze sind auch im Rahmen der Satellitenübertragungstechnik erhebliche Veränderungen zu beobachten. Während die Digitalisierung der Terrestrik und der Kabelnetze vor allem durch die Diskussion um deren Probleme und Hemmnisse gekennzeichnet ist, haben die Satellitenbetreiber den Schritt zur Digitalisierung technisch
wie inhaltlich bereits vollzogen.
Zur Beurteilung der Frage, welche Auswirkungen die dadurch möglichen Entwicklungen im
Bereich der Satellitenübertragung von Rundfunk haben können, sind unterschiedliche Faktoren, Ziele und Interessenlagen zu analysieren. Neben der wirtschaftlichen und rechtlichen
Bestandsaufnahme und der Untersuchung der Folgen der Digitalisierung aus der möglicherweise divergierenden Sicht aller Beteiligten sind vor allem die Standortbestimmung und die
Zieldefinition der deutschen Rundfunk- und Telekommunikationspolitik im internationalen,
primär im europäischen Rahmen von Interesse1. Hieraus leiten sich unter Berücksichtigung
unterschiedlicher potenzieller Entwicklungen notwendige Rahmenbedingungen und Handlungsschritte ab.
1
Die vorliegende Untersuchung basiert auf Grunddaten zur technischen und wirtschaftlichen Entwicklung
sowie zum geltenden Rechts- und Gesetzesstand mit Datum 5.12.2002. Aktuellere Entwicklungen konnten
zum Stichtag 1.3.2003 berücksichtigt werden und sind entsprechend gekennzeichnet. Der Redaktionsschluss wird, nachdem die Abnahme des Gutachtens durch den Auftraggeber zwischenzeitlich erfolgt ist,
mit dem 15.3.2003 ausgewiesen.
12
1.1. Vielfaltssicherung
Primäres Ziel der Rundfunkpolitik der vergangenen Jahrzehnte war die Schaffung und Erhaltung eines möglichst hohen Maßes an Vielfalt von Anbietern und Angeboten in einem dualen
Rundfunksystem. Vielfaltssicherung verlangt dabei neben der breiten Verfügbarkeit inhaltlich unterschiedlicher Angebote für den Zuschauer auch eine Vielzahl von Anbietern.
1.1.1 Ursprungskonzept
Voraussetzung für die Realisierung eines solchen Modells war – neben der Existenz eines
stabilen und binnenpluralen öffentlich-rechtlichen Systems – die Verfügbarkeit hinreichend
vieler Transportkapazitäten, um sicherzustellen, dass die Zuschauer tatsächlich eine verhältnismäßig große Zahl von Angeboten empfangen können.
Das Ziel hinreichender Übertragungskapazitäten sollte zunächst durch eine flächendeckende
Kabelinfrastruktur gesichert werden. Darüber hinaus wurden regulatorische Anforderungen
definiert, die im Wesentlichen medienspezifische Konzentrationen verhindern, ein Mindestmaß an Binnenpluralität bei den privaten Anbietern gewährleisten und eine vielfaltsorientierte
Vergabe knapper Übertragungskapazitäten sicherstellen sollten. Aus der organisatorischen
Zuordnung der Transportwege bei der hoheitlich agierenden Deutschen Bundespost resultierte
als selbstverständliche Folge außerdem die Trennung von Netz und Inhalten. Dadurch verhielt
sich der Netzbetreiber völlig neutral gegenüber den transportierten Inhalten. Vielfalt konnte
allein bereits dadurch gewährleistet werden, dass unterschiedliche Veranstalter auf dem Markt
auftreten konnten und für diese die geringen Übertragungskapazitäten gerecht verteilt wurden.
1.1.2 Herausforderungen
Das Ursprungskonzept hat seither in allen Bereichen deutliche Modifikationen erfahren, von
denen für den Untersuchungsgegenstand vor allem drei Aspekte von Bedeutung sind:
1.1.2.1
Satellitenübertragung als Bestandteil der Vielfaltssicherung
Nicht zuletzt als Folge der unerwartet rasch zunehmenden Verbreitung des Satellitendirektempfangs konnte das Konzept der flächendeckenden Verkabelung aufgegeben werden, ohne
dass damit das Ziel der Versorgung der gesamten Bevölkerung mit vielfältigen Inhalten in
Frage gestellt wurde2. Daraus resultiert allerdings, dass die breitbandigen Rundfunkübertragungssysteme Kabel und Satellit heute nicht gegenseitig substituierbar sind, sondern sich –
zumindest in ihrer heutigen Struktur – ergänzen. Die Vielfalt des Angebots wird hier – trotz
oligopolistischer Struktur des Satellitenmarkts – durch die faktische Trennung von Netz und
Inhalt bewirkt.
Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, inwieweit die
Vielfalt der deutschen Rundfunklandschaft von der technischen Verfügbarkeit der Satellitenübertragung bzw. den Dienstleistungen bestimmter Anbieter abhängig ist. Soweit sich solche
Abhängigkeiten zeigen, muss geprüft werden, welche Mechanismen zur Sicherung von Vielfalt im Bereich der technischen Rundfunkversorgung zur Verfügung stehen oder geschaffen
werden müssen.
2
Zur Positionierung der Satellitenanbieter s. Kap. 2.2.1.2.
13
1.1.2.2
Menge der Kapazität und Vielfaltssicherung
Die Sicherung von Meinungsvielfalt beinhaltete für die nationalen Transportkapazitäten –
Terrestrik, Kabel und zugewiesene Satellitenkapazitäten – zunächst die Regulierung des gesamten verfügbaren Kapazitätsbereichs. Die Vergabe der – knappen – Kapazitäten erfolgte im
Kern unter dem Aspekt größtmöglicher Gewährleistung von Vielfalt.
Erst die Vervielfachung von Kapazitäten durch die Digitalisierung des Kabels3 führte zu einer
politisch aktiv gestalteten Reduzierung der von der strikten Regulierung erfassten Kapazitäten
auf einen begrenzten „Must-Carry“-Bereich, die von einer eingeschränkten Missbrauchsaufsicht für einen weiteren Teilbereich begleitet wurde.
Angesichts der Digitalisierung der Satellitenübertragung stellt sich die Frage, ob das politische Ziel der Vielfaltssicherung bereits durch Regulierung nur einer näher zu bestimmenden
absoluten Zahl verfügbarer Übertragungskapazitäten erreicht werden kann. Konkretisierend
ist für den Bereich der Satellitenübertragung von Rundfunk zu fragen, ob medienspezifische
Anforderungen an Vielfaltssicherung lediglich einen Teil der zur Verfügung stehenden Kapazitäten betreffen müssten. Schließlich ist zu untersuchen, ob für das Erreichen dieses Ziels
sogar allein die Trennung von Netz und Inhalt genügt.
1.1.2.3
Sicherung des Zugangs zu Übertragungskapazitäten
Schließlich wurde die Trennung von Netzen und Inhalten als Folge organisatorischer Änderungen – der Privatisierung der Kabelnetze – obsolet, ohne dass hierzu allerdings eine aktive
politische Meinungsbildung stattgefunden hat. Zudem gibt die Digitalisierung dem Betreiber
der Übertragungsnetze neue Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten, die dieser im Rahmen
privater Verfügungs- und Gestaltungsmacht nutzen kann. Hierdurch können neue Risiken für
die Vielfalt des Angebots entstehen4.
Für die künftige Sicherung von Vielfalt im Satellitenbereich kann die Frage der Verfügung
sowohl über Netze wie auch über Inhalte von Bedeutung sein, wenn die medienspezifischen
Anforderungen an den Zugang zu Übertragungskapazitäten beschrieben werden. Es bedarf der
Untersuchung, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen unter den veränderten Bedingungen
der Digitalisierung Anforderungen an die Diskriminierungsfreiheit und Chancengleichheit des
Zugangs zu Satellitenkapazitäten zu definieren sind. Dabei ist zu prüfen, welche möglichen
Auswirkungen auf Regulierungsdichte und -intensität ein funktionierender Wettbewerb einerseits oder die Zusammenfassung der Verfügung über Netze und Inhalte andererseits haben
können und müssen.
1.2
Europäische Integration – „Fernsehen ohne Grenzen“
Vielfalt bedeutete zunächst die auf nationale Grenzen bezogene Gewährleistung eines möglichst breiten Meinungsspektrums. Die politische Gestaltung durch eine verfassungsrechtlich
gesicherte Gesetzgebung richtete regulatorische Rahmenbedingungen zur Vielfaltssicherung
nahezu vollständig territorial aus. Lediglich in grenznahen Regionen wurde Raum für die
Rundfunkprogramme der Nachbarländer vorgesehen, wobei hier primär die „Ortsüblichkeit“
3
Zur Auswirkung der Digitalisierung auf die Übertragungskapazität s. auch Kap. 4.1.2.
4
S. hierzu z.B. Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 182 ff.; Gersdorf, Regulierung des Zugangs,
S. 353 ff.; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 447 ff.
14
des Empfangs maßgeblich war. Informationsfreiheit wurde und wird gelegentlich auch heute
noch über technische Parameter definiert; es war und ist nicht primär eine politische Vielfaltsentscheidung gewesen, die die Aufnahme grenzüberschreitender Komponenten in die
Regulierungsrahmen bewirkte. Dem entsprach und entspricht auch heute noch vielfach die
Rechtswirklichkeit des Rundfunkempfangs in Deutschland, wie die satzungs- und mietrechtlichen Einschränkungen bezüglich des Empfangs von Satellitensignalen zeigen.
Mit zunehmender Bedeutung der europäischen Integration tritt das nationale Verständnis von
Vielfaltssicherung zukünftig jedoch stärker in den Hintergrund. Neben den Fragen, die sich
im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit einerseits und dem Zugang zu Übertragungskapazitäten andererseits stellen, muss untersucht werden, ob und welche Regelungen
erforderlich sind, um auf europäischer Ebene Vielfalt im Sinn des „Fernsehens ohne Grenzen“ zu gewährleisten. Das Ziel europaweiter Verfügbarkeit von Inhalten lässt vor allem Fragestellungen im Hinblick auf den Erwerb von Nutzungsrechten in den Vordergrund treten:
Es bedarf der Prüfung, ob und welche neue(n) Regelungen vor allem im Zug der Digitalisierung erforderlich sind, die Möglichkeiten des Erwerbs von Rechten zur grenzüberschreitenden Nutzung generell sichern oder sogar Anreize hierzu schaffen. In diesem Zusammenhang
ist andererseits die Frage von Bedeutung, ob und inwieweit die Digitalisierung wirtschaftliche
Rahmenbedingungen schafft, die der grenzüberschreitenden Nutzung von Rechten im Hinblick auf Rechteinhaber, Rechteerwerber und Zuschauer entgegenstehen können.
1.3
Zielsetzung und Gang der Untersuchung
Die Sicherung des bisherigen Maßes an Vielfalt auch unter den veränderten Bedingungen der
Digitalisierung sowie möglicher neuer Geschäftsmodelle in einem europäischen Umfeld ist
als zentrales Ziel Ausgangspunkt der Untersuchung. Die Studie analysiert die Bedeutung der
Satellitenübertragung als eine Komponente der Vielfaltssicherung und prüft, welche Anforderungen an die Freiheit des Zugangs zu diesem Transportweg aus der Sicht von Veranstaltern
und Zuschauern zu stellen sind.
Aus der Analyse der Situation in verschiedenen europäischen Staaten werden in unterschiedlichen Szenarien mögliche Entwicklungen des Satellitenrundfunks in Europa modellartig dargestellt und rechtliche wie wirtschaftliche Empfehlungen abgeleitet, die die vorhandene Vielfalt dauerhaft gewährleisten sollen. Vor dem Hintergrund dieser europäischen Vielfaltsmodelle wird zudem geprüft, ob und in welchem Umfang die künftige Entwicklung Auswirkungen auf die tatsächliche, wirtschaftliche und rechtliche Situation des Erwerbs der erforderlichen Rechte hat und welche Maßnahmen erforderlich sind, um grenzüberschreitende europäische Rundfunkvielfalt zu bewahren.
Um dieses Untersuchungsziel umzusetzen wird im folgenden Kapitel die gegenwärtige Nutzung des Satellitenempfangs im Vergleich zu konkurrierenden Übertragungswegen beschrieben, um einerseits die unterschiedliche Entwicklung der Regulierung in verschiedenen Staaten verstehen und um andererseits die faktische Bedeutung der Fragestellung für unterschiedliche Staaten erkennen zu können. Im dritten Kapitel werden die Entwicklung und der gegenwärtige Stand des europäischen und deutschen Rechts sowie des Rechts ausgewählter europäischer Staaten und der USA dargestellt, um prüfen zu können, ob diese Regelungen die
gegenwärtigen Probleme zufriedenstellend regeln. Im vierten Kapitel wird dann untersucht,
welche Veränderungen die Digitalisierung der Satellitenübertragung nach sich zieht und auf
welche Weise sie die Handlungsbedingungen der Akteure beeinflusst. Dies berücksichtigend
werden in Form dreier Szenarien mögliche Zukünfte beschrieben, vor deren Hintergrund al15
ternative Wege zur Bewältigung der skizzierten Herausforderungen erörtert werden können.
Diese neuen Problembereiche werden im fünften Kapitel aus der Sicht der rechtlichen Zielsetzungen beschrieben. Dabei wird geprüft, wo alte Konzepte noch greifen und neue Lösungen gefunden werden müssen. Soweit neue Regulierungskonzepte erforderlich sind, werden
für die drei Szenarien Lösungswege im sechsten Kapitel aus dem Blickwinkel des Vielfaltschutzes für das Zugangsproblem und im siebten Kapitel aus dem Blickwinkel des Urheberschutzes für das Verbreitungsproblem vorgestellt und erörtert. Diese Überlegungen werden
im achten Kapitel zu rechtspolitischen Konzepten gebündelt und als alternative Regulierungsstrategien vorgestellt.
16
2.
Ausgangsbedingungen
Die Beschreibung der gegenwärtigen Satellitentechnik und ihrer wirtschaftlichen Nutzung ist
der Ausgangspunkt der Untersuchung. Sie ist die Grundlage sowohl für die Untersuchung der
gegenwärtigen Rechtslage in Kapitel 3 als auch für die Erörterung künftiger Entwicklungen in
Kapitel 4, deren Probleme in Kapitel 5 und deren rechtspolitische Gestaltung in den Kapiteln
6 und 7. Hierfür werden im Folgenden die technischen (2.1) und wirtschaftlichen Grundlagen
(2.2) der Satellitenübertragung vorgestellt. Dabei werden die Ausgangsbedingungen des europäischen Satellitenmarkts insgesamt und in seinen Entwicklungstendenzen dargestellt und
die Bedeutung der Satellitenverbreitung im gesamten europäischen Rundfunkmarkt bestimmt
(2.2.3). Um die Besonderheiten einzelner Märkte und die besondere Rolle, die der deutsche
Markt einnimmt, erkennen zu können, wird die jeweils spezifische Situation in ausgewählten
Vergleichsländern Europas und in den USA erläutert (2.2.4). Schließlich ist den Fragen nachzugehen, in welchem Umfang dem Anliegen von Zugangsoffenheit entsprochen wird (2.2.5)
und welche Folgerungen aus möglichen Defiziten abzuleiten sind (2.2.6).
2.1. Technik
In einem kurzen Überblick wird nachfolgend die technische Seite der (digitalen) Verbreitung
und des Empfangs von Rundfunk über Satellit vorgestellt, soweit sie für das Verständnis und
die Regulierung von Vielfalts- und Urheberrechtsfragen notwendig ist.
2.1.1. Satellitenrundfunk in Europa
Der Satellit hat sich als Übertragungsmedium für Rundfunk weltweit etabliert. Die Funktionalität der Satelliten und die eingesetzten Standards variieren stark. Für Europa bedeutsam
sind heute sowohl die analoge Übertragung von Rundfunksignalen sowie zunehmend auch die
digitale Ausstrahlung von Rundfunk weit überwiegend nach dem europäischen DVBStandard5, der über das European Telecommunications Standards Institute (ETSI)6 koordiniert
ist.
Satelliten dienen im hier relevanten Zusammenhang – je nach technischer Spezifikation des
Satelliten und Infrastruktur des Empfangsgebiets – der Zuführung von Programmen in Breitbandkabel-Anlagen, Gemeinschaftsantennenanlagen7 oder der direkten Versorgung einzelner
Zuschauer8,9.
Derzeit können in Deutschland Rundfunksignale via Satellit aus mehr als 35 Orbitalpositionen technisch direkt empfangen werden10. Die Programminhalte sind teilweise verschlüsselt.
5
Näheres zu den Standards: http://www.dvb.org/dvb_technology/framesets/standspecs.html, abgerufen am
17.2.2003.
6
www.etsi.org
7
International: SMATV – Satellite Master Antenna Television Systems.
8
Satellitendirektempfang, Direct-To-Home, DTH.
9
In diversen Staaten wird mit Blick auf die Möglichkeiten der inhaltlichen Kontrolle politisch der Kabelverbreitung der Vorzug gegenüber dem direkten Zugang der Bevölkerung zu Satellitensignalen gegeben.
10
Einen Überblick bietet zum Beispiel http://www.digitalfernsehen.de/Technik/15000, abgerufen am
17.2.2003.
17
Wegen der überwiegend hohen technischen Anforderungen an die Empfangsanlagen einerseits und angesichts des Umstands andererseits, dass die meisten Programme nicht für den
deutschen Sprachraum bestimmt sind, ist die überwiegende Zahl dieser Satelliten für
Deutschland wirtschaftlich und medienpolitisch nicht relevant.
Mit durchschnittlichem technischen Aufwand sind von Zuschauern in Deutschland vor allem
die Satelliten von SES-Astra und Eutelsat/Hotbird als Programmquellen zu nutzen; darüber
hinaus hat der direkte Empfang von fremdsprachigen Programmen, die nicht über ASTRA
oder Eutelsat/Hotbird abgestrahlt werden, in den jeweils unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen verstärkte Bedeutung. Dies betrifft beispielsweise rund 45 analog und digital über
Eutelsat bzw. Türksat ausgestrahlte türkisch-sprachige Programme oder die spanischen Programme von Hispasat.
Über die Orbitalposition SES-Astra 19,2 Grad Ost können derzeit unter anderen knapp 100
für den deutschen Markt bestimmte verschiedene Fernsehprogramme und Dienste sowie rund
150 Radioprogramme empfangen werden. Eutelsat bietet auf der Orbitalposition 13 Grad Ost
rund 45 deutschsprachige Programme an. Darüber hinaus sind über diese Positionen zahlreiche digitale Programmpakete europäischer und außereuropäischer Anbieter zu empfangen.
Zahl und Inhalt der empfangbaren Programme sind einem permanenten Wechsel unterlegen;
auch heute noch steigt die Gesamtzahl der verfügbaren Programme stetig an.
Auch wenn die Ausleuchtzonen der einzelnen Satelliten variieren und insbesondere am Rande
der Ausleuchtzonen höherer technischer Empfangsaufwand11 erforderlich ist, ist die technische Empfangssituation in allen mitteleuropäischen Ländern vergleichbar.
Soweit Unterschiede in den Entwicklungen der Märkte innerhalb Europas zu beobachten sind,
können diese Unterschiede daher nicht maßgeblich auf eine unterschiedliche technische Verfügbarkeit der Programmsignale zurückgeführt werden.
2.1.2 Verschlüsselung
Die über digitale Satelliten ausgestrahlten Programme sind aus wirtschaftlichen Gründen
überwiegend so verschlüsselt, dass sie lediglich dann in Bild und Ton umgewandelt werden
können, wenn neben der erforderlichen Geräteausstattung vertragliche Beziehungen zu denjenigen Gesellschaften oder Einrichtungen bestehen, die die verschlüsselten Programme oder
Programmpakete anbieten12. Die Anbieter ganzer Pakete sind mit den einzelnen Veranstaltern
der in den Paketen enthaltenen Programme nicht notwendig identisch13. In Vollzug der vertraglichen Beziehungen erhält der Vertragspartner des Anbieters eine „Smart-Card“, mit der
sich der Empfänger gegenüber dem System als berechtigt identifiziert und die notwendigen
Teilinformationen zur Entschlüsselung des jeweiligen Programm(paket)s zur Verfügung
stellt.
Es existieren Verschlüsselungstechnologien verschiedener Hersteller, die untereinander in
aller Regel nicht austauschbar sind. Ein Teil der Anbieter – vor allem in Staaten, in denen
mehrere Anbieter am Markt sind – verwendet mehrere Verschlüsselungstechnologien (i.d.R.
zwei) parallel, um so die prinzipielle Verfügbarkeit des eigenen Angebots auch für Kunden
11
Größerer Empfangsaufwand bedeutet vor allem eine größere und u.U. qualitativ bessere Antennenanlage.
12
Es wird hier unterstellt, dass die Empfänger nur legale Empfangsmöglichkeiten nutzen.
13
So sind etwa im Premiere-Paket auch Angebote anderer Veranstalter wie Disney oder Discovery enthalten.
18
eines anderen Anbieters herzustellen, ohne dass zusätzliche Hardware erforderlich ist. Notwendig ist in diesen Fällen des „Simulcrypt“ allerdings der Erwerb einer Smart-Card des anderen Anbieters.
2.1.3 Antennen
Der Satellitenempfang von Rundfunksignalen setzt derzeit eine auf eine bestimmte Orbitalposition ausgerichtete Parabolantenne voraus. Der Empfang von Satelliten in unterschiedlichen
Orbitalpositionen erfordert in der Regel eine schwenkbare oder eine Mehrzahl unterschiedlich
ausgerichteter Parabolantennen. Für verschiedene Satellitenpositionen, insbesondere für
ASTRA 19,2° Ost und Hotbird 13° Ost, sind Techniken verfügbar, die den Empfang beider
Positionen mit einer einzigen Parabolantenne erlauben.
Ob und inwieweit die Notwendigkeit der Ausrichtung der Antennen auf exakte Orbitalpositionen Auswirkungen auf Markstrukturen hat, wird unten erörtert werden14.
2.1.4 Receiver
Zur Umsetzung der analogen oder digitalen Signale ist ein Receiver erforderlich. Analoge und
digitale Receiver sind nicht kompatibel, das heißt, es ist mit einem analogen Receiver nur der
Empfang analoger Programme möglich, entsprechend nur der Empfang digital ausgestrahlter
Programme mit einem Digitalreceiver.
Die für den digitalen Empfang von Satellitensignalen erforderlichen Receiver werden derzeit
in drei prinzipiell unterschiedlichen Varianten eingesetzt.
2.1.4.1
Receiver mit integrierter Conditional-Access-Technologie („embedded“).
Diese Variante erlaubt den Empfang der codierten Programme eines einzelnen oder mehrerer
Anbieter, die eine jeweils identische Verschlüsselungstechnologie einsetzen. Der Wechsel
zwischen mehreren solchen Anbietern erfordert den Wechsel der Smart-Card. Ein Wechsel zu
einem Anbieter mit anderer Verschlüsselungstechnologie erfordert einen Wechsel des Receivers oder einen zusätzlichen Receiver.
Neben dem Empfang verschlüsselter Programme ist der Empfang der unverschlüsselt ausgestrahlten digitalen Programme möglich.
2.1.4.2
Receiver mit Common-Interface (CI)
Diese Receiver verfügen anstelle oder zusätzlich zu einer fest eingebauten Dekodierungstechnik über eine oder mehrere Schnittstellen (in der Regel einen Einschub) für unterschiedliche
Conditional-Access-Module (CAM). Die Module müssen zusätzlich erworben werden15 und
enthalten die Hard- und Software für ein spezifisches Verschlüsselungsverfahren sowie eine
Leseeinrichtung für eine Smart-Card.
Der Wechsel zwischen Anbietern, die kein gemeinsames Verschlüsselungsverfahren einsetzen, erfordert den Erwerb eines weiteren Conditional-Access-Moduls sowie einer geeigneten
Smart-Card, jedoch nicht den Wechsel des Receivers selbst. Der parallele Empfang unter-
14
S. Kapitel 2.2.4.4 und 6.1.
15
Kosten derzeit ca. 150 Euro mit sinkender Tendenz.
19
schiedlicher Anbieter ist prinzipiell möglich und von der Zahl der verfügbaren CommonInterface-Einschübe abhängig. Auch mit diesen Receivern ist der Empfang unverschlüsselter
Programme möglich.
2.1.4.3
Free-To-Air-Receiver (FTA- oder Zapping-Boxen)
Diese Receiver verfügen weder über eine integrierte Dekodierungstechnik noch über eine
Schnittstelle, über die eine solche verfügbar gemacht werden kann. Diese Receiver dienen
ausschließlich dem Empfang unverschlüsselt ausgestrahlter Programme.
2.1.5 Zusatzdienste
Die Fähigkeit von Receivern, digitale Zusatzdienste und Applikationen nutzbar zu machen,
sind prinzipiell unabhängig von einer eventuellen Codierung und den Decodierungstechnologien. Vielmehr setzt der Zugriff auf Zusatzdienste voraus, dass der Receiver mit geeigneter
Hard- und Software ausgerüstet ist, die die angebotenen Applikationen verarbeiten kann.
Die Steuerung von Applikationen kann entweder durch eine proprietäre (z.B. betanova der dbox) oder eine standardisierte Technologie (z.B. MHP16) erfolgen.
Wird eine proprietäre Lösung eingesetzt, hängt die Möglichkeit des Angebots eigener Applikationen durch dritte Anbieter davon ab, dass der Systeminhaber zumindest einen wesentlichen Teil der Schnittstellen zur Technologie (Application Programming Interface – API) öffentlich oder begrenzt zugänglich macht.
Der Rückgriff von Applikationen auf die eingesetzte Verschlüsselungstechnologie ist denkbar, aber nicht notwendig.
2.2
Wirtschaft
2.2.1 Die Satellitenbetreiber
Im europäischen Satellitenmarkt sind angesichts ihrer Marktanteile derzeit vor allem die SESAstra und Eutelsat als Anbieter von Transportkapazitäten über Satellit relevant17.
Amerikanische Anbieter sind zwar prinzipiell auf dem europäischen Markt präsent, verfügen
derzeit aber entweder über keine (Echostar) oder nur über solche Kapazitäten, die nur für einen begrenzten Markt und schon wegen der erforderlichen Paraboldurchmesser nicht für ein
nennenswertes DTH-Angebot geeignet sind. Nicht zuletzt hieraus erklärt sich das Interesse
der weltweit umsatzstärksten Satellitenanbieter an einer Übernahme von Eutelsat.
Anders als ASTRA oder Eutelsat zielen die amerikanischen Unternehmen als Anbieter von
Komplettlösungen, auf die Wertschöpfung sowohl im Transportsektor wie auch im Contentbereich. So bewirbt etwa Echostar auch im europäischen Geschäftsumfeld, das derzeit im
wesentlichen Empfangstechnik beinhaltet, seine Leistung wie folgt:
16
Das Europäische Parlament geht in seiner Entschließung zu MHP vom 26.9.2002 davon aus, dass derzeit
allein MHP die Anforderungen eines offenen Standards im Sinn des Artikel 18 der Rahmenrichtlinie erfüllt, Text der Entschließung: http://sosalla.de/news/mhp.htm, abgerufen am 17.2.2003.
17
Zur Wettbewerbssituation s. auch Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht-Binder, RStV, § 51, Rn. 12,
50.
20
“In the field of satellite communication, EchoStar Communications Corporation is in a league of
its own. No other Direct Broadcast Satellite (DBS) provider controls the full chain of both satellite services and products.”18
Insofern bedeutete eine verstärkte Aktivität amerikanischer Satellitenbetreiber im europäischen Markt eine deutliche Verschiebung der Akzente vom Transport zum gebündelten Angebot.
2.2.1.1
Gesellschaftsstrukturen
SES-Astra ist eine 100 %-Tochter der Holding SES-Global Aktiengesellschaft. Die Stimmrechte an dieser Gesellschaft sind zu einem Drittel in luxemburgischem Besitz und werden
gemeinsam von den drei luxemburgischen Aktieninhabern (Staat, BCEE19, SNCI20) ausgeübt.
Rund 10 % der Stimmrechte liegen über Tochtergesellschaften bei der Deutschen Telekom
AG, 20 % der Stimmen sind in einem „Voting Trust“ konzentriert, der proportional zum
Stimmverhalten der restlichen stimmberechtigten Anteilseigner votiert. Den Rest der Aktien
halten Finanzinvestoren, darunter rund 16 % im freien Verkehr.
Eutelsat wird seit Mitte 2001 in der Form einer französischen Aktiengesellschaft betrieben,
deren Aktien im Wesentlichen von Unternehmen aus dem Telekommunikations- und Medienbereich gehalten werden. Größte Aktionäre waren zunächst France Telecom (23,1 %),
Telecom Italia (20,5 %) British Telecom (17,5 %) und die Deutsche Telekom (10,9 %)21. Die
Deutsche Telekom AG hatte ihre Anteile Ende 2002 an die italienischen Verlagsgruppe De
Agostini s.p.A verkauft22. France Telecom verkaufte seine Anteile im Januar 2003 an die
französische Investorengruppe Eurazeo23. Der Jahresumsatz von Eutelsat übersteigt 500 Mio.
Euro. Die im Laufe des Jahres 2002 zu beobachtenden Vermutungen über die feindliche
Übernahme durch amerikanische Satellitenbetreiber24 haben sich vorerst nicht bestätigt25. Ende Januar 2003 wurde die Aufgabe der Übernahmeabsichten vermeldet26. Eutelsat ist primär
Transportdienstleister, verfügt aber neben Anteilen an Hispasat über Beteiligungen an Unternehmen, die als Inhalteanbieter fungieren (11,59 % an der italienischen Sitcom S.p.a.).
18
http://www.echostar-int.com/us/home/profile/echostar/default.asp, abgerufen 17.2.2003
19
Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat.
20
Société Nationale de Crédit et d’Investissement.
21
S. Pressemitteilung Eutelsat vom 26.3.2001, abrufbar unter
http://www.eutelsat.it/deutsch/pdf/PM%20Eutelsat%20Aufsichtsrat%2026.pdf, abgerufen am 17.2.2003;
Meldung Spaceflight now vom 4.7.2001, http://spaceflightnow.com/news/n0107/04eutelsat/, abgerufen am
17.2.2003.
22
Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Telekom AG vom 13.12.2002,
http://www.dtag.de/dtag/presse/index/0,1014,D,00.html, abgerufen am 17.2.2003. British Telecom hingegen hat derzeit keine Verkaufsabsichten, vgl. http://www.europemedia.net, Meldung v. 31.3.2003.
23
Pressemitteilung
von
Eurazeo
vom
4.2.2003:
actualites/pdf/comm_eutelsat_4fev03.pdf, abgerufen am 5.3.2003
24
S.
z.B.
F.A.Z.
vom
9.12.2002,
S.
15;
Die
Welt,
Meldung
http://www.welt.de/daten/2002/09/10/0910un355649.htx, abgerufen am 17.2.2003.
25
Die Übernahmeabsichten selbst bleiben lt. C.Kullmann, CEO von Intelsat, bestehen:
http://www.kagan.com/archive/kagan/2002/12/11/20021211intelsat.shtml, abgerufen am 17.2.2003
26
Meldung Pressetext.at unter http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=030124010&phrase=intelsat, abgerufen
am 5.3.2003.
http://www.eurazeo.com/html/7vom
10.9.2002,
21
2.2.1.2
Positionierung dieser Satellitenanbieter im Markt27
SES und Eutelsat verstehen sich bislang als globale Anbieter von Transportdienstleistungen.
Eigene Inhalte wurden in der Vergangenheit lediglich in begrenztem Umfang zur Eigendarstellung verbreitet.
Die Gewichtung der Marktanteile der wesentlichen Anbieter von Transportkapazitäten via
Satellit im europäischen Markt ist von Land zu Land unterschiedlich. Auf den gesamten europäischen Markt bezogen sind beide Betreiber vergleichbar positioniert. SES-Astra dominiert
allerdings das Segment des Satellitendirektempfangs in zunehmendem Maße:
1997 empfingen 70,52 Mio. Haushalte ASTRA-Dienste, darunter 24,78 Mio. Haushalte im
Weg des Satellitendirektempfangs. Diese Zahlen stiegen bis 2001 auf 91,32, darunter 33,67
Mio. Haushalte Direct-To-Home28.
Im Direktempfang steigt damit der Anteil der Haushalte, die von ASTRA versorgt werden,
auf rund 80 % aller DTH-Haushalte. Der Anteil der ausschließlich von verbleibenden Anbietern versorgten Haushalte beträgt 6,9 Mio. Haushalte.
Bezogen allein auf digitale Dienste erreicht ASTRA europaweit knapp 83 % der Haushalte29.
Wird die Zahl der Gesamthaushalte betrachtet, die mit Satellitendiensten via Kabel oder Satellit erreicht werden, hat Eutelsat eine vergleichbare Position. Eutelsat/Hotbird erreicht rund
93 Mio. europäischer Haushalte, wobei hier vor allem die Versorgung der Breitbandkabelnetze mit Programmen, die über Eutelsat ausgestrahlt werden, eine wesentliche Rolle spielt.
Im Direktempfang bleibt Eutelsat deutlich hinter ASTRA zurück: Insgesamt werden rund
45,5 % aller Haushalte erreicht, allerdings unter Einschluss kleinerer Satellitenkopfstationen.
Bei der Bewertung der Zahlen muss berücksichtigt werden, dass eine Reihe der DTH-Haushalte sowohl Empfangseinrichtungen für ASTRA wie auch solche für Eutelsat vorhält und
beide Anbieter einen beachtlichen Teil der Kabelnetze ebenfalls gemeinsam mit Programmen
versorgen.
Die genannten, auf Europa insgesamt bezogenen Zahlen haben wegen der hohen Schwankungsbreite in den einzelnen europäischen Staaten lediglich statistische Aussagekraft. Im unmittelbaren Ländervergleich sind erhebliche strukturelle Unterschiede zu verzeichnen, die
erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung der Marktpositionen der Betreiber haben.
Unabhängig von den absoluten Größenordnungen der Satellitenverbreitung teilen sich
ASTRA und Eutelsat/Hotbird damit den Markt, wobei ASTRA insbesondere im Bereich des
27
Alle nachstehenden Zahlen sind, soweit nicht auf einzelne Quellen verwiesen wird, konsolidierte Zahlen
aus den Veröffentlichungen der Unternehmen und den statistischen Berichten innerhalb der EU; daraus
können sich Abweichungen mit mit einzelnen veröffentlichten Werten ergeben.
28
http://www.ses-astra.com/corporate/market-research/eutrends.shtml, zuletzt abgerufen 17.2.2003
29
http://www.ses-astra.com/corporate/market-research/eutrends_d.shtml, abgerufen am 17.2.2003. Nach einer
ASTRA-Pressemitteilung vom 7.3.2003 beläuft sich die ASTRA-Reichweite 2002 bei den digitalen Satellitenhaushalten im deutschsprachigen Markt auf insgesamt 2,4 Millionen (96%).
22
Satellitendirektempfangs sowohl im analogen wie im digitalen Bereich dominiert und vor
allem im deutschsprachigen Raum eine monopolartige Dominanz erreicht hat30:
Verhältnis ASTRA / Eutelsat bei SMATV und DTH
14
12
10
8
Satellit gesamt
Mio HH
ASTRA
6
Eutelsat
4
2
0
Deutschsprachige
Länder
Frankreich
Spanien
Polen
Auch das Verhältnis unmittelbaren Direktempfangs zu der Versorgung über Gemeinschaftsantennenanlagen variiert innerhalb Europas erheblich31.
Verhältnis SMATV/DTH
10
9
8
7
6
Mio
HH
SMATV
5
DTH
4
3
2
1
0
Deutschsprachige Länder
Frankreich
UK
Spanien
Polen
30
Der Umstand, dass ASTRA und Eutelsat/Hotbird insgesamt mehr als 100% der Haushalte abdecken, folgt
aus der Tatsache, dass ein Teil der Haushalte – vor allem derjenige, der über Gemeinschaftsantennenanlagen versorgt wird – sowohl ASTRA wie auch Eutelsat empfangen können.
31
Deutschsprachige Länder beinhaltet Deutschland, Österreich und die Schweiz.
23
Dies verdeutlicht, dass bei der Beurteilung zukünftiger Marktentwicklungen nicht allein der
Einzelhaushalt betrachtet werden darf, sondern auch die Entwicklungen im Bereich der Gemeinschaftsantennenanlagen, die zum Teil kommunale Anlagen sind, eine wesentliche Rolle
spielen.
2.2.1.3
Entwicklung der Angebotsstruktur
Das Portfolio der Satellitenanbieter unterliegt vor allem im Hinblick auf gesteigerte Anforderungen und Erwartungen im Multimediasektor bereits heute deutlichen Veränderungen. Insbesondere wird neben den DVB-basierten Angeboten der Bereich von IP-basierten Diensten
aufgebaut.
Während SES-ASTRA im klassischen Rundfunkbereich seine konventionelle Strategie als
Transportdienstleister in den Vordergrund stellt, kündigt SES für multimediale Dienste das
Broadband Interactive System (BBI) an, das ausdrücklich als offene und neutrale Technologie-Plattform für Anwendungen beworben wird, die auf dem IP-Protokoll basieren. Das System erlaubt die breitbandige Übertragung von Daten und ist demnach für Audio- und VideoStreaming geeignet, wobei derzeit lediglich die Übertragung fertig konfektionierter Ton- und
Bilddaten beschrieben wird.
Eutelsat, das im Bereich des Transports multimedialer Daten ein ähnliches Angebot vorhält,
betont demgegenüber auch im konventionellen – digitalen – Rundfunk den Dienstleistungscharakter des Unternehmens deutlich. Mit „visAvision“ wird für den europäischen Markt ein
Geschäftsmodell angeboten, das von Eutelsat selbst als „erste unabhängige und voll integrierte digitale Plattform für Kabelnetze in Europa“ beschrieben wird32. Eutelsat beschreibt
sein Produkt wie folgt:
„Eutelsat übernimmt im Sinne einer „One-Stop“-Lösung die
– umfassende Klärung aller lizenz- und medienrechtlichen Fragen,
– Verschlüsselung mit einem sicheren und gut eingeführten Crypto-Verfahren,
– preisgünstige Signalübernahme an der Kabelkopfstelle,
– zielgruppenorientierte Vermarktungsunterstützung,
– (geringes Investitionsrisiko für den Netzbetreiber) und
– internet-basierte Verwaltung der Abonnenten.“
Die Verwaltung der Abonnenten setzt nach diesem Geschäftsmodell nicht voraus, dass Eutelsat als technischem Dienstleister die Identität der Endkunden bekannt ist. Lediglich die Zahl
der Endkunden als Abrechnungsbasis ist Gegenstand der zwischen Eutelsat und dem Kabelnetzbetreiber bestehenden rechtlichen Beziehungen.
Zugleich betritt Eutelsat mit diesem Angebot, das auf den deutschsprachigen Markt und den
Benelux-Markt zielt, erstmals das Gebiet der inhaltlichen Steuerung von Angeboten. Die Programme – derzeit 19, im Jahre 2003 sind 36 Kanäle geplant – werden von Eutelsat gebündelt
und den Kabelnetzbetreibern über zwei digitale Programmströme in derzeit sechs Paketen
angeboten.
Eutelsat setzt zur Verschlüsselung dieses Programmangebots „Nagravision“ ein. Auffallend
ist, dass in der Kommunikation dieser Verschlüsselungstechnik zwar darauf hingewiesen
wird, dass CI-Module für Set-Top-Boxen mit Common-Interface über Eutelsat zu beziehen
32
http://www.eutelsat.com/deutsch/1_2.html, abgerufen am 17.2.2003.
24
sind, in der Gesamtkommunikation jedoch Boxen mit fest eingebauten „Nagravision“-Units
der Vorzug gegeben wird. Nagravision selbst bewirbt sein System als offenes ConditionalAccess-System33.
Ein wesentlicher Aspekt der Marktkommunikation ist sowohl für SES-Astra wie für Eutelsat
die volle Kompatibilität mit offenen Standards.
2.2.2 Funktion des Satellitenempfangs
Die Verbreitung von Rundfunksignalen via Satellit kann funktional in dreierlei Hinsicht unterschieden werden:
•
der Satellit als Medium der verschlüsselten oder unverschlüsselten Zuführung von
Rundfunksignalen in Kabelanlagen und Gemeinschaftsantennenanlagen (SMA TV),
•
der Satellit als Medium zum Direktempfang unverschlüsselter Programme,
•
der Satellit als Medium zur direkten Distribution verschlüsselter Programme.
Die genannten Funktionen werden, wie oben dargestellt, in den europäischen Ländern unterschiedlich genutzt:
Während in Deutschland die Satellitenverbreitung alle drei funktionalen Aspekte bedient,
stellt der Satellitendirektempfang in den Ländern Belgien und Niederlande angesichts der
nahezu vollständigen Versorgung via Kabel eine untergeordnete Programmzugangsquelle dar.
Insofern ist Satellitenverbreitung dort nur für die Zuführung von Programmen in Kabelanlagen von Bedeutung. Die Verbreitung von Pay-TV-Programmen erfolgt ebenfalls über das
Breitbandkabelnnetz, wobei die Zuführung der Programme in die Kabelnetze zum Teil verschlüsselt über Satellit erfolgt.
Demgegenüber ist in anderen Ländern, etwa Spanien, Großbritannien, Frankreich oder Portugal, die Satellitenausstrahlung nicht primär als Medium für den Direktempfang unverschlüsselter Programme am Markt etabliert. Zwar werden etwa für den französischen Markt über
ASTRA acht frei empfangbare analoge und digitale Programme ausgestrahlt, die insgesamt
jedoch nur über eine geringe Gesamtreichweite verfügen und damit dem Markt für frei empfangbare Satellitenprogramme keine Impulse geben können. Die reichweitenstarken freien
Programme wie TF1, FR2 oder FR3 werden zwar digital über Satellit verbreitet, sind dort
jedoch verschlüsselt und ergänzen die Pakete der Pay-TV-Anbieter.
Daraus resultiert für diese Länder zwar ein innovativer Satellitenmarkt, der allerdings – anders als in Deutschland – auf der verschlüsselten Ausstrahlung digitaler Programme basiert.
2.2.3 Europäische Rundfunkmärkte – Ausgangslage und Überblick
Während die technische Empfangssituation in den europäischen Ländern prinzipiell vergleichbar ist, sind die Rundfunkmärkte innerhalb Europas äußerst heterogen. Insbesondere der
Rundfunkmarkt im deutschen Sprachraum weist gegenüber anderen europäischen Märkten
Besonderheiten auf, die der Erörterung bedürfen.
33
http://www.nagravision.com/pages/cas.htm, abgerufen am 17.2.2003.
25
Bereits die Untersuchung der dominierenden Verbreitungstechnologien verdeutlicht die unterschiedliche Ausgangslage für die Entwicklung des Satellitenmarktes in Europa:
Verbreitungsw ege für Rundfunk
21
18
Mio Haushalte
15
12
Terrestrik
9
Kabel
Sat gesamt
6
3
0
Polen
Griechenland
Spanien
UK
Frankreich
Belgien
Schweiz
Österreich
Deutschland
Es ist zu erkennen, dass sich hinsichtlich der dominierenden Verbreitungswege derzeit drei
grundlegende Varianten finden:
•
Dominanz der Terrestrik,
•
Dominanz des Kabels,
•
Mischformen zwischen Satellit und Kabel bei tendenziell geringerer Bedeutung der Terrestrik.
2.2.3.1
Terrestrik
In den meisten europäischen Ländern hat die terrestrische Übertragung von Fernsehsignalen
auch heute noch eine entscheidende Bedeutung. Dabei handelt es sich vor allem um diejenigen Länder, in denen wenige frei verfügbare Programme in der Sprache des Landes angeboten werden und Vielfalt darüber hinaus fast ausschließlich über die Anbieter von Pay-TV hergestellt wird.
2.2.3.2
Kabel
Vor allem in den Beneluxländern ist eine im europäischen Vergleich außergewöhnlich hohe
Kabelanschlussdichte zu verzeichnen. Dort werden zwischen ca. 80 bis 95 % der Haushalte
über das Breitbandkabelnetz versorgt, während die terrestrische Versorgung rund 2 % der
Haushalte erreicht und rund 5 % (Belgien, Niederlande) bzw. 19 % (Luxemburg) der Haushalte ihr Fernsehprogramm via Satellit beziehen. Dies hat zur Folge, dass auch prinzipiell frei
empfangbare Programme verschlüsselt über Satellit ausgestrahlt und den Kabelnetzen zugeführt werden können. Mithin bietet der Satellitendirektempfang in diesen Ländern keine ver26
gleichbare Vielfalt, so dass dieser Transportweg zumindest in Belgien und den Niederlanden
derzeit praktisch keine Rolle spielt. Die Situation in Luxemburg ist tendenziell ähnlich, wobei
der höhere Anteil an Satellitendirektempfangsanlagen nicht entscheidend auf technische Infrastrukturunterschiede, sondern primär auf die besondere politische und geografische Situation zurückzuführen sein dürfte.
2.2.3.3
Mischform
Die Mischformen finden sich vor allem dort, wo verhältnismäßig viele frei empfangbare Programme in der Landessprache verfügbar sind. Hier haben sich mit Blick auf die relativ hohe
Vielfalt via Kabel und Satellit die analogen terrestrischen Empfangsstrukturen deutlich zurückentwickelt, während Kabel und Satellit im Vergleich zu Ländern mit geringer freier Vielfalt deutlich höhere Anteile erwerben konnten.
Ob und inwieweit sich durch die Einführung digitaler Terrestrik (DVB-T) die Anteile verschieben, ist heute noch nicht absehbar. Der Erfolg von DVB-T als alternativer Transportweg
dürfte im Wesentlichen bestimmt werden durch die Zusammenstellung der Programmpakete
innerhalb der nur begrenzt verfügbaren Kapazitäten.
Auf eine gewisse Abhängigkeit der Entwicklung bestimmter Vertriebswege von der Struktur
der Programmangebote lässt sich auch bei einem Vergleich der Entwicklung der analogen und
der digitalen Empfangstechnik schließen:
Analoger und digitaler Satellitenempang in ausgewählten europäischen Ländern
12
10
8
Mio
HH
6
SAT analog
SAT digital
4
2
0
De
uts
chl
and
Öst
err
eic
h
Sc
hw
eiz
Fra
nkr
eic
h
UK
Sp
ani
en
Pol
en
27
Dort, wo eine hohe Zahl frei empfangbarer Programme im Bereich des analogen Satelliten
verfügbar ist, überwiegt dieser Verbreitungsweg deutlich.
Satellitenprogram m e im Vergleich
100
90
80
70
60
analog f r ei
analog ver sch
50
digit al f r ei
digit al ver sch
40
30
20
10
0
Deut schland
Fr ankr eich
UK
Spanien
Der Anteil digitaler Satellitenhaushalte in Europa steigt signifikant; der analoge Empfang
überwiegt jedoch nach wie vor:
1997 waren es 1,94 Mio. Haushalte, die Fernsehen via digitalen Satelliten empfingen, dabei
nahezu ausschließlich als Pay TV. 2001 sind es insgesamt 16,8 Mio. Haushalte, davon 14,34
Mio. als Pay TV und 2,54 Mio. Haushalte als Free TV.
Bedeutsam ist die Steigerung der Empfangseinrichtungen für digitales Free-TV von 2000 auf
2001, die immerhin 1,2 Mio. Haushalte betrug und damit in absoluten Zahlen fast die Hälfte
der Steigerung von Pay-TV-Empfängern erreichte. Dies kann einen Hinweis darauf geben,
dass die Annahme, allein Pay-TV befördere die digitale Entwicklung, zumindest genauerer
Analyse bedarf. Zugleich sinkt in dieser Zeit die Zahl analoger Satellitenhaushalte von 26,8
Mio. auf 23,7 Mio. Haushalte.
Damit wird die Tendenz zur Digitalisierung auch im Satellitenmarkt deutlich.
Schließlich bedarf die Situation der öffentlich-rechtlichen Programme bei digitaler Satellitenausstrahlung beispielhaft der Erwähnung:
Öffentlich-rechtliche Programme werden in den meisten europäischen Staaten mittlerweile
digital verbreitet34. In Deutschland (ARD und ZDF) sowie in Italien (RAI) werden diese Programme unverschlüsselt ausgestrahlt. In Frankreich sind FR2 und FR3 verschlüsselt und lediglich zusammen mit dem Abonnement eines Pay-TV-Anbieters erhältlich. In Österreich
sind ORF1 und ORF2 einschließlich seiner regionalen Programme verschlüsselt. Smart-Cards
34
Zu den erstmals für das Digitalfernsehen ermittelten Zuschauerquoten epd medien Nr. 10 vom 8.2.2003.
28
zur Entschlüsselung dieser Programme sind außerhalb der territorialen Grenzen der jeweiligen
Länder unter Hinweis auf die Urheberrechtslage nicht erhältlich.
Eine Besonderheit hat die SRG in der Schweiz verwirklicht: Die digitalen Programme der
SRG werden verschlüsselt ausgestrahlt. Gegen eine einmalige Pauschale und eine Jahresgebühr können allerdings Schweizer Bürger, die außerhalb der Schweiz wohnen, die erforderlichen Smart-Cards erwerben.
Die europäischen Veranstalter nutzen digitales Satellitenfernsehen in unterschiedlicher Weise.
Die Angebote der Pay-TV-Veranstalter werden nahezu ausschließlich digital verschlüsselt
ausgestrahlt. Außerhalb Deutschlands bedient sich auch eine große Zahl sowohl privater wie
öffentlich-rechtlicher Free-TV-Veranstalter der verschlüsselten digitalen Übertragung. Lediglich die für den deutschen Markt bestimmten Free-TV-Programme werden bislang unverschlüsselt über digitale Satelliten verbreitet.
Einen lediglich beispielhaften Eindruck von der Angebotssituation in Europa, den unterschiedlichen eingesetzten Verschlüsselungsverfahren und der Frage, welche Programme außerhalb der nationalen Grenzen legal abonniert werden können, vermittelt auszugsweise folgende Tabelle:
29
Exemplarische Darstellung der Verschlüsselungssituation in div. europäischen Ländern35
Land
Veranstalter
P/ÖR Cod.-Verfahren
Satellit
Dänemark
DR 1/236
P
Conax/Viaccess
Intelsat707 ja
Deutschland
Premiere
P
Wella TV
B
Betacrypt, ab Herbst 2003 Astra
Nagravision
Conax
Hotbird
Frankreich
Canal Satéllite Digital P
Seca/Viaccess
Astra
AB Sat
P
Viaccess/Seca
Hotbird
TPS
P
Viaccess/Seca
Hotbird
P
Irdeto2
Hotbird
unverschlüsselt
Hotbird
Griechenland Nova
OTE
Italien
Niederlande
Int.Abo
-
Telepiú Digitale
P
Seca/Videoguard
Hotbird
Stream TV
P
Irdeto/Videoguard/Seca
Hotbird
RAI
unverschlüsselt
Hotbird
-
Mediaset
unverschlüsselt
Hotbird
-
CanaalDigital
P
Irdeto/Mediaguard/Seca
Astra
RTL4/5/Veronica
F
Seca/Irdeto
Astra
N/Adresse
Nederland1/3 TV2
F/ÖR Seca/Irdeto
Astra
N/Adresse
TW1
F
unverschlüsselt
Astra
-
ORF1/2
ÖR
Astra
Nowa Cyfra+
P
Betacrypt, ab 4/2003
Cryptoworks
Seca/Cryptoworks
Polsat Cyfrowy
P
Nagravision
Hotbird
Russland
NTV
P
Viaccess
Hotbird
Schweiz
Teleclub
P
Betacrypt
Spanien
Canal Satélite Digital P
Seca
Kopernikus/
Astra
Astra
Via Digital
P
Nagravision
Hispasat
SRG
F/ÖR Viaccess
Hotbird
RTL Schweiz
F
Cryptoworks
Hotbird
BSkyB
P
Videoguard
Astra 28,2 ja
BBC Prime
ÖR
Viaccess
Hotbird
BBC
P/ÖR Videoguard
Österreich
Polen
Schweiz
UK
Hotbird
ja
Pass
ja
Astra 28,2 ja
35
Vgl. auch die Übersicht in: „Rechtlicher Schutz elektronischer Bezahldienste“, Bericht der Kommission
über die Umsetzung der Richtlinie 98/84/EG, KOM(2003) 198 endg., v. 24.4.2003, S. 5.
36
http://www.dr.dk/omdr/teknik/satellit/index.htm
30
2.2.4 Der Vergleich ausgewählter Länder im Einzelnen
Im Folgenden wird die Situation in Ländern beschrieben, für die die Vermutung bestand, dass
ihre Marktsituation insgesamt einen Überblick über die Vielfalt der Entwicklungen ermöglicht. Für sie wird unten auch die regulatorische Situation dargestellt.37
2.2.4.1
Schweiz
Die analoge Rundfunkübertragung in der Schweiz erfolgt derzeit hauptsächlich über den
Übertragungsweg Kabel. Rund 2,4 Mio. oder über 90 % aller Schweizer Fernsehhaushalte
(entspricht ca. 86 % aller Haushalte) sind an das Kabelnetz angeschlossen. Neben Cablecom
mit einem Marktanteil von 50 % am Schweizer Kabelfernseh-Markt gibt es nur noch wenige
Gesellschaften, die jeweils mehr als 20.000 Anschlüsse versorgen. Über 200 weitere kleine
und mittelgroße Betriebe versorgen durchschnittlich noch je ca. 3.000 bis 4.000 Haushalte38.
Durchschnittlich werden heute ca. 40 analoge TV-Progamme und 30 UKW-RadioProgramme angeboten. Dazu kommen noch einige digitale Radio-Programme39.
Dagegen befindet sich die digitale Verbreitung von Fernsehprogrammen in der Schweiz zurzeit noch im Anfangsstadium40. Lediglich die Programme der SRF werden seit kurzem digital
verschlüsselt über Eutelsats Hotbird verbreitet. Ausschließlich im digitalen Kabelnetz der
Schweiz aktiv sind insbesondere die Kabel-Plattform „Swissfun“ vom Verband Swisscable
und der ebenfalls ausschließlich über Kabel verbreitete Pay-TV-Sender „Teleclub“41. Swissfun ist eine digitale Radio- und TV-Plattform der schweizerischen Kabelnetzbetreiber mit 30
Fernseh- und 20 Radioprogrammen, die über eine eigene Set-Top-Box empfangen werden
können. Der Teleclub ist ein Pay-TV-Programm und strahlt seit dem 1. Mai 2002 ein digitales
Programmpaket aus. Kunden von Teleclub, die Satellitenempfang realisieren wollen, werden
auf Premiere analog verwiesen42.
Auf dem Receivermarkt sind zurzeit zwei verschiedene veranstaltereigene Set-Top-Boxen der
beiden Programmanbieter Cablecom und Teleclub erhältlich.
•
Teleclub bietet seinen Kunden neben einem Basispaket auch Zusatzpakete wie Sport oder
Specials zu einem zusätzlichen Abonnementspreis an. Die Mindestvertragsdauer für ein
Basispaket beträgt ein Jahr, für ein Zusatzpaket jeweils drei Monate. Nachdem der
schweizerische Bundesrat in einer Entscheidung vom 5. Juni 2001 eine proprietäre SetTop-Box der Teleclub AG verboten und einen offenen Standard gefordert hatte, stellt Te-
37
S. Kap. 3.4.
38
Küng/Eberhart, Rechtsgrundlagen von Kabelnetzen, S. 41.
39
Weber/Dörr, Digitale Verbreitung von Rundfunkprogrammen, S. 110.
40
Weber/Dörr, Digitale Verbreitung von Rundfunkprogrammen, S. 112.
41
In ihrer Pressemitteilung vom 18.12.2002 teilt die Teleclub AG mit, dass nunmehr ihr digitales Fernsehprogrammangebot mit 10 Kanälen in sämtlichen Kabelnetzen der Cablecom in der deutschen Schweiz aufgeschaltet ist. Abrufbar unter
http://www.teleclub.ch/index.cfm?vDom=3&vRub=303&vID=211&vLevelID=0&vChannelID=0,
abgerufen am 1.4.2003.
42
S. http://www.teleclub.ch/index.cfm?vDom=3&vRub=375&vID=163&vLevelID=0&vChannelID=0,
abgerufen am 7.11.2002. Seit dem 1.3.2003 sendet Premiere ausschließlich digital.
31
leclub heute seinen Kunden die Set-Top-Box während der Vertragsdauer unentgeltlich zur
Verfügung43.
•
Cablecom bietet seinen Kunden eine Set-Top-Box im Rahmen des Branchenverbands
Swisscable zur Miete oder zum Kauf an, die nach der Philosophie von Cablecom ebenfalls
eine offene Architektur aufweisen soll44. Swissfun wird mit NagraVision verschlüsselt.
Verschiedene Programmpakete können einzeln oder zusammen in Anspruch genommen
werden. Die Mindestvertragsdauer beträgt sechs Monate45.
Um den Einsatz der Set-Top-Boxen herrscht zur Zeit heftiger Streit. Cablecom als größter
Kabelnetzbetreiber in der Schweiz weigert sich, das digitale Teleclub-Angebot im Kabelnetz
weiterzuverbreiten und fordert von Teleclub die Integration seines gesamten Angebots in die
digitale TV-Plattform Swissfun (notabene mit eigener Set-Top-Box). Teleclub seinerseits
stellt sich auf den Standpunkt, dass Swissfun-Kunden dieses Programm auch über die Teleclub-eigene Set-Top-Box empfangen könnten, da Teleclub diesen Kunden ein entsprechendes
CA-Modul gratis zur Verfügung stelle. Mit ihrer Entscheidung vom 23.9.2002 verpflichtete
die Wettbewerbskommission den Kabelnetzbetreiber Cablecom, die digitalen Fernsehsignale
des Programmveranstalters Teleclub AG einzuspeisen. Eine Beschwerde der Cablecom wies
die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen am 29.10.2002 ab. Cablecom erklärte sich
daraufhin bereit, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten und das digitale TeleclubProgramm einzuspeisen, behält sich aber vor, Rechtsmittel beim Bundesgericht einzulegen46.
2.2.4.2
Österreich
In Österreich wird von 3 Mio. Fernsehhaushalten ausgegangen47. 39,5 % der Fernsehhaushalte
haben Anschluss ans Kabelnetz, 45,1 % der Fernsehhaushalte eine Satellitenanlage, der restliche Teil (17,5 %) empfängt Fernsehen auf terrestrischem Weg. Der österreichische Rundfunkmarkt wird von den Radio- und Fernsehprogrammen des öffentlich-rechtlichen ORF sowie einigen privaten Rundfunkveranstaltern geprägt. Neben diesen über terrestrische Sendernetze verbreiteten Programmen ist auch die Einstrahlung von ausländischen TV-Programmen
über Satelliten bzw. die Verteilung in Kabelnetzen als Teil des Rundfunkmarkts zu sehen. So
können 80 % der österreichischen Haushalte mit Kabelanschluss oder Satellitenantenne die
43
S. http://www.teleclub.ch/index.cfm?vDom=3&vRub=370&vID=177&vLevelID=0&vChannelID=0.
44
S. http://www.swissfun.ch unter dem Menüpunkt Swissfun==>Philosophie, abgerufen am 7.11.2002
45
S. dazu http://www.swissfun.ch.
46
Hintergrund der Entscheidungen ist, dass die Cablecom den größten Anteil der Teleclub-Abonnenten in der
deutschsprachigen Schweiz mit analogen Teleclub-Programmen versorgt, sich aber bisher weigerte, die digitalen Fernsehsignale der Teleclub AG einzuspeisen. Sie erklärte sich nur bereit, das digitale Programmangebot über die Cablecom-eigene SwissFun-Plattform unter Verwendung der zugehörigen SwissFunDekoder zu verbreiten. Die Wettbewerbskommission war der Auffassung, dass die Cablecom durch ihr
Verhalten mit großer Wahrscheinlichkeit ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche, indem sie Unternehmen diskriminiere, die zu ihrem eigenen Abonnementfernsehen im Wettbewerb stünden. Die aufschiebende Wirkung etwaiger Beschwerden schloss die Wettbewerbskommission aus, da für die Beseitigung
dieses Wettbewerbshindernisses besondere Dringlichkeit geboten sei. Die Bevorzugung des eigenen Cablecom-Produktes habe aufgrund der Dynamik des Marktes für digitales Pay-TV weitreichende Folgen für
dessen künftige Struktur. Mit Entscheidung vom 20.3.2003 wies die Rekurskommission die Beschwerde als
unbegründet ab, abrufbar unter http://www.reko.admin.ch/Files/FB20025.pdf, abgerufen am 1.4.2003.
47
Dem Statistischen Jahrbuch 2002 der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (EAI) in Straßburg
lassen sich für das Jahr 2001 folgende Zahlen entnehmen: Anzahl der gesamten Fernsehhaushalte = 3,2
Mio.; angeschlossene Kabelhaushalte = 1,1 Mio.; Anzahl der Satelliten-TV-Haushalte = 1,4 Mio., s. Statistisches Jahrbuch 2002, Band 2, S. 33.
32
deutschen Programme empfangen. Schließlich werden zahlreiche TV-Programme in kleineren
und größeren Kabelnetzen (meist bei eingeschränkter Aktualität) angeboten. Der Kabelmarkt
in Österreich ist – anders als in Deutschland – sehr zersplittert. 1,2 Mio. Haushalte sind an ein
Kabelnetz angeschlossen, aber es gibt 250 Kabelanbieter. Da viele nur regional operieren,
haben nur 100 von ihnen mehr als 500 Kunden. Überwiegend sind Transport- und Inhalteanbieter getrennt. Die Telekabel Austria beispielsweise, wohl der wichtigste Kabelanbieter, trifft
lediglich die Auswahl, welche Sender ins Kabelnetz eingespeist werden und in welchen Gebieten zu sehen sind. Eigene Programme gibt es von ihr nicht. Die kleinen Anbieter regionaler
Kabelnetze machen dem gegenüber oft selbst Programm.
Lange Zeit stand österreichisches Fernsehen unter dem Monopol des ORF, der durch ein Gesetz aus dem Jahr 1974 als alleiniger österreichischer Rundfunkveranstalter benannt wurde.
Eine erste Öffnung erfuhr der Fernsehmarkt in Österreich durch das Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz vom 20. März 199748. Danach war es österreichischen privaten Rundfunkveranstaltern erstmals erlaubt, über Kabel oder Satellit eigene Programme in Österreich auszustrahlen. Größter österreichischer Anbieter war der Sender Austria-TV (ATV)49, der sein Programm in einen Großteil der österreichischen Kabelnetze einspeist und mittlerweile laut eigenen Angaben über eine technische Reichweite von rund 1 Mio. Fernsehhaushalten verfügt. Er
erzielt derzeit einen Marktanteil zwischen 2 % und 2,5 %. Deutsche Privat-Fernsehsender wie
RTL und SAT 1 hatten bereits 1996 begonnen, im Kabelnetz Werbefenster für den österreichischen Markt zu platzieren, andere Sender wie Pro7 folgten später nach. Eigens für Österreich bestimmte Programmangebote werden von den deutschen Fernsehsendern jedoch nicht
verbreitet.
Privates terrestrisches Fernsehen hingegen existierte in Österreich aufgrund rechtlicher Unklarheiten lange Zeit nicht. Erst mit Erlass des Privatfernsehgesetzes vom 5. Juli 200150, in das
auch die Bestimmungen des Kabel- und Satellitenrundfunkgesetzes integriert wurden, ist die
Zulassung einer bundesweiten Frequenz und von Ballungsgebietssendern vorgesehen. In den
Ballungsräumen Wien, Linz und Salzburg wird nicht-bundesweites Privatfernsehen durch
Frequenz-Splitting ermöglicht. Dafür werden Frequenzen genutzt, die bisher ausschließlich
dem ORF zur Verfügung standen. Der ORF muss nunmehr privaten Veranstaltern in diesen
regionalen Gebieten eine zeitweise Nutzung seiner dortigen Frequenzen erlauben. Am 1. Februar 2002 erhielt ATV von der ebenfalls durch das Privatfernsehgesetz neu gegründeten Regulierungsbehörde „KommAustria“ die erste Lizenz (Zulassung) für bundesweit terrestrisch
verbreitetes Privatfernsehen.
Österreichweit sind neben ATV und den über Kabel oder Satellit verbreiteten ausländischen
Programmen zwei Programme des ORF zu empfangen, ORF 1 und ORF 2 – wobei es neun
Regionalfenster für die Sendung „Bundesland heute“ gibt. 1999 lag der ORF mit seinen Programmen in Haushalten mit Kabel und/oder Satellitenanlage bei 48 % Marktanteil. Seit dem
Start des digitalen ORF-Satellitenangebotes im August 2000 nutzen rund 100.000 Österreicherinnen und Österreicher den Zugang über ASTRA 1G. Mit der Abstrahlung des komplet-
48
Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, BGBl. I Nr. 42/1997 idF BGBl. I Nr. 49/2000 (geändert durch
BGBl I Nr. 194/1999, BGBl. I Nr. 49/2000 und Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2001), außer Kraft seit
1.8.2001. Zum Urteil des EGMR vom 24.11.1993, Nr. 36/1992/381/455-459, EuGRZ 1994, 549, 550 – Informationsverein Lentia s. Kap. 3.1.1.
49
A-TV ging aus dem Wiener Sender Wien1 hervor und gehört zur Unternehmensgruppe des Filmhändlers
Herbert Kloiber.
50
Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz –
PrTVG), BGBl. I Nr. 84 v. 31.7.2001.
33
ten Programmangebots (ORF 1, ORF 2, TW 1 und alle Radioprogramme) hat der ORF die
letzten Versorgungslücken geschlossen.
Digitales Fernsehen in Österreich wird derzeit ausschließlich über Satellit und Kabel verbreitet51. Über Satellit können die Hörfunk- und Fernsehprogramme des ORF mit einer digitalen
Satellitenempfangsanlage, einer Set-Top-Box und einer Smartcard zur Entschlüsselung seit
August 2000 auch digital empfangen werden. Mehr als 100.000 digitale Satellitenboxen sind
bereits im Einsatz. Binnen 18 Monaten wurden von der Bestell- und Infohotline, die der ORF
für sein digitales Angebot eingerichtet hat, mehr als 100.000 Smart-Cards für den Empfang
von ORF DIGITAL freigeschaltet. Die Freischaltung und Administration der Karten sowie
das Multiplexing der Programme und das Überspielen des digitalen Datenstroms an den Satelliten ASTRA 1G erfolgen im Wiener ORF-Zentrum. Das digitale Angebot des ORF beinhaltet heute die beiden ORF-Fernsehprogramme ORF1 und ORF2, sowie den digitalen Spartenkanal TW1 und den ORF Teletext. ORF DIGITAL wird aus urheberrechtlichen Gründen
verschlüsselt ausgestrahlt, um die Empfangbarkeit auf das Lizenzgebiet Österreich bzw. Südtirol zu beschränken52. Der ORF hat sich dabei für das Verschlüsselungsverfahren BetaCrypt
entschieden, so dass der Empfang der digitalen Satelliten-Programme und Zusatzdienste nur
unter Verwendung eines digitalen Satelliten-Receivers, der über ein BetaCrypt verfügt, möglich ist. Praktisch bedeutet dies, dass die Zuschauer von ORF auf die d-box angewiesen sind,
solange BetaCrypt nicht auf ein CA-Modul ausgelagert werden kann, das die Common Interfaces anderer Boxen nutzbar macht.
Im UPC-Kabelnetz „Telekabel Austria“, das zum 31. März 2002 insgesamt ca. 920.000
Haushalte erreichte, werden ausschließlich Pay-TV Dienste angeboten. Die Anzahl der BasisTV-Abonnenten beträgt österreichweit rund 498.400. Hinzu kommen rund 142.600 Teilnehmer im Bereich Telefondienste, rund 152.500 Breitband Internet-Abonnenten und rund
10.100 UPC Digital-Abonnenten53. Das Angebot von UPC Digital beinhaltet 50 digitale Programme, einen Pay-per-View-Dienst, 40 Musikkanäle, interaktives Fernsehen und einen EMail-Dienst54. Gegen eine Kaution von 70 Euro erhalten die Kunden von UPC DIGITAL einen sogenannten „Set-Top-Computer“, mit dem sie das digitale Angebot empfangen können.
Ein weiteres digitales Angebot, das in Österreich von ungefähr 150.000 Kunden abonniert
wird, ist das digitale Paket Premiere Austria des deutschen Pay-TV Senders Premiere55. Der
Empfang von Premiere ist zur Zeit in Österreich per Kabelanschluss56 oder Satellitenempfang
möglich. Zur Entschlüsselung des Premiere-Programms benötigt der Premiere-Abonnent einen Digital-Receiver, den er entweder zum Preis von 7,50 Euro monatlich mieten oder kaufen
kann. Die Mehrzahl der österreichischen Fernsehzuschauer von Premiere abonnieren mehrere
Pakete; kaum 5 % abonnieren ein einzelnes Paket.
Die Entscheidung des ORF, die d-Box als Dekoder für seine digitalen Dienste zu verwenden,
festigte die marktbeherrschende Stellung dieser Dekoder-Variante. Grundsätzlich wollte der
51
Anzahl der digitalen Haushalte insgesamt = 180.000 (5,6% der Gesamthaushalte), davon 5.000 über Kabel
und 175.000 über Satellit, s. Statistisches Jahrbuch der EAI 2002, Band 2, S. 41.
52
Zu urheberrechtlichen Problemen Kap. 3.3.5.
53
Die Zahlen stammen von UPC, s. http://www.upc.at/presse/ueberupc.shtml.
54
Abrufbar unter http://www.telekabel.at/dienst/digital/fragen/f_0000000511.shtml.
55
epd medien Nr. 12 vom 15.2.2003, S. 23.
56
Premiere World wird derzeit über Kabel von 144 der insgesamt 250 Kabelnetzbetreiber an die Kunden
vermittelt.
34
ORF der deutschen Entwicklung folgen und fasste daher die d-Box ins Auge. Die Verhandlungen scheiterten 1998 aber an der Forderung der Kirch-Gruppe, die mehr als 1,5 Millionen
Euro pro Jahr als Lizenzentgelt verlangte. Die ersten Tests für digitalen Satelliten-Empfang
von ORF1 und ORF2 wurden daher mit der Alternative CRYPTOWORKS ENCRYPTION57
gemacht. Im Februar 2000 einigte sich der ORF schließlich doch noch mit der KirchGruppe
auf eine Lizenzierung der d-Box und den Einsatz der Verschlüsslung Betacrypt. Zu diesem
Zeitpunkt setzten bereits 50.000 Abonnement-Kunden von Premiere in Österreich die d-Box
ein.
Die Diskussion, ob man die Ausgestaltung der digitalen Dekoder einfach dem freien Spiel des
Markts und der Medienkonzerne überlassen soll, begann in Österreich etwas später als in
Deutschland. In der öffentlichen Meinung wird durchaus die Gefahr gesehen, dass proprietäre
Lösungen wie die d-Box den Erfolgszug des digitalen satellitengestützten Fernsehens behindern könnten. In den Printmedien (die aber ebenso eine große Konzentration bei so starker
Beteiligung deutscher Medienkonzerne aufweisen)58 wird daher ein vom Staat vorgeschriebener Mindeststandard für Schnittstellen und Interface favorisiert.
Nach einer Schätzung des Fachmagazins Set-Top-Box sehen über 100.000 Haushalte in
Deutschland ORF 1 über Satellit. Dies ist entweder mit einer aus Österreich besorgten Originalkarte möglich oder mit einer illegalen Smart-Card. Set-Top-Box.de gab an, dass diese
Karten mittlerweile bei fast allen wichtigen Sat-Händlern gegen ca. 50 Mark erhältlich seien.
Der Seher benötigt dann nur noch die illegale Software zur Freischaltung, die meist aus dem
Internet besorgt wird59. Die Kirch-Gruppe versuchte mehrfach, durch Änderungen in ihrem
Codierungssystem Betacrypt diesen Missbrauch zu unterbinden. Doch bereits nach wenigen
Tagen fanden sich aktuelle Updates im Internet. Der ORF verließ sich in Verschlüsselungsfragen bisher auf die KirchGruppe. Der genannten Schätzung zufolge sehen also mehr Deutsche die ORF-Programme über Satellit als Österreicher.
Ab April 2003 wird der ORF sein digitales Satelliten-TV-Angebot mit dem System Philips
CryptoWorks ausstrahlen. Bis Ende 2003 wird Betacrypt1 parallel weiter verwendet, so dass
für bisherige Kunden der Betrieb so lange gesichert ist. Allerdings werden keine weiteren
Karten für Betacrypt1 mehr hergestellt60.
2.2.4.3
Frankreich
In Frankreich gibt es insgesamt 22,7 (94,6 % der gesamten französischen Haushalte) Mio.
TV-Haushalte. 7,2 Mio. Haushalte sind an das Kabelnetz anschließbar, 5,8 Mio. hiervon an
das digitalisierte Kabelnetz. Tatsächlich empfangen 2,8 (12,6 %) Mio. der Kabelhaushalte
Fernsehen auf diesem Weg, 11,2 % von ihnen empfangen analoge und 1,4 % digitale Fernsehdienste. Über Satellit empfangen 2,36 Mio. Haushalte (10,4 %) ausschließlich digitales
Pay-TV. Damit empfängt der überwiegende Teil (77 %) der französischen Fernsehhaushalte
Fernsehen auf terrestrischem Weg61.
57
S. http://www.digitalnetworks.philips.com/InformationCenter/Global/FArticleSummary.asp?lNodeId=
656&channel=656&channelId=N656A1978.
58
S. Trappel/Meier/Schrape/Wölk, Medienkonzentration, S. 36 ff.
59
Meldung Set-Top-Box, http://www.set-top-box.de/news/010216_orf.php, abgerufen am 29.11.2002.
60
Abrufbar unter http://kundendienst.orf.at/digital/system.html, abgerufen am 4.3.2003.
61
Die Zahlen gelten für 1999, sie stammen von IDATE und aus dem „Le Guen“-Report – offizieller Report
über digitales Fernsehen, März 2001. Laut Statistischem Jahrbuch 2002 der EAI gelten folgende Zahlen für
35
Der französische Rundfunk war lange Zeit traditionell zentralistisch organisiert und in erheblichem Maße staatlich kontrolliert. Anfang der 80er Jahre entstand jedoch auch in Frankreich
kommerzieller Rundfunk. Die bedeutendsten nationalen Sender sind heute im öffentlichrechtlichen Bereich France 2, France 3, La Cinquième und das deutsch-französische Gemeinschaftsprogramm ARTE, sowie TF 1, M6 und Canal Plus (der größte Pay-TV-Anbieter
Frankreichs) im privaten Bereich. Die privaten Sender gehören in Frankreich keinen Senderfamilien an, sondern stehen vielmehr im Eigentum verschiedener, voneinander unabhängiger
Unternehmen, wie zum Beispiel Vivendi (wesentlicher Anteilseigner von Canal Plus), CLTUFA (wesentlicher Anteilseigner von M6), Bouyges (wesentlicher Anteilseigner von TF1)62.
Der Satellitenfernsehmarkt wird ebenfalls von den Betreibern der führenden Sender dominiert. Derzeit existieren zwei miteinander konkurrierende Satellitenplattformen: CanalSatellite
und TPS63. Die führende Plattform, CanalSatellite, ist ein Tochterunternehmen des Pay-TVSenders Canal Plus und wird zu 66 % von Canal Plus und zu 34 % von Lagardère Groups
kontrolliert. Sie startete 1992 zunächst als analoge DTH-Plattform und strahlt ihre Programme
über ASTRA aus. 1996 wurde aus CanalSatellite die erste digitale DTH-Plattform Europas.
Die digitalen Fernsehprogramme von Canal Plus werden von der Tochtergesellschaft Canal
Plus Numérique angeboten. Bis März 2002 konnte CanalSatellite 2 Mio. Pay-TV-Kunden
verzeichnen.
Daneben haben sich TF 1, M6, Suez SA, France Télévision und France Telecom 1997 zu einem Joint Venture zusammengeschlossen und die zweite digitale Plattform, Télévision Par
Satellite (TPS), gegründet. France Télévison und France Télécom zogen sich inzwischen allerdings aus diesem Verbund zurück und traten ihre Beteiligung in Höhe von 25 % des TPSKapitals an TF1 ab64. Mittlerweile hat sich Suez SA ebenfalls dazu bereit erklärt, seine Anteile an TPS an TF1 und M6 abzutreten65. Über die Plattform wurden von Beginn an nur digitale Programmbouquets verbreitet. Sie werden über Eutelsat ausgestrahlt. Bis heute besitzt
TPS das Exklusivrecht zur Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Programme sowie zur Verbreitung von TF1, das mit einem Zuschaueranteil von rund 34 % das führende nationale Fern-
2001: Anzahl der gesamten Fernsehhaushalte = 22,9 Mio.; Anzahl der an das Kabelnetz angeschlossenen
Haushalte = rund 3,2 Mio.; Anzahl der Satelliten-TV-Haushalte = 4,1 Mio.; Anzahl digitaler Haushalte =
rund 4,3 Mio. (18,6%), davon 664.000 über Kabel und 3,6 Mio. über Satellit, s. Statistisches Jahrbuch
2002, Band 2, S. 34, 40 ff. Im JLM Consult-Gutachten "L'économie du câble en France" im Auftrag der
ART vom Januar 2003, Band 1: "Contexte, marché et perspectives", S. 8 wird allerdings die Zahl der Satelliten-TV-Haushalte 2001 auf 2,9 Mio. beziffert. Band 1 abrufbar unter http://www.arttelecom.fr/publications/etudes/jlm/rap1-jlmjan03.pdf, abgerufen am 27.3.2003.
62
Eine Darstellung zu Vivendi findet sich unter http://www.kek-online.de/cgi-bin/resi/i-medien-fernsehengruppen/../../../kek/medien/beteiligung/8vivuni.pdf, abgerufen am 29.11.2002. Zu CLT-UFA etwa Entscheidung der Kommission, COMP/M.1889 – CLT-UFA vom 21.3.2000, ABl. C 134/13 vom 13.5.2000,
abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/m1889_en.pdf, abgerufen
am 29.11.2002. S. zu TPS Entscheidung der Kommission (1999/242/EG) vom 3.3.1999, ABl. L 90/6 vom
2.4.1999,
abrufbar
unter
http://europa.eu.int/cgi-bin/eur-lex/udl.pl?REQUEST=Seek-Deliver&COLLECTION=oj&SERVICE=eurlex&LANGUAGE=de&DOCID=1999l090p6&FORMAT=pdf,
abgerufen am 29.11.2002.
63
Eine dritte, kleinere Satellitenplattform, AB Sat, stellte ihr Dienstangebot ein.
64
Die Kommission hat diese Umstrukturierung am 30. April 2002 genehmigt, vgl. Bulletin der EU 4-2002,
Wettbewerb (11/42) unter: http://europa.eu.int/abc/doc/off/bull/de/200204/p103042.htm. Dadurch ergaben
sich zunächst folgende Beteiligungsverhältnisse: TF1 50%, M6 und Suez SA jeweils 25%.
65
Siehe Pressemitteilung von TF1 vom 18. Juli 2002, abrufbar unter http://www.tf1.fr/
news/economie/0,,928326,00.html. Demnach werden TF1 66% und M6 34% der Anteile an TPS halten,
was dem Beteiligungsverhältnis zwischen Canal Plus und Lagardère Groups an CanalSatellite entspricht.
36
sehprogramm darstellt. TPS bietet seinen Kunden insgesamt 5 Digitalbouquets mit unterschiedlichen Programmpaketen zu monatlichen Preisen von 17,5 Euro bis 33 Euro an. Derzeit
hat TPS 1,1 Mio. Kunden.
Zwischen beiden Satellitenplattformen herrscht ein starker Wettbewerb. Investitionen von
Canal Plus in Spartenprogramme zwangen auch TPS dazu, ihr Angebot entsprechend zu erweitern. TPS schreibt derzeit Verluste und erwartet erst im Jahr 2003, eher 2004, wieder die
Gewinnzone zu erreichen. CanalSatellite profitierte zunächst zwar von der bereits durch Canal Plus erlangten Kundschaft und von dem frühen Start seines Satellitenangebots, die Plattform stützt sich jedoch weiterhin lediglich auf die Kunden von Canal Plus. In letzter Zeit haben die Managements beider Plattformen ihr Interesse an strategischen Allianzen, einem Joint
Venture oder sogar an einer Fusion bekundet. Ein derartiges Vorhaben wird jedoch voraussichtlich von den Wettbewerbsbehörden nicht ohne weiteres akzeptiert werden.
Sowohl CanalSatellite als auch TPS vermieten ihren Kunden digitale Dekoder in Form von
Set-Top-Boxen. CanalSatellite verlangt für die Dekodermiete eine Gebühr von 8 Euro pro
Monat, TPS stellt seinen Dekoder für eine monatliche Gebühr von 11 Euro zur Verfügung.
Ein direkter Verkauf von digitalen Dekodern seitens der Plattformanbieter oder Dritter findet
in Frankreich praktisch nicht statt. Andererseits werden Satellitenschüsseln von den Plattformbetreibern weder angeboten, noch wird der Verkauf dieser Schüsseln von ihnen subventioniert. Beide Plattformbetreiber verwenden für die Ausstattung ihrer Set-Top-Boxen proprietäre Technologien in Bezug auf das Conditional Access Modul und die Programmschnittstelle API. Da sie ihre Angebote aber über unterschiedliche Satelliten ausstrahlen, bräuchte
ein Zuschauer grundsätzlich zwei Dekoder und zwei Parabolspiegel um die Dienste beider
Plattformen in Anspruch nehmen zu können.
2.2.4.4
Spanien
In Spanien empfangen 98 % aller insgesamt 12 Mio. Haushalte analoges terrestrisches Fernsehen66. Das Signal des digitalen terrestrischen Fernsehens kann zwar in 80 % des Landesgebiets empfangen werden, aber kaum ein Haushalt besitzt die hierfür erforderliche technische
Empfangsausstattung. An das Kabelnetz sind mehr als 3 Mio. Haushalte (ca. 25 %) angeschlossen, wobei aber nur 550.000 Haushalte (ca. 4,5 %) auch tatsächlich Kabelfernsehdienste in Anspruch nehmen67.
Die Verbreitung von digitalem Rundfunk über Satellit gewann erst im Jahre 1997 an Bedeutung, als zwei digitale Satelliten-Pay-TV-Platformen (Canal Satélite Digital und Vià Digital)
gestartet wurden. 2002 wird digitales Fernsehen von etwa 2,1 Mio. spanischen Haushalten
(ca. 17 %) empfangen, von denen 2 Mio. Haushalte Satelliten-Pay-TV-Plattformen und
100.000 digitale Kabelnetzplattformen abonniert haben. Die Hälfte der Satellitenhaushalte
66
Laut Statistischem Jahrbuch der EAI 2002 gelten für das Jahr 2001 folgende Zahlen: Anzahl der gesamten
Fernsehhaushalte = 13,2 Mio.; Anzahl der an das Kabel angeschlossenen Haushalte = 1,1 Mio. Anzahl der
Satelliten-TV-Haushalte = 2,2 Mio.; Anzahl digitaler Haushalte = 2,3 Mio. (17,3%), davon 43.000 über
Kabel, rund 2,1 Mio. über Satellit und 100.000 auf terrestrischem Weg, vgl. Statistisches Jahrbuch 2002,
Band 2, S. 34, 40 ff.
67
S. Rodríguez de Paz, “Casi el 17% de los hogares españoles dispone de televisión por satélite“, in: La Vanguardia Digital, Ausgabe vom 20.4.2002.
37
nutzt einzelne Satellitenschüsseln zum Empfang, die andere Hälfte ist an Gemeinschaftsempfangsanlagen angeschlossen68.
Canal Satélite Digital wird über ASTRA ausgestrahlt und vom terrestrischen Pay-TVUnternehmen Sogecable (Canal Plus und die spanische Mediengruppe PRISA) betrieben. Die
Plattform hat 1,2 Mio. Abonnenten, von denen viele zuvor Abonnenten des früheren analogen
Pay-TV-Anbieters Canal Plus waren. Vià Digital wird über Hispasat ausgestrahlt und vom
spanischen Telekommunikationsunternehmen Téléfonica betrieben. Vià Digital wird von
800.000 Abonnenten empfangen. Beide Plattformen haben allerdings im Mai 2002 Fusionsabsichten verkündet, für die die Genehmigung vorliegt69. Im Pay-TV Markt hätte das aus einer solchen Fusion neu gegründete Unternehmen nur die Kabeldienstanbieter als Konkurrenten. Diese halten jedoch einen Marktanteil von lediglich 15 % und sind zudem weitestgehend
von Satellitennetzbetreibern als Inhaltelieferanten abhängig.
Im Bereich des digitalen Fernsehens ist neben dem Satellit auch die Terrestrik als Übertragungssystem von Bedeutung. Der staatliche Fernsehsender RTVE verbreitet seine beiden
Programme sowohl analog als auch digital terrestrisch. Insgesamt könnten gegenwärtig insgesamt 21 digitale Programme auf terrestrischem Weg übertragen werden. Davon sind einige
Kapazitäten, neben den von RTVE genutzten, für die drei bestehenden privaten Rundfunkveranstalter reserviert. 1999 wurden einem digitalen Pay-TV-Anbieter (QuieroTV) terrestrische
Kapazitäten für insgesamt 14 digitale Programme zugeteilt. Im Jahr 2001 hatte diese Plattform 200.000 Abonnenten, ihr Betrieb wurde jedoch auf Grund einer Finanzkrise nach fehlgeschlagenen Verkaufsversuchen70 im April 2002 eingestellt.
In Bezug auf das Verhältnis von Pay-TV- und Free-TV-Angeboten in Spanien ergibt sich folgende Situation: Pay-TV Anbieter verfügen über etwa 28 % der gesamten Fernseheinnahmen,
Free-TV Anbieter über 72 % (sofern die Finanzierung aus Haushaltsmitteln außer Betracht
bleibt). Gegenwärtig gibt es 3,35 Mio. Pay-TV-Abonnenten, davon empfangen 800.000
Abonnenten analoges terrestrisches Fernsehen, 2 Mio. digitales Satelliten-Pay-TV und
550.000 Abonnenten Kabelfernsehen71. Die Abonnementverträge für das Pay-TV werden privatautonom ausgestaltet, sie dürfen allerdings nicht gegen europäisches oder spanisches Recht
und dabei insbesondere nicht gegen Verbraucherschutzbestimmungen72 verstoßen. Die „Comisión del Mercado de las Telecommunicaciones“ (CMT) soll die Einhaltung dieser Bestim-
68
Zur Marktsituation s. die Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, in: Informe Anual 2001, die
Ausgabe für 2002 befindet sich in Vorbereitung.
69
Der geplanten Fusion der digitalen Pay-TV-Plattformen Canal Satélite Digital und Via Digital stimmte das
spanische Kartellamt am 15.11.2002 unter Auflagen zu. Das neue Unternehmen dürfte danach u.a. die Fußballrechte der ersten spanischen Liga nur für jeweils drei Jahre erwerben. Ein durch die spanische Regierung zu bestimmender Teil der Kanäle der neuen Plattform müsste dritten Anbietern zur Verfügung gestellt
werden. Der spanische Minister für Wissenschaft und Technologie Piqué deutete laut einer Meldung der
epd medien an, Telefónica müsse sich entscheiden, ob sie ihre Beteiligung am Fernsehsender Antena 3 oder
die an Vía Digital aufgebe, epd medien Nr. 91 vom 20.11.2002, S. 22. Am 29.11.2002 genehmigte die spanische Regierung die Fusion unter Auflagen.
70
Fornieles/Montaño,. “Quiero TV acuerda devolver la licencia al Gobierno tras una junta problemática“, in:
El Mundo, Ausgabe vom 25.4.2002.
71
S. Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones, in: Informe Anual 2001, die Ausgabe für 2002 befindet sich in Vorbereitung.
72
S. das Gesetz 26/1984 über den Verbraucherrechtsschutz.
38
mungen bei den Verträgen zwischen Verbrauchern und Pay-TV-Diensteanbietern überwachen73.
Spanische Transportdienstleister, insbesondere Satellitenbetreiber, sind zum Teil gleichzeitig
an Inhalteanbietern beteiligt oder selbst Anbieter von Inhalten, so dass die vertikale Integration auch in Spanien ordnungspolitisch von Bedeutung ist. So ist das etablierte Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen „Telefònica“ Anteilseigner des Unternehmens Hispasat,
das den Satelliten betreibt, der von der digitalen Satellitenplattform „Via Digital“ zur Übertragung ihrer Inhalte genutzt wird. Via Digital wiederum gehört mehrheitlich Telefónica.
Darüber hinaus ist Telefònica auch Inhaltezulieferer von Via Digital. Die weitere digitale Satellitenplattform „Canal Satélite Digital“ agiert sowohl als technische als auch als wirtschaftliche Plattform und ist ebenfalls Inhalteanbieter bzw. Programmveranstalter.
Hinsichtlich des Receivermarkts ist zu berücksichtigen, dass nahezu alle Satellitenhaushalte
Abonnenten einer der beiden digitalen Satellitenplattformen sind. Die hierüber verbreiteten
Inhalte und Dienste sind nur mittels Dekoder zu empfangen. Beide Plattformen vermieten an
ihre Kunden entsprechende Dekoder in Form von Set-Top-Boxen. Diese Set-Top-Boxen basieren allerdings auf unterschiedlichen proprietären Technologien. Hinzu kommt, dass Via
Digital in Bezug auf die Übertragung mit dem Satellitenbetreiber Hispasat kooperiert, während Canal Satélite Digital Verträge mit ASTRA abgeschlossen hat. Beide Satellitenbetreiber
übertragen auf unterschiedlichen orbitalen Positionen, so dass ein Verbraucher, der die Angebote beider digitalen Plattformen gleichzeitig nutzen will, bereits technisch dazu gezwungen
ist, zwei Dekoder und zwei Parabolspiegel zu installieren.
2.2.4.5
Großbritannien
Der Fernsehmarkt in Großbritannien lässt sich in zwei Hauptfelder unterteilen. Dabei handelt
es sich um das analoge terrestrische Free-TV mit den Programmen der BBC (BBC 1 und 2),
des ITV (Channel 3) sowie mit dem „staatlichen“, werbefinanzierten Channel 4 und dem privaten, kommerziellen Channel 5 einerseits, und um das über Plattformen angebotene, größtenteils digitale Multikanal-Fernsehen andererseits. Bislang haben insgesamt 46,8 % (11,6
Mio.)74 aller britischen Fernsehhaushalte75 Zugang zum Multikanalfernsehen, der verbleibende Teil empfängt ausschließlich analog terrestrisch. Das Multikanalfernsehen wird über Satellit, Kabel und auf terrestrischem Wege verbreitet. Von den genannten Haushalten, die Zugang zum Multikanalfernsehen haben, entfällt ein Marktanteil von 27,7 % auf digitales Satellitenfernsehen, ein Marktanteil von 13,7 % auf Kabelfernsehen und ein Marktanteil von etwa
5,4 % auf digitales terrestrisches Fernsehen.
Multikanalfernsehen wurde bis vor kurzem von vier Plattformbetreibern in Form von Pay-TV
angeboten. Dabei handelte es sich um den Betreiber der gleichnamigen Satellitenplattform
BSkyB, die beiden Kabelfernsehanbieter Telewest und NTL sowie den Anbieter digitalen
terrestrischen Fernsehens ITV. Die Pay-TV-Programme des letztgenannten Betreibers (ITV
73
S. insbesondere die Art. 4, 7 und 9 des Gesetzes 17/1997, zur Umsetzung der Richtlinie 95/47/EG.
74
S. hierzu und zum Folgenden die vom ITC veröffentlichten Zahlen vom 4. Quartal 2002, abrufbar unter:
http://www.itc.org.uk/uploads/ITC_multichannel_quarterly_Q4_2002.pdf, abgerufen am 27.3.2003.
75
Laut Statistischem Jahrbuch 2002 der EAI gelten folgende Zahlen für 2001: Anzahl der gesamten Fernsehhaushalte = rund 25 Mio.; Anzahl der angeschlossenen Kabelhaushalte = rund 3,6 Mio.; Anzahl der Satelliten-TV-Haushalte = rund 5,5 Mio.; Anzahl digitaler Haushalte = rund 9 Mio. (35,9%), davon rund 2 Mio.
über Kabel, 5,8 Mio. über Satellit und rund 1,2 Mio. auf terrestrischem Weg, s. Statistisches Jahrbuch 2002,
Band 2, S. 34, 40 ff..
39
Digital) wurden jedoch im April 2002 aufgrund finanzieller Probleme eingestellt. Nach einem
monatelangen Ausschreibungsverfahren teilte die Independent Television Commission (ITC)
im August 2002 die Lizenzen für die frei gewordenen terrestrischen Kapazitäten der BBC und
Crown Castle zu76. Beide Betreiber hatten den Schwerpunkt ihres Ausschreibungsgebots auf
Free-TV-Dienste gelegt. Mit dem Zuschlag berücksichtigte die ITC die bis zu diesem Zeitpunkt andauernde Debatte, ob auf terrestrischem Weg künftig nur digitale Free-TV-Dienste
verbreitet werden sollten. Die Befürworter dieses Vorschlags erhoffen sich dadurch, dass ein
Großteil der britischen Bevölkerung sich dann für den Wechsel von analogem hin zu digitalem Fernsehen entscheidet, um den digitalen Switch-Off planmäßig zwischen 2006 und 2010
durchführen zu können.
Tatsächlich weitet sich digitales Fernsehen bereits jetzt immer schneller aus. Derzeit empfängt über ein Drittel der britischen Gesamtbevölkerung das digitale Angebot von über 200
Fernsehprogrammen und anderen Diensten, wie zum Beispiel interaktives Fernsehen und Internet. Zwischen den einzelnen Übertragungsplattformen herrscht dabei starke Konkurrenz.
Der starke Wettbewerb im Bereich des Digitalfernsehens macht sich auch auf dem Markt der
Empfangsgeräte bemerkbar. Der Satellitenfernsehanbieter BSkyB sowie die Kabelfernsehanbieter stellen ihren Kunden Set-Top-Boxen mittlerweile sogar kostenlos zur Verfügung. Dabei handelt es sich um Empfangsgeräte, die überwiegend auf proprietären Technologien basieren. Im Bereich des digitalen terrestrischen Fernsehens kommen ebenfalls immer mehr
niedrigpreisige digitale Set-Top-Boxen (für ca. 160 Euro) auf den Markt77. Damit soll den
Zuschauern der Wechsel zur digitalen Empfangstechnik erleichtert werden.
2.2.4.6
Polen
In Polen gibt es insgesamt rund 12,5 Mio. Fernsehhaushalte78. Schätzungsweise 4,5 Mio.
Haushalte (Anzahl steigend) sind Abonnenten von Kabelfernsehdiensten, 2,5 Mio. Haushalte
empfangen Fernsehen direkt über Satellit und sind mit individuellen Satellitenempfangsanlagen ausgestattet79. Der restliche Teil der Haushalte empfängt Fernsehen auf terrestrischem
Weg. Digitales Fernsehen ist im Vergleich zu analogem Fernsehen derzeit noch nicht so weit
verbreitet, in Bezug auf die Verbreitung digitaler Dienste über das Kabel befindet sich die
Übertragung noch in der Experimentierphase.
Den Kabelmarkt teilen sich ungefähr 600 Netzbetreiber, die zusammen mehr als 800 einzelne
Kabelnetze betreiben. In diesen Netzen werden über 400 verschiedene Programme verbreitet,
etwa 50 Programme hiervon in polnischer Sprachversion.
Dennoch gibt es in Polen heute zwei Anbieter digitaler Satellitenplattformen: „CYFRA+“ und
„POLSAT 2 CYFROWY“. Zunächst existierten sogar drei digitale Satellitenplattformen. So
startete im September 1998 Wizja TV eine Plattform mit anfangs 18 thematischen und 70
anderen Kanälen. Im November folgte kurz darauf die Plattform Cyfra+, die auf einer gemeinsamen Initiative des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalters (TVP), von
76
S. Pressemitteilung der ITC No. 62/02 vom 16.8.2002, abrufbar unter: www.itc.org.uk.
77
Price, Media Perspektiven 7/2002, 319 (321).
78
Laut Statistischem Jahrbuch der EAI gelten für 2001 folgende Zahlen: Anzahl der gesamten Fernsehhaushalte = 12,3 Mio.; Anzahl der angeschlossenen Kabelhaushalte = rund 5 Mio.; Anzahl der Satelliten-TVHaushalte = 2,8 Mio., der Anteil der digitalen Haushalte wird nicht dargestellt. S. Statistisches Jahrbuch
2002, Band 2, S. 35, 40.
79
Informacje o podstawowych problemach radiofonii i telewizji, marcec 2002; www.krrit.gov.pl.
40
Canal+, des privaten Veranstalters PTS Polsat S.A., und der Aktiengesellschaft „Polska Platforma Cyfrowa“ beruhte. Wegen einiger Zweifel in Bezug auf den rechtlichen Status von
TVP konnte der öffentlich-rechtliche Veranstalter sich letztlich jedoch nicht an der Plattform
beteiligen.
Auf Grund eines starken Wettbewerbs unter den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern kam es später zu einem Streit bezüglich der Verbreitung von Programmen
über die digitalen Plattformen. Als Folge dieses Streits erließ die „Nationale Rundfunkbehörde (KRRiT)“ in ihrer Funktion als Rundfunkaufsichtsbehörde eine Entscheidung, durch die
CYFRA+ die Lizenz entzogen wurde, die beiden privaten Programme Polsat und Polsat2
weiter über ihre Plattform zu verbreiten. Gleichzeitig musste Wizja TV die Verbreitung der
öffentlich-rechtlichen Programme stoppen.
Das Angebot der dritten digitalen Plattform „POLSAT 2 CYFROWY“ enthielt hingegen von
Beginn an keine öffentlich-rechtlichen Programme. Schließlich fusionierten Ende 2001 die
beiden Plattformen Wizja TV und Cyfra+ zu einer Plattform, die den Namen Cyfra+ beibehielt.
Nach neuesten Zahlen80 konnte CYFRA+ bislang etwa 700.000 Kunden (Abonnenten) mit
seinem Angebot anziehen, während POLSAT 2 CYFROWY nicht mehr als 240.000 Abonnenten hat. Beide Plattformen bieten ihren Kunden unterschiedliche Programmpakete zu variierenden Abonnementpreisen an. Das Gesamtangebot von CYFRA+ beinhaltet 30 polnische
bzw. polnischsprachige Programme, verschiedene über Eutelsat verbreitete unverschlüsselte
Programme sowie verschlüsselte Programme (z.B. Canal+, HBO, Sport-, Dokumentar- und
Musikkanäle usw.). Das Angebot von POLSAT 2 CYFRROWY besteht aus den vom privaten
Veranstalter Polsat TV produzierten Programmen sowie allen über ASTRA und Hot Bird
ausgestrahlten Programmen.
CYFRA+ verlangt für seine Programmpakete monatliche Abonnementgebühren von umgerechnet 13 bis 28 Euro. Außerdem wird für die Installation und Freischaltung eines Dekoders
zusätzlich eine einmalige Gebühr von 71 Euro verlangt. POLSAT 2 CYFROWY bietet ein
Basispaket für umgerechnet 6 Euro und ein zusätzliches Paket mit Programmen, die Erwachsenen vorbehalten sind (Adult Channels) für weitere 5 Euro an. Die Kosten für die Installation
und Freischaltung des Dekoders belaufen sich bei POLSAT 2 CYFROWY ebenfalls auf 71
Euro. Darüber hinaus entstehen den Kunden beider Plattformen für den Satellitenempfang
Anschaffungskosten von umgerechnet rund 140 Euro für den Kauf und die Installation einer
Satellitenschüssel.
Um ein attraktives Programmangebot gewährleisten zu können, sehen die Geschäftspläne der
Plattformanbieter die subventionierte Vermietung oder den subventionierten Verkauf von SetTop-Boxen vor. Wenn Set-Top-Boxen kostenlos bereitgestellt werden, geschieht dies in der
Absicht, weitere Abonnementeinnahmen zu erzielen. Im Hinblick auf die technische Ausstattung der Satellitenreceiver haben sich die beiden Plattformbetreiber jeweils für proprietäre
Systeme entschieden, die Kunden können daher mit einem Receiver nur eines der beiden
Plattformangebote empfangen.
Schließlich bieten die Betreiber beider Plattformen neben den Programmpaketen auch zusätzliche Dienste an. CYFRA+ bietet heute bereits eine interaktive Wettervorhersage, Spiele und
ein Internet-Portal an, das Angebot von POLSAT 2 CYFROWY beinhaltet Werbe-, Touris-
80
Informacje o podstawowych problemach radiofonii i telewizji, marcec 2002; www.krrit.gov.pl.
41
mus-, Shopping-, Homebanking-, und Tele-Learning-Dienste. Die von POLSAT 2
CYFROWY geplante Einführung eines Pay-per-View-Dienstes wurde allerdings trotz technischer Vorbereitungen wegen finanzieller Schwierigkeiten im März 2002 aufgegeben.
2.2.4.7
USA
Die Zahl der gesamten Fernseh-Haushalte in den USA lag im Dezember 2000 nach Angaben
der zuständigen Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) bei 102,2
Mio.81. In diesen Haushalten stehen insgesamt rund 267 Mio. Fernseher.
Die bedeutendste Empfangsart ist Kabelfernsehen, gefolgt vom Satellitenfernsehen.
Im Juni 2001 hatten 69,9 Mio.82 oder 64 %83 aller Fernsehhaushalte ein Kabel-Abonnement,
eine Steigerung um 2 Mio. gegenüber dem Vorjahr. 37,2 Mio. davon hatten ein PremiumAbonnement, das einen oder mehrere Pay-TV-Kanäle und teilweise auch Pay-per-View- oder
Video-on-Demand-Kanäle einschließt.84
Die beiden größten Satelliten-TV-Betreiber DirecTV und Echostar85 hatten im Juni 2001 zusammen 16 Mio. Abonnenten, ein Zuwachs um 19 Prozent im Vergleich zum Juni 2001. Im
März 2002 war die Zahl der Abonnenten der beiden Anbieter auf 17,6 Mio. gestiegen. Neben
Echostar und DirecTV besitzen zwei weitere Unternehmen Lizenzen zum Vertrieb von TVProgrammen per Satellit: Dominion Video Satellite und R/L DBS Company86. Beide nehmen
jedoch nur Nischenplätze ein.
