Ausgabe 18, Februar 2011 - Bundesverband Praktizierender
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Ausgabe 18, Februar 2011 - Bundesverband Praktizierender
7. Februar 2011 für Tiermediziner im Studium Die vet. Zukunft ist weiblich! Aber wie schafft man den Spagat zwischen Beruf, Kindern, Haushalt und Partner, ohne sich vierteilen zu lassen? Hört man sich in Europa um, wie es um den Tierarztberuf steht, so stößt man auf ähnliche Trends: Die Feminisierung des Berufsstandes schreitet voran (S. 3). Nur ein Viertel bis ein Zehntel der Studienanfänger sind Männer, Tendenz abnehmend. Die Männer fliehen aus einem Beruf, der finanziell wenig einbringt. Vielfach klagen Tierärzte über mangelhafte Einnahmen oder Gehälter, überbordende Arbeitsbelastung und Stress, der auch das Privatleben vereinnahmt. Besonders Frauen leiden unter einer Mehrfachbelastung, wenn sie Beruf, Partnerschaft, Kinder, Haushalt und womöglich die Pflege der Eltern unter einen Hut bringen sollen. Der Stress im Tierarztberuf ist greifbar, und Burnout keine fremde Vokabel mehr. Die Selbstmordrate unter Tierärzten wird als ungefähr viermal so hoch wie die der Durchschnittsbevölkerung angegeben, für Tierärztinnen ist das Verhältnis noch ungünstiger. Was also gilt es zu tun, damit der Traumberuf nicht zum Albtraum wird? Wie kann die Zukunft für tierärztliche Praktiker aussehen, die mehrheitlich Frauen sind, die auch ein Privatleben führen wollen, die sogar Kinder haben wollen? Die Einzelpraxis mit 24-Stunden-Rufbereitschaft ist für sie schon Geschichte. bpt Campus hat zwei Tierärztinnen aus Gemeinschaftspraxen gefragt, ob das Modell der Gemeinschaftspraxis oder der Praxisgemeinschaft mit vielen Tierärzten ein taugliches Zukunftsmodell ist, das Tierärztinnen Zeit und Flexibilität für die Familienarbeit und das Privatleben lässt. Die Praxen müssen größer werden Dr. Belinda Kiesau ist Partnerin in einer Gemeinschaftspraxis mit 25 Angestellten in der Nähe von Bremen, in der 16 Tierärzte arbeiten. Sie hat den Praxisanteil eines Kollegen gekauft, der aus Altersgründen ausschied. Als Fachtierärztin für Kleintiermedizin behandelt sie zusammen mit zwei Assistenten ausschließlich Kleintiere. Spezialisierung ist das A und O der großen Tierarztpraxen. Manche ihrer Kollegen beschäftigen sich allein mit Stutengynäkologie, einer behandele fast ausschließlich Pferdezähne, erklärt Dr. Kiesau. „Für eine Frau, insbesondere mit familiären Ver- pflichtungen, ist das Führen einer Einzelpraxis unmöglich“, sagt sie. Und zur Machbarkeit: „Die Praxen müssen größer werden“, dann sei Teilzeitarbeit denkbar. Viele Tierärzte können sich Geräte und Gebäude teilen. Je größer, desto einfacher wird es, meint die Tierärztin. Auch die Notdienste sind dann leichter verteilt. Doch einen bedeutenden Nachteil von großen Praxen mit vielen Tierärzten nennt Dr. Kiesau: „Viele Patientenbesitzer wünschen sich, dass nur ein- und derselbe Tierarzt bei einer Erkrankung das Tier behandelt.“ Hier wäre zu hoffen, dass die Tierbesitzer den Vergleich zur Humanmedizin ziehen: Aus dem humanmedizinischen Klinikwesen mit seinen Schichtdiensten kennt man es längst, dass verschiedene Stationsärzte erst einmal in der Patientenakte nachsehen müssen, wenn Visite oder Nachbehandlungen dran sind. Niemand wünscht sich diese Rotation für sich selbst oder sein Tier, doch ist hier ein gesellschaftliches Hinzulernen nötig, dass die Götter in Weiß und ihre tierärztlichen Kollegen auch ein Privatleben haben müssen. Ob man lieber Partner oder lieber Angestellte in einer großen Tierarztpraxis sein möchte, ist nicht nur eine Geldfrage. „Nicht jede Frau möchte Unternehmerin