Von den 102,2 Mio. Fernsehhaushalten hatten im Juni 2001 88,6 Mio. einen jener Dienste
abonniert, die die FCC als „Multichannel Video Programming Services” (MVPS) beschreibt,
also einen Anbieter von Fernsehen und/oder Radio per Kabel, Satellit, Glasfaserleitung oder
drahtlosen Breitbandanschluss, der mehr Programme liefert als die frei über Antenne empfangbaren Stationen. Etwa 14 Mio. Haushalte empfangen Fernsehen auf allen Geräten ausschließlich über Antenne und damit frei. Der Anteil der Pay-TV-Haushalte liegt damit bei
etwa 85 %. Viele dieser Haushalte empfangen Pay-TV jedoch nur auf einem ihrer Geräte und
nutzen auf anderen ausschließlich frei empfangbare Sender, so dass der Marktanteil der frei
81
Laut dem Fünften Jahresbericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich
(KEK) (Berichtszeitraum 1.1. bis 1.7.2002) ist die Anzahl mittlerweile auf 107,1 Mio.Haushalte angestiegen.
82
73 Mio. laut KEK, Fünfter Jahresbericht, 2002.
83
69,2% laut KEK, Fünfter Jahresbericht, 2002.
84
Federal Communications Commission: Eighth Annual Assessment of the Status of Competition in the
Market for the Delivery of Video Programming, CS Docket No. 01-129, Washington 2002.
85
Die FCC hat die Fusion der Satelliten-TV-Betreiber Echostar und DirecTV am 10.10.2002 untersagt (Pressemitteilung FCC abrufbar unter http://hraunfoss.fcc.gov/edocs_public/attachmatch/DOC-227263A1.pdf,
abgerufen am 8.11.2002). Das US-Justizministerium hat aus den gleichen Gründen am 31.10.2002 eine
kartellrechtliche Klage gegen die Fusion vor dem U.S. District Court in Washington, D.C., erhoben. Die
Pressemitteilung
des
US-Justizministeriums
ist
abrufbar
unter
http://www.usdoj.gov/opa/pr/2002/October/02_at_631.htm, abgerufen am 21.11.2002. Nach aktuellen
Pressemeldungen ist Rupert Murdochs News Corporation (wieder) an einer Übernahme von DirecTV interessiert. Z.B. http://media.guardian.co.uk/broadcast/story/0,7493,846235,00.html, abgerufen am 28.11.2002.
86
Dominion vertreibt unter dem Markennamen Sky Angel ein christliches, familienorientiertes Programm,
das über Transponder der DirecTV-Satelliten ausgestrahlt wird und für 9 Dollar pro Monat abonniert werden kann. R/L DBS Company hat derzeit kein aktives Programmangebot.
42
empfangbaren Sender am Anteil der Zuschauer höher liegt als am Anteil der Fernsehhaushalte.
Digitales Fernsehen in den USA wird zum überwiegenden Teil von den Satelliten- und KabelBetreibern angeboten, mit weitem Abstand gefolgt vom frei empfangbaren terrestrischen
Fernsehen. Die beiden großen Satelliten-TV-Betreiber DirecTV und Echostar übertragen ihr
Signal ausschließlich digital. Beide bieten derzeit einige Sender im High Definition Television-Format (HDTV) an, darunter den Abonnementsender HBO und mehrere Pay-per-ViewKanäle. Um HDTV nutzen zu können, müssen Kunden allerdings einen zweiten, separaten
Dekoder und eine zweite Satelliten-Antenne aufstellen. Bei Echostar wird zudem eine zusätzliche Gebühr von 5,99 $ je Monat fällig. Darüber hinaus enthält das Angebot beider Anbieter
einen breitbandigen Internetanschluss per Satellit, der zum Jahresende 2001 insgesamt
140.000 Abonnenten zählte. Zum Vergleich: 7,5 Mio. Menschen in den USA bezogen zum
gleichen Zeitpunkt einen breitbandigen Internetzugang per Kabel-TV, weitere 4,2 Mio. per
DSL über die Telefonleitung.
Die TV-Kabelbetreiber der USA haben in den vergangenen zwei Jahren 30 Mrd. $ investiert,
um ihre Netze für digitale Übertragung aufzurüsten87. Etwa 87 % aller Kabelhaushalte sind an
Netze angeschlossen, die über eine Bandbreite von 550 Mhz oder mehr verfügen, drei Viertel
der Abonnenten haben Zugang zu Netzen mit 750 Mhz-Bandbreite oder mehr. Die Betreiber
nutzen die Digitalisierung jedoch vor allem, um mehr Kanäle mit herkömmlicher Auflösung
unterzubringen. Nur eine kleine Zahl von Kanälen wird im HDTV-Format ausgestrahlt.
Genaue Zahlen über die tatsächliche Nutzung von HDTV sind schwer erhältlich. Der Absatz
von Fernsehgeräten und Dekodern zum Empfang von HDTV blieb jedoch weit hinter den
Erwartungen zurück. Der Verband der Konsumelektronik-Hersteller CEA (Consumer Electronics Association) schätzt, dass im Jahr 2001 1,46 Mio. Geräte von der Fabrik an die Händler geliefert wurden. Seit Beginn der Statistik 1998 wurden damit in den USA 2,5 Mio. Geräte
für digitales Fernsehen ausgeliefert, unter ihnen 360.000 Fernseher mit integriertem HDTVEmpfänger und Set-Top-Boxen, der Rest größtenteils HDTV-Monitore, die zum Empfang
von HDTV-Signalen per Kabel, Satellit oder Antenne zusätzlich noch eine Set-Top-Box benötigen. Zahlreiche Kabelbetreiber wie etwa der drittgrößte Anbieter Comcast vermieten die
nötige Set-Top-Box an ihre Kunden. Comcast bietet derzeit 1,6 Mio. seiner 8 Mio. ein
HDTV-Angebot für 10,95 $ zusätzlich im Monat. Ähnliche Angebote machen AT&T Broadband und AOL Time Warner, die Nummern 1 und 2 unter den TV-Kabelbetreibern, jeweils
einem kleinen Teil ihrer Kunden. Von den frei empfangbaren Sendern hat eine Minderheit
bisher auf HDTV aufgerüstet. Eine Frist der FCC zum 1. Mai 2002, die es den 1600 Stationen
vorschrieb, digitale Technik in Betrieb zu nehmen, ließen 877 Stationen mit der Bitte um
Verlängerung verstreichen.
Satellitenfrequenzen werden in den USA von der FCC vergeben. Die Frequenzen wurden
anfangs ausgeschrieben, inzwischen werden sie überwiegend versteigert. An die Frequenzen
sind Nutzungsbedingungen geknüpft, die sicherstellen sollen, dass die Unternehmen, die die
Frequenzen erhalten, diese tatsächlich innerhalb eines technisch zumutbaren Zeitraums zur
Übertragung von Programminhalten nutzen und nicht brachliegen lassen88.
87
S. Cahners InStat, 2002 U.S. Cable Operator Survey: Infrastructure Upgrades Deliver Digital Services to
the Home, Scottsdale/Arizona, 2002.
88
Erst kürzlich nahm die FCC ein zuvor vergebenes Frequenzband wieder in ihren Besitz, nachdem Echostar
es versäumt hatte, fristgerecht den Betrieb auf der Frequenz, dem so genannten Ka-Band, aufzunehmen.
43
Allerdings werden Frequenzen und Transponder-Kapazität nicht an Rundfunkanstalten oder
Programmanbieter vergeben, sondern an die Betreiber von Satelliten-TV-Infrastruktur. Diese
Betreiber, in den USA Echostar und DirecTV mit einem Marktanteil von zusammen 97 %
aller Satelliten-TV-Anschlüsse, kaufen dann wiederum Programme von den Sendern, bündeln
sie zu Programmpaketen und verkaufen diese Pakete an ihre Kunden weiter. Zusätzlich sind
sie verpflichtet, lokale Sender kostenlos zu übertragen. Aus diesem Grund besteht ein Vertragsverhältnis zu den Endkunden in den USA überwiegend seitens der Infrastrukturbetreiber,
also der TV-Kabel- und Satelliten-TV-Betreiber89. Die Sender hingegen profitieren durch die
höhere Zuschauerzahl von einer Steigerung der Werbeumsätze oder, im Fall von Pay-TVSendern, der Abonnementeinnahmen. Im Gegensatz zu Kabelbetreibern ist es Satelliten-TVBetreibern erlaubt, mit Programmanbietern Exklusivverträge abzuschließen. Einige Sportkanäle sind in den USA daher ausschließlich per Satellit empfangbar.
Sowohl Satelliten- als auch Kabelbetreiber bieten typischerweise ein Basispaket an, das alle
landesweiten frei empfangbaren Sender sowie einen Grundstock an reinen Kabelkanälen und
Pay-TV-Sendern enthält. Ein solches Basis-Paket, das 110 Kanäle umfasst, kostet etwa bei
DirecTV 31,99 $ pro Monat, bei den meisten Kabelbetreibern liegt der Preis zwischen 29,99
und 39,99 $. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen Programmanbietern (Fernsehsendern)
und -verteilern (vor allem TV-Kabelbetreibern) ist in den USA eng. Vier der sieben größten
Kabelbetreiber besitzen Fernsehsender, die auch über Satellit ausgestrahlt werden90. Andererseits sind von den 20 Programmanbietern mit den höchsten Abonnentenzahlen neun im Besitz
von Unternehmen, die auch TV-Kabelnetze betreiben.
Eine ähnliche Entwicklung bei den Satelliten-TV-Anbietern ist noch in ihren Anfängen. Im
Dezember 2001 vereinbarte der Medienkonzern Vivendi Universal eine Kapitalbeteiligung in
Höhe von 1,5 Mrd. $ an Echostar. Im Gegenzug wird Echostar 5 Vivendi-Kanäle ausstrahlen
und weitere 8 Kanäle für Pay-per-View-Angebote von Vivendi zur Verfügung stellen, über
die der Konzern seine Filme oder Musik verbreiten kann. Vivendi erhält 10 % der Anteile an
Echostar und 2 % der Stimmrechte und ist über einen Sitz im Aufsichtsrat in dem Unternehmen vertreten. Die Vereinbarung ist nicht-exklusiv: Echostar wird weiterhin andere Sender
ausstrahlen und Vivendi Universal seine Programme auch anderen Infrastrukturbetreibern
anbieten. Insgesamt wird das Programmangebot der Satelliten-TV-Betreiber dominiert von
Sendern, die vertikal mit großen Kabel-Betreibern integriert sind. Von den 294 landesweiten
Programmen, die per Satellit ausgestrahlt werden, sind 104 oder 35 % vertikal mit mindestens
einem der großen Kabelbetreiber verflochten. Die Verflechtung ist um so schwerwiegender,
als zu diesen vertikal integrierten Programmanbietern mehrere der großen Sender gehören,
etwa TBS Superstation, mit 80 Mio. Abonnenten in den USA der populärste AbonnementSender, der AOL Time Warner gehört91.
89
Eine Ausnahme bilden reine Pay-TV-Sender wie etwa HBO, die als Zusatzpaket an Kabel- und Satellitenkunden verkauft werden und deren einzige Einnahmequelle ihr Anteil aus der Abonnementgebühr darstellt.
90
So besitzt z.B. AOL Time Warner Anteile an 39 landesweiten Fernsehsendern (13% aller Sender). Unter
ihnen sind mehrere Sender mit hohen Einschaltquoten wie CNN, TBS Superstation und HBO. Cox Communications hält Anteile an 24 landesweiten Sendern, Comcast an 17 und Cablevision an 10.
91
„Es scheint, dass ein bedeutender Teil des Programmangebots von nur 14 Unternehmen kontrolliert wird,
die Kabel-Betreiber, Rundfunkanstalter und andere Medienunternehmen einschließen. Die 14 Unternehmen
sind: AOL Time Warner, Cablevision, Comcast, Cox, Disney, E. W. Scripps Co., General Electric, Hearst,
Liberty Media, MGM, Newhouse, News Corp., Viacom und Vivendi.” – P. K. Assocs., Major Owners of
Cable Networks: Sept. 2001, Cable Program Investor, Sept. 11, 2001.
44
2.2.4.8
Zusammenfassung
Der Blick auf die Marktentwicklung in einzelnen Ländern zeigt deutlich unterschiedliche
Ausgangslagen und Zielsetzungen bei der Rundfunkversorgung. Während etwa Frankreich
und Großbritannien maßgebliche Weichenstellungen im digitalen (Satelliten-)Fernsehen im
Wesentlichen den Marktteilnehmern überlassen und damit proprietäre Strukturen begünstigen, zeigen die Bemühungen um das digitale Kabelfernsehen in der Schweiz den politischen
Willen, durch offene Standards zumindest Grundvoraussetzungen für Wettbewerb zu schaffen.
Es wird deutlich, dass die zu beobachtenden Entwicklungen primär durch zwei Faktoren bestimmt sind:
Die Frage, ob digitales Fernsehen als eigenständiges und komplementäres Angebot zur bisherigen Rundfunklandschaft oder aber als in die bestehenden Strukturen zu integrierender Faktor verstanden wird, ist maßgeblich bestimmt durch die jeweilige nationale Rundfunktradition.
In Ländern mit bislang eher wenigen frei verfügbaren Programmen – dies ist die Mehrzahl der
europäischen Staaten – ist die Tendenz erkennbar, digitales Fernsehen als unabhängiges Aliud
zum traditionellen Rundfunk einzustufen. Die Angebote, die folgerichtig fast ausschließlich
Pay-TV-Modelle sind, werden als wirtschaftliche Aktivität bewertet, was proprietäre Entwicklungen erkennbar begünstigt. Die Diskussion um offene Standards ist, soweit sie überhaupt intensiv geführt wird, vor allem an wirtschaftlichen Aspekten der Marktentwicklung
orientiert. Allenfalls wird – wie etwa in Frankreich – sichergestellt, dass traditionelle Programme zusätzlich transportiert werden. Damit ist die Frage der Entwicklung digitalen Fernsehens in diesen Ländern tatsächlich vor allem eine Frage der Entwicklung von Pay TV.
Dagegen zeichnet sich vor allem im deutschsprachigen Raum ab, dass digitales Fernsehen als
integrierter Bestandteil der Rundfunklandschaft betrachtet wird, der zwar auch neue Geschäftsmodelle erlaubt, prinzipiell jedoch den Regeln des traditionellen Rundfunks unterliegen soll. Dies begünstigt den Ansatz, offene Standards nicht allein als Instrument der Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik zu verstehen, sondern auch unter dem Aspekt der Gestaltung
einer vielfaltsorientierten Rundfunklandschaft zu betrachten.
Als Folge dieses Aspekts haben sich in den einzelnen Ländern unterschiedliche Modelle der
Versorgung der Zuschauer mit der erforderlichen Empfangstechnik für digitalen (Satelliten-)
Rundfunk herausgebildet, die erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation und
damit auf die zu erwartende Marktentwicklung haben. Auch hier zeigt sich der Einfluss des
traditionellen Rundfunkmarkts. In den Ländern, in denen digitales Fernsehen nahezu vollständig mit Pay-TV gleichgesetzt werden kann, haben sich proprietäre Receivertechnologien
etabliert. Receiver werden dem Abonnenten miet- oder leihweise für die Vertragslaufzeit zur
Verfügung gestellt. Dies entlastet den Zuschauer von eigenen Investitionen und beschleunigt
unter gewissen Voraussetzungen zunächst die Entwicklung einer digitalen Basisausstattung,
verhindert zugleich aber, dass ein Endgerätemarkt entsteht, der Wettbewerb auch hinsichtlich
der Inhalte erlaubt und offen ist für zukünftige Entwicklungen, die unabhängig vom Anbieter
des Programmpakets zur Verfügung gestellt werden könnten. Proprietäre Systeme erschweren
überdies den Empfang von Angeboten aus anderen europäischen Ländern.
Dynamischer verläuft die Entwicklung des Receivermarkts im deutschsprachigen Raum.
Zwar hatte sich dort – vor allem in Deutschland und Österreich – mit der d-box zunächst
ebenfalls eine dominierende proprietäre Technologie etabliert. Zugleich hat sich – begünstigt
45
durch eine große Zahl frei verfügbarer, für den deutschen Sprachraum bestimmter digitaler
Programme und erkennbarer Vorbehalte gegen die d-box – ein zunächst kleiner, mittlerweile
aber stetig wachsender Markt für FTA92-Receiver entwickelt. Ob sich dieser Kaufmarkt qualitativ entwickelt – hin zu Receivern, die mit Common-Interfaces und/oder MHP-Fähigkeiten
ausgestattet sind, ist derzeit noch offen und von Faktoren abhängig, die nachfolgend erörtert
werden sollen. Für Österreich kann sich ein zusätzlicher Marktimpuls aus dem Wechsel der
Verschlüsselungstechnik bei PremiereWorld ergeben, nachdem sich die enge Kopplung der
digitalen Entwicklung der ORF-Programme an die proprietäre d-box als problematisch erweisen könnte.
Insgesamt zeigt sich der digitale Rundfunkmarkt in Europa derzeit als äußerst heterogen. Die
nicht nur divergierenden, sondern zum Teil gegenläufigen Entwicklungen können derzeit allerdings nicht als stabil und abgeschlossen eingestuft werden. Vielmehr lassen wirtschaftliche
wie technologische Aspekte erwarten, dass die Märkte in allen europäischen Ländern weiterhin einer Entwicklung unterliegen werden, deren Richtung und Endpunkt heute noch als offen
gelten und damit auch prinzipiell der Gestaltung unterliegen kann.
2.2.5 Offenheit im europäischen Binnenmarkt
Alle Länder setzen für die digitale Distribution den DVB-Standard ein, wobei unterschiedliche Verschlüsselungstechniken Verwendung finden. Dies hat zur Folge, dass die Empfangseinrichtungen weder innerhalb Europas noch innerhalb eines europäischen Landes ohne weiteres den Wechsel zwischen den Anbietern von Pay-TV erlauben. Dies bedeutet für diejenigen Länder, in denen auch die ohne unmittelbare Vergütung empfangbaren „freien“ Programme verschlüsselt ausgestrahlt werden, dass deren Empfang via Satellit den Besitz der
spezifischen Decodierungseinrichtungen (Decodierungssoftware und Smart-Card) voraussetzt. Zugleich bewirken die unterschiedlichen Empfangstechnologien, dass die Märkte faktisch territorial abgegrenzt sind. Dabei sind zwei Faktoren von Bedeutung:
•
Zum einen sind die Möglichkeiten, die für die Decodierung erforderliche Smart-Card zu
erwerben, überwiegend begrenzt auf den Abschluss eines Vertrags im Zielland des jeweiligen Anbieters.
•
Zum andern sind nicht für die Produkte aller Anbieter Conditional-Access-Module erhältlich bzw. Receiver mit solchen Features nicht in allen Ländern im Markt verfügbar. Dies
gilt vor allem für solche Anbieter, die ausschließlich Boxen mit EmbeddedVerschlüsselungs-Technologien einsetzen.
2.2.6 Folgerungen für die Entwicklung eines europäischen Markts
Für die Entwicklung neuer Angebote und Geschäftsmodelle im digitalen Rundfunk folgt aus
den strukturellen Unterschieden innerhalb Europas und der technologischen Zersplitterung
zumindest derzeit, dass sie entweder grundsätzlich lediglich für europäische Teilmärkte geeignet sind oder aber erhebliche inhaltliche und technologische Anpassungen der Produkte
erforderlich sind. Die damit verbundenen Kosten verhindern, dass der potenzielle Markt für
neue Anwendungen optimal und damit rasch erschlossen wird.
92
FTA: Free-To-Air, Receiver, mit denen lediglich die unverschlüsselt nach dem DVB-Standard ausgestrahlten Programme empfangen werden können.
46
Aus diesen Erwägungen folgt – unabhängig von den weiteren Fragen im Hinblick auf den
Zugang zu den Märkten – die Forderung nach einer raschen Umsetzung einheitlicher Standards, die die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle nicht von einer vollständigen technologischen Migration abhängig machen, sondern die Voraussetzungen für modulare Weiterentwicklungen schaffen. Dies bedeutet als Mindeststandard den europaweiten Verzicht auf „Embedded“-Lösungen für Verschlüsselungstechnologien sowie die Ausrüstung der Receiver mit
MHP-Fähigkeiten.
Die rasche Verbreitung von preiswerten Zapping-Boxen kann zwar den prinzipiellen Umstieg
auf digitale Empfangstechnik beschleunigen, vermindert in der Folge jedoch die Chancen, die
digitale Technologie mit ihren erweiterten Möglichkeiten effizient zu nutzen.
2.3
Zusammenfassung
Die Ausgangsbedingungen für die Entwicklung des Satellitenrundfunks in Europa sind geprägt von historisch eigenständigen, rundfunkpolitisch wie wirtschaftlich unterschiedlichen
Entwicklungen. Zwar stimmen die Grundstrukturen der technischen Verbreitung, etwa DVB
als Standard der Ausstrahlung, noch weitgehend überein, die Frage aber, ob digitaler Satellitenrundfunk primär als Wirtschaftsfaktor betrachtet wird oder zumindest auch als integrale
Komponente einer einheitlichen Rundfunkordnung, wird von Land zu Land unterschiedlich
beantwortet. Dies führt zugleich zu unterschiedlicher Gewichtung der Risiken proprietärer
Systeme. Während vor allem die deutschsprachigen Staaten Aspekten der Standardisierung
einen hohen Stellenwert einräumen und damit einen möglichst offenen Zugang verschiedener
Anbieter zu den Verbreitungswegen bzw. des Zuschauers zu unterschiedlichsten Inhalten anstreben, haben sich digitale Satellitenrundfunksysteme in anderen Staaten völlig proprietär
entwickelt. Folge davon sind hohe Hürden für den Marktzutritt Dritter in diesen Ländern und
eine Abschottung gegenüber Angeboten aus anderen europäischen Staaten. Zur Vermeidung
territorial begrenzter Märkte, die der Binnenmarktentwicklung entgegenstehen und zudem
Integrationswirkungen des Rundfunks verhindern, sind zumindest die Etablierung und Förderung von Standards dort notwendig, wo sowohl aus Sicht von Veranstaltern wie Zuschauern
der Zugang zu den Verbreitungswegen und Empfangstechniken betroffen ist. Angesichts des
Umstands, dass in den europäischen Staaten längst Fakten geschaffen sind, muss dies bedeuten, proprietäre Technologien schrittweise für standardisierte Systeme zu öffnen, etwa auf
„Embedded“-Lösungen zugunsten modularer Techniken zu verzichten oder generell die
Möglichkeit des Betriebs standardisierter Applikationen, etwa auf MHP-Basis, zur Verfügung
zu stellen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass sich Märkte und Rundfunkangebote unabhängig von territorialen Grenzen bedarfsgerecht entwickeln lassen und etablieren können.
47
3.
Der Satellitenrundfunk im geltenden Recht
Um Regelungsbedarfe und Regelungsmöglichkeiten erkennen zu können, ist es erforderlich,
das geltende Recht daraufhin zu untersuchen, ob es die bestehenden Rechtsfragen befriedigend beantwortet. Ein Regelungsbedarf kann sich dann dadurch ergeben, dass bereits heute
Regelungsprobleme unzureichend gelöst sind. Die Untersuchung des geltenden Rechts ist
aber auch erforderlich als Grundlage für die Prüfung, welche Rechtsprobleme die zu erwartenden Veränderungen durch die Digitalisierung bringen werden. Regelungsbedarf kann sich
bei dieser Prüfung ergeben, wenn das geltende System für diese neuen Rechtsfragen keine
ausreichenden Antworten enthält.
Um also die gegenwärtige Rechtslage zu überprüfen und um die Grundlage für die weitere
Untersuchung zu legen, werden in diesem Kapitel zuerst die Grundlagen des primären Gemeinschaftsrechts und des deutschen Verfassungsrechts vorgestellt (3.1). Sodann wird ein
kurzer Überblick über die Geschichte der Regulierung des Satellitenrundfunks gegeben (3.2)
und anschließend das geltende sekundäre Gemeinschaftsrecht und deutsche Gesetzesrecht mit
Blick auf die aktuellen Probleme vorgestellt (3.3). Abschließend werden die einschlägigen
Regelungen aus mehreren europäischen Staaten und den USA beschrieben (3.4), um eine
Vergleichsmöglichkeit mit dem deutschen Recht zu bieten.
3.1
Europäisches und deutsches Verfassungsrecht
Ein Recht auf Zugang zu Kommunikationsnetzen, also ein Recht, sowohl Inhalte mittels eines
bestimmten Netzes zu verbreiten als auch zu empfangen, könnte zum einen den Diensteanbietern und zum anderen den Zuschauern zustehen. Um zu prüfen, ob sich solche Rechte im
Bereich des Rundfunks aus den Grundrechten der Meinungs- und Informationsfreiheit oder
der Rundfunkfreiheit ableiten lassen, sind sowohl das europäische als auch das deutsche Verfassungsrecht zu betrachten.
3.1.1 Zugangsrecht und Grundfreiheiten auf europäischer Ebene
Auf europäischer Ebene haben die Mitgliedstaaten des Europarats diese Freiheiten in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)93 verankert. Diese bindet die Vertragsstaaten
des Europarats, ist aber auf Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft nicht unmittelbar anwendbar. Dennoch findet die EMRK auch im Recht der Europäischen Union Anwendung.
Hierfür gibt es zwei Gründe. Zum einen sind die einzelnen EU-Mitgliedstaaten zugleich Mitgliedstaaten des Europarats. Sie können aber bei ihrem mitgliedstaatlichen Handeln in Rechtsetzungsverfahren innerhalb der Union ihre Pflichten aus der Mitgliedschaft im Europarat
nicht verleugnen, sondern müssen auch in diesem Kontext die EMRK beachten94. Zum anderen wird ihre Anwendung vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gefordert. Zwar enthält das Gemeinschaftsrecht keine eigenen ausformulierten Grundrechte, gewährleistet diese aber in dem Maß, wie es den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der
93
(Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4.11.1950,
BGBl. II 1952, 686 (zuletzt geändert mit BGBl. II 1994, 593).
94
EGMR, Urteil vom 18.2.1999, Nr. 24833/94 – Matthews.
48
Mitgliedstaaten entspricht95. Zu ihrer Konkretisierung orientiert sich der EuGH sowohl an der
gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten als auch an internationalen Verträgen über den Schutz der Menschenrechte, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt
sind. Hierzu zählt vorrangig die EMRK96. Diese Rechtsprechung wurde insofern im Vertrag
über die Europäische Union (EUV) von Maastricht anerkannt, als in Art. 6 Abs. 2 EUV ausdrücklich auf die EMRK als Quelle für die vom EuGH abgeleiteten Grundrechte Bezug genommen wurde97. Gemäß Art. 46 Buchstabe d EUV ist diese Bestimmung auch für den EGV
maßgebend98.
Ebenso ist die anlässlich des Europäischen Rates von Nizza vom 7. bis 11. Dezember 2000
proklamierte Grundrechtecharta der Europäischen Union nicht unmittelbar Bestandteil des
Gemeinschaftsrechts. Sie wird aber – wie auch die EMRK – vom EuGH als Bestandteil der
gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten99 anerkannt und in Gerichtsverfahren angewendet100. Ihre Aufgabe wurde vom Europäischen Rat von Köln als Visualisierung
und Zusammenführung der Grundrechte der europäischen Bürger beschrieben101. Diese Funktion wird auch dadurch deutlich, dass die einschlägige Vorschrift des Art. 11 der Charta in
ihrem Absatz 1 nahezu wortgleich wie die entsprechende Gewährleistung in Art. 10 Abs. 1
EMRK formuliert ist102.
Art. 10 Abs. 1 EMRK:
Jeder hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung
und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus,
daß die Staaten Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren
unterwerfen.
Art. 11 Grundrechtecharta von Nizza:
(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
(2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden gewährleistet.
95
EuGH, Rs. 29/69, Slg. 1969, 419 – Stauder, Rn. 7; Maunz/Dürig-Scholz, Art. 23, Rn. 13 ff. Zur Geltung
dieses Grundsatzes im Rahmen des Art. 220 EGV s. auch Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 31.
96
S. Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 31.
97
So erstmals durch den Vertrag von Maastricht in Art. F Abs. 2 EUV. Über die Rechtsprechung des EuGH
hinaus bietet jedoch auch der EUV keinen eigenständigen Grundrechtsschutz.
98
Siehe auch: Geiger, EGV, Art. 220, Rn. 34.
99
Geiger, EGV, Art. 6, Rn. 9; Stock, K&R 2001, 289. Anlässlich der Vorstellung der Gliederung einer Verfassung der Europäischen Union durch den Präsidenten des Verfassungskonvents, Giscard d'Estaing, am
28.10.2002 in Brüssel, erzielten die Konventsmitglieder mehrheitlich jedoch Konsens dahin gehend, dass
die Grundrechtecharta formell Teil des Unions- bzw. Gemeinschaftsrechts werden solle; lediglich ihre
Stellung im Verfassungstext scheint demnach noch umstritten, s. Süddeutsche Zeitung vom 30.10.2002.
Letztlich ist dies durch die Regierungskonferenz im Jahre 2004 zu entscheiden.
100
Etwa Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 18.2.2001 in der Rechtssache C-173/99 – BECTU,
Nr. 26: „Noch bedeutsamer scheint mir jedoch die Tatsache, dass dieser Anspruch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union feierlich bestätigt worden ist, die am 7. Dezember 2000 vom Europäischen
Parlament, vom Rat und der Kommission proklamiert wurde.“
101
Der Europäische Rat trat am 3. und 4.6.1999 in Köln zusammen, um nach Inkrafttreten des Vertrags von
Amsterdam
wichtige
Zukunftsfragen
zu
erörtern.
Schlussdokument
abrufbar
unter
http://europa.eu.int/council/off/conclu/june99/june99_de.htm, abgerufen am 31.10.02.
102
Siehe Borchardt, EU- und EG-Vertrag, S. 367 ff., 375f.
49
An die durch den EuGH entwickelten Gemeinschaftsgrundrechte, zu denen auch die Meinungs- und Informationsfreiheit zählt103, sind die Gemeinschaften und ihre Organe gebunden104, auch die Auslegung des primären Gemeinschaftsrechts hat im Licht dieser Grundrechte
zu erfolgen105. Daneben binden sie die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und dem administrativem Vollzug des Gemeinschaftsrechts. Lediglich das Bestehen einer unmittelbaren
Drittwirkung im Sinn einer Wirkung im Verhältnis Privater untereinander ist bislang noch
umstritten106. In der Normenhierarchie stehen die Gemeinschaftsgrundrechte dem Vertragsrecht gleich. Sie zählen zum primären Gemeinschaftsrecht107.
Für den Zugang zu Rundfunkübertragungsnetzen ist auf europäischer Ebene somit Art. 10
EMRK von zentraler Bedeutung. Er dient dem EuGH als wesentlicher Orientierungsmaßstab
für die Anerkennung und Konkretisierung des Rechts auf Meinungs- und Informationsfreiheit.
Nach Art. 10 Abs. 1 EMRK hat jeder Bürger das Recht auf freie Meinungsäußerung. Gemäß
dem weiteren Wortlaut dieser Bestimmung schließt dieses Recht die Freiheit der Meinung
und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe
öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Art. 10 EMRK schützt
demnach sowohl die aktive als auch die passive Informationsfreiheit einschließlich der Rundfunkfreiheit. Die freie Vermittlung und der freie Empfang von Informationen werden unabhängig von ihrer technischen Übermittlung gewährleistet108. Ebenso beinhaltet die Informationsfreiheit in Art. 10 EMRK das Recht, sich aller verfügbaren Kommunikationsmittel zu bedienen109.
Dieses Verständnis der Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK wurde vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in mehreren Entscheidungen bestätigt. In der „Autronic“-Entscheidung110 stellte der EGMR für die Satellitenkommunikation
ausdrücklich fest, dass der Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK sich nicht nur auf den Informationsinhalt, sondern auch auf die Empfangsmittel bezieht. Beschränkungen in Bezug auf die
Empfangsmittel sind gleichzeitig auch Eingriffe in das Recht zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten111. Dabei kommt es weder auf den Inhalt der Informationen noch auf
103
Bleckmann, Europarecht, Rn. 110, m.w.N.
104
Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 35.
105
EuGH, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925 – ERT, Rn. 41 ff.; s. auch Mitteilung der Kommission über die
Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49
EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen, KOM(2001) 531 endg. vom 27.6.2001, S. 11.
106
Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 35. Unter Hinweis auf EuGH, Rs. C-281/98 , Slg. 2000, I-4139 – Angonese,
und EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 – Bosman, bejahend Dörr, K&R 2001, 608 m.w.N., eingeschränkt ablehnend z.B. Charissé, INFOSAT 9/2002, 81, der darauf hinweist, dass der EuGH die unmittelbare Wirkung zwischen den Parteien ausdrücklich auf die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit bezieht.
107
Lenz-Borchardt. Art. 220, Rn. 38; Geiger, EGV, Art. 220, Rn. 21.
108
So auch Zuleeg, ZUM 1997, 778, 782.
109
S. Dörr, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 107.
110
EGMR, Urteil vom 22.5.1990, Nr. 17/1989/175/231, EuGRZ 1990, 261 ff. – Autronic.
111
Gegenstand des Verfahrens war die Inbetriebnahme einer Parabolspiegelantenne mit dem Zweck, zur Demonstration der Leistungsfähigkeit der Anlage bei Verkaufsmessen in der Schweiz sowjetische Programme
über einen sowjetischen Satelliten empfangen zu können.
50
den Zweck ihres Sendens oder Empfangens an. Auch ein rein wirtschaftlicher Nutzungszweck
ist durch die Freiheit geschützt, sich bestimmter technischer Empfangsmittel zu bedienen.
Grundsätzlich kann daher ein generelles Zugangsrecht von Empfängern und Rundfunkveranstaltern zu den einzelnen Kommunikationsnetzen aus Art. 10 EMRK abgeleitet werden. Dieser gilt für die Empfangsfreiheit genauso wie für die Freiheit, Informationen zu verbreiten.
Sowohl Rundfunkempfänger als auch Rundfunkveranstalter werden vom Schutz des Art. 10
Abs. 1 EMRK umfasst. Er gilt für alle Kommunikationswege und „Übertragungs- und Empfangsmittel“112, nicht nur für die zum Empfang von Informationen, sondern auch für die zur
Übertragung erforderlichen technischen Anlagen113. Diese Grundsätze wandte der EGMR
nicht nur auf die Übertragung durch Satelliten, sondern in der Entscheidung „Informationsverein Lentia“114 und in der „TELE 1 Privatfernseh GmbH“115 auch auf terrestrischen Hörfunk
und Kabelfernsehen an.
Allerdings handelt es sich nicht um einen uneingeschränkten Weiterverbreitungs- oder unbedingten Zugangsanspruch116. Denn Art. 10 EMRK gebietet den Vertragsstaaten den gesamten
Kommunikationsprozess nicht nur zur individuellen Freiheitsentfaltung, sondern auch zu einem weitergehenden Zweck zu schützen. Sie sollen eine Rechtsordnung schaffen, die Kommunikationsinhalte, Kommunikationsmittel und Kommunikationswege schützt, um einen
Pluralismus der Meinungen zu gewährleisten117. Um beide Ziele zu erreichen, muss der Gesetzgeber den Zugang zu den einzelnen Bestandteilen des Kommunikationsprozesses ausgestalten118. Die Austarierung der beiden Facetten des Art. 10 EMRK – einerseits die individuelle Veranstalterfreiheit, andererseits die institutionell-rechtlichen Aspekte119 – muss demnach
im Einzelfall erfolgen und eröffnet den Mitgliedstaaten einen gewissen Beurteilungsspielraum
(margin of appreciation)120. Daher war es zum Beispiel im Fall „TELE 1 Privatfernseh
GmbH“ nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vertretbar, wenn Österreich aus Pluralismuserwägungen heraus ein Monopol des ORF für die terrestrische Ausstrahlung von Rundfunkveranstaltungen vorsah, wenn zugleich mit diesem Eingriff in die Rundfunkfreiheit aus
112
EGMR, Urteil vom 22.5.1990, Nr. 17/1989/175/231, EuGRZ 1990, 261 ff. – Autronic.
113
EGMR, Urteil vom 28.3.1990, Nr. 14/1988/158/214, EuGRZ 1990, 255 ff. – Groppera.
114
EGMR, Urteil vom 24.11.1993, Nr. 36/1992/381/455-459, EuGRZ 1994, 549, 550 – Informationsverein
Lentia. Andere Beschwerdeführer in diesem Verfahren hatten um die Zuteilung einer Frequenz oder die
Genehmigung für terrestrisch zu verbreitende Hörfunkprogramme nachgesucht.
115
EGMR, Urteil vom 21.9.2000, Nr. 32240/96 – TELE 1.
116
S. Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 108f.
117
EGMR, Urteil vom 24.11.1993, Nr. 36/1992/381/455-459, EuGRZ 1994, 549, 550 – Informationsverein
Lentia, Rn. 38.
118
Entsprechende Regelungen sind grundsätzlich an den (materiellen) Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2,
ggf. i.V.m. Abs. 1 Satz 3 EMRK, zu messen.
119
Schulz/Jürgens, Content-Richtlinie; Umdruck S. 12f., verstehen den Genehmigungsvorbehalt gemäß Art.
10 Abs. 1 Satz 3 EMRK in erster Linie dahin, dass sich die mitgliedstaatliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung an der Pluralismussicherung zu orientieren habe. S. zum Streitstand ebenda sowie Engel, Privater
Rundfunk, S. 439, einerseits und Petersen, Rundfunkfreiheit, andererseits.
120
Siehe hierzu Graber, Bröckelndes Monopol des ORF, Anm. z. Urt. des EGMR, TELE 1, abrufbar unter
http://www.weblaw.ch/jusletter/Artikel.jsp?ArticleNr=828&Language=1, abgerufen am 31.10.2002; Streit,
Medien & Recht 2000, 209, 210f.
51
Art. 10 Abs. 1 EMRK privater Rundfunk in Form aktiven Kabelfernsehens ermöglicht wurde121.
Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen zwar auf Art. 10 EMRK Bezug genommen122,
Fragen der Zugangs- und Empfangsfreiheit allerdings vorrangig über eine Auslegung der in
Art. 49 EGV123 gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit beantwortet124. Nach dieser Rechtsprechung ist der freie Dienstleistungsverkehr nur dann berührt, wenn die Ausstrahlung von Fernsehsendungen auch grenzüberschreitend wirkt125. Um die Dienstleistungsfreiheit ausüben zu
können, ist für den Rundfunkveranstalter ein Recht auf Zugang zu Kommunikationsnetzen
anzuerkennen126. Dies wurde konkret für den Weiterverbreitungsanspruch hinsichtlich des
Zugangs zu Kabelfernsehnetzen bejaht127. Das gleiche gilt für die Empfangsfreiheit als Möglichkeit, grenzüberschreitende Rundfunkdienstleistungen annehmen zu können. Daher hat der
EuGH für eine Beschränkung der Dienstleistungsempfänger in ihrer Freiheit, über Satellit
ausgestrahlte Programme von Veranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten zu empfangen, einen
Verstoß gegen die Grundfreiheit des Art. 49 EGV bejaht128.
Einschränkungen dieser Grundfreiheit hat der EuGH dann anerkannt, wenn sie durch Gründe
nichtwirtschaftlicher Art, die im öffentlichen Interesse liegen, gerechtfertigt sind. Daher hat er
in einem frühen Urteil festgestellt, dass ein Fernsehmonopol als solches nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt129, in einem späteren Urteil aber dargelegt, dass die Ausgestaltung
und Ausübung eines solchen Monopols gegen die Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen kann130. Ein Verstoß kann insbesondere dann vorliegen, wenn ein Monopol dazu führt, dass Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber inländischen
Sendungen diskriminiert werden. Vorschriften mit diskriminierender Wirkung können gemäß
Art. 55 und Art. 46 EGV131 allenfalls aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und
Gesundheit gerechtfertigt sein. Solche Beschränkungen sind allerdings ihrerseits unter Beachtung der aus Art. 10 EMRK abgeleiteten Meinungsfreiheit zu beurteilen132.
121
EGMR, Urteil vom 21.9.2000, Nr. 32240/96 – TELE 1, Rn. 38, 40 f. In Anbetracht der Versorgungssituation in der Region Wien, die von einer hohen Penetrationsrate von Kabelanschlüssen (auch in Haushalten mit
terrestrischem Empfang) geprägt sei, liege eine weniger restriktive Lösung vor.
122
Als Beispiel für den Bereich des Rundfunks insbesondere: EuGH, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925 – ERT,
Nr. 41 ff.
123
Art. 49 EGV n.F. entspricht Art. 59 EGV a.F.
124
S. jüngst EuGH, Rs. C-17/00, Slg. 2001, I-9445 – de Coster; EuGH, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 – TV
10; EuGH, Rs. 52/79, Slg. 1980, 833 – Debauve; EuGH, Rs. 155/73, Slg. 1974, 409 – Sacchi.
125
EuGH, Rs. 52/79, Slg. 1980, 833 – Debauve; bestätigt durch EuGH, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 – TV
10, Rn. 14, 26.
126
EuGH, Rs. C-17/00, Slg. 2001, I-9445 – de Coster, Rn. 34.
127
So z.B. EuGH, Rs. C-353/89, Slg. 1991, I-4069 – Kommission/Niederlande; EuGH, Rs. C-11/95, Slg.
1996, I-4115 – Kommission / Belgien.
128
EuGH, Rs. C-17/00, Slg. 2001, I-9445 – de Coster, Rn. 29 ff., 33.
129
EuGH, Rs. 155/73, Slg. 1974, 409 – Sacchi, Rn. 6.
130
EuGH, Rs. C-260/89, Slg. 1991, I-2925 – ERT, Rn. 12, 20, 24f.
131
Art. 55 EGV n.F. entspricht Art. 66 EGV a.F., Art. 46 EGV n.F. entspricht Art. 56 EGV a.F.
132
Dies fordert ebenfalls die Kommission, siehe die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der
allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem
Gebiet der Nutzung von Parabolantennen , KOM(2001) 531 endg. vom 27.6.2001, Teil II, 2., S. 11.
52
Ob aus der Meinungsfreiheit ein Zugangsrecht der Rundfunkveranstalter abgeleitet werden
kann, hat der EuGH allerdings noch nicht ausdrücklich entschieden. Insbesondere blieb die
Frage, ob aus Art. 10 EMRK – gegebenenfalls in Verbindung mit den Bestimmungen über die
Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrags – ein Zugang ausländischer Rundfunkanbieter zum
nationalen Rundfunkmarkt hergeleitet werden kann, unbeantwortet. Das Gericht nahm bisher
auch keine Abwägung vor zwischen der aus Art. 10 EMRK ableitbaren individuellen (subjektiven) Rundfunkveranstalterfreiheit133 und dem Ziel des Art. 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2
EMRK134, die freie Meinungsäußerung mittels der Wahrung der Meinungsvielfalt zu schützen.
Die Bedeutung des Art. 10 EMRK beschränkte sich für den EuGH vielmehr auf die Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und die Rechtfertigung der diese einschränkenden mitgliedstaatlichen Bestimmungen. Er entnahm Art. 10 EMRK, dass der Schutz
des Pluralismus ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel und damit grundsätzlich einen anzuerkennender Grund darstellt, die Dienstleistungsfreiheit einzuschränken135.
Art. 11 der EU-Grundrechtecharta schützt die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Medien.
Die Bestimmung basiert auf Art. 10 EMRK und entspricht in ihrem Abs. 1 nahezu dessen
Wortlaut. Einen wesentlichen Unterschied enthält allerdings Art. 11 Abs. 2 der Charta, der
ausdrücklich hervorhebt, dass die Freiheit der Medien und ihre Pluralität geachtet werden.
Auch wenn unterschiedliche Auslegungen dieser Bestimmung für möglich erachtet werden
und sie in ihrer durch Art. 10 EMRK geprägten Aussage unterschiedlich interpretiert wird136,
ist ihr jedenfalls zu entnehmen, dass ein kulturell vielfältiges und plurales Mediensystem in
Europa gewünscht wird137. Zugleich wird hierzu – soweit ersichtlich – eine Auslegung favorisiert, die unter Bezugnahme auf das Protokoll zum Amsterdamer Vertrag über den öffentlichrechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten und die EuGH-Rechtsprechung138 eine Ausgestaltungshoheit des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers bezüglich seines Rundfunksystems anerkennt139. Vielfalts- und Pluralismussicherung werden wesentlich durch die Zugangsoffenheit
der einzelnen Medien und ihrer Übertragungsmittel bedingt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich aus Art. 10 EMRK, Art. 11 der
Grundrechtecharta sowie Art. 49 EGV das normative Ziel, das den Mitgliedstaaten vorgegeben ist, entnehmen lässt, zur Sicherung individueller Freiheiten wie auch des Allgemeininteresses der Meinungspluralität den freien Zugang zu allen Übertragungswegen und den freien
Empfang auf allen Übertragungswegen zu gewährleisten. Ein direkter Zugangsanspruch Einzelner lässt sich daraus allerdings nicht ableiten.
133
EGMR, Urteil vom 24.11.1993, Nr. 36/1992/381/455-459, EuGRZ 1994, 549, 550 – Informationsverein
Lentia; Probst, Art. 10 EMRK, S. 41, 47f., 51f.; Astheimer, Rundfunkfreiheit, S. 136.
134
EGMR, Urteil vom 24.11.1993, Nr. 36/1992/381/455-459, EuGRZ 1994, 549, 550 – Informationsverein
Lentia, Rnr. 38.; EuGH, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 – TV 10, Rnr, 24f.
135
EuGH, Rs. C-23/93, Slg. 1994, I-4795 – TV 10, Rn. 25; EuGH, Rs. C-353/89, Slg. 1991, I-4069 – Kommission/Niederlande, Rn. 30.
136
Zur Entstehungsgeschichte und den verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten Stock, K&R 2001, 289 ff.,
sowie Leinen, Charta, S. 15 ff.
137
S. hierzu Schulz/Jürgens, Content-Richtlinie, S. 16 ff. m.w.N.; Bröhmer, Medienordnung, S. 89 ff.
138
EuGH, Rs. C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I-4069, Rn. 39 ff.; vgl. ferner Erwägungsgrund
Nr. 8 i.V.m. Nr. 13 und 16 der Fernseh-Richtlinie 89/552/EWG, Erwägungsgründe Nr. 15 und 44 der Fernseh-Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 97/36EG.
139
S. Borchardt, EU- und EG-Vertrag, S. 367 ff., 375f.; Schulz/Jürgens, Content-Richtlinie, S. 16.
53
3.1.2 Zugangsrecht und Grundrechte in Deutschland
Im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland kann ein Recht auf Zugang zu Kommunikationsnetzen aus Art. 5 Abs. 1 GG hergeleitet werden. Insbesondere die Informations-,
Meinungs- und Rundfunkfreiheit bieten hierfür Anhaltspunkte und Maßstäbe. Die Gewährleistung aller drei Freiheiten gilt als Grundvoraussetzung für eine lebendige Demokratie. Durch
sie wird ein freier Kommunikationsprozess garantiert, in dem jeder Meinungen empfangen,
bilden und äußern kann.
Die Rundfunkfreiheit wird als ein der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung „dienendes Freiheitsrecht“ verstanden140. Freie Meinungsbildung ist auf Medien angewiesen, die
Meinungen verbreiten und über die Meinungen geäußert werden können. Die Ordnung dieser
Medien und der Zugang zu ihnen ist für den demokratischen Kommunikationsprozess von
entscheidender Bedeutung. Dies gilt für den Rundfunk wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft in besonderer Weise141. Um die Teilnahme am Rundfunk sicherzustellen, fällt sowohl die Freiheit des Rundfunkveranstalters, Rundfunk zu verbreiten142, als
auch die Freiheit des Empfängers, Rundfunk in der beschriebenen Breite zu empfangen143,
unter den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit.
Um die Rundfunkfreiheit nach diesem Verständnis sicherzustellen, ist der Gesetzgeber nach
der Rechtsprechung des BVerfG verpflichtet, sie durch eine positive Ordnung auszugestalten144. Diese soll sicherstellen, dass die innerhalb der Gesellschaft existierende Meinungsvielfalt im „Medium“ Rundfunk in voller Breite Ausdruck findet. Gefordert wird die Ausgewogenheit des Gesamtangebots. Durch die Grundversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dessen Ausgewogenheit durch einen „Binnenpluralismus“ gesichert wird, und durch
ein ergänzendes Angebot privater Rundfunkveranstalter, dessen Ausgewogenheit durch die
Breite und Vielfalt der zugelassenen Anbieter in Form eines „Außenpluralismus“ gewährleistet wird, kann den Anforderungen an eine solche Ordnung entsprochen werden145. Die geforderte positive Ordnung verlangt vom Gesetzgeber nicht nur den Erlass materiellrechtlicher
Programmgrundsätze, sondern auch organisationsrechtliche Maßnahmen wie die Sicherung
eines angemessenen Zugangs146.
Das BVerfG präzisierte seine Anforderungen an die Ausgewogenheit des Rundfunkangebots
in Bezug auf einzelne Übertragungswege. Die gebotene Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit muss für jeden Übertragungsweg gesichert sein, damit auch jeder Bürger unabhängig von
technischen Infrastrukturen das Gesamtangebot des Rundfunks nutzen kann147. Ansonsten
wäre die Meinungsvielfalt für die Bürger eingeschränkt, die auf bestimmte Übertragungswege
140
BVerfGE 90, 60, 87 ff.; 87, 181, 197; 83, 238, 295; 57, 295, 319; s. auch Dörr, Zugang zu den Kabelnetzen,
S. 130 ff.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, S. 21.
141
BVerfGE 90, 60, 87.
142
BVerfGE 10, 118, 121; 91, 125, 134f.; Charissé, Rundfunkveranstaltungsfreiheit, S. 80 ff.
143
BVerfGE 57, 295, 319.
144
BVerfGE 57, 295, 319. Aus der jüngsten Literatur zu den verschiedenen Funktionen der kommunikativen
Freiheitsrechte aus Art. 5 GG und ihrer verfassungsdogmatischen Bedeutung s. Kübler, AfP 2002, 277;
Stürner, AfP 2002, 283; Bethge, DÖV 2002, 674, 680.
145
BVerfGE 57, 295, 319f.
146
Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5, Rn. 216.
147
BVerfGE 73, 118, 162; s. zur Grundversorgung im Sinn dieses Urteils auch Hartstein/Ring/Kreile/
Dörr/Stettner, RStV, Allgemeine Erläuterungen, Rn. 28; Stürner, AfP 2002, 283, 289.
54
angewiesen sind. Dieser Grundsatz gilt für den Rundfunkempfang sowohl über Kabelnetze148
als auch über Satellit149. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass korrespondierend auch den
Rundfunkveranstaltern ein offener Zugang zu jedem einzelnen Übertragungsweg gewährt
werden muss. In diesem Sinn gewährleistet die Rundfunkfreiheit Veranstaltern und Empfängern einen Anspruch auf Schutz durch die Rechtsordnung, begründet allerdings selbst keinen
direkten Anspruch gegenüber privaten Dritten im Sinn einer unmittelbaren Drittwirkung150.
Für den Schutzbereich der Informationsfreiheit, die das Recht umfasst, sich aus möglichst
vielen allgemein zugänglichen Quellen informieren zu können, gelten ähnliche Maßstäbe.
Unter „allgemein zugänglichen“ Informationsquellen sind solche Quellen zu verstehen, die
geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren
Personenkreis, Informationen zu verschaffen, weshalb gerade der Rundfunk als Massenkommunikationsmittel zu ihnen zählt. Ebenso wie der EGMR stellte das BVerfG fest, dass sich
der Schutzbereich der Informationsfreiheit auf die zur Erschließung der Informationsquellen
erforderlichen technischen Voraussetzungen erstreckt151. Dennoch gibt auch das Grundrecht
der Informationsfreiheit keinen Individualanspruch auf Einspeisung bestimmter Programme
in einen bestimmten Verbreitungsweg.
Soweit es zu einer Konkurrenz zwischen den Grundrechten der Gemeinschaft und deutschem
Verfassungsrecht und zwischen der Rechtsprechungstätigkeit des EuGH und dem BVerfG
kommt, hat das BVerfG in seinem „Solange II-Beschluss“152 festgestellt, dass der EuGH
durch richterliche Rechtsfortbildung einen adäquaten Grundrechtsschutz gewährleistet und
das BVerfG Normenkontrollverfahren in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht daher mangels
Zuständigkeit als unzulässig abweist. In seinem „Maastricht-Urteil“153 stellte das BVerfG klar,
dass es seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in
Deutschland in einem „Kooperationsverhältnis“ zum EuGH dergestalt ausübt154, dass der
EuGH den Grundrechtsschutz im Einzelfall garantiert und das BVerfG sich deshalb auf eine
generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards beschränken kann155.
148
BVerfGE 73, 118, 162.
149
Vielfach ist auf Grund einer besonderen geografischen Beschaffenheit (z.B. Gebirge) oder Lage (z.B. große
Entfernung von Ballungszentren mit anderen Übertragungsmöglichkeiten) nur Satellitenempfang möglich.
150
S. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5, Rn. 27 ff.
151
S. BVerfGE 90, 27 ff. sowie BVerfGE 93, 381 ff.
152
BVerfGE 73, 339 ff.
153
BVerfGE 89, 155 ff.
154
Dies schließt nicht aus, dass in Anwendung dieser Grundsätze die Grundrechte beachtet werden müssen. So
BVerfG, EuZW 1995, 126, zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Der VGH Kassel hatte unter
Hinweis auf geringe Erfolgsaussichten eines Verfahrens vor dem EuGH nach Art. 177 EGV (Art. 234 EGV
n.F.) den vorläufigen Rechtsschutz verweigert. Nach Auffassung des BVerfG hätte sich der VGH trotz der
Annahme geringer Erfolgsaussichten damit auseinandersetzen müssen, ob Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt sind.
155
BVerfGE 89, 155, 175; beachte aber auch BVerfGE 102, 147 ff. Teile der Literatur sehen hierin eine Relativierung der Maastricht-Entscheidung und Rückkehr zu Solange II – vgl. statt vieler Maunz/Dürig-Scholz,
Art. 23, Rn. 13 ff.
55
3.1.3 Zusammenfassung
Die Schutzbereiche der Grundfreiheiten und Grundrechte erstrecken sich sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland auf das Recht des Zugangs zu den einzelnen Kommunikationsnetzen.
Ein individueller unmittelbarer Anspruch auf direkten und uneingeschränkten Zugang zu einem bestimmten Netz, sei es zum Zweck der Weiterverbreitung oder des Empfangs von Informationen, lässt sich aus diesem Schutzauftrag jedoch nicht ohne weiteres ableiten. Sowohl
in Bezug auf Art. 10 EMRK als auch auf Art. 5 GG hob die Rechtsprechung bislang die Abwehrfunktion der in ihnen verbrieften Freiheitsrechte hervor. Sie verpflichtete den betroffenen
Staat, in der Aufstellung und Anwendung seiner Rechtsordnung dieses Zugangsrecht zu beachten, ohne einen allgemeinen unmittelbaren Leistungsanspruch eines Bürgers auf Zugang
zu einem bestimmten Netz explizit anzunehmen.
Relevant wird der grundrechtliche Schutz des Zugangs zu Übertragungsnetzen allerdings als
Auftrag an den nationalen und europäischen Gesetzgeber, diesen Schutz in der Rechtsordnung
auszugestalten, und als Maßstab für die Auslegung einfachen Rechts156. Art. 10 EMRK,
Art. 11 der Grundrechtecharta sowie Art. 49 EGV geben den Mitgliedstaaten das Ziel vor, zur
Sicherung individueller Freiheiten wie auch des Allgemeininteresses der Meinungspluralität
den freien Zugang zu allen Übertragungswegen und den freien Empfang auf allen Übertragungswegen zu gewährleisten. Sowohl mit dem Auftrag an den Gesetzgeber als auch als
Maßstab für die Rechtsauslegung ist das Ziel zu verwirklichen, die Kommunikations- und
Meinungsbildungsprozesse zur Gewährleistung eines Meinungspluralismus insgesamt vor
ungerechtfertigten Eingriffen zu schützen. Für das Verständnis des Schutzauftrags ist demnach nicht nur das Individualinteresse einzelner Veranstalter und Empfänger zu berücksichtigen, sondern auch und vor allem der Gestaltungsauftrag der Grundrechte zu beachten. Zugangsfreiheit und Pluralismussicherung müssen in einer Rechtsordnung verwirklicht werden.
156
Zum Recht auf Aufstellen einer Parabolantenne siehe unten 3.3.3.2.
56
3.2
Zur Geschichte der Regulierung des Satellitenempfangs
Zur Beurteilung regulatorischer Ansätze im Bereich des Satellitenmarkts ist es aufschlussreich, einige Aspekte unterschiedlicher Regulierungsbemühungen der Vergangenheit darzustellen. Einige der damaligen Rahmenbedingungen – etwa der Wandel der Übertragungstechniken, der Versuch der Standardisierung oder die Suche nach geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen – weisen in Teilen Parallelen zur heutigen Situation des Übergangs in ein
vollständig digitalisiertes Rundfunksystem auf.
Dagegen sind die stark polarisierenden, medienpolitischen Grundsatzfragen der siebziger und
achtziger Jahre weitgehend beantwortet; anders als in den Anfängen des Satellitenrundfunks
sind der prinzipiell freie Zugang zu den Informationsquellen und die dadurch mögliche inhaltliche Vielschichtigkeit der Angebote akzeptiert.
Einige der Regulierungsbemühungen müssen zumindest auch unter dem Gesichtspunkt der
Bewahrung nationaler Einflüsse und der seinerzeit hoheitlich geprägten Strukturen – etwa im
Bereich der Postverwaltungen – betrachtet werden. Andere Aspekte – zum Beispiel eine Tendenz zur Sicherung bestehender Breitbandkabelstrukturen – sind damals wie heute aktuell.
3.2.1 Überblick über die verfolgten Regulierungsansätze
Die Regulierung des Satellitenrundfunks erstreckte sich ab Mitte der siebziger Jahre zunächst
auf vier Kernbereiche157, nämlich auf
• die internationale Zuordnung von geostationären Orbitalpositionen,
• die Zuordnung von Übertragungskapazitäten,
• die Festlegung technischer Normen,
• die Regelungen der Voraussetzungen des Empfangs von Satellitensignalen.
Diese Kernbereiche sollen zusammenfassend in ihrer Entwicklung dargestellt werden158.
3.2.1.1
Internationale Zuordnung von geostationären Orbitalpositionen
Den Grundstein für die Entwicklung der Satellitenkommunikation legte Anfang 1977 die
„World Adminstrative Radio Conference (WARC oder WRC)“ in Genf159. Neben den jeweils
verfügbaren Frequenzbändern wurden in den damaligen Verhandlungen geostationäre Satellitenpositionen für insgesamt 112 antragstellende Länder vereinbart. Das Abkommen trat
1979 für eine Dauer von 15 Jahren in Kraft. Eine gemeinsame Orbitalposition auf 19 Grad
157
Daneben gab es z.B. für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks programmliche Aufträge im
Zusammenhang mit der Verbreitung via Satellit: So ermächtigte und verpflichtete etwa Art. 2 RStV von
1987 ARD und ZDF, jeweils „über Satelliten ein zusätzliches Fernsehprogramm mit kulturellem Schwerpunkt zu veranstalten“.
158
Angesichts
zahlreicher
chronologischer
Darstellungen
im
Internet
http://www.gfu.de/pages/history/his_sat.html) wird auf eine eigene Zeittafel verzichtet.
159
S. auch Kap. 3.3.2.1.
(z.B.
57
West wurde der Bundesrepublik Deutschland mit Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden,
Italien, Österreich und der Schweiz zugewiesen. Die Zuordnung erlaubte den antragstellenden
Staaten, jeweils bis zu fünf ihnen zugeordnete, analoge Fernsehprogramme auszustrahlen.
Diese fünf analogen Kapazitäten waren später Gegenstand der Regelungen zum Beispiel des
Art. 1 RStV 1987 oder der Staatsverträge der sogenannten Nord-, Süd- oder Westschiene160.
Auf verschiedenen Folgekonferenzen wurden die Parameter jeweils angepasst, wobei die
Konferenzen den Grundsatz des freien und gleichmäßigen Zugangs zu den Orbitalpositionen
zum Maßstab hatten. Zuletzt sah die WRC 2000 für Rundfunksatelliten die Zuordnung je einer Orbitalposition pro europäischem Land mit jeweils 10 analogen Rundfunkkanälen vor.
Für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Liechtenstein ist nunmehr eine gemeinsame
Orbitalposition auf 19 Grad West mit erweiterter Ausleuchtzone vorgesehen, die den Betrieb
eines gemeinsamen Systems mit bis zu 40 Kanälen erlaubt.
3.2.1.2
Zuordnung von Kapazitäten
Auf der Basis der Festlegungen der WRC 1977 standen der Bundesrepublik mit Wirkung ab
1979 fünf analoge Fernsehkanäle zur Nutzung zur Verfügung, deren Vergabe die Länder in
eigener Kompetenz vornehmen wollten. Anlässlich einer Konferenz im Juni 1981 stellten die
Ministerpräsidenten der Länder ausdrücklich fest, dass die Entscheidung über die Nutzung
von Satelliten für Rundfunkzwecke ausschließlich in der Zuständigkeit der Länder liegt.
Der RStV 1987 enthält in Art. 1 Regelungen, wonach drei der fünf durch WRC 1977 zugeordneten Satellitenkanäle aufgrund von Staatsverträgen zwischen Ländern nach Länderquoten
von verschiedenen privaten Veranstaltern genutzt werden können, die beiden anderen werden
ARD und ZDF für Fernsehen bzw. zumindest teilweise auch für die Ausstrahlung digitalen
Hörfunks zugewiesen.
Bereits 1986 waren der Nord- und Südschienenstaatsvertrag geschlossen worden. Zur Nordschiene zählten die Länder Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die
Südschiene bildeten Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz. In einer Präambel war
im Nordschienenstaatsvertrag festgehalten worden, dass es „angesichts der raschen nationalen
und internationalen Entwicklung neuer Techniken zur Übertragung von Hörfunk und Fernsehen und angesichts des Umstandes, daß es den Ländern insgesamt zur Zeit nicht gelingt, sich
über gemeinsame Rahmenbedingungen zur Neuordnung des Rundfunks zu einigen“, notwendig sei, für die vertragsschließenden Länder sozusagen im Vorgriff auf einen Rundfunkstaatsvertrag „diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen“.
Erst 1989 wird der Westschienen-Staatsvertrag zwischen den Ländern Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland geschlossen.
Gegenstand aller Verträge waren die Konkretisierung der Länderquote sowie die Verfahren
der Auswahl und Aufsicht der Veranstalter, die über einen Deutschland zugeordneten Rundfunksatelliten verbreitet werden sollten.
Diese Zuordnungsregelungen waren unter den Ländern zwar intensiv diskutiert worden, blieben jedoch ohne große praktische Relevanz für die Verbreitung von Rundfunk über Satellit.
Zum einen waren die deutschen Rundfunksatelliten wirtschaftlich nicht erfolgreich: Die dominierende Rolle auf dem europäischen Markt übernahmen ASTRA und Eutelsat, die dem
160
Dazu sogleich Kap. 3.2.1.2.
58
Recht Luxemburgs bzw. Frankreichs unterworfen und damit dem Zugriff deutscher Medienpolitik entzogen waren. Damit waren die lediglich für deutsche Kapazitäten geltenden Zuordnungsregeln praktisch von immer geringerer Bedeutung.
Zum anderen wurde die Unterscheidung zwischen Rundfunk- und Fernmeldesatelliten, die
ursprünglich streng beachtet worden war, immer stärker aufgelöst. Dies wurde insbesondere
durch den Umstand begünstigt, dass die direktstrahlenden, erfolgreich im Markt positionierten
ASTRA-Satelliten formal als Fernmeldesatelliten betrieben werden.
3.2.1.3
Die Festlegung von Normen
Während Satellitenrundfunk zunächst lediglich als Medium der Zuführung zu Kabelnetzen
geplant war und für diesen Zweck ohnehin spezifische Empfangstechnik erforderlich war,
stellte sich mit zunehmendem Direktempfang die Frage nach europaweit geltenden technischen Übertragungsstandards für den Satellitenempfang mit dem Ziel, den Empfang aller über
Satellit ausgestrahlter Programme überall in Europa zu ermöglichen. Insbesondere die Inkompatibilität des deutschen PAL- und des französischen SECAM-Verfahrens wurden beanstandet. Diese beiden Normen sollten von dem einheitlichen, in den achtziger Jahren entwickelten MAC-Standard (MAC=Multiplexed Analogue Components) abgelöst werden.
1986 wurde die europäische MAC-Richtlinie161 beschlossen, die MAC als Übertragungsstandard für das Satellitenfernsehen festschrieb. In der Folge legte Deutschland TV SAT 2 und
Frankreich TDF 1 für die Variante D2-MAC aus. Die Richtlinie wurde 1992 fortgeschrieben;
dabei wurde die Stringenz der Standardisierung wegen der zunehmenden Kritik an der analogen MAC-Norm deutlich reduziert, bis schließlich die an Stelle der MAC-Richtlinie tretende
Fernsehsignal-Richtlinie für die digitale Übertragung darauf verzichtete, einen bestimmten
Standard ausdrücklich zu benennen. Vielmehr beschränkte sich die Richtlinie auf die Forderung nach dem Einsatz einer normierten Technik schlechthin, als die derzeit der DVBStandard gilt.
3.2.1.4
Die Voraussetzungen des Zugangs zu Satellitenrundfunk
Im Mai 1990 betonte der EGMR in seiner „Autronic-Entscheidung“162, dass Art. 10 EMRK
den freien, auch grenzüberschreitenden Empfang von Rundfunk schütze. Nicht zuletzt in der
Folge dieser Entscheidung stellte das Bundesministerium für Post und Telekommunikation im
Januar 1991 fest, dass das Aufstellen von Parabolantennen zum Empfang von Satellitenanlagen nicht länger einer Einzelgenehmigung bedurfte oder gebührenpflichtig sei. Zuletzt hat
sich die Europäische Kommission in einer Mitteilung vom 27. Juni 2001163 „über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs – Art. 28
und 49 EG Vertrag – auf dem Gebiet der Parabolantennen“ zu den regulatorischen Voraussetzungen der Einschränkungen des Zugangs zu Satellitenantennen geäußert.
161
Richtlinie 86/529/EWG des Rates vom 3.11.1986 über die Annahme gemeinsamer technischer Spezifikationen der MAC/Pakete-Normenfamilie für die Direktausstrahlung von Fernsehsendungen über Satelliten
(MAC-Richtlinie), ABl. 1986 L 311/28 vom 6.11.1986.
162
EGMR, Urteil vom 22.5.1990, Nr. 17/1989/175/231, EuGRZ 1990, 261 ff. – Autronic. S. dazu Kap. 3.1.1.
163
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen, vom
27.6.2001, KOM(2001)351 endg. S. dazu Kap. 3.3.3.2.2.
59
3.2.2 Schlussfolgerungen für die Situation heute
Dieser kurze Überblick zeigt die verschiedenen Regulierungsansätze der Vergangenheit. Sowohl die Zuordnungen der Orbitalpositionen wie auch die ursprünglichen Bemühungen der
Länder, Satellitenkapazitäten zuzuweisen, haben ihren Ursprung im Mangel der verfügbaren
Ressourcen. Während die Situation im Bereich geostationärer Orbitpositionen auch heute
noch die Regulierung notwendig macht, sind die Versuche, deutsche Satellitenkapazitäten in
einem mehrstufigen Mechanismus der Mangelverwaltung zuzuordnen, relativ rasch obsolet
geworden. Die Erwartung, auf längere Sicht nur über eine sehr begrenzte Zahl von Kapazitäten zu verfügen, wurde mit dem Markteintritt von ASTRA im Jahre 1988/89164 ins Gegenteil
verkehrt. Für einige Zeit standen für deutsche Anbieter mehr Kapazitäten zur Verfügung, als
nachgefragt wurden. Die Marktentwicklung machte einerseits Verfahren zur Mangelverwaltung bereits aus Kapazitätsgründen entbehrlich. Sie führte andererseits aber auch dazu, dass
deutsche Regulierungsmechanismen nur auf solche Satellitenkapazitäten Anwendung hätten
finden können, die mangels Zuschauerreichweite allenfalls für die Signalzuführung in Kabelnetze relevant waren.
Als Folge dieser Entwicklung beschäftigte sich die Medienpolitik mit Fragen der Satellitenverbreitung allenfalls noch am Rande. Sie konzentrierte sich bis zur Diskussion um die
Rechte der digitalen Satellitenausstrahlung der Fußball-WM Mitte 2002165 fast ausschließlich
auf die Situation des Breitbandkabelnetzes.
Ähnliches gilt für den Bereich der europäischen Medienpolitik, wo nach den Erfahrungen mit
D2-MAC oder HDTV eine deutliche Zurückhaltung zumindest hinsichtlich der Definition von
Standards festzustellen war.
Explizite Ansätze, den Zugang zu Übertragungskapazitäten zu regulieren, finden sich in der
Geschichte des Satellitenrundfunks nicht. Grund hierfür dürfte die über lange Zeit relativ offene Vergabepolitik der Satellitenbetreiber und die mittlerweile hohe Zahl verfügbarer digitaler Kapazitäten sein. Allerdings schließt nunmehr die Rahmenrichtlinie vom 7. April 2002166
Satellitennetze in den Begriff der elektronischen Kommunikationsnetze ein und schafft so
Mechanismen, die den Zugang zu diesen Kapazitäten thematisieren.
164
http://www.ses-astra.com/corporate/company/history/index.shtml, abgerufen am 21.11.2002.
165
Der Sachverhalt ist ausführlich dargestellt in Kap. 3.3.5.2.
166
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7.3.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. L
108/33 vom 24.4.2002.
60
3.3
Gegenwärtige Rechtslage und bestehende Rechtsprobleme
Die dargestellte Entwicklung der Rundfunkregulierung hat zu der heute geltenden Rechtslage
geführt. Diese wird im Folgenden beschrieben, um zum einen erkennen zu können, wie die
europäischen und nationalen verfassungsrechtlichen Vorgaben in Europa und Deutschland in
einfaches Recht umgesetzt wurden, und um prüfen zu können, wie dieses der geschilderten
gegenwärtigen Situation der Rundfunkverbreitung über Satellit gerecht wird. Dabei richtet
sich das Augenmerk auch auf die Frage, welchen Spielraum die jeweiligen Rechtsvorschriften
für gesetzgeberische und interpretatorische Fortentwicklungen bieten, um künftigen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung entstehen, gerecht werden zu können.
Sachlich werden folgende Problembereiche untersucht: Um Satelliten für die Rundfunkübertragung nutzen zu können, müssen den Satelliten für diesen Zweck geeignete Frequenzen zugeteilt worden sein. Erfolgt die Vergabe der Frequenzen in ausreichender und diskriminierungsfreier Weise167? Um Rundfunk über Satellit empfangen zu können, benötigt der Zuschauer eine Parabolantenne und einen Receiver. Können beide auf einem europaweiten
Markt ohne rechtliche Probleme angeboten, erworben und genutzt werden168? Um Rundfunk
über Satelliten senden zu können, müssen die Veranstalter Zugang zu diesem Übertragungsweg haben. Sind die rechtlichen Regelung so gestaltet, dass sie jedem interessierten Veranstalter zu angemessenen Bedingungen einen solchen Zugang gewähren169? Schließlich kann
Rundfunk über Satelliten nur verbreitet werden, wenn für den Empfangsbereich des Satelliten
die erforderlichen Urheberrechte bestehen. Ermöglichen der Rechtsrahmen und die Vertragspraxis in Europa eine grenzüberschreitende Ausstrahlung von Rundfunk170?
Für die künftige Rechtslage ist das im Jahr 2002 von der Europäische Gemeinschaft verabschiedete „Kommunikations-Paket“ aus sechs Richtlinien zu beachten, die zum 24. Juli 2003
in Kraft treten und bis dahin von den Mitgliedstaaten umzusetzen sind171. Diese neuen Richtlinien werden für einige der im Folgenden beschriebenen Rechtsregeln eine Anpassung erzwingen oder Änderungen ermöglichen. Diese werden im jeweiligen inhaltlichen Zusammenhang dargestellt. „Vor die Klammer gezogen“ werden soll aber ein erster Überblick über das
Richtlinien-Paket.
3.3.1 Die neuen Kommunikations-Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft
Die neuen Richtlinien sollen dem Kommunikationsrecht der Europäischen Gemeinschaft einen einheitlichen rechtlichen Rahmen geben. Im groben Überblick sind aus Sicht des Satellitenrundfunks folgende Zielsetzungen und Aufgaben der sechs Richtlinien festzustellen:
167
Dazu Kapitel 3.3.2.
168
Dazu Kapitel 3.3.3.
169
Dazu Kapitel 3.3.4.
170
Dazu Kapitel 3.3.5.
171
Ladeur, K&R 2002, 110; Scherer, K&R 2002, 273; Schütz/Attendorn, MMR-Beilage 4/2002, 1; Bartosch,
EuZW 2002, 389.
61
•
Die Rahmenrichtlinie172 legt den Geltungsbereich des Richtlinienpakets fest und definiert
grundlegende Begriffe. Sie enthält Anforderungen an die nationalen Regulierungsbehörden sowie Regeln zur Zusammenarbeit untereinander und mit der Kommission. Daneben
werden Regelungen zur Bestimmung „beträchtlicher Marktmacht“ aufgestellt173.
•
Die Zugangsrichtlinie174 behandelt die Beziehungen zwischen Netzbetreiber und Diensteanbieter und legt fest, unter welchen Voraussetzungen diese durch die nationalen Behörden reguliert werden können. Die Richtlinie enthält Befugnisse der Regulierungsbehörden
gegenüber Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht175.
•
Die Genehmigungsrichtlinie176 betrifft die Genehmigung für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Darunter fallen auch Satellitennetze. Die Genehmigung betrifft jedoch nur die Bereitstellung der Netze und Dienste, nicht die verbreiteten Inhalte.
•
Die Universaldienstrichtlinie177 zielt auf die Bereitstellung von Kommunikationsnetzen
und -diensten für den Endnutzer. Sie enthält auch Bestimmungen zur Regulierung der
Diensteangebote von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht178.
•
Die Wettbewerbsrichtlinie179 passt die Vorgaben der bisherigen Wettbewerbsrichtlinie
1990 zur Liberalisierung der Telekommunikation an die neueste technologische Entwicklung und an die Verschmelzung von Informationstechnologie, Medienbranche und
Telekommunikationsindustrie an.
•
Die Kommunikations-Datenschutzrichtlinie180 schließlich konkretisiert die allgemeinen
Vorgaben der europäischen Datenschutzrichtlinie von 1995181 für die spezifischen Fragen
der Verarbeitung personenbezogener Daten in Kommunikationsdiensten.
172
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7.3.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste (Rahmenrichtlinie), ABl. L
108/33 vom 24.4.2002.
173
Art. 15f. Rahmenrichtlinie.
174
Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über den Zugang zu
elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung
(Zugangsrichtlinie), ABl. L 108/21 vom 24.4.2002.
175
Art. 8 Zugangsrichtlinie.
176
Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über die Genehmigung
elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste (Genehmigungsrichtlinie), ABl. L 108/21 vom
24.4.2002.
177
Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über den Universaldienst
und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie), ABl.
L 108/51 vom 24.4.2002.
178
Art. 16 ff. Universaldienstrichtlinie.
179
Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16.9.2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 249/21 vom 17.9.2002 (Wettbewerbsrichtlinie 2002) –
s. dazu unten 3.3.4.1.
180
Richtlinie 2002/58/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung
personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Kommunikations-Datenschutzrichtlinie), ABl. L 201/37 vom 31.7.2002.
181
Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie 1995), ABl. L 215/4 vom 25.8.2000.
62
Mit diesem Richtlinienpaket zum Kommunikationsrecht wird mit Ablauf der Umsetzungsfrist
am 24. Juli 2003 gemäß Art. 28 Abs. 1 und Art. 26 der Rahmenrichtlinie der alte Telekommunikations-Rechtsrahmen aufgehoben182.
3.3.2 Frequenzvergabe
Rundfunkprogramme werden zum Zuschauer über terrestrische Signale, das Kabelnetz oder
den Satellitendirektempfang übertragen. Dabei erfolgt die Sendung der Programme auf bestimmten „Frequenzen“ (z.B. § 44 TKG), „Kanälen“ (z.B. § 51 RStV) oder „Transpondern“183.
3.3.2.1
Internationaler Rechtsrahmen
Die Übertragung von Fernsehprogrammen über Satellit setzt dessen Positionierung in der
Erdumlaufbahn voraus. Daher stellt sich die Frage, welche rechtlichen Vorgaben für die Nutzung des Weltalls bestehen. Nach den völkerrechtlichen Grundsätzen des Weltraumrechts
besitzen alle Staaten freien Zugang zum Weltraum, sie dürfen ihn auf der Grundlage der
Gleichheit und der Nichtdiskriminierung frei nutzen184. Der Betrieb eines Satelliten ist ein
Tatbestand der Raumfahrt, der den Bestimmungen des Weltraumvertrags von 1967185 unterliegt. Dieser gewährt unter anderem die Freiheit der friedlichen wirtschaftlichen Nutzung186.
Die Staatenlosigkeit des Weltraums macht es notwendig, die im Orbit die Erde umkreisenden
Satelliten bestimmten Staaten zuzuordnen. Um dies zu ermöglichen, verpflichtet das Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen vom 14. Januar 1975187 jeden „handelnden Staat“, ein nationales Register zu führen. Für den europäischen Raum von besonderem Interesse sind die Satelliten des ASTRA-Systems, die die luxemburgische Staatszugehörigkeit besitzen, und die des Eutelsat-Systems, die die französi-
182
Aufgehoben werden:
• Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28.6.1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs, ABl. L 192/1 vom 24.7.1990,
• Richtlinie 92/44/EWG des Rates vom 5.6.1992 zur Einführung des offenen Netzzugangs bei Mietleitungen, ABl. L 165/27 vom 19.6.1992,
• Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24.10.1995 über die Anwendung
von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen, ABl. L 281/51 vom 23.11.1995,
• Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.4.1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste, ABl. L 117/15
vom 7.5.1997,
• Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.6.1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der
Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang, ABl. L 199/32 vom
26.7.1997.
183
Z.B. SES ASTRA, http://www.ses-astra.com/tv-radio/guide/lineup/markets/D_digitalfree_d.htm, abgerufen
am 15.11.2002.
184
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 2; Koenig/Neumann, MMR 2000, 151, 156f.
185
Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung
des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper vom 27.1.1967, BGBl. 1969 II,
1967.
186
Art. III Weltraumvertrag, dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 2.
187
Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen vom 14.1.1975,
BGBl. 1979 II, 615.
63
sche Staatszugehörigkeit besitzen. Die deutsche Staatszugehörigkeit besitzt zum Beispiel der
Satellit Kopernikus, der jedoch für Rundfunkübertragungen nicht mehr genutzt wird188.
Damit die Staaten Satellitenkanäle vergeben können, müssen diese ihnen zugeteilt werden.
Die Frequenzplanung und -verwaltung auf internationaler Ebene erfolgt durch die seit 1992
bestehende Internationale Fernmeldeunion (ITU)189, die für die Umsetzung des internationalen
Fernmeldevertrags (IFV) von 1982190 zuständig ist. Die ITU gehört dem System der UNOrganisationen an191. In der ITU werden auf Weltfunkkonferenzen (World Radio Conferences, WRC)192 bestimmten Frequenzbereichen Nutzungsarten zugewiesen. Aufgrund der Zuweisung werden dann die entsprechenden Frequenzen für die nach Maßgabe der Zuweisungsentscheidung vorgesehene Nutzungsart an bestimmte Fernmeldeverwaltungen vergeben. Diese sind dann für die Zuteilung der Frequenzen an Nutzer (Funkstellen) zuständig193. Die WRC
beschließt die als Vollzugsordnungen bezeichneten Verordnungen und Pläne zur Frequenzzuteilung und -nutzung194. In der Bundesrepublik Deutschland werden die Vollzugsordnungen
durch Ratifizierung geltendes Recht195. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der Internationale Frequenzbereichsplan, der sich aus den Zuweisungen von Funkdiensten zu bestimmten Frequenzbändern zusammensetzt. Er ist als Bestandteil der Vollzugsanordnung für den
Funkdienst (VO Funk) für die Mitgliedstaaten der ITU verbindlich196.
Die Vergabe durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird von der Gemeinschaft
harmonisiert. Zu diesem Zweck setzt die Gemeinschaft auf das Mittel der technischen Harmonisierung durch die 1959 gegründete Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post
und Fernmeldewesen (European Conference of Postal and Telecommunications Administrations, CEPT)197. Bereits in einer Entschließung des Rates vom 19. November 1992198 sagten
die Mitgliedstaaten zu, sich an der Erarbeitung von CEPT-Beschlüssen199 zu beteiligen und
diese umzusetzen. In der Funkfrequenzentscheidung des Europäischen Parlamentes und des
188
Auch für kurzfristige Außenübertragungen wird Kopernikus nicht mehr genutzt, da er jederzeit seine Orbitposition verlassen kann. Zur Ersetzung durch ASTRA 3A Pressemitteilung SES-ASTRA vom 30.5.2002,
abrufbar über http://www.ses-astra.com/press-info/news/astra_pr_d.shtml, abgerufen am 5.11.2002.
Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht-Binder, RStV, § 51, Rn. 7.
189
Konstitution und Konvention der Internationalen Fernmeldeunion von Genf vom 22.12.1992, BGBl. 1992
II 1996, 1306, abrufbar unter http://www.itu.int/aboutitu/Basic_Text_ITU-e.pdf, abgerufen am 15.11.2002;
Koenig/Neumann, MMR 2000, 151, 152f.
190
Internationaler Fernmeldevertrag vom 6.11.1982, BGBl. 1985 II, 425.
191
Abrufbar unter http://www.unsystem.org/, abgerufen am 15.11.2002.
192
Die ITU beruft alle 2 Jahre diese Weltfunkkonferenzen ein, anlässlich derer internationale Fragen der Frequenzzuteilung erörtert werden. Auch die Einberufung regionaler Konferenzen unter dem Dach der ITU ist
möglich, auf ihnen werden Fragen ausschließlich regionaler Frequenzplanung erörtert; Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, § 12, 144. S. Kap. 3.2.1.
193
Scherer, K&R Beilage 2 zu Heft 11/99, 3.
194
Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, § 12, 144.
195
Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, § 12, 144.
196
Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, § 12, 145.
197
Koenig/Neumann, MMR 2000, 151, 153f.
198
Entschließung des Rates vom 19.11.1992 zur Anwendung der Beschlüsse des European Radiocommunications Committee in der Gemeinschaft (92/C 318/01), ABl. C 318/1 vom 4.12.1992.
199
Bezieht sich noch auf das ERC (European Radiocommunication Committee), das in der ECC aufging.
64
Rates vom 7. März 2002200 wird das Bestreben nach weiterer Harmonisierung der gemeinschaftlichen Frequenzpolitik, unter anderem in den Bereichen Telekommunikation und Rundfunk, formuliert. Ausdrücklich wird dabei die Funkfrequenzpolitik der Gemeinschaft und die
technische Harmonisierung als ein Mittel dargestellt, das das Recht auf freie Meinungsäußerung unterstützt201.
Der CEPT gehören derzeit 44 Staaten an. Sie erarbeitet technische Harmonisierungsmaßnahmen mit dem Ziel, die Harmonisierung der Nutzung des Frequenzspektrums über die Grenzen
der Gemeinschaft hinaus auszudehnen. Dies ist vor allem für diejenigen Mitgliedstaaten
wichtig, bei denen die Nutzung des Frequenzspektrums dadurch beeinflusst werden kann,
dass es auch durch nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörende CEPT-Mitglieder benutzt wird202. Innerhalb der CEPT werden die Beschlüsse zur Harmonisierung der Frequenzvergabe von dem im Oktober 2001 gegründeten Electronic Communications Committee
(ECC)203 getroffen. Alle Maßnahmen der CEPT sind von den Mitgliedstaaten auf freiwilliger
Basis umzusetzen204, das heißt, sie sind rechtlich nicht verbindlich und die CEPT hat keine
rechtliche Handhabe, ihre Mitgliedstaaten zur Umsetzung zu verpflichten.
Demnach werden auf internationaler Ebene durch die ITU, auf europäischer Ebene innerhalb
der CEPT Frequenzbereiche zugewiesen. Die Vergabe von Frequenzen im Einzelfall findet
auf einzelstaatlicher Ebene statt. Will die Bundesrepublik Deutschland Rundfunk über Satelliten verbreiten (lassen), ist sie darauf angewiesen, im Rahmen der Orbitkonferenzen Orbitpositionen zugeteilt zu bekommen und im Rahmen der weltweiten Funkverwaltungskonferenz
Frequenzzuweisungen für Rundfunk über deutsche Satelliten zu erlangen, damit auf internationaler Ebene eine optimale nationale Frequenzversorgung erreicht wird205. Für die Rundfunkverbreitung in Deutschland sind in Bezug auf die erforderlichen Orbitalpositionen in besonderem Maß das ASTRA- und das Eutelsat-Satellitensystem von Bedeutung. Daher ist zusätzlich die Rechtslage in Luxemburg und Frankreich zu betrachten.
3.3.2.2
Nationaler Rechtsrahmen
3.3.2.2.1
Deutschland
Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland richtet sich die Aufteilung der Gesetzgebungsund der Verwaltungskompetenz zwischen Bund und Ländern nach der Unterscheidung zwischen Telekommunikation und Rundfunk206. Die Gesetzgebungs- und die Verwaltungskompetenz der Telekommunikation ist nach Art. 73 Nr. 7, 87f GG Sache des Bundes, während die
Gesetzgebungs- und die Verwaltungskompetenz für den Rundfunk nach der grundsätzlichen
200
Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft vom 7.3.2002 (676/2002/EG), ABl. L 108/1 vom 24.4.2002
(Funkfrequenzentscheidung).
201
So heißt es in Erwägungsgrund 3 der Frequenzentscheidung: „die Funkfrequenzpolitik in der Gemeinschaft
sollte zur Gewährleistung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung beitragen, das“ u. a. auch das Recht auf
Zugang zu bzw. zur Weitergabe von Informationen über Grenzen hinweg enthält.
202
Erwägungsgründe 13 der Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates Nr. 676/2002/EG vom
7.3.2002; die EU ist nicht Mitglied der CEPT, hat jedoch Beraterstatus.
203
Abrufbar unter http://www.eto.dk/ceptectra/eccinfo.htm, abgerufen am 15.11.2002.
204
Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, § 12 , 147.
205
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 3.
206
BVerfGE 12, 205, 225 ff.; s. hierzu auch Scherer, K&R Beilage 2 zu Heft 11/1999, 6.
65
Länderzuständigkeit gemäß Art. 30, 70 Abs. 1, 83 GG den Ländern zusteht. Zwischen diesen
Kompetenzbereichen zog das BVerfG eine deutliche Trennlinie. Zur Telekommunikation
gehören die technischen Voraussetzungen, deren Regelung für einen geordneten Ablauf des
Betriebs der Rundfunksender und des Empfangs ihrer Sendungen unerlässlich ist207. Dies
schließt die Frequenzverteilung ein. Die wechselseitige Abstimmung der Frequenzen und die
Festlegung von Standort und Sendestärke der Sendeanlagen erfolgt nach funktechnischen
Gesichtspunkten208 und ist somit Aufgabe des Bundes. Die Wahrnehmung der Bundeskompetenz hat nach der Rechtsprechung des BVerfG aber der dienenden Funktion der Telekommunikation Rechnung zu tragen209.
Die Vergabe von Frequenzen für die terrestrische und Satellitensendung erfolgt nach §§ 45 ff.
TKG. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 TKG beschließt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung (Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung), durch die einzelne Frequenzbereiche den einzelnen Funkdiensten und anderen Anwendungen zugewiesen werden. Daraufhin erstellt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nach § 46 Abs. 1 TKG einen Frequenznutzungsplan, der eine weitere Aufteilung
der Frequenzbereiche enthält. Für nicht den Rundfunk betreffende Funkfrequenzen erfolgt die
Zuteilung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 TKG durch die Regulierungsbehörde.
Für die Rundfunknutzung gilt § 47 Abs. 3 TKG. Diese Vorschrift lautet:
§ 47 Abs. 3 TKG:
„Voraussetzung für die Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen
im Zuständigkeitsbereich der Länder ist das Vorliegen einer medienrechtlichen Genehmigung der
zuständigen Landesbehörde für die zu übertragenden Rundfunkprogramme.“
Eine medienrechtliche Genehmigung kann jedoch nur für eine Frequenz (einschließlich ergänzender Nutzungsvorgaben) erfolgen, die telekommunikationsrechtlich der Mediennutzung
zugewiesen ist210. Daher stellt sich die Frage, was mit „medienrechtlicher Genehmigung“ in
§ 47 Abs. 3 TKG gemeint ist. Für die Beantwortung dieser Frage ist zwischen privatem und
öffentlich-rechtlichem Rundfunk zu unterscheiden.
Die Veranstaltung privaten Rundfunks setzt eine Zulassung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag211 (RStV) voraus. Die Zulassungsvoraussetzungen bestimmen sich nach den
§§ 21 ff. RStV und dem jeweiligen Landesrecht.
Für die Verbreitung über Terrestrik, Kabel oder Satellit ist außerdem die Zuweisung einer
Frequenz (terrestrisch oder über Satellit) oder eines Kabelplatzes an den Programmveranstalter erforderlich. Nach dem Grundsatz des § 50 RStV entscheiden die Länder über die Zuordnung und Nutzung der Übertragungskapazitäten. Für die Zuordnung von Satellitenplätzen für
Rundfunkzwecke gelten die Vorgaben des § 51 RStV. Diese Regelung gilt allerdings nur für
die Zuweisung einer Frequenz für Satelliten, die Deutschland zugeordnet sind212. Da kein
207
BVerfGE 12, 205, 227.
208
Scherer, K&R Beilage 2 zu Heft 11/99, 7.
209
S. BVerfGE 12, 205, 225 ff.
210
Trute/Spoerr/Bosch, § 47 Rn. 31; Schulz/Waser, ZUM 1999, 526.
211
Rundfunkstaatsvertrag vom 31.8.1991 in der Fassung des 6. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, in Kraft
seit dem 1.7.2002.
212
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 2.
66
Rundfunksatellit Deutschland zugeordnet ist, bleibt § 51 RStV derzeit ohne praktische Bedeutung213.
Für privaten Rundfunk umfasst die „medienrechtliche Genehmigung“ in § 47 Abs. 3 TKG
demnach die rundfunkrechtliche Zulassung der Landesmedienanstalt und die Erlaubnis zur
Veranstaltung von Rundfunk auf einem bestimmten Übertragungsweg, zum Beispiel einer
Funkfrequenz214.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist durch Gesetz eingerichtet und bedarf keiner rundfunkrechtlichen Zulassung. Die Entscheidung, welche Frequenzen oder Kanäle ein öffentlichrechtlicher Sender nutzen kann, ist landesrechtlich unterschiedlich ausgestaltet. § 47 TKG ist
auf diese Entscheidung nicht anwendbar. Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist
§ 47 TKG jedoch insoweit von Bedeutung, als die Entscheidung über den zu nutzenden
Übertragungsweg in Verbindung mit der gesetzlichen Einrichtungsanordnung die medienrechtliche Genehmigung im Sinne von § 47 Abs. 3 TKG darstellt215.
Nach der neuen telekommunikationsrechtlichen Genehmigungsrichtlinie216 soll die Zuteilung
von Frequenzen künftig per Allgemeingenehmigung erfolgen. Eine solche sieht die Genehmigungsrichtlinie in Art. 3 Abs. 2 für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze
und -dienste vor. Nach Art. 5 Abs. 1 und 2 Genehmigungsrichtlinie soll eine individuelle Zuteilung „soweit möglich“ nicht erfolgen. Dies betrifft grundsätzlich auch die Frequenzzuteilung. Insofern könnte § 47 TKG einer Anpassung bedürfen. Allerdings sieht Art. 5 Abs. 2
Unterabsatz 2 Genehmigungsrichtlinie ausdrücklich Ausnahmen für den Rundfunk vor217:
213
Der Beschluss der Ministerpräsidenten vom 20.2.1992 über die Verfahrensgrundsätze für die Zuordnung
von Satellitenkanälen nach § 51 Abs. 5 RStV – s. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 10 –
geht davon aus, dass der Bedarf deutscher Veranstalter an Satellitenkanälen für Rundfunkzwecke durch die
Errichtung deutscher Satellitensysteme oder die Anmietung europäischer oder internationaler Satellitenkanäle gedeckt wird.
214
Herrmann, Rundfunkrecht, § 17 Rn. 47 ff.; Schulz/Wasner, ZUM 1999, 526.
215
Schulz/Wasner, ZUM 1999, 526.
216
Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über die Genehmigung
elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie), ABl. L 108/21 vom
24.4.2002. Zum neuen Richtlinienpaket s. Kap. 3.3.1. Zur Frequenzvergabe in Europa im Lichte des neuen
Telekommunikations-Richtlinienpakets s. Eurostrategies, „Study on the assessment of the Member States
measures aimed at fulfilling certain general interest objectives linked to broadcasting, imposed on providers
of electronic communications networks and services, in the context of the new regulatory framework“, im
Auftrag
der
Europäischen
Kommission,
März
2003,
abrufbar
unter
http://www.europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/documents/finrep_18_mar
ch_2003.pdf, abgerufen am 27.3.2003, S. 25 ff, 60 ff, 103 ff.
217
Scherer, K&R 2002, 332; s. auch Erwägungsgrund 12 der Genehmigungsrichtlinie: „Mit dieser Richtlinie
wird keine Vorentscheidung darüber getroffen, ob Funkfrequenzen unmittelbar den Anbietern elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste oder den Rechtsträgern zugewiesen werden, die diese Netze oder
Dienste nutzen. Bei diesen Rechtsträgern kann es sich um Anbieter von Rundfunk- oder Fernsehinhalten
handeln. ... Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen nationale Beschränkungen der durch Artikel
49 des Vertrags gewährleisteten Rechte objektiv gerechtfertigt und verhältnismäßig sein und dürfen nicht
über das hinausgehen, was zur Erreichung der von den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festgelegten Ziele des Allgemeininteresses erforderlich ist. Die Verantwortung für die Einhaltung der mit dem Recht zur Nutzung einer Funkfrequenz verbundenen Verpflichtungen und der mit der
Allgemeingenehmigung verbundenen Bedingungen sollte unter allen Umständen bei dem Unternehmen
liegen, dem das Recht zur Nutzung der Funkfrequenz gewährt wurde.”
67
Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 2 Genehmigungsrichtlinie:
„Unbeschadet der von den Mitgliedstaaten festgelegten besonderen Kriterien und Verfahren für
die Vergabe von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen an die Anbieter von Rundfunk- oder Fernsehinhaltsdiensten zur Verfolgung von im allgemeinen Interesse liegenden Zielen im Einklang
mit dem Gemeinschaftsrecht, werden diese Nutzungsrechte im Wege eines offenen, transparenten
und nichtdiskriminierenden Verfahrens erteilt. Bei der Erteilung von Nutzungsrechten geben die
Mitgliedstaaten an, ob und – im Fall von Funkfrequenzen – unter welchen Bedingungen diese
Rechte auf Veranlassung des Rechteinhabers gemäß Artikel 9 der Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie) übertragen werden können. Erteilen die Mitgliedstaaten die Nutzungsrechte für eine begrenzte Zeit, muss die Dauer für den betreffenden Dienst angemessen sein.“
Demnach wäre eine Anpassung des deutschen Rechts bezüglich der Zuteilung von Frequenzen allein in Bezug auf die Rundfunknutzung nicht zwingend erforderlich218, wird jedoch diskutiert219.
Die Zuteilung von Frequenzen nach § 47 Abs. 1 TKG erfolgt gemäß § 47 Abs. 5 TKG auf
Antrag oder von Amts wegen durch Verwaltungsakt der Regulierungsbehörde. Begünstigter
ist der Betreiber der Sendeanlagen, über die ein Rundfunkprogramm verbreitet werden soll.
Betreiber von Sendeanlagen kann auch ein Rundfunkveranstalter sein. Die rundfunkrechtliche
Frequenzverwaltung ist streng von der telekommunikationsrechtlichen Frequenzplanung und
-verwaltung zu trennen. Telekommunikationsrechtlich wird nur über die generelle Verfügbarkeit und Nutzbarkeit einer Frequenz zu Rundfunkzwecken entschieden. Die Entscheidung
über ihre konkrete Nutzung erfolgt dagegen nach Maßgabe des Rundfunkrechts220. Die Frequenzzuteilung nach Landesrecht gestattet die Benutzung der Frequenz unter Berücksichtigung rundfunkrechtlicher Kriterien, die telekommunikationsrechtliche Frequenzzuteilung
nach § 47 Abs. 5 TKG bescheinigt, dass die Frequenznutzung mit sendetechnischen Erfordernissen in Einklang steht221. Beide Regelungen betreffen die Benutzung derselben Frequenz.
Aus der Funkfrequenzentscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates222 vom März
2002 entsteht kein Umsetzungsbedarf, da die Entscheidung lediglich den organisations- und
verfahrensrechtlichen Rahmen für eine künftige europäische Frequenzpolitik absteckt223.
Demnach erfolgt die Frequenzvergabe nach deutschem Recht in einem Zusammenspiel von
telekommunikationsrechtlicher und rundfunkrechtlicher Zulassung. Sie ist für die Satellitenverbreitung derzeit mangels eines deutschen Rundfunksatelliten allerdings ohne praktische
Bedeutung.
218
Open Network Provision Committee Working document, The 2003 regulatory framework for electronic
communications
–
Implications
for
broadcasting,
vom
14.6.2002,
abrufbar
unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/miscdocs/documents/onpcom
02_14rev1_14062002.pdf, abgerufen am 26.11.2002, 3.1. S. Husch, Breitbandpolitik, Digitale Breitbanddienste in Europa – Geschäftsmodelle und ihr europäischer und nationaler Rechtsrahmen –, Schriftenreihe
des Instituts für Europäisches Medienrecht (Band 27) Baden-Baden 2003, i.E.
219
S. Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, 139, 142.
220
Engels, ZUM 1997, 106, 108.
221
Schulz/Wasner, ZUM 1999, 526.
222
Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft vom 7.3.2002 (676/2002/EG), ABl. L 108/1 vom 24.4.2002
(Funkfrequenzentscheidung).
223
Scherer, K&R 2002, 386, 397.
68
3.3.2.2.2
Luxemburg
Die Zuteilung von Frequenzen für das ASTRA-Satellitensystem unterliegt luxemburgischem
Recht. Die Ausstrahlung und Verbreitung der elektronischen Medien über luxemburgische
Satelliten ist in Art. 20 ff. des Gesetzes über elektronische Medien vom 27. Juli 1991224 geregelt, das auch der Umsetzung der Fernsehrichtlinie225 dient. Nach Art. 2 Nr. 16 des Gesetzes
ist ein luxemburgisches Satellitensystem ein System, das einen oder mehrere Satelliten umfasst, die Luxemburg nach internationalem Recht bzw. nach internationalen Vereinbarungen
zur Frequenzverwaltung zugewiesen wurden. Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt, dass ohne vorherige Genehmigung durch die luxemburgische Regierung kein Satellitensystem errichtet oder betrieben werden darf. Eine solche Genehmigung kann nach Art. 20 Abs. 2 des
Gesetzes unter anderem die Zuweisung bestimmter Frequenzen oder die Zuteilung einer bestimmten Position im Orbit enthalten226. Welche Frequenzpositionen zur Verteilung bereitstehen, wird in einer aufgrund von Art. 2 und Art. 4 des Gesetzes erlassenen Verordnung mittels
einer Liste aufgezählt227.
Nach Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes über elektronische Medien umfasst die Genehmigung auch
das Recht, die Satellitenkapazitäten luxemburgischen oder ausländischen Nutzern zur Verfügung zu stellen, um Programme auszustrahlen. Eine vorherige Genehmigung ist nicht erforderlich. Gegen die Frequenznutzer und gegen Bestimmungen der Verträge kann die Regierung jedoch Einspruch erheben228. Die Aufsicht über die gesendeten Inhalte ist im Gesetz über
elektronische Medien229 geregelt. Danach hat sich die Regierung vor der Übertragung eines
neuen Programms über ASTRA zu vergewissern, ob das Programm der Rechtshoheit eines
Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft unterworfen ist, und ob eine Ausstrahlungsgenehmigung durch diesen Mitgliedstaat erteilt wurde. Wenn ja, kann das Programm übertragen
werden, die Verantwortung für den Inhalt der Programme liegt bei dem Land, aus dem das
Programm stammt. Ein Programm stammt aus dem Land, das die Erlaubnis erteilt hat, es zu
übertragen, oder von dessen Territorium aus der Rundfunkveranstalter sendet. Will ein Sender
seine Programme unter Aufsicht eines Nichtmitgliedstaats der EU über ASTRA senden, sind
die luxemburgischen Behörden dazu berufen, über die Ausstrahlung im Einklang mit der
Fernsehrichtlinie zu wachen.
224
Loi du 27 juillet 1991 sur les medias électroniques, modifiée par la loi du 2 avril 2001 portant modification
de la loi du 27.7.1991 sur les medias electroniques et transposition de la directive 97/36/CE du Parlement
Européen et du Conseil du 30.6.1997.
225
Richtlinie des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (89/552/EWG), ABl. L 298/23 vom
17.10.1989, geändert durch Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
30.6.1997, ABl. L 202/60 vom 30.7.1997 (Fernsehrichtlinie).
226
Wortlaut des Gesetzes: „Art. 20. – Systèmes de satellites luxembourgeois: ... (2) Une telle concession peut
comporter, si des impératifs d'ordre commercial et financier le requièrent ou le rendent souhaitable dans
l'intérêt du pays, des éléments d'exclusivité, notamment pour l'usage de certaines bandes de fréquences ou
de certaines positions orbitales ou pour certains types d'applications dans le domaine des communications
par satellite.“
227
Règlement de la liste de fréquences de radiodiffusion luxembourgeoises visée à l‘ article 2 de la loi du
27.7.1991 sur les médias électroniques du 10.1.1992 (in der Fassung der Änderungsverordnung vom
24.5.1998).
228
Wortlaut des Gesetzes, Art. 20 Abs. 5 Satz 2: „L‘identité des utilisateurs et les dispositions des contrats
sont sujettes à opposition de la part du Gouvernement.“
229
Loi du 27 juillet 1991 sur les médias électroniques, modifiée par la loi du 2 avril 2001 portant modification
de la loi du 27.7.1991 sur les médias électroniques et transposition de la directive 97/36/CE du Parlement
Européen et du Conseil du 30.6.1997.
69
In Deutschland zugelassene Programmveranstalter, die ihre Programme über luxemburgische
Satelliten verbreiten wollen, haben sich also inhaltlich nach deutschem Recht zu richten. Sie
bedürfen einer Sendeerlaubnis nach deutschem Recht, müssen für eine Übertragung über luxemburgische Satelliten aber keine luxemburgische Genehmigung einholen.
3.3.2.2.3
Frankreich
Die Zuteilung von Frequenzen für das Eutelsat-Satellitensystem unterliegt französischem
Recht. Rundfunkveranstalter, die der französischen Rechtshoheit im Sinn des Art. 2 der Fernsehrichtlinie230 unterworfen sind und die ihre Dienste über Satelliten verbreiten möchten, jedoch keine Lizenz für eine andere Art der Verbreitung besitzen, müssen mit der Rundfunkaufsicht, dem Conseil Supérieur de l’Audiovisuel (CSA), ein Übereinkommen (Convention) über die wesentlichen Bedingungen einer solchen Erlaubnis im Rahmen der gesetzlich
vorgegebenen Kriterien schließen231. Die Betreiber von Satellitenplattformen232 dagegen (z.B.
TPS, Canal Satellite) sind nach Art. 34-2 Kommunikationsfreiheitsgesetz (KFG) lediglich
verpflichtet, sich vor Aufnahme ihrer Tätigkeit beim CSA anzumelden233. Satellitenbetreiber
wie Eutelsat benötigen keine Lizenz des CSA und für die Übertragung von Fernsehen auch
keine der Autorité de Régulation des Télécommunications (ART). Jedoch muss Eutelsat für
die Telekommunikation über Satellit wie zum Beispiel die E-Mail-Kommunikation eine Lizenz der ART einholen.
Die Agence Nationale des Fréquences plant und koordiniert das Frequenzspektrum. Die Vergabe von Lizenzen für die Nutzung einer Frequenz erfolgt durch die ART, für Fernsehdienste
durch den CSA. Die Frequenzen werden nur von den Satellitenbetreibern (also vor allem
SES-Astra und Eutelsat), nicht von Plattformbetreibern angeboten. Die Aufsicht über die Programminhalte obliegt dem CSA, wenn der Veranstalter seinen Sitz in Frankreich hat234. Ausländische Veranstalter, die ihr Programm nicht terrestrisch verbreiten, müssen dies nach
Art. 43-6 KFG beim CSA anmelden235.
In Deutschland zugelassene Programmveranstalter haben sich also inhaltlich nach deutschem
Recht zu richten und müssen für eine Übertragung über Satelliten mit französischer Staatszu-
230
Die Fernsehrichtlinie in ihrer Fassung der Richtlinie 97/36/EG vom 30.6.1997 wurde durch Gesetz vom
1.8.2000 (Loi n° 2000-719) in französisches Recht umgesetzt, das das Kommunikationsfreiheitsgesetz
(KFG) von 1986 (Loi n° 86–1067 vom 30.9.1986) ändert.
231
Diese Kriterien wurden in der Kabel- und Satelliten-Verordnung n° 2002-140 vom 4.2.2002 niedergelegt.
232
Der Begriff der Plattform ("distributeur de services") ist in Art. 2-1 KFG definiert: „[...] toute personne qui
établit avec des éditeurs de services des relations contractuelles en vue de constituer une offre de services
de communication audiovisuelle mise à disposition auprès du public par voie hertzienne terrestre, par câble
ou par satellite. Est également regardée comme distributeur de services toute personne qui constitue une
telle offre en établissant des relations contractuelles avec d'autres distributeurs.“
233
Plattformen, die vor der Gesetzesänderung bestanden, mussten die Anmeldung nach Art. 89 II des Gesetzes
n° 2000-719 vom 1.8.2000 nachholen.
234
Wortlaut Art. 43-2 KFG: „La présente loi est applicable aux services de télévision dont l'exploitant est
établi en France selon les critères prévus à l'article 43-3 ou qui relève de la compétence de la France en application des critères prévus à l'article 43-4.“
235
Wortlaut Art. 43-6 KFG: „Les exploitants des services relevant de la compétence d'un autre Etat membre
de la Communauté européenne ou partie à l'accord sur l'Espace économique européen effectuent, préalablement à la mise à disposition du public d'un service de télévision par un autre moyen de télécommunication que la voie hertzienne terrestre, une déclaration auprès du Conseil supérieur de l'audiovisuel, selon une
procédure fixée par décret.“
70
gehörigkeit keine französische Genehmigung einholen. Sie müssen ihr Vorhaben jedoch beim
CSA anmelden.
3.3.3 Empfangsfreiheit
Die praktische Wahrnehmung der Empfangsfreiheit setzt beim Rundfunkempfang über Satelliten die Möglichkeit voraus, eine geeignete Parabolantenne zu nutzen und die empfangenen
Signale in einem Receiver für die Darstellung im Fernsehgerät umzuwandeln. Beide Möglichkeiten können durch rechtliche Regulierung befördert oder behindert werden. Daher stellt
sich vor allem die Frage, ob Receiver und Antennen frei angeboten, erworben und genutzt
werden können.
3.3.3.1
Vertrieb von Receivern
3.3.3.1.1
Gemeinschaftsweiter Vertrieb von Endgeräten
Da das Telekommunikationsrecht früher eigenständige Produktzulassungstatbestände vorsah236, zielte das europäische Recht darauf, die damit verbundenen Beschränkungen aufzuheben. Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Liberalisierung der Regulierung von Telekommunikationsendgeräten stellt die Richtlinie 88/301/EWG237 dar. Durch sie sollte der
Markt für Endgeräte geöffnet werden. Ihr Ziel war laut Erwägungsgrund Nr. 4, jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen auszuschließen. Art. 3 der Richtlinie
88/301/EWG stellt allgemein fest, dass die Mitgliedstaaten den Wirtschaftsbeteiligten das
Recht zu gewähren haben, Endgeräte in vollem Umfang als Wirtschaftsgüter zu nutzen. Endgeräte sind nach Art. 1 der Richtlinie Geräte zum Aussenden, Verarbeiten oder Empfangen
von Nachrichten. Ausdrücklich werden Satellitenfunkanlagen mit ihren Geräten umfasst.
Nach der Definition im letzten Spiegelstrich der Norm sind dies Sendeanlagen, Sende- und
Empfangsanlagen, oder Empfangsanlagen, die über Satelliten oder andere Raumsysteme laufen.
Trifft ein Mitgliedstaat durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften Regelungen, die eine
begrenzte Anzahl von Unternehmen bezüglich der Einfuhr, Vermarktung, Errichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikationsendgeräten begünstigen238, ohne sich an
nicht-diskriminierende Kriterien zu halten, wirken solche „besonderen Rechte“ wie mengenmäßige Beschränkungen, und verstoßen damit gegen die Warenfreiheit nach Art. 28 EGV
(Art. 30 EGV a.F.). Diesem Schluss liegt die Überlegung zugrunde, dass der Warenverkehr
dadurch beschränkt wird, dass entweder bestimmte Geräte nicht in den Handel gelangen oder
ein bestehendes Monopol keinen Anreiz hat, bestimmte Dienstleistungen zu erbringen oder
seine Preise an den Kosten zu orientieren, solange kein Wettbewerb herrscht.
236
Ursache ist das ehemalige Fernmeldemonopol, Trute/Spoerr/Bosch-Spoerr, FTEG Einführung, Rn. 6.
237
Richtlinie 88/301/EWG der Kommission vom 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte, ABl. L 131/73 vom 27.5.1988, geändert durch Richtlinie 94/46/EG der Kommission vom 13.10.1994 zur Änderung der Richtlinien 88/301/EWG und 90/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. L 268/15 vom 19.10.1994.
238
Ausgeführt in Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 94/46/EG Richtlinie 94/46/EG der Kommission vom
13.10.1994 zur Änderung der Richtlinie 88/301/EWG und 90/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. L 268/15 vom 19.10.1994.
71
Einen weiteren Schritt der Liberalisierung der Regulierung von Telekommunikationsendgeräten stellt die Richtlinie 1999/5/EG239 dar. In Deutschland ist die Richtlinie durch das Gesetz
über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG)240 umgesetzt. Nach § 10
FTEG241 bedürfen Endgeräte keiner Zulassung. Sie müssen aber ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 7 FTEG durchlaufen haben, das deren Konformität mit den grundlegenden
Anforderungen des § 3 FTEG und europäischen Normen erfüllen242. § 3 FTEG enthält unter
anderem Anforderungen zum Schutz der Gesundheit, zur Sicherheit des Benutzers, zur elektromagnetischen Verträglichkeit und bei Satelliten zusätzlich zur effektiven Nutzung der Orbitressourcen. Weitere Anforderungen an das Inverkehrbringen der Endgeräte sind nach Art. 6
Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 1999/5/EG ausgeschlossen.
Sind die Receiver reine Empfangsanlagen, die nur für den Empfang von Rundfunk- und Fernsehsendungen bestimmt sind, werden sie nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 FTEG (Anhang I Nr. 4 der
Richtlinie 1999/5/EG) vom Anwendungsbereich des FTEG ausgenommen.
Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass der gemeinschaftsweite Vertrieb von Endgeräten ohne besondere Zulassung möglich ist, wenn die allgemeinen Anforderungen wie zum
Beispiel zum Gesundheitsschutz erfüllt sind. Für reine Empfangsanlagen entfällt sogar jede
Anforderung243. Damit folgt das deutsche Recht den genannten Richtlinien, durch die der europäische Gesetzgeber den Endgerätemarkt frei von Handelsbeschränkungen halten möchte.
Weitere Anforderungen können sich jedoch aus technischen Anforderungen an einzelne Leistungsmerkmale ergeben.
3.3.3.1.2
Technische Spezifikationen
Anforderungen technischer Art zu Lasten der Wirtschaftsbeteiligten können die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Spiegelstrich 2 der Richtlinie 88/301/EWG244 nur vorschreiben, wenn derartige Qualifikationen objektiven, nichtdiskriminierenden und veröffentlichten Kriterien folgen.
239
Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 9.3.1999 über Funkanlagen und
Telekommunikationseinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität, ABl. L 91/10
vom 7.4.1999. Diese Richtlinie hebt gemäß ihrem Art. 20 Abs. 1 die Richtlinie 98/13/EG auf, die der Zusammenfassung und Kodifizierung der Richtlinien 93/97/EG und 91/263/EWG diente, so Erwägungsgrund
1 der Richtlinie 98/13/EG.
240
Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) vom 31.1.2001 (BGBl. 2001
I, 170); geändert durch Gesetz vom 7.5.2002 (BGBl. 2002 I, 1529, in Kraft getreten 11.5.2002).
241
§ 10 FTEG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 1999/5/EG.
242
Zu den weiteren Voraussetzungen siehe § 10 FTEG. § 3 FTEG setzt Art. 3 der Richtlinie 1999/5/EG um.
243
S. auch Trute/Spoerr/Bosch-Spoerr, FTEG § 1, Rn. 4 ff. zu Vorgaben zur elektromagnetischen Verträglichkeit u.a.
244
Richtlinie 88/301/EWG der Kommission vom 16.5.1988 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte, ABl. L 131/73 vom 27.5.1988, geändert durch Richtlinie 94/46/EG der Kommission vom 13.10.1994 zur Änderung der Richtlinie 88/301/EWG und 90/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. L 268/15 vom 19.10.1994.
72
Voraussetzungen für Kundengeräte werden, unabhängig vom Übertragungsweg, im Fernsehsignalübertragungsgesetz245 aufgestellt, das die TV-Normenrichtlinie246 auf Bundesebene umsetzt247. Das Fernsehsignalübertragungsgesetz dient dem Ziel, fortgeschrittene Fernsehdienste,
insbesondere Breitbildschirm-Fernsehdienste und Fernsehdienste, die volldigitale Übertragungssysteme verwenden, voranzutreiben248. So müssen Geräte nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 Fernsehsignalübertragungsgesetz die Fähigkeit zum Decodieren von Signalen besitzen (Art. 4a)
der Richtlinie). Weitere Anforderungen zur Ausrüstung von Fernsehgeräten mit offenen
Schnittstellen enthält § 5 Fernsehsignalübertragungsgesetz:
§ 5 Fernsehsignalübertragungsgesetz:
„(1) Alle zum Verkauf oder zum Abschluss eines Mietvertrages angebotenen Fernsehgeräte mit
einem integrierten Bildschirm, dessen sichtbare Bildschirmdiagonale 42 Zentimeter überschreitet,
müssen mindestens mit einer von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation genormten Anschlussbuchse für offene Schnittstellen ausgerüstet sein, die den einfachen Anschluss
von Peripheriegeräten, insbesondere von zusätzlichen Dekodern und Digitalempfängern, ermöglicht.
(2) Fernsehempfänger mit einem integrierten digitalen Dekoder müssen den Einbau von mindestens einer von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation genormten Steckbuchse
erlauben, die den Anschluss von Zugangsberechtigungssystemen und anderen Elementen eines
digitalen Fernsehdienstes an den digitalen Dekoder ermöglichen.
(3) Alle Geräte der Unterhaltungselektronik, die verkauft, vermietet oder in anderer Weise zur
Verfügung gestellt werden und die verwürfelte digitale Fernsehsignale dekodieren können, müssen in der Lage sein,
1. solche Signale entsprechend einem Verwürfelungs-Algorithmus zu dekodieren, der innerhalb
des gemeinsamen europäischen Marktes allgemein verwendbar ist und dem Stand der Technik entspricht, und
2. Signale, die unverschlüsselt übertragen worden sind, wiederzugeben. Bei vermieteten Geräten muss dies nur gegeben sein, wenn der Mieter den Mietvertrag einhält. ...“
Den Anbietern von Diensten zur Kontrolle der Zugangsberechtigung werden Verpflichtungen
gegenüber den Rundfunkveranstaltern auferlegt, die sich auf die technischen Anforderungen
an die Dekoder beziehen. Solche Anforderungen ergeben sich zum einen aus § 7 Abs. 1 Nr. 1
Fernsehsignalübertragungsgesetz, der Art. 4 c) der TV-Normenrichtlinie umsetzt:
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Fernsehsignalübertragungsgesetz:
„Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen, die, unabhängig vom Übertragungsweg, Zugangsdienste zu digitalen Fernsehdiensten herstellen und vermarkten, müssen
1. allen Rundfunkveranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden
Bedingungen technische Dienste anbieten, die es gestatten, dass deren digitale Fernsehdienste
von zugangsberechtigten Fernsehzuschauern mit Hilfe von Dekodern, die von den Anbietern
von Diensten verwaltet werden, empfangen werden können ...“
245
Gesetz über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignalübertragungsgesetz) vom 14.11.1997 (BGBl. 1997 I, 2710); zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.5.2002 (BGBl.
2002 I, 1529, in Kraft getreten 11.5.2002).
246
Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24.10.1995 über die Anwendung
von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen, ABl. L 281/51 vom 23.11.1995 (TVNormenrichtlinie).
247
Zur Umsetzung auf Länderebene s. im Folgenden.
248
Dies ergibt sich aus Art. 1 der TV-Normenrichtlinie.
73
Inhaltlich gleiche Anforderungen enthält zum anderen § 53 Abs. 1 Satz 1 RStV249, der die TVNormenrichtlinie auf Länderebene umsetzt:
§ 53 Abs. 1 RStV:
„Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung, die Zugangsdienste zu Fernsehdiensten herstellen oder vermarkten, müssen allen Veranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und
nichtdiskriminierenden Bedingungen technische Dienste anbieten, die es gestatten, dass deren
Fernsehdienst von zugangsberechtigten Zuschauern mit Hilfe von Dekodern, die von den Anbietern von Diensten verwaltet werden, empfangen werden können. Die Diskriminierungsfreiheit ist
nur dann gewährleistet, wenn die Dekoder über zugangsoffene Schnittstellen verfügen, die Dritten die Herstellung und den Betrieb eigener Anwendungen erlauben. Die Schnittstellen müssen
dem Stand der Technik, insbesondere einheitlich normierten europäischen Standards entsprechen.“
Interaktive Dienste (z.B. Video-on-Demand, E-Mail) sind weder von der TVNormenrichtlinie, dem Fernsehsignalübertragungsgesetz noch von § 53 RStV erfasst250.
Die bisherige TV-Normenrichtlinie verliert gemäß Art. 26 Rahmenrichtlinie mit dem 24. Juli
2003 ihre Gültigkeit, da sie mit In-Kraft-Treten des neuen Richtlinienpakets251 aufgehoben
wird. Die Anforderungen an die Kundengeräte werden dann in der Universaldienstrichtlinie
festgelegt. Deren Art. 24 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Interoperabilität der für den
Verbraucher bestimmten Digitalfernsehgeräte sicherstellen. Die Anforderungen in Anhang VI
der Universaldienstrichtlinie übernehmen im Wesentlichen die Art. 3f. der TVNormenrichtlinie252:
Anhang VI der Universaldienstrichtlinie:
„1. Einheitlicher Verschlüsselungsalgorithmus und unverschlüsselter Empfang
Alle für den Empfang von Digitalfernsehsignalen vorgesehenen Verbrauchergeräte, die in der
Gemeinschaft zum Verkauf, zur Miete oder anderweitig angeboten werden und in der Lage sind,
Digitalfernsehsignale zu entschlüsseln, müssen über die Fähigkeit verfügen,
249
S. zu den Anforderungen des § 53 Abs. 1 RStV z.B. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53,
Rn. 12 ff.; Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht-Schulz, RStV, § 53, Rn. 31 ff., Holznagel, CR
1998, 151, 155.
250
Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss
und den Ausschuss der Regionen, Siebter Bericht über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor, KOM(2001)706 endg., vom 26.11.2001, Annex 2, SEC(2001)1922, S. 88; zu § 53
RStV s. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53, Rn. 9, 14.
251
S. Kap. 3.3.1.
252
Der Wortlaut von Art. 3 der TV-Normenrichtlinie lautet: „In der Gemeinschaft zum Verkauf oder zur Miete
angebotene Fernsehgeräte mit einem integrierten Bildschirm, dessen sichtbare Bildschirmdiagonale 42 cm
überschreitet, müssen mindestens mit einer (von einer anerkannten europäischen Normungsorganisation
genormten) Anschlußbuchse für offene Schnittstellen ausgerüstet sein, die den einfachen Anschluß von Peripheriegeräten, insbesondere von zusätzlichen Dekodern und Digitalempfängern, ermöglicht.“
Art. 4 der TV-Normenrichtlinie hat folgenden Wortlaut: „Hinsichtlich der Zugangsberechtigung der Fernsehzuschauer zu digitalen Fernsehdiensten in der Europäischen Gemeinschaft gilt, unabhängig vom Übertragungsweg, folgendes: a) Alle Kundengeräte, die in der Europäischen Gemeinschaft verkauft, vermietet
oder in anderer Weise zur Verfügung gestellt werden und die verwürfelte digitale Fernsehsignale dekodieren können, müssen in der Lage sein, - solche Signale entsprechend dem gemeinsamen europäischen Verwürfelungs-Algorithmus, für den eine anerkannte europäische Normenorganisation als Verwalter fungiert,
zu dekodieren; - Signale, die unverschlüsselt übertragen worden sind, wiederzugeben, vorausgesetzt, daß
der Mieter bei gemieteten Geräten die einschlägige Mietvereinbarung einhält. ...“
74
-
Signale zu entschlüsseln, die dem einheitlichen europäischen Verschlüsselungsalgorithmus
entsprechen, wie er von einer anerkannten europäischen Normenorganisation, derzeit ETSI,
verwaltet wird;
-
Signale anzuzeigen, die unverschlüsselt übertragen wurden, sofern bei Mietgeräten die mietvertraglichen Bestimmungen vom Mieter eingehalten werden.
2. Interoperabilität von Geräten für Analog- und Digitalfernsehen
... Jedes Digitalfernsehgerät mit integriertem Bildschirm mit einer sichtbaren Diagonale von mehr
als 30 cm, das in der Gemeinschaft zum Verkauf oder zur Miete in Verkehr gebracht wird, muss
mit mindestens einer offenen Schnittstellenbuchse (die entweder von einer anerkannten europäischen Normenorganisation genormt wurde oder einer von ihr festgelegten Norm entspricht oder
einer branchenweiten Spezifikation entspricht), beispielsweise der einheitlichen DVBSchnittstelle, ausgestattet sein, die den einfachen Anschluss von Peripheriegeräten ermöglicht
und für alle Komponenten eines digitalen Fernsehsignals einschließlich der Informationen
durchlässig ist, die sich auf interaktive und zugangskontrollierte Dienste beziehen.“
Die Normierung (unter anderem von Endgeräten) ist in Art. 17 und 18 Rahmenrichtlinie geregelt. Die Erwägungsgründe in Nr. 30 machen deutlich, dass die Normierung vorrangig ein
marktorientierter Vorgang sein soll. In der TV-Normenrichtlinie seien weder ein bestimmtes
digitales Fernsehübertragungssystem noch spezielle Dienstanforderungen vorgeschrieben. Es
könne jedoch notwendig sein, die Einhaltung bestimmter Normen auf Gemeinschaftsebene zu
fordern, um die Interoperabilität auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten. Nach Art. 17 Abs. 1
Rahmenrichtlinie soll die Kommission ein Normenverzeichnis aufstellen. „Bei Bedarf“ kann
sie die Erstellung von Normen durch die europäischen Normungsorganisationen (Comité Européen de Normalisation (CEN), Comité Européen de Normalisation Electrotechnique
(Cenelec), European Telecommunications Standards Institute (ETSI)253 veranlassen. Die Mitgliedstaaten sollen die Anwendung dieser Normen nach Art. 17 Abs. 2 Rahmenrichtlinie
„fördern“. Daraus wird deutlich, dass keine verbindlichen Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten erlassen werden sollen. Nach Art. 17 Abs. 4 Rahmenrichtlinie kann die Kommission
allerdings die Anwendung bestimmter Normen oder Spezifikationen auch verbindlich vorschreiben, indem sie die Normen bei deren Veröffentlichung im Amtsblatt als verbindlich
kennzeichnet. Voraussetzung ist eine nicht sachgerechte Anwendung der Normen im Sinn des
Art. 17 Abs. 1 Rahmenrichtlinie und die Durchführung eines Verfahrens nach Art. 17 Abs. 4
Rahmenrichtlinie:
Rahmenrichtlinie Art. 17:
„(1) Die Kommission erstellt nach dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Verfahren ein Verzeichnis von Normen und/oder Spezifikationen, die als Grundlage für die Förderung der einheitlichen Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste dienen, und veröffentlicht es im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Bei Bedarf kann die Kommission gemäß dem in Artikel 22 Absatz 2 genannten Verfahren und nach Anhörung des durch die Richtlinie 98/34/EG eingesetzten Ausschusses die Erstel-
253
Das ETSI wurde 1988 als eine nichtkommerzielle Einrichtung geschaffen. Die Organisation hat die Aufgabe, zur weltweiten Standardisierung im Bereich der Telekommunikation und der Ausstrahlung von Programmen sowie der Informationstechnologie beizutragen. Dies soll vor allem durch die Entwicklung umfassender Standards erreicht werden. Mitglieder sind Behörden, Netzbetreiber, Hersteller, Diensteanbieter
und Nutzer. Die Mitglieder legen die Aufgaben des ETSI nach Markterfordernissen fest. Mit der Europäischen Kommission, anderen europäischen Standardisierungsorganisationen und nationalen Regulierungsbehörden arbeitet ETSI auf der Basis von Kooperationsabkommen und Absprachen zusammen (Cooperation Agreements and Memoranda of Understandings). Das ETSI veröffentlichte seine Politik und
Zielvorstellungen bezüglich des geistigen Eigentums an den Standards unter http://www.etsi.org/frameset/
home.htm?/legal/home.htm; abgerufen am 6.11.2002.
75
lung von Normen durch die europäischen Normungsorganisationen [CEN, Cenelec und ETSI]
veranlassen. ...“
(3) Wurden die in Absatz 1 genannten Normen und/oder Spezifikationen nicht sachgerecht angewandt, so dass die Interoperabilität der Dienste in einem oder mehreren Mitgliedstaaten nicht
gewährleistet ist, so kann die Anwendung dieser Normen und/oder Spezifikationen nach dem
Verfahren in Absatz 4 verbindlich vorgeschrieben werden, soweit dies unbedingt notwendig ist,
um die Interoperabilität zu gewährleisten und den Nutzern eine größere Auswahl zu bieten.
(4) Beabsichtigt die Kommission, die Anwendung bestimmter Normen und/oder Spezifikationen
verbindlich vorzuschreiben, so veröffentlicht sie eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und fordert alle Beteiligten zur Stellungnahme auf. Sie schreibt die
Anwendung der einschlägigen Normen gemäß dem in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verfahren
verbindlich vor, indem sie diese in dem im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Verzeichnis der Normen und/oder Spezifikationen als verbindlich kennzeichnet.“
Ziel des Art. 18 Rahmenrichtlinie ist die Interoperabilität von Fernsehdiensten:
Art. 18 Abs. 1 Rahmenrichtlinie:
„Um den freien Informationsfluss, die Medienpluralität und die kulturelle Vielfalt zu fördern,
setzen sich die Mitgliedstaaten gemäß den Bestimmungen von Artikel 17 Absatz 2 dafür ein,
a) dass die Anbieter digitaler interaktiver Fernsehdienste, die für die Übertragung an die Öffentlichkeit in der Gemeinschaft vorgesehen sind, unabhängig vom Übertragungsmodus eine
offene API verwenden;
b) dass die Anbieter aller erweiterter digitaler Fernsehgeräte, die für den Empfang digitaler interaktiver Fernsehdienste auf interaktiven digitalen Fernsehplattformen bestimmt sind, die
Mindestanforderungen der einschlägigen Normen und Spezifikationen einer offenen API erfüllen.“
Durch diese Vorgaben soll der Verbraucher in der Lage sein, alle digitalen interaktiven Fernsehdienste unabhängig vom Übertragungsmodus zu empfangen. Der Wechsel von bestehenden Application Programming Interfaces (API) zu neuen offenen API soll gefördert werden,
zum Beispiel durch Vereinbarungen zwischen den relevanten Markteilnehmern. Die Erwägungsgründe führen aus, dass die europäischen Marktteilnehmer mit der Digital Video
Broadcasting (DVB) Group eine Familie von Fernsehübertragungssystemen entwickelt haben,
die vom ETSI genormt und in Empfehlungen der internationalen Fernmeldeunion umgesetzt
wurden. Die obligatorische Anwendung derartiger Normen solle jedoch erst nach einer umfassenden Anhörung vorgeschrieben werden254.
Die vom ETSI erarbeiteten Normen sind nicht verbindlich. Im deutschen Recht schreibt die
Fernsehdienstnormenverordnung255 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
für Übertragungssysteme für voll digitale Fernsehdienste die Anwendung bestimmter Normen256 des ETSI vor, nicht jedoch den DVB Multimedia Home Platform (MHP) Standard.
254
Erwägungsgründe Nr. 30 der Rahmenrichtlinie.
255
Verordnung zur Anwendung von Normen für voll digitale Fernsehdienste (Fernsehdienstnormenverordnung) vom 4.2.1999 (BGBl. 1999 I, 85), Verordnung auf Grund des § 3 Abs. 1 Satz 2 des Fernsehsignalübertragungs-Gesetzes vom 14.11.1997 (BGBl. 1997 I, 2710) in Verbindung mit Art. 56 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18.3.1975 (BGBl. 1975 I, 705), dem Organisationserlass vom
17.12.1997 (BGBl. 1998 I, 68) und dem Organisationserlass vom 27.10.1998 (BGBl. 1998 I, 3288).
256
Für Satelliten-Übertragungssysteme in § 1 Abs. 1 b) Fernsehdienstnormenverordnung: DIN ETS 300 421
“Digitale Rundfunk-Systeme für Fernsehen, Ton und Datendienste; Rahmenstruktur, Kanalcodierung und
Modulation für Dienste über Satellit bei 11/12 GHz”.
76
MHP ist ein Standard für digitale TV-und Multimediaübertragungen, ein offenes Betriebssystem für alle Typen von Empfangsgeräten. Mit dem Ziel, dass alle Set-Top-Boxen ein einheitliches API besitzen, wurde MHP im Rahmen des DVB-Projekts entwickelt. Im Juli 2000
erhob das ETSI MHP in der Version 1.0 zur offiziellen Norm. In der „Mainzer Erklärung“
vom 19. September 2001257 verpflichteten sich ARD, ZDF, RTL und die KirchGruppe zusammen mit der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) zur Unterstützung
von MHP258. In seiner Entschließung vom 26. September 2002 fordert das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Maßnahmen zur Erleichterung einer
„Migration zu einer offenen API auf der Grundlage der MHP“ zu erläutern259. Derzeit ist
MHP der einzige Standard, der die Anforderungen von Art. 18 Rahmenrichtlinie erfüllt.
Bereits das geltende Recht stellt demnach Anforderungen an Geräte auf, die verkauft oder
vermietet werden sollen, oder legt in §§ 5 und 7 Fernsehsignalübertragungsgesetz sowie § 53
Abs. 1 RStV den Anbietern von Diensten gegenüber den Rundfunkveranstaltern Pflichten auf,
die sich auf die technischen Anforderungen an die Dekoder beziehen. Die TVNormenrichtlinie, auf der diese Regelung beruht, ist in dieser Hinsicht in den Anhang VI der
Universaldienstrichtlinie aufgenommen worden. Ein spezifischer Anpassungsbedarf besteht
somit nicht. Die technische Normung von Endgeräten sieht der europäische Gesetzgeber ausdrücklich als marktorientierten Vorgang. Der Fortschritt der Technik soll nicht durch starre
Regeln behindert werden. Dementsprechend spielen Vereinbarungen wie die „Mainzer Erklärung“ und Festlegungen des ETSI für technische Spezifikationen eine große Rolle.
3.3.3.2
Das Anbringen von Parabolantennen
Neben Recievern sind Parabolantennen die wichtigsten Endgeräte, die für den Empfang von
Satellitenrundfunk erforderlich sind. Sie können ebenso wie Reciever frei angeboten und erworben werden. Ihre freie Nutzung wird jedoch derzeit noch durch die Rechtsprechung zum
Recht der Wohnraummiete und des Wohnungseigentums eingeschränkt. Europäische Rechtsentwicklungen deuten jedoch darauf hin, dass sich diese Rechtsprechung ändern muss.
3.3.3.2.1 Rechtslage in Deutschland
Die deutsche Zivilrechtsprechung wurde mit einer Vielzahl von Fällen befasst, die das Anbringen von Parabolantennen betrafen. Die Problematik dieser Fälle wird durch die widerstreitenden, grundrechtsrelevanten Interessen der Beteiligten bestimmt. Auf der einen Seite
macht der Mieter sein Recht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf der
anderen der Vermieter sein Eigentumsrecht aus Art. 14 GG geltend. Zwar gewähren diese
Grundrechte in erster Linie einen Freiraum gegen staatliche Eingriffe, sie erschöpfen sich
257
Gemeinsame Erklärung der deutschen Programmveranstalter und der Landesmedienanstalten zur zügigen
Einführung von MHP vom 19.9.2001, http://www.dvb-mhp.org/membership_list/Mainz.html, abgerufen
am 15.11.2002.
258
Für den Zeitraum der CeBIT 2003 startete die ProSiebenSat.1-Gruppe ein interaktives TV-Angebot unter
Verwendung von MHP, s. edp medien Nr. 19 vom 12.3.2003, S. 13.
259
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26.9.2002, Dok.-Nr. B5-0488/2002, Protokoll abrufbar
unter
http://www3.europarl.eu.int/omk/omnsapir.so/pv2?PRG=DOCPV&APP=PV2&LANGUE=DE&SDOCTA
=12&TXTLST=1&POS=1&Type_Doc=RESOL&TPV=PROV&DATE=260902&PrgPrev=TYPEF@B5|P
RG@QUERY|APP@PV2|FILE@BIBLIO02|NUMERO@488|YEAR@02|PLAGE@1&TYPEF=B5&NU
MB=1&DATEF=020926, abgerufen am 24.10.2002.
77
jedoch nicht in der Abwehr staatlicher Einflussnahme260. Die Grundrechte finden vielmehr
auch Ausdruck in der Auslegung zivilrechtlicher Normen261.
Der Schutz durch das Grundrecht auf Informationsfreiheit erstreckt sich auf alle öffentlich
zugänglichen Informationen – unabhängig von ihrem Gehalt, ihrer Herkunft und der Form
ihrer Kenntnisnahme. Sein Schutzbereich erstreckt sich auch auf die technischen Voraussetzungen seiner Wahrnehmung.
Das Bundesverfassungsgericht schließt sogar ausdrücklich den Empfang von Satellitenrundfunk über eine Parabolantenne in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ein262:
„Für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und die Aufrechterhaltung der demokratischen
Ordnung ist die Informationsfreiheit nicht minder wichtig als die Freiheit der Meinungsäußerung
und der Medienberichterstattung, da es diese aus der Empfängerperspektive ergänzt und Teil eines geschützten Kommunikationsprozesses ist. Geschützt sind Informationen, die via Satellitenanlage empfangen werden, dann, wenn sie als aus allgemein zugänglichen Quellen stammend anzusehen sind. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt
ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen
zu verschaffen. Diese Eignung richtet sich allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Einen
Unterschied zwischen in- und ausländischen Informationsquellen macht das Grundgesetz nicht.
Allgemein zugänglich sind deshalb auch ausländische Rundfunkprogramme, deren Empfang in
Deutschland möglich ist. Soweit hierbei der Empfang von technischen Anlagen wie Parabolantennen abhängt, die eine an die Allgemeinheit gerichtete Information erst individuell erschließen,
erstreckt sich der Grundrechtsschutz auch auf die Beschaffung und die Nutzung solcher Anlagen,
da andernfalls das Grundrecht gerade durch technischen Fortschritt ausgehöhlt werden könnte“263.
Da Regelungen, die die Errichtung von Parabolantennen betreffen, weder im BGB noch im
Wohnungseigentumsgesetz (WEG) enthalten sind, leiten die klagenden Mieter ihren Anspruch auf Zustimmung durch den Vermieter aus §§ 535, 536 BGB her264. Danach ist der
Vermieter verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den vertragsgemäßen Gebrauch zu
gewähren. Was zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört, bedarf der Auslegung. Der Mieter
kann nach der Rechtsprechung des BVerfG dann einen Anspruch aus §§ 535, 536 i.V.m. 242
BGB auf Zustimmung zur Einrichtung einer Parabolantenne geltend machen, wenn sein Recht
auf Information im konkreten Fall bei einer Abwägung mit den Rechten der Eigentümer oder
Vermieter überwiegt265. Das entgegenstehende Interesse des Eigentümers zielt auf das Erscheinungsbild des Hauses.
Letztlich das gleiche Problem stellt sich im Verhältnis zwischen dem Wohnungseigentümer
und anderen Mit-Wohnungseigentümern. Ein Unterschied besteht nur im rechtlichen Anknüpfungspunkt. Der Eigentümer will von seinem Recht auf wunschgemäße Nutzung nach § 903
BGB i.V.m. Art. 14 GG Gebrauch machen. Das Anbringen einer Parabolantenne am Gebäude
ist als bauliche Veränderung im Sinn des §§ 22, 21 WEG anzusehen. Daher ist das Anbringen
260
Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 182 ff.
261
Zur Drittwirkung der Grundrechte s. z.B. Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 7 ff.; Maunz/Dürig-Dürig, Art. 1,
Rn. 102 ff.
262
BVerfGE 90, 27.
263
BVerfGE 90, 27.
264
BVerfGE 90, 27, 33.
265
BVerfGE 90, 27, 33.
78
von der Zustimmung der übrigen Eigentümer abhängig. Diese können sich für die Verweigerung der Zustimmung ebenfalls auf § 903 BGB i.V.m. Art. 14 GG berufen. Für beide Seiten
besteht letztlich der gleiche Konflikt wie in den Mietverhältnissen, weshalb die im Verhältnis
von Vermieter zu Mieter ergangene Rechtsprechung grundsätzlich auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen werden kann266.
Die Mehrheit der deutschen Gerichte vertrat bisher überwiegend eine restriktive Haltung zugunsten des Vermieters: Schon eine geringfügige Beeinträchtigung des Aussehens des Gebäudes genügte, die Maßnahme von der Zustimmung des Vermieters abhängig zu machen. Im
Vordergrund stehen für die Rechtsprechung besonders die Verunstaltung des Gebäudes sowie
die Gefährdung von Menschen durch Sturmgefahr. Eine rechtserhebliche Beeinträchtigung
des Vermieters wurde in der Regel nur bei kumulativem Vorliegen folgender Gesichtspunkte
verneint:
– keine ästhetische Beeinträchtigung infolge mangelnder Einsehbarkeit,
– keine feste Verbindung mit dem Baukörper,
– hinreichende Standfestigkeit der Anlage.
Wurde eine Beeinträchtigung des Vermieters festgestellt, wurden die gegensätzlichen grundrechtlichen Interessen im Regelfall durch eine Abwägung in Einklang gebracht. Das Interesse
des Mieters an Information kann das Interesse der Vermieters an seinem unbeeinträchtigten
Eigentum nur dann überwiegen, wenn der Mieter sich ohne Parabolantenne nur unzureichend
informieren kann. Dies wird nicht angenommen, wenn der Mieter die Möglichkeit hat, Fernsehen über Kabel zu empfangen267. Besteht ein Anschluss an ein Breitbandkabelnetz, stehen
im Regelfall ausreichende Informationsmöglichkeiten zur Verfügung und ein Anspruch des
Mieters, zusätzlich eine Parabolantenne am Haus anbringen zu dürfen, wird grundsätzlich
abgelehnt. In diesem Sinn urteilte zum Beispiel das Bayerische Oberste Landesgericht in einer Entscheidung vom 30. November 2000268:
„Verfügt eine Wohnanlage über einen Kabelanschluss, so gibt das Grundrecht auf Informationsfreiheit einem deutschen Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht das Recht, ohne Zustimmung
der übrigen Wohnungseigentümer an der Außenmauer eine Parabolantenne anzubringen.“
Eine andere Abwägung erfolgt nur dann, wenn in der Person des Mieters Gründe vorliegen,
die ein besonderes Informationsinteresse rechtfertigen. Ein solches ist für das BVerfG bei
einem ausländischen Mieter regelmäßig dann gegeben, wenn er mit der Parabolantenne Sender seines Heimatlands empfangen will269.
Dieses Ergebnis hat die Frage veranlasst, ob in der Gewährung eines Anspruchs des ausländischen Mieters auf Zustimmung eine verfassungswidrige Bevorzugung gegenüber deutschen
Staatsbürgern zu sehen ist, die das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Diesen
Einwand lehnte das BVerfG jedoch mit der Feststellung ab, dass der ausländischer Mieter
nicht wegen seiner Heimat bevorzugt wird, wenn ein Gericht seine gesteigerten Informationsinteressen berücksichtigt. Dies ist vielmehr ein Faktor in einem Abwägungsprozess270.
Ausländische Mieter sollen die Möglichkeit erhalten, sich auf diese Weise über das heimatli-
266
Palandt-Bassenge, § 22 WEG, Rn. 11.
267
BVerfGE 90, 27, 344.
268
BayObLG, Urteil vom 30.11.2000, Az. 2 Z BR 92/00.
269
BVerfGE 90, 27, 36.
270
BVerfGE 90, 27, 36.
79
che Geschehen unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrecht erhalten
zu können. Der ausländische Mieter kann daher nicht auf ausländische Zeitungen, ausländischen Hörfunk oder die in Deutschland von den Hörfunksendern ausgestrahlten Programme
in den Landessprachen verwiesen werden271. Vielmehr ist Inhalt des Grundrechts auf Informationsfreiheit gerade auch die Wahl zwischen den Mitteln der Informationsbeschaffung.
Da der Status als Ausländer und das daraus folgende Informationsbedürfnis nur ein Abwägungsfaktor unter mehreren ist, sind auch bei deutschen Mietern außergewöhnliche Umstände, die den spezifischen Fall vom Durchschnittsfall unterscheiden, bei der Abwägung zu berücksichtigen. Der Inländerstatus führt nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs272. Allein die Begründung, mit der Parabolantenne könne er noch mehr Programme empfangen,
genügt der deutschen Rechtsprechung als überwiegendes Interesse jedoch nicht, wenn bereits
ein Kabelanschluss vorhanden ist273. Bei der Beurteilung einer vom typischen Durchschnittsfall abweichenden Interessenlage274 stellt das Bayerische Oberste Landesgericht strenge Anforderungen an die Darlegungspflicht seitens des Anspruchstellers275. Daher wurde der Anspruch eines Deutschen mit Wohnsitzen im Inland und in der romanischen Schweiz abgelehnt, der die Aufrechterhaltung der kulturellen und sprachlichen Verbindung zum romanischen Sprachkreis geltend machte und auf seine Zugehörigkeit zum angelsächsischen Kulturkreis durch langjährige Auslandsaufenthalte und eine Tätigkeit bei den alliierten Streitkräften
verwies. Diese Gründe wurden als nicht ausreichend angesehen, da zumindest in gleichem
Maße die Identität mit seinem deutschen Heimatstaat fortbestehe276.
Gegen die Fortführung dieser Rechtsprechung sprechen die technische Entwicklung und die
Bedeutungszunahme des Satellitenfernsehens. Viele der ablehnenden Entscheidungen der
Zivilgerichte gingen von einem Durchmesser der Parabolantennen von ca. zwei Metern aus.
Die Parabolantennen werden jedoch immer kleiner und damit verliert das Argument der ästhetischen Beeinträchtigung zunehmend an Gewicht. Dementsprechend finden sich sogar Urteile, die ein besonderes Informationsinteresse für das Anbringen der Satellitenanlage nicht
mehr für notwendig halten, wenn von vornherein das Erscheinungsbild des Hauses nur unwesentlich beeinträchtigt ist277. Die Einschränkung der Informationsfreiheit kann jedoch nur dadurch gerechtfertigt werden, dass die Beeinträchtigung auf Seiten des Vermieters substanzielles Gewicht hat. Kann die Beeinträchtigung gering gehalten werden, ist dementsprechend
auch die Hürde für die Durchsetzung der Informationsfreiheit des Mieters niedriger.
3.3.3.2.2 Europarechtliche Beurteilung
In der deutschen Rechtsprechung wurde der europarechtliche Bezug der Nutzung von Parabolantennen bisher kaum gesehen. Er wurde jedoch von der Europäischen Kommission in
ihrer Mitteilung über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen vom 27. Juni
271
BVerfGE 90, 27, 38.
272
BVerfGE 90, 27, 36.
273
BerlVerfGH, NJW 2002, 2166; OLG Naumburg, WM 1994, 17.
274
S. hierzu auch OLG Frankfurt, NJW 1992, 2490.
275
BayObLG, Urteil vom 30.11.2000, Az. 2 Z BR 92/00, S. 9.
276
BayObLG, Urteil vom 30.11.2000, Az. 2 Z BR 92/00, S. 9; ähnlich Berl.VerfGH, NJW 2002, 2166.
277
AG Herne-Wanne, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2001, 277.
80
2001278 ausdrücklich betont. In dieser wird der Schutz der Nutzung von Parabolantennen
durch die Grundfreiheiten des EGV konkretisiert. Die Berücksichtigung dieser Überlegungen
muss in Deutschland zu einer Revision der bisherigen Rechtsprechung führen.
Parabolantennen ermöglichen den Empfang von Satellitenrundfunk aus vielen oder allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft279. Sie sind Waren, über die Dienste mit grenzüberschreitendem
Charakter angeboten werden. Der Handel mit sämtlichen Materialien und Geräten, die für die
Ausstrahlung von Fernsehsendungen benutzt werden, unterfallen den Bestimmungen über den
freien Warenverkehr. Bei Fernsehsendungen handelt es sich um Dienstleistungen im Sinne
des Art. 50 EGV280. Sie werden in der Regel gegen Entgelt erbracht und haben durch ihre oft
europaweite Ausstrahlung einen grenzüberschreitenden Bezug281. Parabolantennen unterfallen
somit der Freiheit des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs nach Art. 28 EGV und die mit
ihnen empfangbaren Fernsehsendungen der Freiheit des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49 EGV. Für beide Freiheiten gilt, dass die Behinderung ihrer Ausübung grundsätzlich verboten ist.
Eine solche Behinderung ist nur dann zulässig, wenn diese nicht nach Staatsangehörigkeit
oder Niederlassungsort diskriminiert und dem Allgemeininteresse dient, zur Erreichung ihres
Zwecks geeignet und notwendig sowie verhältnismäßig ist282. Aufgrund des grundsätzlichen
Vorrangs des Europarechts283 ist unerheblich, ob sich die beschränkende Regelung in einem
formellen Gesetz wiederfindet oder durch einen Administrativakt erfolgt. Die Folge ist, dass
jede entgegenstehende Bestimmung des bestehenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird.
Aus der Geltung dieser gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten für die Nutzung von Parabolantennen schließt die Europäischen Kommission, dass die Möglichkeit, eine Parabolantenne zu nutzen, – auch mit Blick auf Art. 10 EMRK – jedem Bürger zusteht. Die Wahl seines
Empfangsmittels muss der Empfänger selbst treffen können. Dies verbietet grundsätzlich Regelungen, die die Nutzung von Antennen beeinträchtigen oder die den Einsatz alternativer
Empfangssysteme begünstigen. Aus dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs ergibt
sich somit eine Verpflichtung für die nationalen Instanzen, sich gegenüber den verschiedenen
technischen Mitteln, die den Nutzern zur Verfügung stehen, neutral zu verhalten284.
Zwar ist es Sache der Mitgliedstaaten, ob sie in ihren jeweiligen Rechtsordnungen Bedingungen festlegen, die bei der Montage und Nutzung von Parabolantennen zu beachten sind. Problematisch können diese Vorschriften jedoch werden, wenn sie auf die Empfangsmöglich-
278
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen,
KOM(2001)351 endg., vom 27.6.2001.
279
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen,
KOM(2001)351 endg., vom 27.6.2001, S. 5.
280
EuGH, Rs. 155/73, Slg. 1974, 409 – Sacchi.
281
Streinz, Europarecht, Rn. 666; EuGH, Rs. 352/85, Slg. 1988, 2085 – Bond van Adverteerders.
282
Geiger, EUV/EGV § 50 Rn. 13; siehe hierzu auch Lenz-Hakenberg, Art. 49/50 Rn. 25 ff.
283
Lenz-Hetmeier, Art. 249 Rn. 22 ff; EuGH, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251 – Costa/Enel.
284
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen,
KOM(2001)351 endg., vom 27.6.2001, S. 12, 18f.
81
keiten und damit auch auf die Verbreitung der Dienstleistung Satellitenfernsehen Einfluss
nehmen. Dies ist etwa der Fall, wenn in manchen Mitgliedstaaten nur Geräte vermarktet und
genutzt werden dürfen, die einen bestimmten technischen Stand aufweisen. Hierdurch kann
die Dienstleistungsfreiheit betroffen werden, wenn die in Frage stehenden Vorschriften sich
indirekt behindernd auswirken. Vorschriften bezüglich des Durchmessers oder der Empfangsfrequenzbänder einer Parabolantenne könnten zur Folge haben, dass das Empfangen derjenigen grenzüberschreitenden Fernsehprogramme, zu deren Empfang zum Beispiel ein ausreichender Durchmesser der Anlage nötig ist, erschwert wird. Erst recht wäre eine obligatorische285 Genehmigungspflicht286 oder eine Abgabe287 für das Aufstellen solcher Antennen europarechtswidrig, weil solche Maßnahmen einen noch stärkeren Eingriff in die Grundfreiheiten
darstellen. In seinem Urteil vom 29. November 2001 stellte auch der EuGH fest, dass Art. 49,
50 und 55 EGV einer Sonderabgabe für Parabolantennen entgegenstehen288.
Städtebauliche Anliegen können nach Ansicht der Kommission wirksam durch Maßnahmen
berücksichtigt werden, die darauf ausgerichtet sind, die optischen Auswirkungen von Antennenanlagen weitgehend zu begrenzen, ohne das Recht der betroffenen Personen auf die Antenne zu beeinträchtigen und ihnen übermäßige Kosten zu verursachen289. Vor allem kommunale Regelungen (z.B. Altstadtsatzungen zur Erhaltung des geschützten Stadtbildes) schreiben
in denkmalschutzrechtlichen oder architektonischen Regelungen die Anbringung der Antennen an bestimmten Stellen oder die Untersagung vor. Hier ist nach Auffassung der Kommis-
285
Etwas anderes mag für kommunale Satzungen gelten, die für eine beschränkte Zahl von Gebäuden eine
solche Genehmigung z.B. zum Ensembleschutz vorsehen.
286
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen,
KOM(2001)351 endg., vom 27.6.2001, S. 14f. In Deutschland fällt die Parabolantenne gemäß den jeweiligen Landesbauordnungen – s. z.B. § 64 Abs. 1 Nr. 2i SaarLBO – unter die genehmigungsfrei zu errichtenden Vorhaben. Der Genehmigungsvorbehalt des Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK gilt nur für Veranstalter,
nicht für Zuschauer.
287
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen,
KOM(2001)351 endg., vom 27.6.2001, S. 17 ff. Zwar anerkennt die Kommission, dass die Abgabenordnung nach derzeitigem Stand des Gemeinschaftsrechts in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten
fällt, doch müssten diese ihre Kompetenzen unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben. Als besonders schädlich beurteilt die Kommission die Folgen für die Verwirklichung des Binnenmarkts unter dem
Gesichtspunkt der grenzüberschreitenden Kommunikation sowie für die technologische Entwicklung der
über Satellit übertragenen Dienste.
288
EuGH, C-17/00, ZUM-RD 2002, 1 – De Coster, Nr. 31. Eine solche Abgabe sei eine unzulässige Beschränkung und stelle somit eine Behinderung sowohl für die Zuschauer als auch für die auf Satellitenübertragung angewiesenen Anbieter dieser Anlagen dar. Der EuGH stellt in den Entscheidungsgründen
fest, dass die Einführung einer Abgabe auf Parabolantennen den Empfang über Satellit ausgestrahlter Fernsehsendungen mit einer Belastung belegt, der Kabelempfang aber keiner entsprechenden Abgabe unterliege. Weiter wurde ausgeführt, dass die in der Gemeinde Watermael-Boitsfort wohnhaften Empfänger von
Fernsehdienstleistungen durch die Handhabung der Abgabenverordnung davon abgehalten werden können,
Zugang zu Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten anzustreben, da der Empfang derartiger Sendungen mit einer Abgabe belastet ist, der Sendungen in Belgien niedergelassener Rundfunkanbieter, die regelmäßig im Kabel verbreitet werden, nicht unterliegen (Nr. 32, 33). Zum von der Gemeinde vorgebrachten
Rechtfertigungsgrund, sich einer ungezügelten Vermehrung von Parabolantennen erwehren zu wollen und
so die Qualität der Umwelt zu verbessern, meint der EuGH, dass zumindest eine Unverhältnismäßigkeit bezüglich der angewandten Mittel bestehe (Nr. 37, 38).
289
Mitteilung der Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und
Dienstleistungsverkehrs – Art. 28 und 49 EGV – auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen,
KOM(2001)351 endg., vom 27.6.2001, S. 15 ff.
82
sion das „Recht auf die Parabolantenne“ mit den städtebaulichen Vorgaben abzuwägen. Die
Kommission schlägt Regelungen zur Vereinbarung der widerstreitenden Interessen vor, die
– bei Einzelantennen eine diskrete Anbringposition vorschreiben,
– Gemeinschaftsantennen fördern, bei Neubauten vorschreiben,
– bei gerechtfertigten Erfordernissen Form und Farbe vorschreiben.
Auch weitere Behinderungen seien unzulässig. Die Kommission ist der Auffassung, dass einzelstaatliche Abgaben, die gegenüber anderen Empfangsmitteln speziell Parabolantennen belasten, gemeinschaftswidrig sind.
Die Mitteilung der Kommission hat keine für die einzelnen Mitgliedstaaten unmittelbar oder
mittelbar geltende Rechtswirkung. Eine solche Handlungsform ist in Art. 249 EGV nicht genannt290, Art. 249 EGV enthält jedoch auch keine abschließende Aufzählung von Handlungsformen291. Die Mitteilung der Kommission stellt immerhin die Interpretation der geltenden
Rechtslage durch ein kompetentes Organ der Gemeinschaft dar. Sie dient – ähnlich der Stellungnahme oder der Empfehlung – dazu, den Mitgliedstaaten die Rechtsauffassung der
Kommission zu einem bestimmten Problem darzulegen.
Sowohl die Mitteilung der Kommission als auch das Urteil des EuGH vom 29. November
2001 betriffen die rechtlichen Beziehungen des einzelnen Bürgers gegenüber seinem Mitgliedstaat. Dagegen handelt es sich bei den in Deutschland entschiedenen Fällen um einen
Streit zwischen Privatpersonen. Daher ist zu fragen, ob sich im Licht der Kommissionsentscheidung am Anspruch des deutschen Mieters auf Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne etwas ändert.
Auch wenn sich in den Gerichtsverfahren Privatpersonen um Rechte aus ihrem Miet- oder
Wohnungseigentumsverhältnis stritten, sind die Beschränkungen des Mieters oder Miteigentümers durch die Gerichtsurteile der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen. Sie sind
ebenso wie Gesetze und Verwaltungsakte Ausübung von Staatsgewalt, die die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten zu beachten hat. Dieses Ergebnis wird außerdem mit der Drittwirkung der Grundfreiheiten292 und der Garantenpflicht aus der Informationsfreiheit des Art.
10 EMRK293 begründet. Daher wird vertreten, die deutsche Rechtsprechung könne keinen
Bestand haben. Auch wenn einem Mieter andere Informationswege zur Verfügung stünden,
könne das Anbringen einer Parabolantenne nicht weiter versagt werden294.
Nach anderer Auffassung liege eine solche „Freiheitsvermutung“ der deutschen Rechtsprechung bereits zugrunde. Es bestehe eine grundrechtlich geschützte Position, die aber nicht
schrankenlos gewährleistet sei. So weise auch die Kommission in ihrer Mitteilung auf
290
Eine solchermaßen verbindliche Wirkung haben nur die in Art. 249 Abs. 2 bis 4 EGV genannten Handlungsformen der Verordnung, der Richtlinie und der Entscheidung. Weiterhin genannt sind in Art. 249
EGV nur noch die nicht verbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen.
291
Lenz-Hetmeier, Art. 249, Rn. 3.
292
Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 124 ff., 226f.; EuGH, C-415/93, Slg. 1995, I-4921 – Bosman; EuGH, C-281/98, Slg. 2000, I-4139 – Angonese.
293
Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 226f.
294
Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 226f.
83
Schranken wie zum Beispiel den Verbraucher- und Umweltschutz hin. Im Ergebnis bringe die
Mitteilung für die Interessenabwägung der deutschen Rechtsprechung nichts Neues295.
Der letzten Schlussfolgerung kann jedoch nicht gefolgt werden. Selbst wenn die in der Kommissionsmitteilung vertretene Rechtsauffassung die Betrachtung des Einzelfalls nicht entbehrlich macht und weiter zwischen den widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen eine Abwägung vorzunehmen ist, so muss diese bei Beachtung der gemeinschaftlichen
Grundfreiheiten doch in anderer Weise durchgeführt werden. Sie muss umgekehrt wie die
bisherige Rechtsprechung bei der Empfangsfreiheit des Mieters oder Wohnungseigentümers
ansetzen und fragen, ob es überwiegende Interessen des Vermieters oder der Miteigentümer
gibt, die eine Verweigerung ihrer Zustimmung rechtfertigen. Diese sind abzulehnen, wenn
deren Interessen – wie von der Kommission angedeutet – durch Wahl der Antenne, des
Standorts, der Anbringungsform, der Farbgebung oder ähnliche Maßnahmen befriedigt oder
stark verringert werden können. Ist dies nicht möglich, muss eine Abwägung stattfinden, in
der die besondere Bedeutung der Empfangsfreiheit zum Tragen kommt. Im Zweifel wird ihr
der Vorzug zu geben sein.
3.3.4 Zugang zum Satelliten
Vielfalt im Rundfunk ist nicht nur von den Empfangsmöglichkeiten der Zuschauer, sondern
auch von den Möglichkeiten der Programmveranstalter abhängig, die angebotenen Verbreitungswege nutzen zu können. Das Gleiche gilt für den Anbieter einer Rundfunkplattform, der
Programmveranstaltern im Rahmen von Programmpaketen Vermarktungsmöglichkeiten anbietet. Für die reale Vielfalt im Fernsehen ist entscheidend, ob beide, Programmveranstalter
und Plattformanbieter, Zugang zu dem Verbreitungsweg Satellit haben.
Bisher ist die Wettbewerbslage so, dass faktisch keine Probleme des Zugangs von Programmveranstaltern und Plattformanbietern bestehen. Es werden ausreichend Übertragungskapazitäten angeboten, so dass jeder, der über die erforderliche Finanzkraft verfügt, seine Programme über Satellit verbreiten kann296. Veranstaltern mit nicht ausreichender Finanzkraft bleibt
der Übertragungsweg allerdings bisher verwehrt. Eine erste Ausnahme bildet das DVB-SPilotprojekt bayerischer Lokalfernsehprogramme vom 11. Juni 2002 bis 31. Mai 2004297. In
diesem Projekt werden Sendungen aus verschiedenen Regionen im Wechsel digital über
ASTRA ausgestrahlt. Die großen kommerziellen Veranstalter haben bisher jedoch keine Probleme ihre Programme über Satellit zu verbreiten.
Diese Marktsituation kann sich jedoch – insbesondere durch die Digitalisierung – ändern. Der
zurzeit gegebene Zugang zum Verbreitungsweg Satellit ist allein durch den Wettbewerb nicht
dauerhaft gesichert. Daher wird im Folgenden untersucht, welche rechtlichen Vorkehrungen
bestehen, um Programmveranstaltern und Plattformanbietern den Zugang zu diesem Verbreitungsweg sicher zu stellen.
295
Charissé, INFOSAT 9/2002, 80. In seinem Urteil vom 27.1.2003 (Az. 62 S 382/02) entschied das LG Berlin nach Abwägung der Interessen, dem Recht auf Informationsfreiheit sei dadurch Genüge getan, dass der
Vermieter dem Mieter anbietet, auf Kosten des letztgenannten eine Parabolantenne auf dem Dach anstatt an
der Balkonbrüstung zu montieren.
296
S. zur wirtschaftlichen Ausgangslage Kap. 2.2.
297
Pressemitteilung der BLM vom 16.5.2002, abrufbar unter http://www.blm.de/aktuell/presse/200228.htm,
abgerufen am 15.11.2002.
84
Aufgrund der großen Bedeutung des französischen Eutelsat- und des luxemburgischen
ASTRA-Systems ist die Relevanz des deutschen Rechts bei der Frage nach dem Zugang von
Programmveranstaltern und Plattformanbietern zu den zurzeit angebotenen Satellitenkapazitäten gering298. Daher ist insbesondere der gemeinschaftsrechtliche Rahmen zu untersuchen.
Das deutsche Recht kann jedoch auf Plattformen Anwendung finden, die in Deutschland angeboten werden. Für diesen Fall sind ergänzend die Vorgaben des deutschen Rechts Gegenstand der Erörterung.
Grundlage für den freien Dienstleistungsverkehr von Fernsehdiensten in der Gemeinschaft ist
die Fernsehrichtlinie299. Sie will die Entwicklung eines europäischen Fernsehmarkts fördern
und hierfür Freizügigkeit und Wettbewerb sicherstellen. Das Angebot grenzüberschreitender
Sendungen wird in den Erwägungsgründen als ein wichtiges Mittel genannt, um die Ziele der
Gemeinschaft zu verfolgen. Daher verpflichtet Art. 2a Abs. 1 der Richtlinie die Mitgliedstaaten, den freien Empfang von Fernsehsignalen aus anderen Mitgliedstaaten zu gewährleisten.
Diese Verpflichtung hat Rückwirkungen auf die rechtliche Absicherung grenzüberschreitender Verbreitung von Programmen. Das Recht eines Programmveranstalters auf Zugang zu
einem bestimmten Verbreitungsweg fordert die Richtlinie allerdings nicht. Im Folgenden ist
zu untersuchen, ob sich ein solches Recht aus anderen Regelungen des Gemeinschaftsrechts
und daneben auch des deutschen Rechts ergibt.
3.3.4.1
Sektorspezifische Regelungen
Bezogen auf die Frage des Zugangs zum Vertriebsweg Satellit gibt es bereits im geltenden
Recht einige einschlägige Regelungen. Diese werden durch das neue Paket der Kommunikationsrichtlinien teilweise verändert und erweitert300.
3.3.4.1.1 Geltendes Recht
In der Wettbewerbsrichtlinie 1990301 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, besondere und
ausschließliche Rechte von bestimmten Unternehmen bei der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen aufzuheben. Ausgenommen waren ursprünglich noch die Satellitendienste. Dies wurde mit der Richtlinie 94/46/EG302 geändert. Sie sieht in Satellitenfunkdienstleistungen für die Übertragung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen einen Telekommunikationsdienst und unterwirft diese damit den Bestimmungen der Richtlinie. Damit ist auch für
die Satellitenverbreitung verboten, diesen Verbreitungsweg etwa bestimmten Programmveranstaltern vorzubehalten. Einen Zugangsanspruch begründen diese Regelungen jedoch nicht.
298
Zum luxemburgischen und französischen Recht oben 3.3.2.2.2 und 3.3.2.2.3.
299
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, ABl. L 298/23 vom 17.10.1989,
geändert durch Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.6.1997, ABl. L
202/60 vom 30.7.1997 (Fernsehrichtlinie).
300
Zum Verhältnis von allgemeinem und sektorspezifischen Kartellrecht im Lichte des neuen Richtlinienpakets Klotz, K&R Beilage 1/2003, 3 ff.
301
Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikation, ABl. L 192/10 vom 24.7.1990, in der Fassung der Richtlinie 1999/64/EG (Wettbewerbsrichtlinie 1990). Die Richtlinie tritt nach Art. 10 der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom
16.9.2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste,
ABl. L 249/21 vom 17.9.2002 (Wettbewerbsrichtlinie 2002), am 25.7.2003 außer Kraft.
302
Richtlinie 94/46/EG der Kommission vom 13.10.1994 zur Änderung der Richtlinien 88/301/EWG und
90/388/EWG, insbesondere betreffend die Satelliten-Kommunikation, ABl. L 268/15 vom 19.10.1994
85
Spezifische Zugangsfragen werden auf Bundesebene durch das – bereits vorgestellte303 –
Fernsehsignalübertragungsgesetz und auf Länderebene durch § 53 RStV geregelt. Diese Regelungen sollen Art. 4 b) und c) der TV-Normenrichtlinie304 umsetzen, die den Wettbewerb im
digitalen Rundfunkmarkt sichern will305. Die TV-Normenrichtlinie befasst sich mit verschiedenen Aspekten des Zugangs zu digitalem Fernsehen und Zugangsberechtigungssystemen im
weitesten Sinn, wie der Interoperabilität von Zugangskontrollsystemen mit Verbraucherhardware (Empfangsgeräte), und dem Zugang von Rundfunkveranstaltern zu Zugangsberechtigungssystemen.
Zugangsrechte werden Rundfunkveranstaltern nach § 53 Abs. 1 RStV jedoch nur gegenüber
Anbietern von Diensten mit Zugangsberechtigung, nach § 53 Abs. 2 RStV gegenüber Anbietern von Navigationsdiensten gewährt. § 53 Abs. 3 RStV verbietet die Benachteiligung von
Wettbewerbern durch Anbieter mit marktbeherrschender Stellung, die Programme bündeln
und vermarkten306. Die Überwachung der Einhaltung des § 53 Abs. 1 bis 4 RStV obliegt gemäß Abs. 5 der zuständigen Landesmedienanstalt.
Auch §§ 6f. Fernsehsignalübertragungsgesetz307 gewähren Rundfunkveranstaltern und Anbietern digitaler Fernsehdienste lediglich ein Recht gegenüber Anbietern und Verwendern von
Zugangsberechtigungssystemen. Dieses Recht besteht unabhängig davon, ob der Anbieter
eine dominante Stellung auf dem Markt inne hat. Hintergrund der Regelung war das Anliegen, die Entwicklung missbräuchlicher beherrschender Positionen durch Conditional-AccessSystem-Anbieter zu verhindern308. Die genannten Vorschriften betreffen demnach die Dienstleistungsfunktionen von Dekodern und Navigatoren sowie die Bündelung und Vermarktung
von Programmen309.
Zumindest der Zugangsanspruch des Programmveranstalters zum Verbreitungsweg „Satellit“
ist als solcher nicht Gegenstand der Regelungen im RStV und Fernsehsignalübertragungsgesetz.
3.3.4.1.2 Richtlinienpaket zum Kommunikationsrecht
Mit dem neuen Richtlinienpaket zum Kommunikationsrecht werden die alten Telekommunikations-Richtlinien zum 25. Juli 2003 aufgehoben und durch die neuen Regelungen ersetzt310.
Daher stellt sich die Frage, was sich dadurch für den Zugang der Programmveranstalter zum
303
S. Kap. 3.3.3.1.2.
304
Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24.10.1995 über die Anwendung
von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen, ABl. L 281/51 vom 23.11.1995 (TVNormenrichtlinie).
305
Hierunter ist in erster Linie der Markt für digitale Fernsehdienste zu verstehen, Helberger/Scheuer/
Strothmann, IRIS plus 2001-2: 2.
306
Auf Dienstleister, die lediglich Programme und Dienste technisch bündeln, findet nicht § 53 RStV, sondern
das TKG Anwendung, Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53, Rn. 23.
307
§§ 6f. Fernsehsignalübertragungsgesetz setzen Art. 4 b) und c) der TV-Normenrichtlinie um.
308
Mitteilung der Kommission, Die Entwicklung des Marktes für digitales Fernsehen in der EU, Bericht im
Zusammenhang mit der Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995
über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen, KOM (1999)540 endg., vom
9.11.1999, S. 8.
309
S. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53, Rn. 3.
310
Zum neuen Richtlinienpaket oben 3.3.1.
86
Satelliten ändert und welche Anpassungen des deutschen Rechts zur Umsetzung dieser Änderungen erforderlich sind.
Den neuen Richtlinien liegt die Erwägung zugrunde311, dass von dem Übergang zu einer digitalen wissensbasierten Wirtschaft starke Impulse für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und
Beschäftigungsmöglichkeiten ausgehen werden. Um diesen Effekt möglichst breit zu fächern,
müssen europäische Unternehmen und Bürger Zugang zu einer kostengünstigen Kommunikationsinfrastruktur von internationalem Rang und zu einer weiten Dienstleistungspalette haben. Wird dieser gewünschte Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur auch rechtlich als
Anspruch ausgestaltet?
Um die Reichweite des neuen Richtlinienpakets einschätzen zu können, ist es notwendig, sich
den grundlegenden Regulierungsansatz deutlich zu machen. Er wird in Erwägungsgrund 5 der
Rahmenrichtlinie dahingehend formuliert, dass es notwendig ist, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen312. Dies spiegelt sich in der grundlegenden Begriffsbildung des Richtlinienpakets wider. Um der technischen Konvergenz Rechnung
zu tragen, will der europäische Gesetzgeber einen einheitlichen Rechtsrahmen für alle Übertragungswege schaffen. Die Begriffe des Telekommunikationsnetzes und -dienstes werden
ersetzt durch die Begriffe des Kommunikationsnetzes und –dienstes313.
Die Definition der Kommunikationsnetze in Art. 2 a) Rahmenrichtlinie beschränkt alle Regelungen des Pakets ausdrücklich auf die Regulierung der Übertragung:
Art. 2 Rahmenrichtlinie:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a) ,elektronisches Kommunikationsnetz‘: Übertragungssysteme ..., die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische oder andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen,
einschließlich Satellitennetze, ... unabhängig von der Art der übertragenen Informationen.“
Das Gleiche gilt für die Definition der Kommunikationsdienste. Diese sind nach Art. 2 c)
Rahmenrichtlinie gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in
der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen. Zu diesen
gehören ausdrücklich nicht die Dienste der Informationsgesellschaft, die nicht ganz oder
überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen. Vom Reformpaket erfasst werden somit nur solche Dienste der Informationsgesellschaft, die nur im Signaltransport bestehen. Das selbe Unternehmen, zum Beispiel ein Internet-Diensteanbieter, kann laut Erwägungsgrund 10 der Richtlinie sowohl elektronische
Kommunikationsdienste, wie den Zugang zum Internet, als auch nicht unter diese Richtlinie
fallende Dienste, wie die Bereitstellung von internetgestützten Inhalten, erbringen. Entscheidend für die Qualifizierung als Kommunikationsdienst ist der Transportcharakter der Dienstleistung. Nicht erfasst sind die transportierten Inhalte314. Das Richtlinienpaket lässt alle Maß-
311
Erwägungsgrund 4 der Rahmenrichtlinie.
312
Bereits die TV-Normenrichtlinie konzentriert sich auf technische Zugangsfragen, ohne sich mit Fragen des
inhaltlichen Zugangs zu befassen, Helberger/Scheuer/Strothmann, IRIS plus 2001-2: 2f.
313
Zur Konvergenz s. Holznagel, JZ 2001, 905 ff., ders., NJW 2002, 2351, 2353f.
314
Art. 2 (Begriffsbestimmungen) lit. c) der Rahmenrichtlinie formuliert die Ausnahmen vom Anwendungsbereich in Bezug auf “elektronische Kommunikationsdienste” wie folgt: “... ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über
sie ausüben ...”. S. auch Art. 1 Abs. 3 Rahmenrichtlinie: „Die von der Gemeinschaft oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die
87
nahmen unberührt, die auf Gemeinschaftsebene in Bezug auf diese inhaltlichen Dienste getroffen werden, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt und den Medienpluralismus zu fördern. Inhalte von Fernsehprogrammen fallen weiterhin unter die oben dargestellte Fernsehrichtlinie.
Diese Trennung lässt sich allerdings angesichts der vertikalen Integration nicht konsequent
durchsetzen. So regt der europäische Gesetzgeber in Erwägungsgrund 5 der Rahmenrichtlinie
auch an, die Verbindungen zwischen beiden zu berücksichtigen, insbesondere um Einschränkungen des Pluralismus zu vermeiden.
Die derzeit noch geltende Wettbewerbsrichtlinie 1990 wird zum 25. Juli 2003 durch die
Wettbewerbsrichtlinie 2002315 ersetzt werden. Diese setzt aber – für die neu definierten „elektronische Kommunikationsdienste und -netze“ – den bisherigen Regulierungsansatz fort. Sie
will – wie bereits die Vorläuferregelung – Wettbewerbsbehinderung durch ausschließliche
oder besondere Rechte einzelner Unternehmen verhindern. „Ausschließliche Rechte“ sind
nach Art. 1 Nr. 5 der Richtlinie solche, die ein Mitgliedstaat einem Unternehmen mittels
Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste
oder Ausübung einer Tätigkeit in einem bestimmten geografischen Raum einräumt. „Besondere Rechte“ sind nach Art. 1 Nr. 6 Rechte, die einer begrenzten Anzahl von Unternehmen
von einem Mitgliedstaat in einem bestimmten Gebiet eingeräumt werden, wenn die Zahl der
Unternehmen begrenzt wird, ohne sich dabei an objektive, angemessene und diskriminierungsfreie Kriterien zu halten, oder rechtliche Vorteile, durch die Konkurrenten erheblich
beeinträchtigt werden. Damit verbietet das Gemeinschaftsrecht – künftig in einem weiteren
Geltungsbereich – die Bevorzugung einzelner Unternehmen auf dem Markt für Kommunikationsdienstleistungen.
Für die Frage des Zugangs zum Satelliten von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Zugangsrichtlinie. Art. 1 Abs. 1 Zugangsrichtlinie sieht vor, dass Zugangs- und
Zusammenschaltungsbedingungen künftig zwischen den Diensteanbietern vorrangig ausgehandelt werden sollen. Zugang definiert die Zugangsrichtlinie in Art. 2 wie folgt:
Zugangsrichtlinie Art. 2:
„a) ,Zugang‘: [ist] die ausschließliche oder nicht ausschließliche Bereitstellung von Einrichtungen und/oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen, zur Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste. Darunter fallen unter anderem: Zugang zu Netzkomponenten und zugehörigen Einrichtungen, wozu auch der feste oder nicht feste Anschluss
von Einrichtungen gehören kann (dies beinhaltet insbesondere den Zugang zum Teilnehmeranschluss sowie zu Einrichtungen und Diensten, die erforderlich sind, um Dienste über den Teilnehmeranschluss zu erbringen); Zugang zu physischen Infrastrukturen wie Gebäuden, Leitungen
und Masten; Zugang zu einschlägigen Softwaresystemen, einschließlich Systemen für die Betriebsunterstützung; Zugang zur Nummernumsetzung oder zu Systemen, die eine gleichwertige
Funktion bieten; Zugang zu Fest- und Mobilfunknetzen, insbesondere um Roaming zu ermöglichen; Zugang zu Zugangsberechtigungssystemen für Digitalfernsehdienste und Zugang zu Diensten für virtuelle Netze.“
Vor dem gewünschten Hintergrund des Aushandelns der Bedingungen zwischen den Diensteanbietern stellt die Zugangsrichtlinie technologieneutrale, wettbewerbsrechtliche Rahmenbe-
im Interesse der Allgemeinheit liegen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik, bleiben von dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien unberührt.“
315
Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16.9.2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. L 249/21 vom 17.9.2002 (Wettbewerbsrichtlinie 2002).
88
dingungen auf. Allerdings wird in den Erwägungsgründen zur Richtlinie anerkannt, dass die
allgemeinen Wettbewerbsregeln unter Umständen nicht ausreichen, um die kulturelle Vielfalt
und den Pluralismus in den Medien im Bereich des Digitalfernsehens sicherzustellen316. Mit
der TV-Normenrichtlinie sei ein erster Rechtsrahmen für die entstehende Digitalfernsehindustrie geschaffen worden, der insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung zur Gewährung der Zugangsberechtigung zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen beibehalten werden sollte, um ein breit gefächertes Angebot an Programmen und
Diensten zu gewährleisten. Daher werden insoweit die Vorgaben der aufzuhebenden TVNormenrichtlinie gemäß Art. 6 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie als deren Anhang I in den neuen
Rechtsrahmen integriert. Die technische Ausgestaltung von Übertragungswegen ist jedoch
Voraussetzung für die Verbreitung und damit letztlich auch für das Empfangen von Inhalten.
Auch die Kommission erkannte dies bereits in ihrem Kommunikationsbericht317, so dass hier
von einer Schnittstelle zwischen den verschiedenen Regulierungsbereichen auszugehen ist318.
Ein Anspruch eines Programmveranstalters auf Zugang zu einem bestimmten Verbreitungsweg, hier Satellit, folgt aus den Bestimmungen der Zugangsrichtlinie nicht unmittelbar. Art. 3
Abs. 1 Zugangsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich, das freie Aushandeln von
Zugangsvereinbarungen zwischen Unternehmen zu gewährleisten319. Nach Art. 4 Abs. 1 Zugangsrichtlinie sind die Betreiber von öffentlichen Kommunikationsnetzen jedoch verpflichtet, anderen320 Unternehmen Zugang zu Bedingungen zu gewähren321, die den Vorgaben der
nationalen Regulierungsbehörden nach den Art. 5 ff. Zugangsrichtlinie entsprechen.
Die Ziele nationaler Regulierung ergeben sich nach Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 Zugangsrichtlinie aus Art. 8 Rahmenrichtlinie. Zu diesen Zielen gehören vor allem ein angemessener
Zugang, Interoperabilität und Wettbewerb. Nach Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 Zugangsrichtlinie können die nationalen Regulierungsbehörden zur Durchsetzung dieser Ziele einem
Dienstbetreiber Verpflichtungen auferlegen – und zwar unabhängig davon, ob der Dienstbetreiber ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht ist322. Die Vorschrift zählt „insbesondere“ Maßnahmen betreffend den Zugang zu den Endnutzern und zu API und EPG auf.
Wenngleich der Zugang des Programmveranstalters zum Verbreitungsweg nicht ausdrücklich
genannt ist, bleibt der nicht abschließende Charakter der Aufzählung zu beachten.
Daneben ist für den Zugang des Programmveranstalters zum Verbreitungsweg Art. 5 Abs. 4
Zugangsrichtlinie von Interesse. Auch hiernach sollen die nationalen Regulierungsbehörden
ermächtigt sein, Maßnahmen unabhängig vom Vorliegen beträchtlicher Marktmacht zu tref-
316
Erwägungsgrund 10 Zugangsrichtlinie.
317
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Ministerrat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Entwicklung neuer Rahmenbedingungen für elektronische Kommunikationsinfrastrukturen und zugehörige Dienste, Kommunikationsbericht 1999, KOM (1999)
539 endg., vom 10.11.1999, 31.
318
Bonin, K&R 2002, 565.
319
Erwägungsgrund 5 Zugangsrichtlinie.
320
Art. 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Zugangsrichtlinie spricht von „befugten“ Unternehmen. Dies ist unter
Heranziehung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Zugangsrichtlinie („Unternehmen, die Zugang ... wünschen ...“) weit
auszulegen, steht aber freilich in Abhängigkeit von Maßnahmen der nationalen Regulierungsbehörden nach
Art. 5 ff. Zugangsrichtlinie.
321
Die Verhandlungspflicht auf Antrag in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Zugangsrichtlinie betrifft nicht den Zugang,
sondern nur die Zusammenschaltung.
322
Zu den Regulierungsmaßnahmen gegenüber Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht 3.3.4.2.
89
fen. Bei der Festlegung von Regulierungsbefugnissen aufgrund von Art. 5 Abs. 4 Zugangsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten jedoch nicht frei. Vielmehr unterliegen Maßnahmen ihrer
Behörden dem Konsultationsverfahren nach Art. 6 Rahmenrichtlinie und dem Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Rahmenrichtlinie323. Des Weiteren umfasst Art. 5 Abs. 4 Zugangsrichtlinie lediglich Maßnahmen der Behörde „in begründeten Fällen aus eigener Initiative“
oder auf Ersuchen einer beteiligten Partei.
Demnach ist weder Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 noch Abs. 4 Zugangsrichtlinie dahin gehend
auszulegen, dass ihnen unmittelbar ein Anspruch des Programmveranstalters auf Zugang zum
Verbreitungsweg Satellit entnommen werden könnte. Jedoch kommt in Betracht, dass Rechte
der Programmveranstalter im Zuge der Umsetzung durch den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber
zu berücksichtigen sind. Hierfür spricht die Formulierung in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Zugangsrichtlinie: „Die Betreiber bieten den Unternehmen den Zugang ... zu Bedingungen an, die mit
den von der nationalen Regulierungsbehörde gemäß den Artikeln 5, 6, 7 und 8 auferlegten
Verpflichtungen in Einklang stehen“. Diesbezüglich sind die den nationalen Regulierungsbehörden gemäß Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 und Abs. 4 Zugangsrichtlinie einzuräumenden Befugnisse von Belang324. Diese könnten verpflichtet sein, die ihnen so in die Hand gegebenen
Instrumente zu nutzen, um den Zugang des Programmveranstalters zu den Verbreitungswegen
sicherzustellen („garantieren“, Art. 5 Abs. 1 Zugangsrichtlinie). Dies setzt zum einen voraus,
dass der Zugang von Inhalteanbietern von Art. 5 Zugangsrichtlinie umfasst ist. Zum anderen
müsste ein Anspruch eines Programmveranstalters auf Zugang zu einem Transportweg Ziel
nationaler Regulierung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 Zugangsrichtlinie sein.
Das bisher gültige Gemeinschaftsrecht enthält keinen Anspruch eines Programmveranstalters
auf Zugang zu einem Transportweg und auch keine Legaldefinition des Zugangs. Die TVNormenrichtlinie verpflichtet in Art. 4 c) die Anbieter von Zugangsdiensten für digitale Fernsehdienste, allen Rundfunkveranstaltern chancengleiche, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen zu bieten. Weitere Regelungen zur Bereitstellung von Kommunikationseinrichtungen finden sich nur für den Zugang zu Telekommunikationsnetzen325.
Das neue Richtlinienpaket definiert den Zugang in Art. 2 a) Zugangsrichtlinie als die „... Bereitstellung von Einrichtungen und/oder Diensten für ein anderes Unternehmen ... zur Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste“. Fraglich ist, ob Programmveranstalter elektronische Kommunikationsdienste in diesem Sinne erbringen. Bei einer ersten Betrachtung ist,
wie oben ausgeführt, zu berücksichtigen, dass Art. 2 c) Rahmenrichtlinie festlegt, dass Dienste, die Inhalte anbieten oder redaktionelle Kontrolle über sie ausüben, keine elektronischen
Kommunikationsdienste sind. Programmveranstalter bieten jedoch Inhalte an und üben redaktionelle Kontrolle aus. Danach wären ihre Dienste von der Regelung nicht umfasst. Hintergrund des gesamten Richtlinienpakets ist die Trennung der Regulierung der Übertragung
von der Regulierung von Inhalten. Dies verdeutlicht Erwägungsgrund Nr. 5 der Rahmenrichtlinie:
323
Zu Art. 7 Abs. 4 Rahmenrichtlinie s. z.B. Bonin, K&R 2002, 565, 568.
324
Zu Maßnahmen nach Art. 8 ff. Zugangsrichtlinie s. 3.3.4.2.1.
325
Etwa Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.6.1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes
und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (97/33/EG), ABl.
L 199/32 vom 26.7.1997 (ONP-Richtlinie): „Die zur Bereitstellung der ... öffentlichen Telekommunikationsnetze und für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdienste befugten Organisationen mit
beträchtlicher Marktmacht haben allen begründeten Anträgen auf Netzzugang ... stattzugeben.“
90
Erwägungsgrund Nr. 5 Rahmenrichtlinie:
„... Es ist notwendig, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen. Dieser Rahmen betrifft daher nicht die Inhalte von Diensten, die über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bereitgestellt werden, wie Rundfunkinhalte .... Inhalte von Fernsehprogrammen fallen unter die Richtlinie 89/552/EWG ....“
Die Regulierung der Inhalte ist vom Richtlinienpaket demnach nicht umfasst. Dagegen gehören zum Regelungsgegenstand die nicht inhaltsbezogenen Aspekte elektronischer Kommunikationsdienste. Die Frage nach der Regulierung von Inhalten ist also von der Frage nach dem
Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu trennen. Bei der hier untersuchten Frage nach dem
Zugang eines Programmveranstalters auf Nutzung bestimmter Übertragungskapazitäten steht
nicht die inhaltliche Regulierung im Raum, sondern es geht um den Zugang zu einem Transportweg. Darauf, welche Inhalte der Nachfrager von Kapazitäten transportiert, soll es nach
Erwägungsgrund Nr. 5 der Rahmenrichtlinie gerade nicht ankommen. Nach dieser Maßgabe
folgt demnach kein Ausschluss des Programmveranstalters vom Zugangsbegriff aus Art. 2 a)
Zugangsrichtlinie326.
Dafür, dass auch Programmveranstalter als Nachfrager von Transportkapazitäten vom Zugangsbegriff des Art. 2 a) Zugangsrichtlinie umfasst sind, spricht auch, dass die Norm am
Ende den Zugang zu Conditional-Access-Systemen als Beispiel aufführt. Als Berechtigte sind
Endnutzer ausgeschlossen, wie Art. 1 Abs. 2 Satz 3 Zugangsrichtlinie ausdrücklich bestimmt327. Nach Art. 2 n) Rahmenrichtlinie sind Endnutzer Nutzer, die keine elektronischen
Kommunikationsdienste bereitstellen328. Bereits das geltende Recht sieht zugunsten der Programmveranstalter in Art. 4 c) TV-Normenrichtlinie Zugangsansprüche vor329. Diese Regelungsmaterie der TV-Normenrichtlinie wird nach Art. 6 Abs. 1 Zugangsrichtlinie als deren
Anhang I Teil I in den neuen Rechtsrahmen integriert. Im Richtlinienpaket sind demnach
Programmveranstalter als mögliche Berechtigte auf Gewähr von Zugang grundsätzlich angesprochen. Sollen sie Zugang zu Conditional-Access-Systemen i.S.d. Art. 2 a) Zugangsrichtlinie a.E. beanspruchen können, können sie nicht durch Art. 1 Abs. 2 Satz 3 Zugangsrichtlinie
vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sein. Daraus folgt, dass das Tatbestandsmerkmal
„zur Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste“ in Art. 2 a) Zugangsrichtlinie nicht
zum Ausschluss von Rundfunkveranstaltern vom Zugangsbegriff führt.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Richtliniengesetzgeber eine kohärente Regelung schaffen wollte und sich die Pflichten der Diensteanbieter aus dem Anhang I Teil I der
Zugangsrichtlinie in das Richtlinienpaket einfügen. Die Aufnahme von Teilen der TVNormenrichtlinie spricht demnach dafür, dass auch der Zugang von Rundfunkveranstaltern
vom Zugangsbegriff erfasst ist.
326
Scherer/Schimanek, Diskriminierungsfreier Zugang, S. 36 ff.
327
Art. 1 Abs. 2 Satz 3 Zugangsrichtlinie: „Der Zugang für Endnutzer fällt nicht unter den Begriff ‚Zugang‘
im Sinne dieser Richtlinie.“
328
Art. 2 n) Rahmenrichtlinie: „‚Endnutzer‘: ein Nutzer, der keine öffentlichen Kommunikationsnetze oder
öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste bereitstellt“.
329
Dazu Erwägungsgrund Nr. 14 der TV-Normenrichtlinie: „Für die Kunden und Anbieter von "Pay-TV"Diensten sowie für die Inhaber der Urheberrechte von Sendungen ist die Frage der Zugangsberechtigung
wichtig.“
91
Gegen ein Zugangsbegehr der Programmveranstalter ließe sich aber die allgemeine Ausrichtung der Zugangsrichtlinie auf das Verhältnis zwischen Wettbewerbern anführen330. Danach
könnten nur im Wettbewerb stehende Anbieter von Transportkapazitäten331 untereineinander
Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 und Abs. 4 Zugangsrichtlinie geltend machen. Ein Ausschluss der
Programmveranstalter folgt aus der allgemeinen Ausrichtung jedoch noch nicht. Fraglich ist,
ob Programmveranstalter „Unternehmen“ i.S.d. Art. 2 a) Zugangsrichtlinie sein können. Im
Richtlinienpaket ist der Begriff des Unternehmens nicht definiert332. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4
Zugangsrichtlinie etwa, die Pflichten von [Netz-] „Betreibern“ zugunsten von „Unternehmen“
vorsehen, zeigen jedoch, dass zwischen Netzbetreibern und Unternehmen zu unterscheiden
ist, und zwischen ihnen nicht zwingend Wettbewerb herrschen muss. Programmveranstalter
können demnach „Unternehmen“ i.S.d. Art. 2 a) Zugangsrichtlinie sein.
Für eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs des Zugangsbegriffs könnte schließlich
angeführt werden, dass die Verpflichtung von Netzbetreibern zur Übertragung bestimmter
Inhalte an anderer Stelle des Richtlinienpakets explizit geregelt ist: Nach Art. 31 Abs. 1 Universaldienstrichtlinie können die Mitgliedstaaten den Unternehmen, die für die öffentliche
Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkdiensten genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreiben, Übertragungspflichten auferlegen. Der Richtliniengesetzgeber hat das
Problem der Verpflichtung von Netzbetreibern zugunsten von Programmveranstaltern also
gesehen, ausdrücklich aber nur in der Universaldienstrichtlinie geregelt. Jedoch sind Übertragungspflichten mit der Gewähr von Zugang nicht identisch, zumal sich Art. 31 Abs. 1 Universaldienstrichtlinie nur auf die „Übertragung bestimmter Hör- und Fernsehrundfunkkanäle“
bezieht. Darüber hinaus sieht Art. 5 Zugangsrichtlinie Maßnahmen der Regulierungsbehörden
vor, während Art. 31 Universaldienstrichtlinie lediglich den Mitgliedstaaten gestattet, Übertragungspflichten aufzuerlegen. Darüber hinaus kann das Nebeneinander der Regelung von
Zugangsverpflichtungen und Übertragungspflichten durch die allgemeine Abgrenzung der
Anwendungsbereiche der Zugangs- und Universaldienstrichtlinie erklärt werden. Während
die Zugangsrichtlinie Vorleistungsmärkte betrifft333, regelt die Universaldienstrichtlinie Endkundenmärkte334. Aus Art. 31 Abs. 1 Universaldienstrichtlinie folgt demnach nicht, dass Programmveranstalter von jedem anderweitigen Zugangsbegriff ausgeschlossen sind.
Die Frage, ob Programmveranstalter Rechte auf Zugang zu einem bestimmten Verbreitungsweg aus Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 und Abs. 4 Zugangsrichtlinie herleiten können, wird
demnach vom Richtlinienpaket nicht ausdrücklich beantwortet. Insbesondere die bisherige
Regelung in Art. 4 c) TV-Normenrichtlinie und ihre Übernahme in Anhang I Teil I der Zugangsrichtlinie führt jedoch zur Bejahung dieser Frage. Dies gilt auch gerade im Hinblick auf
die Neutralität des Richtlinienpakets bezüglich der transportierten Inhalte, auf die es bei der
Regulierung der Transportwege nicht ankommen soll.
Weiter ist zu prüfen, ob die Gewähr von Zugang zu einem Transportweg zugunsten eines
Programmveranstalters Ziel nationaler Regulierung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 Zugangsrichtlinie sein kann. Die Vorschrift verweist insoweit auf Art. 8 Rahmenrichtlinie.
330
Siehe etwa Erwägunsggrund Nr. 1 der Zugangsrichtlinie: „... Diese Richtlinie betrifft Zugangs- und Zusammenschaltungsvereinbarungen zwischen Diensteanbietern. ...“
331
Etwa verschiedene Kabelnetzbetreiber.
332
Zum Begriff des Betreibers Art. 2 c) Zugangsrichtlinie.
333
S. etwa Erwägungsgrund Nr. 6 der Zugangsrichtlinie.
334
S. etwa Erwägungsgrund Nr. 4 ff. der Universaldienstrichtlinie.
92
Ein Zugangsanspruch zugunsten eines Programmveranstalters für einen bestimmten Verbreitungsweg ist den sich aus Art. 8 Rahmenrichtlinie, Art. 5 Zugangsrichtlinie ergebenden Zielen
dienlich. Der nationale Gesetzgeber ist demnach nicht gehindert, Programmveranstaltern einen Zugangsanspruch für einen bestimmten Verbreitungsweg zu gewähren. Art. 8 Rahmenrichtlinie legt in seinem Abs. 1 Unterabsatz 1 lediglich den Rahmen für die Regulierungsmaßnahmen fest:
Art. 8 Abs. 1 Unterabsatz 1 Rahmenrichtlinie:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten regulatorischen Aufgaben
alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Absätzen 2, 3 und 4 vorgegebenen Zielen
dienen. Die Maßnahmen müssen in angemessenem Verhältnis zu diesen Zielen stehen.“
Die nationalen Regulierungsbehörden haben nach Art. 8 Abs. 2 Rahmenrichtlinie auch die
Aufgabe, den Wettbewerb bei der Bereitstellung zugehöriger Einrichtungen zu fördern. Zugehörige Einrichtungen sind nach Art. 2 e) Rahmenrichtlinie solche, die die Bereitstellung von
Diensten ermöglichen oder unterstützen. In Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Teil I bzw. in Art. 5
Abs. 1 b) i.V.m. Anhang I Teil II Zugangsrichtlinie werden die nationalen Regulierungsbehörden dazu ermächtigt, den Betreibern von Zugangsberechtigungsdiensten bzw. zugehörigen
Diensten Zugangsverpflichtungen aufzuerlegen, um einen Zugang zu fairen, ausgewogenen
und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu ermöglichen. Unter die „zugehörigen Dienste“
fallen insbesondere elektronische Programmführer (EPG) und Anwendungsprogrammschnittstellen (API)335. Durch Art. 6 Abs. 1 und Anhang I Teil I der Zugangsrichtlinie werden so Regelungen der aufzuhebenden TV-Normenrichtlinie in das neue Richtlinienpaket übernommen.
Daher besteht für diesen Bereich auch kein Umsetzungsbedarf in deutsches Recht. Entsprechende Regelungen finden sich in § 53 RStV i.V.m. der Satzung über die Zugangsfreiheit zu
digitalen Diensten336. Weder Art. 5f. Zugangsrichtlinie noch deutsches Recht setzen das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht voraus.
Ein Vergleich der Regelungen des Richtlinienpakets zeigt, dass der Begriff des Telekommunikationsnetzes in § 3 Nr. 21 TKG im deutschen Recht enger ist. Dazu gehören nur die technischen Einrichtungen, die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Netzbetriebs unerlässlich sind, zum Beispiel die Übertragungswege und Vermittlungseinrichtungen337. Der
„Übertragungsweg“ in § 3 Nr. 22 TKG ist bereits technologieneutral gefasst, die zugehörigen
Einrichtungen beschränken sich allerdings auf übertragungstechnische Einrichtungen, EPG
und API werden hiervon nicht erfasst. Auch der Begriff des Telekommunikationsdienstes in
§ 3 Nr. 18 TKG ist enger, da er auf technische Aspekte beschränkt bleibt338. Der Begriff des
Zugangs in Art. 2 a) Zugangsrichtlinie ist weit gefasst, und geht über den des § 3 Nr. 9 TKG
hinaus339. Hier sind definitorische Anpassungen an die neuen Begriffe erforderlich. Einer ei-
335
S. Anhang I Teil II Zugangsrichtlinie.
336
Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten gemäß § 53 Abs. 7 RStV in der von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) am 26.6.2000 beschlossenen Fassung, dazu Kibele, MMR
2002, 370. Zur Regelung des § 53 RStV siehe bereits oben in diesem Abschnitt.
337
Beck‘scher TKG-Kommentar-Piepenbrock, Glossar S. 1139 ff.
338
Dies folgt aus dem Begriff der Telekommunikation in § 3 Nr. 16 TKG, der nur den technischen Vorgang
des Aussendens, Übertragens und Empfangens von Nachrichten umfasst; Scherer, K&R 2002, 273, 277.
339
Wortlaut § 3 Nr. 9 TKG: „Im Sinne dieses Gesetzes ... ist ‚Netzzugang’ die physische und logische Verbindung von Endeinrichtungen oder sonstigen Einrichtungen mit einem Telekommunikationsnetz oder Teilen
desselben sowie die physische und logische Verbindung eines Telekommunikationsnetzes mit einem ande-
93
genen Umsetzung in deutsches Recht bedarf die Regulierungsbefugnis nach Art. 5 Zugangsrichtlinie340.
Die Kommission erhält nach Art. 17 Abs. 1 Rahmenrichtlinie die Befugnis, Normen und Spezifikationen als Grundlage für die Förderung der einheitlichen Bereitstellung elektronischer
Kommunikationsnetze und -dienste und zugehöriger Einrichtungen zu setzen. Diese kann sie
nach Art. 17 Abs. 3 und 4 Rahmenrichtlinie sogar verbindlich vorschreiben. Dies gilt auch für
offene API. Nach Art. 18 Abs. 1 Rahmenrichtlinie sind die Mitgliedstaaten gehalten, für die
Verwendung offener API durch die Anbieter digitaler interaktiver Fernsehdienste und erweiteter digitaler Fernsehgeräte zu sorgen. Ist Interoperabilität und Wahlfreiheit innerhalb eines
Jahres nach Inkrafttreten der Richtlinie nicht gewährleistet, wird die Kommission nach Art.
18 Abs. 3 Rahmenrichtlinie ermächtigt, Normen verbindlich vorzuschreiben. Derzeit erfüllt
nur der MHP-Standard die Anforderungen341.
Must-Carry-Vorschriften für die Satellitenverbreitung finden sich im deutschen Recht in §
51 RStV. Wie bereits ausgeführt wurde342, ist § 51 RStV jedoch nur auf die Zuordnung von
Kanälen für deutsche Satelliten anwendbar, somit ist die praktische Bedeutung der Norm gering343. Von größerem Interesse ist daher die gemeinschaftsrechtliche Regelung. Die neue
Universaldienstrichtlinie enthält mit Art. 31 Universaldienstrichtlinie eine Bestimmung, die es
den Mitgliedstaaten erlaubt, den Netzbetreibern unter bestimmten Voraussetzungen Übertragungspflichten in Bezug auf Rundfunkdienste aufzuerlegen344. Solche Must-CarryVorschriften sollen auf nationaler Ebene aber nur erlaubt sein, wenn sie zur Erreichung klar
umrissener Ziele von allgemeinem Interesse345 erforderlich, verhältnismäßig und insbesondere
zumutbar sind346. Die Mitgliedstaaten sollen bestehende Übertragungsverpflichtungen künftig
ren Telekommunikationsnetz oder Teilen desselben zum Zwecke des Zugriffs auf Funktionen dieses Telekommunikationsnetzes oder auf die darüber erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen“.
340
Dies gilt auch für die Möglichkeit der Behörde nach Art. 5 Abs. 4 Zugangsrichtlinie, aus eigener Initiative
tätig werden zu können, was sich nicht mit § 37 Abs. 2 Satz 1 TKG deckt. S. auch
Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, 139, 145f.
341
Zu Art. 18 Abs. 3 Rahmenrichtlinie siehe Erwägungsgrund Nr. 31 der Rahmenrichtlinie.
342
S. Kap. 3.3.2.2.1.
343
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 2.
344
S. dazu Bonin, K&R 2002, 565, 570; Open Network Provision Committee Working document, The 2003
regulatory framework for electronic communications – Implications for broadcasting, vom 14.6.2002,
abrufbar
unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/miscdocs/documents/onpcom
02_14rev1_14062002.pdf, abgerufen am 26.11.2002, S. 10 ff.
345
Aus der Begründung zum Richtlinienentwurf wird teilweise gefolgert, Art. 31 Universaldienstrichtlinie
ermögliche nur Übertragungspflichten zugunsten von Sendungen, die den öffentlichen Rundfunkauftrag erfüllen, Scherer, K&R 2002, 385, 394, unter Verweis u.a. auf den Vorschlag der Kommission für eine
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, KOM(2000)392 vom 12.7.2000, in dem es heißt: „doch
beschränkt der Artikel diese Verpflichtung auf bestimmte Sendungen, mit denen ein öffentlicher Rundfunkauftrag erfüllt wird.“ Dieser Auffassung ist zumindest insoweit zu folgen, als Übertragungspflichten
zugunsten öffentlich-rechtlicher Veranstalter möglich sind. Warum dies privaten Veranstaltern, ggf. mit
service-public-Verpflichtungen, verwehrt werden soll, ist jedoch im Hinblick auf das Ziel eines vielfältigen
Angebots nicht ersichtlich.
346
Eine Analyse der europäischen Must-Carry-Vorschriften im Lichte des neuen Richtlinienpakets findet sich
in Eurostrategies, „Study on the assessment of the Member States measures aimed at fulfilling certain general interest objectives linked to broadcasting, imposed on providers of electronic communications networks and services, in the context of the new regulatory framework“, im Auftrag der Europäischen Kom-
94
regelmäßig auf diese Anforderungen hin überprüfen. In Art. 31 Abs. 2 Universaldienstrichtlinie ist die Möglichkeit der Festlegung eines Entgeltes für die betroffenen Netzbetreiber vorgesehen; ob hiervon Gebrauch gemacht wird, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Art. 31
der Universaldienstrichtlinie betrifft nur Netzbetreiber, nicht Plattformbetreiber347.
3.3.4.1.3 Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Gemeinschaftsrecht verbietet, einzelne Unternehmen auf dem Markt für Kommunikationsdienstleistungen zu bevorzugen. Es existieren
bereits Vorschriften, die das Recht auf chancengleichen Zugang aufstellen; dieses besteht
jedoch nicht gegenüber Anbietern von Übertragungskapazitäten, sondern betrifft Dekoder,
Navigatoren und die Bündelung und Vermarktung von Programmen. Das neue Richtlinienpaket verpflichtet die Mitgliedstaaten, das freie Aushandeln von Zugangsvereinbarungen zwischen Unternehmen zu gewährleisten348, sieht jedoch auch die Möglichkeit vor, den Betreibern von Netzen oder Zugangsberechtigungsdiensten Zugangsverpflichtungen aufzuerlegen349.
Dies gilt auch für „zugehörige Dienste“ wie EPG, API350. Der einzige API-Standard, der die
Anforderungen des Art. 18 Abs. 1 Rahmenrichtlinie erfüllt, ist derzeit MHP. Der nationale
Gesetzgeber ist nicht gehindert, Programmveranstaltern einen Zugangsanspruch für einen
bestimmten Verbreitungsweg zu gewähren.
Begehrt ein Programmveranstalter oder Plattformanbieter Zugang zum ASTRA- oder Eutelsat-Satellitensystem, kann er sich auf Art. 4 Abs. 1 Zugangsrichtlinie berufen, der die Betreiber verpflichtet, anderen Unternehmen Zugang zu Bedingungen zu gewähren, die den Vorgaben der nationalen Regulierungsbehörden nach den Art. 5 ff. Zugangsrichtlinie entsprechen351.