sein“, merkt Dr. Kiesau an. Als Partner und Miteigentümer einer Klinik oder Praxis binde man sich schließlich für viele Jahre an den Ort und an die anderen Eigentümer. Die finanziellen Ausstiegshürden seien hoch, sagt Dr. Kiesau. Gerade für Singles kommt eine Ortsbindung über viele Jahre kaum in Frage – was, wenn ein späterer Lebenspartner ganz woanders lebt? Und was, wenn der Ehepartner berufsbedingt umziehen muss? Drum prüfe, wer sich bindet… DVM Karla Lorenz-Schubert betreibt seit 1994 zusammen mit einer Kollegin eine Gemischtpraxis in Salzwedel. Aus ihrer Erfahrung ist eine Gemeinschaftspraxis umso schwieriger zu betreiben, je mehr Kollegen mitarbeiten. Zwar sieht sie entscheidende Vorteile gegenüber einer Einzelpraxis in Blick nach Großbritannien Seite 3 Auslandssemester – lohnt sich das? Seite 4 2011: Jahr der Jubiläen 250 Jahre Studium der Tiermedizin 1761 wurde die Gründung der Tierarzneischule in Lyon beschlossen (S. 2). 60 Jahre bpt Der Praktikerverband feiert einen runden Geburtstag! 20 Jahre Rechtsberatung im bpt Michael Panek ist der Name des tierärztlichen Berufsrechts in Deutschland. Kein anderer hat so viel spezifische Erfahrung. bpt-Mitglieder profitieren seit 20 Jahren von seiner Beratung. Kurze Meldungen Arbeitskreis Assistentenvergütung Der neu gegründete Arbeitskreis kann Ende Februar 2011 seine Arbeit aufnehmen. Dann soll die personelle Besetzung festgelegt sein (siehe bpt Campus, Ausgabe Dez. 2010). Bielefelder Gesprächskreis Am 25. Februar 2011 tagt wieder der vom bpt initiierte „Bielefelder Gesprächskreis“, eine Runde aus Studentenvertretern, Studiendekanen und bpt-Ehrenamtlichen. Diesmal wird es u.a. um die Tierärztliche Ausbildungspraxis gehen und um Fortbildung für die Ausbildungspraxen. geteilten Wochenend- und Nachtdiensten und besseren Urlaubsmöglichkeiten: „Man muss nicht täglich 24 Stunden bereitstehen.“ Doch dass eine Tierarztpraxis heute öfter als früher Anrufe gegen Mitternacht erhalte, weil ein Hund vielleicht Flöhe habe, führt sie auf eine gewandelte Einstellung (Fortsetzung auf Seite 2) bpt • für eine leistungsstarke tiermedizin www.tieraerzteverband.de (Fortsetzung von Seite 1) der tierärztlichen Partner gegenüber den Kunden mittragen. Doch größere Praxisgemeinschaften wie in Großbritannien kann sich die Tierärztin nicht vorstellen: „Der Kunde will immer vom selben Tierarzt bedient werden.“ Man sollte sich also genau überlegen, mit wem man eine Gemeinschaftspraxis gründet oder mit welchen Partnern eine Praxisgemeinschaft sinnvoll ist. Da die Folgen einer Trennung nahezu vergleichbar mit den Folgen einer Scheidung sind, gilt Schillers Wort „drum prüfe, wer sich ewig bindet“ auch für den beruflichen Zusammenschluss. Für den aus Kundensicht größten Nachteil der Gemeinschaftspraxen, dass nicht stets derselbe Tierarzt das Tier betreut, sollte man sich rechtzeitig eine Kommunikationsstrategie zurechtlegen. Vielleicht genügt der Verweis auf die Humanmedizin, vielleicht auch der Nachweis einer erstklassigen Patientenakte, in der alles Relevante dokumentiert ist. So menschlich nachvollziehbar der Wunsch eines Patienten bzw. Patientenbesitzers nach Behandlung durch nur einen Arzt bzw. Tierarzt sein mag, so sollte doch der Respekt vor dem Privatleben der Ärzte bewirken, dass Patienten und Patientenbesitzer umdenken. Service vom bpt Veterinary Year 2011 Grüne Woche 2011: 250 Jahre akademische Tierarztausbildung Kostenlose Schnuppermitgliedschaft Studenten können hereinschnuppern in den Berufsverband der Praktiker. Informationen gibt es auf der bptWebsite oder bei Lothar Alsheimer, bpt.alsheimer@tieraerzteverband.de Dieses Jahr feiern europäische Tierärzte