Wird dem Programmveranstalter oder Plattformanbieter der Zugang entgegen diesen Vorgaben verweigert, können die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 5 Abs. 1 Unterab
satz 2 Zugangsrichtlinie einem Betreiber Verpflichtungen auferlegen, und zwar unabhängig
davon, ob der Betreiber ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht ist. Die Programmveranstalter können sich gegenüber der Regulierungsbehörde auf Art. 5 Abs. 1 Zugangsrichtlinie berufen. Diese sind verpflichtet, die ihnen in die Hand gegebenen Instrumente zu nutzen,
um den Zugang des Programmveranstalters zu den Verbreitungswegen sicherzustellen.
Daneben sollen die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 5 Abs. 4 Zugangsrichtlinie
ermächtigt werden, Maßnahmen „in Bezug auf Zugang“ zu ergreifen, „in begründeten Fällen
aus eigener Initiative oder ... auf Ersuchen einer [Partei]“, ebenso unabhängig vom Vorliegen
beträchtlicher Marktmacht. Die Maßnahmen unterliegen jedoch dem Konsultationsverfahren
nach Art. 6 Rahmenrichtlinie und dem Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Rahmenrichtli-
mission,
März
2003,
abrufbar
unter
http://www.europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/documents/finrep_18_mar
ch_2003.pdf, abgerufen am 27.3.2003, S. 34 ff., 74 ff., 106 ff.
347
Erwägungsgrund Nr. 45 Universaldienstrichtlinie: „Dienste, die die Bereitstellung von Inhalten wie das
Angebot des Verkaufs eines Bündels von Hörfunk- oder Fernsehinhalten umfassen, fallen nicht unter den
gemeinsamen Rechtsrahmen .... Die Anbieter dieser Dienste sollten in Bezug auf diese Tätigkeiten keiner
Universaldienstverpflichtung unterliegen. Mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende einzelstaatliche
Maßnahmen in Bezug auf diese Dienste bleiben von dieser Richtlinie unberührt.“
348
Art. 3 Abs. 1 Zugangsrichtlinie, Erwägungsgrund Nr. 5 Zugangsrichtlinie.
349
Art. 4 ff. Zugangsrichtlinie.
350
S. Anhang I Teil 2 der Zugangsrichtlinie.
351
Zu Maßnahmen nach Art. 8 ff. Zugangsrichtlinie siehe unten 3.3.4.2.1.
95
nie, wodurch die Kommission eingebunden wird352. Auch durch ein solches – umständliches –
Verfahren könnte also ein Programmveranstalter oder Plattformanbieter Zugang zum
ASTRA- oder Eutelsat-Satellitensystem erlangen.
3.3.4.2
Wettbewerbsrechtliche Regelungen
Neben sektorspezifischen Regelungen ist das allgemeine Wettbewerbsrecht für den Zugang
von Programmveranstaltern zur Verbreitung über Satellit von Interesse. Aufgrund der großen
Bedeutung des französischen Eutelsat- und des luxemburgischen ASTRA-Systems ist zunächst auf das Gemeinschaftsrecht einzugehen353. Für (deutsche) Plattformanbieter kann das
deutsche Recht von Interesse sein.
3.3.4.2.1 Europäische Wettbewerbsregeln
Das Gemeinschaftsrecht verbietet in Art. 81 EGV wettbewerbsbeschränkende Absprachen, in
Art. 82 EGV den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Die Art. 81f. EGV gelten
für Unternehmen, der EuGH fordert jedoch von den Mitgliedstaaten, keine Maßnahmen zu
ergreifen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der Art. 81f. EGV beeinträchtigen354. Die Vorschriften kennen keine Anspruchsberechtigten, Schutzobjekt ist der Gemeinsame Markt355. Art. 81 Abs. 1 EGV ist unmittelbar anwendbar. Die Vorschrift ist dementsprechend in den Mitgliedstaaten geltendes Recht. Sie geht widersprechenden nationalen Gesetzen vor356.
Art. 81 Abs. 1 EGV:
„Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen
Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und
eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken [...].“
Art. 82 EGV:
„Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. [...]“
Zuständig für die Anwendung der Art. 81f. EGV in Kartellsachen sind hauptsächlich die
Kommission und die nationalen Gerichte357. Das Verfahren, nach dem die Kommission die
Art. 81f. EGV im Einzelfall anwendet und durchsetzt, ist in der Ersten Durchführungsverordnung zu Art. 81f. EGV geregelt. Nach Art. 85 Abs. 1 Satz 3 EGV kann die Kommission ge352
Die nationale Regulierungsbehörde kann einstweilige Maßnahmen nach Art. 7 Abs. 6 Rahmenrichtlinie
erlassen.
353
Zum luxemburgischen und französischen Recht s. Kap. 3.3.2.2.2 und 3.3.2.2.3.
354
EuGH, Rs. 13/77, Slg. 1977, 2115 – INNO/ATAB, ständige Rechtsprechung; Lenz-Grill, Vorbem. Art. 81,
Rn. 38.
355
EuGH, Rs. 127/73, Slg. 1974, 51 – BRT/SABAM.
356
EuGH, Rs. 127/73, Slg. 1974, 51 – BRT/SABAM.
357
Lenz-Grill, Art. 83, Rn. 3. Nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6.2.1962, ABl.
1962/204, zuletzt geändert durch Beschluss des Rates vom 1.1.1995, ABl. 1995 L 1/1 vom 1.1.1995 (Erste
Durchführungsverordnung zu Art. 81f. EGV) sind die nationalen Kartellbehörden für die Anwendung der
Art. 81f. EGV zuständig, solange die Kommission kein Verfahren eingeleitet hat.
96
eignete Mittel vorschlagen, nach mangender Abhilfe gemäß Art. 85 Abs. 2 EGV die Zuwiderhandlung feststellen und die Mitgliedstaaten zu Handlungen ermächtigen.
In ihrer bisherigen Spruchpraxis geht die Kommission für die verschiedenen Übertragungswege Terrestrik, Kabel und Satellit von sachlich getrennten Märkten aus358. Eine Änderung
dieser Praxis könnte sich durch das neue Richtlinien-Paket ergeben. Die Leitlinien der Kommission, die diese aufgrund von Art. 15 Abs. 2 Rahmenrichtlinie erließ, führen auf, dass die
Kabel- und Satellitenübertragungswege, wenn sie für denselben Zweck verwendet werden (im
dort gegebenen Beispiel Zugang zu Internetdiensten), zum gleichen Markt gehören können359.
Die Leitlinien verweisen dabei auf den Prozess der Digitalisierung, der eine steigende Ähnlichkeit von Leistungsfähigkeiten und Netzdienstmerkmalen auf der Angebotsseite zur Folge
habe360. In ihrer Empfehlung nach Art. 15 Abs. 1 Rahmenrichtlinie über relevante Produktund Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors stellt die Kommission die
Festlegung eines (einheitlichen) Markts der „Rundfunkübertragungsdienste und -verteilnetze
zur Bereitstellung von Rundfunkinhalten für Endnutzer“ zwar in den Raum361. Jedoch führt
die Kommission in ihrem erläuternden Bericht aus, dass die Empfehlung keinen Markt für
Endkunden festlegt. Die Beschreibung von Endkundenmärkten diene vielmehr lediglich der
Ableitung und Feststellung von Großkundenmärkten für Übertragungsdienste362. Darüber hin358
Entscheidung der Kommission (96/177/EG) vom 19.7.1995, ABl. L 53/20 vom 2.3.1996 – Nordic Satellite
Distribution, Nr. 55 ff.: „Die Verteilung von Fernsehsignalen über Satellit (Transponder) unterscheidet sich
vom Markt der Verteilung von Fernsehprogrammen über terrestrische Verbindungen, da diese beiden Arten
der Programmverteilung sowohl technisch als auch finanziell starke Unterschiede aufweisen.” Entscheidung der Kommission (1999/154/EG) vom 27.5.1998, ABl. L 53/31 vom 27.2.1999 – Deutsche Telekom/BetaResearch, Nr. 19 ff.; Entscheidung der Kommission (94/922/EG) vom 9.11.1994, ABl. L 364/1
vom 31.12.1994 – MSG-Media Service, Nr. 39 ff.; s. auch Entscheidung der Kommission (1999/781/EG)
vom 15.9.1999, ABl. L 312/1 vom 6.12.1999 – British Interactive Broadcasting/Open, Nr. 34 ff. zur
Marktabgrenzung u.a. nach Fernsprech-, Kabelfernseh-, drahtlosen Netzen im Bereich von Telekommunikationsdiensten; s. auch die Entscheidung des Bundeskartellamts (B 7 - 168/01) vom 22.2.2002 – Liberty,
Nr. 35 ff.
359
Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 11.7.2002 (2002/C
165/03), Nr. 45 ff.; Die Leitlinien sind offenbar auch motiviert durch die Schlussfolgerungen der SquireSanders-Studie im Auftrag der Kommission “Market definitions for regulatory obligations in communications markets” vom Mai 2002, S. 29. Dort wird ein Ansatz favorisiert, der zumindest in Bezug auf die
Situation zwischen Kabel und Satellit mit Blick auf deren annähernd ubiquitäre Verfügbarkeit für “pointto-multipoint”-Anwendungen von einer Substituierbarkeit und damit einem einheitlichen sachlichen Markt
ausgeht.
360
Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 11.7.2002 (2002/C
165/03), Nr. 47.
361
Empfehlung der Kommission über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen
gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (Anhang, Ziffer 18, für Großkundenmärkte), vom 11.2.2003 (C(2003)497), abrufbar
unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/documents/recomde.pdf, abgerufen am 19.3.2003. Gleichzeitig erkennt sie an, dass in Anbetracht der Nachfrage- und Angebotsmerkmale und der Ersatzmöglichkeiten eine zusätzliche Aufgliederung gerechtfertigt sein kann.
362
Erläuternder Bericht der Kommission zur Empfehlung über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen vom 11.2.2003 (C(2003)497), abrufbar unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/documents/explanmemode.pd
f, abgerufen am 19.3.2003, S. 36 ff.
97
aus ist in den Leitlinien anerkannt, dass unterschiedliche Verbrauchervorstellungen von Leistung und Endzweck die Aufteilung in getrennte Märkte rechtfertigen können363. Ob die
Rundfunkübertragungswege aus Zuschauersicht substituierbar sind, ist von den jeweiligen
inhaltlichen Angeboten und Kosten für den Zuschauer abhängig364. Die wirtschaftlichen Bedingungen sind europaweit uneinheitlich und Veränderungen unterworfen365, daher lässt sich
die Frage nicht allgemein beantworten.
Der räumlich relevante Markt ist geografisch abzugrenzen. Die Kommission verweist in ihren
Leitlinien für den Bereich der elektronischen Kommunikation unter anderem auf die Abgrenzung nach dem von einem Netz erfassten Gebiet366. Bei der Satellitenausstrahlung ist von einem europaweiten Ausstrahlungsbereich auszugehen. Damit kommt sowohl für das Angebot
von Satellitenkapazitäten als auch für Plattformen, die Kapazitäten kaufen oder mieten und
Inhalteanbietern oder Endkunden anbieten, räumlich ein europaweiter Markt in Betracht. Eine
weitere Aufteilung kommt jedoch in Frage, wenn der Nachfragemarkt von Veranstaltern oder
Zuschauern dies bedingt. Demnach kann nicht für alle Formen der Verbreitung von Rundfunk
über Satellit eine einheitliche Regel in Bezug auf die räumliche Marktabgrenzung aufgestellt
werden.
Daneben stellt sich die Frage, ob für weitere Merkmale (sog. „andere Einrichtungen“), wie
Conditional-Access-Systeme, EPG oder API, ein eigener Markt, also getrennt von dem der
Rundfunkverbreitung, angenommen werden kann367. Ein sachlich relevanter Markt liegt vor,
363
Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 11.7.2002 (2002/C
165/03), Nr. 45, als Beispiel für letzteren Fall nennen die Leitlinien den Austausch von Kurznachrichten
über Funkruf- und Sprachtelefondienste.
364
IRIS Spezial 2001, Fernsehen und Medienkonzentration, S. 70.
365
Zum europäischen Rundfunkmarkt s. Kap. 2.2.3.
366
Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 11.7.2002 (2002/C
165/03), Nr. 55 ff.
367
Die Empfehlung der Kommission über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über
einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste für eine Vorabregulierung
in
Betracht
kommen,
vom
11.2.2003
(C(2003)497),
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/documents/recomde.pdf, abgerufen am 19.3.2003, merkt an: “Die nationalen Regulierungsbehörden haben bei der Analyse des Marktes
für Zugangsberechtigungssysteme für digitale Fernseh- und Rundfunkdienste gemäß Artikel 6 Absatz 3 der
Zugangsrichtlinie Ermessensfreiheit. Nach Artikel 6 Absatz 3 der Zugangsrichtlinie können die Mitgliedstaaten ihren nationalen Regulierungsbehörden gestatten, den Markt für Zugangsberechtigungssysteme für
digitale Fernseh- und Rundfunkdienste unabhängig von der Art der Übertragung zu überprüfen.“ Im Erläuternden Bericht der Kommission zur Empfehlung über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste für
eine Vorabregulierung in Betracht kommen vom 11.2.2003 (C(2003)497), abrufbar unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/documents/
explanmemode.pdf, abgerufen am 19.3.2003, S. 38f., stellt die Kommission fest, dass die Empfehlung keinen (Großkunden-) Markt für zugehörige technische Rundfunkdienste festlegt. Die Marktabgrenzung hänge jedoch
von den tatsächlichen Substitutions- und Wechselmöglichkeiten ab. Der Bericht führt auf S. 39 aus: „Als
relevanter Markt für die von einem Mitgliedstaat beschlossene Vorab-Marktanalyse gilt daher der Großkundenmarkt für zugehörige technische Rundfunkdienste an allen relevanten Übergabeplattformen, sofern
nicht spezifische nationale Gegebenheiten, d.h. Wechselkosten und verfügbare Übergabeplattformen, eine
engere Marktdefinition rechtfertigen.“ Für die Annahme eines eigenen Marktes spricht sich die SquireSanders-Studie im Auftrag der Kommission “Market definitions for regulatory obligations in communications
98
wenn die einzelnen Leistungen austauschbar sind. Bestehen ausschließlich proprietäre Systeme, liegt kein eigener Markt für die einzelnen Leistungen, sondern für die Systeme vor. Insofern ist das Vorliegen von interoperabler Technik von Bedeutung368. Bestehen nicht ausschließlich proprietäre Systeme, ist davon auszugehen, dass Unternehmen, die über keine beträchtliche Marktmacht verfügen, Conditional-Access-Systeme, EPG und API offen und
nichtdiskriminierend ausgestalten wollen. Kommt es jedoch zu einer vertikalen Integration
technischer Dienstleistungen, kann sich die Interessenlage eines Marktteilnehmers entgegengesetzt darstellen. Aus diesem Grund sollte für Conditional-Access-Systeme, EPG oder API
ein eigener Markt angenommen werden.
Die vertikale Integration von Transport- und Inhalteanbietern wiederum bleibt zwar aufgrund
der im Richtlinienpaket verfolgten Trennung von Transportweg und Inhalten zunächst außer
Betracht. In Erwägungsgrund 5 der Rahmenrichtlinie wird jedoch gefordert, bestehende Verbindungen zu berücksichtigen, insbesondere um Einschränkungen des Pluralismus, der kulturellen Vielfalt und des Verbraucherschutzes zu vermeiden. Unter Hinweis auf Erwägungsgrund 5 der Rahmenrichtlinie kann der Aspekt der vertikalen Verflechtung von Transportund Inhalteanbietern in die Marktdefinition einfließen. Im Ergebnis ist die Annahme eines
eigenen Markts für weitere Merkmale wie Conditional-Access-Systeme, EPG oder API zu
befürworten369.
Hat die Kommission die marktbeherrschende Stellung auf einem Markt festgestellt, prüft sie
die Frage, ob diese durch die Verringerung oder Beschränkung des Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung missbräuchlich ausgenutzt wird370. Im Rahmen der Vorschrift kann die aus
dem US-Recht stammende Essential Facilities Doctrine zur Feststellung und Begründung
eines Verstoßes gegen das Missbrauchsverbot herangezogen werden371. Die Essential Facilities Doctrine stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit dar. Diese Doktrin
verpflichtet Unternehmen, die eine wesentliche, das heißt für das Fortbestehen von Wettbewerbern auf dem relevanten Markt notwendige, Einrichtung kontrollieren, diesen Zugang zu
angemessenen Bedingungen zu gewähren. Voraussetzung ist, dass die Möglichkeit besteht,
einen Zugang einzuräumen, die Einrichtung nicht substituiert werden kann und keine sachlichen Gründe die Verweigerung rechtfertigen.
markets” vom Mai 2002 aus, S. 29f. Zu den Fragen, ob die Regulierung von CAS-Anbietern an die Voraussetzung beträchtlicher Marktmacht geknüpft werden soll und ob sie auch auf API und EPG auszudehnen
ist, nimmt die Ovum-Studie “Study on the Development of Competition for Electronic Communications
Access Networks and Services, A report to the European Commission, Information Society Directorate, on
the Regulation of Conditional Access Systems and Related Facilities”, Februar 2001, Stellung.
368
So die SquireSanders-Studie im Auftrag der Kommission “Market definitions for regulatory obligations in
communications markets” vom Mai 2002, S. 29f. Zur Frage der erforderlichen Regelungen in Bezug auf
die Interoperabilität siehe die Oxera-Studie im Auftrag der Kommission „Study on interoperability, service
diversity and business models in digital broadcasting markets“ vom Februar 2003, abrufbar unter
http://www.europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/documents/oxera_final_re
port_volume_1_report1.pdf, abgerufen am 12.3.2003.
369
In diesem Zusammenhang sei nochmals auf Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b der Zugangsrichtlinie hingewiesen,
der Maßnahmen betreffend API und EPG unabhängig vom Vorliegen beträchtlicher Marktmacht ermöglicht.
370
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 29.
371
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 29.
99
Im Gemeinschaftsrecht fand diese Doktrin in Entscheidungen der Kommission zu Art. 82
EGV vor allem im Verkehrsbereich (sog. Hafenfälle372) Anwendung. Die Kommission wendet
die Doktrin mit Modifikationen an, da sie sich, anders als im US-Recht, nur gegen die Ausnutzung einer bereits erlangten Machtstellung, nicht aber gegen den Erwerb und die Verteidigung dieser Macht durch unangemessene Mittel wendet. Wesentlich ist eine Einrichtung nach
Auffassung der Kommission nicht schon dann, wenn die Zugangsverweigerung dazu führt,
dass die beabsichtigten Aktivitäten gar nicht durchgeführt werden können oder auf unvermeidbare Weise in hohem Maß unwirtschaftlich werden, sondern erst, wenn weder ein tatsächlicher noch ein potenzieller Ersatz vorhanden ist (Duplizierbarkeit der Einrichtung)373.
Der EuGH verfolgt eine restriktive Rechtsprechung zu Art. 82 EGV und hat bisher auf eine
ausdrückliche Erwähnung der Essential Facilities Doctrine verzichtet. Grundlegend ist die
Bronner-Entscheidung374. Antragstellerin des nationalen Ausgangsverfahrens war die Bronner
GmbH, die die österreichische Zeitung „Standard“ herstellte und vertrieb, Antragsgegnerin
die Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, die die „Kronenzeitung“ und den „Kurier“ verlegt. Im Rechtsstreit ging es darum, das Hauszustellungssystem der Mediaprint gegen angemessenes Entgelt zu nutzen, mit der Begründung, das System sei eine essential facility. Der Anspruch wurde vom EuGH abgelehnt. Der EuGH bewertete die Frage nach der Duplizierbarkeit der Einrichtung nach objektiven Kriterien: Nicht auf
den konkreten Nachfrager kommt es an, sondern darauf, ob es unrentabel wäre, die entsprechende Einrichtung mit derselben Kapazität zu duplizieren375. Die Verweigerung der Dienste
muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt durch denjenigen, der die Dienste
begehrt, auszuschalten. Weiterhin darf die Leistungsverweigerung nicht objektiv gerechtfertigt sein und letztens muss die Leistung unentbehrlich sein, das heißt, es darf keine zumutbare
Ersatzmöglichkeit bestehen376. Da Art. 82 EGV bereits bei einer objektiven Marktbeherrschung und Diskriminierung einschlägig ist, ist eine restriktive Auslegung geboten. Aus dem
amerikanischen Ausnahmefall darf im Europarecht kein Grundsatz werden, denn die Zugangsverweigerung wäre regelmäßig missbräuchlich. Der Anspruchsgegner wird letztendlich
verpflichtet, seine Infrastruktur der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen, er ist also zur Förderung seiner eigenen Konkurrenz zum Wohl eines übergeordneten Ziels, des Wettbewerbs
im Binnenmarkt (Art. 3 g) EGV), verpflichtet. Der Netzbetreiber soll nicht grundsätzlich mittels der Essential Facilities Doctrine dazu gezwungen werden, gegen ihn gerichteten Wettbewerb zu subventionieren. Es soll vielmehr verhindert werden, dass Wettbewerber vom
Dienstleistungsmarkt vollständig ausgeschlossen werden.
Haben deutsche Programmveranstalter nach Art. 82 EGV Anspruch auf Zugang zu den luxemburgischen und französischen Satellitensystemen? Begehrt ein Programmveranstalter
oder Plattformanbieter Zugang zum ASTRA- oder Eutelsat-Satellitensystem, kann er wettbewerbsrechtlich377 einen Anspruch geltend machen, wenn es sich bei dem Betreiber um ein
372
Entscheidung der Kommission 94/119/EG vom 21.12.1993, ABl. 1994 L 55/52 vom 26.2.1994; Entscheidung der Kommission 94/19/EG vom 21.12.1993, ABl. 1994 L 15/8 vom 18.1.1994.
373
Entscheidung der Kommission 94/119/EG vom 21.12.1993, ABl. 1994 L 55/52 vom 26.2.1994, Nr. 7 ff.;
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 25 ff.; Beck‘scher TKG-Kommentar-Piepenbrock, § 33 Rn. 19 ff.
374
EuGH, C- 7/97, Slg. 1998, I-7791 – Bronner.
375
Koenig/Loetz, EWS 9/2000, S. 377.
376
EuGH, C- 7/97, Slg. 1998, I-7791 – Bronner
377
Nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6.2.1962, ABl. 1962/204, zuletzt geändert durch
Beschluss des Rates vom 1.1.1995, ABl. 1995 L 1/1 vom 1.1.1995 (Erste Durchführungsverordnung zu
Art. 81f. EGV) sind die nationalen Kartellbehörden für die Anwendung der Art. 81f. EGV zuständig, so-
100
marktbeherrschendes Unternehmen handelt, und der Zugang unter Missbrauch der beherrschenden Stellung verweigert wird. Zunächst ist die Marktdefinition vorzunehmen. Entsprechend der bisherigen Spruchpraxis der Europäischen Kommission stellt die Rundfunkverbreitung über Satellit einen eigenen sachlich relevanten Markt dar. Der räumlich relevante
Markt ist bei der Satellitenverbreitung zunächst nur durch den Ausleuchtbereich begrenzt.
Eine weitere Aufteilung kommt in Frage, wenn der Nachfragemarkt von Veranstaltern oder
Zuschauern dies bedingt. Für den Satellitendirektempfang ist die in Deutschland übliche Antennenausrichtung der Zuschauer zu betrachten. Die Antennen im deutschsprachigen Raum
sind zum überwiegenden Teil auf ein einziges System, nämlich ASTRA, ausgerichtet378. Damit kann hier ein enger räumlich relevanter Markt angenommen werden. Auf dem Markt
„Satellitenrundfunkverbreitung für den deutschsprachigen Raum“ hätte ASTRA demzufolge
eine beherrschende Stellung.
Weiter ist zu prüfen, ob diese beherrschende Stellung durch Beschränkung des Zugangs zu
einer wesentlichen Einrichtung missbräuchlich ausgenutzt wird. Die Kommission nimmt eine
wesentliche Einrichtung nicht schon an, wenn die Zugangsverweigerung dazu führt, dass die
beabsichtigten Aktivitäten gar nicht oder in hohem Maß unwirtschaftlich durchgeführt werden
können, sondern erst, wenn weder ein tatsächlicher noch ein potenzieller Ersatz vorhanden ist.
Der EuGH fordert, die Verweigerung der Dienste müsse geeignet sein, jeglichen Wettbewerb
auf dem Markt durch denjenigen, der die Dienste begehrt, auszuschalten. Die Leistung von
Satellitenbetreibern ist zwar nur unter erheblichem finanziellen Aufwand aufzubauen, denn es
müsste ein Satellitensystem platziert werden. Unmöglich machen dies solche Umstände jedoch nicht. Allerdings ist hierbei zweierlei zu bedenken: Die Vorstellung, (einzelne) Rundfunkveranstalter würden selber unter enormem finanziellen und technischen Aufwand, der
quantitativ und damit wahrscheinlich auch qualitativ nicht mit einem „Verbreitungssystem“,
wie es in der Bronner-Entscheidung des EuGH mit einem Printmediendistributions-Verfahren
in Rede stand, vergleichbar sein dürfte, in den Markt des Satellitennetzbetriebs einsteigen,
erscheint wenig wahrscheinlich. Hierbei sähen sie sich zudem dem Problem ausgesetzt, dass
eine neue und damit andere Orbitalposition erforderlich würde. Dies würde auf Empfängerseite die Neuausrichtung der Empfangsanlage erforderlich machen. Hinzu käme erheblicher
Marketingaufwand, um einen dementsprechenden Wechsel zu befördern. Außerdem müsste
es sich bei dem über eine solche neue Position zu empfangenden Angebot insgesamt, das
heißt über die konkreten Inhaltedienste der Veranstalter hinaus, um eine aus Empfängersicht
so interessante Alternative handeln, dass auch für die auf größtmögliche Reichweite angewiesenen Veranstalter ein entsprechender Ansatz vorhanden wäre. Demnach kann ein Anspruch
der Programmveranstalter oder Plattformanbieter auf Zugang zum ASTRA-Satellitensystem
wettbewerbsrechtlich in Betracht kommen.
Auch das Verschlüsselungsverlangen eines Rechteinhabers gegenüber einem Programmveranstalter kann missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen sein, wenn der Rechteinhaber auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung inne hat und das Verlangen als Missbrauch zu werten ist. Werden Rechte für herausragende Inhalte wie z.B. Sportübertragungsrechte379 gehandelt, die aus Zuschauersicht nicht
lange die Kommission kein Verfahren eingeleitet hat. Im Fall von ASTRA und Eutelsat wären dies die luxemburgischen bzw. französischen Behörden. Beachte jedoch die vom Rat Ende November angenommene
Verordnung
zur
Reform
des
Kartellrechts,
http://europa.eu.int/rapid/start/cgi/guesten.ksh?p_action.gettxt=gt&doc=IP/02/1739|0|RAPID&lg=DE&disp
lay=, abgerufen am 29.11.2002.
378
S. Kap. 2.2.1.2.
379
Zur Rechtsnatur von Sportübertragungsrechten s. Kap. 3.3.5.1.1.
101
ersetzt werden können380, ist die Marktabgrenzung eng zu ziehen, zum Beispiel für die Fernsehübertragung von Fußball-Europapokal-Spielen381. Der Inhaber exklusiver Rechte ist auf
einem solchen Markt auch marktbeherrschend382. Ein Missbrauch kommt in Betracht, wenn
der Rechteinhaber seine Position ausnutzt, um sie ohne objektive Rechtfertigung auf einen
anderen Markt auszudehnen383. Dies wird zum Teil für die Verwertung der Senderechte für
die Fußball-WM 2002 angenommen384, indem zwar sachlich von einem europaweiten, räumlich jedoch von nationalen Märkten ausgegangen wird. Die Kirch Gruppe habe ihr Verschlüsselungsverlangen gegenüber deutschen Programmveranstaltern unter anderem eingesetzt, um
ihre Verkaufsposition auf ausländischen Märkten zu verbessern385. Darüber hinaus habe sie
ihre Stellung dadurch missbraucht, dass sie Kundenzuwächse des eigenen Senders auf dem
nicht identischen Markt des deutschen Pay-TV bezweckte386.
Für das europäische Wettbewerbsrecht werden im Sektor Telekommunikation die wettbewerbsrechtlichen Regelungen des neuen Richtlinienpakets387 besondere Bedeutung erlangen.
Um der technischen Konvergenz Rechnung zu tragen, erstreckt Art. 2 a) Rahmenrichtlinie
seinen Anwendungsbereich auf alle elektronischen Kommunikationsdienste und -netze388.
Deren Rechtsrahmen soll dadurch vereinheitlicht werden, dass die neue Rahmenregelung keine Rücksicht auf die technische Plattform nimmt. Daher sind vom Richtlinienpaket sämtliche
Kommunikationsnetze umfasst – auch satellitengestützte Übertragungswege für Rundfunk.
Verfügt ein Unternehmen im Telekommunikationsmarkt über eine beträchtliche Marktmacht,
sind nach den Wettbewerbsregeln des Richtlinienpakets vor allem die nationalen Regulierungsbehörden und die Kommission gefragt. Für die nationalen Regulierungsbehörden ist
eine solche beträchtliche Marktmacht (Significant Market Power, SMP)389 die zentrale Voraussetzung für die ihnen einzuräumenden wettbewerbsrechtlichen Befugnisse. Befugnisse, die
auch ohne diese Voraussetzung eingeräumt werden, dienen nicht nur wettbewerblichen, sondern auch kulturellen oder Zwecken der sprachlichen Vielfalt oder Meinungspluralität390. Den
Befugnissen der nationalen Regulierungsbehörden steht nach Art. 7 Abs. 2 und 3 Rahmen-
380
Wer das Endspiel der Fußball-WM sehen möchte, wird sich nicht z.B. auf ein anderes Sportereignis
vertrösten lassen.
381
So der BGH im Jahre 1997, BGHZ 137, 297. Das EuG legt sich in seiner aktuellen Entscheidung vom
8.10.2002, verb. Rs. T-185/00, T-216/00, T-299/00, T-300/00 – M6 u.a./Kommission, Nr. 51, weder auf einen sachlichen, noch auf einen geografisch relevanten Markt fest.
382
Konkurrierende Anbieter in einem so ereignisbezogenen Markt sind denkbar, wenn der (ursprüngliche)
Rechteinhaber die Rechte weiter aufteilt, z.B. nach Verbreitungswegen. In einem solchen Fall wären sie
sendeinhaltebezogen nicht mehr exklusiv, im Beispiel sehr wohl aber für die jeweiligen Verbreitungswege.
Die Beurteilung hat fallbezogen zu erfolgen.
383
EuGH, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261 – CBEM/CLT; Lenz-Grill, Art. 82, Rn. 43 m.w.N.
384
Der Sachverhalt ist ausführlich dargestellt in Kap. 3.3.5.2.
385
Mailänder, ZUM 2002, 706, 709 ff. Eine missbräuchliche Lieferverweigerung sieht Mailänder im Verschlüsselungsverlangen für die digitale Ausstrahlung dagegen nicht, da die analoge Ausstrahlung den Zugang zu den Zuschauern gewährleistete.
386
Mailänder, ZUM 2002, 706, 709 ff.
387
Zum Überblick über das neue Richtlinienpaket s. Kap. 3.3.1. Zur Marktabgrenzung Krüger, K&R Beilage
1/2003, 9 ff.
388
Schütz/Attendorn, Beilage MMR 4/2002, 5.
389
S. hierzu Scherer, K&R 2002, 273, 283.
390
Z.B. Art. 5 und 6 Zugangsrichtlinie, Art. 12 Abs. 2 Rahmenrichtlinie, Art. 29 ff. Universaldienstrichtlinie.
102
richtlinie ein „Gegengewicht“391 in Form der Koordination zwischen Regulierungsbehörden
untereinander und mit der Kommission gegenüber. Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 19
Abs. 1 Rahmenrichtlinie dafür Sorge zu tragen, dass ihre nationalen Regulierungsbehörden
Empfehlungen der Kommission über die Durchführung der Richtlinien „weitgehend“ Folge
leisten. Das besondere Gewicht der Kommission zeigt sich auch im Verfahren zur Bestimmung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht. Zunächst erlässt die Kommission Leitlinien
nach Art. 15 Abs. 2 Rahmenrichtlinie392. Nach Art. 16 Abs. 1 Rahmenrichtlinie legen die nationalen Regulierungsbehörden die relevanten Märkte nach Art. 15 Abs. 3 Rahmenrichtlinie
unter „weitestgehender“ Beachtung der Leitlinien fest und analysieren diese.
Ob ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, bestimmen die nationalen Regulierungsbehörden. Nach Art. 14 Abs. 2 Rahmenrichtlinie ist dies der Fall, wenn es allein
oder mit anderen Unternehmen eine der Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt,
das heißt, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Mitbewerbern, Kunden und Verbrauchern verhalten kann. Diese Beurteilung wird ex ante vorgenommen393.
Wird ein Unternehmen als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft, steht der nationalen Regulierungsbehörde nach den Vorgaben von Art. 8 Abs. 2 Zugangsrichtlinie kein
Entschließungs-, aber ein Auswahlermessen zu. Optionen zum Einschreiten bestehen zum
Beispiel in der Auferlegung von Gleichbehandlungsverpflichtungen nach Art. 10 Zugangsrichtlinie394, der Zugangspflicht zu Netzeinrichtungen nach Art. 12 Zugangsrichtlinie, der Entgeltkontrolle nach Art. 13 Zugangsrichtlinie und Art. 17 Universaldienstrichtlinie. Die
Gleichbehandlungsverpflichtungen des Art. 10 Zugangsrichtlinie gelten laut Erwägungsgrund
17 der Zugangsrichtlinie „insbesondere“ für vertikal integrierte Unternehmen. Art. 12 Zugangsrichtlinie zielt unmittelbar auf die Gewährung von Zugang. Danach können Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht dazu verpflichtet werden, Anträgen auf Nutzung von
Netzkomponenten oder zugehörigen Einrichtungen stattzugeben. Die nicht abschließende
Liste des Art. 12 Abs. 1 Zugangsrichtlinie nennt unter e) die Verpflichtung, offenen Zugang
zu technischen Schnittstellen oder „anderen Schlüsseltechnologien“ zu gewähren395. Die Ent-
391
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Ministerrat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Entwicklung neuer Rahmenbedingungen für elektronische Kommunikationsinfrastrukturen und zugehörige Dienste, Kommunikationsbericht 1999, KOM (1999)
539 endg., vom 10.11.1999, S. 59; s. auch Immenga, EuZW 2002, 673, der den verbleibenden Spielraum
der nationalen Regulierungsbehörden als tatsächlich in Recht und Rechtspraxis gemeinschaftsrechtlich geprägt ansieht.
392
Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 11.7.2002 (2002/C
165/03). Davon zu unterscheiden sind die Empfehlungen nach Art. 15 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie in Bezug auf relevante Produkt- und Dienstmärkte, Empfehlung über relevante Produkt- und Dienstmärkte des
elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –
dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen vom 11.2.2003 (C(2003)497). Ein Verzeichnis derjenigen Märkte, die aufgrund vorangegangener Analysen auf der Basis des bisherigen Telekommunikationsrechts definiert wurden und in die zu erstellende Empfehlung aufzunehmen sind, finden sich im Anhang
der Empfehlung.
393
Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste vom 11.7.2002 (2002/C
165/03), Nr. 70 ff.
394
Zur Auferlegung von Pflichten gegenüber Kabelnetzbetreibern s. Bonin, K&R 2002, 565, 569.
395
Zu den Regulierungsmaßnahmen gegenüber Unternehmen unabhängig vom Vorliegen beträchtlicher
Marktmacht s. Kap. 3.3.4.1.
103
scheidungen der nationalen Regulierungsbehörden unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rahmenrichtlinie festgeschrieben. Auf Art. 8 Rahmenrichtlinie wird in Art. 8 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 2 Zugangsrichtlinie verwiesen. Die in
Art. 12 Abs. 2 Zugangsrichtlinie genannten Kriterien decken sich teilweise mit Entscheidungen zur Essential Facilities Doctrine396.
3.3.4.2.2 Deutsche Wettbewerbsregeln
Im deutschen Recht kommt für die Frage nach dem Zugang eines Programmveranstalters zu
einem Verbreitungsweg zunächst die Anwendung des TKG in Betracht. Mit §§ 33 und 35
TKG stehen nicht allein Tatbestände für die Missbrauchsaufsicht, sondern auch Anspruchsnormen für Wettbewerber zur Verfügung. Dabei nimmt das TKG auf die Essential
Facilities Doctrine Bezug397.
Nach § 33 TKG hat ein Anbieter, der auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung gemäß § 19 GWB verfügt,
Wettbewerbern diskriminierungsfreien Zugang zu seinen intern genutzten und am Markt angebotenen Leistungen, soweit sie wesentlich sind, zu Bedingungen zu ermöglichen, die er
sich selbst bei der Nutzung einräumt, es sei denn sachliche Gründe rechtfertigen Beschränkungen. Folge der marktbeherrschenden Stellung ist also die Pflicht zum Gewähren von Zugang des Wettbewerbers zu wesentlichen Leistungen398.
§ 33 Abs. 1 TKG:
„Ein Anbieter der auf einem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung nach § 19 [GWB] verfügt, hat Wettbewerbern auf
diesem Markt diskriminierungsfrei den Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am
Markt angebotenen Leistungen, soweit sie wesentlich sind, zu den Bedingungen zu ermöglichen,
die er sich selbst bei der Nutzung dieser Leistungen für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen einräumt, es sei denn, daß die Einräumung ungünstigerer Bedingungen,
insbesondere die Auferlegung von Beschränkungen, sachlich gerechtfertigt ist. ...“
§ 35 TKG hingegen gebietet die Gewährung des Zugangs an einen Nutzer399. Der Anspruch
richtet sich auch hier gegen ein Unternehmen mit beherrschender Marktmacht.
§ 35 Abs. 1 Satz 1 TKG:
„Der Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für
die Öffentlichkeit anbietet und auf einem solchen Markt über eine marktbeherrschende Stellung
nach § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verfügt, hat anderen Nutzern Zugang
zu seinem Telekommunikationsnetz oder zu Teilen desselben zu ermöglichen. ...“
Die §§ 33, 35 TKG sind nur für Satelliten mit deutscher Staatszugehörigkeit relevant, da deutsches Recht nur auf solche Satelliten anwendbar ist. Gesteigerte Bedeutung im Bereich des
Satellitenmarkts könnte das Problem jedoch dadurch bekommen, dass sich Plattformen als
396
EuGH, C-241/91, Slg. 1995, I-743 – Magill; Entscheidung der Kommission 94/119/EG vom 21.12.1993,
ABl. L 55/52 vom 26.2.1994; Schütz/Attendorn, Beilage MMR 4/2002, 13f.
397
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 27.
398
Zur Bedeutung des TKG für den Zugang zu Kabelnetzen Gersdorf, Zugang zu Kabelnetzen, S. 304 ff.,
Libertus, K&R 1999, 259, 263f.; Zimmer/Büchner, CR 2001, 164, 167.
399
Nutzer i.S.d TKG sind „Nachfrager nach Telekommunikationsdienstleistungen“, § 3 Nr. 11 TKG.
104
Ebene zwischen den Inhabern von Übertragungskapazitäten und den Programmveranstaltern
bilden, die Kapazitäten ausländischer Satelliten nutzen und anbieten400.
Die Essential Facilities Doctrine arbeitet mit dem Begriff der Einrichtung (= facilities), der
auf den wesentlichen Anwendungsbereich hinweist, nämlich den der Infrastruktureinrichtungen401. Der Leistungsbegriff des § 33 TKG ist weiter gefasst, da nur von Leistungen gesprochen wird, zu denen Zugang zu gewähren ist. Durch diese weite Interpretation ist man in der
Lage, auf künftige Veränderungen zu reagieren und damit Engpässe einzubeziehen, deren
Bedeutung für die Marktöffnung heute noch nicht erkennbar ist402. Es fehlt zwar an einer allgemein akzeptierten Definition des Begriffs der Wesentlichkeit. Fest steht jedoch, dass über
den Begriff der Wesentlichkeit eine Begrenzung des Leistungsbegriffs des § 33 TKG erfolgt.
Die Zugangsverweigerung muss eine erhebliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit
des Konkurrenten zur Folge haben. Der Wettbewerber muss auf die Leistung angewiesen
sein, es dürfen ihm keine Alternativen offen stehen, als dritte Voraussetzung wird die fehlende Duplizierbarkeit der Leistung gesehen403. Wesentlich ist nach der deutschen Rechtssprechung eine Leistung, die für die Erbringung anderer Telekommunikationsdienstleistungen
unabdingbar, das heißt unverzichtbar, und deren Neuanschaffung für den Zugangswilligen
wegen des unangemessen hohen Aufwands – verglichen mit den Kosten der Mitbenutzung –
unzumutbar ist404.
Im Bereich der Satellitensysteme ist bereits das Vorliegen der ersten Voraussetzung fraglich.
Der Nachfragende von Übertragungskapazitäten müsste auf die Leistung des Plattformbetreibers angewiesen sein, um auf dem Markt überhaupt tätig sein zu können. Die Verweigerung
des Zugangs müsste geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auszuschalten405. Zugangsansprüche
an einen Plattformbetreiber könnten somit nur geltend gemacht werden, wenn er eine solche
Monopolstellung erreicht, dass die Verbreitung des Programms über Satellit nur unter der
Voraussetzung möglich ist, dass der Programmveranstalter eine eigene Plattform errichten
würde und dies von ihm unter keinen Umständen zu leisten ist. Da der Aufbau einer Plattform
einfacher zu realisieren ist als der Aufbau eines Satellitensystems, dürften für die Leistungen
eines Plattformanbieters, der Satellitenkapazitäten nutzt und anbietet, die Voraussetzungen
mit geringerer Wahrscheinlichkeit vorliegen als für Satellitenbetreiber.
Da auch § 35 TKG auf § 19 GWB verweist, der wiederum auf die Essential Facilities Doctrine Bezug nimmt, wird teilweise befürwortet, die Grundsätze auch auf § 35 TKG anzuwenden406.
Sind die §§ 33, 35 TKG auf Rundfunkveranstalter anwendbar? § 35 TKG regelt den Zugang
von Nutzern zu Netzen, § 33 TKG den Zugang von Wettbewerbern zu Dienstleistungen, die
400
Als aktuelles Anschauungsobjekt bietet sich die Plattform visAvision von Eutelsat an. Der Pay-TVAnbieter Premiere bietet nicht nur selbst veranstaltete Programme an, sondern dient kleineren Programmveranstaltern als Plattform (z.B. dem Jagd- und Fischerkanal Seasons, inzwischen eingestellt).
401
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 32.
402
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 32.
403
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 35 ff.; das OVG Münster, ZUM-RD 2002, 314, 318 führt aus: „Dafür,
dass das Merkmal der Wesentlichkeit im Sinne der amerikanisch-rechtlichen essential facilities doctrine zu
interpretieren sei, bieten die Gesetzesmaterialien des TKG keine Anhaltspunkte.“
404
OVG Münster, ZUM-RD 2002, 314; OVG Münster NVwZ 2000, 697.
405
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 36.
406
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33 Rn. 4, 14, 27, § 35, Rn. 1.
105
von einem marktbeherrschenden Unternehmen für die Öffentlichkeit angeboten werden. Wie
bereits erörtert, ist das TKG nur auf Satelliten mit deutscher Staatszugehörigkeit und auf
Plattformanbieter anwendbar, die in Deutschland niedergelassen sind, scheidet also für den
Zugang zu ausländischen Satelliten aus. Da § 33 TKG nur die Wettbewerber des marktbeherrschenden Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen schützt, können die Rundfunkveranstalter in der Regel keinen Anspruch auf Netzzugang gemäß 33 TKG geltend machen407.
Als Anspruchsinhaber kommt nur in Betracht, wer selbst Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet408. Selbst wenn die Rundfunkveranstalter eigene technische
Dienstleistungen/Telekommunikationsdienstleistungen409 erbringen, werden sie nur zu Wettbewerbern im Sinn der Vorschrift, wenn sie diese Dienstleistungen nicht nur zu eigenen
Zwecken erbringen, sondern diese auch anderen zur Verfügung stellen410.
Anders sieht es in Bezug auf § 35 TKG aus. Die Programmveranstalter sind Nutzer, die Telekommunikationsdienstleistungen nachfragen, und der (deutsche) Betreiber eines Satellitennetzes oder einer Plattform ist Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der diese Dienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet. Ein Telekommunikationsnetz ist nach § 3 Nr. 21
TKG die Gesamtheit der technischen Einrichtungen, die entweder der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen oder nichtgewerblichen Telekommunikationszwecken dienen. Da Satellitenfunkdienstleistungen nach § 3 Nr. 14 TKG Telekommunikationsdienstleistungen sind, erstreckt sich die Definition des § 3 Nr. 21 TKG auch auf den Übertragungsweg
für Satellitendienstleistungen, der von der Bodenstation, die die Verbindung zum Satelliten
herstellt, vom Satelliten und von der Empfangsstation gebildet wird411. Die satellitengestützte
Funkkommunikation fällt auch dann unter das TKG, wenn sie der Rundfunkverbreitung dient,
da der Inhalt der Telekommunikation für den Begriff des Telekommunikationsnetzes irrelevant ist412.
Gegen eine Anwendung des § 35 TKG auf Programmanbieter könnten jedoch die Richtlinien
90/387/EWG und 90/388/EWG sprechen, deren Umsetzung das TKG bezweckt. Diese schließen nämlich den Rundfunk explizit aus ihrem Anwendungsbereich aus. Dies bedeutet jedoch
nicht, dass ein Mitgliedstaat die Regeln über den offenen Netzzugang nicht auch auf die
Übertragung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen anwenden dürfte. Ebensowenig kann
aus der Trennung von Bund- und Länderkompetenzen bezüglich der Rechtsgebiete der Telekommunikation und des Rundfunks gefolgert werden, dass die gesetzgeberische Kompetenz
des Bundes für Telekommunikation den Rundfunk nicht berühren kann. Die bundesrechtlichen Regelungen haben nicht die Sicherung der Meinungsvielfalt oder anderer rund-
407
Gersdorf, Regulierung des Zugangs, S. 304f., s. auch Libertus, K&R 1999, 259, 263f.
408
Gersdorf, Regulierung des Zugangs, S. 304f.
409
Z.B. Multiplexing, Betrieb von Navigationssystemen, Betrieb des Systems der Zugangskontrolle. § 33
TKG schützt Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager „einer bestimmten Art von Waren oder Leistungen“. Andere Produkte sind bei der Bestimmung des sachlich relevanten Markts beachtlich, wenn es sich
bei ihnen um „dieselbe Art von Waren oder Leistungen“ i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 2 GWB handelt. Nach dem
Prinzip der funktionellen Austauschbarkeit bei der Bestimmung des sachlich relevanten Markts ist das Bild
des verständigen Abnehmers ausschlaggebend, Beck‘scher TKG-Kommentar-Piepenbrock, §§ 33 Rn. 8f.,
32 Rn. 12 ff.
410
Gersdorf, Regulierung des Zugangs, S. 304f.
411
Es handelt sich auch bei einer Empfangsanlage um einen Bestandteil des Übertragungsweges, Trute/Spoerr/Bosch-Spoerr, § 3 Rn. 103.
412
Zu dem gleichen Ergebnis gelangen Beck‘scher TKG-Kommentar-Schütz, § 6 Rn. 42, bezogen auf die
Satellitenfunklizenz nach § 6 Abs. 2 Nr. 1b TKG, und Libertus, K&R 1999, 259, 263, bezogen auf den
Wortlaut des § 35 TKG.
106
funkrechtlicher Fragen zum Ziel, sondern die Gewährleistung von wirtschaftlichem Wettbewerb413.
Im Zusammenhang mit dieser Frage ist auch das neue Richtlinienpaket relevant. Dessen Anwendungsbereich erfasst alle elektronischen Kommunikationsdienste und –netze und somit
auch die Satellitensysteme, die Rundfunk verbreiten414. Die Bindungswirkung von Richtlinien
vor Ablauf der Umsetzungsfrist beschränkt sich darauf, dass die Mitgliedstaaten keine entgegenstehenden Maßnahmen ergreifen dürfen415. Demnach ist bereits nach geltendem deutschen
Recht davon auszugehen, dass auch die satellitengestützte Infrastruktur für die Rundfunkübertragung von § 35 TKG umfasst ist.
Entscheidende Voraussetzung für einen Zugangsanspruch nach § 35 TKG ist eine marktbeherrschende Stellung. Für deren Feststellung ist entscheidend, ob eine weite oder enge
Marktabgrenzung vorgenommen wird. Das Bundeskartellamt und die Kommission sehen terrestrische Frequenzen, Breitbandkabelnetze und Satellitenverbreitung als je eigene Märkte
an416. Diese Übertragungswege seien nicht austauschbar, und es bestünden Unterschiede bezüglich deren Finanzierung417.
Neben dem TKG bietet auch das GWB einen Anspruch auf Zugang zu Netzen. Nach § 19
Abs. 1 GWB ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch
ein Unternehmen verboten. Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, wenn sich ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter
und Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder Leistungen weigert, einem anderen
Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu eigenen Netzen oder Infrastruktureinrichtungen zu gewähren. Dies gilt nicht, wenn ein sachlicher Grund für die Zugangsverweigerung besteht. Dabei nimmt auch § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB auf die Essential Facilities Doctrine
Bezug418.
Es ist umstritten, ob die Zugangsregelungen des TKG denen des GWB vorgehen oder ob sie
nebeneinander anwendbar sind419. Davon hängt unter anderem ab, ob die Verhaltensaufsicht
der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (§ 82 TKG) oder dem Bundeskartellamt obliegt. Nach § 2 Abs. 3 TKG bleiben die Vorschriften des Gesetzes gegen Wett-
413
Libertus, K&R 1999, 259, 263.
414
S. Kap. 3.3.4.2.1.
415
EuGH, C-129/96, Slg. 1997, I-7411 – Inter-Environement.
416
Entscheidung des Bundeskartellamts (B 7 - 168/01) vom 22.2.2002 – Liberty, Nr. 35 ff.; Entscheidung der
Kommission (96/177/EG) vom 19.7.1995, ABl. L 53/20 vom 2.3.1996 – Nordic Satellite Distribution, Nr.
55 ff.; Entscheidung der Kommission (1999/154/EG) vom 27.5.1998, ABl. L 53/31 vom 27.2.1999 – Deutsche Telekom/BetaResearch, Nr. 19 ff.; Entscheidung der Kommission (94/922/EG) vom 9.11.1994, ABl.
L 364/1 vom 31.12.1994 – MSG-Media Service, Nr. 39 ff.; s. auch Entscheidung der Kommission
(1999/781/EG) vom 15.9.1999, ABl. L 312/1 vom 6.12.1999 – British Interactive Broadcasting/Open, Nr.
34 ff.
417
Legt man bei den Übertragungswegen die weite Marktabgrenzung zu Grunde, würde selbst dem luxemburgischen Satellitenbetreiber SES mit der Familie der Astra-Satelliten eine solche marktbeherrschende Stellung nicht zukommen, da er der Konkurrenz der Kabelnetze und der terrestrischen Frequenzen ausgesetzt
ist, so Trafkowski, Medienkartellrecht, S. 52 ff. und 78.
418
Trute/Spoerr/Bosch-Trute, § 33, Rn. 27.
419
Für einen Vorrang des TKG z.B. Wallenberg, K&R 1999, 152 ff., nach Schroeder, WuW 1999, 14f. zunächst auch das Bundeskartellamt; für eine parallele Anwendung sprechen sich Schroeder, ebenda, und
Piepenbrock/Schuster, CR 2002, 98 ff. aus.
107
bewerbsbeschränkungen unberührt. Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht also für eine parallele Anwendung der Zugangsregelungen. Dagegen spricht nach einer Ansicht jedoch die
Gesetzesbegründung, die von einem Vorrang des TKG ausgehe420. Hiergegen wird jedoch zu
recht eingewandt, dass eine nur der Begründung zu entnehmende Vorstellung an der Gesetzgebung beteiligter Personen nicht dazu führen kann, dass der Gesetzeswortlaut in sein Gegenteil verkehrt wird421. Daher ist nur bei rein telekommunikationsrechtlichen Fragestellungen, die keinen kartellrechtlichen Bezug haben, Telekommunikationsrecht vorrangig anwendbar422. Das GWB wird also grundsätzlich nicht verdrängt. Ist man nicht der Auffassung, dass
sich Zugangsrechte von Veranstaltern in Bezug auf satellitengestützten Rundfunk aus § 35
TKG ergeben, ist ein Anspruch auf Zugang zum Satelliten nach §§ 19, 20 GWB zu prüfen.
Inhaltlich bezwecken beide Gesetze den Schutz des Wettbewerbs und kommen zu gleichen
Resultaten423. Im Ergebnis ist das TKG vorrangig anzuwenden, wenn ein rein telekommunikationsrechtlicher Sachverhalt vorliegt.
Für den Zugang von Plattformanbietern zur Verbreitung von Rundfunk ergeben sich auf den
ersten Blick keine Unterschiede. Neben dem direkten Verhältnis von Programmveranstalter
und Satellitenbetreiber sind vielfältige Beziehungen zwischen Plattformanbietern, die Übertragungskapazitäten kaufen, mieten, weiterverkaufen oder weitervermieten, und Programmveranstaltern denkbar. Tritt eine Plattform bezüglich des Verbreitungswegs als Makler auf, ist
sie nur Mittler. Nach § 53 Abs. 3 RStV ist es Anbietern mit marktbeherrschender Stellung, die
Programme bündeln und vermarkten, verboten, andere Anbieter unbillig zu behindern424. Anbieter, die Inhalte lediglich, zum Beispiel in Form einer Bündelung, „bereitstellen“, sollen
nach Erwägungsgrund 45 Universaldienstrichtlinie nicht unter den neuen Rechtsrahmen fallen. So betreffen die Übertragungspflichten des Art. 31 Universaldienstrichtlinie nur Netz-,
nicht jedoch Plattformbetreiber425. Nationale Vorschriften sind nach Erwägungsgrund 45 Universaldienstrichtlinie jedoch ausdrücklich möglich:
Universaldienstrichtlinie Erwägungsgrund 45:
„Dienste, die die Bereitstellung von Inhalten wie das Angebot des Verkaufs eines Bündels von
Hörfunk- oder Fernsehinhalten umfassen, fallen nicht unter den gemeinsamen Rechtsrahmen für
elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Die Anbieter dieser Dienste sollten in Bezug
auf diese Tätigkeiten keiner Universaldienstverpflichtung unterliegen. Mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarende einzelstaatliche Maßnahmen in Bezug auf diese Dienste bleiben von dieser Richtlinie unberührt.“
Wie wird sich das neue Richtlinienpaket426 auf die wettbewerbsrechtlichen Regelungen auswirken? Der Vergleich der neuen Richtlinien mit dem deutschen Recht ergibt, dass zumindest
im Telekommunikationsrecht Anpassungen notwendig sind. So fehlt es bisher an einer Regelung, die der Verpflichtung der Art. 9 ff. Zugangsrichtlinie für Betreiber mit beträchtlicher
420
Wallenberg, K&R 1999, 153.
421
Schroeder, WuW 1999, 15.
422
Beck‘scher TKG-Kommentar-Schuster § 2 Rn. 32 ff.; Piepenbrock /Schuster, CR 2002, 101.
423
Möschel, K&R 2002, 161, 163; Zimmer/Büchner, CR 2001, 164, 168 ff.; Irion/Schirmbacher, CR 2002, 61,
67f.; die unterschiedlichen Zuständigkeiten verbunden mit unterschiedlichen Gerichtszweigen bergen jedoch die Gefahr unterschiedlicher Rechtspraxis – s. Beck‘scher TKG-Kommentar-Schuster § 2 Rn. 32 ff.
424
Auf Dienstleister, die lediglich Programme und Dienste technisch bündeln, findet nicht § 53 RStV, sondern
das TKG Anwendung, Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53, Rn. 23.
425
Schütz/Attendorn, Beilage MMR 4/2002, 23.
426
Zum Überblick über das neue Richtlinienpaket s. Kap. 3.3.1.
108
Marktmacht entspricht. Auch bleibt die Gleichbehandlungsverpflichtung nach § 33 TKG
hinter der des Art. 10 Abs. 1 Zugangsrichtlinie zurück. Die weitreichenden Zugangsverpflichtungen des Art. 12 Zugangsrichtlinie finden sich im TKG nicht. Schließlich ist auch der
Zugangsbegriff des § 3 Nr. 9 TKG427 enger gefasst als der des Art. 2 a) Zugangsrichtlinie.
Kein Umsetzungsbedarf ergibt sich dagegen für den in Art. 5 und 6 i.V.m. Anhang I Teil II
der Zugangsrichtlinie geregelten Zugang zu API und EPG. Entsprechende Regelungen finden
sich in § 53 RStV i.V.m. der Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten gemäß §
53 RStV428 und § 5 Fernsehsignalübertragungsgesetz. Art. 5 Zugangsrichtlinie und §§ 33,
35 TKG, 19 GWB, 53 Abs. 3 RStV, nicht jedoch § 7 Fernsehsignalübertragungsgesetz, setzen
das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht voraus. Die Definition der beherrschenden Stellung
des § 19 GWB (gegebenenfalls i.V.m. TKG) entspricht der Definition der beträchtlichen
Marktmacht in Art. 14 Abs. 2 Rahmenrichtlinie, es besteht also kein Umsetzungsbedarf in
deutsches Recht429.
3.3.4.2.3 Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzustellen, dass europarechtliche und deutsche Wettbewerbsregelungen Rundfunkveranstaltern einen Zugangsanspruch zum Verbreitungsweg Satellit eröffnen
können. Ob ein solcher Anspruch im Einzelfall besteht, hängt von der Situation am Markt und
dabei insbesondere von der Marktabgrenzung ab. Im Verfahren zur Bestimmung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht nach dem neuen Richtlinienpaket erlangt die Stellung der
Kommission durch Erlass von Empfehlungen und Leitlinien nach Art. 15 Abs. 1 und 2 Rahmenrichtlinie besonderes Gewicht. Ob ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, bestimmen nach Art. 15 Abs. 3 und 16 Abs. 1 Rahmenrichtlinie die nationalen Regulierungsbehörden, haben aber die Leitlinien und Empfehlungen der Kommission „weitestgehend
zu berücksichtigen“. Nimmt man die umfangreichen Vorgaben zur Ausgestaltung der nationalen Behörden430 hinzu, bleibt der nationale gesetzgeberische Spielraum für den Bereich des
Wettbewerbsrechts gering.
3.3.5 Verbreitung und Urheberrecht
Verbreitet werden sollen Inhalte, die überwiegend von Urhebern geschaffen worden sind.
Deren Urheberrechte können die Verbreitung behindern. Entscheidend ist daher, welche
Rechte das Urheberrecht dem Inhaber von Rechten an einer Sendung gibt. Für deren Ausgestaltung ist zu prüfen, wie ihre praktische Wahrnehmung die Verbreitung von Rundfunk über
Satelliten beeinflussen kann.
Das Urheberrecht ist ein Ausschließlichkeitsrecht, ein absolutes Recht, das dem Urheber die
freie Entscheidung überlässt, ob, wem und wie er anderen die Nutzung seines Werks gestat-
427
Wortlaut § 3 Nr. 9 TKG: „Im Sinne dieses Gesetzes ... ist ‚Netzzugang’ die physische und logische Verbindung von Endeinrichtungen oder sonstigen Einrichtungen mit einem Telekommunikationsnetz oder Teilen
desselben sowie die physische und logische Verbindung eines Telekommunikationsnetzes mit einem anderen Telekommunikationsnetz oder Teilen desselben zum Zwecke des Zugriffs auf Funktionen dieses Telekommunikationsnetzes oder auf die darüber erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen“.
428
Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten gemäß § 53 Abs. 7 RStV in der von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) am 26.6.2000 beschlossenen Fassung.
429
Zum Umsetzungsbedarf s. auch Husch/Kemmler/Ohlenburg, MMR 2003, 139, 146f.
430
Art. 3 ff. und 8 ff. Rahmenrichtlinie.
109
tet431. Im deutschen Recht fußt es auf Art. 14 GG, sowie, in seiner persönlichkeitsrechtlichen
Komponente, auf Art. 1, 2 GG432. Unter den Urheberrechtsbegriff fallen auch das Senderecht
sowie Leistungsschutzrechte. Einen Sonderfall stellt der Vertrag zwischen Sportveranstalter
und Produzent/Programmveranstalter zur Gestattung von Aufnahmen und Übertragungen dar.
Für einen Überblick soll im Folgenden der Rechtsrahmen des rundfunkrelevanten Urheberrechts dargestellt und anschließend auf die Vertragspraxis der Rechtevergabe eingegangen
werden.
3.3.5.1
Rechtsrahmen
Urheberrechtliche Regelungen auf völkerrechtlicher Ebene finden sich vor allem in folgenden
Verträgen: Die „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ wurde in ihrer Fassung aus dem Jahr 1886 als Staatsvertrag zwischen neun Staaten geschlossen
(revidiert „Revidierte Berner Übereinkunft“, RBÜ433). Heute gehören der RBÜ 149 Vertragsstaaten an (Stand 15. Oktober 2002434). Grundprinzip der Übereinkunft ist nach Art. 5 Abs. 1
RBÜ die Pflicht zur Inländerbehandlung. Ausländische Urheber sind in jedem Vertragsstaat
den inländischen gleichzustellen. Auf diese Weise ist der Schutz ausländischer Urheber stets
auf aktuellem Stand. Daneben setzt die RBÜ Mindestrechte fest, unter anderem das Senderecht in Art. 11bis RBÜ. Auf diese Mindestrechte können sich die Urheber unmittelbar berufen435.
Art. 5 Abs. 1 RBÜ:
“Die Urheber genießen für die Werke, für die sie durch diese Übereinkunft geschützt sind, in allen Verbandsländern mit Ausnahme des Ursprungslands des Werkes die Rechte, die die einschlägigen Gesetze den inländischen Urhebern gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, sowie die in dieser Übereinkunft besonders gewährten Rechte.“
Der World Intellectual Property Organisation Copyright Treaty (WCT) enthält Ergänzungen
und Klarstellungen zur RBÜ. Er trat am 6. März 2002 in Kraft. Art. 6 ff. WCT sehen unter
anderem Mindestrechte für die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe vor, einschließlich der Online-Übermittlung. Der World Intellectual Property Organisation (WIPO)
Broadcasting Treaty befindet sich noch im Vorbereitungsstadium, am 28. September 2001
unterbreiteten die EG und ihre Mitgliedstaaten der WIPO einen Vertragsvorschlag436. In Art. 2
Nr. 1 des Vorschlags ist das Sendelandprinzip ausgestaltet437. Die Europäische Konvention
über urheber- und leistungsschutzrechtliche Fragen im Bereich des grenzüberschreitenden
431
Fromm/Nordemann-Nordemann, § 1, Rn. 4.; Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 4.
432
Diesbach, ZUM 2002, 680, 683.
433
BGBl. 1973 II, 1071, BGBl. 1985 II, 81.
434
Mitgliederübersicht abrufbar
abgerufen am 15.11.2002.
435
BGHZ 11, 135, 138; Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 849.
436
Vorschlag der EG und ihrer Mitgliedstaaten an die WIPO vom 28.9.2001, abrufbar unter
http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/intprop/news/treatylang_en.pdf, abgerufen am 7.11.2002.
437
Wortlaut des Entwurfs Art. 2 Nr. 1: “Contracting Parties shall accord the protection provided under this
Treaty to broadcasting organisations, which meet either of the following conditions:
(a) the headquarters of the broadcasting organisation is situated in another Contracting Party, or
(b) the broadcasts are transmitted from a transmitter situated in another Contracting Party. In the case of
satellite broadcasts, the relevant place shall be that at which, under the control and responsibility of the
broadcasting organisation, the program–carrying signals intended for reception by the public are introduced
into an uninterrupted chain of communication leading to the satellite and down towards the earth.“
unter
http://www.wipo.org/treaties/documents/english/word/e-berne.doc,
110
Satellitenrundfunks vom 11. Mai 1994 formuliert ein an den Wortlaut der Richtlinie
93/83/EWG angelehntes Harmonisierungsbestreben des materiellen Rechts438. Urheberrechtliche Bestimmungen finden sich auch im Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual
Property Rights (TRIPS-Abkommen). Leistungsschutzrechte betrifft der WIPO Performances
and Phonograms Treaty (WPPT)439.
Die Europäische Gemeinschaft hat keine eigene Rechtsetzungskompetenz auf dem Gebiet des
Urheberrechts, dessen Ausgestaltung ist also Sache der Mitgliedstaaten. Um dennoch auf dem
Gebiet tätig werden zu können, greift die Gemeinschaft auf die Kompetenz zur Angleichung
von Rechtsvorschriften zur Erreichung des Binnenmarkts in Art. 95 EGV zurück. Ebenso wie
im deutschen Recht geht die Kommission dabei vom Urheberrecht als einem Ausschließlichkeitsrecht aus. Bereits in ihrem Grünbuch über die Errichtung des Gemeinsamen Markts für
Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel440 erklärt sie nicht die Ausschließlichkeit als
Hindernis für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, wohl aber die unterschiedliche
Ausgestaltung des Urheberrechts in den einzelnen Mitgliedstaaten. In der Kabel- und Satellitenrichtlinie findet sich diese Aussage in Erwägungsgrund 5. Das Urheberrecht erfährt besondere Bedeutung für den Rundfunk im Vertragsrecht. Im Folgenden soll daher dargestellt werden, auf welche rechtlichen Grundlagen sich Verträge über zu sendende Inhalte stützen.
3.3.5.1.1
Werkbegriff
Als erstes stellt sich die Frage, ob der Erwerb von Senderechten Vertragsgegenstände betrifft,
die von urheberrechtlicher Relevanz sind. Damit ist zunächst zu untersuchen, welche Werke
von nationalen wie internationalen urheberrechtlichen Normen erfasst sind. In der RBÜ werden in Art. 2 Abs. 1 als geschützte Werke „alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur,
Wissenschaft und Kunst“ genannt. Voraussetzung für den Werkbegriff des Art. 2 Abs. 2 RBÜ
ist eine persönliche geistige Schöpfung. Inhalte, die über Satellit verbreitet werden, sind demnach dann vom Anwendungsbereich der RBÜ umfasst, wenn sie persönliche geistige Schöpfungen darstellen. Dies trifft jedenfalls für die im nicht abschließenden Katalog der Norm
genannten Filmwerke zu. Strittig ist, ob zur Beantwortung der Frage, ob ein nicht im Katalog
genanntes Werk eine persönliche geistige Schöpfung ist, das Recht des Ursprungs- oder des
Schutzlandes herangezogen wird441. Fehlt es bei einer Arbeit an einer persönlichen geistigen
Schöpfung, greift die RBÜ nicht. Der Schutz von so genannten Laufbildern ist in der RBÜ
nicht vorgesehen. Als Laufbilder werden Bilder bezeichnet, bei denen es an einer persönlichen geistigen Schöpfung fehlt, die also keine Werkqualität haben.
Für die europäische Ebene ist festzustellen, dass es ein europäisches Urheberrecht nicht
gibt442, es gilt das Territorialitätsprinzip, das zu einem Bündel zahlreicher nationaler Urheberrechte an einem Werk führt. Der Werkbegriff des deutschen UrhG setzt in seinem § 2 Abs. 2
438
Walter-Dreier, Satelliten- und Kabel-RL, vor Art. 1, Rn. 16 und Art. 1, Rn. 23.
439
Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) vom 15.4.1994, Text abrufbar unter http://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/t_agm0_e.htm, abgerufen am 7.11.2002; WIPO Performances
and
Phonograms
Treaty
(WPPT)
vom
20.12.1996,
http://www.wipo.org/eng/diplconf/distrib/95dc.htm, abgerufen am 7.11.2002; s. den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft der Bundesregierung vom 31.7.2002,
abrufbar unter http://www.bmj.bund.de/images/11476.pdf, abgerufen am 7.11.2002.
440
Grünbuch über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für Rundfunk, insbesondere über Satellit und
Kabel, KOM (84)300 eng., vom 14.6.1984; insb. 5. Teil, VII., 1.
441
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 840, 907.
442
Dazu Müßig/Scheuer, IRIS plus 2003-4.
111
eine persönliche Schöpfung voraus, also die schöpferische Tat eines Menschen. Das Werk
muss einen geistigen Gehalt aufweisen, das heißt, als Ausdruck des individuellen Geistes gewollt und empfunden werden. Über den Gesetzeswortlaut hinaus muss der schöpferischen
Idee eine Form gegeben werden. Dabei genügt die Wahrnehmbarkeit, eine dauerhafte Form
ist nicht Voraussetzung443. Filmwerke genießen Urheberrechtsschutz, sie sind ausdrücklich im
Katalog des § 2 Abs. 1 UrhG als Nr. 6 aufgenommen. Dies betrifft Inhalte, die im Rundfunk
gesendet werden dann, wenn sie persönliche geistige Schöpfungen sind. Davon sind unproblematisch Spielfilme abgedeckt, unabhängig von deren Bedeutung für die Kunst444.
Anders sieht es aus, wenn es an einer persönlichen geistigen Schöpfung fehlt, also Bilder ohne Werkqualität vorliegen. Das UrhG bezeichnet diese in § 95 UrhG als Laufbilder. Laufbilder liegen zum Beispiel bei bloßem Aufnehmen chronologischer Abfolgen vor. Die Abgrenzung bereitet allerdings Schwierigkeiten. Dies gilt um so mehr, wendet man den nicht im Bereich der Filmwerke entwickelten Grundsatz der „kleine Münze“ an, nach dem bereits für
Leistungen mit sehr geringer Schöpfungshöhe Urheberschutz gewährt wird. So kommt der
Schutz als Filmwerk schon durch Bearbeitungen wie den Schnitt oder durch Unterlegen mit
anderen Tonspuren in Betracht. Beispiele für Laufbilder sind dagegen die bloßen Aufzeichnungen von Sport- und politischen Veranstaltungen oder Talkshows445. Für Laufbilder besteht
zwar kein Urheberrecht, jedoch ein Leistungsschutzrecht nach §§ 95 i.V.m. 88 ff. UrhG. Die
Unterscheidung zwischen Filmwerk und Laufbildern spielt im UrhG auf der Rechtsfolgenseite keine Rolle, so lange die Rechte entsprechend § 91 UrhG zur filmischen Verwertung
oder entsprechend § 94 UrhG zur Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung und Funksendung in Rede stehen. Ob ein Urheberrecht vorliegt, ist jedoch sehr wohl auf der Ebene internationaler Verträge von Bedeutung. So umfasst die RBÜ lediglich Filmwerke446.
Im Zusammenhang mit dem Werkbegriff stellt sich auch die Frage, wer bei einer Sportübertragung als Urheber zu gelten hat. Sportler führen kein Werk auf, es mangelt bereits an der
schöpferischen Handlung, aber auch am Ausdruck des individuellen Geistes. Bei der Übertragung zum Beispiel eines Fußballspiels können die Spieler folglich keine Urheberrechte an
ihrem Spiel geltend machen447. Eine andere Frage ist, welche Rechte derjenige geltend machen kann, der Aufnahmen einer Sportveranstaltung erstellt. Die Frage dürfte jedoch nicht
anders als bei sonstigen Filmaufnahmen zu beurteilen sein. Wer das Filmmaterial erstellt, ist
Urheber. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das erstellte Produkt angefasst werden kann.
Wie bei einer Video-Kunst-Installation setzt der urheberrechtliche Werkbegriff nur voraus,
dass dem Werk eine wahrnehmbare Gestalt gegeben ist448.
Grundsätzlich ist hiervon die Überlegung zu unterscheiden, wer Veranstalter ist und welche
Rechte er geltend machen kann. Veranstalter ist, wer eine Wiedergabe veranlasst und in organisatorischer und finanzieller Hinsicht verantwortlich ist449. In einem Urteil von 1990 ent-
443
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 152 ff.
444
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 210.
445
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 214, 652; Fromm/Nordemann-Nordemann/Vinck, § 2, Rn. 77;
Fromm/Nordemann-Hertin, § 95, Rn. 3. Eine Verwandtschaft zum Recht des geistigen Eigentums im Bereich des Profisports sieht Stettner, Rechtsfragen § 5a Rundfunkstaatsvertrag, II. 1.1.1.
446
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 840, a.A. OLG Hamburg GRUR 90, 127, 128.
447
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 667; Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26.4.2002, Az. 308 O
415/01, S. 12f.; zur Situation in den USA siehe Schack, a.a.O., Rn. 667, Fn. 66.
448
BGHZ 37, 1, 7; KG GRUR 1984, 507, 508.
449
Fromm/Nordemann-Hertin, § 52, Rn. 5, § 81, Rn. 2.
112
schied der BGH, die Erlaubnis zur Fernsehübertragung stelle keine Übertragung von Rechten,
sondern den Verzicht auf die Ausübung von Verbotsrechten aus dem Hausrecht, deliktischen
oder wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen dar450. Das Landgericht Hamburg verortete in seinem Urteil vom 26. April 2002 die Frage, ob Hörfunkveranstalter ein Recht auf kostenfreie
Berichterstattung aus den Fußballstadien haben, nicht im Urheberrecht. Es sprach dem Veranstalter (hier den Vereinen) vielmehr aus dem Hausrecht nach §§ 858, 1004 BGB das Recht zu,
den Zugang zum Stadion privat-autonom zu regeln. Davon sei auch das Recht umfasst, eine
Vergütung zu erheben. Die Entscheidung bezieht sich allerdings ausdrücklich auf die LiveBerichterstattung aus den Stadien, der Besuch zum Zweck eines späteren Berichts ist dem
Reporter nicht verwehrt451.
Informationen weisen die nach § 2 Abs. 2 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe nicht auf, für
ihre Zusammentragung besteht also kein Urheberschutz452. Davon geht auch § 49 Abs. 2 UrhG
aus, in dem der Gesetzgeber nur eine Ausnahmeregelung sah. Nachrichten und Tagesneuigkeiten sind in der Regel frei. Sollte ein reiner Tatsachenbericht, etwa durch seine Formulierung, dennoch Werkcharakter haben, ist die Vervielfältigung nach § 49 Abs. 2 UrhG gestattet.
Zusammenfassend kommen als geschützte Werke im Bereich des Rundfunks fast alle übertragenen Inhalte in Betracht. Die Definition der Filmwerke und Laufbilder umfasst einen
Großteil des üblichen Programms. Nicht geschützt werden reine Informationen. Davon zu
unterscheiden sind jedoch Filmbeiträge mit Nachrichtenwert, die geschützt sein können.
3.3.5.1.2
Senderecht
Das Senderecht ist eine Form der Verwertung eines Werks und kann als solches vom Urheber
auf andere übertragen werden, Art. 11bis Abs. 1 Nr. 2 RBÜ, Art. 2 der Kabel- und Satellitenrichtlinie (für die Satellitensendung), Art. 3 Abs. 1 Richtlinie Urheberrecht in der Informationsgesellschaft 453, § 15 Abs. 2 UrhG. Nach Art. 11bis Abs. 1 Nr. 2 RBÜ steht dem Urheber
das Recht zu, „jede öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes (zu erlauben)“.
Art. 11bis Abs. 2 RBÜ:
„Der Gesetzgebung der Verbandsländer bleibt vorbehalten, die Voraussetzungen für die Ausübung der in Abs. 1 erwähnten Rechte festzulegen; doch beschränkt sich die Wirkung dieser
Voraussetzungen ausschließlich auf das Hoheitsgebiet des Landes, das sie festgelegt hat. ...“
Dem entsprechend sah die Europäische Gemeinschaft das Erfordernis der Angleichung nationalen Rechts. Nach Art. 2 Kabel- und Satellitenrichtlinie „sehen die Mitgliedstaaten für den
Urheber das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken über Satellit zu erlauben“. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor, dass das
Senderecht ausschließlich vertraglich erworben werden kann. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie Urheberrecht in der Informationsgesellschaft steht den Urhebern das ausschließliche
450
BGHZ 110, 371.
451
Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26.4.2002, Az. 308 O 415/01, S. 10, 12, 14f.; Ory, AfP 2002, 195,
197f., stimmt insoweit zu, dass das Hausrecht anzuwenden ist, meint aber, bei der Radioübertragung stehe
die journalistische Berichterstattung im Vordergrund, die in ihrer Freiheit grundrechtlich geschützt sei.
Zum Recht auf Kurzberichterstattung im Fernsehen BVerfGE 97, 228.
452
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 663.
453
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
ABl. L 167/10 vom 22.6.2001.
113
Recht zu, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben
oder zu verbieten454.
Nach § 15 Abs. 2 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Dieses Recht umfasst ausdrücklich das Senderecht, das
in § 20 UrhG als das Recht definiert wird, „das Werk durch Funk wie ... Satelittenrundfunk ...
der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Funk ist jede Übertragung von Zeichen, Tönen
oder Bildern durch elektromagnetische Wellen, die von einer Sendestelle an beliebig viele
Empfangsstellen ausgesandt werden. Eine Sendung im Sinn des § 20 UrhG liegt jedenfalls
dann vor, wenn die Ausstrahlung der Inhalte in ihrer Reihenfolge allein vom Willen des Sendenden abhängt. Ob eine Ausstrahlung tatsächlich von jemandem empfangen und wahrgenommen wird, ist irrelevant455.
3.3.5.1.3
Problem der Territorialität
Im Fall grenzüberschreitender Rundfunksendungen stellt sich die Frage, für welche Territorien der Programmveranstalter Urheberrechte erwerben muss. Genügt der Erwerb der Rechte
des Sendelands, oder sind die Rechte für jedes Land erforderlich, in dem die Sendung empfangen werden kann456? Nach dem Territorialitätsprinzip457 ist die räumliche Wirkung des Urheberrechts beschränkt, jeder Staat gewährt Urheberrechte innerhalb seines Staatsgebiets.
Zwar entsteht das Urheberrecht nahezu weltweit kraft Schöpfung eines Werks, bedarf also
keines staatlichen Akts zur Anerkennung seiner Entstehung. Der Urheberschutz auf internationaler Ebene stellt jedoch nichts weiter als ein Bündel an selbständigen nationalen Rechten
dar. In jedem Land kann stets nur ein inländisches Schutzrecht gewährt und verletzt werden,
ausländische Schutzrechte bleiben nach dem Territorialitätsprinzip außer Betracht458. Nach
dem Prinzip der Inländerbehandlung wird ein Ausländer im Schutzland wie ein Inländer behandelt. Dies folgt aus internationalen Abkommen wie der RBÜ, innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft auch aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 Abs. 1 EGV459.
Zu unterscheiden sind Kollisions- und Fremdenrecht. Während das Kollisionsrecht die Frage
behandelt, welches Recht auf einen Sachverhalt mit Auslandsberührung anzuwenden ist (z.B.
Art. 3 - 46 EGBGB), regelt das Fremdenrecht, wie ein Ausländer nach nationalem Recht zu
454
Walter-Lewinski, Info-RL, Rn. 13. Auf die Übertragung von Sportveranstaltungen finden die Richtlinien
keine Anwendung, da eine Sportveranstaltung – wie bereits in Kap. 3.3.5.1.1 beschrieben – kein urheberrechtliches Werk darstellt – s. Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 838 ff. Gegenstand eines Vertrags über
eine Übertragung können jedoch das Hausrecht, deliktische oder wettbewerbsrechtliche Ansprüche sein – s.
BGHZ 110, 371; LG Hamburg, Urteil vom 26.4.2002, Az. 308 O 415/01, zur Live-HörfunkBerichterstattung.
455
Fromm/Nordemann-Nordemann, § 20, Rn. 1; Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 408. Zur Abgrenzung der
Sendung von der Telekommunikation bei Online-Angeboten, die interaktiv über Satelliten verteilt werden,
s. z.B. Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 419f., 885b; Fromm/Nordemann-Nordemann, § 20, Rn. 2.
456
Darüber hinaus sind weitere Varianten denkbar, z.B. die Pflicht zum Erwerb der Rechte für alle Gebiete, in
denen der Erwerber empfangen werden will.
457
Für die Ersetzung des Territorialitätsprinzips durch das Universalitätsprinzip, das das Urheberrecht unabhängig von der Ausgestaltung des nationalen Rechts als einheitliches Ganzes sieht, Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 806 ff.
458
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 798 ff.
459
Fromm/Nordemann-Nordemann, vor § 120, Rn. 2; EuGH, C-92/92 und C-326/92, Slg. 1993, 5145 – Phil
Collins.
114
behandeln ist (z.B. §§ 120 ff. UrhG)460. Neben den Regelungen der §§ 120 ff. UrhG, die nur
festlegen, wer sich in Deutschland auf das UrhG berufen kann, kennt das deutsche Urheberrecht keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zum Kollisionsrecht. Die deutsche Rechtsprechung beurteilt das Urheberrecht in allen Fragen nach dem Recht des Schutzlands461. In ausländischen Normen finden sich zum Teil entsprechende Regelungen, so zum Beispiel in
Österreich.
§ 34. Abs. 1 IPRG Österreich:
„Das Entstehen, der Inhalt und das Erlöschen von Immaterialgüterrechten sind nach dem Recht
des Staates zu beurteilen, in dem eine Benützungs- oder Verletzungshandlung gesetzt wird.“
Eine entgegengesetzte Bestimmung findet sich zum Beispiel in Portugal, wo in Art. 48 Abs. 1
Código Civil das Recht des Ursprungslandes für maßgeblich erklärt wird. Die Rechtsprechung in Frankreich kam auf eine differenzierende Lösung und beurteilt einerseits die Frage
der Entstehung des Urheberrechts nach dem Recht des Ursprungslands, andererseits die Frage
nach seinem Inhalt nach dem Recht des Schutzlands462.
In Deutschland gibt § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG die Möglichkeit beliebiger räumlicher Aufspaltung
des Senderechts463. Eine solche Praxis kann die von Art. 49 EGV garantierte Dienstleistungsfreiheit berühren. Eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit wurde jedoch 1980 vom EuGH
in seiner Coditel I-Entscheidung464 abgelehnt. Ihre Beschränkung durch nationales Urheberrecht ist durch den Schutz des geistigen Eigentums gerechtfertigt465. Die Aufspaltung von
Senderechten nach Territorien stellt eine Möglichkeit zum Schutze des Urheberrechts dar.
Eine Erschöpfung des Urheberrechts trete bei wiederholbaren Vorführungen durch die Vergabe von räumlich begrenzten Nutzungsrechten – im Gegensatz zur Vergabe von Rechten zum
körperlichen Inverkehrbringen urheberrechtlich geschützter Werke466 – nicht ein467.
Die territoriale Aufspaltung durch den Rechteinhaber führt jedoch außerdem zu dem Problem,
ob der Inhaber eines Immaterialgüterrechts durch die Ausübung des Rechts gegen Wettbewerbsrecht verstößt. In der Entscheidung Coditel II vom 6. Oktober 1982468 prüfte der EuGH,
ob die Gewährung eines ausschließlichen, territorial begrenzten Senderechts eine unerlaubte
Kartellabsprache nach Art. 81 EGV469 darstellt. Allein in der Einräumung eines solchen
Rechts sah das Gericht noch keinen Fall des Art. 81 EGV. Eine territoriale Lizenz sei nicht
460
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 795, 887; ob das Territorialitätsprinzip kollisionsrechtliche Aussagen
trifft, ist strittig, dagegen Schack, a.a.O., Rn. 805, dafür Schricker-Katzenberger, vor § 120, Rn. 120.
461
OLG Hamburg GRUR 1979, 235; OLG Karlsruhe GRUR 1984, 521.
462
C.A. Paris GRUR Int. 1989, 937; ob Kollisionsregelungen aus internationalen Verträgen (z.B. Art. 5 RBÜ)
herausgelesen werden können, ist strittig, vgl. Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 891 ff.
463
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 127.
464
EuGH, Rs. 62/79, Slg. 1980, 881 – Coditel I.
465
Der Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur
Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002)430 endg. vom 26.7.2002 befasst sich nicht mit der Rechtsprechung des EuGH zur Vereinbarkeit der territorialen Rechtevergabe mit Art. 49 EGV, Christmann,
MMR 10/2002, XI, XII.
466
EuGH, Rs. 78/70, Slg. 1971, 487 – Deutsche Grammophon.
467
Ebenso Fromm/Nordemann-Nordemann, § 17, Rn. 8; Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 389.
468
EuGH, Rs. 262/81, Slg. 1982, 3381 – Coditel II.
469
Entspricht Art. 85 EGV a.F.
115
geeignet, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Die Ausübung
des Urheberrechts stelle grundsätzlich keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
im Sinn des europäischen Wettbewerbsrechts dar. Ein Missbrauch komme erst bei außergewöhnlichen Umständen in Betracht470. Solch außergewöhnliche Umstände nahm das Gericht
bei dem Verhindern jeglichen Wettbewerbs auf dem Fernsehprogrammführermarkt an, das
objektiv nicht zu rechtfertigen war471. Das Urheberrecht als Immaterialgüterrecht verhilft dem
Urheber somit zu einem ausschließlichen Nutzungsrecht, das zu einer zulässigen Beschränkung des Wettbewerbs führt472.
Die Aufteilung von Senderechten nach nationalem Urheberrecht könnte jedoch gegen europäisches Sekundärrecht verstoßen. Durch die urheberrechtlich relevanten Richtlinien wird
jedoch kein EG-Urheberrecht geschaffen. Das Prinzip der Territorialität bleibt vielmehr bestehen. Der Urheber verfügt in der Europäischen Gemeinschaft über ein Bündel nationaler
Urheberrechte an seinem Werk473.
Um über Satelliten eine Sendung verbreiten zu können, müsste der Programmveranstalter
eigentlich über die Senderechte für all diejenigen Empfangsländer verfügen, in denen durch
die Ausstrahlung eine öffentliche Wiedergabe stattfindet474. Die Kabel- und Satellitenrichtlinie
trifft in ihrem Art. 1 Abs. 2 lit. a, b, d (i) und (ii) jedoch die Entscheidung gegen diese
Schlussfolgerung und für das Sendelandprinzip475.
Art. 1 Abs. 2 lit. b) Kabel- und Satellitenrichtlinie:
„Die öffentliche Wiedergabe über Satellit findet nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten
und zurück zur Erde führt.“
Indem die Richtlinie in allen potenziellen Sendeländern der Gemeinschaft das Senderecht
harmonisiert476, spielt es für die Frage nach dem Sendeland letztlich keine Rolle, welches nationale Recht laut internationalem Privatrecht anzuwenden ist. Der Richtlinie liegt nach Erwägungsgründen 3 und 4 das Bestreben zugrunde, die Verbreitung von Rundfunk über Satelliten zu fördern. Dass jede Ausstrahlung in ganz Europa zugänglich sein muss, folgt daraus
noch nicht. Die Förderung der Satellitenverbreitung erschöpft sich vielmehr darin, den Rechteerwerb durch die Harmonisierung nationaler Normen zu erleichtern. Diese Auslegung der
Richtlinie wird durch die ausdrückliche Betonung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit in
470
Bereits in der Entscheidung vom 13.7.1966 – EuGH, Rs. 56/64, Slg. 1966, 321 – Grundig/Consten, stellte
der EuGH fest, dass der reine Bestand eines Schutzrechtes noch nicht gegen EG-Recht verstoße, es komme
vielmehr auf die Umstände der Ausübung an. In der Entscheidung Magill vom 6.4.1995 – EuGH, C241/91, Slg. 1995, I-743 – Magill, gibt der EuGH diese Zweiteilung der Prüfung auf, danach stellt auch die
Ausübung des Urheberrechts grundsätzlich kein missbräuchliches Verhalten i.S.d. Art. 82 EGV dar. Mailänder, ZUM 2002, 706.
471
S. EuGH, C-241/91, Slg. 1995, I-743 – Magill, und EuGH, C- 7/97, Slg. 1998, I-7791 – Bronner.
472
S. hierzu auch Schlussantrag Gulmann, Slg. 1995, I-743 – Magill, Rn. 11.
473
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 127.
474
Sog. Bogsch-Theorie – s. zu dieser z.B. Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 932; Walter-Dreier, Satellitenund Kabel-RL, vor Art. 1, Rn. 10.; Castendyk/Albrecht, GRUR Int. 1993, 300.
475
Walter-Dreier, Satelliten- und Kabel-RL, vor Art. 1, Rn. 22; Art. 1, Rn. 7.
476
Schwarze, MMR 2000, 779, 793f; Walter-Dreier, Satelliten- und Kabel-RL, Art. 1, Rn. 7.
116
Erwägungsgrund 16 gestützt. Der Bericht der Kommission über die Anwendung der Kabelund Satellitenrichtlinie vom 26. Juli 2002477 führt aus:
Bericht der Europäischen Kommission KOM(2002)430 endg., vom 26.7.2002, S. 7:
„Demnach ist das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dem die programmtragenden Signale
ausgestrahlt werden, wobei sich seine Anwendung über die Staatsgrenzen hinaus auch auf die
Mitgliedstaaten erstreckt, in denen die Signale empfangen werden ... . Durch diesen Grundsatz
wird die kumulative Anwendung verschiedener nationaler Rechtsvorschriften entsprechend den
im Ausleuchtbereich des Satelliten liegenden Mitgliedstaaten verhindert.“
Von der Frage, an welchem Ort die öffentliche Wiedergabe im Sinn des Urheberrechts stattfindet, ist die Frage zu unterscheiden, ob und wie der Rechteinhaber Lizenzen aufteilen und
beschränken kann478. Der Bericht der Kommission über die Anwendung der Kabel- und Satellitenrichtlinie bezeichnet die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht als insgesamt zufriedenstellend, „die Beteiligten“ wendeten das nationale Recht im Bereich der Satellitenverbreitung jedoch nicht nach dem in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie enthaltenen Grundsatz des Ursprungslands an479. Die Praxis der Zersplitterung von Senderechten nach den Territorien der
Mitgliedstaaten widerspreche dem Grundsatz der Richtlinie. Der Zugang des Zuschauers zu
Programmen werde etwa behindert, wenn ein Zuschauer ein Pay-TV-Programm aus einem
anderen Mitgliedstaat abonnieren wolle, der Programmveranstalter jedoch mit der Begründung ablehne, die entsprechenden Senderechte nicht zu besitzen480.
Bericht der Europäischen Kommission KOM(2002)430 endg., vom 26.7.2002, S. 8:
„In der Praxis widerspricht die Übertragung der Rechte auf einzelstaatlicher Basis, die eine Zersplitterung des Markts bewirkt, dem Grundsatz der Richtlinie. ... Unabhängig davon, ob die Verbreitung frei empfangbar oder kodiert erfolgt, muss der Ausleuchtbereich als Grundlage für die
Verwertung der Rechte dienen.“
Eine exklusive territoriale Vergabe mit dinglicher Wirkung ist nach dem in Art. 1 Abs. 2 Kabel- und Satellitenrichtlinie verankerten Sendelandprinzip nicht mehr möglich481. Zum Teil
wird vertreten, dies schließe eine schuldrechtliche Abrede, die die unverschlüsselte Ausstrahlung für bestimmte Gebiete untersage, nicht aus482. Führt eine solche Abrede jedoch zur
Zugangsverweigerung selbst bei Zahlungsbereitschaft, kann dem nicht gefolgt werden. Der
Kommissionsbericht wendet sich ausdrücklich gegen eine Anwendung nationalen Rechts, mit
der der grenzüberschreitende Zugang des Zuschauers zu Programmen beeinträchtigt wird.
477
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002)430 endg., vom 26.7.2002.
478
§ 20a UrhG, der der Umsetzung der Kabel- und Satellitenrichtlinie dient, befindet sich systematisch unter
den Vorschriften über die öffentliche Wiedergabe. § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG, der die beliebige Beschränkung
der Nutzungsrechte gestattet, findet sich in den Vorschriften zum Rechtsverkehr.
479
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002)430 endg., vom 26.7.2002, S. 6f.
480
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002)430 endg., vom 26.7.2002, S. 7f.
481
Walter-Dreier, Satelliten- und Kabel-RL, Art. 1, Rn. 17; Diesbach, ZUM 2002, 680, 688.
482
Diesbach, ZUM 2002, 680, 688, a.A. Kreile/Becker, GRUR Int. 1994, 901.
117
Aus dem Umstand, dass eine Sendung nur nach dem Recht des Sendelands rechtmäßig sein
muss, kann jedoch nicht gefolgert werden, dass es genügen müsse, die Senderechte nur für
das Territorium zu erwerben, von dem aus gesendet wird483. Für eine solche Auslegung der
Kabel- und Satellitenrichtlinie spricht zwar, dass sie die Verbreitung von Rundfunk über Satellit fördern will484. Auch nennt die Richtlinie in Erwägungsgrund 16 nur Beispiele für Beschränkungen, die nicht die territoriale Aufteilung der Senderechte betreffen:
Kabel- und Satellitenrichtlinie Erwägungsgrund 16:
„Der Grundsatz der Vertragsfreiheit, auf den sich diese Richtlinie stützt, gestattet weiterhin eine
Einschränkung der Verwertung dieser Rechte, insbesondere was bestimmte Übertragungstechniken oder bestimmte sprachliche Fassungen anbelangt.“
Andererseits sind diese Einschränkungen nur beispielhaft genannt und in Erwägungsgrund 19
wird die Aufteilung von Nutzungsrechten nach territorialen Gesichtspunkten erwähnt, ohne
sie zu beanstanden485. Auch fordert die Förderung des Satellitenrundfunks nicht eine solch
starke Einschränkung der Vertragsfreiheit. Vielmehr kann diese bereits durch die Harmonisierung der relevanten Vorschriften erfolgen. Der Kabel- und Satellitenrichtlinie kann daher weder ausdrücklich noch implizit entnommen werden, dass sie die Vergabe von Senderechten
für ein bestimmtes Territorium verbietet. Ein Free-Flow-Gedanke dergestalt, dass den
Rechteinhabern eine territoriale Beschränkung nicht möglich sein soll, kann der Kabel- und
Satellitenrichtlinie nicht entnommen werden486.
Ebenso wenig fordert die Richtlinie, dass Senderechte nur noch für den gesamten Ausstrahlungsbereich vergeben werden können487. Eine solche Regelung ist dem Wortlaut nicht zu
entnehmen. Sie würde zu einer starken Einschränkung der Vertragsfreiheit führen und hätte
erhebliche Nachteile für den Rechtehandel, weil die Senderechte für die gesamte Gemeinschaft im Regelfall erheblich teurer wären als die Rechte für einen bestimmten Mitgliedstaat.
Ohne ausdrückliche Anordnung kann ein solch harter Eingriff nicht angenommen werden.
Ihre Grenze findet eine freie vertragliche Beschränkung von Senderechten jedoch in der Behinderung grenzüberschreitenden Zugangs zu Inhalten, sobald die Behinderung mit fehlenden
Senderechten begründet wird. Ist ein gemeinschaftsweiter Zugang des Zuschauers zu allen in
der Gemeinschaft ausgestrahlten Inhalten gewährleistet, steht einer Vergabe nach Territorien
aber nichts im Weg. Eine territoriale Exklusivität schließt dies freilich aus. Sind die Zuschauer über Verschlüsselungssysteme einzeln ansprechbar, ergeben sich daraus für den Urheber
nicht notwendig finanzielle Nachteile bei der Verwertung.
483
Rumphorst, GRUR Int. 1992, 910, 910 ff.; derselbe, GRUR Int. 1993, 934, 934f. A.A. Walter-Dreier, Satelliten- und Kabel-RL, Art. 1, Rn. 8; Mailänder, ZUM 2002, 706, 714; Castendyk/Albrecht, GRUR Int.
1993, 300.
484
Erwägungsgründe 3 und 4 der Kabel- und Satellitenrichtlinie. Walter-Dreier, Satelliten- und Kabel-RL,
Art. 1, Rn. 12.
485
S. hierzu auch Diesbach, ZUM 2002, 680, 688.
486
S. Diesbach, ZUM 2002, 687f.; derselbe, zitiert in Zorn, K&R 2003, 130, 131; Rumphorst, GRUR Int.
1992, 910, 910 ff.; derselbe, GRUR Int. 1993, 934, 934f.; OLG Stuttgart ZUM 2003, 146.
487
S. Diesbach, ZUM 2002, 680, 687 ff.; Schwarze, MMR 2000, 779, 793f.
118
3.3.5.1.4
Verschlüsselung
Die Veröffentlichung oder Verwertung einer Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werks
unterliegt nach Art. 12 RBÜ488, § 23 Satz 1 UrhG dem Zustimmungserfordernis des Urhebers.
Bei der Verschlüsselung bleibt der Inhalt des Werks jedoch unberührt, sie ist daher nicht als
Umgestaltung im Sinn des § 23 Satz 1 UrhG anzusehen489. Dieses Ergebnis hindert Lizenzvertragsparteien jedoch nicht, Abreden zur verschlüsselten Sendung zu treffen. Die Kommission erkannte bereits in ihrem Grünbuch „Der rechtliche Schutz verschlüsselter Dienste im
Binnenmarkt“ vom 6. März 1996 an, dass sich Urheberrechtsinhaber zum Schutz ihrer Nutzungsrechte der Verschlüsselung bedienen490.
3.3.5.2
Vertragspraxis
Mit dem Sendevertrag erlaubt der Urheber dem Sendeunternehmen, sein Werk zu Rundfunkzwecken zu nutzen491. Bei der Rechtevergabe unterscheidet die Praxis nach Fiction- und NonFiction-Inhalten.
Im Bereich Fiction (z.B. Spielfilme) werden ausschließliche Rechte für ein bestimmtes Territorium verkauft. Ist die Ausstrahlung in angrenzenden Gebieten des gleichen Sprachraums
zu empfangen, werden Senderechte teilweise nur mit der Verpflichtung zur Verschlüsselung
vergeben, oder für die größere Reichweite ein Aufpreis vereinbart. Je nach dem Größenverhältnis der in Frage stehenden Zuschauerzahlen fällt ein Aufpreis nicht ins Gewicht. Zum Teil
verkauft der Erstkäufer die Rechte auch an Abnehmer in angrenzenden Gebieten weiter. Können Fiction-Inhalte in Gebieten anderer Sprachräume empfangen werden, hindert das die
wirtschaftliche Verwertung in der Regel nicht, da das Interesse der Zuschauer an den meisten
fremden Sprachfassungen gering ist492. Werden Lizenzen für ein bestimmtes (Sprach-)Gebiet
vergeben, ohne dass Abreden über den Overspill in anderen Sprachgebiete getroffen werden,
ist davon auszugehen, dass die Parteien den Overspill stillschweigend tolerieren. Neben der
territorialen Beschränkung werden Rechte im Bereich Fiction quantitativ, etwa für eine bestimmte Anzahl an Ausstrahlungen, oder zeitlich, etwa im Hinblick auf eine Verwertungskette (Kino – Video/DVD – Pay-TV – Free-TV), beschränkt.
Im Bereich Non-Fiction gibt es so gut wie keine exklusiven Verkäufe, gehandelt werden ausschließlich bestimmte Zeitfenster, in denen etwa ein bestimmter Filmbeitrag gesendet werden
darf. Einen Sonderfall stellen Sportrechte dar. Attraktiv ist hier in besonderem Maße die LiveÜbertragung. Dennoch ist die Aufteilung zwischen der Erstverwertung im Pay-TV und der
Zweitverwertung im Free-TV üblich. Die Sprache spielt eine untergeordnete Rolle. In diesem
488
Zur Auslegung Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 423 ff.
489
S. Fromm/Nordemann-Nordemann § 16 Rn. 2.
490
Grünbuch der Kommission „Der rechtliche Schutz verschlüsselter Dienste im Binnenmarkt“, KOM (96) 76
endg., vom 6.3.1996. Zur kartellrechtlichen Zulässigkeit eines Verschlüsselungsverlangens Mailänder,
ZUM 2002, 706, der insbesondere das Verbot wettbewerbsbeschränkender Verwendungsbindung, der Diskriminierung von Programmveranstaltern und Zuschauern, des Missbrauchs einer marktbeherrschenden
Stellung und der Vereinbarung zur Marktabschottung nennt. Das Verschlüsselungsverlangen der KirchGruppe für die digitale Satellitenausstrahlung der Fußball WM 2002 sieht Mailänder insofern als problematisch an, als die KirchGruppe so ihre Stellung auf dem benachbarten Markt des Pay-TV stärken wollte.
491
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 1075 ff.
492
Diesbach, ZUM 2002, 680, 682; Hauptmann, ZUM 2002, 698, 703; Castendyk, Das Urheberrecht und sein
Einfluss auf die Gestaltung der digitalen Satellitenübertragung, in: LfM (Hrsg.), 4. Medienrechtskolloquium, Berlin 2003, i.E.
119
Zusammenhang sind die Listenregelungen der Art. 3a Fernsehrichtlinie und § 5a RStV zu
nennen:
Art. 3a Abs. 1 Fernsehrichtlinie gestattet den Mitgliedstaaten, Maßnahmen gegen Fernsehveranstalter bzw. Rechteinhaber zu ergreifen, durch die bestimmte Ereignisse mit erheblicher
gesellschaftlicher Bedeutung in das frei zugängliche Fernsehen gezwungen werden. Voraussetzung ist eine Liste der als bedeutend erachteten Ereignisse. Art. 3a Abs. 3 der Richtlinie
regelt den grenzüberschreitenden Sachverhalt. Er verpflichtet zur Durchsetzung des Listenprinzips gegenüber den der eigenen Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstaltern in Bezug auf das für einen anderen Mitgliedstaat ausgestrahlte Programm gemäß der dort gültigen
Liste493.
Fernsehrichtlinie Art. 3a:
„(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht Maßnahmen ergreifen,
mit denen sichergestellt werden soll, daß Fernsehveranstalter, die seiner Rechtshoheit unterliegen, nicht Ereignisse, denen der betreffende Mitgliedstaat eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimißt, auf Ausschließlichkeitsbasis in der Weise übertragen, daß einem bedeutenden
Teil der Öffentlichkeit in dem Mitgliedstaat die Möglichkeit vorenthalten wird, das Ereignis im
Wege direkter oder zeitversetzter Berichterstattung in einer frei zugänglichen Fernsehsendung zu
verfolgen. ...
(3) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen des innerstaatlichen Rechts durch geeignete Maßnahmen sicher, daß die ihrer Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstalter die von ihnen nach der
Veröffentlichung dieser Richtlinie erworbenen ausschließlichen Rechte nicht in der Weise ausüben, daß einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit in einem anderen Mitgliedstaat die Möglichkeit vorenthalten wird, die von diesem anderen Mitgliedstaat gemäß den Absätzen 1 und 2
bezeichneten Ereignisse ... zu verfolgen, wie dies von dem anderen Mitgliedstaat gemäß Absatz 1
festgelegt worden ist.“
Im deutschen Recht ist die Regelung in § 5a RStV umgesetzt494.
§ 5a Abs. 1 RStV:
„Die Ausstrahlung im Fernsehen von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung
(Großereignisse) in der Bundesrepublik Deutschland verschlüsselt und gegen besonderes Entgelt
ist nur zulässig, wenn der Fernsehveranstalter selbst oder ein Dritter zu angemessenen Bedingungen ermöglicht, dass das Ereignis zumindest in einem frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in der Bundesrepublik Deutschland zeitgleich oder, sofern wegen parallel laufender Einzelereignisse nicht möglich, geringfügig zeitversetzt ausgestrahlt werden
kann. Besteht keine Einigkeit über die Angemessenheit der Bedingungen, sollen die Parteien
rechtzeitig vor dem Ereignis ein schiedsrichterliches Verfahren nach §§ 1025 ff. der Zivilprozessordnung vereinbaren; kommt die Vereinbarung eines schiedsrichterlichen Verfahrens aus
Gründen, die der Fernsehveranstalter oder der Dritte zu vertreten haben, nicht zustande, gilt die
Übertragung nach Satz 1 als nicht zu angemessenen Bedingungen ermöglicht. Als allgemein zugängliches Fernsehprogramm gilt nur ein Programm, das in mehr als zwei Drittel der Haushalte
tatsächlich empfangbar ist.“
Für Deutschland ist eine Verschlüsselung der Zweitsendung ausgeschlossen, solange nicht
mehr als zwei Drittel der Haushalte über die tatsächliche Möglichkeit verfügen, das Sendesignal zu entschlüsseln. Ob dies auch für die Satellitenübertragung gilt, ist jedoch fraglich, weil
493
S. auch das „Diskussionspapier Überprüfung der Richtlinie ‚Fernsehen ohne Grenzen‘“ der Kommission
zur öffentlichen Anhörung am 4.4.2003, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/avpolicy/regul/reviewtwf2003/twf2003-theme1_de.pdf, abgerufen am 27.3.2003.
494
Zur Umsetzung von Art. 3a Fernsehrichtlinie s. Helberger, AfP 2002, 292.
120
der Ausstrahlungsbereich weit über den deutschsprachigen Raum hinaus geht. Allerdings
würde eine Verschlüsselung der Satellitenübertragung dazu führen, dass die meisten der ca.
10 Mio. Haushalte in Deutschland, die das Satellitensignal direkt empfangen, von diesem
Großereignis ausgeschlossen wären. Dies würde der Intention des § 5a RStV widersprechen.
Daher muss das Kriterium der angemessene Bedingung im Sinn des § 5a RStV dahin gehend
verstanden werden, dass der Konflikt zwischen der gewünschten unverschlüsselten Verbreitung in Deutschland und der über Deutschland oder den deutschsprachigen Raum hinausgehenden tatsächlichen Verbreitung über andere Maßnahmen gelöst wird als dem Verlangen,
die Satellitensignale zu verschlüsseln495.
Ein Beispiel für ein Verschlüsselungsverlangen für die Ausstrahlung über Satellit ist der Streit
um die Ausstrahlung der Fußball WM 2002496. ARD und ZDF hatten von der KirchGruppe
Live-Ausstrahlungsrechte in einem bestimmten Umfang für Deutschland erworben. Unstreitig
umfasste die Lizenz die unverschlüsselte Verbreitung über Kabel und Terrestrik. ARD und
ZDF planten auch die analoge und digitale Satellitenausstrahlung, die europaweit zu empfangen gewesen wäre. Die KirchGruppe hatte sich jedoch gegenüber Lizenznehmern in anderen
Staaten verpflichtet, deren exklusive Ausstrahlung durch solche Empfangsmöglichkeiten
nicht zu gefährden. Insbesondere der spanische Rechteerwerber und Pay-TV-Anbieter Vía
Digital wehrte sich gegen eine unverschlüsselte Satellitenverbreitung. Die praktische Lösung
des Problems löste die rechtlichen Fragen nicht. Vía Digital tolerierte die analoge Ausstrahlung und damit die Empfangsmöglichkeit für spanische analoge Satellitenhaushalte und erhielt im Gegenzug einen Preisnachlass beim Erwerb der Rechte für die WM 2006. Bei der
digitalen Ausstrahlung über Satellit kam es zu keiner gemeinsamen Lösung. Das gegenüber
ARD und ZDF vorgetragene Angebot, die KirchGruppe von eventuellen Schadensersatzforderungen ausländischer Lizenznehmer freizustellen, lehnten ARD und ZDF ab. Eine digitale
Satellitenausstrahlung der WM erfolgte nicht. Der Versuch eines Zuschauers mit digitalem
Satellitenempfänger, die ARD zur digitalen Ausstrahlung per einstweiliger Verfügung zu verpflichten, schlug fehl497.
Die analoge Ausstrahlung wird mit fortschreitender Digitalisierung an Relevanz verlieren.
Beispielsweise verständigten sich ARD, ORB, SFB, ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL sowie die
Medienanstalt Berlin-Brandenburg am 13. Februar 2002 darauf, den terrestrischen Fernsehempfang in Berlin bis Mitte 2003 auf das digitale DVB-T-Format umzustellen498. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Köln/Bonn und im
Ruhrgebiet ab. Laut einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 24. August 1998 soll DVB-T
bis 2010 bundesweit eingeführt sein499.
495
A.A. Diesbach, ZUM 2002, 680, 691, der ein nichtdiskriminierendes Verschlüsselungsverlangen als eine
angemessene Bedingung ansieht. S. Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht-Altes, RStV, § 5a,
Rn. 99 ff.
496
Hauptmann, ZUM 2002, 698, 700; Hege, Zugangsoffenheit, S. 45 ff.
497
Beschluss VG Köln vom 4.6.2002, Az. 6 L 1308/02, dazu Müßig, IRIS 2002-8: 8.
498
Am 31.10.2002 wurde im Ballungsraum Berlin-Brandenburg die erste Umstellungsphase eingeleitet, indem
zwei bisher analog genutzte Kanäle für DVB-T in Betrieb genommen wurden. Pressemitteilung der MABB
vom
31.10.2002,
http://www.mabb.de/start.cfm?content=Presse&template=pressemeldungsanzeige&id=573, abgerufen am
7.11.2002. Die zweite Phase begann am 28.2.2003, Pressemitteilung der MABB vom 26.2.2003,
http://www.mabb.de/start.cfm?content=presse&template=pressemeldungsanzeige&id=600, abgerufen am
3.3.2003. Zur Entwicklung auch Hege, Lagebericht, S. 118 ff.
499
Müßig, IRIS 2002-4: 6.
121
3.3.5.3
Fazit
Das Konzept des Fernsehens ohne Grenzen ist zum einen wirtschaftlich motiviert, Ziel ist der
freie Dienstleistungsverkehr. Zum anderen spielt der kulturelle Aspekt einer europäischen
Rundfunklandschaft eine Rolle. Der grenzüberschreitende Zugang zu Inhalten ist geeignet,
eine europäische Identität zu fördern. Die Frage, welche Rechtsprobleme in der gegenwärtigen Praxis durch das Urheberrecht nicht gelöst sind, ist dahingehend zu beantworten, dass
sich zurzeit alle aufkommenden rechtlichen Probleme vertraglich lösen lassen, und in der
Praxis auch gelöst werden. Gesetzliche Regelungslücken, die das Vertragsrecht schließen
müsste, gibt es nicht500. Nach dem Bericht der Kommission über die Anwendung der Kabelund Satellitenrichtlinie vom 26. Juli 2002501 wird nationales Recht zum Teil nicht richtlinienkonform angewendet. Danach dürfte im deutschen Recht § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG, der dem Urheber die beliebige, auch territoriale, Beschränkung von Nutzungsrechten gestattet, nicht
mehr so ausgelegt werden, dass es zu Zugangsverweigerungen im europäischen Binnenmarkt
kommen kann, die auf fehlenden Senderechten beruhen. Weitere Konsequenzen für die Beschränkung von Senderechten ergeben sich aus dem Sendelandprinzip der Kabel- und Satellitenrichtlinie jedoch nicht. Sichert man den gemeinschaftsweiten Zugang, bleibt die Vergabe
nach Territorien möglich, wenn auch nicht mehr exklusiv.
Das Urheberrecht sieht derzeit keine Möglichkeiten vor, aus Gründen der Vielfalt bestimmte
Inhalte in den Rundfunk zu zwingen. Lediglich das Rundfunkrecht sieht in Art. 3a Fernsehrichtlinie und § 5a RStV Listenregelungen für nationale Ereignisse vor. Daneben ist auf Anbieter von Senderechten das Wettbewerbsrecht anwendbar. Auch der Zugang zu bestimmten
Programminhalten oder zu einem breit gefächerten Angebot an Inhalten im Sinn der Vielfaltssicherung ist derzeit im Urheberrecht nicht verortet. Die allen Güterrechten immanenten Beschränkungen zugunsten des Allgemeinwohls finden sich zwar auch im Urheberrecht
(§§ 45 ff. UrhG), enthalten jedoch keine Regelung des Zugangs im Rundfunkbereich.
3.3.6 Zusammenfassung
Wettbewerbsrechtlich verbietet das Gemeinschaftsrecht, einzelne Unternehmen auf dem
Markt für Kommunikationsdienstleistungen zu bevorzugen. Das Recht auf chancengleichen
Zugang ist bereits in einigen sektorspezifischen Vorschriften enthalten. Es kann nach hier
vertretener Auffasung gegenüber Anbietern von Übertragungskapazitäten bestehen und betrifft daher nicht nur Dekoder, Navigatoren und die Bündelung und Vermarktung von Programmen. Das neue Richtlinienpaket verpflichtet die Mitgliedstaaten, das freie Aushandeln
von Zugangsvereinbarungen zwischen Anbietern von Kommunikationsnetzen oder Zugangsberechtigungsdiensten zu gewährleisten502, sieht jedoch auch die Möglichkeit der nationalen
Regulierungsbehörden vor, den Betreibern Zugangsverpflichtungen aufzuerlegen503. Dies gilt
auch für „zugehörige Dienste“ wie EPG, API504. Der einzige API-Standard, der die Anforderungen des Art. 18 Abs. 1 Rahmenrichtlinie erfüllt, ist derzeit MHP. Die Frage, ob Pro-
500
Auch das Beispiel der Satellitenausstrahlung der WM 2002 durch ARD und ZDF bildet hier keine Ausnahme. Denn es lag keine urheberrechtliche, sondern eine vertragliche Lücke vor.
501
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002) 430 endg., vom 26.7.2002.
502
Art. 3 Abs. 1 Zugangsrichtlinie, Erwägungsgrund Nr. 5 Zugangsrichtlinie.
503
Art. 4 ff. Zugangsrichtlinie.
504
S. Art. 5 Abs. 1 b) i.V.m. Anhang I Teil II der Zugangsrichtlinie.
122
grammveranstalter Rechte auf Zugang zu einem bestimmten Verbreitungsweg aus Art. 4
i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 und/oder Abs. 4 Zugangsrichtlinie herleiten können, wird
vom Richtlinienpaket zwar nicht ausdrücklich beantwortet. Ebensowenig, ob sich ein entsprechender Anspruch, in Abhängigkeit von der Feststellung der Marktgegebenheiten durch die
nationalen Regulierungsbehörden, u.U. aus den Art. 8 ff. Zugangsrichtlinie herleiten lässt. Die
Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass den Programmveranstaltern über die den nationalen
Regulierungsbehörden aus Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 Zugangsrichtlinie und den Mitgliedstaaten aus Art. 5 Abs. 4 Zugangsrichtlinie auferlegten Verpflichtungen möglicherweise
schützenswerte Rechtspositionen eingeräumt werden. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet,
ihre Regulierungsbehörden so zu stellen, dass diese die ihnen an die Hand gegebenen Instrumente nutzen können, um den Zugang des Programmveranstalters zu den Verbreitungswegen
sicherzustellen. Programmveranstalter oder Plattformanbieter, die Zugang zum ASTRA- oder
Eutelsat-Satellitensystem begehren, können darüber hinaus (indirekt) von den Must-CarryVorschriften des Art. 31 Abs. 1 Universaldienstrichtlinie profitieren.
Daneben kann sich Programmveranstaltern der Zugang zum Verbreitungsweg Satellit aus
allgemeinen Wettbewerbsregelungen eröffnen. Dies hängt im Einzelfall von der Situation am
Markt und dabei insbesondere von der Marktabgrenzung ab. Mit Blick darauf, dass die Satelliteninfrastruktur eine wesentliche Einrichtung für Rundfunkveranstalter und Plattformanbieter darstellen kann, lässt sich aus dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden
Stellung im Lichte der essential-facilities-Doktrin die Verpflichtung herleiten, Zugang zu angemessenen Bedingungen einzuräumen. Im Verfahren zur Bestimmung des Vorliegens beträchtlicher Marktmacht nach dem neuen Richtlinienpaket (sektorspezifisches Wettbewerbsrecht) kommt der Kommission durch den Erlass von Empfehlungen und Leitlinien nach Art.
15 Abs. 1 und 2 Rahmenrichtlinie besonderes Gewicht zu. Die Beurteilung, ob ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, obliegt nach Art. 15 Abs. 3 und 16 Abs. 1 Rahmenrichtlinie den nationalen Regulierungsbehörden, die jedoch die Leitlinien und Empfehlungen der Kommission „weitestgehend zu berücksichtigen“ haben. Hinzu kommen umfangreiche Vorgaben zur Ausgestaltung der nationalen Behörden505, so dass der nationale gesetzgeberische Spielraum für den Bereich des Wettbewerbsrechts gering bleibt.
Urheberrechtliche Belange werden tangiert, wenn im Rundfunk urheberrechtlich geschützte
Inhalte verbreitet werden sollen. Dies ist beim überwiegenden Teil der Sendeinhalte der Fall.
Das Urheberrecht ist ein Ausschließlichkeitsrecht, ein absolutes Recht, das dem Urheber die
freie Entscheidung überlässt, ob, wem und wie er die Nutzung seines Werks gestattet. Durch
die Ausübung der Urheberrechte kann also die Verbreitung behindert werden. Ein besonderes
Problem bei der Satellitenausstrahlung ist das der Territorialität. Urheberrechte bestehen jeweils national, dem Urheber steht also ein Bündel an national begrenzten Rechten zu. Die
Satellitenausstrahlung ist dagegen europaweit ausgerichtet.
Dies stellt sich dann als Problem dar, wenn Senderechte nicht europaweit, sondern, wie in der
Vertragspraxis üblich, nach nationalen Grenzen vergeben werden. Das in Art. 1 Abs. 2 b)
Kabel- und Satellitenrichtlinie aufgenommene Sendelandprinzip bestimmt, dass die öffentliche Wiedergabe einer Satellitensendung nur in dem Land stattfindet, von dem sie ausgeht.
Der Ort der öffentlichen Wiedergabe hat dagegen keine Auswirkungen auf die Frage, ob und
nach welchen Kriterien der Rechteinhaber Lizenzen aufteilen und beschränken kann. Mit den
Grundgedanken des Binnenmarktes ist es jedoch nur schwer vereinbar, dass dem (zahlungswilligen) Zuschauer der Zugang zu Inhalten mit dem Argument verwehrt wird, es bestünden
505
Art. 3 ff. und 8 ff. Rahmenrichtlinie.
123
keine Senderechte für das Territorium seines Wohnsitzlandes. Das Urheberrecht sieht derzeit
außerhalb der rundfunkrechtlichen Listenregelung in Art. 3a Fernsehrichtlinie506 keine Möglichkeiten vor, bestimmte Inhalte in den Rundfunk zu zwingen.
506
In Deutschland umgesetzt in § 5a RStV.
124
3.4
Regelungen in anderen Staaten
Nachfolgend sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen einiger Beispielsländer in Bezug auf
die Satellitenverbreitung von Rundfunk, sowie deren Bedeutung für ein zukünftiges Regulierungsmodell untersucht werden. Herangezogen werden die Rechtsordungen zunächst der
Schweiz, die nicht EU-, aber EWR-Mitglied ist und über ein interessantes Reformvorhaben
verfügt, des EU-Mitgliedstaats Österreich, dessen Rechtssystem mit dem deutschen einen
gewissen Verwandtschaftsgrad aufweist, folgend Frankreichs, Spaniens und Großbritanniens,
des Beitrittskandidaten Polen und außereuropäisch der USA. Dabei wird in einem ersten
Schritt die rechtliche Ausgangssituation des Satellitenmarktes in den einzelnen Ländern dargestellt507. An diese Beschreibung schließt sich eine Gesamtbetrachtung an, in der Gemeinsamkeiten oder Trends dargestellt werden, die für ein zukünftiges Regulierungsmodell wegweisend sein könnten.
Fraglich ist, ob urheberrechtlichen Bestimmungen auch im hiesigen Kontext von Interesse
sein könnten. Wie unter 3.3.4.1.3 heraus gearbeitet, ist nach dem urheberrechtlichen Territorialitätsprinzip die räumliche Wirkung des Urheberrechts beschränkt, jeder Staat gewährt Urheberrechte innerhalb seines Staatsgebietes. Der Urheberschutz auf internationaler Ebene
stellt ein Bündel an selbständigen nationalen Rechten dar508. Im Rahmen der Europäischen
Gemeinschaft wird das nationale Urheberrecht durch die Richtlinie 2001/29/EG harmonisiert509, auf internationaler Ebene verpflichtet die RBÜ zur Gewährung bestimmter Mindestrechte510. Hier von Interesse ist jedoch die Rechtslage bei der Satellitenverbreitung urheberrechtlich geschützter Werke über Grenzen hinweg511. Insoweit ist für den Bereich des Urheberrechts auf die Ausführungen in den Kapiteln 3.3.4 und 7 zu verweisen. Soweit erforderlich oder angezeigt, soll vorliegend nurmehr auf urheberrechtliche Besonderheiten im weiteren Sinne, wie z.B. Vorschriften zur Kurzberichterstattung, eingegangen werden.
507
Ausführungen zu den nationalen Marktlagen finden sich oben unter 2.2.1.
508
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 798ff.
509
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.5.2001 zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
ABl. L 167/10 vom 22.6.2001; die Richtlinie ist bis zum 21.12.2002 umzusetzen, Art. 13 Abs. 1.
510
Dazu oben 3.3.4.1.
511
Eine entsprechende Regelung findet sich in der Kabel- und Satellitenrichtlinie (Richtlinie 93/83/EWG des
Rates vom 27.9.1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften
betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, ABl. L 248/15, vom 6.10.1993, Art. 1 und 2).
Zur Umsetzung in nationales Recht schreibt der Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002) 430 endg.,
vom 26.7.2002, S. 5: “Die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 der Richtlinie, die die Übertragung der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte für den Satellitenrundfunk regeln, wurden in allen Mitgliedstaaten
korrekt in nationales Recht umgesetzt.” Zur Anwendung des Sendelandprinzips in den Mitgliedstaaten jedoch oben 3.3.4.1.3.
125
3.4.1 Rechtslage in den einzelnen Beispielsländern
3.4.1.1
Schweiz
3.4.1.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.1.1.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben
In der neuen Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft (BV), die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, sind für den Rundfunk relevant512: Art. 16 (Meinungs- und Informationsfreiheit), Art. 17 (Medienfreiheit) und Art. 93 (Radio und Fernsehen) BV. Art. 16
und 17 BV kodifizieren die Meinungs- und Informationsfreiheit, die bisher als Teilgehalt der
Pressefreiheit in der alten Verfassung verankert war. Die Verfassungsbestimmung über Radio
und Fernsehen enthält einen Leistungsauftrag an ein Rundfunksystem, in dem Radio und
Fernsehen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung beitragen soll. Zudem sollen die Ereignisse sachgerecht und vielfältig dargestellt
werden. Ausdrücklich gewährleistet wird auch die Autonomie in der Programmgestaltung.
Der Rundfunk hat aber auf die Stellung und Aufgabe anderer Medien, vor allem der Presse,
Rücksicht zunehmen. Schließlich können Programmbeschwerden an eine unabhängige Beschwerdeinstanz zur Beurteilung vorgelegt werden.
3.4.1.1.1.2 Einfachgesetzliche Bestimmungen
Regelwerke oder Vorschriften, die explizit die Verbreitung von Rundfunkdiensten über Satellit betreffen, existieren in der Schweiz nicht. Zu erinnern ist diesbezüglich an die schweizerische Marktsituation, wonach die analoge Rundfunkübertragung in der Schweiz derzeit
hauptsächlich über den Übertragungsweg Kabel erfolgt. Rund 2,4 Mio. oder über 90% aller
Schweizer Fernsehhaushalte (entspricht ca. 86% aller Haushalte) sind an das Kabelnetz angeschlossen. Durchschnittlich werden heute insgesamt ca. 40 analoge TV-Progamme und 30
UKW-Radio-Programme angeboten. Dazu kommen noch einige digitale Radio-Programme513.
Die Verbreitung des Rundfunks über verschiedene Übertragungswege (einschließlich Satellit), das Bereithalten von Programmen, in die sich die Abonnenten eines Leitungsnetzes einschalten können, die zeitgleiche, vollständige und unveränderte Weiterverbreitung von Programmen, die von in- oder ausländischen Veranstaltern an die Allgemeinheit gerichtet sind
und drahtlos ausgestrahlt werden, sowie der Empfang514 werden im schweizerischen Radiound Fernsehgesetz (RTVG)515 sowie in der zugehörigen Radio- und Fernsehverordnung
(RTVV) umfassend geregelt. Zentrales Element des Gesetzes ist das Ebenenmodell, in dem
das Konzessionierungssystem für drei Ebenen (lokal/regional, sprachregional/national und
international) unterschiedlich ausgestaltet wird. Ziel dieses Modells ist, unter Berücksichtigung der medienspezifischen Gegebenheiten und der politischen, kulturellen und geographischen Realitäten der Schweiz, die Grundversorgung von Radio- und Fernsehprogrammen im
512
Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen Weber/Dörr, Digitale Verbreitung, S. 93 ff.
513
Weber/Dörr, Digitale Verbreitung, S. 110.
514
Vgl. Art. 1 und 2 RTVG.
515
Zum RTVG Weber/Dörr, Digitale Verbreitung, S. 96 ff.
126
ganzen Land in ausreichendem Maße zu gewährleisten516. Diese Grundversorgung stellt auf
nationaler und sprachregionaler Ebene vor allem die SRG SSR Idée Suisse (SRG) sicher, die
gegenüber anderen Veranstaltern eine Vormachtstellung genießt. "Im Übrigen soll aber Wettbewerb bestehen."517 Damit soll eine "vertikale Konkurrenz zwischen den Veranstaltern verschiedener Ebenen" ermöglicht werden518.
•
Rundfunkaufsicht
Die Programmaufsicht wird von der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen ausgeübt. Gemäß Art. 65 RTVG entscheidet sie im Beschwerdeverfahren, ob Programmbestimmungen des RTVG, seiner Ausführungsvorschriften oder der Konzession verletzt worden sind. Die Verbreitung von Rundfunkprogrammen obliegt grundsätzlich den Veranstaltern
selbst. Für die Weiterverbreitung, ob terrestrisch oder über Kabelnetze, ist eine Konzession
erforderlich (Art. 39 ff. RTVG). Die Kabelnetzkonzession beispielsweise verleiht dem Konzessionär eine Reihe von Rechten (Programme zu empfangen, zu übernehmen oder weiter zu
verbreiten, Informationen über Leitungen zu verbreiten) und überträgt ihm eine Anzahl an
Pflichten. So enthält Art. 42 Abs. 2 auch Weiterverbreitungsverpflichtungen für die Konzessionäre, diese beziehen sich jedoch nur auf die Kabelübertragung. Hinsichtlich der Weiterverbreitung von Programmen im Kabelnetz kommt der SRG eine Privilegierung zu, da gemäß
Art. 42 RTVG alle terrestrisch verbreiteten sprachregionalen Radioprogramme sowie alle
Fernsehprogramme der SRG weiterverbreitet werden müssen.
•
Zulassungsregime
Neben der SRG, die gemäß Art. 26 RTVG von Gesetzes wegen eine Rundfunkkonzession
erhält, können gemäß Art. 31 RTVG auch andere Veranstalter eine Konzession für nationale
und sprachregionale Programme erhalten, wenn die technischen Verbreitungsmöglichkeiten
nach den Sendernetzplänen bestehen und die Möglichkeit der SRG sowie der lokalen und
regionalen Veranstalter, ihre Leistungen zu erbringen, nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
Dem SRG wird dadurch eine besondere Stellung eingeräumt und es ist zu erwarten, dass aus
wirtschaftlichen (finanziellen) Gründen nur eine kleine Zahl von Veranstaltern auf dieser
Ebene tätig sein wird. Insofern dürfte der Rundfunkmarkt auf dieser Ebene "für klassische
Radio- und Fernsehsendungen oligopolistisch strukturiert bleiben"519.
Veranstalter von Radio- und Fernsehprogrammen können auch auf lokaler und regionaler
Ebene tätig werden. Ihr Versorgungsgebiet umfasst Gebiete, die politisch oder geographisch
eine Einheit bilden oder in denen die kulturellen oder wirtschaftlichen Kontakte besonders
eng sind. In der Regel verfügen diese Gebiete über ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten
für die Veranstaltung von Programmen. Die Verbreitung der Programme übernimmt der Veranstalter selbst, oder lässt sie durch Dritte verbreiten. Auf der lokalen und regionalen Ebene
herrscht im Rahmen von Gesetz und Verordnung der freie Wettbewerb unter den Veranstaltern. Veranstalter von internationalen Radio- und Fernsehprogrammen können eine Konzession für ein internationales Radio- oder Fernsehprogramm erhalten, sofern sie die Anforderungen nach Art. 11 RTVG erfüllen. Die Konzession kann Auflagen enthalten über die Pflichten
des Veranstalters, die sich aus völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz ergeben, sowie
516
Mühlemann, Medienpolitik, S. 144.
517
Botschaft RTVG, BGBl. 1987 III 719.
518
Ebd.
519
Weber, Neuordnung, S. 151.
127
bezüglich des Anteils von Eigenproduktionen und schweizerischen Produktionen. Eine zahlenmäßige Beschränkung der Veranstalter ist nicht vorgesehen, aber auch nicht notwendig, da
wegen der spezifischen Eigenheiten dieses Marktes (hoher Finanzbedarf etc.) ohnehin nicht
viele Programmanbieter auf dieser Ebene tätig sein werden.
•
Zugang
Das Radio- und Fernsehgesetz kennt keine Norm, die den Zugang der Zuschauer zum Programm und dabei insbesondere zu digitalen Programmpaketen explizit regelt. Immerhin lassen sich jedoch Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b RTVG und Art. 11 Abs. 1 Buchstabe g RTVG für
diese Problematik heranziehen. Demnach soll das Fernsehen die Vielfalt des Landes und seiner Bevölkerung berücksichtigen und der Öffentlichkeit näher bringen. Die Erfüllung dieses
Integrationsauftrags setzt voraus, dass die Bevölkerung einer Sprachregion auch Zugang zu
Programmen der anderen Sprachregionen hat. Gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe g RTVG darf
ein Rundfunkveranstalter im Sinne einer Konzessionsvoraussetzung die Meinungs- und Angebotsvielfalt nicht gefährden. Diese Norm will den publizistischen Wettbewerb sicherstellen,
der in erster Linie durch das Vorhandensein einer Vielzahl konkurrierender Inhalte gekennzeichnet ist520. Eine Beurteilung des Zugangs der Zuschauer zum Programm hat somit unter
den rundfunkrechtlichen Gesichtspunkten des Integrationsauftrags und der Meinungs- und
Angebotsvielfalt sowie den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten, soweit
anwendbar, zu erfolgen. Neben den Bestimmungen des RTVG sind die allgemeinen kartellrechtlichen Normen wie unzulässige Wettbewerbsabreden (Art. 5 KartellG) oder unzulässige
Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen (Art. 7 KartellG) auch im Rundfunkbereich anwendbar521.
•
Urheberrechtliche Besonderheiten
Eine urheberrechtliche Besonderheit in Bezug auf Exklusivrechte stellt Art. 7 RTVG dar.
Demnach müssen Veranstalter, die mit Dritten Verträge über die exklusive Wiedergabe von
öffentlichen Ereignissen in ihren Programmen abschließen, die Zulassung anderer Veranstalter dulden, welche über das Ereignis berichten wollen, oder anderen Veranstaltern die von
ihnen gewünschten Teile der Wiedergabe zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung
stellen (Art. 7 Abs. 1). Schließt ein Veranstalter einen Exklusivvertrag für die Wiedergabe
öffentlicher Ereignisse von gesamtschweizerischem Interesse, so muss er der Schweizerischen
Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) die vollständige Wiedergabe zu angemessenen Bedingungen überlassen (Art. 7 Abs. 3). Eine derartige Privilegierung der SRG könnte jedoch verfassungsmäßigen Rechten der Veranstalter, welche einen Exklusivvertrag über ein öffentliches Ereignis von gesamtschweizerischem Interesse abgeschlossen haben, zuwiderlaufen522.
Außerdem besteht gemäß Art. 20 RTVV ein Kurzberichterstattungsrecht für alle Veranstalter
über öffentliche Ereignisse, sofern darüber ein Exklusivvertrag abgeschlossen worden ist. Des
Weiteren müssen Fernsehveranstalter, die zur Übertragung eines Ereignisses von erheblicher
520
Entscheid Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK ) vom
8.11.1999, 8.
521
Im Bereich der Kabelverbreitung ist die Entscheidung der Wettbewerbskommission vom 23.9.2002 interessant, durch die der Kabelnetzbetreiber Cablecom verpflichtet wurde, die digitalen Fernsehsignale des Programmveranstalters Teleclub AG einzuspeisen. Eine Beschwerde der Cablecom wies die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen am 20.3.2003 ab (s. Kap. 2.2.4.1). Dagegen kann Cablecom Rechtsmittel beim
Bundesgericht einlegen.
522
Ausführlich dazu: Sidler, Exklusivberichterstattung.
128
gesellschaftlicher Bedeutung523 einen Exklusivvertrag abgeschlossen haben und dadurch einem wesentlichen Teil der Allgemeinheit die Möglichkeit nehmen, es im frei zugänglichen
Fernsehen zu empfangen, anderen Veranstaltern, die das Ereignis unter den genannten Voraussetzungen der Allgemeinheit zugänglich machen wollen, das Übertragungssignal zu angemessenen Bedingungen überlassen (vgl. Art. 20a RTVV).
3.4.1.1.2 Geplante Reform des Rundfunkrechts
In der Schweiz ist eine umfangreiche Reform des bestehenden Rechtsrahmens im Bereich des
Rundfunks geplant. Der Gesetzesentwurf524 beinhaltet im Wesentlichen einen leistungsfähigeren service public und Erleichterungen für private Veranstalter, eine neue Behördenorganisation sowie unterschiedliche Werbe- und Sponsoringvorschriften für die SRG und Private.
Darüber hinaus trägt er insbesondere der zunehmenden Verschmelzung von Rundfunk, Telekommunikation und Informatik (Konvergenz) und der stärkeren Internationalisierung des
Rundfunks Rechnung. Die geplanten Bestimmungen treffen ebenso wie das geltende RTVG
kaum Unterscheidungen hinsichtlich verschiedener Übertragungswege, insbesondere existieren auch im Gesetzesentwurf keine Sondervorschriften für die Satellitenverbreitung. Vielmehr
gelten die gesetzlichen Bestimmungen für den Rundfunk allgemein. Es wird damit gerechnet,
dass der Entwurf etwa zum Ende der 2. Jahreshälfte 2002 den eidgenössischen Räten vorgelegt werden kann. Das neue Gesetz könnte danach frühestens im Jahr 2004 in Kraft treten.
Der Entwurf sieht unter anderem die folgenden wesentlichen Änderungen vor: Zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen soll künftig auf das Fernmelderecht als Infrastrukturrecht
zurückgegriffen werden: Die fernmeldetechnische Übertragung von Radio- und Fernsehprogrammen richtet sich also nach dem Fernmeldegesetz (Art. 37 E-RTVG). Denkbar ist dabei,
dass Veranstalter von Radio- oder Fernsehprogrammen selbst als Fernmeldedienstanbieter
auftreten oder Dritte, die die fernmeldetechnischen Voraussetzungen erfüllen, mit der Programmverbreitung beauftragen (Art. 37 Abs. 2 E-RTVG). Der RTVG-Entwurf sieht außerdem folgende neue Must-Carry-Regelung vor: Für jeden Frequenzblock, der grundsätzlich für
die Rundfunkverbreitung in Frage kommt, ist eine minimale Anzahl von Rundfunkprogrammen zu definieren, die im betreffenden Gebiet zu verbreiten sind (Art. 38 E-RTVG). Die SRG
erhält einen Teil dieser reservierten Rundfunkkapazität zu Vorzugsbedingungen; ebenso andere Veranstalter mit Zugangsrechten (Art. 42 E-RTVG). Den Rest der reservierten Kapazitäten
kann der Netzbetreiber privatautonom weiteren Rundfunkveranstaltern zuteilen. Eine Privilegierung der Rundfunkveranstalter besteht noch insofern, als sie nur untereinander konkurrieren und sich nicht auf den Wettbewerb mit den Fernmeldedienstanbieterinnen einlassen müssen525. Der restliche Teil der Plattform steht dem Netzbetreiber zur freien Verfügung, das heißt
es können darauf sowohl Rundfunkangebote als auch Fernmeldedienste übertragen werden.
„Veranstalter mit Zugangsrechten“ sind nach dem Entwurf private Programmveranstalter, die
Beiträge zur kulturellen Entfaltung und freien Meinungsbildung anbieten wollen. Ihnen sei es
aus wirtschaftlichen Gründen oft nicht möglich, sich im Wettbewerb gegen Telekom- oder
große Rundfunkunternehmen genügend Verbreitungskapazität zu sichern526. Solche Programmveranstalter sollen sich künftig um ausgeschriebene Zugangsrechte bewerben können,
523
Diese Ereignisse werden im Anhang der RTVV aufgelistet.
524
Entwurf
und
Erläuterungen
vom
Dezember
2000
sind
abrufbar
unter
http://www.bakom.ch/de/aktuell/revision_rtvg/entwurf/entwurf_v/index.html, abgerufen am 19.11.2002.
525
Weber/Dörr, Digitale Verbreitung, 214.
526
Erläuterungen zum Entwurf für ein neues Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) vom Dezember 2000, 69.
129
wenn sie bestimmte Voraussetzungen (Art. 44 E-RTVG) erfüllen, z.B. wenn sie im Versorgungsgebiet einen besonderen Beitrag zur Bildung, zur kulturellen Entfaltung und zur freien
Meinungsbildung leisten, das einheimische Kulturschaffen durch Mindestanteile für schweizerische Musik und Filme besonders berücksichtigen, ein mehrsprachiges Programm anbieten, lokale oder regionale Eigenheiten besonders berücksichtigen, einen hohen Anteil an unabhängiger Produktion aufweisen, oder besondere Leistungen für Hörgeschädigte, wie Untertitelung oder Gebärdensprache, erbringen. Es besteht außerdem die Möglichkeit, ausländischbeherrschten Veranstaltern das Zugangsrecht zu verweigern, falls der entsprechende ausländische Staat schweizerisch beherrschten juristischen Personen nicht in ähnlichem Umfang Gegenrechte gewährt.
Der Gesetzesentwurf enthält außerdem eine Medienkonzentrations-Regelung, die weiter geht
als die Bestimmungen des geltenden RTVG. Von Programmveranstaltern mit marktbeherrschender Stellung kann verlangt werden, dass sie vielfaltssichernde Maßnahmen wie die Einräumung von Sendezeit für Dritte, die Zusammenarbeit mit anderen Marktteilnehmern, die
Schaffung einer unabhängigen Programmkommission oder den Erlass eines Redaktionsstatuts
zur Absicherung der redaktionellen Freiheit ergreifen, dass sie die unternehmerischen und
organisatorischen Strukturen des Unternehmens anpassen, oder dass einzelne Unternehmensbereiche oder Beteiligungen aus dem jeweiligen Unternehmen herausgelöst werden.
Neu ist auch die Vorschrift des Art. 54 Abs. 1 E-RTVG. In ihren Regelungsbereich fallen
sowohl technische Vorrichtungen (z.B. Set-Top-Box) wie auch Dienste (z.B. Conditional
Access, Navigationshilfen)527. Anbieter solcher Vorrichtungen oder Dienste sollen dazu verpflichtet werden, Programmveranstaltern oder Fernmeldedienstanbietern Zugang zu chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewährleisten. Dabei
gelten hier die drei Bedingungen nicht absolut, sondern relativ zur Gruppe der Anbieter: Beispielsweise müssen alle Zugangsberechtigen, alle Pay-TV-Veranstalter oder alle Fernmeldedienste innerhalb ihrer Gruppe gleich behandelt werden528. Art. 54 Abs. 2 E-RTVG verlangt,
dass die Navigationshilfen in einem ersten Nutzungsschritt angemessen auf die Programme
der SRG hinweisen müssen. Unter erstem Nutzungsschritt ist zu verstehen, dass nach Einschalten des Geräts eine neutrale (nicht für einzelne Programme werbende) Übersicht über die
verfügbaren Programme erscheinen muss, die gleichwertig zu den übrigen Angeboten auch
die SRG-Programme enthält. Dies soll verhindern, dass die gebührenfinanzierten Programme
in der Flut anderer Programme verschwinden529.
Der Gesetzesentwurf enthält auch ein Entbündelungsgebot (Art. 55 E-RTVG), wonach derjenige, der Programme als gebündelte Pakete anbietet, die technischen Voraussetzungen dafür
schaffen muss, dass Dritte diese Programme auch einzeln verbreiten können. Mit einem Recht
auf Entbündelung soll verhindert werden, dass ein Programmveranstalter einem Netzbetreiber
sein(e) Bouquet(s) aufzwingen kann, bzw. dass letzterer ein attraktives Bouquet nur in die
Programmpalette aufnehmen kann, wenn er gleichzeitig ein weniger Einträgliches mitbezieht.
Die Entbündelung von Programmpaketen soll dem Netzbetreiber zudem die Möglichkeit geben, Basispakete, die er gemäß seinem Must-Carry-Auftrag verbreiten muss, von solchen zu
trennen, die er nicht verbreiten muss530. Das Kurzberichterstattungsrecht wird insofern neu
gestaltet, als neben dem Rundfunkveranstalter mit Exklusivrechten auch der Organisator eines
527
Erläuterungen zum Entwurf für ein neues Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) vom Dezember 2000, S. 76.
528
Ebd., S. 77.
529
Ebd.
530
Ebd., S. 78.
130
öffentlichen Ereignisses verpflichtet wird, jedem interessierten Programmveranstalter die
Möglichkeit zur Kurzberichterstattung zu gewähren.
3.4.1.2
Österreich
3.4.1.2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.2.1.1 Geltendes Recht
Auch in Österreich gibt es in Bezug auf die Satellitenrundfunkübertragung keine Sondervorschriften531. Lediglich im allgemeinen Rundfunkrecht finden sich Bestimmungen, die auch bei
der Satellitenverbreitung zu berücksichtigen sind. Wesentliche Grundlage für die Regulierung
im Rundfunkbereich bilden für den Hörfunk das Privatradiogesetz532 und für das Fernsehen
das Privatfernsehgesetz533 (PrTVG) aus dem Jahre 2001. Daneben ist das ORF-Gesetz534 von
2001 für den österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Bedeutung. So werden
unter anderem folgende Punkte allgemein und unabhängig von einzelnen Übertragungswegen
in den genannten Gesetzen geregelt:
•
Rundfunkaufsicht
Mit dem Erlass des KommAustria-Gesetzes535 (KOG) hat die KommAustria536 die Agenden
der Privatrundfunkbehörde sowie der Kommission zur Wahrung des Regionalradiogesetzes
übernommen, die ebenfalls Kommission zur Wahrung des Kabel- und SatellitenRundfunkgesetzes war. Weiter ist die KommAustria nunmehr zur Vollziehung der Rundfunkfrequenzverwaltung zuständig, die bis dahin von den Fernmeldebehörden wahrgenommen
wurde. Als Geschäftsapparat der KommAustria fungiert die mit 1. April 2001 durch Verschmelzung mit der Telekom Control GmbH neu gegründete Rundfunk und Telekom Regulierungs GmbH (RTR-GmbH)537. Als Rechtsmittelbehörde gegenüber Entscheidungen der
KommAustria sowie als Rechtsaufsichtsbehörde über den Österreichischen Rundfunk wurde
durch das KOG der Bundeskommunikationssenat eingerichtet. Diese unabhängige Behörde
übernimmt neben ihrer Funktion als Berufungsbehörde auch die Aufgaben der bisherigen
Rundfunkkommission. Die Mitglieder des Bundeskommunikationssenats sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisung gebunden. In die Kompetenz der
KommAustria und des Bundeskommunikationssenats fallen
–
–
die Erteilung von Zulassungen für die Veranstaltung von privatem Rundfunk,
die Erteilung von Bewilligungen zum Betrieb von Sendeanlagen,
531
Dies reflektiert auf die Aufhebung des Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetzes aus dem Jahre 1997 im
letzten Jahr; vgl. dazu sogleich.
532
Österreichisches BGBl. I 20/2001.
533
Österreichisches BGBl. I 84/2001.
534
Gesetz über den österreichischen Rundfunk in der Fassung vom 1.1.2002.
535
Gesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates vom 1.4.2001, BGBl. I Nr. 32/2001.
536
Informationen
abrufbar
unter
http://www.rtr.at/web.nsf/deutsch/Ueber+Uns~KommAustria?OpenDocument, abgerufen am 8.11.2002.
537
Informationen
8.11.2002.
abrufbar
unter
http://www.rtr.at/web.nsf/deutsch/Ueber+Uns~RTR,
abgerufen
am
131
–
–
die Frequenzplanung und internationale Koordinierung und
die Rechtsaufsicht über private Rundfunkveranstalter.
Der KommAustria ist mit dem Rundfunkbeirat ein beratendes Gremium zur Seite gegeben.
Vor der Erteilung von Zulassungen muss dem Rundfunkbeirat Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben werden.
•
Zulassungsregime
Bei der Erteilung von Zulassungen muss sich die KommAustria an bestimmten Kriterien orientieren, die im PrTVG festgelegt sind. Zu achten ist auf den Versorgungsgrad, die Gewähr
für größere Meinungsvielfalt und breiteres Programmangebot, den Anteil an eigengestalteten
Programmen, einen regionalen/lokalen Bezug im Programm und die programminhaltliche
Ergänzung zu bereits vorhandenen Hörfunk- und Fernsehprogrammen in der jeweiligen Region. Der Gesetzgeber legte Wert darauf, diese Kriterien nicht als Kulturauftrag wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu formulieren; dennoch soll auch ein kommerziell veranstaltetes Fernsehprogramm "sich der spezifischen Kreativität und des künstlerischen Schaffens
dieses Landes annehmen". Nach der Erteilung der Zulassung (gleichermaßen für bundesweites oder regionales Fernsehen) hat der Inhaber der Zulassung sicherzustellen, dass binnen
zwölf Monaten der Sendebetrieb aufgenommen wird. Weiter ist die KommAustria befugt,
eine Frist festzulegen, binnen der ein bestimmter Versorgungsgrad zu erreichen ist – dieser
Versorgungsgrad wird ebenfalls in der Zulassung festgelegt. Für Satelliten-Rundfunk ist eine
Zulassung durch die KommAustria nötig, Kabel-Rundfunk muss lediglich bei dieser Behörde
angezeigt werden.
Des Weiteren kann die KommAustria Multiplexbetreibern Auflagen erteilen, die den Zugang
von Rundfunkveranstaltern zu Digitalplattformen (und damit auch zu digitalen Satellitenplattformen) betreffen. So hat die KommAustria nach § 25 Abs. 2 PrTVG unter anderem Folgendes sicherzustellen:
–
Digitale Programme und Zusatzdienste müssen unter fairen, gleichberechtigten und
nicht-diskriminierenden Bedingungen verbreitet werden.
–
Für den Fall, dass die digitalen Programme und Zusatzdienste zu einem Gesamtangebot unter einem elektronischen Programmführer (Navigator) zusammengefasst werden, müssen alle digitalen Programme und Zusatzdienste unter fairen, gleichberechtigten und nicht-diskriminierenden Bedingungen für den Konsumenten auffindbar
sein.
–
Alle digitalen Programme und Zusatzdienste müssen in ihrer optischen Gestaltung,
Auffindbarkeit und Übersichtlichkeit gleichberechtigt angeboten werden und ein unmittelbares Einschalten der einzelnen Programme und Zusatzdienste muss ermöglicht
werden.
•
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Die rechtliche Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk übt der Bundeskommunikationssenat aus. Die KommAustria ist für den ORF aber ebenfalls zuständig in den Punkten
der Frequenzverwaltung und Frequenzzuordnung. Nach den in § 12 PrTVG festgelegten Kriterien ordnet die KommAustria die drahtlosen terrestrischen Übertragungskapazitäten sowohl
dem ORF als auch den privaten Fernsehveranstaltern zu. Die Errichtungs- und Betriebsbewilligungen für die Rundfunk-Sendeanlagen des ORF fallen auch in die Zuständigkeit der
KommAustria.
132
•
Must-Carry-Regeln
In Bezug auf Betreiber digitaler Plattformen sieht § 25 Abs. 2 Nr. 2 PrTVG vor, dass die
analog ausgestrahlten Programme des ORF (§ 3 ORF-G) auf Nachfrage und gegen angemessenes Entgelt in das digitale Programmpaket im jeweiligen Versorgungsgebiet eingebunden
sein müssen und dass für ihre Verbreitung ein ausreichendes Datenvolumen zur Verfügung
stehen muss538. Darüber hinaus muss gemäß § 25 Abs. 2 Nr. 3 das Programm jenes Rundfunkveranstalters, dem eine Zulassung für bundesweites analoges terrestrisches Fernsehen
erteilt wurde, auf Nachfrage und gegen angemessenes Entgelt in das digitale Programmpaket
im jeweiligen Versorgungsgebiet eingebunden werden.
•
Medienkonzentrationsregeln
Das Privatfernsehgesetz sieht eine Neufassung der Bestimmungen über die Beteiligung von
Medienunternehmen vor. Zur Sicherung der Meinungs- und Angebotsfreiheit wurden "Überschneidungsregeln" definiert, beispielsweise darf ein Medienunternehmen/Tochterunternehmen nicht gleichzeitig eine bundesweite Zulassung und eine regionale Zulassung
innehaben. Mehrere regionale Zulassungen zu halten ist nur möglich, wenn es keine Überschneidung des zu versorgenden Gebietes gibt. Ein Medienverbund darf in einem Versorgungsgebiet maximal ein terrestrisches Hörfunkprogramm und ein terrestrisches Fernsehprogramm betreiben. Mit einer "Reichweitenregelung" wurde ausgeschlossen, dass jene Medienunternehmen, die mit einer Reichweite über 30% im Medienmarkt (Radio, Kabelnetz,
Tagespresse, Wochenpresse) eine sehr starke Marktposition einnehmen, zusätzlich Rundfunk
veranstalten. Ebenso wurde festgelegt, dass Betreiber aus Nicht-EU-Staaten nicht mehr als
49% der Anteile an einem in Österreich zugelassenen Rundfunkunternehmen halten dürfen.
3.4.1.2.1.2 Umsetzung von EG-Richtlinien
Auf der Grundlage einer im November 1998 vom Ministerrat beschlossenen Regierungsvorlage wurden die Bestimmungen des mittlerweile in das Privatfernsehgesetz eingegliederten
Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetzes erweitert und an die Richtlinie 97/36/EG zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG angeglichen. Die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an die Vorgaben hinsichtlich der TV-Normen-Richtlinie 95/47/EG, deren Bestimmungen in das neue Kommunikations-Richtlinienpaket übernommen wurden, werden die
nächsten Jahre für Diskussionen sorgen. Vorgesehen war in Österreich ab Mitte 2001 eine
restriktive Regelung bezüglich Interface bei Set-Top-Boxen, die Passage wurde jedoch verworfen, als der ORF mit der KirchGruppe handelseins bezüglich der Nutzung der d-Box wurde539. Österreich wird zu diesem Thema die Kommission befragen, da die rechtliche Regelung
restriktiver gewesen wäre als die Richtlinie.
3.4.1.2.2 Entwicklungen im Bereich des digitalen Fernsehens
Vom Bundeskanzler wurde die Arbeitsgemeinschaft "Digitale Plattform Austria"540 eingerichtet, die "dafür sorgen soll, dass Österreich im Bereich des digitalen Fernsehens nicht den
538
Zu oben § 25 Abs. 2 PrTVG oben Spiegelstrich „Zulassungsregime“.
539
Nach Insolvenz der KirchGruppe wurde im Juli eine neue Vereinbarung zwischen dem ORF und BetaResearch über die Lizenzierung von Betacrypt getroffen, s. DocuWatch Digitales Fernsehen 3/02, S. 18.
540
Informationen zur Digitalen Plattform sind abrufbar unter
http://www.rtr.at/web.nsf/deutsch/Rundfunk~Digitale+Plattform+Austria, abgerufen am 8.11.2002.
133
Anschluss verliert". Die KommAustria muss gemäß § 21 PrTVG ein Digitalisierungskonzept
für die Einführung von digitalem Rundfunk erstellen – die Arbeitsgemeinschaft soll sie dabei
unterstützen. Österreich wird sich am Ballungsraum Berlin orientieren, da dort bereits Ende
2003 der analoge terrestrische Fernsehempfang abgestellt werden soll und die dort gesammelten Erfahrungen relativ leicht auf Österreich umgelegt werden könnten.
3.4.1.3
Frankreich
3.4.1.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.3.1.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben
Da die französische Verfassung vom 4. Oktober 1958 keinen Grundrechtskatalog und damit
auch kein Grundrecht auf Rundfunk- oder Meinungsfreiheit enthält, wird als Quelle für die
Rundfunkfreiheit auf Art. 11 der Menschenrechtsdeklaration von 1789 zurückgegriffen.
Art. 11 der Menschenrechtsdeklaration erklärt die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen zu einem der wertvollsten Menschenrechte. Jeder Bürger könne "frei reden, schreiben
und drucken, vorbehaltlich seiner Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in
den durch das Gesetz bestimmten Fällen“. Der Verfassungsgerichtshof (Conseil Constitutionnel) stellt zu dieser Vorschrift seit seinem Grundsatzurteil vom 27. Juli 1982 zum Rundfunkgesetz541 in ständiger Rechtsprechung fest, dass es Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Kommunikationsfreiheit – und damit auch die Freiheit, Gedanken und Meinungen mit den Mitteln der
audiovisuellen Kommunikation zu verbreiten, – einerseits mit technischen Beschränkungen,
denen die audiovisuelle Kommunikation unterliegt, und andererseits mit den Verfassungswerten in Einklang zu bringen. Zu den Verfassungswerten zählen in diesem Zusammenhang
die Sicherheit der öffentlichen Ordnung („ordre public“), die Achtung der Freiheit anderer
und die Gewährleistung des Meinungspluralismus.
3.4.1.3.1.2 Einfachgesetzliche Bestimmungen
Grundlegendes Regelwerk für den Rundfunk ist das Kommunikationsfreiheitsgesetz (KFG)
von 1986542, das durch zahlreiche Durchführungsverordnungen ergänzt und durch weitere
Rechtsakte geändert wurde. In ihm werden die Regulierungsziele und -instrumente auch in
Bezug auf die Satellitenverbreitung festgelegt. Die wesentlichen Vorgaben des rundfunkrechtlichen Rahmens werden im Folgenden auszugsweise dargestellt, soweit sie für die
Satellitenverbreitung von Bedeutung sind.
•
Rundfunkaufsicht
Durch Gesetz vom 17. Januar 1989 wurde die Rundfunkaufsicht dem Conseil supérieur de
l’audiovisuel (CSA) übertragen. Art. 1 KFG legt fest, dass der CSA eine unabhängige Behörde („autorité indépendante“) ist, die zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften verpflichtet ist. Seine Autonomie wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass er sein Budget nach Art. 7 KFG nicht selbst bestimmen kann, sondern diesbezüglich lediglich ein Vorschlagsrecht hat. Eine verfassungsrechtliche Verankerung des CSA
konnte bislang, mangels der hierfür erforderlichen parlamentarischen Mehrheit, nicht erreicht
541
Conseil Constitutionnel, Décision n° 82-141 vom 27.7.1982, Journal Officiel vom 29.7.1982, 2422.
542
Loi n° 86–1067 über die Kommunikationsfreiheit vom 30.9.1986 (KFG).
134
werden. Der CSA ist für die Lizenzerteilung, für die Verwaltung terrestrischer Frequenzen,
die Überwachung der Einhaltung rundfunkrechtlicher Vorgaben durch die Rundfunkveranstalter und für die Sanktionierung bei entsprechenden Verstößen zuständig.
•
Satellitenfernsehen
Durch Gesetz vom 1. August 2000 wurde die Rechtsordnung in Bezug auf Satellitenfernsehen
neu gestaltet. Die anwendbaren Bestimmungen sind nun in Art. 34-2 des KFG niedergelegt.
Betreiber von Satellitenplattformen sind demnach dazu verpflichtet, sich vor Aufnahme ihrer
Tätigkeit beim CSA anzumelden. Die dabei einzureichenden Unterlagen müssen die geplante
Angebotsstruktur, die Vermarktungsstrategien sowie die finanzielle und wirtschaftliche Situation des Betreibers erkennen lassen. Innerhalb eines Monats kann der CSA durch eine begründete Entscheidung der Anmeldung oder Teilen davon widersprechen, wenn das geplante
Angebot nicht den gesetzlichen Anforderungen des KFG entspricht. Rundfunkveranstalter,
die ihre Dienste auch über Satelliten verbreiten möchten und noch keine Lizenz (Rundfunkzulassung) für eine andere Art der Verbreitung besitzen, müssen mit dem CSA gemäß
Art. 33-1 ein Übereinkommen (convention) über die wesentlichen Bedingungen einer solchen
Erlaubnis im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Kriterien schließen543. Diese "convention"
legt für den betreffenden Dienst einzelne Verpflichtungen fest und bestimmt gleichzeitig auch
Regulierungsmaßnahmen und Sanktionen, die dem CSA zur Verfügung stehen, um die Einhaltung der Konventionsbestimmungen gewährleisten zu können. Die "convention" kann, im
Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, eine gestufte Anwendung ihrer Bestimmungen vorsehen,
z. B. je nach Anzahl der erreichten Haushalte, wobei der Zeitraum einer solchen Progression
fünf Jahre nicht überschreiten darf544.
•
Must-Carry-Bestimmungen
Art. 34-2 KFG sieht vor, dass Satellitenbetreiber ihren Empfängern/Kunden den internationalen Dienst, der Teil der audiovisuellen Betätigung Frankreichs im Ausland ist (dabei handelt es sich um das Programm TV5), kostenlos anbieten müssen. Des Weiteren müssen gemäß
Art. 34-3 alle Anbieter von Satellitendiensten innerhalb Frankreichs die öffentlich-rechtlichen
Programme sowie den europäischen Kulturkanal ARTE kostenlos verbreiten, außer in dem
Fall, dass die Veranstalter der genannten Programme einen solchen Satellitendienst als mit
ihrem öffentlichen Auftrag unvereinbar beurteilen. Für die französischen überseeischen Departements gelten gesonderte Bestimmungen.
•
Verschlüsselung / Conditional Access Services
Zugangsberechtigungsdienste werden seit der Änderung des KFG durch das Gesetz vom
1. August 2000 im neugefassten Art. 95 geregelt. Ziel dieser Bestimmung ist es, marktbeherrschende Positionen der Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten für Pay-TV und digitale
Fernsehdienste zu verhindern, indem der offene Zugang zu diesen Diensten sichergestellt
wird. Vom Vorschreiben eines einzigen Dekoders mit allen bestehenden Zugangskontrollsystemen (Multicryptverfahren) wurde ebenso abgesehen wie von der Verpflichtung der Satellitenplattformbetreiber, gleichzeitig (im Simulcryptverfahren) mit den TV-Signalen alle
Zugangsberechtigungsdaten sowie die zugehörige Software weiterzuverbreiten. Gemäß Art.
95 des KFG muss ein Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten den Anträgen der Veran-
543
Diese Kriterien wurden in der Kabel- und Satelliten-Verordnung n° 2002-140 vom 4.2.2002 niedergelegt.
544
Vgl. Art. 33 Abs. 3 KFG.
135
stalter digitaler Rundfunkdienste unter gleichen, angemessenen und nicht-diskriminierenden
Bedingungen entsprechen, wenn sich die Anträge auf die Bereitstellung technischer Dienste
beziehen, die für den Empfang ihrer Angebote durch die Berechtigten notwendig sind. Ebenso
gewährleistet die Vorschrift den Zugang der Anbieter digitaler Dienste zu der bestehenden
Dekoder-Auswahl.
Andere digitale Zusatzdienste oder technische Ausstattungsmerkmale von Dekodern wie
elektronische Programmführer oder gemeinsame Programmschnittstellen (API) werden in
Frankreich bislang nicht gesetzlich geregelt.
•
Medienkonzentrationsregeln
Durch Urteil vom 18. September 1986545 stellte der französische Verfassungsgerichtshof fest,
dass die für das KFG vom 30. September 1986 vorgesehenen Regelungen zur Konzentrationsbekämpfung nicht hinreichend geeignet seien, die Bündelung von Meinungsmacht in den
Händen weniger zu verhindern. Nach Ansicht der Verfassungsrichter war die darin enthaltene
Beteiligungsbeschränkung in Bezug auf die Anteile an einem einzelnen, landesweit terrestrisch sendenden Fernsehsender für die Sicherung des Meinungspluralismus nicht ausreichend. Vielmehr hielten sie eine Begrenzung der Gesamtzahl der Anteile für notwendig, die
an verschiedenen Fernsehgesellschaften in diesem Sektor gehalten werden dürfen. Darüber
hinaus forderten sie, dass sich die Konzentrationsregeln nicht auf die Erfassung von Kumulation und Beteiligungen im audiovisuellen Bereich beschränken sollten, sondern auch alle anderen Kommunikationsmedien einbeziehen müssten.
In der Folge erließ der französische Gesetzgeber ein umfassendes System von AntiKonzentrationsregeln, das zum überwiegenden Teil in das KFG eingegliedert wurde546. Die
französischen Konzentrationsregeln begrenzen sowohl die Anzahl der Zulassungen, die eine
Person im Fernsehbereich erwerben kann, als auch den Anteil, den eine Person an einer zugelassenen Fernsehgesellschaft halten darf. Der Regulierungsansatz folgt in Frankreich also
nicht einem Marktanteils-, sondern einem Beteiligungsmodell.
So darf z.B. gemäß Art. 39-2 KFG eine einzelne Person oder ein Unternehmen nicht mehr als
die Hälfte des Kapitals oder der Stimmanteile an einem Rundfunkveranstalter halten, der sein
Programm ausschließlich über Satellit verbreiten darf. Wenn eine einzelne Person oder ein
Unternehmen mehr als ein Drittel des Kapitals oder der Stimmanteile an einem solchen Veranstalter hält, darf er nicht gleichzeitig mehr als ein Drittel des Kapitals oder der Stimmanteile
an einem Programmveranstalter mit einer vergleichbaren Lizenz halten. Zusätzlich darf bei
einer Beteiligung über 5% an zwei Programmveranstaltern mit vergleichbaren Lizenzen keine
Beteiligung über 5% an einem weiteren Veranstalter vorliegen547. Art. 41548 des KFG sieht
zum einen vor, dass jedermann Träger von bis zu fünf digitalen Fernsehprogrammen sein
545
Conseil Constitutionnel, Décision n° 86–217 vom 18.9.1986, Journal officiel vom 19.9.1986.
546
Insbesondere durch Gesetz vom 1.8.2000 (Loi n° 2000-719, JO du 2.8.2000, p. 11903) zur Änderung des
KFG, sowie durch zwei weitere Gesetze (Loi n° 2001-420 du 15.5.2001 relative aux nouvelles régulations
économiques, JO du 16.5.2001; loi n° 2001-624 du 17.7.2001 portant diverses dispositions d'ordre social,
éducatif et culturel, JO du 18.7.2001, art. 17, p. 11502).
547
Siehe auch: Kleist, Regulierung der Medienkonzentraion in Europa, Vortrag gehalten auf den Medientagen
München 2002, Panel 2.4 "Regulierung der Medienkonzentration in Europa: Perspektiven für Deutschland", (zugleich EMR-Expertengespräch) am 17.10.2002, abrufbar unter http://www.emr-sb.de.
548
Vgl. Art. 41 KFG in der Fassung von 2001.
136
kann549, zum anderen, dass ein Unternehmen nicht mehr als zwei Lizenzen in Bezug auf die
Verbreitung eines Fernsehdienstes über Satellit erhalten darf550.
Um die vertikale Integration zwischen Plattform- und Inhalteanbietern zu begrenzen, sieht
Art. 34-2 (speziell für den Übertragungsweg "Satellit") vor, dass eine Verordnung einen Mindestanteil von Programmen festlegt, die von den Plattformbetreibern unabhängig sind. Diese
Verordnung wurde bislang allerdings noch nicht erlassen. Die Konzentrationskontrolle für
Medienunternehmen wird im Zusammenspiel von CSA (im Hinblick auf die Wahrung von
Meinungspluralität und kultureller Vielfalt) und dem Wirtschaftsminister, der vom Conseil de
la concurrence (im Hinblick auf wirtschaftliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte) beraten
wird, ausgeübt551. Während der Wirtschaftsminister im Falle wettbewerbswidriger oder wettbewerbsgefährdender Zusammenschlüsse meldepflichtige Fusionen nach Konsultation des
Conseil de la concurrence untersagen kann, entscheidet der CSA, ob eine rundfunkrechtliche
Zulassung wegen übermäßiger Konzentration nicht erteilt, nicht verlängert oder entzogen
wird, ohne die Zulässigkeit der Fusion als solche zu prüfen552. Dennoch gibt es bei beiden
Kontrollverfahren gemeinsame Schnittstellen. So schreibt Art. 41-4 KFG vor, dass der Conseil de la concurrence in Prüfverfahren, die audiovisuelle Unternehmen betreffen, die Stellungnahme des CSA einzuholen hat. Für die Abgabe einer solchen Stellungnahme hat der
CSA ab der Unterrichtung einen Monat Zeit. Andererseits soll der CSA den Conseil de la
concurrence über wettbewerbsgefährdende Konzentrationen im audiovisuellen Sektor informieren, wenn er von ihnen Kenntnis erlangt553.
3.4.1.3.1.3 Umsetzung von EG-Richtlinien
Sowohl die Bestimmungen der Fernseh-Richtlinie als auch der TV-Normen-Richtlinie wurden durch Gesetz vom 1. August 2000, welches das KFG von 1986554 ändert, in französisches
Recht umgesetzt. Die Bestimmungen der Kabel- und Satellitenweiterverbreitungs-Richtlinie
wurden durch Gesetz vom 27. März 1997 in das französische Urheberrecht übertragen.
3.4.1.4
Spanien
3.4.1.4.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.4.1.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben
Die zentrale verfassungsrechtliche Bestimmung für den Rundfunk ist Art. 20 der spanischen
Verfassung von 1978, der die Meinungsfreiheit schützt. Gemäß Art. 20.1.d wird hiervon das
549
Art. 41 Abs. 3 KFG in der Fassung von 2001.
550
Art. 41 Abs. 4 KFG in der Fassung von 2001.
551
Die wettbewerbsrechtliche Konzentrationskontrolle im audiovisuellen Sektor ist erst durch das Gesetz vom
1.8.2000 wieder in das französische Recht eingeführt worden. Der französische Gesetzgeber war der Ansicht, dass die allgemeinen Wettbewerbsbehörden bei undurchschaubaren Kapitalverschiebungen die Fusionsvorgänge eher beurteilen könnten. Außerdem sah er die Gefahr, dass der CSA durch verstärkte vertikale
Integration von Medienunternehmen seine Einwirkungsmöglichkeiten verlieren könnte, auch wenn der audiovisuelle Sektor betroffen sei. Vgl. Bullinger, JZ 2002, 264, 266.
552
So Bullinger, JZ 2002, 264, 266.
553
Vgl. Art. 41-4 Abs. 23 und 3 KFG.
554
Loi n° 86–1067 vom 30.9.1986 (KFG).
137
Recht auf freien und wahrheitsgemäßen Empfang von Informationen, unabhängig von der Art
ihrer Verbreitung geschützt. Außerdem werden in Art. 149.1.27 die Kompetenzen für die Bereiche Telekommunikation und Rundfunk festgelegt. Demnach obliegt dem Staat die Regulierung des Telekommunikationssektors und insbesondere aller technischen Aspekte der Rundfunkübertragung. Der Gesetzgeber hat für diese Bereiche den rechtlichen Rahmen zu schaffen, dessen Um- und Durchsetzung obliegt dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie und der CMT (Telekommunikationsaufsichtsbehörde).
Im Bereich der Medien (einschließlich Rundfunk) hat der Staat gemäß Art. 149.1.27 die
grundlegenden Gesetze der regionalen Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Kompetenzen
der autonomen Regionen anerkannt. Auf nationaler Ebene wird das sich hieraus ergebende
Medienrecht ebenfalls vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie und teilweise
auch vom CMT angewandt. Da das Ausstrahlungsgebiet der Satelliten das ganze Land umfasst, werden Satellitenfernsehprogramme als "nationaler" Rundfunk eingeordnet.
Auf regionaler Ebene erkennen die verschiedenen Gesetzgeber Durchsetzungsmaßnahmen an,
die jeweils von den zuständigen regionalen Ministerien und zum Teil auch von unabhängigen
Regulierungsbehörden (z.B. in den autonomen Regionen Catalanien und Navarra) vorgenommen werden.
3.4.1.4.1.2 Einfachgesetzliche Bestimmungen
Das spanische Rundfunkrecht beinhaltet einige Bestimmungen, die sich unmittelbar an die
Satellitendiensteanbieter richten und die im Folgenden dargestellt werden. Dabei ist anzumerken, dass in Spanien beinahe jeder Rundfunkdienst, ob öffentlich oder privat, je nach Übertragungsart gesonderten Rechtsakten555 unterliegt. Die beiden grundlegenden Regelungswerke
des Rundfunkrechts hingegen556 legen allgemeine Regulierungsgrundsätze für die Rundfunkveranstaltung fest, und enthalten die wesentlichen Bestimmungen zur Inhalte-Regulierung.
Der überwiegende Teil dieser Bestimmungen richtet sich daher an die Rundfunkveranstalter,
nur in einigen Fällen adressieren sie sich gezielt an Kabelnetzbetreiber oder an die Anbieter
digitaler Pay-TV-Plattformen. Folgende Regulierungsbereiche enthalten Bestimmungen, die
die Satellitenverbreitung betreffen:
•
Erteilung von Rundfunklizenzen:
Satellitenfernsehen ist in Spanien ein liberalisierter Dienst. Anbieter von Satellitenfernsehdiensten erhalten von der CMT auf Antrag eine Genehmigung in standardisierter Form, wenn
sie nachweisen können, dass sie die gesetzlichen Anforderungen557 in Bezug auf Satellitenfernsehdienste erfüllen. Sie müssen sich außerdem mit den Satellitenbetreibern, die von der
CMT eine Einzellizenz erhalten haben, über die Modalitäten der Verbreitung einigen. Die
555
Dabei handelt es sich um: Gesetz 4/1980 (öffentliches, nationales terrestrisches Fernsehen); Gesetz 46/1983
(öffentliches, regionales Fernsehen); Gesetz 10/1988 (privates, nationales Fernsehen); Gesetz 41/1995 (lokales terrestrisches Fernsehen); Gesetz 44/1997 (digitales, terrestrisches Fernsehen); Gesetz 37/1995 (Satellitenfernsehen); Gesetz 42/1995 (Kabelfernsehen); Gesetz 21/1997 (Liste der besonderen Ereignisse).
556
Dabei handelt es sich zum einen um das Radio- und Fernsehstatut von 1980 und zum anderen um das Gesetz zur Umsetzung der Fernsehrichtlinie (Gesetz 17/1995).
557
Diese ergeben sich aus folgenden Bestimmungen: Art. 1.1 des Satellitenfernseh-Gesetzes (Gesetz 37/1995);
Art. 5 der Verordnung 136/1997 zur Regulierung technischer Aspekte und über das Anbieten von Satellitenfernsehdiensten; Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der TV-Normen-Richtlinie 17/1997.
138
Einzellizenz an die Satellitenbetreiber wird gemeinsam durch die CMT und das Ministerium
für Wissenschaft und Technologie, das für die Frequenzverwaltung zuständig ist, vergeben.
•
Medienkonzentrationsregelungen
Beteiligungsgrenzen hat der Gesetzgeber lediglich für Veranstalter digitaler Satellitenfernsehdienste vorgesehen. Gemäß der vierten Übergangsbestimmung des Gesetzes 17/1997 ist eine
Regelung des Art. 19.1 des Privatfernsehgesetzes558 auch auf Satellitenfernsehdienstanbieter
anwendbar. Demnach darf ein Unternehmen direkt oder mittelbar nicht mehr als 49% der
Anteile eines Lizenznehmers halten. Diese Beschränkung soll aber nur insoweit gelten, als die
Regierung nicht aufgrund einer bindenden Empfehlung des CMT erklärt, dass im Satellitensektor genügend Wettbewerb herrscht559.
•
Regeln in Bezug auf die vertikale Integration
Fernsehdiensteanbieter unterliegen in einigen Fällen Verpflichtungen, die sich auf Märkte
beziehen, die dem Fernsehmarkt vor- oder nachgelagert sind. So verpflichtet z.B. Art. 7.c des
Gesetzes 17/1997 die Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten und damit die Anbieter der
Digital-Plattformen, allen unabhängigen Diensteanbietern und Rundfunkveranstaltern Zugang
zu den technischen Mitteln, die für den Empfang ihrer Dienste erforderlich sind, zu angemessenen, transparenten und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Art. 7.c enthält
ebenfalls die Bestimmung, dass Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen560 40% ihrer
Übertragungskapazitäten für unabhängige Inhalteanbieter bereithalten müssen, vorausgesetzt
es besteht eine entsprechende Nachfrage.
•
Receiver
Das Gesetz 17/1997 sieht vor, dass Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen "offene"
Dekoder verwenden müssen. Diese "Offenheit" kann sich entweder daraus ergeben, dass die
Dekoder auf einem Multicrypt-System basieren, oder weil ein entsprechender Zugang zwischen den Eigentümern der Dekoder (Plattformbetreiber) und anderen Fernsehdiensteanbietern vereinbart wird. Solche Vereinbarungen werden von der CMT überwacht, die im Falle
eines Verstoßes gegen das Offenheitsgebot dazu ermächtigt ist, die rechtlichen, technischen
oder wirtschaftlichen Bedingungen für unmittelbar offene Dekoder zu schaffen.
558
Gesetz 10/1988.
559
Nach Information von europemedia.net sieht ein neuer Vorschlag der Regierung vor, die Beteiligungsgrenzen aufzuheben. Weiter soll demnach ein einzelnes Unternehmen künftig mehr als 5% der Anteile zweier
verschiedener
Rundfunkveranstalter
halten
können.
Abrufbar
unter
http://www.europemedia.net/shownews.asp?ArticleID=13077, abgerufen am 29.10.2002. Der geplanten
Fusion der digitalen Pay-TV-Plattformen Canal Satélite Digital und Via Digital stimmte das spanische
Kartellamt am 15.11.2002 unter Auflagen zu. Das neue Unternehmen dürfte danach u.a. die Fußballrechte
der ersten spanischen Liga nur für jeweils drei Jahre erwerben. Ein durch die spanische Regierung zu bestimmender Teil der Kanäle der neuen Plattform müsste dritten Anbietern zur Verfügung gestellt werden.
Die vorangegangene Entscheidung der Kommission vom 14.8.2002 nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a) Fusionskontrollverordnung
ist
abrufbar
unter
http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/cases/decisions/m2845_es.pdf, abgerufen am 19.11.2002.
Der spanische Minister für Wissenschaft und Technologie Piqué deutete laut einer Meldung der epd medien
an, Telefónica müsse sich entscheiden, ob sie ihre Beteiligung am Fernsehsender Antena 3 oder die an Vía
Digital aufgebe, epd medien Nr. 91 vom 20.11.2002, S. 22. Am 29.11.2002 genehmigte die spanische Regierung die Fusion unter Auflagen.
560
Gemeint sind auch hiermit die Betreiber der digitalen Pay-TV-Plattformen.
139
•
EPG und API
Für EPG enthält das spanische Recht bislang keine Regelungen. Hinsichtlich der Verwendung
von offenen API haben die wichtigsten spanischen Rundfunkveranstalter im Februar 2002
eine Erklärung verabschiedet, die die künftige Verwendung von MHP als offenen Standard
empfiehlt, bislang wird MHP jedoch noch von keinem der Veranstalter eingesetzt.
3.4.1.4.1.3 Umsetzung von EG-Richtlinien
Nahezu alle561 medienrelevanten Richtlinien wurden bislang ins spanische Recht umgesetzt.
So findet sich die Umsetzung der Fernsehrichtlinie im spanischen Gesetz 25/1994562. Die TVNormen-Richtlinie wurde durch das Gesetz 17/1997563 in das spanische Recht eingegliedert,
die Bestimmungen der Kabel- und Satellitenrichtlinie wurden zusammen mit anderen urheberrechtlichen Richtlinien in die Verordnung 1/1996 zum Urheberrecht aufgenommen. Die
meisten dieser Rechtsakte entsprechen im Wortlaut den jeweiligen Richtlinientexten. Das
neue Kommunikations-Richtlinienpaket wird voraussichtlich keinen wesentlichen Umsetzungsbedarf im spanischen Medienrecht hervorrufen, da die spanische Rechtsordnung die
meisten Regulierungsgrundsätze und -maßnahmen bereits beinhaltet.
3.4.1.5
Großbritannien
3.4.1.5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.5.1.1 Bestimmungen mit Bedeutung für die Satellitenverbreitung
Der Rechtsrahmen für den Bereich des Rundfunks, einschließlich der Satellitenverbreitung,
wird im Wesentlichen vom Broadcasting Act von 1990 und den (ersteren abändernden und
ergänzenden) Broadcasting Act 1996 vorgegeben564. Mit dem Gesetz von 1990 wurde die Independent Television Commission (ITC) gegründet, die als reine Regulierungsbehörde für die
Lizenzvergabe und Regulierung des gesamten kommerziellen Rundfunks in Großbritannien
zuständig ist. Sie reguliert die Rundfunkveranstalter, mit Ausnahme der BBC, sowohl in
technischer als auch in inhaltlicher Hinsicht, unabhängig davon, ob sie ihre Programme über
Satellit, Kabel oder auf terrestrischem Weg verbreiten. Satellitenbetreiber und -dienstanbieter
benötigen allerdings zusätzlich zur Rundfunklizenz (Rundfunkzulassung) der ITC eine telekommunikationsrechtliche Lizenz, die ihnen bislang die TelekommunikationsRegulierungsbehörde Office of Telecommunication (OFTEL) erteilt.
Die Erteilung von Lizenzen für Satellitenfernsehdienste wird im Broadcasting Act in einem
gesonderten Teil behandelt. Die frühere Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Satellitendiensten danach, ob eine britische Frequenz zur Übertragung genutzt wird,
561
Mit Ausnahme der Richtlinie 98/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen
Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten. Vgl. hierzu die Pressemitteilung der Kommission IP/02/455 vom 22.3.2002.
562
In der Fassung der Änderungsgesetze 22/1999 und 15/2001.
563
In der Fassung der Änderungsverordnung 16/1997.
564
Dieser Rechtsrahmen wird durch verschiedene untergeordnete Rechtsakte ergänzt und konkretisiert. Für
Satellitenfernsehdienste ist insbesondere die Rundfunk-Verordnung über Satellitenfernsehen vom
10.7.1997 von Bedeutung.
140
wurde 1997565 aufgehoben. Demnach benötigt jeder Satellitenfernsehdienstanbieter mit Sitz in
Großbritannien eine Rundfunklizenz (Satellite Television Service Licence), unabhängig davon, ob der Empfang der Dienste in einem anderen Land bezweckt ist oder ob die Dienste
direkt oder über die Einspeisung in ein Kabelnetz an die Empfänger weitergeleitet werden.
Der Lizenznehmer wird dazu verpflichtet Übertragungssysteme zu verwenden, die mit Art. 2
der TV-Normen-Richtlinie566 in Einklang stehen. Inhaltlich müssen die angebotenen Dienste
die in den ITC-Codes über Programminhalte, Werbung und Sponsoring niedergelegten Anforderungen erfüllen. Auch wettbewerbsrelevante Verpflichtungen sind in der Lizenz enthalten. So darf der Lizenznehmer keine Praktiken anwenden oder Vereinbarungen eingehen, die
für den Wettbewerb im Bereich der lizenzierten Dienste nachteilig wären. Außerdem muss
der Lizenznehmer die Empfehlungen, Vorschriften und Leitlinien der ITC hinsichtlich des
Wettbewerbsverhaltens befolgen.
Ende 2000 existierten 325 geltende Satellitendienstlizenzen. Dennoch gibt es in Großbritannien tatsächlich nur einen Anbieter (BSkyB), von dem die Zuschauer Rundfunkinhalte über
eine (digitale) Satellitenplattform beziehen. Die meisten anderen Anbieter, die eine ITCLizenz erhalten haben, zielen mit ihrem Angebot auf bestimmte ethnische Gruppen in und
außerhalb Großbritanniens, aber auch auf Publikum in anderen europäischen Ländern ab.
Für Anbieter von Fernsehdiensten sind neben den Bestimmungen der beiden Broadcasting
Acts auch einige Vorschriften aus dem Bereich des Telekommunikationsrechtes von Bedeutung. So enthält die Verordnung über fortgeschrittene Fernsehdienste567 Bestimmungen, wonach Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten (Conditional Access Services) eine telekommunikationsrechtliche Lizenz von der Regulierungsbehörde OFTEL benötigen. Bei dieser Genehmigung handelt es sich um eine Gruppenlizenz, die für Anbieter verschiedener
Dienste, wie z.B. Anbieter von Verschlüsselungsdiensten, von Kunden- bzw. Abonnentenverwaltungsdiensten und Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten, gleichermaßen gilt.
Den Anbietern wird durch die Lizenz auferlegt, ihre Dienste zu gleichen, angemessenen und
nicht-diskriminierenden Bedingungen bereitzustellen, unabhängig vom Grad ihrer
Marktmacht im jeweils relevanten Markt. OFTEL hat in Bezug auf die Interpretation der Verordnung und der Lizenzbestimmungen einige Leitlinien erlassen568.
Auch die ITC beschäftigte sich bereits mit Zugangsberechtigungsdiensten. Sie führte 1998
eine öffentliche Konsultation zu Interoperabilitätsstandards von Verschlüsselungssystemen
durch, mit dem Ziel sicherzustellen, dass Zuschauer genügend Vertrauen haben, in digitales
Fernsehen zu investieren. Nach Ansicht der ITC ist hierfür Voraussetzung, dass das erworbene Equipment für digitales Fernsehen Zugang zu sämtlichen digitalen Diensteplattformen
ermöglicht. Die Konsultation führte zu einer Festlegung technischer Spezifikationen für alle
digitalen Plattformen. Satelliten- und Kabeldienstanbieter werden hierdurch zwar nicht ver-
565
Auf Grund der Entscheidung des EuGH, C-222/94, Slg. 1996, I-4025 – Kommission/Vereinigtes Königreich, durch die Rundfunk-Verordnung über Satellitenfernsehen vom 10.7.1997, S.I. 1997/1174.
566
Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anwendung von Normen für die
Übertragung von Fernsehsignalen, vom 24.10.1995, ABl. L 281/51 vom 23.11.1995.
567
Advanced Television Services Regulations 1996 (SI 1996/3151 und SI 1996/3197), mit denen die Richtlinie 95/47/EG in britisches Recht umgesetzt wurde.
568
Terms of supply of conditional access: Oftel guideline, vom 22.10.2002, abrufbar unter
http://www.oftel.gov.uk/publications/broadcasting/2002/cagu1002.htm, abgerufen am 8.11.2002. Eine
Streitigkeit zwischen ITV und der Servicegesellschaft von BSkyB, SSSL ltd., über die Angemessenheit der
geforderten Entgelte wurde am 22.10.2002 durch Oftel zu Gunsten letzterer entschieden, Pressemitteilung
OFTEL abrufbar unter http://www.oftel.gov.uk/press/releases/2002/pr61_02.htm, abgerufen am 8.11.2002.
141
pflichtet, "plug-in-modul-Versionen" der von ihnen bereitgestellten und auf proprietären
Technologien basierenden Receiver zu unterstützen; bei Fernsehgeräten, die CA-Systeme als
festen Bestandteil integriert haben, muss jedoch die Möglichkeit gegeben sein, Systeme konkurrierender Anbieter ebenfalls anzuschließen. In Bezug auf elektronische Programmführer
(EPG) hat die ITC darüber hinaus einen Verhaltenskodex569 aufgestellt, der den Anbietern von
EPG's eine Reihe von Pflichten auferlegt, um sicherzustellen, dass Rundfunkveranstalter einen chancengleichen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Zugang zu den angebotenen
Diensten erhalten570. So darf z. B. ein Anbieter eines EPG, der gleichzeitig auch Rundfunkveranstalter ist, seinen eigenen oder zugehörigen Fernsehdiensten keinen Vorrang einräumen
und es darf kein Unterschied zwischen dem Zugang zu seinen Diensten und denen anderer
Rundfunkveranstalter bestehen.
Der Broadcasting Act von 1990 in der Fassung von 1996 enthält in seinem Anhang 2 auch
einige allgemein für Medienunternehmen geltende Konzentrationsregeln. Demnach dürfen
z.B. keine Programmlizenzen (Rundfunkzulassungen) erteilt werden, wenn ein Gesamtzuschaueranteil von 15% überschritten wird. Außerdem enthält der Anhang einige Bestimmungen zur Beschränkung medienübergreifender Beteiligung von Unternehmen an Programmveranstaltern. Diesbezüglich ist von Bedeutung, dass es kein rechtliches Hindernis für Zeitschriftenverleger gibt, eine Satellitenrundfunklizenz zu erhalten. Die geltenden Medienkonzentrationsbestimmungen werden allerdings im Zuge einer umfassenden Reform des Rundfunkrechts geändert werden, wobei der Trend eher dahin geht, die bestehende Regulierung zu
lockern571.
3.4.1.5.1.2 Umsetzung von EG-Richtlinien
Zu den für die vorliegende Untersuchung relevanten Richtlinien zählen insbesondere die
Fernsehrichtlinie572 und die Kabel- und Satellitenweiterverbreitungsrichtlinie573.
•
Fernsehrichtlinie
Die umgesetzten Bestimmungen dieser Richtlinie finden sich im gesamten rundfunkbezogenen Rechtsrahmen wieder, es existiert also kein Regelungswerk, das speziell nur die Vorgaben der Richtlinie umsetzt. So wurde das Sendestaatsprinzip aus Art. 2 der Richtlinie ursprünglich in Art. 43 des Broadcasting Act von 1990 umgesetzt, später jedoch wurde diese
Vorschrift durch die Satellitenfernsehverordnung von 1997 ersetzt. Der Broadcasting Act von
1990 enthält darüber hinaus noch die Bestimmung, dass Rundfunksendungen in bestimmten
569
ITC Code of Conduct on Electronic Programme Guides, June 1997.
570
Zum Streit über die Platzierung der BBC im EPG von BSkyB siehe die Meldung des MediaGuardian vom
31.3.2003, abrufbar unter http://media.guardian.co.uk/broadcast/story/0,7493,926660,00.html, abgerufan
am 3.4.2003.
571
Draft Communication Bill, abrufbar unter www.communicationsbill.gov.uk; abgerufen am 8.11.2002,
sowie – zum aktuellen Stand der Beratungen – DocuWatch Digitales Fernsehen 3/02, S. 11f. Vgl. dazu
auch sogleich.
572
Richtlinie 89/552/EWG zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (Fernsehrichtlinie), vom 3.10.1989, ABl. 298/23 vom
17.10.1989, geändert durch die Richtlinie 97/36/EG vom 19.6.1997, ABl. L 202/60 vom 30.7.1997.
573
Richtlinie 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften
betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, vom 27.9.1993, ABl. L 248/15 vom 6.10.1993.
142
Fällen verboten werden können. Gemäß Art. 177 kann der Staatssekretär durch Verfügung574
und auf Empfehlung der ITC die Ausstrahlung "inakzeptabler" ausländischer Satellitensendungen verbieten. Als inakzeptabel gelten Sendungen, die gegen den Anstand oder die guten
Sitten verstoßen oder die zu Kriminalität anregen oder eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen können. In dieser Bestimmung spiegelt sich die in Art. 2 in Verbindung mit
den Art. 22 und 22a der Fernsehrichtlinie enthaltene Ermächtigung wider, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, bestimmte Rundfunksendungen innerhalb ihres Staatsgebietes zu untersagen. Teil IV des Broadcasting Acts enthält die Regeln über die gesellschaftlichen Ereignisse
von besonderer Bedeutung, die in Art. 3a der Fernsehrichtlinie erwähnt sind. Die weiteren
inhaltsbezogenen Bestimmungen der Fernsehrichtlinie werden durch entsprechende Leitlininien und Codes der ITC umgesetzt.
•
Kabel- und Satellitenrichtlinie
Diese Richtlinie wurde mit der Copyright and Related Rights Regulation 1996 umgesetzt.
Durch diese Verordnung wurde der Copyright, Patents and Designs Act 1988 (CPDA) geändert, die Richtlinienvorgaben in Bezug auf die Satellitenweiterverbreitung finden sich im Wesentlichen in Art. 6 sowie in Art. 144A des CPDA. Darin enthalten ist auch das Herkunftslandsprinzip, wonach Rechtsverstöße bei der Satellitenweiterverbreitung nach dem Recht des
Landes beurteilt werden, in dem die Signale in das Kommunikationssystem zum ersten Mal
eingespeist wurden.
•
Bedeutung des neuen Kommunikations-Richtlinienpakets
Der rundfunkrechtliche Rahmen wird derzeit in Großbritannien im Hinblick auf die technische Konvergenz zwischen Rundfunk und Telekommunikation grundlegend überarbeitet575.
Bei dem Entwurf eines Kommunikationsgesetzes wurde die Gelegenheit ergriffen, auch die
Vorgaben des neuen Richtlinienpakets zu implementieren. Bereits dem Titel des Gesetzesentwurfes "Communication Bill" ist zu entnehmen, dass die darin enthaltenen Vorschriften
sowohl den Bereich der Telekommunikation als auch den Bereich des Rundfunks sowie anderer Kommunikationsdienste betreffen. Mit Blick auf die Besitzverhältnisse im digitalen Satellitenfernsehen, das durch die Satellitenplattform BSkyB wesentlich geprägt wird, sieht der
Regierungsentwurf vor, die zuständigen Minister zu ermächtigen, einen Must-CarryVorbehalt anzubringen, sollten wirtschaftliche Vereinbarungen der Beteiligten nicht zu einem
zufriedenstellenden Ergebnis führen. Auch Regelungen in Bezug auf Zugangsberechtigungssysteme (Conditional Access Systeme) und Programmschnittstellen (API) sind im Entwurf
vorgesehen. Des Weiteren werden die Zuständigkeiten und Pflichten der bereits neu gegründeten Regulierungsbehörde576 OFCOM festgelegt, die sowohl für die Regulierung von Kommunikationsnetzen als auch von Kommunikationsdiensten verantwortlich sein wird. Insgesamt werden sämtliche Vorgaben der einzelnen Richtlinien durch das geplante Kommunikationsgesetz und durch untergeordnete Rechtsakte umgesetzt.
574
Z.B. Foreign Satellite Proscription Order SI 1997/1150.
575
Die britische Regierung legte am 20.11.2002 ihren abschließenden Entwurf zur neuen Kommunikationsgesetzgebung
vor,
abrufbar
unter:
http://www.parliament.the-stationeryoffice.co.uk/pa/cm200203/cmbills/006/2003006.htm, abgerufen am 22.11.2002.
576
Vgl. Gesetz über die Errichtung des "Office of Communications" 2002, 19.3.2002.
143
3.4.1.6
Polen
3.4.1.6.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.6.1.1 Geltendes Recht
Die wesentlichen rundfunkrechtlichen Bestimmungen finden sich im polnischen Telekommunikationsgesetz577 sowie im Rundfunkgesetz578. Beide Regelungswerke enthalten lediglich
allgemeine Vorgaben, die sich nicht auf einen bestimmten Verbreitungsweg (z.B. Satellit)
oder Dienst beziehen. Das Telekommunikationsgesetz regelt die Kompetenzen der Aufsichtsinstanzen im Telekommunikations- und Rundfunkbereich und legt fest, dass ausschließlich
der National Rundfunkrat (KRRiT) für die Erteilung von Rundfunkzulassungen unabhängig
von der Art der Programmverbreitung zuständig ist, und dass er die Registrierungsbehörde für
Programme, die über das Kabelnetz verbreitet werden, darstellt. Außerdem wird die Zusammenarbeit des KRRiT mit dem Amt für die Regulierung von Post und Telekommunikation
(URT) geregelt.
Frequenzen werden, im Anwendungsbereich des Art. 37 des Rundfunkgesetzes, vom Präsidenten des KRRiT in Abstimmung mit dem Präsidenten des URT vergeben. Gemäß Art. 37
Abs. 3 erfolgt die Frequenzvergabe bei Erteilung der Rundfunkzulassung. Das bedeutet, dass
die Vergabe unabhängig vom Übertragungsweg der zu verbreitenden Signale ist und zeitlich
mit der Zulassungserteilung zusammenfällt. In Bezug auf die technischen Parameter der Signalübertragung579 muss die Erteilung der Rundfunkzulassung mit dem Präsidenten des URT
abgestimmt werden580. Vom Zulassungserfordernis sind öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter allerdings ausgenommen. Die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erforderlichen
Frequenzen werden per Beschluss vom KRRiT in Absprache mit dem URT festgelegt. Außerdem enthält das geltende Rundfunkgesetz in Art. 35 eine Bestimmung zur Medienkonzentration. Demnach darf eine Zulassung nicht erteilt werden, wenn das Stammkapital des Antragstellers zu mehr als 33% aus ausländischen Quellen stammt, oder wenn ausländische Unternehmen durch vertragliche Vereinbarung mehr als 33% der Stimmanteile besitzen.
Von den genannten Regelungen abgesehen enthält das geltende polnische Recht keine Vorschriften, die für den Zugang zu einzelnen Diensten oder Übertragungswegen (wie etwa die
Satellitenverbreitung) relevant sind. Insbesondere hinsichtlich digitaler Rundfunkdienste existieren keine gesonderten Bestimmungen. Aufgrund der zahlreichen Veränderungen im Rundfunkbereich durch die Digitalisierung wird in Polen bereits an einer umfassenden Reform des
geltenden Rechts gearbeitet.
3.4.1.6.1.2 Reformpläne
Obwohl der KRRiT kein Initiativrecht zur Einbringung von Gesetzen besitzt, hat er bereits
1997 vorgeschlagen, den digitalen Rundfunk im Rundfunkgesetz zu regulieren. Erneut reichte
der KRRiT 1999 bei der Regierungskanzlei einen Änderungsvorschlag in Bezug auf das
577
Telekommunikationsgesetz vom 21.7.2000, in der Fassung der letzten Änderung vom 1.3.2002.
578
Rundfunkgesetz vom 29.12.1992, zuletzt geändert durch das Telekommunikationsgesetz vom 21.7.2000.
579
Diese werden in Art. 37 Abs. 1, Nummer 3 des Rundfunkgesetzes genannt.
580
Vgl. Art. 37 Abs. 3 des Rundfunkgesetzes.
144
Rundfunkgesetz ein. Dieser Vorschlag legte ausführlich dar, in welchen Bereichen aufgrund
der Entwicklung digitaler Technologien Regulierungsbedarf besteht. Die vorgeschlagenen
Änderungen befassten sich z. B. auch mit Anbietern von Zugangsberechtigungsdiensten und
elektronischen Programmführern. Im neuesten Entwurf vom Februar 2002 werden zusätzlich
neue Begriffsbestimmungen in Bezug auf digitale Technologien eingeführt und Marktregelungen für Rundfunkveranstalter vorgesehen.
Konkret fordert der KRRiT derzeit unter anderem folgende Änderungen:
–
Betreiber von Zugangsberechtigungssystemen sollen dazu verpflichtet werden, ihre Dienste
zu angemessenen, gleichen und nicht-diskriminierenden Bedingungen anzubieten. Die technisch
zu erfüllenden Voraussetzungen sollen durch Verordnungen des KRRiT nach Inkrafttreten der
Änderungen konkretisiert werden. Diese Verordnungen sollen auch die Anforderungen für EPG's
festlegen.
–
Außerdem wird gefordert, den terrestrischen digitalen Rundfunk zu lizenzieren und die digitale Satellitenverbreitung zu registrieren.
–
Die im geltenden Art. 35 vorgeschriebenen Beteiligungsbeschränkungen sollen ab dem
Zeitpunkt des Beitrittes zur EU aufgehoben werden, für nicht EU-angehörige Unternehmen sollen die Beteiligungsgrenzen auf 49% angehoben werden.
–
In einem neugefassten Art. 36 soll festgelegt werden, dass eine Rundfunkzulassung nicht
erteilt werden darf, wenn die Verbreitung der Programmdienste des Antragstellers zu einer
marktbeherrschenden Stellung führen würde.
Aktuell ist im Hinblick auf den geplanten Beitritt zur EU auch die Umsetzung des neuen
Kommunikations-Richtlinienpaketes in polnisches Recht von großer Bedeutung. Derzeit ist
allerdings noch nicht absehbar, welche konkreten Änderungen im Rundfunkgesetz und im
Telekommunikationsgesetz auf Grund des neuen Rechtsrahmens vorzunehmen sind581.
3.4.1.7
USA
3.4.1.7.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1.7.1.1 Geltendes Recht
Die beiden bedeutendsten Gesetzesgrundlagen für die Medienindustrie in den USA sind der
1992 Cable Act und der 1996 Telecommunications Act, der trotz seines Namens nicht nur die
Grundlagen für die Deregulierung der Telekommunikationsbranche gelegt hat, sondern auch
zahlreiche Bestimmungen für Rundfunk, TV-Kabel- und Satellitenbetreiber enthält. So erlaubte es der 1996 Telecommunications Act beispielsweise anderen Infrastrukturbetreibern,
etwa Telefongesellschaften, erstmals, über ihre Infrastruktur Fernsehprogramme zu verbreiten. Die wichtigste, speziell auf den Satellitenfernseh-Bereich zugeschnittene gesetzliche Bestimmung ist der Satellite Home Viewers Improvement Act (SHVIA) von 1999582. Demnach
dürfen Satelliten-TV-Betreiber Kunden mit lokalen Sendern ihrer eigenen Region versorgen.
Die zuvor geltende Beschränkung auf landesweite Sender war ein signifikanter Wettbewerbsnachteil für die Satellitenanbieter. In einer Übergangsphase während der Jahre 2000 und 2001
581
Es wird jedoch allgemein angenommen, dass nach Abschluss des Europäischen Rats von Brüssel, der die
letzte Phase der Beitrittsverhandlungen mit den Kandidatenländern einleitete, die Umsetzung des acquis
communautaire einen verstärkten Anpassungsdruck ausüben wird. Die polnische Rundfunk- und Telekommunikationsordnung wird damit auch die hier einschlägigen Bestimmungen der TV-Normen-Richtlinie
in ihrer Neufassung durch die Zugangs- und Universaldienst-Richtlinien zügig aufzunehmen haben.
582
Abrufbar unter http://www.fcc.gov/mb/shva/shviafac.html, abgerufen am 8.11.2002.
145
konnten die Betreiber zunächst wählen, welche lokalen Kanäle sie ausstrahlen. Seit dem
1. Januar 2002 müssen sie in jeder Region, in der sie sich für die Ausstrahlung von Lokalsendern entscheiden, alle Sender anbieten, die einen entsprechenden Antrag stellen. Eine Klage
von Echostar gegen diese “Must-Carry-rule” wurde im Juni 2002 abgewiesen. Bei der Abgrenzung der Regionen teilt die Federal Communications Commission (FCC) die USA in 212
einzelne Medienmärkte teilt.
Derzeit strahlen Echostar und DirecTV in 42 dieser Märkte lokale Sender aus. Beide Unternehmen hatten jedoch Fusionspläne bekanntgegeben. Für den Fall, dass der Zusammenschluss
genehmigt worden wäre583, hatten sie die Ausweitung der lokalen Angebote auf zunächst 100
Märkte zugesagt. In dem Maß, in dem durch die Zusammenlegung der Satellitenfrequenzen
und die Eliminierung von Doppelausstrahlungen zusätzlicher Sendeplatz verfügbar würde,
sollte das Angebot auf alle Märkte in den USA ausgedehnt werden.
Abgesehen von den genannten gesetzlichen Bestimmungen ist für die US-amerikanische
Rundfunkregulierung die FCC von zentraler Bedeutung. Ihr obliegt sowohl die Ausarbeitung
von Einzelregelungen, ihre Überwachung, die Lizenzvergabe, die Streitentscheidungsbefugnis, und die Genehmigung von Fusionen im Medien- und Kommunikationsbereich. Die FCC
wurde 1934 durch den Federal Communications Act gegründet und ist von staatlichem Einfluss relativ unabhängig. So können die vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats auf 5
Jahre ernannten Kommissionsmitglieder nicht abgesetzt werden. Seit ihrer Gründung ist die
FCC auch für die Regulierung des Telekommunikationssektors zuständig, so dass sie in der
Lage ist, durch die Konvergenz auftretende Probleme umfassend eigenständig angehen zu
können.
Lizenzen (Rundfunkzulassungen) werden von der FCC unter Berücksichtigung der Kriterien
des öffentlichen Nutzens, Interesses oder Bedarfs vergeben. Lizenzen müssen für Rundfunksender alle fünf Jahre und für Hörfunksender alle sieben Jahre erneuert werden. In Bezug auf
Beteiligungen ausländischer Unternehmen sehen die Lizenzbedingungen vor, dass Gesellschaften mit ausländischen Direktoren oder mit einem ausländischen Kapitalanteil von mehr
als 20% keine Rundfunklizenzen erhalten dürfen. Im Hinblick auf die Medienkonzentration
hat die FCC einige Besitzregeln (sog. "ownership rules") erlassen. Diese Regeln verbieten
derzeit, dass
•
ein Unternehmen, das sowohl Übertragungsinfrastruktur als auch Programm-inhalte besitzt, Exklusivverträge zwischen diesen beiden Einheiten abschließt. In einer weitergehenden Auslegung sind Exklusivverträge zwischen vertikal integrierten Medienunternehmen und Kabelbetreibern generell untersagt (Program Access Rule). Die FCC verlängerte
im Juni 2002 die Gültigkeitsdauer der 1992 eingeführten Regelung um weitere fünf Jahre
bis Oktober 2007.
•
ein Unternehmen Fernsehsender besitzt, die zusammen mehr als 35% aller Zuschauer erreichen (National Television Ownership Rule).
•
ein Unternehmen eine Zeitung und einen Fernsehsender im gleichen lokalen Markt besitzen darf. Lediglich gleichzeitiger Besitz, der vor Erlass der Regel im Jahr 1975 bereits bestand, ist weiterhin erlaubt (Newspaper-Broadcast-Ownership-Rule).
583
Die FCC hat die Fusion am 10.10.2002 (Pressemitteilung FCC abrufbar unter
http://hraunfoss.fcc.gov/edocs_public/attachmatch/DOC-227263A1.pdf, abgerufen am 8.11.2002) untersagt, zu den generellen Überlegungen in diesem Zusammenhang vgl. nachstehend 3.4.1 7.1.2.
146
•
ein Unternehmen mehr als 30% der gesamten Kabelhaushalte in den USA mit seinem
Netz bedient (National Cable Ownership Rule). Diese Regelung, die in der Folge des
1992 Cable Act erlassen wurde, wurde jedoch kurz nach ihrer Einführung von einem Gericht angefochten und daher nie umgesetzt.
•
ein Unternehmen mehr als acht Radiosender in einer Region besitzen darf.
•
ein Unternehmen mehr als zwei Fernsehsender in einer Region besitzen darf. Gibt es in
der Region weniger als acht unabhängige Medien-Betriebe, liegt die Obergrenze bei einem Fernsehsender. Darüber hinaus darf kein Unternehmen zwei Sender besitzen, die
beide zu den vier größten in einer Region gehören (Local Television Ownership Rule, ergänzt 1999).
Darüber hinaus überwacht die FCC die Preis- und Vertragsgestaltung von Programmanbietern, deren (Mutter-) Konzerne auch Kabelbetreibern gehören, um die Diskriminierung von
Wettbewerbern, vor allem Satelliten-TV-Betreibern, beim Einkauf dieser Programminhalte zu
verhindern. Die Regeln der FCC untersagen es den vertikal integrierten Sendern, Infrastrukturbetreiber außerhalb ihres eigenen Konzerns beim Preis oder sonstigen Vertragsbedingungen zu benachteiligen. Sie verbieten außerdem dem Kabelbetreiber, die Verhandlungen mit
Konkurrenten zu beeinflussen584.
3.4.1.7.1.2 Öffentliche Diskussion und Reformpläne
Die Ausgestaltung der Fusionskontrolle und der Medienlizenzierung dergestalt, dass sowohl
wirtschaftliche Freiheit als auch die größtmögliche Informationsvielfalt gewahrt bleiben, ist
ein Schwerpunkt in der derzeitigen Diskussion über eine umfassende Reform der Regeln, auf
denen die Medienregulierung der FCC beruht585. Auch die genannten Besitzregeln sollen neu
gefasst werden, um die bisherigen Einzelerlasse durch ein kohärentes Regelwerk zu ersetzen586. Außerdem plant die FCC, im Anschluss an diese Reform Regelungen zum gleichzeitigen Besitz von Kabel- und Satelliten-TV-Betreibern zu erlassen.