ein wichtiges berufsständisches Jubiläum: Es ist dann 250 Jahre her, dass die französische Regierung unter König Ludwig XV. den Offizier und Pferdekenner Claude Bourgelat bevollmächtigte, in Lyon eine École vétérinaire zu gründen, die 1762 ihre Arbeit aufnahm. In den folgenden Jahren wurden in ganz Europa viele tierärztliche Lehrstätten gegründet – die ersten deutschen „Thierarzneyschulen“ 1771 in Göttingen und 1774 in Dresden (Quellen: Angela von den Driesch, Joris Peters: Geschichte der Tiermedizin – 5000 Jahre Tierheilkunde. Schattauer, 2. Auflage, 2003 Stuttgart, S. 134 f.; www.vet2011.org). Berliner Jahresauftakt mit Politik und guten Taten bei den Patientenbesitzern zurück. „Heute ist weniger Respekt da, man sagt, `du musst doch!`“. Allein deshalb brauche man als Tierarzt Partner und Assistenten. Lorenz-Schubert warnt vor zu leichtfertiger Einstellung gegenüber den Praxispartnern: „Viele Gemeinschaftspraxen zerbrechen wegen Geld oder Zeit. Man denkt, der Andere arbeite weniger… es ist noch enger als eine Ehe.“ Man müsse damit leben können, dass einer der Praxispartner manchmal mehr arbeite, mehr Geld einnehme oder beispielsweise auch beliebter bei den Kunden sei. Und man müsse womöglich Fehler Campus als Mail-Abo Mailen Sie uns, dann erhalten Sie in Zukunft den Link auf die aktuelle Campus-Ausgabe, noch bevor der gedruckte Newsletter verteilt wird. bpt.campus@tieraerzteverband.de Praktikum gesucht? Das Gütesiegel des bpt „Tierärztliche Ausbildungspraxis“ setzt Standards. Finden Sie Ihren Praktikumsplatz mit der Praxissuche auf der bpt-Website. Fast konnte man bei der diesjährigen Grünen Woche den Eindruck haben, die Politiker wollten sich angesichts des aktuellen Dioxin-Skandals rar machen. Doch die Hessische Umweltministerin Lucia Puttrich zeigte Präsenz – sie traf am Messestand des bpt den Verbandspräsidenten Dr. HansJoachim Götz (links) und Alfred Mennekes aus der bpt-Fachgruppe Schwein, der den Besuchern in Berlin ehrenamtlich Rede und Antwort stand bei allen Fragen zum Tierarztberuf. Ansprechpartner in der bpt Geschäftsstelle: Hochschulseminare Yves Colombel Telefon (069) 66 98 18-30 bpt.colombel@tieraerzteverband.de Betriebswirtschaftliche Beratung Hans-Peter Ripper Telefon (069) 66 98 18-28 ripper@bpt-akademie.de Mitgliederverwaltung Lothar Alsheimer Telefon (069) 66 98 18-19 bpt.alsheimer@tieraerzteverband.de Fortbildungen / bpt Akademie Birgitta Braus Telefon (069) 66 98 18-12 braus@bpt-akademie.de Rechtsberatung Michael Panek Telefon (069) 66 98 18-0 bpt.panek@tieraerzteverband.de bpt Campus Dr. Ulrike Schimmel Telefon (069) 66 98 18-22 bpt.schimmel@tieraerzteverband.de bpt • für eine leistungsstarke tiermedizin www.tieraerzteverband.de Dr. Hans-Joachim Götz, Umweltministerin Lucia Puttrich und Alfred Mennekes Außer der wichtigen Kontaktpflege zu Politikern und Verbrauchern diente der bptMessestand diesmal gleich zwei guten Zwecken: Tierärzte ohne Grenzen e.V. präsentierte sich dort, und beim Blasrohrspiel des bpt waren schon am fünften Messetag 1600 Euro für die Welthungerhilfe zusammengekommen: Der bpt spendete für jeden Treffer einen Euro. bri Leser efe bpt.campus@tieraerzteverband.de Ihre Meinung veröffentlichen wir unter www.tieraerzteverband.de, Rubrik „bpt Campus“ Wie machen es die Nachbarn? Blick nach Großbritannien Praxisorganisation und Arbeitszeiten Von den tierärztlich tätigen Umfrageteilnehmern arbeiten 80 Prozent in der Praxis, der Großteil in der Kleintierpraxis. Diese Praktiker haben durchschnittlich die längsten Arbeitszeiten von ca. 45 Wochenstunden. Hinzu kommen durchschnittlich 25 Stunden Rufbereitschaft. 41 Prozent der Praxen haben zwei oder mehr Partner als Eigentümer, gegenüber 25 Prozent, die nur einen tierärztlichen Inhaber besitzen. 43 Prozent der Praktiker arbeiten als Angestellte auf Vollzeitbasis in einer Limited Company (ein Äquivalent zur deutschen GmbH). Die Tierarztpraxen beschäftigen durchschnittlich vier Vollzeitassistenten. 68 Prozent der tierärztlichen Praktiker machen routinemäßig Hausbesuche. 60 Prozent der Praktiker sagen, daß ihre Praxis den Notdienst alleine abdeckt. Zwei Drittel der britischen Praktiker arbeiten regelmäßig im Notdienst. Die Mehrheit vertritt dabei bis zu zehn Tierärzte. Die Hälfte der Praktiker können nicht die gesetzlich bestimmte Mindestruhephase von elf Stunden pro Tag einhalten. Das Gehalt stimmt Das durchschnittliche Jahresgrundgehalt der Vollzeitbeschäftigten beträgt knapp 49.000 Brit. Pfund (entspricht ca. 58.600 Euro). Von dieser Gruppe wollen derzeit 83 Prozent auch weiterhin tierärztlich arbeiten. Von denjenigen, die diesen Beruf aufgeben wollen, sind drei Viertel unzufrieden mit den Arbeitszeiten und dem beruflichen Stress. gibt die Studie als Jahreseinkommen für Humanmediziner 53.781 bis 81.158 Brit. Pfund, für Krankenschwestern 29.200 Brit. Pfund im Jahr 2010 an. Dennoch ist der von den Befragten am häufigsten genannte Verbesserungsvorschlag für die berufliche Situation eine Erhöhung der Einnahmen, gefolgt von einer Verminderung der Überstunden und Rufbereitschaft. An dritter Stelle nennen britische Tierärzte hier mehr „WorkLife-Balance“ bzw. flexible Arbeitszeiten. für die Elternzeit zu verzeichnen ist. Die Autoren der Studie leiten daraus ab, dass der Berufsstand deshalb mehr Kollegen ausbilden müsse und eine flexiblere Arbeitsorganisation gefragt sei. Tierärztliches Wohlbefinden Befragt nach ihrem Wohlbefinden, zeigen britische Tierärzte eine positive Grundhaltung. Allerdings stellen die Autoren der Studie heraus, dass diese Selbsteinschätzung der Tierärzte ein signifikant schlechteres Wohlbefinden als das der DurchBerufsfremd arbeiten: schnittsbevölkerung bedeutet. Besonders die Ist das Gras woanders grüner? Die nichttierärztlich Tätigen haben eine Tierärztinnen geben an, durch ihren Beruf durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit stressbelastet zu sein. von 33,7 Stunden. Hinzu kommen durchschnittlich 19,6 Überstunden, die bei 86 Nicht überraschend, urteilen die männlichen Prozent der Befragten nicht bezahlt werden. Tierärzte positiver über die FamilienfreundDas Durchschnittsgehalt liegt bei knapp lichkeit des Tierarztberufs. Die Tierärztinnen unter 51.000 Brit. Pfund jährlich (entspricht im Alter zwischen 30 und 40 Jahren – die derzeit ca. 61.000 Euro). Die Mehrzahl der also am ehesten für kleine Kinder zu sorgen nichttierärztlich Tätigen haben früher in der haben – finden den Beruf am wenigsten Praxis gearbeitet, im Durchschnitt für 12,6 familienfreundlich. Jahre. Weniger als 15 Prozent dieser Gruppe ziehen eine Rückkehr in die Praxis in Be- Mit einem Ausblick auf die Zukunft schließen die Autoren der Studie. Demnach wird tracht. die Teilzeitarbeit bei beiden Geschlechtern zunehmen. Ein Rückgang der Einzelpraxen (=mit nur einem Inhaber) sei zu erwarten, zugunsten einer größeren Anzahl von Limited Companies und zu größeren Unternehmen gehörigen Praxen (corporate concern). Foto: U. Schimmel Das Royal College of Veterinary Surgeons (RCVS), eine britische Institution, die wohl am ehesten der deutschen Bundestierärztekammer vergleichbar ist, hat 2010 eine großangelegte Studie zur beruflichen Situation britischer Tierärzte und Tierarzthelferinnen erstellen lassen. Aus den Antworten von fast 9.000 Tierärzten können eine Reihe