584
In der Praxis erweist sich die Überwachung dieser Regeln als schwierig, wie die zahlreichen Beschwerden
kleiner Infrastrukturbetreiber bei der FCC zeigen. Nicht-Kabel-Infrastruktur-Betreiber, neben den Satellitenbetreibern vor allem Unternehmen, die Fernsehen, Telefon und Internetzugang per Glasfaserleitung an
Privathaushalte abgeben, berichten von Schwierigkeiten, Programminhalte von vertikal integrierten Kabelbetreibern sowie von unabhängigen Programmanbietern zu beziehen, da letztere häufig Exklusivverträge
mit großen Kabelbetreibern vorziehen. Die Federal Communications Commission (FCC) verlängerte am
13.6.2002 bis zum 5.10.2007 das an Kabelgesellschaften gerichtete Verbot, Exklusivverträge über die
Weiterleitung von Fernsehprogrammen abzuschließen. Damit ist abgesichert, dass auch die Bereiche des
Landes, die nicht via Kabel, sondern via Satellit versorgt werden, diese Programme empfangen können.
Auch kleinere, regionale Kabelunternehmen profitieren von dieser Regel. Der amerikanische Kongress
hatte bestimmt, dass das Verbot am 5.10.2002 auslaufen sollte, hatte aber gleichzeitig die FCC ermächtigt,
zu überprüfen, ob es aufrecht zu erhalten sei. Die FCC entschied, dass das Verbot der Exklusivverträge
weiterhin benötigt werde, um Wettbewerb und Vielfalt zu erhalten und zu schützen.
585
Jüngst veröffentlichte die FCC zwölf von ihr erstellte Studien, die die Reform der Medienkonzentrationsbestimmungen vorbereiten soll. Die Übersicht ist abrufbar unter http://www.fcc.gov/ownership/studies.html,
abgerufen am 21.11.2002. Eine Übersicht über die Regelungen findet sich unter
http://www.fcc.gov/ownership/, abgerufen am 21.11.2002. Zur Diskussion der Zugangsansprüche von Internet Service Providern zum Breitbandkabel in den USA Wagner, MMR 2001, 659.
586
Die Ausarbeitung eines solchen Regelwerks begann im Mai 2002 und wird mindestens ein Jahr dauern.
147
Ein weiteres Diskussionsthema, das die Medienkonzentration betrifft, war die geplante587 Fusion der beiden Satelliten-TV-Betreiber Echostar und DirecTV. Eines der wichtigsten Kriterien für die Entscheidung der FCC war, wie sie die regional unterschiedliche Wettbewerbssituation in den USA zu bewerten hatte. Denn während in vielen städtisch geprägten Gebieten
die Satelliten-Betreiber häufig die einzige Konkurrenz zu dem örtlichen Kabelbetreiber darstellen, sind sie in ländlichen Gebieten, die nicht von Kabelnetzen versorgt werden, meist die
einzigen Anbieter von nicht frei empfangbaren Sendern. Für Haushalte außerhalb der Reichweite von Kabelnetzen hätte die Fusion von DirecTV und Echostar die Verringerung der Zahl
der Anbieter von zwei auf nur noch einen bedeutet. Die dann zweifellos zur Entstehung gelangte Marktmacht eines einzelnen großen Satelliten-TV-Betreibers mit 16 Millionen Abonnenten und zweistelligen jährlichen Zuwachsraten betrachteten die Befürworter der Fusion als
nötiges Gegengewicht zur Konzentration der TV-Kabel-Betreiber. Dort steht der Kauf von
AT&T Broadband durch Comcast kurz vor dem Abschluss588, was einen marktführenden Anbieter mit 22 Millionen Kunden und einem Marktanteil von knapp unter 30% schaffen wird,
etwa doppelt so groß wie der nächstgrößte Kabelbetreiber AOL Time Warner.
3.4.2 Zusammenfassung
Betrachtet man die Ergebnisse der Auslandsuntersuchung, so wird deutlich, dass nicht nur in
Deutschland, sondern auch in den untersuchten Ländern die Verbreitung von Rundfunk über
Satellit nicht im Mittelpunkt des Interesses der letzten Zeit stand. Dies liegt zum Teil darin
begründet, dass die Rundfunkversorgung in einigen Ländern zu einem hohen Prozentsatz
durch andere Verbreitungswege gewährleistet wird, wie etwa das Beispiel Spanien zeigt589.
Daneben gilt auch für das Ausland, dass die Verbreitung über Satellit bisher gut funktionierte.
Ein Länderbeispiel, in dem das Problem der Vielfaltssicherung explizit und umfassend für
den Bereich der Satellitenverbreitung erkannt wurde, Lösungen diskutiert und anschließend
umgesetzt wurden, gibt es nicht.
Die Zugangsberechtigung der Fernsehzuschauer und -veranstalter zu digitalen Fernsehdiensten in der Europäischen Gemeinschaft ist in Richtlinie 95/47/EG geregelt, siehe dazu die
Ausführungen unter 3.3.2.1.2590. Interessant ist jedoch der Ansatz der Schweiz, Anbieter tech-
587
Die FCC hat die Fusion am 10.10.2002 (Pressemitteilung FCC abrufbar unter
http://hraunfoss.fcc.gov/edocs_public/attachmatch/DOC-227263A1.pdf, abgerufen am 8.11.2002) untersagt. Das US-Justizministerium hat aus den gleichen Gründen am 31.10.2002 eine kartellrechtliche Klage
gegen die Fusion vor dem U.S. District Court in Washington, D.C., erhoben. Die Pressemitteilung des USJustizministeriums ist abrufbar unter http://www.usdoj.gov/opa/pr/2002/October/02_at_631.htm, abgerufen
am 21.11.2002. Nach aktuellen Pressemeldungen ist Rupert Murdochs News Corporation (wieder) an einer
Übernahme von DirecTV interessiert. Vgl. z.B.
http://media.guardian.co.uk/broadcast/story/0,7493,846235,00.html, abgerufen am 28.11.2002.
588
Die FCC hat am 13.11.2002 den Transfer von Lizenzen und sonstigen Rechten von AT&T Corp. und Comcast Corp. auf die durch die Fusion entstehende AT&T Comcast Corp. genehmigt. Die Entscheidung steht
unter der Bedingung, dass AT&T Comcast seinen Anteil an Time Warner Entertainment L.P. (TWE) unter
Treuhandverwaltung stellt und sich innerhalb von fünfeinhalb Jahren nach dem Abschluss des Deals vollständig von dieser Beteiligung trennt. Die Entscheidung der FCC ist abrufbar unter
http://hraunfoss.fcc.gov/edocs_public/attachmatch/FCC-02-310A1.pdf, abgerufen am 21.11.2002. Das USamerikanische Justizministerium wird nicht gegen die Fusion vorgehen (Pressemitteilung vom 13.11.2002
abrufbar unter http://www.usdoj.gov/opa/pr/2002/November/02_at_671.htm, abgerufen am 21.11.2002).
589
Zu den nationalen Marktlagen oben 2.2.1.
590
Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anwendung von Normen für die
Übertragung von Fernsehsignalen, vom 24.10.1995, ABl. L 281/51 vom 23.11.1995, die Richtlinie war
umzusetzen bis 24.11.1996, Art. 8 Abs. 1, Art. 9.
148
nischer Vorrichtungen (z.B. Set-Top-Box) und Dienste (z.B. Conditional Access, Navigationshilfen) zu verpflichten, Programmveranstaltern oder Fernmeldediensteanbietern Zugang
zu chancengleichen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren,
wobei die Bedingungen relativ zur Gruppe der Anbieter gelten: Z.B. müssen alle Zugangsberechtigen, alle Pay-TV-Veranstalter oder alle Fernmeldedienste innerhalb ihrer Gruppe gleich
behandelt werden591.
Bezüglich des Zugangs der Zuschauer zu Inhalten ist die Handhabe der SRG interessant, die
ihre digitalen Programme verschlüsselt ausstrahlt: Gegen eine einmalige Pauschale und eine
Jahresgebühr können Schweizer Bürger, die außerhalb der Schweiz wohnen, die erforderlichen Smart-Cards erwerben592. Dagegen sind Smart-Cards zur Dekodierung der über Satellit
verschlüsselt ausgestrahlten ORF1 und ORF2 außerhalb Österreichs unter Hinweis auf die
Urheberrechtslage nicht erhältlich593. Bezüglich des Zugangs der Programmanbieter ist die
Regelung in den USA bemerkenswert, die die Betreiber verpflichtet, in jeder Region, in der
sie sich für die Ausstrahlung von Lokalsendern entscheiden, alle Sender anzubieten, die einen
entsprechenden Antrag stellen.
Die Möglichkeiten der Regulierung erscheinen in Spanien, wo Anbieter von Satellitenfernsehdiensten auf Antrag eine Genehmigung in standardisierter Form erhalten, oder in Polen,
wo das geltende Recht keine Vorschriften über den Zugang zu einzelnen Diensten oder Übertragungswegen kennt, insgesamt beschränkt. Dagegen stellen sich z.B. die Regulierungsmöglichkeiten in Frankreich umfassend dar, insbesondere in Form der „convention“. Speziell für
den Übertragungsweg "Satellit" ist vorgesehen, per Verordnung die vertikale Integration zwischen Plattform- und Inhalteanbietern zu begrenzen. So soll ein Mindestanteil von Programmen festlegt werden können, die von den Plattformbetreibern unabhängig sind. Eine Verordnung wurde bislang allerdings noch nicht erlassen. Zum schweizerischen Reformpaket gehört
auch ein Entbündelungsgebot, nach dem derjenige, der Programme als gebündelte Pakete anbietet, die technischen Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass Dritte diese Programme
auch einzeln verbreiten können. So soll verhindert werden, dass ein Programmveranstalter
einem Netzbetreiber Bouquets aufzwingen kann594.
591
Dazu oben 3.4.1. 1.1.3.
592
Dazu oben 2.2.1.3, sowie zu Lösungsvorschlägen 7.3.3.3.
593
Dazu oben 2.2.1.3.
594
Dazu oben 3.4.1. 1.1.3.
149
4.
Veränderungen durch die Digitalisierung
Die Umstellung von analogen auf digitale Rundfunktechniken hatte zunächst vielfach undifferenziert die Annahme begründet, die Rundfunklandschaft werde als Folge dieser Umstellung
rasch erhebliche tatsächliche Veränderungen erfahren. Mittlerweile wird deutlich, dass derartige Veränderungen zwar möglich sind, die Etablierung neuer Geschäftsmodelle aber keineswegs zwingend ist und die Umsetzung neuer technologischer Möglichkeiten in praktische
Anwendungen zumindest erheblich mehr Zeit in Anspruch nimmt als erwartet.
Die Folgen der Digitalisierung können nur auf der Basis einer differenzierten Analyse der
einzelnen Faktoren beurteilt werden. Insbesondere muss danach unterschieden werden, welche wirtschaftlichen und regulatorischen Abhängigkeiten die Digitalisierung notwendigerweise bedingt und welche Folgen zwar im Kontext der Digitalisierung stehen, wirtschaftlich und
rechtlich aber nicht zwingend daraus resultieren. Dies betrifft insbesondere Geschäftsmodelle,
die durch die Digitalisierung ermöglicht oder erleichtert werden, deren Umsetzung jedoch von
weiteren, insbesondere wirtschaftlichen Parametern abhängig ist.
4.1
Veränderungen
Im Folgenden werden die wichtigsten absehbaren Veränderungen beschrieben, die durch den
Wechsel von der analogen zur digitalen Verbreitung von Rundfunk über Satelliten zu erwarten sind595.
4.1.1 Transparenz der Transportwege
Digitalisierung im engeren Wortsinn betrifft lediglich die Veränderung der technischen Parameter der Signalverarbeitung und des Signaltransports596. Statt analoger Signale werden digitale Datenströme verarbeitet, die einerseits einen relativ geringeren Bandbreite- und Energiebedarf haben und sich andererseits prinzipiell neutral hinsichtlich der übertragenen Inhalte
verhalten597. Im informatischen Sinn wird der Transportweg transparent, also für jegliche Inhalte durchlässig. Die digital übertragenen Datenströme weisen im Grundsatz keine inhaltsspezifischen Charakteristika auf. Der digitale Transportweg steht damit für die Übertragung
beliebiger digitalisierbarer Informationen zur Verfügung. Neben, an Stelle oder gleichzeitig
mit Video- und Audiosignalen können Daten jeder Art transportiert werden, wobei eine Abhängigkeit dieser Daten von Ton- oder Bildsignalen nicht bestehen muss.
Die Neutralität digitaler Verfahren gegenüber unterschiedlichen Inhalten bedeutet, dass aus
der Digitalisierung selbst nicht zwingend eine Veränderung von Rundfunk im traditionellen
inhaltlichen Sinn folgt598. Die digitale Technik schließt keineswegs aus, Rundfunkprogramme
595
Umstiegsszenarien vom analogen zum digitalen Rundfunk in der EU und anderen europäischen Staaten
beschreibt die Studie zum “Digital Switchover in Broadcasting” von BIPE Consulting im Auftrag der Europäischen Kommission, vom 12.4.2002, abrufbar unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/index_en.htm, abgerufen am
25.11.2002.
596
Zum technischen Hintergrund der Rundfunkverbreitung über Satellit s. Merkel, ZUM 2002, 674.
597
S. Hirschle/Hamann, Digitalisierung in einer föderalen Medienordnung, S. 294f.
598
Veränderungen werden insbesondere im Hinblick auf das interaktive Fernsehen prognostiziert,
FKTG/Deutsche TV-Plattform, Fernsehen, 2.1.
ohne inhaltliche Veränderung gegenüber dem analogen Programm zu verbreiten. Demgemäß
haben diejenigen Satellitenbetreiber, die mit analog verbreiteten Programmen zum Direktempfang am Markt etabliert sind, die Digitalisierung ihrer Satelliten primär dadurch begleitet,
dass sie die bisherigen, analog verfügbaren Programme unverändert auch digital ausstrahlen.
Die Programminhalte der traditionellen Veranstalter haben dabei keinerlei Veränderungen
erfahren. Vielmehr wird die weit überwiegende Zahl der Programme zeit- und inhaltsgleich
analog wie digital ausgestrahlt („simulcast“). Für den Zuschauer ist am Programminhalt nicht
erkennbar, ob das Programm digital oder analog zugeführt und empfangen wird.
Aus der Digitalisierung der Transportwege folgt mithin weder technisch noch ökonomisch
zwingend unmittelbar eine Änderung der Inhalts- und Angebotsstruktur klassischen Rundfunks.
4.1.2 Vervielfachung der Übertragungskapazität
Technische Folge der Digitalisierung ist eine gegenüber der vergleichbaren analogen Verbreitung von Signalen deutlich gesteigerte Übertragungskapazität. Die Nutzung vorhandener
Frequenzbereiche wird erheblich verbessert.
Dies führt – bezogen auf die analoge Verbreitung zum Beispiel eines einzelnen Fernsehprogramms – trotz erhöhten technischen Aufwands für die Signalaufbereitung – zu erheblich
reduzierten Kosten der Verbreitung599. Der Übergang von analoger zu digitaler Verbreitung
erweist sich damit bereits bei unveränderten Bedingungen im Übrigen als technisch und ökonomisch sinnvoll. Bei verbesserter Qualität steigt die verfügbare Transportkapazität bei
gleichzeitig sinkenden Kosten pro Einheit. Die veränderten technischen Bedingungen erlauben es zudem, nicht nur eine erheblich höhere Zahl von Programmen, sondern darüber hinaus
weitere Daten zu übertragen, die letztlich zu stärker differenzierten und individualisierten
Angeboten führen. So lassen sich mehr Programmströme für ein zeitlich eng gestaffeltes Near-Video-on-Demand realisieren, interaktive Inhalte darstellen oder unterschiedliche Sprachfassungen vereinfachen.
Dies kann Auswirkungen auf die traditionelle Sondersituation des Rundfunks gegenüber anderen meinungsbildenden Medien, insbesondere den Printmedien haben. Neben Fragen, die
sich im Zusammenhang mit der Wirkung von Rundfunk als Gemeinschaftserlebnis von hoher
Suggestivkraft stellen, gestaltet sich durch die Reduzierung der Mangelsituation im Transportbereich der ökonomische Zugang zu den Verbreitungswegen deutlich einfacher als bisher.
Sowohl die regulatorischen wie die finanziellen Hürden für Anbieter elektronischer Inhalte
werden deutlich geringer; die Tendenz zu einer Vielzahl zielgruppenspezifischer Angebote an
Stelle eines einzelnen Vollprogramms wird unterstützt. Insofern nähern sich die ökonomischen Rahmenbedingungen auf der Seite der Inhalteanbieter dem Bild des Zeitungskiosks an.
Ob und unter welchen Bedingungen dies auch für die Seite der Rezipienten gilt, bedürfte der
weiteren Untersuchung: Anders als im Printbereich, in dem der Zugang zu allen verfügbaren
Inhalten nutzerseitig nicht begrenzt ist, so lange nur der Kiosk geöffnet und der Käufer volljährig ist, begrenzen zumindest nach heutigem Stand technische Zugangsvoraussetzungen den
Zugriff des einzelnen Rezipienten auf das volle Spektrum des Angebots.
Die Vielzahl von Programmen erfordert darüber hinaus eine veränderte Navigation durch die
verfügbaren Angebote. Die elektronisch verfügbare Übersicht über Programminhalte wird an
599
Im RUTE-Papier Digitale Verbreitung von Rundfunk vom 11.3.2002 wird ein Preis für einen analogen
Satellitentransponder von 6 Mio. Euro, für einen digitalen von 0,75 Mio. Euro genannt.
151
Bedeutung gewinnen und kann mittelfristig auch Einfluss auf das Zuschauerverhalten erlangen. Die Frage, welche Programme für den Zuschauer tatsächlich erreichbar sind, hängt von
ihrer Auffindbarkeit im Rahmen der Navigation ab. Die Navigationssituation wird zum einen
geprägt durch die Frage, welche Angebote optisch vorne und in der Sequenz der Gerätebedienung zeitlich zuerst präsentiert werden. Damit gewinnt zu einem Teil der generelle Einstieg in
die Inhalte an Bedeutung – die sogenannte Basisnavigation. Daneben bietet ein digitaler Programmführer allerdings die Möglichkeit der individuellen Konfiguration, die es erlaubt, entweder eine rasche Übersicht über bevorzugte Anbieter anzeigen zu lassen oder aber nur einen
thematisch begrenzten Auszug – etwa die demnächst beginnenden Spielfilme oder bestimmte
Sportereignisse.
Ob und welche Form der Navigation sich beim Zuschauer durchsetzt, ist heute noch offen. Es
steht allerdings zu erwarten, dass in erster Linie diejenige Navigation beibehalten wird, die im
Auslieferungszustand des Receivers eingestellt war oder dem neuesten Softwarerelease entspricht. Darauf deuten Erfahrungen mit Einstiegsportalen im Internet hin, die durch den vom
Provider ausgelieferten Browser voreingestellt sind – etwa T-Online oder das MSN-Portal.
Für den chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang wird von maßgeblicher Bedeutung sein, wie der Einstieg in die Navigation erfolgt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das
Inhalteangebot so groß ist, dass eine ganzheitliche Darstellung aus technischen Gründen nicht
mehr möglich ist. Hier wird es darauf ankommen, den Zugang zu diesen Informationen über
eine besonders hohe Bedienerfreundlichkeit tatsächlich flexibel zu gestalten.
4.1.3 Verbreitungsgebiet
Anders als die durch technische Parameter vorgegebene relative Kleinräumigkeit der Verbreitung via Terrestrik oder Breitbandkabelnetz ist das Signal des Satelliten weiträumig empfangbar. Das konkrete Empfangsgebiet lässt sich zuverlässig nur in Abhängigkeit von den
Parametern der Empfangseinrichtung (im einfachsten Fall der Durchmesser der Parabolantenne) beschreiben, umfasst aber – bezogen auf den Untersuchungsgegenstand – jedenfalls auch
bei solchen Satelliten, deren Ausleuchtzonen relativ eng gehalten sind, mehrere europäische
Länder600.
Die tatsächliche Verwertbarkeit des Satellitensignals erfordert eine Empfangsanlage, die nicht
nur auf Position und Frequenzbereich des jeweiligen Satelliten ausgerichtet ist, sondern auch
die Dekodierung des abgestrahlten digitalen Signals leistet. Der Empfang von nach DVBStandard ausgestrahlten Programmen ist in allen europäischen Ländern realisierbar601.
Eine räumliche Beschränkung des Satellitensignals über die physikalische Empfangssituation
hinaus ist – ungeachtet der europarechtlichen Bewertung – allenfalls möglich durch Vertriebsbeschränkungen der Empfangseinrichtungen. So gehen zum Beispiel die britische BBC
und der österreichische ORF Vertragsbeziehungen nur mit Kunden ein, die ihren Sitz im
rechtlich definierten Verbreitungsgebiet des Anbieters haben. Sie verhindern dadurch den
legalen Zugang zu ihrem Angebot außerhalb dieses Verbreitungsgebiets602.
600
Merkel, ZUM 2002, 674, 675 ff.
601
Zur Entstehung, Organisation und Zielsetzung des DVB-Projekts FKTG/Deutsche TV-Plattform, Fernsehen, 2.2.
602
S. die Marktdarstellung in ausgewählten Ländern in Kap. 2.2.3, zur Rechtslage 3.4.
152
4.1.4 Conditional Access
Eine wirksame Einschränkung der Signalauswertung kann derzeit allein über Verfahren des
„Conditional Access“ bewerkstelligt werden. Solche Zugangsberechtigungsverfahren bedeuten technisch allerdings keine geografische Beschränkung des Empfangs, sondern binden die
technische Möglichkeit, das Signal auszuwerten – das heißt, das Fernsehprogramm zu sehen
oder zu hören –, an bestimmte Zugangsvoraussetzungen, in der Regel an rechtliche Beziehungen zwischen dem Empfänger und einem Partner auf der Distributionsebene. Wer die Zugangsvoraussetzungen erfüllt und seine Empfangseinrichtung im physikalischen Verbreitungsgebiet des Satelliten positioniert, kann und darf das unter den Bedingungen des „Conditional Access“ abgestrahlte Signal auswerten603.
Während im analogen Rundfunk der Zugang zu Programminhalten durch Verschlüsselung
ganzer Kanäle nur insgesamt beschränkt oder freigegeben werden konnte, bietet die digitale
Übertragungstechnik mit ihrer Möglichkeit der parallelen Übertragung weiterer Daten prinzipiell eine differenzierte und vergleichsweise flexible Möglichkeit, Zuschauern den Zugang zu
Programminhalten zu öffnen oder zu sperren. Neben der Möglichkeit individueller Abrechnung bietet sich die Möglichkeit, den Zuschauerkreis differenzierter zu beschreiben als dies
bisher der Fall war. Empfangsmöglichkeiten können dynamisch und Zuschauer-genau eingeräumt werden. Dies erlaubt unterschiedlichste individualisierte Geschäftsmodelle. Diese
Möglichkeit wird sich unter anderem auch auf die Praxis der Vergabe von Nutzungsrechten
auswirken604.
4.1.5 Interaktivität
Die Nutzung digitalisierter Technik bietet die Möglichkeit, die Interaktion mit dem Zuschauer
erheblich zu erweitern605. Dabei können im Idealfall die erforderlichen Rückkanäle, die die
vom Zuschauer erzeugten Daten zum Anbieter übertragen, über das selbe Medium realisiert
werden, das für den Transport der Daten hin zum Zuschauer eingesetzt wurde.
Interaktive Inhalte werden in zahlreichen Modellen und Varianten beschrieben606. Die Beispiele reichen vom Abruf des Programmführers über den Zugriff auf weitere Informationen,
vom Online-Banking bis zur elektronischen Wette oder der E-Mail-Kommunikation und dem
Einkauf über den Fernseher. Die Zahl der praktischen Anwendungsfälle in Deutschland ist
bislang gering. Neben dem häufig fehlenden Rückkanal ist es insbesondere die geringe Zahl
auf dem Markt befindlicher, für interaktive Applikationen geeigneter Endgeräte, die in
Deutschland den praktischen Einsatz hemmen. Hinzu kommt, dass die technische Basis zur
Erstellung geeigneter Anwendungen bislang uneinheitlich ist, so dass Applikationen entweder
für mehrere technische Umgebungen parallel erstellt und ausgestrahlt werden müssen oder
nur auf einem Teil der Endgeräte lauffähig sind. Die Anbieter interaktiver Anwendungen
603
S. hierzu Merkel, ZUM 2002, 674, 678f.
604
Zur gegenwärtigen Vertragspraxis bei der Vergabe von Nutzungsrechten s. Kap. 3.3.5.2, zum Problem der
territorialen Beschränkung von Nutzungsrechten Kap. 3.3.5.1.3.
605
FKTG/Deutsche TV-Plattform, Fernsehen, 2.1.
606
Zu den zu erwartenden neuen Dienstleistungen auf dem Telekommunikationsmarkt s. Büllingen, Infrastruktur- und Nachfrageentwicklung, S. 169 ff.
153
verweisen insoweit auf die Notwendigkeit rascher und zuverlässiger Standardisierung, etwa
durch MHP607.
4.1.6 Neue Prozesse durch Digitalisierung
Die Nutzung der dargestellten zusätzlichen Möglichkeiten digitaler Technik verändert die
bisherigen Abläufe der Signalaufbereitung und erfordert neue organisatorische Modelle zur
Abwicklung der programmlichen und der wirtschaftlichen Aufgabenstellungen. Für den Untersuchungsgegenstand von Bedeutung sind dabei vor allem diejenigen Veränderungen, die
Einfluss auf Inhalt und Qualität des Sendesignals haben können oder organisatorische Bedingungen schaffen, die Schnittstellen zu Dritten erweitern oder zusätzliche Anforderungen an
die Geschäftsabläufe stellen. Der Zugang zu derartigen Schnittstellen bestimmt die Offenheit
und Modularität des Gesamtsystems.
4.1.6.1
Technische Spezifikationen
Existenz, Offenlegung und Handhabbarkeit technischer Spezifikationen bilden wesentliche
Parameter für den Zugang zu den Verbreitungsstrukturen.
Technische Prozesse im Zusammenhang mit der Digitalisierung sind derzeit nicht zwingend
so transparent oder standardisiert, dass die Übernahme von Prozessen oder Ergebnissen durch
Dritte ohne weiteres möglich ist. Zwar hat sich DVB-S als Standard für digitales Satellitenfernsehen etablieren können. Der Standard selbst bietet jedoch hinreichend Spielraum für divergierende Spezifikationen, die zu inkompatiblen Schnittstellen führen können608.
Dies führt zunächst zu der Fragestellung, inwieweit die Transparenz technischer Parameter
Einfluss auf Marktentwicklung und Zugangsbedingungen haben kann. Tatsächlich oder lizenzrechtlich proprietäre Technologien führen generell zu Einschränkungen des Wettbewerbs,
da sie einen Wechsel zwischen den Anbietern verteuern und mittelfristig erhebliche Hürden
für den Markteintritt neuer Wettbewerber schaffen609.
Für den deutschen Markt des Satellitendirektempfangs wird dies am Beispiel der verfügbaren
Orbitalpositionen deutlich: Ein Anbieter, der neu in diesen von ASTRA und in geringerem
Umfang von Eutelsat geprägten Markt eintreten will, muss sich mit dem Umstand auseinandersetzen, dass praktisch alle vorhandenen Parabolantennen auf die Orbitalpositionen dieser
Satelliten ausgerichtet ist. Die Abweichung von diesen Positionen bedeutet für den künftigen
Zuschauer zumindest die Notwendigkeit der Neuausrichtung der Parabolantenne und damit
den Verzicht auf die bisher empfangenen Programme oder zusätzliche Investitionen in eine
parallele Empfangsmöglichkeit. Damit verbunden ist für den Anbieter zumindest ein hoher
Kommunikationsaufwand gegenüber den potentiellen Zuschauern und die Notwendigkeit
eines Angebotes, das Anreize zum Wechseln der Satellitenposition schafft.
Derartige technische Markteintrittshürden bestehen potenziell sowohl sender- wie empfängerseitig an allen Schnittstellen der Signalübergabe und -auswertung sowie bei der Entwicklung
von Modellen, die den Zugang zu bestimmten Inhalten steuern. Diese Hürden so niedrig wie
607
S. dazu auch die Gemeinsame Erklärung der deutschen Programmveranstalter und der Landesmedienanstalten
zur
zügigen
Einführung
von
MHP
vom
19.9.2001,
http://www.dvbmhp.org/membership_list/Mainz.html, abgerufen am 15.11.2002; Beckert, Zugang, S. 308.
608
FKTG/Deutsche TV-Plattform, Fernsehen, 2.2.
609
Danwitz, ZUM 2002, 769, 771; s. zur Kabelverbreitung Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 446.
154
möglich zu halten, ist eine wesentliche Voraussetzung für einen auch künftig chancengleichen
Zugang von Veranstaltern wie Zuschauern zu einem vielfältigen Satellitenrundfunk.
Wegen ihrer wirtschaftlichen Tragweite von besonderer Bedeutung sind diejenigen Schnittstellen, die unmittelbar den Zugang zu den Zuschauern ermöglichen. Neben der bereits angesprochenen Frage der verfügbaren Orbitalpositionen sind dies vor allem die Codierung und
Decodierung des Signals wie auch die technischen Voraussetzungen eines Conditional
Access.
4.1.6.2
Multiplexing
Die senderseitig primär relevante technische Veränderung von Prozessen ist der nach dem
DVB-Standard im Rahmen des Multiplexing eintretende Verlust autonomer Programmsignale. Im Rahmen des Multiplexing werden senderseitig verschiedene Datenströme zusammengefasst, um sie auf einer einzelnen Frequenz übertragen zu können. Auf der Empfängerseite
werden die Datenströme wieder getrennt. In diesem Prozess sind – wie in allen digitalen Bearbeitungsschritten – Veränderungen des Ursprungssignals möglich, die Einfluss auf Inhalt
und Qualität des Programmsignals haben können.
Grundsätzlich gibt es – ebenso wie bisher – keine zwingende strukturelle Vorgabe, in welchem Maß die verschiedenen Phasen der Signalverarbeitung arbeitsteilig erfolgen müssen.
Die theoretische Bandbreite möglicher Organisationsmodelle reicht von der Signalverarbeitung und -verbreitung „aus einer Hand“ bis hin zu einer von Projektierung bis Ausstrahlung in
unterschiedlichen Händen liegenden Verarbeitungskette.
Keine besonderen Problemstellungen im Bereich des Multiplexing ergeben sich dann, wenn
alle Schritte der Signalverarbeitung einschließlich des Multiplexing in einer Hand liegen. Das
Multiplexing führt in den Produktionsprozess einen neuen Zwischenschritt mit neuen Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten ein.
Die Möglichkeit arbeitsteiliger Produktions- und Sendeabläufe ist kein Spezifikum der Digitalisierung, sondern seit langem selbstverständliche Praxis, wobei die Beteiligung Dritter zum
Teil lediglich das Innenverhältnis berührt. Damit sind auch technische wie rechtliche Mechanismen und Regularien der Prozesssteuerung und Qualitätssicherung bekannt, die sowohl die
Auftragsvergabe selbst wie die Definition der Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Auftragnehmern umfassen. Besondere organisatorische (technische, rechtliche, wirtschaftliche)
Anforderungen können sich dort ergeben, wo das Multiplexing sich strukturell von anderen
arbeitsteilig durchgeführten Prozessen unterscheidet. Dies ist zum einen der Fall, weil Multiplexing in der Regel den abschließenden Verarbeitungsschritt vor der endgültigen Ausstrahlung des Programms darstellt und weil Multiplexing die Signale unterschiedlicher Anbieter
zusammenführt. Daher kann Multiplexing sowohl die Verantwortung des Programmveranstalters als auch dessen Wettbewerbssituation berühren.
4.1.6.3
Paketbildung
Die Zusammenstellung von einzelnen Programmen zu Paketen610 hat sich als einer der wichtigsten Prozesse im Zuge der Digitalisierung herausgebildet611. Anders als beim Multiplexing,
610
Der Begriff Bouquet wird hier nicht verwendet, weil er gelegentlich lediglich für die Gesamtheit des Programmangebots eines einzelnen Veranstalters Verwendung findet.
611
Zur Paketbildung FKTG/Deutsche TV-Plattform, Fernsehen, 13.7.5; Beckert, Zugang, S. 302 ff.
155
das den technischen Vorgang der Zusammenfassung verschiedener Programme in einem einheitlichen Datenstrom beschreibt, für den Zuschauer in der Regel jedoch unbemerkt bleibt,
berührt die Zusammenstellung von Programmen die Wahlfreiheit des Abnehmers der Pakete
bei der Auswahl von Programmen. Die Bildung von Paketen erfolgt im Rahmen von Geschäftsmodellen, die sich entweder unmittelbar an den Zuschauer oder aber – wie im Falle
„visAvision“ von Eutelsat – an einen Zwischenhändler richten. Die Zusammenstellung von
Paketen, die nur als Ganzes abgenommen werden können, hat in der Regel unmittelbaren Einfluss auf die Reichweite und damit die Erfolgschancen eines Programms. So ist die Frage, ob
ein Programm in einem ohne Zusatzkosten zu empfangenden Paket enthalten ist, zu einem
relativ preisgünstigen Basispaket gehört oder etwa nur in einer Kombination unterschiedlicher
Spartenprogramme zu abonnieren ist, von ausschlaggebender Bedeutung für die Zahl der erreichbaren Zuschauer. Zu einer hohen Wahlfreiheit des Zuschauers tragen kurze Vertragslaufzeiten oder die Möglichkeit des individuellen Erwerbs einzelner Programme entscheidend bei.
Die Bündelung von Programmen zu Paketen eröffnet mithin die unmittelbare Einflussnahme
auf den faktischen Zugang zu programmlichen Inhalten und kann in hohem Maß meinungsrelevant sein612.
4.1.7 Abrechnungsverfahren
Digitales Fernsehen ist – wie der Start von Premiere als analoges Pay-TV belegt – keine
zwingende Voraussetzung für den Einsatz alternativer Finanzierungsmodelle für Rundfunk.
Digitale Rundfunktechnik erlaubt indes weit flexiblere Angebots- und Abrechnungsmodalitäten, sei es die Einzelabrechnung von Video-on-demand oder die individuelle Zusammenstellung von Abonnements nach Zuschauerinteressen. Die inhaltespezifische Abrechnung
kann unter unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen:
Das klassische Modell beinhaltet ein Abonnement für ein einzelnes Programm oder ein Programmpaket, das während der Vertragslaufzeit vom Zuschauer pro rata temporis bezahlt wird.
Die Höhe des Entgelts ist abhängig von Zahl, Zusammenstellung und Attraktivität der abonnierten Programme. In die Kategorie eines Abonnements fiele auch ein Gebühreneinzugsverfahren öffentlich-rechtlicher, gebührenfinanzierter Programme, wenn solche Programme
grundsätzlich verschlüsselt ausgestrahlt und nur mit einer geeigneten Zugangstechnologie zu
entschlüsseln wären, deren Erhalt an die Zahlung von Gebühren gekoppelt ist. Dieses Verfahren erlaubte es zudem, den Gebühreneinzug bei solchen Zuschauern sicher zu stellen, die öffentlich-rechtliche Programme über digitalen Satelliten im Ausland bislang empfangen, ohne
Gebühren zu entrichten. Ein derartiges Verfahren wird etwa von der SRG in der Schweiz
verwirklicht, wo Schweizer Staatsangehörige, die im Ausland wohnen, gegen Ausweis und
eine Gebühr eine Smart-Card zur Freischaltung der Programme der SRG erhalten können613.
Daneben sind Abrechnungsmodelle denkbar, die den Einzelbezug eines Programms für eine
bestimmte Periode beinhalten, lediglich das einmalige Freischalten eines einzelnen Programms und/oder auch die Speichermöglichkeit für den ein- oder mehrmaligen Zugriff auf
das Programm erlauben.
Die unmittelbar programmbezogenen Abrechnungsmodelle können ergänzt werden um
zeitabhängige Modelle, bei denen ein Minuten- oder Stundenvolumen freigeschaltet wird.
612
Für den Bereich der Kabelverbreitung Wille, ZUM 2002, 261, 263 ff.
613
S. zur Marktdarstellung für die Schweiz 2.2.4.1, zur Rechtslage 3.4.1.1.
156
Ebenso ist denkbar, dass der Konsum von werbeorientierten Programmen zu Gutschriften für
werbefreie Programminhalte führen kann.
Vor allem die volumenorientierten Abrechnungsmethoden sind sowohl in einem Modus
denkbar, der eine nachträgliche Abrechnung vorsieht, wie auch eine Vorauszahlung ermöglicht – so wie heute bereits im Bereich der mobilen Telefonie – mit sehr unterschiedlichen
Folgen für den Datenschutz.
4.1.8 Nutzungsprofile und Zuschauerdaten
Abrechnungstechnologien wie Zugangsberechtigungssysteme können je nach konkreter Ausgestaltung einen Datenbestand erzeugen, der geeignet ist, individualisierte Nutzungsprofile zu
erstellen, die eine Analyse von Konsumgewohnheiten und Zuschauerinteressen ermöglichen.
Ungeachtet der Fragen des Datenschutzes, die nicht Gegenstand der Untersuchung sind, erlaubt ein solcher Datenbestand die Anpassung des Angebots an die Nutzerprofile. Dabei
reicht die Bandbreite der Reaktionsmöglichkeiten von der schlichten Anpassung des Programmangebots an die statistischen Zuschauerinteressen bis hin zur vollständig personalisierten und individuell angepassten Zusammenstellung inhaltlicher Angebote für einzelne
Zuschauer.
Von hohem Interesse ist darüber hinaus gerade im Bereich des Satellitenempfangs der Bestand an Kundendaten, die Maßnahmen der Werbung und Kundenbindung über das Angebot
elektronischer Inhalte hinaus erlaubt. Die Nutzer von Satellitendirektempfang, die nicht zugleich Kunden eines Pay-TV-Veranstalters sind, sind wegen des unverschlüsselten Zugangs
zu den Signalen bislang anonym. Zugangsberechtigungs- und Abrechnungssysteme können
den Weg zur Personalisierung dieses Zuschauerkreises öffnen.
4.2
Marktentwicklung
Aus der bloßen Verfügbarkeit neuer technischer Möglichkeiten folgt nicht ohne weiteres, dass
die bekannten Modelle der Ausstrahlung von Rundfunk durch neue Modelle ersetzt werden.
Vielmehr sind eine Reihe von Faktoren für die zukünftige Entwicklung bedeutsam:
4.2.1 Technische Verfügbarkeit
Die digitale Satellitentechnik dient in den europäischen Ländern unterschiedlichen Zielen.
Während vor allem in den Ländern, die über eine ausgeprägte Pay-TV-Struktur verfügen,
digitale Satellitentechnik in erster Linie zur Verbreitung verschlüsselter Programminhalte
eingesetzt wird, bedienen sich in Deutschland parallel sowohl Pay- wie auch Free-TVAnbieter der digitalen Übertragungstechnik614. Die parallele Entwicklung führt dazu, dass
Zuschauer in Deutschland begonnen haben, unterschiedliche Anforderungsprofile hinsichtlich
der technischen Empfangseinrichtungen zu entwickeln. Daher sind nicht alle Zuschauer mit
Empfangsgeräten gleicher Funktionalität ausgerüstet. Dies betrifft sowohl die Möglichkeiten,
zugangsbeschränkte Programme und Dienste zu entsperren wie auch die Fähigkeit der Emp-
614
S. dazu die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Siebter Bericht über die Umsetzung des Reformpakets für
den Telekommunikationssektor KOM(2001) 706 endgültig, vom 26.11.2001, Annex 2.
157
fangsgeräte, zusätzliche Möglichkeiten digitaler Ausstrahlung – etwa interaktive Angebote
auf MHP-Basis – zu nutzen.
Sowohl die wirtschaftliche Realisierbarkeit von Angeboten, die den inhaltlichen Mehrwert
digitaler Techniken nutzen wie auch die Möglichkeit, die Übertragung von Nutzungsrechten
an eine präzise Adressierung zu knüpfen, ist letztlich von der technischen Verfügbarkeit geeigneter Empfangseinrichtungen abhängig.
Ein wesentlicher Faktor für die Prognose möglicher Veränderungen im Zug der Digitalisierung wird die Durchdringung des Markts mit geeigneten Empfangsgeräten sein. Die Zugangsmöglichkeiten des potenziellen Zuschauers solcher Angebote hängen davon ab, dass
seine Investitionsentscheidungen eine möglichst breite Nutzung von digitalen Diensten ermöglicht. Umgekehrt werden sich die potenzielle Reichweite und damit der erschließbare
Markt und mithin die Erfolgschanchen eines Angebotes proportional zur Zahl der Empfangseinrichtungen entwickeln.
4.2.2 Der Markt für interaktive Angebote
Soweit neue Geschäftsmodelle Interaktion mit dem Rezipienten erfordern, ist die Realisierung
des Rückkanals, also der Kommunikation vom Rezipienten zum Anbieter, von entscheidender
Bedeutung. Demgemäß arbeiten praktisch alle Satellitenanbieter an der technischen Umsetzung eines Rückkanals und bieten entsprechende Lösungen für Segmente des Businessbereichs an. Derzeit ist die Möglichkeit der bidirektionalen Kommunikation über Satellit zumindest mit erheblichem Aufwand im Bereich der Sendeanlage verbunden. Ein einfach und
für das Massengeschäft hinreichend preiswert zu realisierender Rückkanal fehlt bislang. Nach
Einschätzung der europäischen Satellitenbetreiber werden solche Angebote frühestens in zwei
bis drei Jahren zur Verfügung stehen. Daher sind die Möglichkeiten der interaktiven Beeinflussung von über Satellit ausgestrahlten Datenströmen für den Endkunden im Massenmarkt
in der Regel noch davon abhängig, dass auf andere, leitungsgebundene Übertragungswege –
Telefon- oder Online-Verbindungen – zurückgegriffen wird. Erfahrungen aus der Vergangenheit lassen allerdings vermuten, dass solche hybriden Rückkanäle eher zögerlich angenommen werden. Dies lässt den Schluss zu, dass interaktive Angebote via Satellit jedenfalls in
naher Zukunft nicht auf einen Massenmarkt treffen werden.
4.3
Handlungsoptionen der Beteiligten
Angesichts dieser Erwägungen steht nicht zu erwarten, dass aus der Digitalisierung für die
Marktteilnehmer kurzfristig massive Veränderungen erwachsen. Dennoch wird deutlich, dass
die Digitalisierung erhebliches Potenzial birgt, das auch im Bereich der Satellitenübertragung
neue Positionsbestimmungen erfordert.
4.3.1 Satellitenbetreiber
Die Satellitenbetreiber haben sich wegen der ökonomischen Vorzüge frühzeitig zur Digitalisierung der Rundfunkübertragung entschlossen. Dabei haben sie zunächst lediglich die unmittelbaren Vorteile höherer Kapazitäten zu geringeren Kosten realisiert, ohne neue Geschäftsmodelle zu propagieren. Dies hatte einen unspektakulären Übergang zur digitalen Ausstrahlung zur Folge, der in Deutschland durch eine kostengünstige Gestaltung des Simulcast
nahezu ohne sichtbare Auswirkungen geblieben ist. Die Anbieter haben sich in dieser Phase
weitgehend neutral gegenüber Distributionsabsichten und -verfahren der Programmanbieter
158
verhalten, insbesondere keinen erkennbaren Einfluss auf Receiver- und Verschlüsselungstechnologien genommen.
Umstände, die eine Änderung dieser bislang erfolgreichen Geschäftspolitik zwingend nahelegen, sind derzeit nicht ersichtlich. Eine solche Änderung hat keiner der Satellitenbetreiber
angekündigt, wobei Eutelsat sich in öffentlichen Stellungnahmen prinzipiell offener gegenüber solchen Änderungen zeigt als SES-Astra.
Eine Erweiterung des geschäftlichen Betätigungsfelds kann sich vor allem in zweierlei Hinsicht ergeben:
Die Entwicklung von „visAvision“ bei Eutelsat zeigt, dass es für Satellitenbetreiber von Interesse sein kann, sich mit inhaltebezogenen Geschäftsmodellen zu befassen615. Eutelsat stellt
in eigener Verantwortung ein Programmpaket zusammen, das zur Weitervermarktung angeboten wird. Damit macht Eutelsat – vorerst in einer Nische und lediglich im Rahmen der Paketbildung – den Schritt vom Transporteur zu einem auch inhaltlich relevanten Geschäftsmodell616. Zugleich nimmt Eutelsat durch die – technisch naheliegende, jedoch nicht zwingende –
Entscheidung für ein bestimmtes Verschlüsselungssystem Einfluss auf technische Parameter,
die für den Empfang des Programmes über die bloße Satellitentechnik hinaus relevant sind.
Zugleich wird in diesem Modell der zweite Aspekt zukünftiger Handlungsoptionen von Satellitenanbietern angedeutet, nämlich die Übernahme zusätzlicher Dienstleistungen: „visAvision“ beinhaltet eine Abrechnungstechnologie, die es dem Zwischenhändler, in der Regel einem Kabelnetzbetreiber, erlaubt, das Angebot eigenständig zu vermarkten, ohne selbst ein
Abrechnungssystem vorhalten zu müssen. Damit wird ein erster aufwändiger Prozess bei der
Vermarktung von digitalen Programmen vom Satellitenbetreiber als neutralem Dienstleister
übernommen und so für den einzelnen Kabelnetzbetreiber wirtschaftlich realisierbar.
4.3.2 Kabelnetzbetreiber
Betreiber der Netzebene 3 können auf die Zuführung von Programmsignalen über Satellit
praktisch nicht verzichten, wenn ein vielfältiges Programmangebot zur Verfügung stehen soll.
Gleichzeitig ermöglicht die Satellitenzuführung aber auch den Betreibern der Netzebene 4
und den Zuschauern selbst den Zugriff auf die via Satellit verfügbaren Programmsignale.
Damit führt eine Verschiebung von Marktanteilen zugunsten des Satellitenempfangs für die
höheren Ebenen der Breitbandkabelverteilung zu korrespondierenden Verlusten. Die Strategie
der Kabelnetzbetreiber muss insoweit darauf abzielen, der jeweils nachgeordneten Verteilebene Angebote zu machen, die technisch, inhaltlich und wirtschaftlich mit dem Satellitenempfang konkurrieren können. Dies bedeutet andererseits, dass Zugangshürden zum Satellitenempfang die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Kabelnetzbetreiber begünstigen.
Eine maßgebliche Komponente ist dabei der Umstand, dass Satellitensignale jedenfalls dem
Zuschauer, der direkt versorgt werden kann, nach relativ geringen Investitionen in Empfangstechnik kostenfrei zur Verfügung stehen. Eine Grundverschlüsselung aller Satellitensi-
615
Zum Geschäftsmodell visAvision oben 2.2.1.3.
616
Zum Vergleich: Ein Vermarktungsmodell für die Verbreitung über Kabel beschreiben Hein/Schmidt, K&R
2002, 409, 411; Irion/Schirmbacher, CR 2002, 61 ff.; Wagner, Beilage MMR 2/2001, 28; s. auch Rhein,
Beilage MMR 2/2001, 3, 7f.
159
gnale, die dann auch Vergütungsmodelle für den Satellitendirektempfang erlaubte, könnte
einen spürbaren Wettbewerbsnachteil der Kabelnetzbetreiber ausgleichen.
4.3.3 Programmveranstalter
Für die Programmveranstalter stellen sich im Zuge der digitalen Satellitenverbreitung vorwiegend Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung ihrer Programme.
Die Pay-TV-Anbieter haben sich im Hinblick auf die digitale Verbreitung bereits optimal
positioniert. Sie wollen ihren Kunden ein attraktives Angebot bieten und sie möglichst stark
an sich binden. Daher versuchen sie ihre Inhalte exklusiv zu vermarkten und durch Verschlüsselung zu schützen. Die Kunden werden vor allem durch proprietäre Receiver und Conditional-Access-Systeme vom Wechsel zu einem anderen Anbieter abgehalten.
Dagegen sind von der faktisch veränderten Situation der Nutzung von Rechten durch die digitale Ausstrahlung617 vor allem die Anbieter unverschlüsselter Programme negativ betroffen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland finanziert sein Angebot nicht unmittelbar
durch den Rezipienten, sondern unabhängig vom Programm pauschal durch Gebühren. Die
Sendeanstalten haben das Interesse, diese Finanzierungsform beizubehalten und sehen hierfür
die unverschlüsselte Ausstrahlung ihres Programms als eine Bedingung618. Sie finanzieren ihr
Programm zwar auch zu einem gewissen Teil aus Werbeeinnahmen, sind von diesen aber
eben auch nur in beschränktem Umfang abhängig. Zugleich erlaubt die bedarfsorientierte Gebührenfinanzierung in gewissen Grenzen, erhöhte Rechtekosten durch Gebührenerhöhungen
auszugleichen. Gegenüber den werbefinanzierten privaten Anbietern, deren Werbeeinnahmen
insgesamt nur begrenzt flexibel sind, können mithin durch den Verzicht auf Verschlüsselung
bedingte höhere Rechtekosten eher in Kauf genommen werden. Überdies stehen für die deutschen öffentlich-rechtlichen Anbieter erhebliche Nachteile im Raum, wenn ihre Programme
nur noch über ein Zugangsberechtigungssystem zu empfangen wären. Zwar könnten die Befürchtungen, technisch von bestimmten Anbietern abhängig zu werden, durch umfassende
Standardisierungen auch in diesem Bereich relativiert werden. Dennoch bliebe zum einen der
Umstand, dass Zuschauern erstmals ein zuverlässiges technisches Verfahren zur Verfügung
stünde, explizit auf den Empfang öffentlich-rechtlicher Programme zu verzichten und damit
die Grundlage der Gebührenpflicht in Frage zu stellen. Andererseits bedeutete es ein erhebliches Akzeptanzrisiko für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sollte ein nennenswerter Teil
der Bevölkerung die angebotene Zugangsberechtigung, deren Nutzung in jedem Fall eine gewisse Aktivität des Zuschauers voraussetzt, nicht in Anspruch nehmen.
Die privaten Free-TV-Anbieter verbreiten ihre Inhalte bisher ebenfalls – europaweit – unverschlüsselt und refinanzieren ihr Angebot durch Werbeeinnahmen. Sie haben ein vitales Interesse, ausreichende Werbeeinnahmen zu erlangen, und erwarten dies von einem interessanten
und für jeden frei empfangbaren Angebot619. Interaktive Angebote, die prinzipiell unabhängig
von einer Verschlüsselung des Programms sind, können eine weitere Einnahmequelle erschließen.
617
S. hierzu Kap. 4.1.3.
618
RUTE-Papier Digitale Verbreitung von Rundfunk vom 11.3.2002; Hesse, ZUM 2002, 692, 694f.; Michel,
zitiert in Zimmer, ZUM 2002, 717; dies., Das Recht des Zugangs zur Satellitenübertragung im Zeichen der
Digitalisierung, in: LfM (Hrsg.), 4. Medienrechtskolloquium, Berlin 2003, i. E.
619
Hauptmann, ZUM 2002, 698, 699f.
160
Beide Gruppen von Free-TV-Anbietern werden durch die Digitalisierung mit der Frage konfrontiert, ob sie im Rahmen der Digitalisierung zusätzliche Finanzierungsmodelle anstreben
sollen oder müssen, die den Übergang zu einem verschlüsselten Angebot erforderlich machen. Für die gebührenfinanzierten deutschen Programme wird dies vor allem eine Frage der
Kosten des Rechteerwerbs sein, während die bislang ausschließlich werbefinanzierten Programme daneben an der Erschließung zusätzlicher oder alternativer Einnahmequellen interessiert sein könnten.
Allerdings entsprechen diese Gruppen keineswegs der Gesamtheit der Free-TV-Anbieter in
Europa. Vielmehr muss beachtet werden, dass in Gebieten mit hohem Anteil am Kabelempfang wie zum Beispiel in Belgien, auch werbefinanziertes Free-TV bereits heute ausschließlich verschlüsselt den Kabelsystemen zugeführt wird und über digitalen Satelliten nicht frei zu
empfangen ist. Auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Programme in Europa sind für das
Segment der digitalen Satellitenverbreitung vor allem die deutschen und italienischen Anstalten tangiert, während die anderen öffentlich-rechtlichen Anbieter in Europa nur im Paket
mit Pay-TV zu empfangen und damit in gleicher Weise wie diese Anbieter durch CASysteme in der Reichweite begrenzt sind620.
Für bislang werbefinanzierte Programme kann eine Hinwendung zur Verschlüsselung ihres
Angebots von drei Aspekten abhängig sein:
• Zum einen kann der allgemeine Rückgang von Werbeeinnahmen die Notwendigkeit neuer
Finanzierungsquellen erfordern.
• Zum zweiten könnten die rasche technologische Entwicklung im Bereich von HarddiscRecordern und die Möglichkeit, ausgestrahlte Werbung zu umgehen, die Reichweite klassischer Werbung und damit deren Ertrag erheblich reduzieren.
• Schließlich könnte die Realisierung des von den Veranstaltern angestrebten Modells einer
Beteiligung an den Verbreitungsentgelten der Kabelnetze aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit erfordern, dass das entsprechende Signal auch via Satellit nicht mehr frei verfügbar ist. Dabei ist entweder an die Verbreitung der Programme im Rahmen eines Pay-TVPakets zu denken oder aber an ein allgemeines Entgelt für den Zugang zum Satellitensignal, das den Kabelentgelten systematisch entspricht.
Darüber hinaus eröffnen interaktive Zusatzangebote im digitalen Programmangebot vielfältige Geschäftsmodelle unter unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung des jeweiligen Veranstalters. Voraussetzung hierzu ist die breite Verfügbarkeit geeigneter Technologien.
Nicht zuletzt wird das generelle Interesse der Anbieterseite, nicht nur im Bereich der Breitbandkabelnetze über individuelle Kundendaten zu verfügen, auch im Satellitenbereich Überlegungen einer Grundverschlüsselung begünstigen.
4.3.4 Endgeräteindustrie
Für die Endgeräteindustrie bietet der digitale Satellitenrundfunk erhebliche Chancen, Umsatz
zu generieren. Der Erfolg hängt davon ab, dass der Markt in einem überschaubaren Zeitraum
so transparent gestaltet werden kann, dass die Investitionen des Kunden als zukunftssicher
620
S. z.B. zum britischen Markt Kap. 2.2.5.6, zur Rechtslage dort Kap. 3.4.1.5. Die Nutzung der Pay-TVInfrastruktur durch die BBC beschreibt Merkel, ZUM 2002, 674, 678.
161
gelten können. Wie die GSM-Technologie belegt, kann ein hohes Maß an europäischer Standardisierung zur Entwicklung des Endgerätemarkts maßgeblich beitragen.
Allerdings müssen die Interessen der Anbieter unterschiedlicher Komponenten hinsichtlich
eines offenen, standardisiertem Zugangs zu Satellitensystemen differenziert betrachtet werden:
Soweit Receiverhersteller in der Rolle des Marktführers proprietärer Systeme sind, ist das
aktuelle Interesse an Standardisierung gering ausgeprägt. Standardisierung führt zu verstärktem Wettbewerb. Hersteller, die im Markt proprietärer Systeme nur eine untergeordnete Rolle
spielen, haben naturgemäß ein starkes Interesse an der Öffnung des Markts, die vor allem
über standardisierte Technologien erreicht werden kann. Voraussetzung für die Entwicklung
des Markts ist allerdings eine verlässliche Fixierung allgemeiner Standards. Wie die aktuelle
Entwicklung im Bereich von Zapping-Boxen zeigt, die in großer Zahl auf dem Markt verfügbar sind und gegen die langfristigen Ziele der Marktentwicklung abgesetzt werden, können
bei verzögerter Standardisierung kurzfristige Umsatzziele kontraproduktive Effekte haben
oder die Entwicklung des Markts für hochwertige Receiver zumindest hemmen.
Eine vergleichbare Situation ergibt sich für die Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen.
Während ein etabliertes proprietäres System Wettbewerbsvorteile durch Abschottung des
Markts und notwendig hohe Kundenbindung verspricht, bedeutet die weitgehende Standardisierung der Voraussetzungen ihres Einsatzes eine potenzielle Vergrößerung des Markts insgesamt und eine Beschleunigung der Markterschließung.
Für die Anbieter von Personal Video Recordern bietet die Digitalisierung die Basis für den
künftigen Markt, da die Signale ohne Umwandlung digital gespeichert werden können. Eine
möglichst hohe Zahl für den Zuschauer verfügbarer Programme erhöht den Bedarf an Aufzeichnungsmöglichkeiten und lässt die Vorteile der digitalen Aufzeichnung gegenüber BandRecordern – zum Beispiel die nur geringfügig zeitversetzte Wiedergabe – deutlich werden.
Insoweit könnte die Verschlüsselung einer Vielzahl von Programmen hemmend auf die
Marktentwicklung wirken. Andererseits bedeutet die Notwendigkeit der Integration zusätzlicher Verfahren in die Geräte – zum Beispiel die Kombination mit CA-Systemen – die relative
Steigerung des Umsatzes pro Gerät und einen zusätzlichen Kaufanreiz.
4.3.5 Rechteinhaber
Die Rechteinhaber haben das Interesse, ihre Urheber- und Leistungsschutzrechte möglichst
gewinnbringend auszunutzen. Für sie ändert sich durch die Digitalisierung zwar nicht die
geografische Reichweite der Satellitenausstrahlung, wohl aber die personelle Reichweite.
Während analoger Satellitendirektempfang eine hohe Zahl deutschsprachiger Nutzer erreicht,
die über Empfangstechnik zum direkten Empfang analog ausgestrahlter Programme verfügen,
sind analoge Direktempfangseinrichtungen außerhalb dieses Bereichs nur in geringem Umfang verbreitetet. Die Rechteinhaber können im analogen Segment mithin Unschärfen in der
Abgrenzung der Menge der erreichten Zuschauer hinnehmen, ohne unmittelbar spürbare wirtschaftliche Auswirkungen befürchten zu müssen. Die analoge Satellitenverbreitung eines
Programms durch einen deutschen Rechteerwerber verhindert die Einräumung exklusiver
Nutzungsrechte für einen anderen territorial abgegrenzten Bereich faktisch nicht. Auch wenn
analoge Signale zum Beispiel in Spanien prinzipiell empfangbar sind, verhindert der geringe
Verbreitungsgrad analoger Receiver dort faktisch die Rezeption solcher Inhalte. Sie können
damit für andere Verbreitungswege in Spanien – etwa die verschlüsselte digitale Übertragung
162
im Pay-TV – außer Betracht bleiben und gefährden die Exklusivität der Rechteübertragung
jedenfalls in der Praxis nicht.
Diese Situation ändert sich allerdings in tatsächlicher Hinsicht im Bereich digitaler Satellitenübertragung. Diese Technik wird außerhalb Deutschlands überwiegend zur verschlüsselten
Verbreitung von Programmen genutzt, wobei hier nicht nur die Zuführung in Kabelnetze,
sondern in nennenswertem Umfang auch der Satellitendirektempfang eine Rolle spielt; neben
den Pay-Programmen sind für die Kunden der Anbieter auch die ebenfalls verschlüsselt ausgestrahlten Programme der öffentlich-rechtlichen Anbieter zu empfangen. Zumindest ein Teil
der von den Pay-TV-Anbietern eingesetzten und an die Kunden ausgelieferten Boxen erlaubt
darüber hinaus auch den Empfang unverschlüsselt ausgestrahlter digitaler Programme.
Für die Gruppe derjenigen Kunden, die unmittelbar via Satellit mit Programmen der Pay-TVAnbieter versorgt werden, bedeutet dies folglich, dass ein Inhalt, der unverschlüsselt digital
über einen empfangbaren Satelliten ausgestrahlt wird, nicht mehr exklusiv, sondern nur noch
„auch“ über den Pay-TV-Anbieter zur Verfügung gestellt werden kann.
Die mangelnde faktische Exklusivität wirkt sich mithin unmittelbar auf den Wert der Rechte
aus und verhindert ihre maximale Verwertung durch „parzellierte“ Exklusivität621. Daher müssen die Rechteinhaber ein großes Interesse daran haben, die freie, unverschlüsselte digitale
Verbreitung ihrer Inhalte zu beschränken und nur einen kontrollierten und damit abrechenbaren Empfang zu erlauben. Andernfalls haben sie das Interesse, sich den „Overspill“ vergüten
zu lassen.
4.3.6 Zuschauer
Aus der Sicht des Zuschauers in Deutschland ist die Entwicklung des digitalen Satellitenrundfunks auf allen Ebenen von erheblichen Unwägbarkeiten geprägt, die der raschen Erschließung des Markts entgegenstehen. Auf der technischen Ebene sind es primär die Unsicherheiten bei der künftigen Entwicklung der Receivertechnologie. Das aktuell große Angebot günstiger Zapping-Boxen fördert prinzipiell den Umstieg in die digitale Übertragungstechnik,
hemmt jedoch zugleich den Absatz leistungsfähiger, zum Beispiel MHP-fähiger oder mit
Common Interfaces ausgestatteter Receiver und behindert damit zumindest mittelfristig die
Marktchancen solcher Angebote, die die Möglichkeiten digitaler Zusatzdienste nutzen622.
Auf programmlicher Ebene kann zunehmende Digitalisierung die stärkere unmittelbare Beteiligung des Zuschauers an der Finanzierung von Inhalten bedeuten; die Zahl frei verfügbarer
Programme kann mittelfristig sinken.
Nach wie vor ist offen, ob bzw. welche der durch die digitale Technik möglichen neuen Angebote auf Akzeptanz beim Zuschauer stoßen werden. Die bislang vorliegenden Erfahrungen
in digitalisierten Kabelnetzen lassen einerseits auf eine starke Zurückhaltung der Zuschauer
schließen, belegen andererseits aber, dass nach wie vor das Schwergewicht des Zuschauerinteresses auf einem vielfältigen, gut erschließbaren Programmangebot liegen dürfte. Das Interesse der Zuschauer wird vor allem in Deutschland nach wie vor auf einer möglichst hohen
Vielzahl frei empfangbarer Programme liegen, die zudem mit einem möglichst geringen
Aufwand an technischer Installation empfangbar sein müssen. Dazu gehört insbesondere, dass
Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung frei empfangen werden können.
621
Zum urheberrechtlichen Problem der Territorialität s. Kap. 3.3.5.1.3.
622
RUTE-Papier Digitale Verbreitung von Rundfunk vom 11.3.2002, S. 15.
163
Gerade im Zug der Digitalisierung ist zudem von Bedeutung, die wachsende Komplexität von
Technik und – möglicherweise sogar interaktiven – Inhalten durch optimierte Bedienerführungen auszugleichen.
Zugangsoffenheit unter dem Aspekt des Zuschauerinteresses beinhaltet schließlich die Bewertung von Zugangsberechtigungssystemen und Abrechnungsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Erfassung von Zuschauerdaten. Der freie Zugang zu Informationen – und damit
grundrechtsrelevante Positionen – können durch die Frage beeinflusst werden, wie anonym
der Zugang zu Informationen erfolgen kann. Wird die zuschauerseitige Nachfrage nach möglicherweise politisch inkorrekten Inhalten durch Zugangsberechtigungssysteme, Abrechnungsverfahren oder andere Formen der Datenerfassung aufgezeichnet, bedeutet dies eine
spürbare Hürde auf dem Weg zu dem entsprechenden Inhalt. Damit besteht die grundsätzliche
Gefahr, über statistische Verfahren formal frei zugängliche Inhalte zu diskriminieren. Die
insoweit relevanten Verfahren müssen in ihrer Wirkung mithin auch unter dem Aspekt der
Möglichkeit der Anonymisierung betrachtet werden. Unter diesem Aspekt wird das Zuschauerinteresse zum Beispiel auf die Verfügbarkeit anonymer Prepaid-Angebote oder anderer, entpersonalisierter Zugangsberechtigungstechnologien gerichtet sein und damit mit dem
auf möglichst umfassende Verfügbarkeit von Daten gerichteten Anbieterinteresse kollidieren.
4.4
Fragestellungen
Damit ergeben sich für die Beurteilung von Zugangsmöglichkeiten und -hürden im Bereich
der Satellitenverbreitung im wesentlichen zwei Fragestellungen für die weitere Entwicklung:
Zum einen wird eine wesentliche Rolle spielen, wie sich die technischen Voraussetzungen
und Standards entwickeln werden. Je stärker die Marktdurchdringung proprietärer Systeme
fortschreitet und je weiter die Parzellierung in Europa voranschreitet, desto stärker wird eine
Abschottung der Märkte gegenüber unabhängigen Anbietern erfolgen und die Entwicklung
eines europäischen Markts behindert.
Zum anderen wird die Frage bedeutsam sein, in welchem Maß die durch die Digitalisierung
veränderten technischen und wirtschaftlichen Prozesse im jeweiligen Unternehmen selbst
realisiert werden bzw. als Dienstleistungen für Dritte angeboten werden. Dabei spielt eine
Rolle, ob der Markt für erweiterte Dienstleistungen im Bereich digitaler Angebote aufnahmefähig ist oder zum Beispiel in der Zeit, bis Zusatzangebote tatsächlich verfügbar und attraktiv
sind, durch eine starke Durchdringung mit Receivern gesättigt wird, die zwar digitale Signale
empfangen können, aber für die Auswertung zusätzlicher Angebote nicht ausgerüstet sind.
Um diese Fragen in Form von Handlungsstrategien, die ihnen gerecht werden, beantworten zu
können, ist es notwendig, Vorstellungen über die künftige Entwicklung im Bereich des Satellitenrundfunks zu gewinnen. Denn welche künftigen Entscheidungen notwendig werden oder
zu empfehlen sind, hängt davon ab, welche Entwicklung dieser Bereich nimmt. Je nach dem,
welche der technische Potenziale der Digitalisierung praktisch realisierbar erscheinen, von
den Beteiligten akzeptiert werden und sich als wirtschaftlich erweisen, müssen die strategischen Empfehlungen sehr unterschiedlicher Art sein.
Diese Abhängigkeit von Zukuftswissen führt allerdings in ein Dilemma: Angesichts einer
entwicklungsoffenen Zukunft mit vielfältigsten Abhängigkeiten und Einflussfaktoren ist die
künftige Entwicklung nicht vorherzusagen. Wir haben nicht nur eine, sondern viele mögliche
Zukünfte. Zugleich ist aber eine Vorstellung über die künftige Entwicklung unabdingbar. So
schwierig Aussagen über die künftigen Auswirkungen technischer Systeme sind, so unum164
gänglich ist der Versuch, die Konsequenzen des jeweiligen Handelns abzuschätzen. Die Prognose der künftigen Voraussetzungen und Folgen eines Techniksystems ist eine Bedingung
der Möglichkeit bewußter und freier Entscheidung über die gesellschaftliche Zukunft. Diese
Entscheidungsorientierung verändert aber – gegenüber einer Vorhersage – das Erkenntnisinteresse an der Zukunft623.
Letztlich geht es jedoch darum, Rechtsziele den Umständen entsprechend zu verwirklichen,
indem versucht wird, auf diese Umstände im Sinn der Rechtsziele Einfluss zu nehmen und
umgekehrt auch die rechtlichen Regelungen zur Effektivierung rechtlicher Vorgaben an die
jeweils neuen Umstände anzupassen. Rechtliche Einflussnahme kann aber gesellschaftliche
Relevanz nur in geschichtlichen Verzweigungssituationen gewinnen, in denen die Beteiligten
oder die Gesellschaft sich für unterschiedliche Entwicklungsrichtungen entscheiden können.
Fehlen Handlungsalternativen, können nur Sachzwänge vollzogen und deren negative Folgen
beklagt werden. Es kommt also für das Ziel, strategische Empfehlungen zu entwickeln, nicht
darauf an, tatsächlich die Zukunft vorherzusehen. Er genügt, wenn es gelingt entscheidende
Verzweigungssituationen zu erkennen und zu beeinflussen624.
4.5
Mögliche Zukünfte
Wenn auch eine Prophezeiung der Zukunft nicht möglich ist, können doch die vorhandenen
Kenntnisse über Vorraussetzungen und Einflussfaktoren der künftigen Entwicklung zu Gedankenexperimenten zu möglichen Zukünften zusammengetragen werden. Möglich werden
dadurch bedingte Prognosen. Solche Zukunftsbilder, die uns Verzweigungssituationen deutlich machen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, können in Form von Szenarien gezeichnet werden625.
Dabei muss es für die hier verfolgte Fragestellung um eine technikinduzierte Technikfolgenabschätzung gehen626. Wir wollen wissen, wie sich Zugangsoffenheit und Vielfalt bei einer
digitalisierten Verbreitung von Rundfunk über Satelliten entwickeln wird.
Bezogen auf das Erkenntnisziel bietet sich in erster Linie ein Trendszenario an. Trendszenarien versuchen, Trendentwicklungen zu beschreiben – also die Entwicklungen, die zum einen
den vorherrschenden gesellschaftlichen Entwicklungstrends entsprechen, die für das Untersuchungsfeld bestimmend sind, und die sich zum anderen an den sich voraussichtlich durchsetzenden mächtigen Interessen orientieren. Sie sind mit dem Anspruch verbunden, die Zukunft
mit der größten Wahrscheinlichkeit zu beschreiben (4.5.1)627.
Allerdings kann sich die Zukunft leicht auch anders entwickeln. Daher werden im Anschluss
an das Trendszenario zwei Sensitivitätsanalysen in Form determinierter Szenarien durchgeführt628. Diese stellen einmal eine vertikale Integration der Aufgaben von Transportdienstleistungen und Inhalteangeboten (4.5.2) und zum anderen eine Modularisierung der Schritte zur
Produktion und zum Vertrieb von Satellitenrundfunk (4.5.3) in den Mittelpunkt der Zukunfts-
623
S. hierzu näher Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S. 113.
624
S. hierzu näher Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S. 106 ff.
625
S. hierzu näher Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S. 110 ff.
626
S. hierzu näher Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S. 121.
627
S. hierzu näher Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S. 148 ff.
628
S. hierzu näher Roßnagel, Rechtswissenschaftliche Technikfolgenforschung, S. 155 ff.
165
konstruktion und fragen nach deren Auswirkungen. Für diese Szenarien wird eine nur gewisse
Wahrscheinlichkeit beansprucht. Dennoch soll die dargestellte Zukunftsentwicklung eine innere Plausibilität aufweisen.
4.5.1 Trendszenario
Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Verlauf der Digitalisierung lassen den Schluss zu, dass
sich der Rundfunkmarkt auf europäischer Ebene wie in Deutschland nicht erheblich anders
entwickeln wird als bisher. Es ist nicht ersichtlich, dass neue Geschäftsmodelle kurzfristig
Entwicklungen anstoßen, die zu gravierenden strukturellen Änderungen der Rundfunklandschaft führen werden. Der Schwerpunkt der Geschäftsmodelle wird auch zukünftig beim traditionellen Rundfunk liegen, wobei im Rahmen dieses Szenarios angenommen wird, dass
zumindest die Programme deutscher Veranstalter mit den höchsten Reichweiten auch beim
Übergang auf digitale Satellitenverbreitung weiterhin unverschlüsselt ausgestrahlt werden.
Der Satellitenempfang gewinnt in Deutschland weiterhin an Bedeutung, und zwar sowohl
beim Direktempfang wie auch als Medium der Programmzuführung zur Netzebene 4. Hierzu
tragen vor allem drei Faktoren bei:
•
Die zukünftige Entwicklung im Bereich der Kabelnetze ist nach wie vor unklar. Sie beinhaltet zwar die prinzipielle Perspektive eines Ausbaus digitaler Kapazitäten mit der Möglichkeit der Nutzung für breitbandige bidirektionale Kommunikation. Die bisherigen Erfahrungen im Bereich derjenigen Netze, die von neuen Eigentümern betreut werden, legen
indes die Erwartung nahe, dass sowohl die technische Umsetzung als auch der wirtschaftliche Erfolg des Ausbaus zumindest mehr Zeit beanspruchen, als die ursprünglichen Annahmen erwarten ließen. Raschere Entwicklungen könnten sich hier allenfalls dann ergeben, wenn die Betreiber der Netzebenen 3 und 4 gemeinsame Betreibermodelle forcieren
würden. Für die Satellitendistribution bedeutet dies, dass sich kein kurzfristiger zusätzlicher und großräumiger Systemvorteil des Kabels durch die Möglichkeit der Telefonie
oder des breitbandigen Internetzugangs ergibt, so dass diejenigen Faktoren, die die bisherige Entwicklung geprägt haben, durch einen Ausbau des Kabels jedenfalls nicht nachteilig zu Lasten des Satellitenempfangs verändert werden. Vielmehr steht zu erwarten, dass
die Satellitenbetreiber die Verzögerung nutzen, um zum Beispiel auch im Bereich bidirektionaler Angebote massenattraktive Technologien zu etablieren. Diese Annahme wird
unterstützt durch den Umstand, dass solche Angebote für den gewerblichen Bereich bereits marktreif sind.
•
Die Satellitenbetreiber unternehmen verstärkte Anstrengungen, den Satelliten als Zuführungsmedium unmittelbar gegenüber den Betreibern der Netzebene 4 zu vermarkten. Die
verzögerte Entwicklung im Kabelmarkt und die Verfügbarkeit geeigneter technischer Lösungen für die Verteilung der Signale in den Netzen lassen diese Aktivitäten der Betreiber
als erfolgversprechend erscheinen.
•
Schließlich vertritt die Europäische Union mit ihrer Position zum Zugang der Zuschauer
zur Satellitendistribution einen Standpunkt, der zur allmählichen Liberalisierung der bisher restriktiven Haltung des deutschen Rechts gegenüber dem Empfang von Rundfunksignalen via Satellit beitragen kann. Dieser Aspekt wird mittelfristig zu Lösungen führen, die
den Satellitenempfang unterstützen, wobei nicht allein der Direktempfang im Blickpunkt
steht, sondern auch die stärkere Realisierung kleiner Gemeinschaftsantennenanlagen.
Insgesamt steht mithin zu erwarten, dass die Satellitenbetreiber ihre Marktanteile gegenüber
dem Kabel ausbauen werden.
166
Der analoge terrestrische Empfang kann angesichts seiner marginalen Bedeutung für den
deutschen Markt außer Betracht bleiben. Für die Diskussion im Bereich der europäischen
Medienpolitik ist allerdings zu berücksichtigen, dass die analoge Terrestrik in einigen Ländern auch heute noch das unangefochtene Rückgrat der Rundfunkversorgung darstellt, so dass
die Satellitendistribution in Europa insgesamt eine andere Gewichtung erfahren kann.
Ob und inwieweit DVB-T den Grundbedarf einer nennenswerten Zahl von Zuschauern decken kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls kann DVB-T auf absehbare Zeit nicht die Rolle einer
Distributionstechnik übernehmen, die als Alternative zu Kabel und Satellit die flächendeckende Vielfalt des deutsche Rundfunksystems gewährleisten und damit die Bedeutung anderer
Verbreitungswege in ihrer Relevanz für die Sicherung von Vielfalt relativieren kann. Derzeit
ist eher davon auszugehen, dass DVB-T zunächst lediglich als komplementäres Medium in
besonderen Empfangssituationen genutzt wird. In Ballungsräumen mit hohem Ausbaugrad
kann DVB-T wegen seiner geringen Komplexität allerdings dämpfend auf die Entwicklung
des Satellitendirektempfangs wirken.
Mithin wird die Verbreitung von Rundfunksignalen über Satellit zumindest auf mittlere Sicht
für den deutschen Rundfunkmarkt weiter an Bedeutung gewinnen. Angesichts der derzeitigen
Vertriebspolitik für digitale Empfangstechnik werden die Anteile des digitalen Satellitenempfangs nennenswert zunehmen.
Wegen der hohen Bedeutung des Direktempfangs für alle Anbieter traditionellen Rundfunks
und der heute noch erheblichen technischen Hürden, eine einmal eingerichtete Satellitenposition zu wechseln, wird das Szenario – auf Deutschland bezogen – zu einer weiter zunehmenden Dominanz von SES-Astra im Satellitenmarkt führen. Eutelsat kann allenfalls im Bereich
der Verbreitung von Special-Interest-Angeboten sowie im Bereich der Versorgung der Netzebene 4 Marktanteile gewinnen. Diese Situation kann sich erst dann deutlich verändern, wenn
der Satellitenempfang nicht mehr von Antennen abhängig ist, die präzise auf bestimmte Orbitalpositionen fixiert sind. Weitere Anbieter werden sich – so die Annahme – jedenfalls unter
den heutigen Voraussetzungen im deutschen Markt nicht behaupten können.
Interaktives Fernsehen wird allmählich und mit zunächst geringer Marktdurchdringung realisiert werden; dessen Verbreitung wird ausschließlich digital erfolgen. Nicht zuletzt wegen der
praktischen Schwierigkeiten, über die Medien Kabel und Satellit massenattraktive breitbandige Rückkanäle zu realisieren, wird Interaktivität zunächst weitgehend asymmetrisch bleiben.
Über die digitalen Rundfunk-Verbreitungswege werden Inhalte vorwiegend zum Zuschauer
transportiert; Rückkanäle werden über andere Medien realisiert und bleiben vorerst schmalbandig. In Anbetracht der derzeit angedachten interaktiven Inhalte – Voting, Bestellungen,
Abruf vielfältiger Informationen – ist nicht zu erwarten, dass die Nachfrage nach breitbandigen Rückkanälen durch die angebotenen Inhalte massiv stimuliert wird. Unter diesen Umständen steht Bandbreite für digitale Übertragungen in ausreichendem Maß zur Verfügung.
Mit Engpass-Situationen ist – mit Ausnahme allenfalls kurzer Intervalle – nicht zu rechnen.
Der Markterfolg interaktiver Inhalte wird weniger von der Breite des Rückkanals als davon
abhängen, in welcher Zahl geeignete Empfangstechnologie, namentlich geeignete Receiver,
zur Verfügung stehen.
In diesem Szenario wird sich darüber hinaus keine maßgebliche Veränderung der Verschlüsselungssituation ergeben. Pay-TV-Anbieter werden ihre Angebote auch zukünftig verschlüsseln, während die werbe- und gebührenfinanzierten Veranstalter ihre Programme weiterhin
unverschlüsselt ausstrahlen. Damit werden auch künftig die Voraussetzungen nicht gegeben
sein, den direktempfangenden Zuschauer generell mit Verbreitungsentgelten zu belasten. Pay167
TV wird sich allmählich stabilisieren, sich jedoch vorerst nicht zum dominierenden Geschäftsmodell entwickeln.
Die Verbreitung von Personal Video Recordern wird – ebenso wie die von Videorecordern
überhaupt – die Sehgewohnheiten der Zuschauer nicht entscheidend beeinflussen. Die
Markteinführung digitaler Recorder hat zwar begonnen und wird sich mit zunehmender Digitalisierung weiter entwickeln629. Dennoch wird ein großer Teil der Zuschauer Werbung im
laufenden Programm akzeptieren, weil sich die Sehgewohnheiten nur sehr allmählich verändern und die Ausblendung von Werbung den aktiven Eingriff der Zuschauer voraussetzen
würde, zumal die Praxis zeitgleicher Darstellung von Werbung und Inhalten durch akzeptabel
geteilte Bildschirme zunehmend Platz greift.
Im Bereich der Satellitenanbieter selbst sind weitere globale Konzentrationen durch Änderungen der Eigentümerstruktur wahrscheinlich; Änderungen der bisherigen Geschäftspolitik der
Satellitenbetreiber werden vorrangig durch solche Konzentrationsprozesse angestoßen. Wegen der hohen Zahl verfügbarer digitaler Satellitenkapazitäten ist allerdings nicht zu erwarten,
dass in Deutschland exklusive Strukturen geschaffen werden können.
Die Situation in anderen europäischen Ländern kann sich wegen der dort herrschenden Monopolstrukturen im Bereich der Infrastruktur und der gegenüber Deutschland relativ hohen
Pay-TV-Anteile davon abweichend gestalten.
4.5.2 Integrationsszenario
Ähnlich wie im Kabelmarkt sind auch im Bereich des Satellitenmarktes Entwicklungen denkbar, die zu einer Integration von Transport und Inhalten führen630. Die Märkte anderer europäischer Staaten haben auf verschiedenen Ebenen die Integration bereits vollzogen. In Großbritannien war eine derartige Entwicklung auch auf dem Satellitenmarkt zu beobachten. Zwar
werden auch dort Inhalte über angemietete ASTRA-Transponder ausgestrahlt, im Bereich des
Marketing wurden aber frühzeitig Technik und Inhalte durch die gemeinsame Verwendung
des Schlüsselbegriffs „Sky“ verbunden, so dass der Eindruck eines einheitlichen Anbieters
von Satellitentechnik und Inhalten entstehen konnte.
Bereits heute zeigt sich auch in Deutschland ein deutlicher Trend zur vertikalen Integration,
das heißt, zur Zusammenführung von Inhalten und Infrastruktur. Während auf dem deutschen
Kabelmarkt lange wie selbstverständlich die Trennung von Netzen und Inhalten galt, hat sich
dieses Verständnis in Europa – und mit dem beabsichtigten Verkauf der DTAG-Kabelnetze
auch in Deutschland – erheblich relativiert. Die damit verbundenen Risiken für den Zugang
sind ersichtlich631.
Für den – deutschen – Satellitenmarkt ist eine vergleichbare Veränderung derzeit zumindest
nicht konkret erkennbar. Insbesondere SES-Astra sieht seine Rolle nach wie vor ausschließlich als Transporteur, während Eutelsat – zunächst lediglich als Dienstleister – beginnt, Programmpakete zu schnüren und anzubieten. Diese Tendenz kann sich rasch verstärken, wenn
629
Zu aktuellen Entwicklungen s. FAZ vom 14.3.2003, S. 20.
630
Ein Vermarktungsmodell für die Verbreitung über Kabel beschreiben Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 411;
Irion/Schirmbacher, CR 2002, 61 ff.; Wagner, Beilage MMR 2/2001, 28; s. auch Rhein, Beilage MMR
2/2001, 3, 7f.
631
S. Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 80 ff.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang zum digitalen Fernsehen, S: 22 ff.; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445.
168
inhaltsbezogene Geschäftsmodelle als wirtschaftlich günstig oder notwendig erscheinen, zumal die Verflechtung inhaltlicher Interessen mit dem Zugriff auf Transportleistungen außerhalb Deutschlands nicht unbekannt ist. Ein solcher Impuls kann durch den Markteintritt eines
dritten Anbieters – etwa Murdoch – auf den deutschen Satellitenmarkt ausgelöst werden,
wahrscheinlicher ist jedoch eine Änderung im Bereich der Eigentumsverhältnisse der etablierten Anbieter.
Eine solche Konstellation könnte – ebenso wie im Kabelbereich – unmittelbare und mittelbare
Auswirkungen auf die Zugangsbedingungen von Drittanbietern haben.
Gerade im Satellitenbereich könnte und müsste sie jedoch zunächst zu einem Paradigmenwechsel hinsichtlich des freien Empfangs von Satellitensignalen führen. Vertikal integrierte
Unternehmen müssen möglichst alle Stufen der Wertschöpfungskette kontrollieren, um wirtschaftlich maximal erfolgreich zu sein. Dies kann angesichts der technischen Reichweite des
Satellitensignals nur über eine Verschlüsselung gelingen. Um die Wirtschaftlichkeit dieses
Modells zu optimieren, müsste zugleich die allgemeine Verfügbarkeit unverschlüsselter Signale reduziert werden. Dies kann zum einen gelingen über proprietäre Empfangstechnologien
oder aber über wirtschaftliche Anreize für Free-TV-Anbieter, zumindest einer Basisverschlüsselung zuzustimmen. Solche wirtschaftlichen Anreize könnten etwa in der Beteiligung an den
Transportentgelten gesehen werden, die der Zuschauer für den Zugang zu den verschlüsselten
Programmen zu entrichten hätte.
Für die langfristige Zielsetzung, Zugangsentgelte durch eine generelle Verschlüsselung aller
Satellitenprogramme auch für den Satellitendirektempfang zu realisieren, sprechen darüber
hinaus verschiedene andere Faktoren:
Neben dem Umstand, dass sich Satellitenbetreiber auf diese Weise eine Einnahmequelle erschließen, die Kabelnetzbetreibern bereits heute zur Verfügung steht, können Veranstalter
werbefinanzierter Programme – ebenso wie sie es im Bereich der Kabelnetze anstreben – Geschäftsmodelle entwickeln, die eine Beteiligung der Zuschauer an den Distributionskosten
ermöglichen. Die Durchsetzung eines entsprechenden Modells im Bereich der Kabelnetze
setzt voraus, dass sich die Wettbewerbssituation zwischen den Distributionssystemen durch
zusätzliche Belastungen der Zuschauer nicht weiter zu Lasten der Kabelverbreitung verschiebt. Dies gelingt durch ein entsprechendes Geschäftsmodell im Bereich des Satelliten. Die
Marktdurchdringung wird hier schon mittelfristig ein Maß erreicht haben, das einen solchen
Schritt prinzipiell möglich machen kann. Schließlich kann – und dies ist einer der Kernaspekte – die zukünftige Entwicklung im Bereich der Werbeerlöse die heutige Form der ausschließlichen Werbefinanzierung weiter in Frage stellen. Dabei steht nicht der aktuelle, überwiegend konjunkturbedingte Rückgang an Werbeerlösen im Vordergrund, sondern es sind vor
allem die Befürchtungen, neue digitale Speichertechnologien, zum Beispiel fortgeschrittene
Harddisc-Recorder, könnten den Zuschauer in die Lage versetzen, Werbung konsequent auszublenden und damit das Prinzip der Werbefinanzierung in Frage stellen. Treffen diese Befürchtungen zu, sind neue, zumindest ergänzende Finanzierungsformen unabdingbar. Damit
deuten auch diese Überlegungen darauf hin, dass langfristig auch Satellitensignale weit überwiegend verschlüsselt angeboten werden.
Ist eine Verschlüsselung von Satellitensignalen weitgehend etabliert, bieten sich für die Integration möglichst vieler Glieder der Wertschöpfungskette in ein einheitliches Angebot erhebliche Anreize, wobei die europaweite Verfügbarkeit des Distributionswegs zusätzliche Effekte
bietet.
169
Für die Durchdringung des Markts mit Endgeräten, die Zugangsberechtigungssysteme beinhalten und Zusatzdienste auswerten können, hätte ein Modell vertikal integrierter Anbieter
prinzipiell beschleunigende Effekte: Die erforderlichen Endgeräte würden im Rahmen flexibler Geschäftsmodelle im Markt untergebracht werden, ohne dass Zweifel an der Entwicklung
zukünftiger Standards hemmend wirkten. Geeignete Geschäftsmodelle könnten die vollständige oder teilweise Subventionierung von Endgeräten beinhalten, sofern die Inhalte hinreichend attraktiv gestaltet wären. Gleichzeitig können – dies zeigt der Markt in Großbritannien
– geeignete interaktive Dienste angeboten werden. Dabei ist davon auszugehen, dass im Sinn
der Kundenexklusivität primär solche Technologien eingesetzt würden, die mit standardisierter Technologie zumindest nicht vollständig kompatibel sind. Hierzu gehört etwa auch der
Verzicht auf Common-Interfaces, der Einsatz proprietärer Zugangsberechtigungssysteme und
nicht in allen Punkten standardisierter Middleware, mithin auch der Verzicht auf MHP in seiner standardisierten Form. Das Abrechnungssystem steht dem Anbieter exklusiv zur Verfügung; der Zugriff auf die Kundendaten führt zu individualisierten Diensten und Angeboten.
Dass der Markt des Pay-TV in Deutschland sich trotz des Einsatzes verschiedener Komponenten dieses Modells – DF1 und Premiere konnten sich im Markt des digitalen Fernsehens
wegen der Beherrschung verschiedener Bereiche der digitalen Signalverarbeitung zeitweise
als Monopolisten bewegen – bislang nicht erfolgreich war, schließt nicht aus, dass ein konsequent integratives Geschäftsmodell zukünftig nicht dennoch erfolgreich sein kann. Die Zahl
digitaler Satellitenreceiver, die nicht als d-box in den Markt gelangt sind, ist nicht signifikant.
Ein Subventionsmodell könnte auch den Umstand überwinden, dass in einer relevanten Zahl
der Satellitenhaushalte bereits eine digitale Zapping-Box vorhanden ist. Entscheidend ist allein, ob es gelingt, attraktive interaktive Angebote und exklusive Inhalte zu präsentieren bzw.
die Zahl frei verfügbarer Satellitenangebote zu reduzieren, was insbesondere dann gelingen
kann, wenn Transporteur und Inhalteanbieter identisch sind.
Unter diesen Umständen wird der Zugang eines unabhängigen Dritten zu den verschiedenen
Stufen der digitalen Distribution potenziell schwieriger, weil das Drittunternehmen die Leistungen von einem unmittelbaren Wettbewerber beziehen muss. Die Sicherung fairer Bedingungen kann in diesem Fall nicht durch den Markt geleistet, sondern muss durch externe Mechanismen gesteuert werden, wobei Steuerung hier bereits die Existenz geeigneter Mittel bedeutet.
Für den Zuschauer ist der Umstand, dass proprietäre Techniken angeboten werden, nicht von
Bedeutung, wenn entweder bereits die Inhalte überzeugend oder aber die technische Ausstattung gemessen an hinreichend attraktiven Inhalten und interaktiven Angeboten günstig ist.
Relevant wird dieser Umstand lediglich dann, wenn sich bereits zuvor ein hinreichend großer
Markt etabliert hat, in dem andere Standards gesetzt sind.
4.5.3 Dienstleistungsszenario
Das dritte Szenario beschreibt eine Entwicklung, die durch funktionierenden Wettbewerb auf
vielen Stufen des Distributionsprozesses unabhängigen Inhalteanbietern den Zugang zu den
Transportwegen und den Zuschauern den Zugang zu Inhalten ermöglicht. Das Szenario geht
davon aus, dass sich ein Rundfunkmarkt entwickeln wird, der neben traditionellen Rundfunkangeboten in wachsendem Maß auch transaktionsorientierte Angebote beinhaltet.
Die erforderliche Investition zum unabhängigen Aufbau aller Geschäftsprozesse in einem
digitalen Satellitenmarkt wird sich für eine große Zahl mittlerer Anbieter als nahezu unüberwindliche Markteintrittshürde erweisen. Die Erfahrungen der Entwicklung im Bereich des
deutschen digitalen Fernsehens belegen, dass selbst verhältnismäßig kapitalstarke Unterneh170
men eher einen starken Wettbewerber als Partner akzeptieren als eigenständige Investitionen
in organisatorische und technische Komponenten zu verantworten.
Mittelfristig wird sich angesichts der Vervielfachung von Kapazitäten, der praktisch wachsenden Komplexität der digitalen Verbreitung von Inhalten und der zunehmenden Zersplitterung von Zuschauerreichweiten daher zumindest für Anbieter mittlerer Größenordnung die
Notwendigkeit ergeben, verstärkt Dienstleistungen zur Erledigung der mit der Verbreitung
von Programmen zusammen hängenden Arbeitsschritte in Anspruch zu nehmen. Dies beinhaltet – wie bereits heute – die Produktion und die Ausstrahlung der Inhalte, aber auch die
Vermarktung und schließlich die Abrechnung der Inhalte.
Anbieter solcher Leistungen können vertikal integrierte Unternehmen sein, die die Gesamtheit
dieser Prozesse vorhalten, aber auch kontrollieren. Solche Anbieter müssten im Hinblick auf
den diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugang zu den Ressourcen regulatorischen
Kontrollen unterliegen, die faire Marktbedingungen gewährleisten. Neben den bereits etablierten Mechanismen der Aufsicht könnten vertragsorientierte Regelungen, etwa im Sinn der
Inhaltskontrolle einzelner Vertragsbestimmungen, zur Transparenz der Zugangsbedingungen
beitragen.
Alternativ hierzu ist die Entwicklung eines unabhängigen und anbieterneutralen Dienstleistungssegments denkbar, das im Rahmen eines funktionierenden Wettbewerbs die erforderlichen Prozesse digitaler Verbreitung von Rundfunk inhaltsneutral anbietet. Dabei kann die
Kette der Prozesse „aus einer Hand“ angeboten werden, denkbar sind allerdings auch Modelle, in denen die erforderlichen Dienstleistungen weitgehend modularisiert sind und von unterschiedlichen Anbietern bezogen werden können. Eine Modularisierung führt zur Senkung der
Markteintrittshürden für die Anbieter der Dienstleistungen und fördert zugleich den Wettbewerb zwischen den Anbietern.
Voraussetzung einer Modularisierung sind in jedem Fall standardisierte Schnittstellen, die die
Übergabe der einzelnen Prozesse zwischen den Dienstleistern erlauben.
Erste Ansätze zur Standardisierung von Schnittstellen finden sich bereits heute im Bereich der
API's digitaler Empfangsgeräte oder dem Versuch, lokalen und regionalen Netzbetreibern den
Zugang zu CA-Systemen zu ermöglichen.
Angestoßen werden könnten derartige Plattformen von den Anbietern der Transportdienstleistungen, die bereits heute die technische Abwicklung der Sendevorbereitung weitgehend offen
gestaltet haben. Erste Schritte zu einer modularisierten und für den Kunden transparenten
Dienstleistung könnten auch die von Eutelsat im Rahmen des visAvision-Projekts eingesetzten Abrechnungs- und Freischaltungsverfahren sein.
Modulare Prozesse erlauben zudem den Wechsel auch der Anbieter der Transportleistungen
und können so mittelfristig auch in diesem Segment Abhängigkeiten von einzelnen Infrastrukturen reduzieren.
In diesem Szenario wird eine relativ hohe Wahlfreiheit des Zuschauers erreicht, gleichzeitig
aber die formale Kundenbindung reduziert, weil die hohe Wettbewerbsorientierung den
Wechsel zwischen den Dienstleistern begünstigt.
Die Durchsetzung der stärkeren unmittelbaren Beteiligung des Zuschauers an der Finanzierung der Angebote ist allerdings auch hier abhängig von der Akzeptanz der Inhalte. Die Modularisierung und die Möglichkeit, Dienstleistungen in der jeweils benötigten Form nachzu171
fragen, führt – wie bereits heute – zum parallelen Angebot verschlüsselter und unverschlüsselter Angebote. Gleichzeitig wird allerdings die Marktpräsenz einer Vielzahl für unterschiedliche Zielgruppen attraktiver und im Wettbewerb stehender Angebote gefördert. Dies
kann insgesamt die allmähliche Hinwendung des Zuschauers zu solchen Inhalten fördern, an
deren Finanzierung er sich unmittelbar beteiligen muss.
In diesem Szenario können langfristig auch die Wirkungen abgefedert werden, die die intensive Nutzung der Möglichkeiten eines Personal Video Recorders auf den Werbemarkt und
damit die Einnahmesituation werbefinanzierter Programmen haben könnte. Es steht zu erwarten, dass ein Modell, dass modular funktioniert und dem Zuschauer eine prinzipiell hohe
Flexibilität einräumt, mittelfristig zu breiterer Akzeptanz zusätzlicher Finanzierungsbeiträge
durch den Zuschauer führen kann. Dies kann insbesondere begünstigt werden durch zusätzliche interaktive Angebote, die vor allem dann zu refinanzieren sind, wenn die erforderlichen
technischen Voraussetzungen als Dienstleistungsangebot Dritter zur Verfügung stehen.
Zugleich hat ein hoch standardisiertes Verfahren positive Wirkungen auf die Endgerätesituation. Die Receiver erweisen sich für den Zuschauer als universell einsetzbar für die Angebote
aller Veranstalter. Dies dürfte die Investitionsbereitschaft erhöhen, den Markt erweitern und
sich letztlich günstig auf den Preis und damit die Marktdurchdringung auswirken.
Die breite Verfügbarkeit der Technik eröffnet überdies nicht nur dem privaten werbefinanzierten Rundfunk neue Refinanzierungsmöglichkeiten, sondern könnte auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland Rahmenbedingungen schaffen, die eine fallweise
Verschlüsselung erlauben. Angesichts des Umstands, dass Problemkonstellationen, die entweder exorbitante Rechtekosten oder einen vollständigen Verzicht auf attraktive Rechte
zwingend zur Folge haben, auch zukünftig nicht die Regel sind, erlaubte der Rückgriff auf
modulare Systeme die Verschlüsselung von Programminhalten ausschließlich in diesen Ausnahmesituationen, in denen eine Freischaltung durch Auswertung des Rückkanals zum Beispiel auch an den Standort des Receivers geknüpft werden könnte.
4.6
Zusammenfassung
Veränderungen der Rundfunklandschaft durch Digitalisierung sind nicht zwingend. Der
nahtlose Übergang von der analogen auf die digitale Verbreitungstechnik bei den Satellitenbetreibern zeigt, dass Rundfunkangebote sich nicht allein durch Digitalisierung verändern.
Allerdings führen mehr und preiswertere Kapazitäten zu einer allmählichen Zunahme von
Programmen, die auf kleinere Zielgruppen ausgerichtet sind und mit gegenüber heutigen Angeboten veränderten Finanzierungsmodellen am Markt bestehen können. In diesem Kontext
sind gegenüber der analogen Technik neue Dienstleistungen erforderlich, etwa bei der Steuerung des Zugangs zu den Angeboten oder zu deren Abrechnung, deren eigenständige Realisierung vor allem für kleinere Anbieter problematisch sein kann. Die Erfahrung der vergangenen Jahre ist aber auch Beleg dafür, dass diese Veränderungen sich eher allmählich vollziehen
und – wie der Bereich interaktiven digitalen Fernsehens zeigt – das Potenzial der Technik
nicht immer sofort in finanzierbare Anwendungen umgesetzt werden kann. Andererseits geben z.B. die Entwicklungen des Kabelmarktes in Deutschland Hinweise darauf, dass sich
wirtschaftliche wie politische Rahmenbedingungen durch Veränderungen einzelner Parameter
– das Hinzutreten von Anbietern mit Schwerpunkt im Bereich der Inhalte – relativ rasch
grundlegend verändern können. Eine solche Veränderung kann auch im Bereich des Satellitenrundfunks nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden.
172
Basis für die Antwort auf die Frage, welche politischen Folgerungen aus diesen Veränderungen im Bereich des Satellitenrundfunks zu ziehen sind, kann angesichts der bisherigen Erfahrungen daher nicht eine einzelne, auf eine bestimmte Entwicklung zielende Prognose sein.
Vielmehr müssen der Beurteilung unterschiedliche Szenarien zugrunde gelegt werden, die es
ermöglichen, dynamisch und frühzeitig auf Veränderungen zu reagieren. Eines dieser Szenarien basiert auf der Annahme, dass der bisherige Trend allmählich fortschreitet und sich Veränderungen durch die Digitalisierung Schritt für Schritt ergeben. Allerdings muss auch der
Fall untersucht werden, dass sich Satellitenbetreiber neben ihren bisherigen Transportleistungen verstärkt dem Angebot von Inhalten zuwenden und als vertikal integrierte Unternehmen
agieren und sich so insbesondere für den Zugang zu diesen Systemen weitere Hürden ergeben
können. Schließlich kann unter dem Gesichtspunkt der Förderung eines möglichst offenen
Zugangs zu den Vertriebswegen und damit eines möglichst breiten Spektrums an unterschiedlichen Inhalteanbietern ein Szenario dargestellt werden, das auf eine arbeitsteilige und
modularisierte Plattform ausgerichtet ist, die Wettbewerb und damit Zugangsoffenheit auf
jeder Stufe der Wertschöpfung erlaubt.
173
5.
Neue Rechtsprobleme durch die Digitalisierung
Die Digitalisierung führt zu den in Kapitel 4 beschriebenen Veränderungen in den technischen Grundlagen, in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den individuellen
Handlungsoptionen der Beteiligten. Diese Veränderungen sollen in diesem Kapitel zum einen
darauf hin untersucht werden, inwiefern sie sich auf die Verwirklichung der in Kapitel 3.1
dargestellten europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Ziele auswirken. Sofern sich hieraus Herausforderungen für das Recht ergeben, soll weiter geprüft werden, ob das europäische
oder deutsche Recht auch für diese grundsätzlich Antworten bereit hält oder ob es einen
rechts- oder medienpolitischen Handlungsbedarf gibt. Mit welcher Dringlichkeit der hier allgemein bestimmte Handlungsbedarf befriedigt und in welche Strategie die rechts- und medienpolitischen Handlungsalternativen eingebunden werden sollten, wird dann Gegenstand
des sechsten Kapitels sein.
5.1
Regelungsregime
Die Möglichkeit, prinzipiell beliebige Inhalte über digitale Transportwege zu übertragen,632
wird die Notwendigkeit, neue Kriterien für die bisher mit dem Rundfunkbegriff verknüpften
Rechtsfolgen zu entwickeln, verdeutlichen. Technische Kategorien – im einfachsten Fall
„Fernsehen“ oder „Internet“ – sind nicht länger geeignet, den Phänomenen das passende
rechtliche Regime zuzuordnen.
Wurde Rundfunk bislang im Wesentlichen über seine Transportstruktur beschrieben, folgt aus
der dargestellten Transparenz des Transportwegs, dass dieser Ansatz kein geeignetes Differenzierungskriterium mehr darstellt. Die Definition von Rundfunk bedarf im Zeitalter transparenter Übertragungswege vor allem inhaltlicher Kriterien. Mit der Möglichkeit, gleiche
Transportwege zeitgleich für verschiedenartige Inhalte zu nutzen, geht einher, dass die klassische statische Zuordnung von Übertragungswegen in bisherige Kategorien – zum Beispiel
Rundfunk oder Telekommunikation – und damit die statische Zuordnung der Übertragungswege zu verschiedenen rechtlichen Systemen kein geeignetes Differenzierungskriterium mehr
sein kann.