interessanter Trends und Problemstellungen des tierärztlichen Berufsstands in Großbritannien abgeleitet werden. Die Zusammenfassung der Studie wie auch die ausführlichen Ergebnisse sind öffentlich zugänglich auf der Website des RCVS (www.rcvs.org.uk/surveys). Yorkshire Dales: Sehnsuchtsort angehender Tierärzte? Die Feminisierung des Tierarztberufs ist ein globaler Trend – der Frauenanteil liegt in Großbritannien derzeit bei 50 Prozent, im Jahr 2000 waren es nur 34 Prozent. Von den unter 40jährigen sind schon 71 Prozent Frauen. Die Feminisierung des Berufs beDas Gros der britischen Tierärzte ist mit dem dingt, dass auch bei britischen Tierärzten Einkommen zufrieden. Als Vergleichszahlen eine Zunahme von Berufsunterbrechungen Vergleicht man die Ergebnisse der britischen Studie mit den Verhältnissen in Deutschland, so scheint zwar Großbritannien hinsichtlich des Tierarzteinkommens und der Notdienstregelungen ein gelobtes Land. Man darf allerdings die Kaufkraftunterschiede zwischen Deutschland und Großbritannien nicht übersehen – aus britischer Sicht ist Deutschland ein Billigland, wie Touristen in Köln oder Hamburg zu berichten wissen. Im Hinblick auf die Praxisstrukturen und die Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitsorganisation mit mehr Teilzeitstellen ist uns das Inselkönigreich sicher um einiges voraus. Eine entsprechende Studie über die Situation und Selbsteinschätzung der Tierärzte in Deutschland steht noch aus – die umfassendste jüngere Arbeit in diese Richtung befasste sich allein mit den Assistenten. bpt • für eine leistungsstarke tiermedizin www.tieraerzteverband.de Auslandssemester – lohnt sich das? Ein Auslandssemester bringt Vorteile, will aber gut vorbereitet sein Wer eine Karriere in der sogenannten freien Wirtschaft plant, für den ist ein Auslandssemester während des Studiums fast zwingend, sind sich Bewerbungsratgeber einig. Doch wie sieht es aus, wenn man nach dem Studium nicht „in die Wirtschaft“, sondern als Assistent in die tierärztliche Praxis gehen will? Da sind besondere Sprachkenntnisse und Weltläufigkeit doch überflüssig, möchte man meinen. Oder? riesiges fachliches Plus freuen: Anderswo ist das Studium oft praxisnäher. Man darf viel mehr machen und sammelt schon vor der Approbation echte Berufserfahrung. Das sieht auch der Gießener Studiendekan Prof. Dr. Stefan Arnhold als enormen Vorteil. In den Erfahrungsberichten, die im Internet zu finden sind, schildert das sehr eindrucksvoll Henrik Tandler, der von München nach Madrid ging (man googele diesen Autorennamen, um die pdf-Datei „Erfahrungsbericht meiner Erasmuszeit in Madrid“ zu finden). Er kommentiert die Praktika dort: „Nach fünf Semestern in München war ich mir gar nicht mehr sicher, was ich eigentlich studiere. Da half mir aber Madrid weiter, denn man darf so viel praktisch machen, dass es einem wie Schuppen von den Augen fällt, wie und was man am Ende des Studiums zu tun hat, nämlich mit Tieren und deren Besitzern zurechtzukommen.“ Weiter berichtet er, er habe dort „Nähen, Schneiden, Adern verschweißen, Bohren, Knochen richten…“ gelernt – wer lernt das an deutschen Hochschulen? Warum nicht in Madrid studieren? Non scholae, sed vitae… Doch ein halb- oder ganzjähriger Auslandsaufenthalt ist nicht nur ein Karrieremotor für Ehrgeizige. Der „Blick über den Tellerrand“ ist nach Ansicht von Dezernatsleiter Karl-Heinz Windt von der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) ein unschätzbarer Vorteil. Außerdem gingen viele approbierte Tierärzte zum Arbeiten ins Ausland, also sei es für die eigene berufliche Zukunft günstig, sich frühzeitig ein Bild über die Verhältnisse in anderen Ländern zu machen. Wer als Bewerber mit seiner Auslandserfahrung punkten will, der kann das durchaus auch in der Tierarztpraxis tun. Es gibt eine Reihe positiver persönlicher Eigenschaften, die Auslandsreisenden zugeschrieben werden dürfen. Diese können privat wie beruflich von Vorteil sein: • • • Sozialkompetenz, Offenheit für fremde Menschen Neugier, Offenheit für Unbekanntes, Lernbereitschaft Organisationstalent Wen spreche ich an? Wie kommt man ins Ausland? Erste Ansprechpartner sind die „Erasmus“-Beauftragten der Fachbereiche bzw. Fakultäten und das jeweilige Akademische Auslandsamt. Sie helfen, die Auslandssemester so zu organisieren, dass man keine Studienzeit verliert. Vorab zu klären sind insbesondere die Fragen: - Wie funktioniert es, dass meine hiesigen Studienleistungen im Ausland anerkannt werden? - Wie sichere ich mich ab, dass der Studienaufenthalt und die ggf. im Ausland abgelegten Prüfungen an meiner Heimathochschule anerkannt werden? Das sind bürokratische Hürden, die zur Routine der Erasmus-Beauftragten gehören. Man kann sicher auch andere Hochschulen als die Erasmus-Partnerhochschulen ansteuern, sollte aber die Formalitäten in jedem Fall vorab mit dem Akademischem Auslandsamt besprechen. Und wann? Praxiserfahrung winkt Tiermediziner sollten ein Auslandssemester Speziell Tiermediziner aus Deutschland, die am besten für das 5. und/oder 6. Semester im Ausland studieren, dürfen sich über ein einplanen. Karl-Heinz Windt von der TiHo Impressum: bpt Campus, Studenten-Newsletter des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt). Ausgabe 18, Februar 2011, V.i.S.d.P.: Dr. Ulrike Schimmel, bpt, Hahnstr. 70, 60528 Frankfurt a. M., Friedrich Bischoff Druckerei GmbH, 60327 Frankfurt a. M.; Herausgeber: bpt, Frankfurt a. M. schätzt, dass die meisten Auslandssemester im 6. bis 8. untergebracht würden. Da alles einige Vorbereitungszeit braucht, ist plusminus ein halbes Jahr früher die Entscheidung fällig. Ganz wichtig: die Bewerbungsfristen für Erasmus sind hochschulspezifisch, weil vom Akademischen Auslandsamt festgelegt. Für das Wintersemester 2011/2012 endet die Frist in Gießen Mitte Februar, sagt Katrin Ziegenberg, die Gießener Erasmus-Beauftragte für die Veterinärmediziner. Wer soll das bezahlen? Neben dem Koordinations-Service und einem kostenlosen Sprachkurs an der Partnerhochschule kann ein Erasmus-Stipendiat nach Auskunft der Gießener ErasmusBeauftragten mit einem Zuschuss von ca. 100 bis 125 Euro im Monat rechnen. Das deckt wohl selten die Zusatzkosten durch den Auslandaufenthalt – allein wenn man die Reisekosten bedenkt. Es lohnt sich deshalb, beim Deutschen Akademischen Austausch-Dienst (DAAD) am Heimatstudienort nachzufragen. Die DAAD-Website listet diverse Förderprogramme und Stipendien auf und verweist auch auf die ErasmusKoordinatoren der Hochschulen. Eine einfache Maßnahme zur Kostendeckung ist die Zwischenvermietung des Zimmers am deutschen Studienort. Als besonders teuer gelten die Studienorte Helsinki, Oslo, Wien und Zürich. Anderswo können die Lebenshaltungskosten natürlich auch deutlich unter jenen in Deutschland liegen. An der Finanzierung sollte ein Auslandssemester jedenfalls nicht scheitern. „Es ist eine ganz große persönliche Erfahrung“, sagt Professor Arnhold. Oder in den Worten des Münchners Henrik Tandler: „…niemand außer euch selbst kann sich ein schöneres Geschenk machen.“ Termine 2011 24.-27.2.2011 bpt-Intensivfortbildung Kleintierpraxis, Bielefeld. Sommersemester: bpt-Hochschulseminare, bitte bpt-Website und Aushänge beachten 22.-25.9.2011 bpt-Kongress in Mainz bpt • für eine leistungsstarke tiermedizin www.tieraerzteverband.de