Zwar wäre denkbar, die technische Möglichkeit der Nutzung von Transportwegen für unterschiedliche Inhalte im Interesse der rechtlichen Systemklarheit zu beschränken – Ansätze
hierzu finden sich im Rahmen von Diskussionen über die „Widmung“ digitaler Transportwege für Rundfunk633 –, dies bedeutete allerdings den materiell nicht zwingenden Verzicht auf
Synergien, die aus der prinzipiellen Transparenz des Transportwegs folgen. Eine definitorische „Analogisierung“ digitaler Übertragungswege erscheint daher nicht optimal.
Da die Differenzierung nach der verwendeten Technik nicht weiter hilft, müssen die Kriterien
inhaltlicher Natur sein. Dies bedeutet, dass Inhalte mit Hilfe qualitativer Maßstäbe ihrem Regelungsregime zugeordnet werden müssen. Damit wird sich auch die Notwendigkeit und das
Maß der Sicherung diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugangs an neuen, inhaltlichen Kriterien orientieren müssen. Inhalte, deren Bedeutung nicht der des bisherigen Rundfunks gleichkommt, bedürfen lediglich einer medienspezifischen regulatorischen Ordnung
632
S. zur Transparenz der Transportwege Kap. 4.1.1.
633
Vgl. Kap. 3.3.2.
hinsichtlich ihrer Schranken – etwa im Bereich des Jugendschutzes634 –, während für meinungs- und vielfaltsrelevante Inhalte die Möglichkeit des offenen Zugangs zu Verbreitung
und Wahrnehmung besonderer Beachtung bedarf.
Auf der Ebene der Europäischen Union hat diese Überlegung im neuen Telekommunikationsrichtlinien-Paket bereits ihre Umsetzung gefunden635. Die Richtlinien trennen streng zwischen
Inhalten einerseits und technischer Infrastruktur andererseits.636 Elektronische Kommunikationsdienste sollen – unabhängig von den übermittelten Inhalten – auf allen technischen Verbreitungswegen prinzipiell dem gleichen rechtlichen Rahmen unterworfen sein. Dies gilt auch
für die Verbreitung von Rundfunk. Mit der Umsetzung der Richtlinien dürfte dann in allen
Mitgliedstaaten die Regulierung der transparenten Wege weitgehend inhaltsneutral erfolgen.
Regulierungsbedarf könnte sich aber umgekehrt für die technikneutrale Regulierung der Inhalte ergeben. Hier dürfte die Transparenz digitaler Transportwege mittelfristig erhebliche
definitorische Änderungen des traditionellen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs bedingen. Einfachgesetzlich wären die Unterscheidungen von Telediensten, Mediendiensten und
Rundfunk zu überdenken.
Für die Untersuchung des künftigen Rechtsrahmens im Bereich des digitalen Satellitenrundfunks folgt aus diesen Erwägungen als ein Kriterium, mögliche Modelle daran zu messen,
inwieweit sie der technischen Transparenz digitaler Datenübermittlung Rechnung tragen, sie
erlauben oder fördern.
5.2
Frequenzvergabe
Die Regelungen zur Vergabe von Frequenzen für die analoge Ausstrahlung von Rundfunk
dienten bisher zum einen der Ordnung des Funkverkehrs und zum anderen der Verwaltung
des Mangels637. Aus dem Blickwinkel der zweiten Aufgabe müssen sie einmal in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht dafür sorgen, dass die knappen Ressourcen gerecht auf die Wettbewerber verteilt werden. In rundfunkrechtlicher Hinsicht müssen sie sicherstellen, dass dabei
die rundfunkrechtlichen Ziele, die Grundversorgung und die Meinungsvielfalt zu gewährleisten, ebenfalls erreicht werden. Diese Aufgaben werden durch die deutlich gesteigerte Übertragungskapazität digitaler Verbreitung von Rundfunksignalen erheblich an Bedeutung verlieren.
Technische Folge der Digitalisierung ist eine gegenüber der vergleichbaren analogen Verbreitung von Signalen erheblich bessere Ausnutzung vorhandener Frequenzbereiche638. Für
die Programmveranstalter wird dadurch sowohl der rechtliche als auch der ökonomische Zugang zu den Verbreitungswegen erheblich einfacher als bisher. In der Folge wird die Konkurrenz um die knappen Frequenzen entspannt sowie die Vielfalt des Angebots erweitert und
seine Sicherung erleichtert.
634
Wie sie etwa im Mediendienstestaatsvertrag gefunden wurden – s. hierzu z.B. Roßnagel-Meier, Einl. in den
MDStV, Rn. 2, 19 ff.
635
S. Kap. 3.3.3.1.
636
S. Kap. 3.3.4.1.2.
637
S. hierzu auch Kap. 3.2.1.
638
S. Kap. 4.1.2.
175
Angesichts der Steigerung der Übertragungskapazitäten erscheinen die bestehenden Regelungen adäquat und ausreichend. Ein zusätzlicher Regelungsbedarf ist nicht zu erkennen.
5.3
Zugang des Empfängers
Die Rundfunkfreiheit als Freiheit des Empfangs gewährleistet jedem Bürger ein Recht auf
eine angemessene Versorgung mit Hörfunk und Fernsehen. Sie dient der freien Meinungsbildung und ermöglicht, sowohl Meinungen zu äußern und zu verbreiten, als auch die geäußerten Meinungen zur Kenntnis zu nehmen und sich zu informieren639. Im Interesse einer umfassenden und freien Meinungsbildung, hat der Gesetzgeber nicht nur die Vielfalt und Ausgewogenheit des Programms sicherzustellen, sondern auch dafür zu sorgen, dass die vielfältigen
und ausgewogenen Inhalte zu den Empfängern gelangen. Hiervon wird auch die Freiheit zur
Erschließung bestimmter technischer Empfangsvoraussetzungen umfasst640, da sie erst die
Voraussetzung für die Zugänglichkeit der massenkommunikativ verbreiteten Informationen
darstellt.641 Der Anspruch auf ungehinderten Empfang wird in dem Maß verstärkt, indem Personen aus tatsächlichen Gründen auf den Satellitenempfang als einzige Möglichkeit der Versorgung mit Fernsehen angewiesen sind642.
Aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sowohl die
Grundfreiheiten des EGV als auch die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ das grenzüberschreitenden Angebot von Fernsehdienstleistungen fördern wollen. Die Möglichkeit des ungehinderten Empfangs grenzüberschreitender Fernsehangebote soll nicht nur der Verwirklichung des Gemeinsamen Markts dienen, sondern auch zur politischen und kulturellen Integration Europas beitragen643.
Die grenzüberschreitende Übertragung von Rundfunk, wie sie die Fernsehrichtlinie im Blick
hat, dürfte durch Digitalisierung interessanter werden. Zum einen werden in Folge der höheren Übertragungskapazitäten mehr Special-Interest-Programme angeboten, für die sich auch
Zuschauer jenseits der Landesgrenzen interessieren könnten. Zum anderen können digitale
Sendungen mit Tonspuren in verschiedenen Sprachen unterlegt werden, die es jedem ermöglichen, die Sendung in seiner Heimatsprache zu hören.
Die Empfangsfreiheit wird – national und grenzüberschreitend – gefährdet durch die bisherige
deutsche Rechtsprechung, die das Interesse deutscher Zuschauer an Programmen aus anderen
Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft gering bewertet hat644. Stimmt man der Interpretation der
Europäischen Kommission der Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK und des Art. 11 Europäische Grundrechtecharta sowie der Grundfreiheiten des EGV zu,645 so muss sich die deutsche Rechtsprechung ändern. Sollte diese Änderung nicht erfolgen, könnte sich an dieser
Stelle rechtspolitischer Gestaltungsbedarf ergeben.
639
S. BVerfGE 57, 295, 319 f.
640
S. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, Erläuterungen, Rn. 53.
641
S. hierzu auch Roßnagel/Hilger, Regulierung des Zugangs, S. 37; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 447.
642
S. hierzu näher Kap. 3.3.3.2.1.
643
S. hierzu bereits Kap. 3.1.1 und Kap. 3.3.3.2.2.
644
S. hierzu näher Kap. 3.3.3.2.1.
645
S. Kap. 3.3.3.2.2.
176
Die Empfangsfreiheit wird grundsätzlich durch proprietäre Endgeräte gefährdet, die einen
Wechsel der Anbieter erschweren. Dies gilt vor allem für Receiver, Conditional-AccessSysteme und elektronische Programmführer646. Hier ergibt sich ein rechtspolitischer Handlungsbedarf, die Interoperabilität der Endgeräte mit den Angeboten unterschiedlicher Programmveranstalter sicherzustellen und einen Wechsel auf dem Markt der Anbieter ohne größere technische Hindernisse zu ermöglichen647.
Bezogen auf den deutschen Markt bewirkt die Dominanz von SES-Astra im Segment des Direktempfangs prinzipiell eine Position, in der Wettbewerb nur noch begrenzt beobachtet werden kann. Für jeden Programmveranstalter, dessen Geschäftsmodell von hoher Reichweite
abhängig ist, ist die Verbreitung via ASTRA unverzichtbar. Geeignete Alternativen, die entsprechend hohe Reichweiten bieten können, sind auf dem Markt aktuell nicht verfügbar. Diese Situation, die in dieser Zuspitzung wegen der hohen Anteile im Bereich des Direktempfangs vor allem für den deutschsprachigen Raum relevant ist, kann allenfalls mittelfristig
durch eine Änderung der Antennentechnologien oder aber durch intensive Marketingaktivitäten zugunsten einer alternativen Orbitalposition verändert werden.
Die Abhängigkeit gegenüber einem Satellitenbetreiber ist nicht durch die Digitalisierung der
Ausstrahlung bedingt, sondern durch die Ausrichtung der Antennen auf eine bestimmte Orbitalposition ist. Der dadurch erschwerte Wechsel des Betreibers ist technisch bedingt und nur
dadurch zu beheben, dass Antennen entwickelt werden, die den Empfang von unterschiedlich
positionierten Satelliten ermöglichen648.
5.4
Zugang der Programmveranstalter
5.4.1 Rundfunkpolitische Ziele
Der diskriminierungsfreie Zugang der Programmveranstalter zum Verbreitungsweg Satellit,
den Endgeräten und den zusätzlichen Diensten ist erforderlich, um deren Grundfreiheiten und
Grundrechte sowie die wichtigsten rundfunkpolitischen Ziele in Europa und Deutschland zu
erreichen649.
Freie Information und Meinungsbildung sind Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung. Sie erfolgen in einem Kommunikationsprozess,
der ohne Medien, die Informationen und Meinungen verbreiten und selbst Meinungen äußern,
nicht aufrechterhalten werden könnte650. Dabei kommt dem Rundfunk wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu651. Um das Allgemeininteresse an einem funktionierenden Meinungsbildungsprozess zu wahren, ist es erforderlich, die
646
S. hierzu Kap. 4.1.6.
647
S. dazu die Oxera-Studie im Auftrag der Kommission „Study on interoperability, service diversity and
business models in digital broadcasting markets“ vom Februar 2003, abrufbar unter
http://www.europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/documents/oxera_final_re
port_volume_1_report1.pdf, abgerufen am 12.3.2003.
648
S. hierzu Kap. 4.1.6.
649
S. hierzu ausführlich Kap. 3.1.
650
S. z.B. BVerfGE 57, 295, 319 f.
651
S. z.B. BVerfGE 90, 60, 87.
177
Etablierung vorherrschender Meinungsmacht zu verhindern, da ansonsten der Meinungspluralismus und letztendlich auch die demokratische Grundordnung gefährdet wären.
Neben diesen Allgemeininteressen geht es vor allem um die Verwirklichung anerkannter
Rechte und Aufgaben der Programmveranstalter selbst. Für die öffentlich-rechtlichen Veranstalter muss gewährleistet sein, dass sie ihre Aufgabe der Grundversorgung erfüllen können.
Dies ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn sie den chancengleichen und nicht diskriminierenden Zugang zur Satellitenverbreitung haben.
Für die privaten Veranstalter ist ein diskriminierungsfreier und chancengleicher Zugang
wichtig, um ihre grundrechtlich geschützten wirtschaftlichen Interessen verfolgen zu können.
Zugleich sind sie aber auch Bestandteil des Rundfunksystems, dessen Funktionsfähigkeit sie
durch Meinungsvielfalt sichern sollen. Indem sie ihre wirtschaftlichen Interessen im gegenseitigen Wettbewerb verfolgen, gewährleisten sie zugleich durch ihre Vielfalt die Pluralität
der im Fernsehen vertretenen Meinungen. Da sie sich in Deutschland größtenteils aus Werbung finanzieren, sind die privaten Veranstalter darauf angewiesen, eine maximale Empfängerreichweite zu erzielen. Sie haben keine Möglichkeiten – wie die Empfänger – auf andere
Übertragungssysteme umzusteigen. Wenn ihnen der Satellit verschlossen ist, dann haben sie
keine Alternativen, die Satellitenempfänger mit ihrem Angebot zu erreichen. In diesem Fall
könnten sie ihre Funktion für ein pluralistisches Angebot für diesen Empfängerkreis auch
nicht mehr erfüllen.652 Jeder Anbieter trägt zur Bereicherung und Vielfalt des Programmangebots bei. Sein Angebot ist die Grundlage publizistischen Wettbewerbs, der Vielfalt sichert653.
Als Wirtschaftssubjekte haben die privaten Veranstalter grundsätzlich einen Anspruch auf
Chancengleichheit654. Ihr Wettbewerb kann nur dann die Vielfalt des Angebots sichern, wenn
er unter den gleichen Bedingungen geführt wird655.
Der europäische und der deutsche Gesetzgeber müssen dafür Sorge tragen, dass der Grundsatz
der Chancengleichheit auch im Verhältnis zwischen den einzelnen Trägern der Rundfunkfreiheit gewahrt bleibt656. Im Verhältnis zwischen Satellitenbetreiber und Programmanbieter heißt
dies, dass sie den Programmveranstaltern einen chancengleichen, diskriminierungsfreien Zugang zum Übertragungsweg Satellit gewährleisten müssen.
5.4.2 Marktentwicklung
Faktisch ist der Zugang zur Verbreitung über Satellit zur Zeit allen Programmveranstaltern
ohne Einschränkung ermöglicht, die bereit und in der Lage sind, die von ASTRA und Eutelsat
dafür geforderten Entgelte zu bezahlen. Ob diese Situation künftig so bleibt, sich verbessert
oder verschlechtert, ist abhängig von der Marktentwicklung. Entscheidend wird die Frage
sein, wie Anbieter vor allem unter Berücksichtigung neuer Finanzierungsformen und Geschäftsprozesse ihre Marktpräsenz organisieren können. Vom erforderlichen Aufwand hängt
ab, welche Unternehmensgrößen und -strukturen für den Markteintritt erforderlich sind. Niedrige Zugangsschwellen sind dem Ziel der Anbietervielfalt grundsätzlich förderlich.
652
S. zum Beitrag der privaten Veranstalter zur Gewährleistung des „Außenpluralismus“ des Fernsehens
EMR, Regulierung des Zugangs, 43f.
653
S. hierzu für das parallele Problem des Zugangs zu den Kabelnetzen z.B. Roßnagel/Hilger, MMR 2002,
445, 447.
654
S. z.B. für Deutschland BVerfGE 57, 295, 327.
655
S. z.B. Gersdorf, Regulierung des Zugangs, S. 118.
656
S. auch Gersdorf, Regulierung des Zugangs, S. 119.
178
War für den Programmveranstalter zu Zeiten analoger Programme allein die Ausstrahlung
seines Programmsignals über Satellit relevant, wächst im Umfeld der Digitalisierung der Bedarf an zusätzlichen Dienstleistungen. Zwar steht der linearen Übertragung des Modells der
Ausstrahlung einzelner Programme auch in der digitalen Welt nichts entgegen. Die erforderliche Integration des Programms in ein digitales Paket kann ohne weiteres im Rahmen des
Play-Outs durch den Satellitenbetreiber geleistet werden, ohne dass sich materielle Änderungen am Programm, seiner Qualität und seiner Verfügbarkeit ergeben.
Qualitative Veränderungen ergeben sich durch vereinfachte und vor allem preiswertere Möglichkeiten, Programme in Pakete zu integrieren und zu vermarkten. Dabei wird bei zunehmender Fülle des Angebots die Vermarktung eines einzelnen Programms oder kleiner Programmpakete größeres Gewicht erlangen.
Die große Zahl von Übertragungskapazitäten und das Ziel, Programme zunehmend auch im
Verhältnis zum Zuschauer zu vermarkten, verändert die Parameter, die den Erfolg eines Programms beeinflussen. Während sich die reinen Verbreitungskosten – und je nach Sparte auch
die Kosten der Erstellung der Inhalte – deutlich reduzieren, wächst der technische und organisatorische Aufwand, der für die Vermarktung des Programms zu leisten ist. Es sind die Zugangsmöglichkeiten für den Kunden zu schaffen, Abrechnungsprozesse zu organisieren und
das Marketing in Gang zu bringen.
Vor allem Veranstalter, die lediglich einzelne oder nur eine geringe Zahl von Programmen in
ihrem Portfolio haben, können nur dann wirtschaftlich agieren, wenn die Vermarktung ihrer
Angebote in eine übergeordnete Struktur integriert werden kann. Vor allem für Spartenprogramme mit geringer absoluter Reichweite kann zwar ein eigenständiges Marketing noch
denkbar sein; hinsichtlich der technischen und organisatorischen Abrechnungsstrukturen sind
sie jedoch darauf angewiesen, auf die Leistungen Dritter zurückgreifen zu können.
Die zukünftig denkbaren Geschäftsmodelle unterscheiden sich vor allem in dem Maß der
Notwendigkeit, mit anderen Partnern zu kooperieren. Die Rahmenbedingungen solcher Kooperationen werden wesentliche Kriterien für die Frage sein, ob und unter welchen Bedingungen der Zugang der Marktteilnehmer zu den Übertragungswegen einerseits und den Zuschauern andererseits realisiert werden kann.
Besondere Bedeutung dürfte hierbei der Entwicklung von Multiplexing, Abrechnungsverfahren, Vertriebsplattformen sowie dem integrierten Angebot von Transport und Inhalten zukommen.
5.4.2.1
Multiplexing
Multiplexing657 steht hier als Beispiel für die durch Digitalisierung modifizierten oder zusätzlich zu durchlaufenden Prozesse. Diese erfordern vor allem angepasste vertragliche Gestaltungen, um die Befugnisse und Verpflichtungen im Umgang mit den zu verarbeitenden Signalen zu regeln. Aus rechtlicher Sicht sind beim Multiplexing vor allen zwei Aspekte von
Bedeutung:
•
657
Zum einen stellt das Multiplexing in der Regel den letzten inhaltlich relevanten Verarbeitungsschritt vor der endgültigen Ausstrahlung des Programms dar; eine inhaltliche Verän-
S. zu diesem Kap. 4.1.6.
179
derung des zugelieferten Signals berührt die inhaltliche Verantwortung des Auftraggebers
und bedarf daher unter Umständen besonderer – auch rechtlicher – Beachtung.
•
Zum zweiten – und dies kann Fragen hinsichtlich des Zugangs aufwerfen – führt das
Multiplexing die Signale unterschiedlicher Anbieter zusammen und findet damit in einer
im Vergleich zu anderen arbeitsteilig durchgeführten Produktionsprozessen potenziell
problematischeren Wettbewerbssituation statt. Während es im klassischen Produktionsprozess durch geeignete vertragliche Gestaltungen ohne weiteres möglich ist, den Auftragnehmer hinsichtlich seiner Tätigkeit für unmittelbare Wettbewerber zu regulieren, ist
dem Multiplexing nicht nur die bloße Tätigkeit für Wettbewerber des Anbieters immanent
– dies würde für alle Sendernetzbetreiber gelten –, sondern sie erfasst unter Umständen
auch den unmittelbaren Ausgleich divergierender Interessen der Wettbewerber. Denkbar
ist schließlich, dass das Multiplexing durch einen Wettbewerber des Anbieters selbst
durchgeführt wird.
Dies kann insbesondere zu erhöhtem Regelungsbedarf führen, wenn Datenströme nicht fest
zugewiesen, sondern durch den Betreiber des Multiplexings variabel vergeben werden. Diese
Problemstellung veranlasst insbesondere die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, den Betrieb eigener Multiplexing-Einrichtungen anzustreben.
Grundsätzlich ist die Dienstleistung nicht rundfunkspezifisch, sondern stellt sich als bloßer
informationstechnischer Vorgang dar, dessen Durchführung allerdings zwingend für die Teilnahme eines Veranstalters am digitalen Rundfunk ist. Daher kann sich auch ein spezifischer
rundfunkrechtlicher Regelungsbedarf ergeben. Unter Umständen kann die geschilderte Problemlage sogar für den Bereich des Satellitenrundfunks besondere regulatorische Ansätze
erfordern.
5.4.2.2
Abrechnungsverfahren
Ähnliche Probleme können sich im Bereich der Abrechnungsverfahren ergeben. Diese stellen
sich allerdings nur dann, wenn die derzeitigen Free-TV-Anbieter ihr Angebot nicht mehr ausschließlich durch Werbung finanzieren (können) und Geschäftsmodelle verfolgen (müssen),
die den Zuschauer an der Finanzierung der Angebote direkt beteiligen658. In diesem Fall würde es sich anbieten ein Abrechnungsverfahren aufzubauen, das die Abrechnung für ganze Angebotspakete oder für viele Angebotspakete gemeinsam durchführt und die Erlöse an die Programmveranstalter verteilt659. Der Zugang zu einem solchen Abrechnungssystem kann für den
einzelnen Programmveranstalter von lebenswichtigem Interesse sein. Bleibt er von einem
verbreiteten Abrechnungssystem ausgeschlossen, kann dies bedeuten, dass er keinen Zugang
zu dem Rundfunkmarkt erhält, der von diesem Abrechnungssystem abgedeckt wird. Da hier
nicht nur allgemeine wettbewerbsrechtliche, Zielsetzungen eines fairen und funktionierenden
Wettbewerbs, sondern auch spezifisch rundfunkrechtliche Zielsetzungen der Meinungsvielfalt
berührt sind, kann sich in der Sicherung des Zugangs zu Abrechnungssystemen auch ein spezifischer rundfunkrechtlicher Regelungsbedarf ergeben, der spezifische Kriterien zum Schutz
der Meinungsvielfalt zur Geltung bringt660.
658
S. zu dieser Entwicklungsmöglichkeit Kap. 4.3.2.
659
S. näher Kap. 4.1.7.
660
Kleist, Harmonisierung, S. 97 ff., 103 ff.
180
5.4.2.3
Vertikale Integration
Bisher sind das Angebot von Inhalten und ihr Transport auf unterschiedliche Unternehmen
verteilt. Der Zugang der Programmveranstalter zur Satellitenverbreitung wird faktisch dadurch garantiert, dass die Satellitenbetreiber ihre Transportkapazität möglichst vielen Programmveranstaltern anbieten wollen und müssen.
Diese Situation könnte sich ändern, wenn die Satellitenbetreiber Geschäftsmodelle verfolgen,
die sich nicht – wie bisher – auf den reinen Transport digitaler Datenströme beschränken,
sondern auch die Vermarktung eigener Inhalte und Dienste und den Aufbau exklusiver Kundenbeziehungen zum Endkunden umfassen661. Bei der Umsetzung dieser neuen Geschäftsmodelle könnte aus dem weitgehenden Monopol für den Transport der Signale durch Satellit ein
Monopol für die Bereitstellung der Inhalte über Satellit werden. Dieses Risiko kann zum einen aufgrund der vertikalen Integration entstehen, indem also der Satellitenbetreiber eigene
Inhalte anbietet662 oder sich an Unternehmen der Inhalteproduktion beteiligt. Umgekehrt ist
auch möglich, dass große Inhalteanbieter wesentliche Anteile der Satellitenbetreiber erwerben. Durch die einheitliche Grundverschlüsselung digitaler Signale erhält der Satellitenbetreiber zum anderen die Möglichkeit, Angebote und Programme verschiedener Inhaltehersteller
und Veranstalter neu zusammenzustellen und gebündelt als „eigene“ Inhaltepakete zu vermarkten663.
In einer solchen Situation könnte der Satellitenbetreiber leicht das Interesse entwickeln, den
Zugang zum Satelliten nicht mehr allen Interessierten in gleicher Weise, sondern abhängig
von seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen zu gewähren. Dadurch könnten bestimmte
Programmveranstalter benachteiligt werden, deren Angebot in Konkurrenz zum Inhalteangebot des Satellitenbetreibers steht oder nicht in dessen Angebotspalette passt.
Übt der Satellitenbetreiber durch einen differenzierten Zugang zum Satelliten beträchtliche
Marktmacht aus, könnte er von den luxemburgischen oder französischen Regulierungsbehörden gezwungen werden, den Zugang zu nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren.664
Für die Entscheidungen der Regulierungsbehörden werden allerdings nur rein wirtschaftliche
Maßstäbe angelegt. besondere rundfunkrechtliche Maßstäbe wie die Erhaltung der Meinungsvielfalt und die Gewährleistung der Meinungsfreiheit finden dabei keine Beachtung.665 Um
auch in solchen Situationen Vielfalt gewährleisten zu können, könnte ein Regelungsbedarf für
spezifische rundfunkrechtliche Handlungsmöglichkeiten bestehen.
5.4.2.4
Satellitenplattformen
Ähnlich stellt sich die Situation dar, wenn von den Satellitenbetreibern oder von anderen
Plattformen für die Verbreitung und Vermarktung von digitalem Rundfunk angeboten werden. Von diesen könnte die Kette der notwendigen Prozessschritte „aus einer Hand“ angeboten werden666. Dadurch würden die Markteintrittshürden von Programmveranstaltern erheblich
661
S. hierzu näher das Integrationsszenario in Kap. 4.5.2.
662
S. hierzu Kap. 4.3.1.
663
S. zum Konfliktpotential z.B. den Fall „Primacom“, MMR 4//2002, VII.
664
S. hierzu Kap. 3.3.4.1.2.
665
S. z.B. Engel, ZUM 1997, 309 ff.; Zimmer/Büchner, CR 2001, 164 ff.; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445,
448.
666
S. zur Entwicklung im Dienstleistungsszenario Kap. 4.5.3.
181
gesenkt. Zugleich aber könnte– je nach Marktentwicklung – auch ein erhebliches Risiko für
den freien Zugang des Programmveranstalters zum Verbreitungsweg Satellit entstehen.
Grundsätzlich ist das kontrollierte Aushandeln der Verträge zwischen den Beteiligten der
richtige Weg zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs. Insofern weist die
Zugangsrichtlinie den richtigen Weg667. Werden Satellitenplattformen in Deutschland angeboten, gilt für sie zusätzlich deutsches Wettbewerbsrecht. Der missbräuchlichen Ausübung
beträchtlicher Marktmacht könnte nach § 19 GWB begegnet werden. Aber auch hier gilt, dass
Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen nach europäischem und nationalem Wettbewerbsrecht
nur nach rein wirtschaftlichen Kriterien erfolgen. Besondere rundfunkrechtliche Maßstäbe
wie die Erhaltung der Meinungsvielfalt und die Verhinderung von Medienkonzentration finden dabei keine Beachtung. Auch hier könnte sich ein spezifischer rundfunkrechtlicher Regelungsbedarf ergeben668.
5.4.3 Endgeräte
Da die Verbreitung der Inhalte von den Endgeräten oder von den über sie erschlossenen Diensten abhängt, ist der Zugang der Programmveranstalter zum Empfänger auch von dessen
technischer Ausgestaltung abhängig. Ein auf möglichst breiter Basis funktionierender Wettbewerb auf dem Endgerätemarkt ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, langfristig Chancengleichheit und Vielfalt zu sichern. Proprietäre Technologien und dadurch nicht funktionierende Märkte bergen die grundsätzliche Gefahr, dass sich wirtschaftliche Positionen so verfestigen, dass ihr Missbrauch möglich ist.
Eine derartige Entwicklung wird vor allem dadurch begünstigt, dass die Fixierung auf proprietäre Technologien eine Abschottung bestimmter Märkte bewirkt. Eine möglichst umfassende Standardisierung der eingesetzten Technik reduziert die Hürden im Wettbewerb und
schafft die Voraussetzungen für ein flexibles Verhalten der Marktteilnehmer. Ebenso wie die
Möglichkeit der Mitnahme der Rufnummer im Mobilfunk den Wettbewerb zwischen den
Netzbetreibern begünstigt, ist eine homogene, hinreichend standardisierte Technik Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb im Markt des Satellitenrundfunks.
Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Receiver669, die Conditional-Access-Systeme670 und
die elektronischen Programmführer671. Ihre Ausgestaltung entscheidet letztendlich über den
tatsächlichen Empfang der weiterverbreiteten Inhalte. Um Inhalte unterschiedlicher Anbieter
auf allen Endgeräten gleichermaßen darstellen zu können und dabei Diskriminierungen anderer Inhalteanbieter zu vermeiden, sind offene Systeme und einheitliche Standards erforderlich672.
Hinsichtlich der Festlegung verbindlicher technischer Standards könnte für Deutschland die
Position vertreten werden, dass bereits das geltende Recht die Durchsetzung geeigneter Technik ermöglicht, so dass eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben nicht erforderlich erscheint.
In richtiger Interpretation könnte der derzeitige § 53 RStV in Zusammenhang mit den §§ 13
667
S. näher Kap. 3.3.4.1.2.
668
S. für den Bereich des Kabelfernsehens z.B. Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 450.
669
S. Kap. 3.3.3.1.
670
S. Kap. 4.1.4.
671
S. Kap. 4.1.2.
672
S. näher Kap. 4.1.6.
182
ff. der Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten die anstehenden technischen
Probleme in ausreichendem Maß lösen. Hiernach haben die Landesmedienanstalten über die
Verwendung offener Zugangsberechtigungssysteme (CA), offener Anwendungsprogrammierschnittstellen (API), offener Service-Informationsdienste (SI) und offener Navigatorensysteme zu wachen, und bei Zuwiderhandlungen erforderliche Sanktionen bis zur Versagung eines
Dienstes oder Systems zu ergreifen673. Insofern besteht bei strikter Anwendung des § 53 RStV
und bei der Ausschöpfung aller Mittel durch die Landesmedienanstalten hinsichtlich einer
weiteren Konkretisierung dieser Bestimmungen kein erkennbarer Handlungsbedarf. Ein solcher könnte sich jedoch ergeben, wenn sich – je nach den künftigen Umständen – bei der
Durchsetzung dieser Regelungen Schwierigkeiten zeigen sollten oder wenn die Entwicklung
hin zu offenen, standardisierten Endgeräten gegenüber der heutigen Praxis forciert werden
sollte.
5.5
Urheberschutz und Informationsfreiheit
Die Europäische Gemeinschaft verfolgt das Ziel, in Europa einen freien Dienstleistungsverkehr zu ermöglichen. Dies gilt auch für den europäischen Rundfunkmarkt. Dieser kann nur
dann entstehen, wenn Sendungen grenzüberschreitend verbreitet werden können674. Das vorrangige Ziel der Fernseh-675 und der Kabel- und Satellitenrichtlinie676 ist daher, Hindernisse für
eine grenzüberschreitende Verbreitung von Fernsehen zu beseitigen. Ein gemeinsamer Rundfunkmarkt schafft nicht nur Wettbewerb, sondern unterstützt auch die soziale und kulturelle
Integration Europas677.
Neben der Errichtung eines gemeinsamen Markts dient der freie Dienstleistungsverkehr bei
der Verbreitung von Fernsehsendungen678 auch der Verwirklichung der Freiheit der Information und der Meinungsäußerung, wie sie in Art. 10 EMRK, Art. 11 Grundrechtecharta und
Art. 5 Abs. 1 GG verankert ist679. Für diese Grundrechte und letztlich für die demokratische
Entwicklung in Europa und Deutschland spielt die Verwirklichung dieser Grundrechte gerade
im Bereich des Rundfunks eine zentrale Rolle680.
5.5.1 Relevante Veränderungen durch die Digitalisierung
Die digitale Ausstrahlung von Programmen via Satellit bringt unmittelbar für die Verwirklichung dieser Ziele keine Änderungen gegenüber der analogen Ausstrahlung. Die Ausleucht-
673
S. § 8 der Satzung.
674
Erwägungsgründe Abs. 3 der Fernsehrichtlinie, Erwägungsgrund 3 der Kabel- und Satellitenrichtlinie.
675
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, ABl. L 298/23 vom 17.10.1989,
geändert durch Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.6.1997, ABl. L
202/60 vom 30.7.1997 (Fernsehrichtlinie), Erwägungsgründe Abs. 2.
676
Richtlinie des Rates vom 27.9.1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher
Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (93/83/EWG), ABl. L 248/15 vom
6.10.1993 (Kabel- und Satellitenrichtlinie), Erwägungsgrund Nr. 2.
677
Erwägungsgrund 1 der Fernsehrichtlinie; Erwägungsgrund 3 der Kabel- und Satellitenrichtlinie.
678
Erwägungsgrund 8 der Fernsehrichtlinie.
679
S. hierzu näher Kap. 3.1.
680
Das Massenkommunikationsmittel Rundfunk ist eine von der Informationsfreiheit erfasste Quelle – s. z.B.
Maunz/Dürig-Herzog, GG Art. 5, Rn. 82 ff.
183
zone des Satelliten wird durch die digitale Satellitenausstrahlung nicht erweitert681. Auch hinsichtlich des Rechteerwerbs ergeben sich zunächst keine Unterschiede gegenüber der Situation der analogen Ausstrahlung. Art und Umfang der Rechteübertragung unterfallen den selben
rechtlichen Regeln, die auch in der analogen Welt gelten, und sind gleichermaßen der vertraglichen Regelung durch die Rechteinhaber und -erwerber zugänglich.
Neue rechtliche Fragen ergeben sich jedoch im Zusammenhang mit der Möglichkeit, den
Empfang zu personalisieren und damit den Zugang zu den verbreiteten Inhalten individuell zu
steuern und auch nach Belieben zu begrenzen. Daraus resultieren einerseits neue Anforderungen an die Gestaltung der Verträge zur Übertragung von Rechten – etwa mit der Verpflichtung, Zugangsberechtigungssysteme einzusetzen – wie andererseits die Notwendigkeit, die
ordnungspolitischen Grenzen der Vertragsgestaltung zu überprüfen und gegebenenfalls neu
zu definieren. Dies wird vor allem für die Anbieter bislang unverschlüsselter Inhalte eine neue
Situation schaffen.
Die Digitalisierung bietet somit einen Hebel, eine Anpassung der bisherigen Praxis der Übertragung von Nutzungsrechten zu erreichen. Dabei sind im Grundsatz zwei Lösungswege für
die Behandlung des so genannten „Overspill“ denkbar: Entweder wird der Verlust von Exklusivität hingenommen und der Erwerb der Rechte durch den unverschlüsselt ausstrahlenden
Erwerber entsprechend verteuert oder regulatorisch geöffnet. Oder aber die Exklusivität für
einzelne Formen, Zeiten oder Bereiche der Verbreitung wird technisch gewährleistet – etwa
durch die Begrenzung des Nutzerkreises mit Hilfe von Verschlüsselung.
5.5.2 Gefährdung des europäischen Rundfunkmarkts
Dabei kann eine fehlende Übereinstimmung von Rechtevergabe und Sendereichweite den
Zielen eines freien europaweiten Wettbewerbs im Rundfunkmarkt entgegenwirken. Zwar
wurden auch bislang Senderechte territorial oder sprachraumbezogen abgegrenzt. Doch wurde
für den Satellitenempfang hingenommen, dass die Ausstrahlung faktisch über den Bereich der
eingeräumten Rechte hinausging682. Beim digitalen Rundfunk bietet die Möglichkeit der
Adressierung eine präzise Beschränkung der Rechteverwertung auf einen vertraglich festgelegten Kreis von Nutzern. Die Kriterien, die die Übertragung der Rechte beschreiben und damit die Definition des Nutzerkreises, sind theoretisch unabhängig von traditionellen, zum
Beispiel territorialen, Maßstäben. Die bisher gewählten nationalen Grenzen können beliebig
überschritten werden. Umgekehrt können die Beschränkungen aber auch beliebig kleinräumig
gestaltet werden. Jedenfalls aber kann die Verbreitung entsprechend den eingeräumten Rechten technisch präzise kontrolliert und damit auch in der Praxis beschränkt werden. In der Folge könnte der Rundfunkmarkt in viele kleinräumige Märkte aufgeteilt683 und ein grenzüberschreitender Rundfunk mit einem europaweiten Wettbewerb der Programmanbieter verhindert
werden.
Allerdings ist diese Entwicklung nicht zwingend. Da sich die Kosten der Rechteübertragung
letztlich an der Zahl der erreichten Zuschauer orientiert, erlaubt die Adressierung prinzipiell
681
S. hierzu Kap. 4.1.3.
682
S. Kap. 3.3.5.2.
683
Nach Auffassung der Kommission führt die „Übertragung der Rechte auf einzelstaatlicher Basis“ zur Zersplitterung des Binnenmarkts – s. den Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der
Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher
Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002) 430 endgültig, vom
26.7.2002, S. 5, 8.
184
eine präzisere Berechnung der Entgelte, die eine Beschränkung der Ausstrahlung überflüssig
machen könnte. So könnte zum Beispiel eine definierte Zahl deutscher Zuschauer in Spanien
erreicht werden, ohne dass die Verfügbarkeit der Programminhalte für deutsche Zuschauer in
Spanien die exklusive Verwertung der Nutzungsrechte gegenüber spanischen Zuschauern
erschwert. Damit können die Kosten des Rechteerwerbs für den deutschen Anbieter deutlich
reduziert werden.
5.5.3 Beschränkung des individuellen Zugangs
Die Personalisierung des Empfangs durch Verschlüsselung gefährdet aber nicht nur den europäischen Rundfunkwettbewerb, sondern auch den individuellen Zugang des Zuschauers zu
einem beschränkten Angebot. Die Empfangbarkeit eines solchen Angebots ist nämlich davon
abhängig, dass der Zuschauer zum Kreis der vertraglich fixierten berechtigten Nutzer zählt.
Bereits heute wird bei zugangsgeschützten Sendungen der Zugang des Zuschauers behindert,
wenn er ein Pay-TV-Programm aus einem anderen Mitgliedstaat abonnieren will, der Programmveranstalter jedoch mit der Begründung ablehnt, die entsprechenden Senderechte nicht
zu besitzen684.
Beschränkungen der Verbreitung im Satellitenbereich müssen mithin nicht mehr primär an
territoriale Faktoren anknüpfen, sondern können sich auch an persönlichen Zugangsvoraussetzungen orientieren. Nicht ausgeschlossen ist dadurch, dass auch die persönlichen Zugangsvoraussetzungen prinzipiell territorialen Bezug haben können.
Eine Anwendung nationalen Rechts, durch die der grenzüberschreitende Zugang des Zuschauers zu Programmen beeinträchtigt wird, widerspricht den Zielen des freien Dienstleistungsverkehrs und der Meinungsvielfalt. Dem Zuschauer soll der Zugang zu Inhalten, zur
Dekoder- und Abrechnungstechnologie nicht versagt werden. Diesem Ziel wirkt zum Beispiel
die Verweigerung eines Abonnements für ein Pay-TV-Programm entgegen, das für ein Publikum erstellt wird, zu dem der Interessierte nicht gehört. Um eine solche Handhabung des Urheberrechts zu verhindern, besteht ein Regelungsbedarf.
5.5.4 Europaweit interessierende Sendungen
Auch wenn ein Fernsehen ohne Grenzen das Ziel der europäischen Rundfunkmarktpolitik ist,
stoßen bei weitem nicht alle angebotenen Sendungen auf ein grenzüberschreitendes oder gar
europaweites Interesse685. Dies gilt insbesondere für Inhalte, die in besonderer Weise an
sprachliche Ausdrucksformen gebunden sind. Sprache stellt nach wie vor eine nicht zu vernachlässigende Rezeptionshürde dar. Insoweit stellt sich das Problem eines Rechteerwerbs für
das gesamte Verbreitungsgebiet der Satellitenausstrahlung nicht – weder von Seiten des
Rechteinhabers noch von Seiten des Rechteerwerbers. Mangels Interesse an grenzüberschreitendem Empfang kann daher auch der Rechteerwerb für das gesamte Verbreitungsgebiet der
Satellitenausstrahlung statt für ein territorial begrenztes Gebiet nicht oder zumindest nicht in
nennenswertem Umfang zu einer Erhöhung der Kosten des Rechteerwerbs führen. Oder umgekehrt stört bei einem beschränkten Rechteerwerb der unvermeidliche Overspill die Vertragsparteien nicht.
684
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002) 430 endgültig, vom 26.7.2002, S. 8.
685
Dies gilt selbst für Sportereignisse, wenn sie lediglich von regionaler Bedeutung oder von europaweit geringer Attraktivität sied wie zum Beispiel Cricket oder der Lumberjack-Bewerb.
185
Anders ist die Situation dagegen bei Inhalten von gemeinschaftsweitem Interesse, deren Rezeption nicht primär mit der Sprache verknüpft ist. Dies betrifft vor allem Sport- und Musikübertragungen, wobei hier weitere Differenzierungen nach der Bedeutung des Ereignisses
und kulturellen Spezifika angebracht sein dürften. Ähnlich verhält es sich mit nachgefragten
Spielfilmen in Sprachen mit hoher internationaler Reichweite, vor allem in englischer Sprache. Bei solchen Sendungen sind die Rechteinhaber an einer verteilten Vergabe der Senderechte mit jeweils hoher Exklusivität interessiert.
Dies kann jedoch zum einen mit dem Ziel eines Fernsehens ohne Grenzen und der Aufgabe
der Grundversorgung in Konflikt geraten. Ereignisse von gesellschaftlich erheblicher Bedeutung wie etwa große Sportveranstaltungen, Musikwettbewerbe oder Konzerte können nach
der Rechtsprechung des BVerfG686 in den Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens fallen. Ihre Ausstrahlung kann auch grenzüberschreitend von hohem gesellschaftlichem Interesse sein. Diesem wird derzeit durch die Listenreglungen des Art. 3a Fernsehrichtlinie und § 5 RStV entsprochen, die eine weite Verbreitung von Sendungen über aufgelistete Ereignisse ermöglichen wollen. Unter dem Blickwinkel der Meinungsvielfalt, der demokratischen Kultur und der europäischen Integration könnte jedoch eine Ausweitung der Listen
oder eine effektivere Regelung mit der gleichen Zielsetzung geboten sein.
5.5.5 Rechtlicher Regelungsbedarf
Eine Beschränkung der Vertragsfreiheit der Rechteinhaber, um eine Abschottung des Rundfunkmarkts in personell oder territorial beschränkte Märkte zu verhindern, ist bislang im Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehen687. Die territoriale Vergabe von Senderechten nach nationalem Urheberrecht verstößt nicht gegen europäisches Primärrecht. Der EuGH hält die dadurch erfolgende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV für gerechtfertigt688 und sieht sie nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinn des europäischen Wettbewerbsrechts an689. Die territoriale Vergabe von Senderechten verstößt auch
nicht gegen Sekundärrecht. Die Kabel- und Satellitenrichtlinie fordert lediglich, die „Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzigen Sendeakt zu verhindern“690. Sie
stützt sich ausdrücklich auf die Vertragsfreiheit691 und sieht sich vor dem Hintergrund einer
Selbstregulierung des Markts692. Eine Regel, dass Senderechte nur für das Ausstrahlungsland
zu erwerben sind, oder nur noch für den gesamten Ausstrahlungsbereich vergeben werden
können, stellt die Richtlinie nicht auf.
Um den Zuschauern einen ungehinderten Zugang zu allen Sendungen in Europa offen zu
halten, fordert die Europäische Kommission, der Ausleuchtbereich der Satelliten müsse als
Grundlage für die Rechteverwertung dienen. Diese Aussage ist jedoch nicht verallgemeinernd
686
BVerfGE 74, 297, 325.
687
S. genauer Kap. 3.3.5.1.3.
688
EuGH, Rs. 62/79, Slg. 1980, 881 – Coditel I.
689
EuGH, Rs. 262/81, Slg. 1982, 3381 – Coditel II; Art. 81 EGV n.F. entspricht Art. 85 EGV a.F.
690
S. näher Kap. 3.3.5.
691
Erwägungsgrund 16 der Kabel- und Satellitenrichtlinie.
692
Für den Zugang der Programmveranstalter zu Senderechten ist zu beachten, dass die Marktbeteiligten dem
Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegen. Zur kartellrechtlichen Zulässigkeit eines Verschlüsselungsverlangens des Rechteinhabers Mailänder, ZUM 2002, 706, 709 ff.
186
dahingehend zu verstehen, dass Senderechte nur noch für den gesamten Ausstrahlungsbereich
vergeben werden können693.
Auch für die Sicherung des Zugangs zu allgemein europaweit interessierenden Inhalten fehlen
ausreichende Regelungen. Das Urheberrecht sieht derzeit keine Möglichkeiten vor, Inhalte in
den Rundfunk zu zwingen694. Das Rundfunkrecht kennt Listenregelungen wie die der Art. 3a
Fernsehrichtlinie und § 5a RStV, die im Wesentlichen nur wichtige Sportereignisse erfassen.
Über die Listenregelungen hinaus finden auf Anbieter von Senderechten lediglich die Vorschriften des Wettbewerbsrechts Anwendung.
5.6
Zusammenfassung
Die Digitalisierung verändert vor allem die Verwirklichungsbedingungen der Ziele eines
Fernsehens ohne Grenzen, der Vielfaltssicherung sowie der Informations-, Meinungs- und
Rundfunkfreiheit. Die Verwirklichung dieser Ziele ist vor allem gefährdet durch die mögliche
Beschränkung des Zugangs sowohl des Programmveranstalters als auch des Zuschauers zum
Verbreitungsweg Satellit. Daher werden in den beiden folgenden Kapiteln die rechtspolitischen Strategien diskutiert, die geboten erscheinen, um Lösungen für die beiden aufgezeigten
Regelungsprobleme zu bieten – für die Sicherung des Zugangs zum Satelliten und für die Sicherung der Verbreitung von Satellitenrundfunk.
Beschränkungen des Zugangs und der Verbreitung sind mit der Digitalisierung jedoch nicht
zwangsläufig verbunden, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Umstände zu erwarten. Die
Folgen der Digitalisierung begünstigen bestimmte Interessen, die sich durch die neu eröffneten Möglichkeiten wirkungsvoller durchsetzen können als bisher. Realisieren werden sich die
beschriebenen Gefährdungen, aber auch bestimmte Verbesserungen für die angesprochenen
Ziele jedoch nur, wenn neue Organisationen, Prozesse, Technikanwendungen und Geschäftsmodelle sowie weitere Einflussfaktoren durchgesetzt werden. Deren Realisierung ist unter
unterschiedlichen Umständen jeweils unterschiedlich wahrscheinlich und führen zu unterschiedlichen Wirkungen. Daher werden im Folgenden die rechtspolitischen Strategien jeweils
für die drei beschriebenen Szenarien erörtert.
693
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002) 430 endgültig, vom 26.7.2002, S. 8.
694
S. Kap. 3.3.5.
187
6.
Strategien zur Sicherung des Zugangs
Im vorhergehenden Kapitel wurde ein potenzieller Handlungs- und Regelungsbedarf für die
Gewährleistung des
•
Zugangs des Empfängers zu allen – europaweit – über Satellit ausgestrahlten Programmen,
•
Zugangs des Programmveranstalters
•
zur Satellitenübertragung,
•
zu den arbeitsteilig erbrachten Dienstleitungen wie zum Beispiel Multiplexing und
Abrechnungsverfahren, die für die Verbreitung digitalisierter Programme erforderlich
sind, sowie
•
zur Endgerätetechnik des Zuschauers
festgestellt. In diesem Kapitel werden mögliche Strategien entwickelt, die diese Ziele verfolgen. Sie berücksichtigen die jeweiligen Umstände und Entwicklungen, die in den Szenarien in
Kapitel 4.5 dargestellt worden sind.
Die Sicherung möglichst hoher Vielfalt und eines diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugangs erfordert je nach Intensität und Geschwindigkeit der zukünftigen Entwicklung
angepasste regulatorische Strategien. Dass die aktuelle deutsche Situation mit ihrer insgesamt
strukturkonformen Entwicklung im Bereich des Satellitenrundfunks weder typisch noch
zwingend ist, zeigt der Blick auf die Entwicklung in anderen Staaten. So weist der Markt in
Großbritannien sowohl unter dem Aspekt der verfügbaren Verbreitungstechnologien, der Verfügbarkeit interaktiver Angebote wie auch der Anbieterstruktur signifikante Unterschiede zur
Situation in Deutschland auf695.
Allen künftigen Entwicklungen gemeinsam ist, dass allenfalls ein Teil der Komponenten, die
die Entwicklung bestimmen, der nationalen Gestaltung zugänglich ist. Nationale Regeln werden auch zukünftig zum Beispiel dort erforderlich sein, wo vertragliche Beziehungen zum
Zuschauer bestehen oder der Endgerätemarkt berührt ist. Wie die Vorgaben zur elektronischen Kommunikation bereits erkennen lassen, werden allerdings auch hier nationale Regeln
eher Verfahrensregeln sein, weil der materielle Rahmen auf europäischer Ebene vorgegeben
wird696. Nationale deutsche Regeln können im Übrigen greifen, soweit und so lange Anbieter
695
S. zur Marktlage in Großbritannien Kap. 2.2.4.5, zur dortigen Rechtslage 3.4.1.5. Zu den technischen Hintergründen der Satellitenverbreitung der BBC s. Merkel, ZUM 2002, 674, 677 ff.
696
S. z.B. Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 2 Zugangsrichtlinie, nach dem die nationalen Regulierungsbehörden einem Dienstbetreiber Verpflichtungen auferlegen können. Die Ziele nationaler Regulierung sind nach Art. 5
Abs. 1 Unterabsatz 1 Zugangsrichtlinie in Art. 8 Rahmenrichtlinie vorgegeben. Maßnahmen nationaler Regulierungsbehörden nach Art. 5 Abs. 4 Zugangsrichtlinie unterliegen dem Konsultationsverfahren nach
Art. 6 Rahmenrichtlinie und dem Konsolidierungsverfahren nach Art. 7 Rahmenrichtlinie; Open Network
Provision Committee Working document, The 2003 regulatory framework for electronic communications –
Implications for broadcasting, vom 14.6.2002, abrufbar unter:
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/miscdocs/documents/onpcom
02_14rev1_14062002.pdf, abgerufen am 26.11.2002; s. auch Bonin, K&R 2002, 565, 568.
von Dienstleistungen und Inhalten ihren Sitz in Deutschland haben. In dieser Konstellation
können etwa auch Must-Carry-Regeln unabhängig vom gewählten Verbreitungsweg national
durchgesetzt werden. Gerade der Satellitenrundfunk macht die Distribution selbst jedoch
weitgehend unabhängig von einem Rechtsrahmen und tangiert allenfalls das rechtliche Regime des Sendestaats, das allerdings ebenfalls in weiten Grenzen variabel ist.
Bemühungen um die Sicherung eines vielfältigen Rundfunks, wie wir ihn bislang in
Deutschland kennen, haben daher letztlich nur dann Erfolg, wenn sie einerseits auf europäischer Ebene akzeptiert werden und andererseits aber zumindest hinreichend Spielraum bieten
für die Wahrung des bisherigen deutschen Medienmarkts. Der letztgenannte Aspekt erscheint
angesichts der Verschiedenheit der europäischen Medienmärkte697 in besonderer Weise erwähnenswert: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Marktverhältnisse und Vielfaltskriterien in Deutschland auf europäischer Ebene als gemeinsame Zielvorstellung akzeptiert
sind. Vielmehr deuten zum Beispiel Diskussionen um die Art und den Umfang der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder einzelne Aspekte des Kommunikationspakets darauf hin, dass die besondere Marktsituation in Deutschland als untypisch gilt –
die Rede ist von einer „Verzerrung“ der deutschen Sicht – und damit nicht als Muster der europäischen Entwicklung dient. Angesichts der deutlichen Unterschiede der Mediensituation
innerhalb Europas erscheint dies im Ansatz nachvollziehbar, macht aber auch deutlich, dass
aus deutscher Sicht zumindest Wert darauf gelegt werden muss, Spielräume für die Bewahrung und Weiterentwicklung der bisherigen Vielfaltsorientierung in Deutschland zu sichern.
Insgesamt bedeutet dies, dass die künftige Vielfaltssicherung ungeachtet der Entwicklung im
Detail eine geeignete, das heißt der Situation unseres Medienmarktes Rechnung tragende,
Gestaltung des europäischen Rechtsrahmens erfordert. Berücksichtigt die europäische Regulierung dagegen vorrangig Marktsituationen, wie sie zum Beispiel in Großbritannien698 oder
Frankreich699 gegeben sind, oder orientiert sich allein an den Entwicklungschancen bislang
relativ wenig erschlossener Märkte in Süd- oder Osteuropa700, können Anreize entstehen, die
deutsche Medienlandschaft langfristig der Struktur der übrigen Märkte anzupassen. Im Ergebnis könnte dann ein vielgestaltiges Inhalteangebot in der Regel nur noch innerhalb der
Pakete der Pay-TV-Angebote einzelner starker Anbietern enthalten sein. Dies gilt insbesondere, wenn die Rolle beachtet wird, die dem digitalen Satellitenempfang für die Ausstrahlung
der frei verfügbaren Programme in vielen anderen europäischen Staaten zukommt.
Damit muss insbesondere eine Medienpolitik, die ein zugangsoffenes und vielfältiges Angebot nicht nur unter Wettbewerbsaspekten beurteilt, sondern auch als kulturelle Aufgabe versteht, in erster Linie aktiv die Gestaltung der europäischen Medienpolitik begleiten.
Wie intensiv die nationalstaatlichen und europäischen Bemühungen um Vielfalt und fairen
Zugang sein müssen, ist abhängig von der Einschätzung der künftigen Entwicklung. Die
exemplarische Konkretisierung soll anhand der vorgestellten typisierten Szenarien erfolgen.
697
Zum europäischen Rundfunkmarkt s. Kap. 2.2.3.
698
Zur Marktlage in Großbritannien Kap. s. 2.2.4.5, zur Rechtslage dort 3.4.1.5. Zur Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Sender über die Sky-Plattform s. z.B. die Meldung von europemedialaw vom 19.11.2002,
abrufbar unter http://www.europemedia.net/shownews.asp?ArticleID=13729, abgerufen am 27.11.2002.
699
Zur Marktlage in Frankreich s. Kap. 2.2.4.3, zur dortigen Rechtslage 3.4.1.3; s. auch Kleist, Regulierung
der Medienkonzentration in Europa, Vortrag gehalten auf den Medientagen München 2002, Panel 2.4 “Regulierung der Medienkonzentration in Europa: Perspektiven für Deutschland”, (zugleich EMR-Expertengespräch) am 17.10.2002, abrufbar unter http://www.emr-sb.de; Bullinger, JZ 2002, 264.
700
Zur Marktlage in Polen s. Kap. 2.2.4.6, zur entsprechenden Rechtslage Kap. 3.4.1.6.
189
6.1
Handlungsstrategien im Trendszenario
6.1.1 Herausforderungen für Vielfalt und Zugangsfreiheit
Die geringste Regelungsintensität fordert das Trendszenario701, das eine evolutionäre Entwicklung der heutigen Rundfunklandschaft und des digitalen Satellitenrundfunks beschreibt.
Zwar werden mit zunehmender Digitalisierung deren Möglichkeiten stärker genutzt, die Positionierung der Marktteilnehmer – Satellitenbetreiber, Veranstalter und Zuschauer – erfährt
dadurch jedoch nur allmähliche Veränderungen.
Die Weichen für die Sicherung von Vielfalt und Zugangsfreiheit im Rahmen dieses Szenarios
sind bereits heute weitgehend gestellt. Die Rahmenbedingungen, die einen chancengleichen
und diskriminierungsfreien Zugang auch zum Satelliten gewährleisten können, sind durch
geeignete europäische Vorgaben und nationale Regelungen – in Deutschland insbesondere im
Rahmen der §§ 51, 53 RStV – geschaffen702.
Entscheidend ist im Rahmen dieses Szenarios die praktische Durchsetzung der formulierten
Ziele.
Die faktische Trennung der Anbieter von Transportkapazitäten und Inhalten in Kombination
mit der Verfügbarkeit einer hinreichend großen Zahl von Kapazitäten703 auf den Satellitensystemen im deutschen Markt führt zu einer aus heutiger Sicht relativ geringen Gefahr vielfaltseinschränkender Konstellationen704.
Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass das System statisch ist. Vielmehr wird die Digitalisierung zumindest allmähliche Veränderungen in den Angeboten und ihren Nutzungen hervorbringen. Wesentlich ist daher zunächst die sorgfältige Beobachtung der Entwicklung des
Markts, um möglichst frühzeitig zum Beispiel Tendenzen einer Verknüpfung der Interessen
von Transporteuren und Inhalteanbietern oder auch den Einsatz diskriminierender Techniken
oder Vermarktungsstrategien erkennen und in geeigneter Weise reagieren zu können705.
Innerhalb des Trendszenarios sind Zugangshindernisse vor allem im Bereich der konkreten
Vertragsangebote und Vertragsgestaltungen denkbar706. Angesichts der Komplexität der möglichen Gestaltungen kann die Intensität regulatorischer Maßnahmen zur Sicherung fairer Zugangsbedingungen von der Transparenz der vertraglichen Gestaltungen oder der Veröffentlichung von Bedingungen und Preisen abhängig gemacht werden. Je transparenter die rechtlichen und wirtschaftlichen Zugangsbedingungen sind – etwa über die Anwendung allgemeiner
701
S. Kap. 4.5.1.
702
Kuch, ZUM 2002, 248, 250f.; zur gegenwärtigen Rechtslage in der Frage nach dem Zugang von Programmveranstaltern und Plattformanbietern zum Satelliten s. Kap. 3.3.4. Der Zugang des Programmveranstalters zu einem bestimmten Verbreitungsweg ist als solcher nicht Gegenstand der Regelungen im RStV
und im Fernsehsignalübertragungsgesetz. Die neue Zugangsrichtlinie definiert Zugang in ihrem Art. 2 a).
Zugangsverpflichtungen können sich aus Art. 4 ff. Zugangsrichtlinie ergeben – s. dazu Kap. 3.3.4.1.2 und
zu wettbewerbsrechtlichen Regelungen Kap. 3.3.4.2.
703
Zur Frequenzvergabe nach deutschem, luxemburgischen und französischen Recht s. Kap. 3.3.2.2.
704
S. Holznagel, JZ 2001, 905, 906 ff.; Schütz, Beilage MMR 2/2001, 20, 25f.; Zimmer/Büchner, CR 2001,
164, 165 ff.
705
Zu Handlungsstrategien im Integrationsszenario s. Kap. 6.2.
706
S. zur Kabelverbreitung Wagner, Beilage MMR 2/2001, 28.
190
Vertragsbedingungen oder gleichmäßiger Tarife – desto eher kann vermutet werden, dass der
Zugang zu Transportkapazitäten gleichmäßig und fair ausgestaltet ist. Diskriminierenden Gestaltungen sollte also in erster Linie durch eine möglichst große Transparenz der vertraglichen
Beziehungen zwischen Programmveranstaltern und dem Anbieter von Transportkapazitäten
entgegen gewirkt werden; im Idealfall führt eine solche Transparenz zur Standardisierung
vertraglicher Beziehungen gegenüber den Inhalteanbietern. Im Rahmen dieses Szenarios können allerdings die Mechanismen des § 53 RStV mit der Möglichkeit, sich Kenntnis über die
Entgelte zu verschaffen, als ausreichend betrachtet werden707.
Ein auf möglichst breiter Basis und in allen Stufen der Wertschöpfung funktionierender Wettbewerb ist innerhalb dieses Szenarios eine der wesentlichen Voraussetzungen, langfristig
Chancengleichheit und Vielfalt zu sichern. Proprietäre Technologien oder nicht funktionierende Märkte bergen die grundsätzliche Gefahr, dass sich wirtschaftliche Positionen so verfestigen, dass ihr Missbrauch möglich ist.
Eine in diesem Sinn problematische Entwicklung wird vor allem von zwei Faktoren begünstigt:
•
Bezogen auf den deutschen Markt bewirkt die Dominanz von SES-Astra im Segment des
Direktempfangs prinzipiell eine Position, in der Wettbewerb nur noch begrenzt beobachtet
werden kann. Für jeden Programmveranstalter, dessen Geschäftsmodell von hoher
Reichweite abhängig ist, ist die Verbreitung via ASTRA unverzichtbar. Geeignete Alternativen, die entsprechend hohe Reichweiten bieten können, sind auf dem Markt aktuell
nicht verfügbar. Diese Situation, die in dieser Zuspitzung wegen der hohen Anteile im Bereich des Direktempfangs vor allem für den deutschsprachigen Raum relevant ist, kann
allenfalls mittelfristig durch eine Änderung der Antennentechnologien oder aber durch
intensive Marketingaktivitäten zugunsten einer alternativen Orbitalposition verändert
werden.
•
Ein ähnlicher Effekt der Abschottung wird durch die Fixierung auf proprietäre Technologien bewirkt708. Eine möglichst umfassende Standardisierung der eingesetzten Technik reduziert die Hürden im Wettbewerb und schafft die Voraussetzungen für ein flexibles Verhalten der Marktteilnehmer. Ebenso wie die Möglichkeit der Mitnahme der Rufnummer
im Mobilfunk den Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern begünstigt, ist eine homogene, hinreichend standardisierte Technik Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb im Markt des Satellitenrundfunks.
Eine Abschottung gegenüber der Durchsetzung neuer, interaktiver Dienste und damit eine
mittelfristige Behinderung des Marktes kann allerdings auch dadurch erfolgen, dass Empfangstechnologie im Markt untergebracht wird, die nicht in der Lage ist, neue Dienste auszuwerten und sichtbar zu machen. Sobald Zapping-Boxen in größerer Zahl beim Zuschauer installiert sind, sind die Gestaltungsspielräume zur Entwicklung neuer digitaler Angebote deutlich eingeschränkt709.
707
S. dazu z.B. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53, Rn. 26 ff.; zur gegenwärtigen Rechtslage s.
Kap. 3.3.4.
708
Zur technischen Darstellung proprietärer Systeme s. Merkel, ZUM 2002, 674, 677 ff.
709
S. RUTE-Papier Digitale Verbreitung von Rundfunk vom 11.3.2002, S. 15.
191
6.1.2 Auswirkungen auf die Regulierung
Eine Handlungsoption besteht darin, auf eine problembewusste Anwendung der bestehenden
Regelungen zu vertrauen. Bei einer die Zugangsfreiheit sichernden Interpretation könnten die
bestehenden Regeln die absehbaren Probleme im Wesentlichen lösen. Daher könnte in dieser
Option – zumindest für die nächsten Jahre – der Standpunkt vertreten werden, dass über die
existierenden Bestimmungen hinaus kein zusätzlicher Handlungsbedarf besteht. Mögliche
Lücken, die sich bei der künftigen Anwendung zeigen, könnten dann durch Auslegung geschlossen werden. Diese Handlungsoption ließe sich in den verschiedenen zugangsrelevanten
Bereichen wie folgt begründen:
•
Für den Bereich des Zugangs zu Satellitenkapazitäten gewährleistet die Zugangsrichtlinie den chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang710. Angesichts der hohen
Zahl verfügbarer Kapazitäten ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Nachfrage so
konzentriert, dass nur noch einzelne Großabnehmer von Kapazitäten ausreichend versorgt werden können. Der nach wie vor bestehende Systemwettbewerb zwischen Kabelnetz- und Satellitenbetreibern wird zusätzlich dazu beitragen, dass die Angebote
beider Systeme vielfältig bleiben711.
•
§ 53 RStV sichert unter den Bedingungen des Trendszenarios ausreichend den Zugang
zu Plattformen, Zugangsberechtigungssystemen und Vermarktung712. Zwar fehlen
Must-Carry-Rules für Satellitenplattformen713; angesichts der eigenständigen, von einer Plattform unabhängigen Entwicklung der digitalen Angebote des öffentlichrechtlichen Fernsehens und der Verfügbarkeit von Kapazitäten unabhängiger Anbieter
erscheinen solche Regelungen indes verzichtbar714. Allerdings müssen die tatsächlichen Bedingungen des Zugangs zu vorhandenen Plattformen im Blick behalten werden.
710
Nach Art. 4 Abs. 1 Zugangsrichtlinie sind die Betreiber von öffentlichen Kommunikationsnetzen verpflichtet, anderen Unternehmen Zugang zu Bedingungen zu gewähren, die den Vorgaben der nationalen
Regulierungsbehörden nach den Art. 5 ff. Zugangsrichtlinie entsprechen. Die Ziele nationaler Regulierung
ergeben sich nach Art. 5 Abs. 1 Unterabsatz 1 Zugangsrichtlinie aus Art. 8 Rahmenrichtlinie. Zu diesen
Zielen gehören vor allem ein angemessener Zugang, Interoperabilität und Wettbewerb – s. dazu Kap.
3.3.4.1.2.
711
Weiterer Wettbewerb kann durch die Entwicklung von DVB-T entstehen. S. zur aktuellen Entwicklung die
Pressemitteilung
der
MABB
vom
31.10.2002,
abrufbar
unter
http://www.mabb.de/start.cfm?content=Presse&template=pressemeldungsanzeige&id=573, abgerufen am
7.11.2002; Raff, DVB-T als Alternative, Digitale Breitbanddienste in Europa – Geschäftsmodelle und ihr
europäischer und nationaler Rechtsrahmen –, Schriftenreihe des Instituts für Europäisches Medienrecht
(Band 27) Baden-Baden 2003, i.E.
712
S.. zur Kabelverbreitung Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 76 ff.; Gersdorf, Regulierung des
Zugangs, S. 353 ff.; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 448f.; Holznagel, MMR 2000, 480, 483 ff.
713
S. dazu Kap. 3.3.4.1.
714
Art. 31 Universaldienstrichtlinie enthält eine Bestimmung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, den Netzbetreibern unter bestimmten Voraussetzungen Übertragungspflichten in Bezug auf Rundfunkdienste aufzuerlegen – s. dazu Bonin, K&R 2002, 565, 570. Art. 31 der Universaldienstrichtlinie betrifft nur Netzbetreiber,
nicht Plattformbetreiber, s. Erwägungsgrund 45 Universaldienstrichtlinie – s. Kap. 3.3.4.1.2; Positionspapier des VPRT zur Umsetzung des Telekom-Pakets in deutsches Recht vom 8.10.2002, abrufbar unter
http://www.vprt.de/db/positionen/pp_telekompaket_281002.pdf, abgerufen am 27.11.2002. Nach Ansicht
des VPRT sind die Vorgaben des Art. 31 Universaldienstrichtlinie durch §§ 52f. RStV, 33 TKG erfüllt.
192
•
Die Verständigung auf MHP715 sowie die zunehmende Verfügbarkeit von Receivern
mit Common-Interfaces lassen erwarten, dass auch zuschauerseitig eine hinreichend
hohe Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern und der Zugriff auf eine Vielzahl frei
empfangbarer Programme möglich bleibt716.
•
Offen ist die Entwicklung hinsichtlich der Nutzung neuer Aufzeichnungstechniken,
etwa des Hard Disc Recording (Persönlicher Video Recorder PVR)717, und die damit
verbundenen Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten des unverschlüsselt
ausgestrahlten privaten Fernsehens. Auch hier wird vor allem wegen der Trägheit des
Nutzerverhaltens allenfalls eine langsame Entwicklung einsetzen718, die nicht kurzfristig die Finanzierbarkeit der Angebote in Frage gestellt. Tritt dieser Fall ein, steht der
Zugang zu alternativen Finanzierungsformen offen, ohne dass es weitergehender Regulierungsansätze bedarf.
Mit diesem Trendszenario sind im Bereich des Zugangs mithin keine gravierend neuen rechtlichen Anforderungen verbunden. Die Regelungen zur Sicherung des chancengleichen und
diskriminierungsfreien Zugangs zu elektronischen Kommunikationsdiensten erfassen auch
den Satellitenbereich und bieten geeignete regulatorische Grundlagen, Diskriminierungen und
Behinderungen entgegen zu treten.
Regulatorischer Definitionsbedarf ergibt sich angesichts neuer Verfahren im Bereich der Digitalisierung allerdings dann, wenn die Parameter definiert werden müssen, an denen der diskriminierungsfreie Zugang zu messen ist:
Die Digitalisierung selbst erfordert im Vergleich zur analogen Welt neue rechtliche Mechanismen vor allem dort, wo neue Prozesse mit neuen oder zusätzlichen Parametern verknüpft
sind. Dies ist zum Beispiel der Fall, soweit die bisherigen Definitionen der zur Verbreitung
erforderlichen Kapazitäten nicht mehr statisch und bezogen auf Kanäle und Frequenzen erfolgen können719. Dort, wo Mangelsituationen zu regulieren sind oder im Rahmen der Überprüfung diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugangs der Umfang der Übertragungskapazitäten relevant ist, bedarf es neuer und zum Teil dynamischer Kriterien, um die zur Übertragung der Signale erforderliche Kapazität zu definieren. Dies ist dann der Fall, wenn Kapazitäten regulatorisch zugewiesen werden müssen oder es der Überprüfung bedarf, ob die zur
Verfügung gestellte Kapazität unter fairen Bedingungen zugewiesen wurde. Eine vergleichba-
715
S. die Gemeinsame Erklärung der deutschen Programmveranstalter und der Landesmedienanstalten zur
zügigen Einführung von MHP vom 19.9.2001, http://www.dvb-mhp.org/membership_list/Mainz.html, abgerufen am 15.11.2002. In seiner Entschließung vom 26.9.2002 fordert das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Maßnahmen zur Erleichterung einer „Migration zu einer offenen API
auf der Grundlage der MHP“ zu erläutern, Dok.-Nr. B5-0488/2002, Protokoll abrufbar unter
http://www3.europarl.eu.int/omk/omnsapir.so/pv2?PRG=DOCPV&APP=PV2&LANGUE=DE&SDOCTA
=12&TXTLST=1&POS=1&Type_Doc=RESOL&TPV=PROV&DATE=260902&PrgPrev=TYPEF@B5|P
RG@QUERY|APP@PV2|FILE@BIBLIO02|NUMERO@488|YEAR@02|PLAGE@1&TYPEF=B5&NU
MB=1&DATEF=020926, abgerufen am 24.10.2002.
716
S. Beckert, Zugang, S. 308f.
717
Eine Übersicht bietet http://www.digitv.de/Technik/1041080882/1041081349, abgerufen am 1.4.2003.
718
Diese wird entsprechend der Grundannahme im Trendszenario – eine allmähliche evolutionäre Entwicklung – als wahrscheinlich angenommen.
719
Zur Frequenzvergabe nach deutschem, luxemburgischen und französischen Recht s. Kap. 3.3.2.2, zu den
Veränderungen durch die Digitalisierung Kap. 4.1.
193
re Situation findet sich im Bereich der Prüfung des Zugangs zu Multiplexing-Einrichtungen720,
die Kriterien für die qualitative Bewertung des Multiplexings erfordern.
Soweit ein funktionierender Wettbewerb im Bereich der Multiplexing-Leistungen existiert,
können die angesprochenen Problemstellungen grundsätzlich durch geeignete vertragliche
Vereinbarungen zwischen dem Veranstalter und dem Dienstleister gelöst werden. Hierzu gehören der Verzicht auf inhaltlich relevante Veränderungen der Signalquelle und die erforderliche Mindestdatenrate.
Dieses wettbewerbsorientierte Modell ist allerdings zudem davon abhängig, dass generell
hinreichende Übertragungskapazitäten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen im
Rahmen des Multiplexing bestehen. In der andernfalls bestehenden Mangelsituation sind Mechanismen zur Verwaltung des Mangels unerlässlich721.
Die Forderung nach offenen Standards im Übrigen muss möglichst rasch praktisch umgesetzt
werden. Die Markteinführung nicht hinreichend standardisierter Empfangstechnologien wird
die zukünftige Vielfaltssicherung deutlich erschweren. Dabei muss darauf geachtet werden,
dass bestehende proprietäre Entwicklungen in Europa nach Möglichkeit in offene Standards
überführt oder integriert werden, um eine wettbewerbs- und damit vielfaltsfreundliche Marktsituation zu erreichen.
Gleichmäßigen Wettbewerb im Satellitenmarkt wird es für den deutschsprachigen Raum mittelfristig allerdings nicht geben, da die Position von ASTRA im Bereich des Direktempfangs
im europäischen Vergleich außergewöhnlich stark ist. Die deutsche Medienpolitik ist darauf
angewiesen, dass die europäischen Ziele der Zugangsoffenheit umgesetzt werden. Medienpolitisch vorteilhaft erscheint eine deutliche Präferenz von Modellen, die Inhalte und Transport
trennen722. Nur dies gewährleistet für den deutschen Markt inhaltliche Vielfalt und verhindert
den Einfluss auf Inhalte durch einen dominierenden Distributor.
6.2
Handlungsstrategien im Integrationsszenario
6.2.1 Herausforderungen für Vielfalt und Zugangsfreiheit
Starken Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Digitalisierung auch im Bereich der Satellitenverbreitung hätte ein Modell, das eine starke Bindung zwischen dem Anbieter der Transportkapazitäten und einem Inhalteanbieter beinhaltet723. Dabei ist es keineswegs notwendige
Voraussetzung, dass eine unmittelbare gesellschaftsrechtliche Verknüpfung zwischen diesen
Anbietern besteht. Vielfalts- und zugangsgefährdende Wirkungen können wegen des eingeschränkten Wettbewerbs der Anbieter im deutschen Satellitenmarkt bereits dann eintreten,
wenn die laufenden Geschäftsbeziehungen ein nennenswertes Volumen der beiderseits verfügbaren Ressourcen betreffen. Ein Anbieter von Satellitenkapazitäten kann ein vitales Inter-
720
Zum Multiplexing s. Kap. 4.1.6.2.
721
Das Multiplexing ist von § 53 RStV nicht erfasst, Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 53, Rn. 23;
Holznagel, MMR 2000, 480, 484; Holznagel/Daufelt, VR 1998, 151, 152 ff.
722
Holznagel, JZ 2001, 905, 906 ff. In Erwägungsgrund 5 der Rahmenrichtlinie wird formuliert, dass es notwendig ist, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen.
723
Ein Vermarktungsmodell für die Verbreitung über Kabel beschreiben Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 411;
Irion/Schirmbacher, CR 2002, 61 ff.; Wagner, Beilage MMR 2/2001, 28; s. auch Rhein, Beilage MMR
2/2001, 3, 7f.
194
esse daran haben, eine intensive Geschäftsbeziehung mit einem bestimmten Anbieter durch
Steuerung der Konditionen für Wettbewerber günstig zu beeinflussen. Große Abnahmekapazitäten durch Inhalteanbieter andererseits können zumindest in bestimmten Ausbaustufen des
Kapazitätsangebots Verknappungen bei der konkreten Verfügbarkeit von Kapazitäten bedeuten. Erst recht treten solche Effekte bei gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen auf, die nicht
nur marginal sind724.
Ein solches Modell wirft wegen der Tendenz zur Beherrschung der Ressourcen nicht nur erhebliche praktische Probleme im Bereich des Zugangs zu den Transportleistungen selbst auf,
sondern erfordert zudem, den Zugang zu allen Teilbereichen der Distribution einschließlich
der Endgeräte und Abrechnungsverfahren diskriminierungsfrei zu gestalten, soll nicht die
Dominanz weniger Inhalteanbieter begünstigt werden725.
6.2.2 Auswirkungen auf die Regulierung
Hält man eine solche Entwicklung für möglich, kann angesichts vieler Unsicherheiten hinsichtlich der von Veranstaltern wie Satellitenbetreibern künftig verfolgten Geschäfts- und
Vermarktungsstrategien bereits heute ein Handlungsbedarf formuliert werden. Dies lässt sich
dadurch rechtfertigen, dass ein sinnvolles „Mehr“ an Regulierung, durch das man sich gegen
alle denkbaren Eventualitäten wappnet, in jedem Fall besser ist, als nachträgliche Korrekturen, durch die ungewünschte Entwicklungen möglicherweise nur zum Teil rückgängig zu machen sind. Außerdem ist zu beachten, dass die entscheidenden Vorschriften des geltenden
Rechts nicht immer konsequent und nicht einheitlich in der beschriebenen Weise interpretiert
werden. Will der Gesetzgeber selbst die notwendigen Regelungen zur Konkretisierung der
bisherigen Grundsätze treffen und nicht der Anwendungsebene überlassen, könnte es sich für
ihn anbieten, die absehbaren Interessenkonflikte im Vorfeld selbst zu regeln726.
Die Anforderungen an die Gewährleistung von Zugangsfreiheit haben auch in diesem Szenario – abstrakt betrachtet – den diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugang zur Infrastruktur zum Ziel727. Die Grundmechanismen der Regulierung sind mit denen des Trendszenarios vergleichbar, sie sind allerdings in der Praxis deutlich höheren Belastungen ausgesetzt, da
eine nicht nur marginale vertikale Integration erhebliche Risikopotentiale birgt und vor allem
langfristig Konzentrationsprozesse begünstigt.
6.2.2.1
Maßstäbe der Regulierung
Regulierungsmechanismen müssen für vertikal integrierte Märkte eigenständig Maßstäbe
entwickeln und Ziele formulieren, die unter Umständen gegen den Widerstand der Infrastrukturbetreiber langfristig verfolgt werden. Dabei bedarf es einer Entscheidung, ob allein
wettbewerbsorientierte Kriterien zum Maßstab werden oder ob – wie bislang – besondere
medienpolitische Aspekte in die Ziele der Regulierung einfließen müssen. Dabei wird eine
Rolle spielen, dass auch ein nach den Kriterien der Wettbewerbskontrolle funktionierender
Markt nicht zwingend ein nach pluralen Maßstäben vielfältiges Angebot gewährleistet. Dies
gilt insbesondere, nachdem die Zunahme verfügbarer Kapazitäten im Bereich digitaler Satellitenübertragung die ursprüngliche Bedeutung der rundfunkrechtlichen Lizenzierung als in-
724
S. näher Kap. 4.5.2.
725
S. Helberger/Scheuer/Strothmann, IRIS plus 2001-2: 2f.; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 448f.; Danwitz, ZUM 2002, 769, 771; Holznagel, MMR 2000, 480, 483 ff.
S. hierzu für die Kabelverbreitung Roßnagel/Hilger, Regulierung des Zugangs zu Kabelnetzen, S. 51.
S. Kap. 4.5.1.
726
727
195
haltliches medienpolitisches Regulativ zurückgedrängt hat728 und gerade die im Zuge der Digitalisierung zu erwartenden Zusatzangebote ohnehin nicht als Rundfunkangebot gelten und
damit keiner Zulassung bedürfen. Zielsetzung der Regulierung kann in diesem Sinn also nicht
allein eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter sein, sondern die Gewährleistung eines Spektrums unterschiedlicher Inhalte, Meinungen und Positionen.
Dies erfordert angesichts der großen Zahl verfügbarer Übertragungskapazitäten zunächst die
inhaltliche Auseinandersetzung mit dem gewünschten Maß an Vielfalt. Die Bandbreite denkbarer Ansätze reicht von detaillierten Regelungen zur verpflichtenden Integration von Drittanbietern in die eigenen Programmpakete729 – wie schwierig diese Aufgabe ist, zeigt die
Realität der Drittsendezeiten im deutschen Fernsehen730 – bis hin zur Stärkung und Sicherung
allein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter ausdrücklichem Verzicht auf darüber hinausgehende stützende Maßnahmen für unabhängige private Anbieter.
6.2.2.2
Nationale Regulierungsansätze
Die bestehenden Regelungen des § 53 RStV bieten einen hinreichenden Rahmen, den diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugang zu Zugangsberechtigungssystemen und Plattformen sicher zu stellen731. Mit der Verpflichtung des § 53 Abs. 4 RStV zur Offenlegung von
Entgelten ist ein Schritt hin zur Transparenz der Vertragsgestaltungen erfolgt732. Sollte sich
bei der Rechtsanwendung zeigen, dass die Offenlegung der Entgelte nicht genügt, sondern
weitere Komponenten der Vertragsausgestaltung einen fairen Zugang behindern können, wären an dieser Stelle Ergänzungen etwa über die notwendige Transparenz der allgemeinen und
besonderen Vertragsbedingungen sowie Mechanismen zu ihrer konkreten Überprüfung im
Sinn einer Inhalts- und Missbrauchskontrolle einzufügen.
Vor allem im Interesse der Rundfunkveranstalter733 wird gefordert, den Netzbetreibern die
technische Zugangsoffenheit durch die gesetzliche Festlegung offener Standards für die
Ausstattung und Interoperabilität von Empfangsgeräten vorzuschreiben734. Über die
bestehenden rechtlichen Vorgaben des § 53 RStV i.V.m § 14 der Satzung über den digitalen
728
729
So fingiert etwa das neue Saarländische Mediengesetz die Zulassung und nennt lediglich Widerrufsgründe,
§§ 48 ff. Saarländisches Mediengesetz vom 27.2.2002, i.d.F. vom 15.4.2002.
S. auch Wille, ZUM 2002, 261, 263 ff.; Ladeur, ZUM 2002, 252, 256 ff.
730
Zu § 26 Abs. 5, § 31 RStV s. Bornemann, K&R 2002, 301, 302f.
731
Zugangsrechte werden Rundfunkveranstaltern nach § 53 Abs. 1 RStV gegenüber Anbietern von Diensten
mit Zugangsberechtigung, nach § 53 Abs. 2 RStV gegenüber Anbietern von Navigationsdiensten gewährt.
§ 53 Abs. 3 RStV verbietet die Benachteiligung von Wettbewerbern durch Anbieter mit marktbeherrschender Stellung, die Programme bündeln und vermarkten. §§ 6f. Fernsehsignalübertragungsgesetz gewähren
Rundfunkveranstaltern und Anbietern digitaler Fernsehdienste lediglich ein Recht gegenüber Anbietern und
Verwendern von Zugangsberechtigungssystemen. Zur gegenwärtigen Rechtslage s. Kap. 3.3.4.
732
Zimmer/Büchner, CR 2001, 164, 170f.; Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 450.
733
So bspw. der Vorsitzende der Rundfunkkommission Kurt Beck, Pressemitteilung von heise online vom
9.11.2001, im Internet abrufbar unter http://www.heise.de/newsticker/data/anw-09.11.01-002/, abgerufen
am 26.11.2002.
734
Nach Art. 18 Abs. 1 Rahmenrichtlinie sind die Mitgliedstaaten gehalten, für die Verwendung offener API
durch die Anbieter digitaler interaktiver Fernsehdienste und erweiteter digitaler Fernsehgeräte zu sorgen.
Ist Interoperabilität und Wahlfreiheit innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Richtlinie nicht gewährleistet, wird die Kommission nach Art. 18 Abs. 3 Rahmenrichtlinie ermächtigt, Normen verbindlich vorzuschreiben. Derzeit erfüllt nur der MHP-Standard die Anforderungen – s. dazu Kap. 3.3.3.1.2 und 3.3.4.1.2.
196
Zugang735 hinaus wird beispielsweise vorgeschlagen, den offenen Dekoder-Standard MHP
(Multimedia Home Platform) für alle Anbieter von Set-Top-Boxen verbindlich festzulegen736.
Dieser Standard, der vom Digital Video Broadcasting-Konsortium (DVB)737, entwickelt wurde, soll es ermöglichen, digitale Anwendungsprogramme beliebiger Art, wie zum Beispiel
Elektronische Programmführer, Multimedia-Anwendungen, On-Demand-Dienste oder andere
interaktive Dienste unabhängig von den Anbietern auf allen künftigen Empfangsgeräten darzustellen. Sämtliche Rundfunkveranstalter und Set-Top-Boxen-Hersteller hatten sich bei diversen Gesprächen bereits auf MHP als Dekodertechnik geeinigt738.
In Bezug auf § 53 RStV und die Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten
kommt eine weitere Konkretisierungsmöglichkeit in Betracht, um die technischen Voraussetzungen für die Zugangsoffenheit der Satellitenkommunikation künftig noch effektiver sicherstellen zu können.
Die Vorschrift wäre um die Festlegung zu ergänzen, grundsätzlich offene Standards nach dem
jeweiligen Stand der Technik zu verwenden. Der Begriff der Offenheit verlangt aber eine genaue Definition der einzelnen Kriterien, die zu seiner Erreichung führen. Unter „offenen
Standards“ sind im Sinn der geforderten Interoperabilität Systeme zu verstehen, die es erlauben, Dienste möglichst vieler verschiedener Anbieter und Veranstalter zu gleichwertigen Bedingungen auf den Empfangsgeräten darzustellen739.
Im Zusammenhang mit den rundfunkrechtlichen Zugangsbestimmungen besteht auch insofern
ein Kritikpunkt, als dass zwischen dem Anwendungsbereich von § 53 Abs. 1 RStV zu dem
der §§ 6 und 7 Fernsehsignalübertragungsgesetz (FÜG)740 nicht deutlich genug unterschieden
wird. Dies wäre aber erforderlich, um Rechtsunsicherheit bei den in Betracht kommenden
Normadressaten und insbesondere eine Doppelregulierung zu vermeiden. Zwischen Bund und
Ländern hat daher eine Abstimmung über den Regelungsgehalt beider Normen in Bezug auf
die Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen und Zugangsdiensten zu
erfolgen741.
735
Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten gemäß § 53 Abs. 7 RStV in der von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) am 26.6.2000 beschlossenen Fassung – s. dazu Kibele, MMR
2002, 370.
736
S. zu MHP Kap. 3.3.3.1.2 und 6.1.2.
737
Es handelt sich dabei um einem Zusammenschluss von über 260 Organisationen aus 37 Ländern. Beteiligt
sind sowohl Inhalteanbieter, Netzbetreiber, Gerätehersteller und Behörden. Wichtigstes Ziel des Projektes
ist die gemeinsame und koordinierte Entwicklung technischer Systeme, mit denen das digitale Fernsehen,
unabhängig von einem bestimmten Übertragungsweg, ermöglicht werden soll. Zur Entstehung, Organisation und Zielsetzung des DVB-Projekts FKTG/Deutsche TV-Plattform, Fernsehen, 2.2.
738
S. Pressemitteilung der DLM vom 20. September 2001, abrufbar
http://www.alm.de/aktuelles/presse/p200901.htm, abgerufen am 26.11.2002.
739
S. hierzu auch Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 452; Oxera-Studie im Auftrag der Kommission „Study
on interoperability, service diversity and business models in digital broadcasting markets“ vom Februar 2003,
abrufbar
unter
http://www.europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/documents/oxera_final_re
port_volume_1_report1.pdf, abgerufen am 12.3.2003.
740
Gesetz über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen (Fernsehsignalübertragungsgesetz) vom 14.11.1997 (BGBl. 1997 I, 2710); zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.5.2002 (BGBl.
2002 I, 1529, in Kraft getreten 11.5.2002).
741
S. z.B. Holznagel, NJW 2002, 2351, 2352; ders., JZ 2001, 905, 909; Hirschle/Hamann, Digitalisierung in
einer föderalen Medienordnung, S. 295 ff.
im
Internet
unter:
197
In Anbetracht der Tatsache, dass Gefahren für die technische Zugangsoffenheit vor allem von
vertikal integrierten Netzbetreibern drohen, die nicht nur technische Dienste anbieten, verwenden oder vermarkten, sondern auch eigene Inhalte verbreiten und damit selbst Fernsehund Rundfunkdienste anbieten, erscheint es richtig, entsprechende Gegenmaßnahmen im
RStV zu belassen. Für Anbieter hingegen, die ausschließlich technische Zugangsdienste und systeme herstellen oder vermarkten, könnte dann auf die Bestimmungen des FÜG zurückgegriffen werden. Eine Klarstellung der unterschiedlichen Adressaten beider Regelungswerke
kann durch sprachliche Ergänzung der §§ 6 und 7 FÜG erfolgen.
FÜG § 6 Zugangsberechtigungssysteme für digitale Fernsehdienste:
(1) Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen müssen diese unabhängig vom
Übertragungsweg so ausgestalten, dass die Systeme die erforderlichen technischen Möglichkeiten
für eine kostengünstige Übergabe der Kontrollfunktionen an den Kopfstellen der Kabelnetze
aufweisen, um den Kabelfernsehbetreibern auf lokaler und regionaler Ebene eine vollständige
Kontrolle der Dienste zu ermöglichen, die solche Zugangsberechtigungssysteme verwenden.
(2) Die Ausübung der Kontrollfunktion nach Absatz 1 darf keine Unterbrechung von Programmen für berechtigte Kunden nach sich ziehen. Sie berechtigt nicht zur Erhebung oder Verarbeitung personenbezogener Daten der Kunden des Kabelfernsehbetreibers.
FÜG § 7 Anbieten von Diensten mit Zugangsberechtigung:
(1) Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssystemen, die, unabhängig vom Übertragungsweg, Zugangsdienste zu digitalen Fernsehdiensten herstellen und vermarkten, müssen
1. allen Rundfunkveranstaltern zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden
Bedingungen technische Dienste anbieten, die es gestatten, dass deren digitale Fernsehdienste
von zugangsberechtigten Fernsehzuschauern mit Hilfe von Dekodern, die von den Anbietern von
Diensten verwaltet werden, empfangen werden können,
2. in bezug auf ihre Tätigkeit als Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung eine getrennte
Rechnungsführung haben.
(2) Die Verpflichtung der Anbieter zur Einhaltung des nationalen und europäischen Wettbewerbsrechtes sowie der landesrechtlichen Rundfunkregelungen bleiben hiervon unberührt.
...
In § 6 Abs. 1 Satz 1 FÜG wäre nach den Worten „Anbieter und Verwender von Zugangsberechtigungssytemen“ der erklärende Nebensatz „die nicht zugleich Fernsehdienste anbieten
oder vermarkten“ einzufügen. Ein gleichlautender Zusatz kann auch in § 7 Abs. 1 FÜG eingefügt werden. Zudem sollte in beiden Vorschriften für Anbieter von Fernsehdiensten auf die
rundfunkrechtlichen Bestimmungen verwiesen werden.
Eine Regelungslücke besteht aus deutscher Sicht für die Sicherstellung hinreichender Transportkapazitäten für den Satellitenempfang. Für die Zuordnung von Satellitenplätzen für Rundfunkzwecke gelten in Deutschland die Vorgaben des § 51 RStV. § 51 RStV ist jedoch nur auf
deutsche Satelliten anwendbar742, somit ist die praktische Bedeutung der Norm gering743. Eine
vergleichbare Regelung für die unter luxemburgischen oder französischem Regime stehenden
Satellitenkapazitäten fehlt. Ein unmittelbarer Zugriff des deutschen Gesetzgebers auf diese ist
nicht möglich. Dies war in der Vergangenheit angesichts einer Marktsituation im Bereich digitaler Satellitenkapazitäten, in der kein Mangel an Transportkapazitäten herrschte, kein Pro-
742
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 2; s. auch Kap. 3.3.2 und 3.3.4.1.2
743
Der Beschluss der Ministerpräsidenten vom 20.2.1992 über die Verfahrensgrundsätze für die Zuordnung
von Satellitenkanälen nach § 51 Abs. 5 RStV – s. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, § 51, Rn. 10 –
geht davon aus, dass der Bedarf deutscher Veranstalter an Satellitenkanälen für Rundfunkzwecke durch die
Errichtung deutscher Satellitensysteme oder die Anmietung europäischer oder internationaler Satellitenkanäle gedeckt wird – s. hierzu Kap. 3.2.1.
198
blem. Dies könnte sich allerdings im Integrationsszenario durch die veränderten Interessen
eines vertikal integrierten Satellitenanbieters rasch ändern. Um dieses Problem anzugehen,
sind allerdings gemeinschaftsrechtliche Ansätze erforderlich.744
Allerdings besteht gegenüber Unternehmen, die mit bestimmten Angeboten auf dem deutschen Markt aktiv sind, die Möglichkeit, durch meinungssichernde Regelungen innerhalb des
RStV unabhängig von der Frage des unmittelbaren Zugriffs auf Satellitenkapazitäten MustCarry-ähnliche Verpflichtungen zu statuieren745. Dies kann dergestalt geschehen, dass Anbieter von Programmpaketen – zum Beispiel solche mit eigenen Plattformen oder signifikanter
Marktstärke – verpflichtet werden, innerhalb ihrer Pakete – eventuell gegen eine angemessene
Vergütung – Kapazitäten für Drittanbieter vorzuhalten und gemeinsam mit dem eigenen Angebot zu vermarkten746. Derartige Must-Carry-Regelungen sind zum Beispiel in Frankreich747
und Österreich748 geltendes Recht auch für Satellitenplattformen.
Die Frage, welche Programme von Must-Carry-Rules begünstigt werden, kann inhaltlich oder
quantitativ beantwortet werden. Für beide Ansätze finden sich in Europa Beispiele: In Frankreich wurde eine inhaltliche Entscheidung getroffen. Dort müssen die öffentlich-rechtlichen
Programme innerfranzösisch kostenlos auf digitalen Satellitenplattformen verbreitet werden.
In Spanien wurde die quantitative Lösung gewählt: 40% der Kapazitäten eines digitalen Plattformbetreibers müssen dort unabhängigen Dritten zur Verfügung gestellt werden, falls überhaupt Nachfrage in dieser Größenordnung besteht749.
744
S. hierzu Kap. 6.2.2.3.
745
Art. 31 Universaldienstrichtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, Netzbetreibern unter bestimmten Voraussetzungen Übertragungspflichten in Bezug auf Rundfunkdienste aufzuerlegen – s. dazu Bonin, K&R 2002,
565, 570. Art. 31 der Universaldienstrichtlinie betrifft nur Netzbetreiber, nicht Plattformbetreiber, Erwägungsgrund 45 – s. Kap. 3.3.4.1.2.
746
S. insoweit zum schweizerischen Reformvorhaben Kap. 3.4.1.1.1.3; Wille, ZUM 2002, 261, 263 ff.; Ladeur, ZUM 2002, 252, 256 ff.; Open Network Provision Committee Working document, The 2003 regulatory framework for electronic communications – Implications for broadcasting, vom 14.6.2002, abrufbar
unter
http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/miscdocs/documents/onpcom
02_14rev1_14062002.pdf, abgerufen am 26.11.2002, S. 10 ff.
747
Art. 34-2 und 34-3 französisches KFG sehen Must-Carry-Regelungen vor, die Satellitenbetreiber verpflichten, die Programme TV5 und ARTE sowie die öffentlich-rechtlichen Programme zu verbreiten. Gemäß Art. 95 KFG muss ein Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten den Anträgen der Veranstalter digitaler Rundfunkdienste unter gleichen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen entsprechen, wenn sich die Anträge auf die Bereitstellung technischer Dienste beziehen, die für den Empfang ihrer
Angebote durch die Berechtigten notwendig sind. Ebenso gewährleistet die Vorschrift den Zugang der Anbieter digitaler Dienste zu der bestehenden Dekoder-Auswahl. Um die vertikale Integration zwischen Plattform- und Inhalteanbietern zu begrenzen, kann nach Art. 34-2 KFG eine Verordnung erlassen werden, die
einen Mindestanteil von Programmen festlegt, die von den Plattformbetreibern unabhängig sind. Eine solche Verordnung wurde bislang nicht erlassen – s. Kap. 3.4.1.3.1.2.
748
In Bezug auf Betreiber digitaler Plattformen sieht § 25 Abs. 2 Nr. 2 österreichisches PrTVG vor, dass die
analog ausgestrahlten Programme des ORF auf Nachfrage und gegen angemessenes Entgelt in das digitale
Programmpaket im jeweiligen Versorgungsgebiet eingebunden sein müssen. Nach § 25 Abs. 2 Nr. 3
PrTVG muss das Programm von Rundfunkveranstaltern, denen eine Zulassung für bundesweites analoges
terrestrisches Fernsehen erteilt wurde, auf Nachfrage und gegen angemessenes Entgelt in das digitale Programmpaket im jeweiligen Versorgungsgebiet eingebunden werden. S. Kap. 3.4.1.2.
749
S. Art. 7.c des spanischen Gesetzes 17/1997 verpflichtet die Anbieter von Zugangsberechtigungsdiensten
und damit die Anbieter der Digital-Plattformen, allen unabhängigen Diensteanbietern und Rundfunkveranstaltern Zugang zu den technischen Mitteln, die für den Empfang ihrer Dienste erforderlich sind, zu angemessenen, transparenten und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Art. 7.c enthält ebenfalls
die Bestimmung, dass Anbieter von Zugangsberechtigungssystemen 40% ihrer Übertragungskapazitäten für
199
Beide Ansätze erscheinen in ihrer reinen Form für den deutschen Markt nicht geeignet: Die
Beschränkung auf öffentlich-rechtliche Programme wird dem dualen System in Deutschland
nicht ohne weiteres gerecht, da unabhängige private Veranstalter lediglich auf den deutlich
problematischeren Weg der Gewährleistung chancengleichen Zugangs zu fairen Bedingungen
verwiesen wären. Andererseits erscheint eine rein quantitative Regelung ohne inhaltliche Gewichtung im hier erörterten problematischen Fall vertikaler Integration zur Sicherung der Interessen des öffentlich-rechtlichen Zugangs nicht ausreichend. Eine dynamische Quotierung,
wie sie Spanien vorsieht, könnte bei einer großen Zahl verfügbarer Kapazitäten überdies zu
unverhältnismäßigen Belastungen des Plattformbetreibers führen. Es bietet sich für die deutsche Situation daher an, inhaltliche Kriterien – etwa Optionen zugunsten des öffentlichrechtlichen Rundfunks – mit quantitativen Aspekten so zu kombinieren, dass die Zahl der
Programme im Must-Carry-Bereich begrenzt bleibt. Dies könnte in Fortentwicklung des § 51
in Anlehnung an die Regelungen des § 52 Abs. 3 und 4 RStV geschehen.
RStV § 52 Abs. 3 und 4: Weiterverbreitung
(3) Der Betreiber einer Kabelanlage hat sicherzustellen, dass
1. die erforderlichen Übertragungskapazitäten für die für das jeweilige Land gesetzlich bestimmten Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschließlich seiner Programmbouquets zur Verfügung stehen,
2. die Übertragungskapazität eines analogen Fernsehkanals für die im jeweiligen Land zugelassenen regionalen und lokalen Fernsehprogramme sowie die Offenen Kanäle zur Verfügung steht;
soweit diese Übertragungskapazität danach nicht ausgeschöpft ist, richtet sich die Belegung nach
Landesrecht; die landesrechtlichen Sondervorschriften für Offene Kanäle und vergleichbare Angebote bleiben unberührt,
3. die technischen Übertragungskapazitäten nach Nummern 1 und 2 im Verhältnis zu anderen digitalen Kanälen technisch gleichwertig sind,
4. Entgelte und Tarife für die Programme nach Nummern 1 und 2 offengelegt werden; Entgelte
und Tarife sind im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes so zu gestalten, dass auch regionale
und lokale Angebote zu angemessenen und chancengleichen Bedingungen verbreitet werden
können; die landesrechtlichen Sondervorschriften für Offene Kanäle und vergleichbare Angebote
bleiben unberührt.
(4) Die Entscheidung über die nach Absatz 3 hinausgehende Belegung mit in digitaler Technik
verbreiteten Fernsehprogrammen und Mediendiensten trifft der Betreiber
1. innerhalb einer weiteren Übertragungskapazität im Umfang von einem Drittel der für die digitale Verbreitung zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität, soweit er darin unter Berücksichtigung der Interessen der angeschlossenen Teilnehmer eine Vielzahl von Programmveranstaltern
sowie ein vielfältiges Programmangebot an Vollprogrammen, nicht entgeltfinanzierten Programmen, Spartenprogrammen und Fremdsprachenprogrammen einbezieht sowie Mediendienste
angemessen berücksichtigt,
2. innerhalb darüber hinausgehender Übertragungskapazitäten allein nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze.
Dabei sollte allerdings beachtet werden, das keine dynamischen Grenzen für Must-Carryregelungen vorgesehen werden. Vielmehr sollten statische Grenzen den Plattformanbietern
einen Anreiz bieten, ihre Kapazitäten zu erweitern, um dadurch die eigenen Freiräume zu
vermehren750.
unabhängige Inhalteanbieter bereithalten müssen, vorausgesetzt es besteht eine entsprechende Nachfrage.
S. Kap. 3.4.1.4.1.2.
750
S. zu § 52 RStV Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 450.
200
6.2.2.3
Europäische Regelungsansätze
Mit nationalen Regeln können die Mitgliedstaaten Teilaspekte eines chancengleichen und
diskriminierungsfreien Zugangs zufriedenstellend gestalten und insbesondere den spezifischen Bedürfnissen ihres nationalen Medienmarkts anpassen. Grenzüberschreitende Aspekte
wie etwa die Situation im Bereich der Satellitenbetreiber selbst können sinnvoll nur im Rahmen europäischer Normen behandelt werden. Die Zugangsrichtlinie postuliert bereits, dass
der Zugang zu elektronischen Kommunikationsdiensten fairen Bedingungen unterliegen
muss. Risiken für die inhaltliche Vielfalt könnten insbesondere durch Beschränkungen der
vertikalen Integration reduziert werden751, wobei im Idealfall die Trennung zwischen dem
Betrieb von Übertragungskapazitäten und dem Angebot von Inhalten durch verflochtene Unternehmen festgeschrieben würde. Wesentlich wären auch hier Regelungen, die über das abstrakte Gebot fairer Bedingungen hinaus die Transparenz von Entgelten und Vertragsbedingungen gewährleisten könnten, indem Satellitenbetreiber dem hierzu berufenen Gremium
Entgeltstrukturen, tatsächliche Entgelte und allgemeine und besondere Vertragsbedingungen
für den Bereich meinungsrelevanten Rundfunks auf Anforderung zur Kenntnis geben müssten752.
Ein weiteres Ziel auf europäischer Ebene muss gerade in Situationen vertikaler Integration
nicht nur die Öffnung, sondern eine fortschreitende Standardisierung von Zugangsberechtigungssystemen sein. Die Wahl eines bestimmten Verschlüsselungssystems darf nicht zum
faktischen Ausschluss von Zuschauern und Veranstaltern führen, die über eine anderes System bereits verfügen753. Damit ist nicht zwangsläufig auch die Vereinheitlichung der Verschlüsselungssysteme und damit eine Verringerung der Sicherheit solcher Systeme verbunden. Bereits heute ist es möglich, Hardwareanforderungen so zu beschreiben, dass alle in Europa verbreiteten Verschlüsselungssysteme zwar unterschiedliche Smart-Cards erfordern, der
Wechsel der CA-Module jedoch nicht mehr erforderlich ist.
6.3
Handlungsstrategien im Dienstleistungsszenario
6.3.1 Herausforderungen für Vielfalt und Zugangsfreiheit
Während die beiden bislang dargestellten Strategien im wesentlichen lediglich auf Marktentwicklungen reagieren und korrigierend gegenüber extremen Entwicklungen wirken sollen,
fordert das dritte Szenario die aktive Gestaltung eines Markts, der wegen seiner offenen
Wettbewerbsbedingungen den Zugang aller Beteiligten erleichtern kann und damit günstig für
die Entwicklung eines umfassenden und differenzierten inhaltlichen Angebotes ist. Die angestrebte Modularisierung der angebotenen Dienstleistungen erlaubt es zudem, auch zukünftig
ein duales System aus kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Angeboten dynamisch fortzuentwickeln, ohne dass eine Polarisierung privater und öffentlich-rechtlicher Anbieter hinsichtlich Technik und Inhalt erfolgen müsste. Unverschlüsselte und verschlüsselte Programme
können nebeneinander bestehen; auch die fallweise Verschlüsselung ist bei Nutzung der verfügbaren modularen Dienstleistungen denkbar, ohne dass unangemessene Investitionen erforderlich sind.
751
S. Ovum-Studie “Study on the Development of Competition for Electronic Communications Access Networks and Services, A report to the European Commission, Information Society Directorate, on the Regulation of Conditional Access Systems and Related Facilities”, Februar 2001.
752
S. Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 445, 450; Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 415f.
753
S. Danwitz, ZUM 2002, 769, 771.
201
Die Verfügbarkeit aller für ein Geschäftsmodell erforderlichen Module unter Wettbewerbsbedingungen könnte ein hohes Maß an Zugangsfreiheit bei marktgerechten Kostenstrukturen
gewährleisten. Inhalts- und Anbietervielfalt werden sowohl für die Programmveranstalter als
auch für den Zuschauer begünstigt, da die Kundenbindung durch den Wettbewerb der Inhalte,
nicht aber durch proprietäres technisches Equipment erreicht werden muss.
Vergleichbare Ansätze finden sich heute unter anderem bereits im Bereich der europaweiten
Verarbeitung von Daten jeglicher Art.
Ein typisches Beispiel modularisierter Leistungen im Bereich von Netzinfrastrukturen und
Abrechnungssystemen findet sich im Bereich der Energieversorgung (Strom, Gas und künftig
auch Wasser). Hier haben sich nach der Liberalisierung des Marktes auf dem deutschen wie
im internationalen Markt Dienstleister zum Beispiel im Bereich des Messwesens, des so genannten Metering, etabliert, die im Wettbewerb untereinander stehen. Diese Dienstleister
übernehmen für ihre Kunden, die Energieversorger, die Abrechnung der gelieferten Energie
gegenüber dem Verbraucher und bieten darüber hinaus optional weitere Dienstleistungsmodule im Bereich der Kundenbetreuung, aber auch bei der Organisation von Durchleitungen
durch fremde Netze an. Neutralität gegenüber denjenigen Komponenten, die bei einer Integration Abhängigkeiten begründen könnten – etwa Zählerhersteller oder Softwareentwickler –
ist dabei ein Marketingargument754.
6.3.2 Auswirkungen auf die Regulierung
Unter regulatorischen Aspekten ist das Modell einer unabhängigen, modularen Dienstleistungsplattform vorteilhaft, sobald seine Funktion gesichert ist.
Im Vorfeld bedarf vor allem der Rahmen, in dem ein derartiges Modell entstehen kann, regulatorischer Begleitung. Dabei zeigt ein Vergleich der Mobilfunkmärkte in USA und Europa,
dass insbesondere die rasche Durchsetzung definierter offener Standards an allen Schnittstellen, die sich für die Trennung von Geschäftsprozessen eignen, die unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung eines solchen Modells darstellt.
Ziel der Gestaltung ist die Entwicklung des Angebots unabhängiger Dienstleister, die die für
die Distribution digitaler Inhalte notwendigen Prozesse von der Beschaffung der Transportkapazitäten bis hin zu Vermarktung und Abrechnung vornehmen.
Solche neutralen Dienstleistungsangebote können nicht verordnet werden, sondern müssen
aus sich selbst heraus und aus der Nachfrage im Markt wachsen. Allerdings kann durch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen und zielgerichtete Unterstützungen die Entwicklung neutraler Plattformen angestoßen und gefördert werden. Notwendig sind Anreize, die die
Attraktivität derartiger Plattformen unterstreichen.
Voraussetzung für die Entstehung unabhängiger Anbieter für einzelne Prozesse ist zunächst
der Verzicht auf geschlossene, proprietäre Techniken und die weitestgehende Offenlegung
und Standardisierung der eingesetzten Technologien und Schnittstellen. Geschieht dies auf
europäischer Ebene, entwickelt sich ein Markt von attraktiver Größe. Der Einsatz standardisierter Technologien auf allen Ebenen der Distribution kann Gegenstand der europäischen
Regulierung sein. Dabei ist es – anders als zu Zeiten etwa der D2MAC-Richtlinie – nicht erforderlich, bestimmte Standards festzuschreiben, wenn die Anerkennung dessen, was als
754
S. nur beispielhaft das Angebot der Viterra Energy Services (www.energie.im-griff.de).
202
Standard gilt, gesichert ist. Insoweit ist der Verweis auf einen anerkannten europäischen
Standard ausreichend. In der Praxis zum Beispiel unterschiedlicher interaktiver Anwendungen
auf der Basis des MHP-Standards erweist sich indes als problematisch, dass bisherige Standardisierungen in relativ hohem Maße unterschiedlichen Interpretationen zugänglich sind.
Hier muss unter Umständen auch unter Einsatz politischer Moderation die Steuerung der
Standardisierung intensiviert werden755. Ergänzend kann die Entwicklung offener Systeme
dadurch befördert werden, dass auch der Zugang zu den eventuell erforderlichen technischen
Lizenzen diskriminierungsfrei und chancengleich möglich ist. Beispiele für den letztgenannten Aspekt finden sich in Art. 6 Zugangsrichtlinie, der nicht nur faire Bedingungen für den
Zugang zu den Lizenzen für CA-Systeme fordert, sondern darüber hinaus verbietet, in der
vertraglichen Ausgestaltung der Lizenzen Multicrypt-Anwendungen zu verhindern.
Sind offene Standards verfügbar, bedarf es zusätzlicher Anreize, unabhängige Plattformen
oder einzelne unabhängige Dienstleister zu etablieren756. Neben der Moderation der erforderlichen Kommunikation zwischen Veranstaltern und Dienstleistern könnten in erster Linie regulatorische Erleichterungen für solche Distributionsformen geschaffen werden, die auf der
Inanspruchnahme unabhängiger Plattformen oder Dienstleister basieren. Hier könnte der Verzicht auf Must-Carry-Regelungen ebenso bedeutsam sein wie die Vermutung, dass diese
Plattformen die Voraussetzungen des § 53 RStV ohne weiteres erfüllen. Damit könnte zugunsten neutraler Dienstleister auf die entsprechenden Anforderungen zur Transparenz – etwa die
Offenbarung der Entgelte – in der Regel verzichtet werden. Entsprechende Regelungen
könnten unmittelbar in § 53 RStV implementiert werden.
6.4. Zusammenfassung
Aus der Darstellung der Szenarien wird deutlich, dass die Intensität regulatorischer Rahmenbedingungen zur Sicherung chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs abhängig
ist von der Güte des Wettbewerbs in diesem Markt. Unabhängig von der konkreten Entwicklung im Rahmen der Szenarien oder in Mischformen wird deutlich, dass es vor allem drei
Faktoren sind, die die Unabhängigkeit und Vielfalt des über Satellit verbreiteten Fernsehens
begünstigen oder gar sicherstellen können:
•
Die bislang im europäischen Satellitenrundfunk überwiegend erhaltene Trennung von
Verbreitungswegen und Inhalten hat dazu geführt, dass sich die Inhalteanbieter weitgehend frei von den Vorgaben der Anbieter der Transportkapazitäten etablieren konnten.
Die auch künftig konsequente Trennung von Netzen und Inhalten kann dazu führen, diese
Entwicklung fortzusetzen. In dem Maß, wie sich Satellitenanbieter Inhalten zuwenden,
muss regulatorisch Vorsorge für einen fairen Zugang zu den Ressourcen getroffen werden.
•
Zuschauern wie Inhalteanbietern muss die Möglichkeit eröffnet werden, frei von vermeidbaren Hürden den Zugang zu allen Angeboten zu erhalten oder anzubieten. Voraussetzung hierfür ist vor allem die weitgehende Standardisierung der eingesetzten Emp-
755
Zu den Auswikungen einzelner Ausgestaltungen einer API-Regulierung Oxera-Studie im Auftrag der
Kommission „Study on interoperability, service diversity and business models in digital broadcasting markets“
vom
Februar
2003,
abrufbar
unter
http://www.europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/studies/documents/oxera_final_re
port_volume_1_report1.pdf, abgerufen am 12.3.2003.
756
S. Danwitz, ZUM 2002, 769, 771.
203
fangs- und Zugangssicherungssysteme. Der Einsatz unterschiedlicher Verschlüsselungssysteme darf keinen Wechsel der stationären Hardware erfordern.
•
Im Idealfall kann die Entwicklung neutraler, von Inhalteanbietern unabhängiger Plattformen angestoßen werden, die die zur erfolgreichen Distribution erforderlichen Dienstleistungen einschließlich des Marketing und der Abrechnung in einer Weise vorhalten, die es
auch mittleren Inhalteanbietern erlaubt, die erforderlichen Module unter den Bedingungen
eines offenen Wettbewerbs in Anspruch zu nehmen.
Zugleich müssen auf europäischer Ebene wirksame Mechanismen vorgehalten werden, die die
Entwicklung des Satellitenrundfunks beobachten und regulatorisch wirken, soweit, solange
und sobald das System des Angebots von Rundfunk via Satellit die Voraussetzungen eines
chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs nicht erfüllt. Die Transparenz der vertraglichen Gestaltung kann in diesem Fall durch vertragliche Inhaltskontrollen oder etwa Entgeltregulierungen erreicht werden.
204
7.
Strategien zur Sicherung der Verbreitung
Im fünften Kapitel wurde ein potenzieller Handlungs- und Regelungsbedarf für die Gewährleistung des Urheberrechts und der freien Vergabe von Senderechten bei gleichzeitiger Sicherung
•
des Zugangs des Empfängers zu allen – europaweit – über Satellit ausgestrahlten Programmen,
•
des europäischen Fernsehmarkts ohne Grenzen und
•
der Teilhabe aller Bürger der Gemeinschaft an Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung
festgestellt. Gefährdet werden diese Ziele vor allem durch die territorial, nach Sprachräumen
oder gruppenspezifisch beschränkte Vergabe von Senderechten und deren Durchsetzung
durch spezifische Verschlüsselungs- und Abrechnungssysteme und durch die urheberrechtlich
motivierte Verweigerung der Empfangsmöglichkeiten für grenzüberschreitendes Fernsehen757.
Da keine offensichtlichen und unmittelbaren Regelungsdefizite bestehen, ist die Antwort auf
die Frage, ob regulatorischer Handlungsbedarf besteht, abhängig vom künftigen Verhalten der
Beteiligten und der daraus resultierenden Entwicklung. Als Regelungsinstrumente bieten sich
Völker- und Gemeinschaftsrecht an, die Änderung allein nationaler Vorschriften kann den
erwünschten Effekt im grenzüberschreitenden Rahmen nicht leisten. Allerdings bleibt die
Ausgestaltung der auf europäischer oder internationaler Ebene gefundenen Lösungen Aufgabe
der Staaten.
Im Folgenden werden mögliche Strategien dargestellt, die diese Ziele unter den jeweils unterschiedlichen Handlungsvoraussetzungen der beschriebene Szenarien758 verfolgen. Zur Lösung
der beschriebenen Problembereiche kommt vor allem eine Beschneidung des Umfangs des
Verwertungsrechts in Betracht. Dies kann nicht nur durch Änderung urheberrechtlicher Vorschriften erfolgen. Denkbar ist ebenso eine mittelbare Beschränkung durch rundfunkrechtliche Bestimmungen. Dabei ist darauf zu achten, dass in das Urheberrecht nur soweit eingegriffen wird, wie es notwendig ist, um die Informationsfreiheit und die Vielfalt des Angebots zu
gewährleisten. Die Beschränkung des Urheberrechts sollte nicht in der Ausweitung seiner
Schranken liegen, da es nicht um den Entzug von Nutzungsmöglichkeiten zugunsten der Allgemeinheit geht, sondern um die Ausgestaltung des Verwertungsrechts für die Fälle, in denen
dessen Praxis einen offenen und für jeden zugänglichen europaweiten Fernsehmarkt ohne
Grenzen behindert.
Dabei stehen im Vordergrund der Betrachtung solche Regelungen, die für Mitgliedstaaten und
die Europäischen Union relevant sind. Auf Nicht-Mitglieder der Europäischen Union soll
abschließend eingegangen werden. Für Aufnahmekandidaten gelten die Überlegungen zu den
Mitgliedstaaten entsprechend, nur aufschiebend bedingt. Länder, die weder zum Kreis der
Mitglieder noch dem der Aufnahmekandidaten gehören, entziehen sich dem Geltungsbereich
757
S. hierzu näher Kap. 3.3.5.1.3 sowie Kap. 5.5.
758
S. Kap. 4.5.
des Gemeinschaftsrechts759. Hier kommen das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen760 oder die Europäische Konvention über urheber- und leistungsschutzrechtliche Fragen im Bereich des grenzüberschreitenden Satellitenrundfunks761 als Regelungsinstrument in Betracht. In einem weltweiten Rahmen könnten Regelungen zum Zugang zu empfangbaren Inhalten in den völkerrechtlichen Verträgen zum Urheberrecht (vor
allem der RBÜ) verankert werden762.
7.1
Trendszenario
Das „Trendszenario“763 entspricht dem Transportmodell. Die Satellitenbetreiber beschränken
sich auf den Transport von Signalen und vergeben ihre Sendekapazitäten an jeden, der zahlt.
Die Programmveranstalter finanzieren ihre Inhalte wie bisher durch Gebühren, Werbung oder
Pay-TV. Im frei empfangbaren Fernsehen gibt es keine Verschlüsselung.
Kurzfristig ist in der Vertragspraxis nicht mit einer Änderung der territorial abgegrenzten
Vergabe von Senderechten zu rechnen. Gegenwärtig hat diese Praxis ihren Grund unter anderem in den Kosten, die die Programmveranstalter für den Erwerb von Inhalten aufbringen
müssen. Dabei können die Kosten für eine europaweite Verbreitung regelmäßig nicht von
einem Programmveranstalter allein getragen werden. Dies gilt insbesondere für teure Senderechte wie die für populäre Sportereignisse. Die Auswirkungen der Vertragspraxis auf den
Zuschauer sind unterschiedlich. Solange es nur darum geht, welcher Free-TV-Veranstalter
bestimmte Senderechte erhält und wie viel er dafür zahlt, und dieser unverschlüsselt ausstrahlt, kann der Zuschauer die gewünschte Sendung wählen. Geht es dagegen um die Vergabe an Free-TV- oder Pay-TV-Sender, soll die Ausstrahlung (auch) im Free-TV verschlüsselt
erfolgen oder werden bestimmte Rechte (z.B. für ein Gebiet) gar nicht vergeben, ist der Zugang des Zuschauers zu Inhalten nicht ohne weiteres gewährleistet. Der Streit um die Ausstrahlung der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 ist hierfür ein Beispiel764.
Das Trendszenario beschreibt das Nebeneinander von Free- und Pay-TV nicht nur für den
nationalen, sondern auch für den internationalen Rahmen. Sendungen können daher in einem
bestimmten (nationalen) Territorium im Free-TV, in einem anderen Territorium im Pay-TV
ausgestrahlt werden. Aus Sicht des Pay-TV-Veranstalters ist eine unverschlüsselte Ausstrahlung über Satellit problematisch, wenn es sich um Sendungen handelt, bei der es dem Zuschauer – wie etwa bei Sportereignissen – nicht in erster Linie auf die Sprachfassung ankommt765. Können die Zuschauer nämlich eine gewünschte Ausstrahlung im Free-TV empfangen, werden sie das Pay-TV-Angebot nicht nutzen. Das Nebeneinander von Free- und PayTV auch im internationalen Rahmen ist demnach im Rahmen der Lösungsvorschläge zu berücksichtigen.
759
Mit Ausnahme der Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).
760
Europäisches Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen vom 5.5.1989, BGBl. 1994 II, 639.
761
Europäische Konvention über urheber- u. leistungsschutzrechtliche Fragen im Bereich des grenzüberschreitenden Satellitenrundfunks vom 16.2.1994, noch nicht in Kraft.
762
Zur Darstellung des internationalen Rechtsrahmens s. Kap. 3.3.5.1.
763
S. zu diesem Kap. 4.5.1.
764
Der Sachverhalt ist in Kap. 3.3.5.2. dargestellt.
765
Die Ausstrahlung über verschiedene Territorien gleicher Muttersprache wird in der Praxis durch die Zusammenfassung der Territorien oder die Verschlüsselung gelöst.
206
Aus Sicht des Vielfaltsschutzes mit dem Ziel der Förderung des Informationsaustauschs und
der Meinungsbildung ist problematisch, wenn dem Zuschauer der Zugang selbst gegen Entgelt verweigert wird. Im Bereich des Urheberrechts ist dies von Interesse, wenn die Weigerung mit fehlenden Senderechten begründet wird. Senderechte fehlen, wenn sie der Programmveranstalter nur eingeschränkt erworben hat. Solche Einschränkungen erfolgen zur Zeit
hauptsächlich für territorial begrenzte Gebiete. Die Weigerung etwa des Verkaufs der notwendigen technischen Einrichtungen (z.B. Smart-Cards) an bestimmte Interessenten muss
nicht notwendig mit fehlenden Senderechten begründet werden. In Betracht kommen etwa
auch wirtschaftliche Erwägungen, die zu Benachteiligungen von Gruppen mit nicht ausreichender Kaufkraft führen können. Für sie könnte sich der Aufwand für den Aufbau von Vertriebs- und Abrechnungsstrukturen nicht lohnen.
7.1.1 Gemeinsamer Rechteerwerb
Eine Möglichkeit, die Kosten für die europaweiten Senderechte zu erwerben, könnte der gemeinsame Erwerb durch mehrere Programmveranstalter sein.
So könnte, wie dies früher für den Erwerb von Sportrechten praktiziert worden ist, die European Broadcasting Union (EBU) wieder Senderechte für besonders interessante Sportveranstaltungen erwerben. Die EBU ist ein Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa und erwirbt unter anderem Übertragungsrechte für Großereignisse. Aufgrund dieser Verbundenheit der nationalen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wäre der
Rechteerwerb für die einzelnen Anstalten mit hoher Wahrscheinlichkeit billiger als beim Kauf
von einer privaten Gesellschaft. So könnte jede nationale öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt jeweils die europaweiten Ausstrahlungsrechte erwerben. Sportereignisse würden also in
allen nationalen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Free-TV übertragen, die Zuschauer könnten unter den Ausstrahlungen wählen. Die Zuschauer werden sich in einem solchen Fall eine für sie verständliche Sprachfassung aussuchen. In diesem Modell spielte die
territoriale Abgrenzung bei der Rechtevergabe keine Rolle mehr.
Die Möglichkeit, dass die EBU Sportrechte erwirbt und allein an ihre Mitglieder vergibt, wird
jedoch durch das Urteil des EuG vom 8. Oktober 2002766 in Frage gestellt. Die Europäische
Kommission hatte unter anderem den Rechteerwerb und die Unterlizenzierung der EBUMitglieder durch die EBU von den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln freigestellt767. Diese Entscheidung hob das EuG auf die Klage mehrerer Fernsehanstalten hin auf, weil sie gegen
europäisches Wettbewerbsrecht verstoße, da durch den gemeinsamen Erwerb von Rechten der
Wettbewerb unter den EBU-Mitgliedern beschränkt werde und Nichtmitgliedern der Zugang
zu den Senderechten in der Praxis verwehrt bleibe. Möglich wäre der Rechteerwerb und die
Unterlizenzierung durch die EBU demnach nur dann, wenn entsprechend den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln allen Interessenten echte Wettbewerbschancen eingeräumt werden.
7.1.2 Listenregelungen
Die grenzüberschreitende Sendung ist wirtschaftlich besonders interessant, wenn bestimmte
Programmarten betroffen sind, vor allem Sportübertragungen und Spielfilme, da sie leichter
Sprachgrenzen überwinden können. Daher liegt es zunächst nahe, Lösungen für die genannten
766
EuG Urteil vom 8.10.2002, verb. Rs. T-185/00, T-216/00, T-299/00, T-300/00 – Métropole télévision SA
(M6) u.a./Kommission.
767
Entscheidung der Kommission 2000/400/EG vom 10.5.2000, ABl. L 151/18 vom 24.6.2000. Die Kommission ging davon aus, dass der Zugang von Nichtmitgliedern zu vernünftigen Bedingungen gewährleistet sei.
207
Probleme in der Unterscheidung nach der Art der Sendung zu suchen. Damit würde zwar kein
umfassender europäischer Rundfunkmarkt geschaffen. Doch könnte eine Lösung für die
drängendsten Probleme der territorial beschränkten Rechtevergabe gefunden werden.
Für die Sendungen, für die vorrangig eine europaweite und für alle zugängliche Ausstrahlung
sichergestellt werden soll, wäre die Aufnahme in eine Liste erforderlich, wie sie Art. 3a Fernsehrichtlinie bereits vorsieht768. Diese Regelung gestattet den Mitgliedstaaten, Maßnahmen
gegen Fernsehveranstalter und Rechteinhaber zu ergreifen, durch die bestimmte Ereignisse
mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung auch im freizugänglichen Fernsehen übertragen
werden müssen. Dies gilt nach Art. 3a Abs. 3 Fernsehrichtlinie auch gegenüber den der eigenen Rechtshoheit unterliegenden Fernsehveranstaltern bezogen auf die Liste, die ein anderer
Mitgliedstaat für die bei ihm ausgestrahlten Programme aufgestellt hat.
Die bestehenden Listenregelungen der Fernsehrichtlinie und ihre nationalen Umsetzungen
sehen jeweils lediglich die nationale Festsetzung von Ereignissen vor, denen der betreffende
Mitgliedstaat eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimisst. Die grenzüberschreitende
Rundfunksendung wird auf diesem Wege nicht erreicht. Ein europäischer Markt setzte vielmehr eine europäische einheitliche Liste voraus769. Denkbar wäre etwa neben den bereits erfassten Ereignissen mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung eine Listenregelung zugunsten von für die politische Bildung und Meinungsbildung relevanten Informationsquellen –
beispielsweise zugunsten von Nachrichtensendungen.
Die Liste könnte einmal die Grundlage von Anforderungen an die Rechteinhaber sein. Diesen
könnte aufgegeben werden, Senderechte für Sendungen der Liste nur oder vorrangig an frei
und flächendeckend empfangbare Programmveranstalter zu vergeben. Die Einschränkung
eines Verwertungsrechts stellt jedoch einen erheblichen Eingriff in das Urheberrecht dar. Auf
diese Weise fielen wichtige potenzielle Abnehmer für den Rechteinhaber weg. Der Kreis der
möglichen Nachfrager würde verringert und je nach Entwicklung der Rundfunklandschaft
sogar vielleicht auf die öffentlich-rechtlichen Anbieter beschränkt. Dies könnte die Nachfrage
stark beeinträchtigen und die Vermarktung der Rechte behindern. Eine Änderung der Verwertungsrechte ist demnach mit schwerwiegenden Problemen verbunden.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Programmveranstalter und Plattformanbieter zu
adressieren. Sie würden verpflichtet, die Listensendungen in einer Weise auszustrahlen, dass
sie europaweit von möglichst vielen Zuschauern empfangen werden können. Ein solches
Konzept hätte im Trendszenario zur Folge, dass die Veranstalter von öffentlich-rechtlichem
Rundfunk und privatem Free-TV diese Anforderungen in der Regel problemlos erfüllen
könnten, da sie ihre Sendungen unverschlüsselt über Satellit europaweit ausstrahlen.
Für einen Pay-TV-Anbieter würde eine solche Regelung bedeuten, dass er in seinem Angebot
zwischen freien, unverschlüsselt europaweit ausgestrahlten Sendungen und verschlüsselten
Sendungen unterscheiden müsste. Für den Zuschauer, der nicht Pay-TV-Kunde ist, wären die
Programme der Pay-TV-Anbieter nicht so attraktiv, da er bei der Auswahl dieses Programms
768
S. den Wortlaut in Kap. 3.3.5.2. Für Deutschland s. § 5a RStV – s. den Text in Kap. 3.3.5.2. Kritisch zur
Listenregelung Stettner, ZUM 2002, 627; derselbe, Rechtsfragen § 5a Rundfunkstaatsvertrag, Kap. I. Zur
Klage der KirchGruppe gegen die Europäische Kommission wegen deren Genehmigung der britischen Listenregelung, anhängige Rs. T-33/01, ABl. EG Nr. C 134 v. 5.5.2001, S. 24, s. Scheuer, IRIS 2001-3: 9;
ders./Strothmann, MMR 2001, 576, 583f. Zur Umsetzung von Art. 3a Fernsehrichtlinie generell
s. Helberger, AfP 2002, 292.
769
Hesse, ZUM 2002, 692, 697.
208
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Zeitpunkt zuschalten würde, zu dem er nicht von der
Regelung profitiert. Dies könnte aber für die Pay-TV-Anbieter insoweit attraktiv sein, als sie
mit den freien Sendungen potenzielle Kunden für die zu bezahlenden Sendungen interessieren
könnten. Die Differenz zwischen freien und zu bezahlenden Sendungen könnte auch durch die
fortschreitende technische Entwicklung entschärft werden, wenn das aktuell vorherrschende
Konzept des zu festen Programmplätzen ausgestrahlten Programms aufgeweicht wird770.
Denkbar wäre etwa ein Abrufen von Nachrichtensendungen eines Programmveranstalters zu
jeder Tageszeit.
Welche Sendungen im Hinblick auf das Ziel eines europäischen Rundfunkmarkts in die Liste
aufgenommen werden sollen, ist eine politische Frage. Nimmt man das Ziel eines europäischen Rundfunkmarkts ernst, kann das Ziel letztlich nicht nur die europaweite Verbreitung
einzelner Sendungen sein. Vielmehr dürfte eine solche Listenregelung zu einer allmählichen
Ausweitung der Liste tendieren. Allerdings sollten bei dieser Lösung die Schwierigkeiten,
einheitliche europäische Regelungen für die Liste zu finden, nicht unterschätzt werden. Andererseits dürfte dieser Lösungsweg insbesondere für den Zugang zu zentralen Sportereignissen
und kulturellen Veranstaltungen zu befriedigenden Ergebnissen führen.
7.1.3 Die Unterscheidung nach Sprachgebieten
Sprachbarrieren stellen ein wesentliches Kriterium für die Kundenreichweite von Rundfunkausstrahlungen dar. An einer Ausstrahlung bestimmter Inhalte über ein vertraglich vereinbartes Territorium hinaus stört sich der Lizenzgeber nicht, solange sie die Möglichkeiten der
Wertschöpfung im angrenzenden Gebiet nicht schmälert. Der Lizenznehmer dagegen ordnet
sein Angebot ohnehin nach Sprachen, was freilich das Abdecken mehrerer Sprachversionen
durch einen Veranstalter nicht ausschließt. Die europaweite Übertragung in verschiedenen
Sprachversionen ist möglich, eine interessante Variante bietet das Beispiel des bereits mehrsprachig ausstrahlenden Senders Eurosport. Der Sender teilt sich Erstverwertungsrechte meist
mit anderen Sendern oder sendet zeitversetzt771. Aufgrund dieser Interessenlagen von Lizenzgebern und -nehmern wird die Sprache teilweise als Garant der Exklusivität gesehen772. Damit
wäre ein Kriterium für die Vergabe von Senderechten gefunden, das in der Lage ist, den
Aspekt der grenzüberschreitenden Sendung mit dem der größtmöglichen wirtschaftlichen
Verwertung zu vereinbaren. Insofern würde sich anbieten, die Senderechte nach Sprachgebieten zu vergeben773 und den bei der Satellitenausstrahlung unvermeidbaren „Overspill“ hinzunehmen.
Ein Problem bei dieser Art der Unterscheidung ist jedoch die weite Verbreitung insbesondere
englischer Sprachkenntnisse, die englisch ausgestrahlte Inhalte (insbesondere Spielfilme) über
die Gruppe der Muttersprachler hinaus interessant macht. Daneben passt das Konzept auch
nicht recht auf den Empfang von Sendungen, wie etwa Sportsendungen, deren Sprachfassung
aus Zuschauersicht keine entscheidende Rolle spielt. Im Trendszenario, in dem keine flächendeckende Verschlüsselung erfolgt, bieten Sprachbarrieren für diese Art von Sendungen keinen ausreichenden Schutz der Rechteinhaber.
770
Dörr/Janik/Zorn, Zugang zu den Kabelnetzen, S. 21 ff.; Holznagel, NJW 2002, 2351f.; Zimmer/Büchner,
CR 2001, 164.
771
INFOSAT 1/2002, 13.
772
So z.B. Augustin, SportA, Rechteagentur von ARD und ZDF, zitiert in: INFOSAT 1/2002, 11.
773
Hierbei könnten z.B. die "Mallorca-Deutschen" bei dem Lizenzentgelt mitberücksichtigt werden.
209
Kommt es dazu, dass mehreren Programmveranstaltern gestattet wird, bestimmte Inhalte europaweit zu senden774, hätte dies den unbeschränkten Zugang zu den betroffenen Sendungen
zur Folge. Die verschiedenen Ausstrahlungen nähmen sich dadurch, dass die Sendung in jeder
Sprache zugänglich wäre, keine fremdsprachigen Zuschauer weg. Der europaweite Zugang ist
jedoch in diesem Modell nur gewährleistet, wenn und soweit Rechte europaweit mehrmals
nach Sprachen vergeben werden. Der Zugang hinge also von einer entsprechenden Vertragsgestaltung im Einzelfall ab. Darüber hinaus setzt dieses Modell die europaweit zeitgleiche
Sendung voraus.
Im Ergebnis kann die Unterscheidung nach Sprachgebieten im Trendszenario in den Bereichen der Sportereignisse und englischen Spielfilmen zu Schwierigkeiten führen. Befriedigende Ergebnisse lassen sich damit nur in solchen Bereichen erzielen, die auch heute schon weitgehend unproblematisch sind.
7.1.4 Die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter Zugangspflicht
Im Folgenden wird eine Lösung untersucht, die nicht nach den gesendeten Inhalten unterscheidet. Sie ändert auch nicht die Ausgestaltung des Senderechts. Vielmehr können Senderechte nach beliebigen Kriterien vergeben werden, auch auf bestimmte Sprachfassungen oder
Territorien begrenzt. In den Bestand des Urheberrechts würde also nicht (direkt) eingegriffen.
Die Lösung setzt vielmehr beim Programmveranstalter oder Plattformbetreiber an. Diese sollen verpflichtet werden, jedem Zuschauer, der an einem Programm interessiert ist, Zugang zu
jedem europaweit775 ausgestrahlten Programm zu gewähren. Programmveranstalter oder Plattformbetreiber müssen jedem Zuschauer auf Anfrage zu den üblichen Bedingungen die Zugangsmöglichkeiten zu ihren Angeboten verschaffen, beispielsweise durch Verkauf einer
Smart-Card. Durch diese Lösung wird in das Urheberrecht nur soweit eingegriffen wird, wie
dies unvermeidbar ist. In diesem Sinn sind die Programmveranstalter oder Plattformbetreiber
nach der hier zu diskutierenden Lösung nicht verpflichtet, in der Regel durch ihre beschränkte
Lizenz sogar gehindert, sich auch europaweit um Kunden zu bemühen.
Als Vorbild kann hier die Praxis der schweizerischen öffentlich-rechtlichen SRG dienen, deren digitale Programme verschlüsselt ausgestrahlt werden, und zu denen Schweizer Bürger,
die außerhalb der Schweiz wohnen, Zugang erhalten. Gegen eine einmalige Pauschale und
eine Jahresgebühr erhalten die Auslandsschweizer Smart-Cards776. Freilich soll für die hier zu
diskutierende Lösung nicht an die Staatsangehörigkeit angeknüpft werden.
Die vorgestellte Lösung ist darauf zu untersuchen, ob sie ausreichende Konkurrenz unter Programmveranstaltern und Plattformanbietern um Zuschauer schafft oder verstärkt. Dies gilt
insbesondere777 für das Nebeneinander von Free- und Pay-TV, auch im internationalen Rahmen. Sendungen können demnach zum Beispiel in einem bestimmten (nationalen) Territorium im Free-TV, in einem anderen Territorium im Pay-TV ausgestrahlt werden. Aus Sicht des
Pay-TV-Veranstalters ist eine unverschlüsselte zeitgleiche Ausstrahlung über Satellit problematisch, wenn es sich um Sendungen handelt, bei der es dem Zuschauer nicht in erster Linie
auf eine bestimmte Sprachfassung ankommt, wie etwa bei Sportübertragungen. Hat der FreeTV-Veranstalter nach der hier zu diskutierenden Lösung den europaweiten Zugang sicherzu-
774
Z.B. nach dem Erwerb von Sportübertragungsrechten durch die EBU – s. hierzu Kap. 7.1.1.
775
Die europaweite Ausstrahlung liegt bei der Satellitenverbreitung technisch regelmäßig vor.
776
S. zur Marktsituation in der Schweiz Kap. 2.2.4.1, zur aktuellen Rechtslage Kap. 3.4.1.1.1.2.
777
Aber nicht nur, die Frage stellt sich auch für die Konkurrenz unter mehreren Free-TV-Veranstaltern.
210
stellen, und kommt es durch sein Angebot zu einem Absinken der Abonnentenzahlen des PayTV-Veranstalters, ist davon auszugehen, dass der Preis, den der Pay-TV-Veranstalter für die
Rechte zahlen muss, in der nächsten Verhandlungsrunde sinken wird, oder, je nach Vertragsgestaltung, sich bereits für den aktuellen Zeitraum mindert. Dagegen wird der Preis für den
anderen Sender mit dem Zuschauerzuwachs steigen. In der Betrachtung mehrerer Vertragslaufzeiten gleichen sich die verschiedenen Interessen von Programmveranstaltern bzw. Plattformanbietern und Rechteinhabern also aus. Die Preise richten sich beständig nach Angebot
und Zuschauernachfrage, auf diese Weise wird ein europäischer Inhaltemarkt erreicht. Sowohl das Ziel des europäischen Fernsehmarkts als auch das der Sicherung von grenzüberschreitender Meinungsvielfalt kann so sichergestellt werden.
Damit sind Einschränkungen des Zugangs der Zuschauer zu bestimmten Sendungen durch
verstärkten Verkauf von Senderechten an Pay-TV-Veranstalter (oder an Free-TV-Veranstalter
unter der Bedingung, zu verschlüsseln) nicht zu befürchten. Dies gilt selbst unter der Annahme, dass Rechteinhaber bestimmte Rechte nur noch an Pay-TV-Sender vergeben. Der vorgeschlagene Lösungsweg garantiert auch dann die Zugangsmöglichkeit. Der Zuschauer muss
dann zwar für Inhalte zahlen, doch die Verpflichtung an alle Programmveranstalter und Plattformanbieter, europaweit auf Anfrage Zugang zu gewähren, sichert den Wettbewerb der Inhalteanbieter zugunsten des Verbrauchers. Ob bestimmte Inhalte frei von bestimmten Zahlungen sein sollen, ist keine Frage dieses Lösungsvorschlags, sondern einer ergänzenden Listenregelung.
Unter Zugang ist nicht der für den Zuschauer kostenfreie Zugang zu verstehen. Der Lösungsansatz ist unabhängig von der Art der gesendeten Inhalte und eignet sich daher sowohl als
Garant für einen europäischen Rundfunkmarkt, als auch zur Sicherung des Zugangs zu europaweit ausgestrahlten Informationen, und damit zur Gewährleistung der Meinungsvielfalt.
Die Möglichkeit vertraglicher Regelungen zwischen Rechteinhaber und Programmveranstalter oder Plattformanbieter zum Beispiel über die Zulässigkeit von Werbung oder Vertriebssystemen in bestimmten Regionen wird von der Regelung nicht beschnitten. Der Eingriff in
Rechte der Urheber, Programmveranstalter und Plattformanbieter ist somit gering.
Im Ergebnis wird durch die Verpflichtung, jedem Zuschauer, der an einem Programm interessiert ist, Zugang zu gewähren, sowohl der Rahmen für einen europäischen Rundfunkmarkt
aufgestellt, als auch Vielfalt gewährleistet. Der Vorschlag richtet sich an die Adresse der Programmveranstalter und Plattformanbieter und sorgt dort für Wettbewerb.
7.1.5 Ergebnis
Die untersuchten Lösungsansätze sind in unterschiedlichem Maß geeignet, den Zugang des
Zuschauers zu Rundfunkinhalten zu gewährleisten. Es zeigt sich, dass eine Regelung, die sich
an Programmveranstalter und Plattformanbieter richtet, einer Änderung der Verwertungsrechte vorzuziehen ist. Die Unterscheidung nach der Art der Sendung im Rahmen von Listen
kommt für die betreffenden Sendungen (z.B. Sportereignisse, Sendungen die der Meinungsbildung dienen) zu befriedigenden Ergebnissen. Eine Listenregelung führt zumindest dazu,
dass jeder Zuschauer eine Möglichkeit des Zugangs hat, einen grenzüberschreitenden Rundfunkmarkt führt sie jedoch nicht herbei. Die Verpflichtung, Zugang zu bestimmten Arten von
Sendungen grenzüberschreitend zu gewähren, führt dazu, dass jeder Zuschauer mehrere
Möglichkeiten des Zugangs zu den Sendungen hat, einen grenzüberschreitenden Rundfunkmarkt führt sie nur für bestimmte Arten von Sendungen herbei. Die Unterscheidung nach
Sprachfassungen ist ebenfalls nur für bestimmte – eher ohnehin wenig problematische – Inhalte geeignet, den gesteckten Zielen näher zu kommen. Dagegen stellt die Verpflichtung,
jedem interessierten Zuschauer unabhängig von seinem Wohnsitz Zugang zu gewähren, den
211
Rahmen für einen europäischen Rundfunkmarkt auf, und bietet die Gewähr für ein vielfältiges
Angebot.
Die untersuchten Lösungsansätze beeinträchtigen die Rechte des Urhebers in unterschiedlichem Maß. Eine Listenregelung und die Verpflichtung zur Zugangsgewährung für bestimmte
Inhalte schränkt die Verwertbarkeit ganz bestimmter Senderechte ein, andere Rechte werden
nicht berührt. Die Rechtevergabe nach Sprachräumen beeinträchtigt die Urheber wenig. Die
Verpflichtung der Programmveranstalter und Plattformanbieter, jedem interessierten Zuschauer Zugang zu gewähren, lässt jede Art der Rechtevergabe zu, die nicht zu einer Zugangsverweigerung gegenüber Zuschauern führt. Damit ist zwar eine exklusive (z.B. territoriale) Rechtevergabe praktisch nicht mehr möglich, Abreden zum Beispiel über Werbung und
Kundenakquise können diesen Umstand jedoch abmildern. Darüber hinaus garantiert der so
eröffnete Wettbewerb auf einem europaweiten Inhaltemarkt dem Urheber mit attraktiven
Rechten eine Nachfrage. Der Eingriff in Urheberrechte durch eine Verpflichtung der Programmveranstalter und Plattformanbieter der Anbieter, jedem interessierten Zuschauer auf
Anfrage Zugang zu gewähren, stellt sich somit als gering dar. Eine solche Lösung ist demnach zu befürworten.
7.2
Integrationsszenario
Das „Integrationsszenario“778 geht von der Annahme vertikaler Verflechtung (von Inhalteund Transportanbietern), auch im Bereich der Satellitenverbreitung, und der Entstehung neuer
Geschäftsmodelle aus779. Dies schließt die flächendeckende Verschlüsselung mit ein.
Die territoriale Vergabe von Senderechten könnte von der Entwicklung von flächendeckenden
Möglichkeiten, die Zuschauer individuell anzusprechen und ihre jeweilige Nutzung abzurechnen, beeinflusst werden. Zum einen könnte die Orientierung der Rechtevergabe an der territorialen Verbreitung der Sendung aufgegeben und durch eine Rechtevergabe für eine bestimmte
Anzahl oder für die jeweils erreichte Zahl von Zuschauern ersetzt werden. Zum anderen
könnte aber auch die regional bezogene Rechtevergabe beibehalten werden, um Exklusivität
für bestimmte Regionen herzustellen. Die Regionalisierung könnte sogar noch weiter getrieben werden, etwa durch Senderechte für einzelne deutsche Bundesländer. Eine solche Regionalisierung könnte durch Forderungen von Rechteinhabern gefördert werden, die sich aus der
Summe regionaler Rechte höhere Erlöse versprechen als durch die einmalige Vergabe etwa
europaweiter Senderechte780. Die Regionalisierung könnte aber auch im Interesse der Programmveranstalter liegen, die nur die Senderechte für bestimmte Gebiete erwerben möchten.
Welche Entwicklung sich durchsetzt, ist von der Marktentwicklung abhängig und daher
schwer vorherzusagen.
Neben oder statt der Vergabe territorialer Senderechte können bei einer flächendeckenden
Verschlüsselung auch anderweitige Beschränkungen von Senderechten vorgesehen werden.
Will man nicht nur die mit der Satellitenausstrahlung bereits verwirklichte – in der Regel verschlüsselte – grenzüberschreitende Verbreitung, sondern auch den Zugang zu den gesendeten
Inhalten unabhängig vom Wohnort des Zuschauers, stellt die Adressierung des Einzelnen un-
778
S. näher Kap. 4.5.2.
779
Ein Vermarktungsmodell für die Verbreitung über Kabel beschreiben Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 411;
Irion/Schirmbacher, CR 2002, 61 ff.; Wagner, Beilage MMR 2/2001, 28; s. auch Rhein, Beilage MMR
2/2001, 3, 7f.
780
S. Eberle, zitiert in: Zorn, K&R 2002, 196, 198; und Schneider, zitiert in: INFOSAT 1/2002, 10.
212
ter Zuhilfenahme von Zugangskontrollsystemen einen geeigneten Weg dar. So ließe sich das
Senderecht nach beliebigen Kriterien aufteilen und vergeben. Auch der Preis für bestimmte
Rechte könnte sich an diesen beliebigen Kriterien orientieren.
Auch im Integrationsszenario ist aus Sicht des Vielfaltsschutzes problematisch, wenn der Zugang selbst gegen Entgelt mit der Begründung verweigert wird, es lägen keine Senderechte
zur Versorgung eines Zuschauers vor. Dabei ist eine flächendeckende Verschlüsselung nicht
notwendig mit Einschränkungen des Zugangs verbunden, wie das unterschiedliche Beispiel
der Satellitenausstrahlung in Österreich und der Schweiz zeigt. In Österreich können die
Fernseh- und Radioprogramme des ORF über Satellit digital mit der d-Box empfangen werden. Außerhalb Österreichs sind Smart-Cards unter Hinweis auf die Urheberrechtslage nicht
erhältlich781. Schweizer Bürger, die außerhalb der Schweiz wohnen, können gegen eine einmalige Pauschale und eine Jahresgebühr die für den Empfang des SRG-Programms erforderlichen Smart-Cards erwerben782.
Eine andere Frage ist die nach der Vergütung des Urhebers, wenn der Anbieter von Transportkapazitäten auch Inhalte vermarktet. Hier könnte erwogen werden, bestehende Modelle
für die Weiterverbreitung im Kabel783 auf die Satellitenverbreitung zu übertragen.
7.2.1 Listenregelungen
Listenregelungen sind auch bei einer flächendeckenden Verschlüsselung der Rundfunkprogramme möglich. Werden die Programmveranstalter oder die Plattformanbieter verpflichtet,
den Zugang für bestimmte Sendungen zu gewähren, ist bei einer Verschlüsselung der Zugangs zur erforderlichen Empfangstechnologie sicherzustellen. Eine flächendeckende Verschlüsselung führt dazu, dass für alle Anbieter die gleiche Situation besteht wie für Pay-TVVeranstalter im Trendszenario. Sie müssen die Ausstrahlungen je nach Inhalt freischalten. Die
vertikale Verflechtung hat auf den Lösungsvorschlag keinen Einfluss, da nur nach dem ausgestrahlten Inhalt unterschieden wird, unabhängig von der Person des Transportanbieters. Im
Ergebnis gelten für diese Regelungsmöglichkeit die gleichen Ergebnisse wie im Trendszenario784.
7.2.2 Die Unterscheidung nach Sprachgebieten
Wie bereits ausgeführt785, stellen Sprachbarrieren ein wesentliches Kriterium für die Kundenreichweite von Rundfunkausstrahlungen dar. Werden Senderechte weiterhin nach Sprachräumen vergeben, kann durch die Verschlüsselung sichergestellt werden, dass der Empfang außerhalb bestimmter Landesgrenzen nicht möglich ist. Trotz eines großen Ausleuchtgebiets des
Satelliten könnte so ein „Overspill“ ausgeschlossen werden. Dies würde aber einen europäischen Fernsehmarkt ausschließen und könnte die Empfangsfreiheit vieler Zuschauer einschränken.
781
S. näher Kap. 2.2.1.3. Zur aktuellen Rechtslage in Österreich s. Kap. 3.4.1.2.
782
S. näher Kap. 2.2.1.3. Zur aktuellen Rechtslage in der Schweiz s. Kap. 3.4.1.1.
783
S. zu Vermarktungsmodellen beim Breitbandkabel Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 415; Irion/Schirmbacher, CR 2002, 61 ff.; Wagner, Beilage MMR 2/2001, 28; s. auch Rhein, Beilage MMR 2/2001, 3, 7f.
784
S. Kap. 7.1.2.
785
S. Kap. 7.1.3.
213
In diesem Fall würden die bereits für das Trendszenario diskutierten Probleme786 erheblich
verschärft787. Um sie zu lösen, müsste an Verpflichtungen der Programmveranstalter und
Plattformbetreiber gedacht werden, auf Antrag den grenzüberschreitenden Empfang sicher zu
stellen788. Allerdings dürfte dieses Problem durch die Möglichkeit individueller Adressierung
und Abrechnung überholt werden.
7.2.3 Die Abgeltung der Rechte entsprechend der tatsächlichen Nutzung
Bei einer flächendeckenden Verschlüsselung können die Zuschauer individuell adressiert
werden. Dadurch kann nachvollzogen werden, wie viele Zuschauer Zugang zu einem Programm haben, und sogar ermittelt werden, wie viele Zuschauer eine bestimmte Sendung tatsächlich verfolgen. Dabei ist entweder von der Möglichkeit der genauen Adressierung der
Zuschauer und Abrechnung oder von der Freischaltung eines Programms unabhängig von
dessen tatsächlicher Nutzung, zum Beispiel gegen eine Grundgebühr789, auszugehen.
Damit ist ein Verkauf der Senderechte an der Nachfrage der Zuschauer orientiert möglich.
Wenn die Sprache wichtig ist, kann gezielt auch die grenzüberschreitende Verbreitung abgerechnet werden. So könnten beispielsweise bei einer Ausstrahlung für den deutschen
Sprachraum auch die deutschen Zuschauer auf Mallorca erfasst werden. Bei der Möglichkeit
der Einzeladressierung der Zuschauer wäre es nicht einmal mehr erforderlich, die Verbreitungsbedingungen vor der Ausstrahlung exakt festzulegen. So könnte geregelt werden, dass
jeder (zahlungswillige) Interessierte sich Zugang zu jedem ausgestrahlten Satellitenprogramm
verschaffen kann. Sowohl das Ziel des europäischen Fernsehmarkts als auch das der Sicherung von grenzüberschreitender Meinungsvielfalt könnte durch solche Sende- und Abrechnungsbedingungen erreicht werden. Der Inhaber von Urheberrechten profitiert in dem Maß
von der Nutzung seines Werks, in dem die Nutzung durch den Zuschauer stattfindet.
Die Adressierung kann aber auch Anwendung auf Sendungen finden, für die die Sprachfassungen – insbesondere in englischer Sprache – europaweit interessant sind, oder für die die
Sprachfassung – insbesondere für Sportsendungen – nur eine geringe Bedeutung hat. Auch in
diesen Fällen könnte nach den erreichten Zuschauern abgerechnet werden. Ein Nachteil wäre
allerdings, dass der Rechteerwerb für häufig nachgefragte Sprachfassungen, und damit auch
der Zugang für den Zuschauer, teurer werden dürfte.
Da auch bei einem grenzüberschreitendem Empfang der Sendungen nach der tatsächlichen
Nutzung abgerechnet werden kann und dies auch für die problematischen Fällen englischer
Spielfilme und wichtiger Sportereignisse gilt, entsteht in diesem System eigentlich kein wirtschaftlicher „Overspill“. Selbst wenn die vertragliche Vergabe von Senderechten sich grundsätzlich weiterhin an Sprachfassungen orientiert, kann der grenzüberschreitende Empfang der
Sendungen – der ja auch meist nur Ausnahmen betrifft – toleriert werden. Bei einer solchen
Entwicklung besteht kein Regelungsbedarf, um den Zugang des Zuschauers und Vielfalt des
Angebots sicher zu stellen.
786
S. Kap. 7.1.3.
787
S. Mailänder, ZUM 2002, 706 ff.
788
S. hierzu Kap. 7.2.4.
789
Eine solche Grundgebühr kann auch in der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühr liegen.
214
7.2.4 Die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter Zugangspflicht
Soweit die Probleme des grenzüberschreitenden Empfangs nicht durch eine solche Regelung
und Praxis der Rechtevergabe und der Abrechnung gelöst werden, ist auf den im Trendszenario entwickelten Lösungsansatz für die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter
Zugangspflicht zurück zu greifen. Dieser ist davon unabhängig, ob die Signale verschlüsselt
oder unverschlüsselt gesendet werden. Beschränkungen bei der vertraglichen Vergabe von
Senderechten wären anhand beliebiger Kriterien möglich, beispielsweise nur für eine bestimmte Anzahl an Abonnenten, nur zur Nutzung in Krankenhäusern, nur für bestimmte
Sprachfassungen oder nach ähnlichen Eigenschaften. Welche Eigenschaften sinnvoll sind,
sollte zumindest bis auf weiteres dem Markt überlassen bleiben. Auch hier ist nicht ausgeschlossen, dass Programmveranstalter oder Plattformbetreiber mit dem Rechteinhaber vereinbaren, sich nicht europaweit um Kunden zu bemühen. Auch im Integrationsszenario ist zu
erwarten, dass sich die Preise für den Erwerb von Senderechten weitgehend nach Angebot
und Zuschauernachfrage richten und sich dadurch ein europäischer Inhaltemarkt entwickelt.
Sowohl das Ziel, einen europäischen Fernsehmarkt zu etablieren, als auch das Ziel, den Zugang zu europaweit ausgestrahlten Informationen zu gewährleisten, kann so sichergestellt
werden.
Im Ergebnis wird auch im Integrationsszenario durch die Verpflichtung, jedem an einem Programm interessierten Zuschauer Zugang zu gewähren, der Rahmen für einen europäischen
Rundfunkmarkt aufgestellt und Vielfalt gewährleistet. Der Vorschlag sorgt für Wettbewerb
zwischen den Programmveranstalter und Plattformanbietern und ist unabhängig davon, ob die
Ausstrahlungen zum Teil oder ganz verschlüsselt erfolgen.
7.2.5 Ergebnis
Durch die in diesem Szenario zu unterstellende flächendeckende Verschlüsselung der Sendesignale können die im Trendszenario erörterten Probleme verschärft oder gemindert werden,
je nach dem, ob die durch Verschlüsselung mögliche Adressierung des Zuschauers zur
Durchsetzung von Beschränkungen benutzt wird oder zu einer nutzungsbezogenen Abrechnung, die Beschränkungen für die nachfrageorientierte Entlohnung des Rechteinhabers überflüssig macht. Ob hier ein Regelungsbedarf besteht, ist abhängig von der sich herausbildenden
Vertragspraxis.
Soweit der unbeschränkte Empfang bestimmter Sendungen oder der freie grenzüberschreitende Zugang des Zuschauers zu allen ihn interessierenden Sendungen zu angemessenen Bedingungen sichergestellt werden muss, ergeben sich im Wesentlichen keine anderen Vorschläge
wie im Trendszenario. Hier wie dort ist an Listenregelungen sowie an Zugangsrechte von
Zuschauern zu denken790.
7.2.6 Auswirkungen der vertikalen Integration auf das Vergütungsmodell
Neben der Frage, wie der Zugang des Zuschauers sichergestellt werden kann, ist zu untersuchen, wie sich die vertikale Integration von Inhalte- und Transportanbietern auf die Vergütung des Urhebers auswirkt791. Dabei liegt es nahe, die Verbreitung über Satellit mit bestehenden Modellen für die Weiterverbreitung im Kabel zu vergleichen. Dort zahlt derzeit der Ka-
790
S. zu den Ergebnissen im Trendszenario Kap. 7.1.5.
791
Vgl. zu Vermarktungsmodellen beim Breitbandkabel Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 415.
215
belnetzbetreiber eine Vergütung für die Übernahme terrestrischer Signale792 in das Kabel. Die
Vergütung wird von der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) im Auftrag der Rechteinhaber eingezogen. Im Gegenzug wird
dem Kabelnetzbetreiber das Recht zur Weiterverbreitung übertragen. Satellitenbetreiber zahlen dagegen keine Vergütung793.
Urheberrechtlich relevant ist nicht der private Empfang von Sendungen794, sondern deren
Weiterverbreitung. Als Kabelweitersendung versteht die Kabel- und Satellitenrichtlinie die
zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterübertragung von drahtlos oder drahtgebunden, terrestrisch oder über Satellit gesendeten Programmen795. In ihrem Bericht über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG vom 26. Juli 2002796 diskutiert die Kommission die
Übertragung der für die Kabelweiterverbreitung geltenden Grundsätze der Verwertung auf
andere Mittel der gleichzeitigen, unveränderten und grenzüberschreitenden Weiterverbreitung. Für eine solche Übertragung spricht der Gedanke der technologischen Neutralität. Für
die Satellitenverbreitung diskutiert die Kommission den Fall, dass ein Unternehmen, das Programme über Satellit weiterverbreitet und weder das Sendeunternehmen noch der die Übertragung sichernde Satellitenbetreiber ist, bestimmte Programme in einem Paket zusammenfasst, bei einem Satellitenbetreiber die Übertragungskapazitäten anmietet und das Paket dem
Zuschauer gegen Entgelt anbietet. Dabei kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass ein
Übertragen der Grundsätze nicht sinnvoll wäre. Die Situation bei der Kabelverbreitung sei zu
unterschiedlich, insbesondere in Bezug auf die geografische Reichweite.
Darüber hinaus stelle ein solches Vorgehen eine zu große Einschränkung der Rechteinhaber
dar, die dann zwar von der Vergütung profitierten, über eine Weiterverbreitung aber nicht
mehr entscheiden könnten. Dem Bericht ist insoweit zu folgen, als das Modell der zeitgleichen Weiterverbreitung nur schwer auf eine Weiterverbreitung über Satellit zu übertragen ist.
Es wäre auch nicht sinnvoll, vielmehr hat der Anbieter das Senderecht für seine Ausstrahlung
gegebenenfalls erneut zu erwerben. Eine Übertragung der Grundsätze ist somit nicht zu befürworten.
7.3
Dienstleistungsszenario
Das „Dienstleistungsszenario“797 beschreibt die Entwicklung zu einer Modularisierung der
Arbeitsschritte für die Produktion, Verbreitung und Abrechnung von Programmen. In dieses
Szenario passt das Auftreten neutraler, unabhängiger Plattformen, die wesentliche Arbeitsschritte übernehmen oder vermitteln und dadurch die Zugangshürden für Anbieter von Inhal-
792
Nur über Satelliten abgreifbare Programme sind nicht erfasst, Hillig, Beilage MMR 2/2001, 34, 39.
793
Hein/Schmidt, K&R 2002, 409, 410f.; Hillig, Beilage MMR 2/2001, 34, 35f.; es bestehen Verträge, siehe
dazu den Kabelglobalvertrag von 1991 zwischen Programmveranstaltern, Verwertungsgesellschaften und
Deutsche Bundespost Telekom, den die Telekom jedoch mit Wirkung zum 31.12.2002 kündigte, und den
ANGA-Vertrag von 1999 zwischen Programmveranstaltern, Verwertungsgesellschaften und der ANGA
(Verband Privater Kabelnetzbetreiber). Zu Verteileranlagen bzw. Gemeinschaftsantennen Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 412; Hillig, Beilage MMR 2/2001, 34 ff.; Charissé, K&R 2002, 164, 168.
794
Hillig, Beilage MMR 2/2001, 34.
795
Kabel- und Satellitenrichtlinie Art. 1 Abs. 3, umgesetzt in § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG.
796
Bericht der Europäischen Kommission über die Anwendung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk
und Kabelweiterverbreitung, KOM(2002) 430 endgültig, vom 26.7.2002.
797
S. zu diesem näher Kap. 4.5.3.
216
ten bei der digitalen Verbreitung von Satellitenrundfunk niedrig halten. Die Plattformen bieten außerdem neutrale Abrechnungsverfahren an, die zentral mit dem Zuschauer abrechnen
und die Einkünfte an die Programmanbieter verteilen. Die Plattformen bieten für die Zugangskontrolle und die Abrechnung Verschlüsselungsverfahren an. Mit deren Hilfe kann der
Zuschauer genau adressiert werden. Dadurch ist auch eine nutzungsabhängige Abrechnung
möglich.
Senderechte muss der Programmveranstalter auch in diesem Szenario erwerben. Ob er für den
Transport zum Zuschauer den Weg einer abhängigen oder unabhängigen Plattform nutzt,
spielt für den Rechteerwerb als solchen keine Rolle. Insoweit ist auf die Ausführungen zum
Trendszenario zu verweisen. Allerdings könnte sich die Rechteverwaltung für die Programmveranstalter als eigene oder als eine von einer Plattform erbrachte Dienstleistung etablieren.
Hierfür ist zu untersuchen, ob sich für die Dienstleistungen neue urheberrechtliche Probleme
auftun.
7.3.1 Listenregelungen
Listenregelungen sind auch bei einer flächendeckenden Verschlüsselung der Rundfunkprogramme möglich. Werden die Programmveranstalter oder die Plattformanbieter verpflichtet,
den Zugang für bestimmte Sendungen zu gewähren, ist bei einer Verschlüsselung der Zugangs zur erforderlichen Empfangstechnologie sicherzustellen. Im Ergebnis gelten für diese
Regelungsmöglichkeit die gleichen Ergebnisse wie im Trendszenario798.
7.3.2 Die Unterscheidung nach Sprachgebieten
Sollten auch in diesem Szenario Senderechte nach Sprachräumen vergeben werden, kann
durch die Verschlüsselung der Empfang außerhalb bestimmter Territorien verhindert werden.
Die Verbreitung von Rundfunk durch Satelliten kann dadurch ebenso gezielt erfolgen wie bei
der Verbreitung durch Kabel. Allerdings würde dies einen europäischen Fernsehmarkt ausschließen und könnte die Empfangsfreiheit vieler Zuschauer einschränken.
In diesem Fall würden wie im Integrationsszenario799 die bereits für das Trendszenario diskutierten Probleme800 erheblich verschärft801. Deren Lösung liegt entweder in einer veränderten
Vertragspraxis oder erfordert Verpflichtungen der Programmveranstalter und Plattformbetreiber, auf Antrag den grenzüberschreitenden Empfang sicher zu stellen802.
7.3.3 Die Abgeltung der Rechte entsprechend der tatsächlichen Nutzung
Die Beschränkungen für grenzüberschreitendes Fernsehen könnten in diesem Szenario –
ebenso wie im Integrationsszenario803 – vermieden werden, wenn die Möglichkeit, die Zuschauer individuell zu adressieren, für die Abrechnung genutzt und der Rechtevergabe zu
Grunde gelegt wird. Dabei könnte der Verkauf der Senderechte entweder weiterhin für bestimmte Sprachräume oder Staaten erfolgen – etwa um die Rechte territorial gestückelt mehr-
798
S. Kap. 7.1.2.
799
S. Kap. 7.2.2.
800
S. Kap. 7.1.3.
801
S. Mailänder, ZUM 2002, 706 ff.
802
S. hierzu Kap. 7.2.4 und 7.1.4.
803
S. Kap. 7.2.3.
217
fach verkaufen zu können –, allerdings könnten Nachfragen aus dem Ausland zugelassen und
entsprechend abgerechnet werden. Oder der Verkauf könnte ohne Beschränkungen rein nachfrageorientiert erfolgen. Abgerechnet werden die erreichten Zuschauer. Bei solchen Vertragsbedingungen könnten das Ziel des europäischen Fernsehmarkts und der Sicherung grenzüberschreitender Meinungsvielfalt erreicht werden. Regelungsbedarf bestünde keiner.
7.3.4 Die frei beschränkbare Rechtevergabe bei europaweiter Zugangspflicht
Die für das Trendszenario vorgeschlagene Lösung804, nach der Programmveranstalter und
Plattformanbieter sicherzustellen haben, dass allen EU-Bürgern auf Anfrage Zugang bezüglich der erforderlichen technischen Geräte und Abrechnungssysteme gewährt wird, führt auch
unter den Bedingungen des Dienstleistungsszenarios zu befriedigenden Ergebnissen. Der Programmveranstalter muss Senderechte auch in diesem Szenario erwerben, ob er für den Transport zum Zuschauer den Weg einer abhängigen oder unabhängigen Plattform nutzt, spielt für
den Rechteerwerb keine Rolle.
7.3.5 Urheberrechtsprobleme durch Modularisierung von Produktion und Vertrieb?
Fraglich ist jedoch, ob durch die Entwicklung neuer Dienstleistungen neue urheberrechtliche
Probleme für die Senderechte entstehen. Solche Dienstleistungen könnten etwa in der Digitalisierung von Signalen, dem Multiplexing, der Paketierung oder der Zugangssicherung liegen805. Es ist jedoch davon auszugehen, dass mit dem Erwerb von Senderechten das Recht
zum Erfüllen aller technischen Vorbedingungen, wie zum Beispiel die Umwandlung von Signalen, umfasst ist806. Für eine Paketierung und Vermarktung von Programmen sind die gleichen Überlegungen wie für das Integrationsszenario807 anzustellen. Danach hat ein Anbieter
die Senderechte für seine Ausstrahlungen (gegebenenfalls erneut) zu erwerben. Im Ergebnis
ist festzuhalten, dass die Entwicklung neutraler, unabhängiger Plattformen mit Abrechnungsmöglichkeiten keinen urheberrechtlichen Regelungsbedarf verursacht.
7.4
Rechtsetzungskompetenz und Regelungsform
Für die erörterten Regelungen bietet sich auf Gemeinschaftsebene die Regelungsform der
Richtlinie an. Eine Regelung im Bereich des Urheberrechts stößt jedoch auf das Problem,
dass die Europäische Gemeinschaft hierfür keine eigene Rechtsetzungskompetenz hat. Nicht
nur benötigt die Gemeinschaft zur Regelung einer spezifischen Ermächtigung, sie muss außerdem noch die Vorschrift des Art. 295 EGV beachten, nach der die Eigentumsordnung in
den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt bleiben muss. Zur Eigentumsordnung gehört
auch die Anerkennung und der Schutz des Urheberrechts808.
Diese Regelung schließt allerdings nicht aus, dass die Ausübung des Urheberrechts vom Gemeinschaftsrecht ausgestaltet wird, wenn sich dies zur Verfolgung im EGV vorgesehener Re-
804
S. Kap. 7.1.4.
805
Zur Zugangssicherung bei digitaler TV-Übertragung Holznagel/Daufelt, CR 1998, 151. Zur Problematik
bei der Kabelverbreitung Charissé, K&R 2002, 164, 167.
806
S. Castendyk, Das Urheberrecht und sein Einfluss auf die Gestaltung der digitalen Satellitenübertragung,
LfM (Hrsg.), 4. Medienrechtskolloquium, Berlin 2003, i.E.
807
S. Kap. 7.2.6.
808
Zur Kompetenz der Gemeinschaft im Bereich der Medienpolitik Schwarze, MMR 2000, 779, 798 ff.
218
gelungsziele als erforderlich erweist809. Solche Ausübungsregelungen wurden in der Vergangenheit etwa zur Angleichung von Rechtsvorschriften zur Erreichung des von Art. 14 EGV
vorgegebenen Binnenmarkts erlassen. Sowohl die Fernseh- als auch die Kabel- und Satellitenrichtlinie ergingen aufgrund der Art. 47 Abs. 2 und 55 EGV810 zur Gewährleistung eines freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft. Die Richtlinien 93/98/EWG811 und
92/100/EWG812 ziehen ebenfalls diese Vorschriften heran und stützen sich zusätzlich auf Art.
95 EGV813.
Soweit die Gemeinschaft nicht den Inhalt von Urheberrechten, sondern nur die Regelungen zu
deren Ausübung in einer Richtlinie harmonisiert, könnte dies mit den Kompetenzen zur Angleichung der Rechtsvorschriften zur Erreichung eines Binnenmarkts begründet werden. Der
materielle Gehalt des national gewährten Urheberrechts bliebe unangetastet, die Ausübung
wäre jedoch an harmonisierte Voraussetzungen gebunden. Die diskutierten Regelungsvorschläge könnten mittels einer Richtlinie umgesetzt werden814.
7.5
Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Lösung mit Rechtspositionen der Urheber und
Lizenznehmer
Die hier neu vorgeschlagene Lösung einer Verpflichtung der Programmveranstalter und Plattformanbieter, jedem an einem Programm interessierten Zuschauer auf Anfrage Zugang zu
gewähren815, ist auf ihre Vereinbarkeit mit Rechtspositionen der Urheber und Lizenznehmer
zu überprüfen. Dabei gilt der Vorrang des Gemeinschaftsrechts, der auch für den Grundrechtsschutz Gültigkeit hat. Das BVerfG sah zwar im so genannten Maastricht-Urteil vom 12.
Oktober 1993816 seinen Aufgabenbereich auch für Akte einer supranationalen Organisation
809
Der EuGH hat die Ausübung von Urheberrechten mehrfach an Vorschriften des EGV gemessen – s. z.B.
EuGH, Rs. 62/79, Slg. 1980, 881 – Coditel I; EuGH, Rs. 262/81, Slg. 1982, 3381 – Coditel II; EuGH, C241/91, Slg. 1995, I-743 – Magill, Nr. 25 ff.
810
Art. 57 Abs. 2, 66 EGV a.F., entspricht Art. 47 Abs. 2, 55 EGV n.F.
811
Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter
verwandter Schutzrechte vom 29.10.1993, ABl. Nr. L 290/9 vom 24.11.1993, in der Fassung der Änderung
durch die Richtlinie 2001/29/EG vom 22.5.2001, ABl. Nr. L 167/10, 22.6.2001.
812
Richtlinie 92/100/EWG des Rates zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vom 19.11.1992, ABl. L 346/61 vom
27.11.1992.
813
Art. 100a EGV a.F., entspricht Art. 95 EGV n.F.; in Erwägungsgrund Nr. 2 der Richtlinie 93/98/EWG heißt
es: „Diese Rechtslage ... (führt) dazu, daß die geltenden einzelstaatlichen Vorschriften ... Unterschiede
aufweisen, die den freien Warenverkehr sowie den freien Dienstleistungsverkehr behindern und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälschen können. Es ist daher im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu
harmonisieren ...“.
814
Dies gilt nicht, wenn die Regelungen allein damit begründet würden, sie sollten die Meinungsvielfalt in
Europa schützen. Ress/Bröhmer, Europäische Gemeinschaft, S. 15; Palzer/Hilger, IRIS plus 2001-2: 7;
Grünbuch der Kommission „Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt – Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion“ vom 23.12.1992, KOM (92) 480 endg., S. 57. Eine andere Tendenz
wird jedoch deutlich in der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 14.12.1999, „Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter“, KOM (1999) 657, abrufbar unter
http://europa.eu.int/comm/avpolicy/legis/key_doc/legispdffiles/av_de.pdf, abgerufen am 15.11.2002.
815
S. Kap. 7.1.4, 7.2.4 und 7.3.4.
816
BVerfGE 89, 155.
219
eröffnet, bezeichnete sein Verhältnis zur Rechtsprechung des EuGH in Grundrechtsfragen
jedoch als „Kooperationsverhältnis“. Der EuGH garantiert den Grundrechtsschutz im Einzelfall und das BVerfG beschränkt sich auf dessen generelle Gewährleistung817. Darüber hinaus
hob der EuGH die ausschließliche Geltung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte für
Akte der Gemeinschaftsorgane hervor818. Damit ist die vorgeschlagene Regelung in Form einer Richtlinie nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen. Das Gemeinschaftsrecht gewährleistet
die Grundrechte in dem Maß, wie es den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten entspricht819.
7.5.1 Eigentum
Das Urheberrecht ist in seinem vermögensrechtlichen Aspekt durch das Grundrecht auf Eigentum geschützt. Gleiches gilt für exklusive Senderechte, auf die kein Urheberrecht anwendbar ist (wie z.B. Übertragungsrechte für Sportereignisse)820. Auf der Ebene der Gemeinschaft ist das Eigentumsrecht im Rahmen der Rechtsprechung des EuGH als gemeinschaftsrechtliches Grundrecht anerkannt821. Die Grundrechte gehören zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die vom EuGH zu wahren sind822. In der Grundrechtecharta von Nizza wird das
Eigentumsrecht in Art. 17 geschützt, das geistige Eigentum explizit in dessen Abs. 2823.
Die vorgeschlagene Regelung greift strenggenommen nicht auf die Weise in das Grundrecht
ein, dass eine exklusive territoriale Rechtevergabe vertraglich nicht mehr möglich wäre. Aufgrund der Verpflichtung zur Zugangsgewährung würde jedoch auf eine Zuschaueranfrage hin
eine gesetzliche Ausnahme eingreifen, die trotz gegenteiliger Absprache den Zugang des
nicht erfassten EU-Bürgers ermöglicht. Mit der Zahl praktizierter Ausnahmen sinkt das Interesse anderer Veranstalter mit ähnlichem Kundenpotenzial, gleiche Rechte zu erwerben. Solche Eingriffe in die Verwertbarkeit eines Urheberrechts stellen Eingriffe in das Eigentumsrecht dar.
Die europarechtliche Eigentumsgewährleistung steht unter einem vergleichbaren Vorbehalt
wie Art. 14 GG. Die Beschränkung des Eigentumsrechts zugunsten des Allgemeinwohls ist
daher auch im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechts auf Eigentum möglich824.
Beschränkungen müssen den Zielen der Gemeinschaft entsprechen und verhältnismäßig
sein825. Als ein die Beschränkung rechtfertigendes Ziel der Gemeinschaft kommt die Schaffung eines gemeinschaftsweiten Binnenmarktes in Betracht. Nach Art. 14 Abs. 2 EGV ist
davon der freie Verkehr von Dienstleistungen umfasst. Auch das Erbringen von Rundfunk-
817
BVerfGE 89, 155, 175.
818
EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125 – Internationale Handelsgesellschaft.
819
S. näher Kap. 3.1.
820
Stettner, ZUM 2002, 627; ders., Rechtsfragen § 5a Rundfunkstaatsvertrag, Kap. II 1.2; s. auch BVerfGE
97, 228, 265 zum Recht auf Kurzberichterstattung.
821
EuGH Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 – Hauer.
822
EuGH, Rs. 29/69, Slg. 1969, 419 – Stauder; EuGH, Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125 – Internationale Handelsgesellschaft; Maunz/Dürig-Papier, GG Art. 14, Rn. 284f.; Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 30 ff.
823
Das deutsche Verfassungsrecht schützt das Urheberrecht hinsichtlich seiner vermögenswerten Elemente in
Art. 14 GG- s. z.B. Maunz/Dürig-Papier, GG Art. 14, Rn. 195.
824
Maunz/Dürig-Papier, GG Art. 14, Rn. 285; s. dazu auch Hesse, ZUM 2002, 692, 696.
825
Maunz/Dürig-Papier, GG Art. 14, Rn. 284; für die Grundrechtecharta von Nizza legt dies Art. 52 der
Charta allgemein für alle Grundrechte fest.
220
diensten ist eine Dienstleistung im Sinn des EGV826. Die vorgeschlagene Regelung verfolgt
somit Ziele der Gemeinschaft. Weiter ist zu prüfen, ob die Beschränkung des Urhebers im
Hinblick auf den verfolgten Zweck den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Die Regelung ist geeignet, einen Binnenmarkt für Rundfunkdienstleistungen zu erreichen, zumindest
zu fördern. Sie ist auch erforderlich, weil sie bei einer vertraglichen Beschränkung einer europaweiten Ausstrahlung das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe ist. Sie ist auch objektiv
zumutbar, weil sie die Betroffenen nur gering belastet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
nur Bürgern Zugang gewährt werden muss, die sich im Ausstrahlungsbereich befinden und
den Zugang ausdrücklich nachfragen. Hinzu kommt, dass dem Urheber die Möglichkeiten der
Verwertung nicht genommen werden. Die Vergabe von Senderechten ist nach beliebigen
Kriterien möglich. Demnach verstößt die vorgeschlagene Regelung nicht gegen das Grundrecht auf Eigentum.
7.5.2 Berufsfreiheit
Die neu erörterte Lösung muss auch mit der auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage gewährleisteten Berufsfreiheit827 vereinbar sein. In der Grundrechtecharta wird die Berufsfreiheit in
Art. 15, die unternehmerische Freiheit in Art. 16 geschützt. Von der Berufsfreiheit sind sowohl die Wahl als auch die Ausübung eines Berufs umfasst. Anspruchsberechtigt sind die
Urheber, die Rundfunkveranstalter und die Rechtehändler828. Eine Regelung, die die Programmveranstalter dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass allen EU-Bürgern Zugang zu ausgestrahlten Inhalten gewährt wird, hat unmittelbar Einfluss auf die Berufsausübung. Die Berufsfreiheit ist damit von der vorgeschlagenen Regelung betroffen.
Aber auch im Gemeinschaftsrecht kann die Berufsfreiheit beschränkt werden829. Beschränkungen müssen nach der Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die soziale Funktion und
Bedeutung der geschützten Rechtsgüter und Tätigkeiten gesehen werden830. Während Beschränkungen der Berufswahl strengeren Anforderungen unterliegen, sind Beschränkungen
der Berufsausübung leichter möglich. Ihre Ziele müssen dem Gemeinwohl dienen und dürfen
keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Situation Einzelner darstellen831. Dagegen kann
die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung durch einfache Allgemeinwohlüberlegungen beschränkt werden832.
Als ein die Beschränkung rechtfertigendes Ziel der Gemeinschaft kommt auch hier die Schaffung eines gemeinschaftsweiten Binnenmarktes in Betracht. Für die Verhältnismäßigkeit gelten die gleichen Überlegungen wie bei der Prüfung am Maßstab des Eigentumsschutzes. Danach ist eine solche Regelung geeignet und erforderlich. Für den Fall, dass sehr viele Zuschauer solche Nachfragen aus dem Ausland an Programmveranstalter richten, kann dies mit
erhöhtem Verwaltungsaufwand verbunden sein. Ob es zu einer solchen Nachfrage kommt,
hängt jedoch entscheidend vom Programmangebot für den Zuschauer ab, so dass die Ent-
826
EuGH, Rs. 52/79, Slg. 1974, 409 – Debauve; Lenz-Scheuer, Anh. zu Art. 43-55, Rn. 17 m.w.N.
827
Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 46.
828
Geht es um die Übertragungsrechte von Veranstaltungen, ist auch der Veranstalter geschützt, Stettner,
ZUM 2002, 627, 630.
829
Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 36f., 46; für die Grundrechtecharta von Nizza legt dies Art. 52 der Charta
allgemein für alle Grundrechte fest.
830
EuGH, C-44/94, Slg. 1995, I-3115 – The Queen/Minister of Agriculture u.a.
831
EuGH, C-306/93, Slg. 1994, I-5555 – Winzersekt.
832
Lenz-Borchardt, Art. 220, Rn. 47.
221
wicklung zu einem großen Teil durch die Programmveranstalter beeinflusst werden kann.
Darüber hinaus bilden Sprachbarrieren eine natürliche Grenze der Nachfrage. Zudem ist
denkbar, die zusätzliche Nachfrage, etwa beim Versand von Smart-Cards, durch die bereits
bestehende Infrastruktur abzudecken. Insoweit ist die Verpflichtung zur Zugangsgewährung
auf Nachfrage auch objektiv zumutbar und die Regelung insgesamt eine verhältnismäßige
Beschränkung der Berufsfreiheit.
7.5.3 Ergebnis
Die Regelung, nach der Programmveranstalter und Plattformanbieter verpflichtet werden sollen, jedem interessierten Zuschauer unabhängig von seinem Wohnsitz auf Anfrage Zugang zu
gewähren, greift in den Schutzbereich der Eigentums- und Berufsfreiheit ein, der Eingriff
kann jedoch gerechtfertigt werden. Somit stehen Grundrechtspositionen dem Lösungsvorschlag nicht entgegen.
7.6
Die Verortung im internationalen Urheberrecht
Aus technischen Gründen gibt es keine Satelliten mit weltweitem Ausstrahlungsgebiet. Die
Footprints sind also naturgemäß regional aufgeteilt. Lediglich über eine Vernetzung von Satelliten ist eine weltweite Ausstrahlung möglich. Dennoch stellt sich gleich zu Beginn einer
Überlegung nach einer internationalen Regelung die Frage nach deren Notwendigkeit. Voraussetzung einer weltweiten Vorschrift wäre darüber hinaus eine weltweit gleich gelagerte
Ausgangssituation.
Demnach sind einzelne Ausstrahlungsgebiete zu betrachten, hier interessiert das europäische.
Die angestellten Überlegungen für Regelungen in EG-Richtlinien zur Umsetzung in nationales Urheberrecht lassen sich durchaus auf das internationale europäische Urheberrecht übertragen. Eine Aufnahme einer Zugangsregelung833 in internationale Bestimmungen ist denkbar.
Soweit es sich um völkerrechtliche Verträge handelt, deren Änderung der Ratifizierung aller
Unterzeichnerstaaten bedarf, ist ein solches Ziel naturgemäß jedoch schwer zu verwirklichen.
Dies gilt um so mehr, als auf internationaler Ebene unterschiedliche Auffassungen zum Urheberrecht herrschen. Unterschiede etwa in der kontinentaleuropäischen und angloamerikanischen Rechtsauffassung zeigen sich schon in der grundsätzlichen Konzeption des Urheberrechts. Diese stellen entweder die Person des Urhebers oder die Belohnung von Investitionen
in den Vordergrund. Die Unterschiede setzen sich in zahlreichen Details fort834.
Da es sich nicht um ein das gesamte Spektrum des Urheberrechts, sondern nur um ein den
Rundfunk betreffendes Problem handelt, böten sich auf außergemeinschaftlicher, aber europäischer Ebene als Regelungsinstrument nicht die urheberrechtlichen Verträge wie zum Beispiel die RBÜ, sondern das Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen835 oder
die Europäische Konvention über urheber- und leistungsschutzrechtliche Fragen im Bereich
des grenzüberschreitenden Satellitenrundfunks836 an. Die erörterten Lösungen haben auch für
diesen Fall Gültigkeit.
833
Wie sie in Kap. 7.1.4, 7.2.4 und 7.3.4 diskutiert wurde.
834
Schack, Urhebervertragsrecht, Rn. 24 ff.
835
Europäisches Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen vom 5.5.1989, BGBl. 1994 II, 639.
836
Europäische Konvention über urheber- u. leistungsschutzrechtliche Fragen im Bereich des grenzüberschreitenden Satellitenrundfunks vom 16.2.1994, noch nicht in Kraft.
222
7.7
Zusammenfassung
Die Ziele des Zugangs der Zuschauer zu allen Satellitenprogrammen, eines europäischen
Fernsehmarktes und der Teilhabe der Bürger an TV-Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung werden durch die derzeit gängige Vertragspraxis der territorialen Vergabe
von Senderechten zumindest teilweise stark relativiert. Dies gilt insbesondere wegen der Verschlüsselung von Ausstrahlungen und der Weigerung, Zuschauern Zugang zu gewähren,
selbst wenn sie zur Zahlung von Pay-TV-Entgelten bereit sind. Die Gewährleistung der genannten Ziele ließe sich nur dann vollumfänglich verwirklichen, wenn die freie Vergabe von
Senderechten und/oder die unbeschränkte Ausübung des Senderechts durch die Programmveranstalter beschnitten werden könnten.
Es bieten sich aber verschiedene Lösungswege an, die in unterschiedlichem Maß geeignet
sind, Zugang der Zuschauer und einen europäischen Rundfunkmarkt zu gewährleisten. Die
Diskussion der einzelnen Lösungsansätze hat gezeigt, dass eine Regelung, die sich an Programmveranstalter und Plattformanbieter richtet, einer Änderung der Verwertungsrechte in
den Urhebergesetzen vorzuziehen ist. Es wurde deutlich, dass eine Verpflichtung, jedem interessierten Zuschauer auf dessen Anfrage Zugang zu gewähren, die gesteckten Ziele am ehesten erreicht und am wenigsten in die Rechte der Urheber eingreift. Auch in die unternehmerische Freiheit von Programmveranstaltern und Plattformanbietern würde nicht unverhältnismäßig eingegriffen, da sie ihr Angebot nicht auf einen europäischen Markt zuzuschneiden
hätten, sondern lediglich Zugangsmöglichkeiten auf Anfrage bereitstellen müssten. Ein Zugangsrecht für den Zuschauer ist dabei nicht mit Kostenfreiheit verbunden. Im Übrigen bleibt
die Vertragsfreiheit aller Beteiligten gewahrt, auch bezüglich der (auch territorialen837) Begrenzung von Senderechten.
Auf Gemeinschaftsebene kommt für eine Verpflichtung der Programmveranstalter und Plattformanbieter auf Gewährung von Zugang zu den von ihnen angebotenen Inhalten die Regelungsform der Richtlinie in Betracht. Soweit nicht der Inhalt des Urheberrechts, sondern seine
Ausübung im Binnenmarkt geregelt wird, kann eine solche Richtlinie auf Art. 95 EGV gestützt werden. Außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist die Aufnahme von Zugangsregelungen in internationale Bestimmungen denkbar.
837
Eine exklusive territoriale Vergabe von Senderechten wäre nicht mehr möglich.
223
8.
Handlungsempfehlungen
Die aktuelle Situation im Bereich des digitalen Satellitenempfangs ist geprägt von abwartender Zurückhaltung in der Entwicklung neuer Märkte. Dazu trägt die insgesamt schwache
konjunkturelle Lage bei. Dies bietet Gelegenheit, medienpolitische Aktivitäten außerhalb eines akuten Handlungsbedarfs an dem Ziel auszurichten, den weiteren Weg in die Digitalisierung vielfaltsorientiert und unter Beachtung einer ausgewogenen Marktentwicklung zu gestalten. Dabei ist einerseits zu erwarten, dass mit einer Belebung der Konjunktur, einer Klärung des weiteren Schicksals der Breitbandkabelnetze und des politisch angestrebten Umstiegs von der analogen in die digitale Rundfunkwelt auch der Sektor der digitalen Satellitenverbreitung sich zunehmend dynamisch entwickeln wird. Andererseits sind Richtung und Intensität der Entwicklung nur bedingt vorauszusehen, so dass jedenfalls Regelungen auch für
solche Szenarien in den Blick genommen werden müssen, die sich vom bisherigen Trend unterscheiden. Dass auch eine als relativ stabil eingeschätzte Tendenz raschen und deutlichen
Änderungen unterworfen sein kann, die zudem von nicht unerheblichen Fehleinschätzungen
der Marktentwicklung begleitet sein kann, zeigen die Befürchtungen im Zusammenhang mit
dem Verkauf der Breitbandkabelnetze, die permanenten Anpassungen unterworfenen Strategien der neuen Netzbetreiber oder auch die Veränderung der Kräfteverhältnisse im deutschen
Medienmarkt durch die Schwäche einer der beiden großen deutschen Unternehmensgruppen,
auf deren langfristige Existenz zumindest einige medienpolitischen Entscheidungen gegründet
waren.
Für die Positionen und Strategien der Landesmedienanstalten ergeben sich aus der Untersuchung der aktuellen Lage des deutschen und internationalen Satellitenrundfunks Handlungsempfehlungen, deren Umsetzung unabhängig von der konkreten Entwicklung des Satellitenrundfunks und ihrer Dynamik ist. Daneben sind Regulierungsoptionen verfügbar, die hinsichtlich ihrer Umsetzung und Intensität von der Einschätzung abhängig sind, ob und inwieweit ein Szenario Realität wird, in dem starke Medienunternehmen auch im Bereich des Satellitenrundfunks nicht nur die Inhalte, sondern auch die Transportkapazitäten und Netze beherrschen.
1. Empfehlung: Sorgfältige Beobachtung des Markts für Satellitenrundfunk
Angesichts der hohen Bedeutung der Satellitenübertragung in Deutschland, der offenen Entwicklungsperspektiven im Bereich des Satellitenrundfunks, möglichen Veränderungen in der
Eigentümerstruktur von Satellitenbetreibern und ersten Ansätzen der Satellitenbetreiber, neue
Geschäftsmodelle über das Angebot von Kapazitäten hinaus zu etablieren, bedarf die Satellitenverbreitung von Rundfunk in der deutschen Medienpolitik verstärkter Aufmerksamkeit.
Politische Positionen dürfen sich nicht allein auf Breitbandkabelnetze erstrecken, sondern
müssen das Potenzial, das die digitale Verbreitung von meinungsrelevanten Inhalten via Satellit in Deutschland hat, im Blick behalten.
Für die Politik der Landesmedienanstalten bedeutet dies zunächst, politische Positionen auch
an der Wirkung auf die Satellitenverbreitung zu messen. Hierzu sollten die Entwicklungen im
europäischen Satellitenmarkt sorgfältig beobachtet und analysiert werden; Satellitenbetreiber
sollten in grundlegende Entscheidungsprozesse ebenso eingebunden werden wie Kabelnetzbetreiber.
2. Empfehlung: Werbung für die deutsche Medienpolitik in Europa
Wesentliche Entwicklungen auch für den deutschen Markt digitalen Fernsehens erfolgen auf
europäischer Ebene. Die Erörterung zukünftiger Entwicklungen der digitalen Satellitenverbreitung, grundsätzliche Fragen des Zugangs und die Notwendigkeit, medienpolitische
Aspekte in ein grundsätzlich wirtschaftspolitisch geprägtes Umfeld einzubringen, erfordern
eine hohe Präsenz der Vertreter der Mitgliedstaaten und die deutliche Artikulation der spezifischen Gegebenheiten und medienpolitischen Ziele der einzelnen Mitgliedsstaaten. Nicht zuletzt im Sinn föderaler Strukturen bedarf dabei die Darstellung von Positionen, die sich aus
der kulturbezogenen Vielfaltsorientierung der deutschen Medienpolitik ergeben, besonderer
Beachtung.
In diesem Sinn sollten die Landesmedienanstalten – ähnlich wie die Regulierungsbehörden
anderer Mitgliedstaaten – stärker strukturell in europäische Diskussions-, Entscheidungs- und
Evaluierungsprozesse eingebunden werden. Hierzu gehört einerseits die Stärkung ihrer Präsenz innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und andererseits eine frühzeitige, interne medienpolitische Positionierung.
3. Empfehlung: Förderung offener Standards
Unabhängig von der konkreten Entwicklung des europäischen Satellitenmarkts sollten die
Bemühungen, ein hohes Maß an offenen Standards im gesamten Bereich der digitalen Distribution zu erreichen, fortgesetzt und intensiviert werden. Dazu gehören neben der weiteren
Entwicklung des MHP-Standards und der Durchsetzung von Common-Interfaces auch Bemühungen, Zugangsberechtigungssysteme zu standardisieren. Da die für die Entwicklung des
Markts sinnvolle Forderung nach einer vollständigen, europaweiten Standardisierung von
Zugangsberechtigungssystemen derzeit keine Aussicht auf Realisierung hat, muss zumindest
eine Lösung propagiert werden, die bei einem Wechsel des Anbieters von Zugangsberechtigungssystemen keine neue Hardware erfordert, sondern den Austausch der Smart-Card genügen lässt. Sind auf einem einheitlichen Markt unterschiedliche Verschlüsselungssysteme vertreten, muss ein obligatorisches Multicrypt-Verfahren den gleichzeitigen Zugang aller Zuschauer zum jeweils anderen Anbieter ermöglichen.
4. Empfehlung: Must-Carry-Regelungen für Plattformanbieter
Bereits heute können in Deutschland die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden,
auch für Satellitenplattformen mit signifikanter Marktstärke grundsätzlich Must-Carry-Rules
vorzusehen. Dazu könnten Satellitenplattformen in § 52 RStV dergestalt integriert werden,
dass zum Beispiel ein relativ geringer prozentualer Anteil der in einem Basispaket verbreiteten Programme – begrenzt auf eine absolute Höchstzahl von Programmplätzen – unabhängigen Dritten vorbehalten bleiben muss. Nach dem Vorbild der Regelungen für Kabelkapazitäten können in diesem Rahmen besondere Vielfaltsanforderungen definiert werden, deren
Nichterfüllung eine Erhöhung der genannten Obergrenze zur Folge hätte. Mit einer derartigen
Regelung könnten Mindestanforderungen an die Vielfalt in über Satellit verbreiteten Programmpaketen gewährleistet werden.
5. Empfehlung: Vielfaltschutz in Europa
Entsprechende Vielfaltsregelungen sollten für solche Programmpakete, die über Satellit in
mehreren europäischen Staaten angeboten werden und zumindest in einem der Staaten eine
signifikante Marktstärke haben, auf europäischer Ebene verankert werden. Dabei wäre eine
225
pauschale, auf die Größe der Märkte angepasste Überlassung von Kapazitäten an unabhängige
Dritte und/oder öffentlich-rechtliche Programme am ehesten handhabbar. Ergänzend bietet
sich an, auf europäischer Ebene die Verflechtung von Netzbetreibern und Inhalteanbietern auf
allenfalls geringe Anteile zu begrenzen.
6. Empfehlung: Förderung neutraler Distributionsdienstleistungen
Zur Förderung eines zugangsoffenen und vielfaltsorientierten digitalen Angebots sollte die
Entwicklung eines neutralen Markts an Distributionsdienstleistungen angeregt werden. Die
Verfügbarkeit neutraler Plattformen erleichtert den Markteintritt unabhängiger Anbieter und
reduziert die Gefahr meinungsrelevanter Beherrschung einer Distributionskette.
Die Landesmedienanstalten können als Moderatoren in einem auf die mittelfristige Entwicklung solcher Plattformen ausgerichteten Dialog mit allen Beteiligten, insbesondere aber mit
Satellitenbetreibern, den Anbietern von Zugangsberechtigungssystemen und den Herstellern
von Endgeräten, die Voraussetzungen des Entstehens neutraler Plattformen erörtern und entwickeln. Die Anbieter von bestehenden Abrechnungssystemen anderer Branchen, etwa aus
dem Bereich der Energiewirtschaft oder der Telekommunikation, können zu einer Teilnahme
eingeladen werden.
Ergänzend kann durch regulatorische Anreize, zum Beispiel durch den Verzicht auf MustCarry-Regeln beim Einsatz neutraler Dienstleister, die Entwicklung unabhängiger Plattformen
zusätzlich angeregt werden.
7. Empfehlung: Sicherstellung der Verbreitung bestimmter Inhalte
Zur Befriedigung der Grundversorgung mit Sendungen über Ereignisse von erheblicher Bedeutung für die europäische(n) Gesellschaft(en), zur Herstellung eines einheitlichen europäischen audiovisuellen Raums und damit zur Beförderung der gesellschaftlichen Meinungsbildung über nationale Grenzen hinweg, sollte sichergestellt sein, dass bestimmte Inhalte möglichst breit in Europa zugänglich werden.
Welche Inhalte von einer solchen Regelung erfasst werden sollten, bedarf einer sorgfältigen
politischen Diskussion, die auf die Sicherstellung des Zugangs zu Berichten, die für das nationale und für das europäische Publikum relevant sind, zielen sollte. Bei der Überprüfung der
bestehenden Listenregelungen sollte erwogen werden, diese um europäische Ereignisse anzureichern, die für die politische Willensbildung in Euopa und die kulturelle europäische Integration von großer Bedeutung sind. Bei der Ausgestaltung der entsprechenden Regelung
sollte darauf geachtet werden, dass ein ausreichend flexibler Handlungsrahmen zur Verfügung
steht, der nicht das Ingangsetzen des regulären Rechtsetzungsverfahrens auf Gemeinschaftsebene erfordert, um erforderliche Anpassungen in kurzen Zeitabständen realisieren zu können.
Um für diese europäische Diskussion gerüstet zu sein und in diese gefestigte Positionen aktiv
einbringen zu können, sollten die Landesmedienanstalten die nationale Diskussion, für welche
Sendungen und in welcher Form die weite Verbreitung – auch durch Satellit – sichergestellt
sein soll, (mit-)initiieren und moderieren,
8. Empfehlung: Vorurteilsfreie Diskussion der Vor- und Nachteile der Adressierung
Angesichts der Entwicklungen in anderen Mitgliedstaaten und der sich aufdrängenden Möglichkeiten der Adressierung, kann die deutsche Medienpolitik der Diskussion um eine Adres226
sierung der Zuschauer nicht ausweichen. Wird diese Frage nicht öffentlich im politischen
Raum erörtert und entschieden, wird dies an anderer Stelle erfolgen – dann eben nichtöffentlich und ohne die Politik.
Daher sollten die Landesmedienanstalten eine vorurteilsfreie Diskussion der Vor- und Nachteile der Adressierung initiieren und moderieren. Diese sollte unter Beteiligung aller wichtigen Akteure erfolgen und die spezifischen Interessen der Free-TV-Anbieter sowie der
Rechteinhaber berücksichtigen. Mögliche Abrechnungssysteme, die auf der Einzeladressierung aufsetzen, sowie deren alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten und deren Folgen, sind
in die Diskussion aufzunehmen. Vor allem aber sollte die Diskussion mit der Zielrichtung
geführt werden, durch eine Adressierung in der gesamten Gemeinschaft jedem den ungehinderten Zugang zu angemessenen Bedingungen zu allen Programmen und Sendungen zu ermöglichen. Hierdurch ließe sich Befürchtungen vorbeugen, insbesondere Inhalteanbietern und
– diesen vorgelagert – Rechteinhabern und Produzenten erwüchsen aus der europaweiten
Vermarktung gegenüber jedem am Zugang interessierten Nutzer überwiegend Nachteile.
Die volle Beachtung der Anforderungen des Datenschutzes – im dem unter anderem Möglichkeiten der pseudonymen oder anonymen Nutzung von Programmangeboten offen gehalten
werden – ist Grundvoraussetzung des wirtschaftlichen Erfolgs der Adressierung.
9. Empfehlung: Öffnung des Zugangs zu grenzüberschreitenden Sendungen
Um Urheberrecht und freien grenzüberschreitenden Zugang zu Informationen zu harmonisieren, sollte eine gemeinschaftsrechtliche Regelung angestrebt werden, die nicht in den Bestand
des Urheberrechts und der Vertragsfreiheit eingreift und dennoch freien Zugang für Interessierte sicherstellt. Senderechte sollten weiterhin nach Kriterien vergeben werden können, die
für die Vertragspartner geeignet erscheinen. Sie sollen daher auch etwa auf bestimmte Sprachfassungen oder Territorien begrenzt werden können. Allerdings sollten die Programmveranstalter oder Plattformbetreiber verpflichtet werden, jedem interessierten Zuschauer auf Anfrage Zugang zu jedem über Satelliten ausgestrahlten Programm zu nicht diskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Die Programmveranstalter oder Plattformbetreiber wären durch ihre
Beschränkungen zwar gehindert, ihre Dienstleistungen außerhalb des beschränkten Bereichs
aktiv zu vermarkten. Doch würde die Beschränkung sich nicht zu Lasten des Zuschauers auswirken, der außerhalb des beschränkten Bereichs am Empfang des Programms interessiert ist.
Eine solche Regelung müsste von einer Änderung der Vertragspraxis begleitet sein, die auf
die – vermutlich geringe – Verschiebung der Zuschauerzahlen für die angebotenen Programme durch die die Beschränkung überschreitende Zugangsmöglichkeit durch höhere oder geringere Entgelte reagiert.
Die Landesmedienanstalten sollten die nationale Diskussion über eine solche Regelung und
der ihr angepassten Vertragspraxis vorantreiben und mit einen solchen Vorschlag innerhalb
der Gemeinschaft aktiv einbringen.
10. Empfehlung: Förderung eines gemeinschaftsweiten Markts für Rundfunkdienstleistungen
Die Medienpolitik in der Gemeinschaft sollte auf einen europäischen Inhaltemarkt zielen, auf
dem sich die Preise nach Angebot und Zuschauernachfrage richten. Zugleich sollte der europäische Fernsehmarkt den grenzüberschreitenden Zugang und die grenzüberschreitende Meinungsvielfalt sicherstellen.
227
Dies kann zum einen erreicht werden, wenn der Zugang aller Zuschauer zu allen Inhalten zu
angemessenen Bedingungen ermöglicht wird und die Preise für die Senderrechte sich letztlich
nach dieser Nachfrage richten. Bei einer Adressierung der Zuschauer durch ConditionalAcesss-Systeme könnte eine solche Wirkung bereits durch eine Nutzung entsprechender Abrechnungssysteme und eine Anpassung der Vertragsregelungen für die Übertragung und Vergütung der Senderechte erreicht werden. Erreicht der Markt nicht von selbst das Ziel eines
europäischen Inhaltemarkts, wäre eine Gemeinschaftsregelung erforderlich, die durch die
Gewährleistung eines gemeinschaftsweiten Zugangsrechts die Grundlage für eine solche
Entwicklung schafft.
228
Abkürzungsverzeichnis
a.F.
alte Fassung
Abs.
Absatz
ANGA
Verband Privater Kabelnetzbetreiber e.V.
API
Application Programming Interfaces
ART
Autorité de Regulation des Télécommunications,
Frankreich
Art.
Artikel
ATV
Austria-TV
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BK
Breitbandkabel
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
CA
Conditional-Access
CAM
Conditional-Access-Module
CEN
Comité Européen de Normalisation
Cenelec
Comité européen de normalisation de l'électrotechnique / European Committee for Electrotechnical
Standardization
CEPT
Conférence Européen des administration de la Poste
et des Télécommunications / European Conference
of Postal and Telecommunications Administrations
CI
Common Interface
CMT
Telekommunikationsaufsichtsbehörde, Spanien
CNCL
Commission nationale de la communication et de
libertés, Frankreich
CPDA
Copyright Patents and Designs Act, Großbritannien
CSA
Conseil supérieur de l’audiovisuel, Frankreich
DLM
Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten
DTH
Direct To Home
DVB
Digital Video Broadcasting
DVB-T
Digital Video Broadcasting terrestrisch
EBU
European Broadcasting Union
ECC
Electronic Communications Committee der CEPT
EG
Europäische Gemeinschaft
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGV
EG-Vertrag
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
EPG
Elektronischer Programmführer
ETSI
European Telecommunications Standards Institute
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
f. / ff.
und folgende / die folgenden
FCC
Federal Communications Commission, USA
FTA
Free To Air
FTEG
Gesetz über Fernanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen
FÜG
Fernsehsignalübertragungsgesetz
GEMA
Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und
mechanische Vervielfältigungsrechte
GG
Grundgesetz
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HDTV
High Definition Television
230
IFV
Internationaler Fernmeldevertrag
IP
Internet Protokoll
IPRG
Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts
ITC
Independent Television Commission, Großbritannien
ITU
Internationale Fernmeldeunion
JO
Journal Officiel, Frankreich
KartellG
Kartellgesetz, Schweiz
KFG
Kommunikationsfreiheitsgesetz, Frankreich
KOG
Komm Austria-Gesetz, Österreich
KRRiT
Nationaler Rundfunkrat, Polen
LBO
Landesbauordnung
Lit.
Littera (Buchstabe)
LMG
Landesmediengesetz
MHP
Multimedia Home Platform
MVPS
Multichannel Video Programming Services
n.F.
neue Fassung
Nr.
Nummer
OFCOM
Regulierungsbehörde, Großbritannien
OFTEL
Regulierungsbehörde, Großbritannien
PRISA
Spanische Mediengruppe
PrTVG
Privatfernsehgesetz, Österreich
PVR
Persönlicher Video Recorder
RBÜ
Revidierte Berner Übereinkunft
RegTP
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und
Post
231
RL
Richtlinie
RStV
Rundfunkstaatsvertrag
RTR-GmbH
Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH,
Österreich
RTVG
Radio- und Fernsehgesetz, Schweiz
RTVV
Radio- und Fernsehverordnung, Schweiz
RVO
Rechtsverordnung
SHVIA
Satellite Home Viewers Improvement Act, USA
SMATV
Gemeinschaftsantennenanlagen
SMP
Significant Market Power
TKG
Telekommunikationsgesetz
TRIPS
Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums
u.a.
unter anderem
UN
United Nations
UrhG
Urhebergesetz
URT
Amt für die Regulierung von Post und Telekommunikation, Polen
UVEK
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation, Schweiz
VO Funk
Vollzugsanordnung für den Funkdienst
VPRT
Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e.V.
WARC
World Adminstrative Radio Conference
WCT
World Copyright Treaty
WEG
Wohnungseigentumsgesetz
WIPO
World Intellectual Property Organisation
WM
Weltmeisterschaft
232
WPPT
Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual
Property Rights
WRC / WARC
World Radio Conferences
233
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