Ausgabe 77 - MOE-Kultur

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Ausgabe 77 - MOE-Kultur
MOE- KULTUR. DE
Kulturveranstaltungen aus Mittel- und Ost Europa
in Berlin-Brandenburg
www.moe-kultur.de
EIN PROJEKT VON JOE - PLATTFORM BERLIN E.V.
AUSGABE 77
JUNI 2011
REDAKTIONSSCHLUSS 30-05-2011
• Termine
• Partner
• Impressum
• Veranstaltungsadressen
unter www.moe-kultur.de
InformationsZentrum
Sozialwissenschaften
Abt. Informationstransfer Osteuropa
DGO
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.
SÜDOSTEUROPAGESELLSCHAFT e.V.
Zweigstelle Berlin
Unsere Partner: Wissenschaftlich relevante Veranstaltungshinweise finden Sie im
Berlin-Brandenburger Forum Osteuropa http://www.gesis.org/Kooperation/Information/Osteuropa/newslist.htm
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JUNI 2011
MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
INHALT
Kalendarium
>>Kulturkalender Feb/März (S.3-9)
Ausstellungen – Diskussionen – Film –
Literatur – Performance – Musik – Tanz - Theater
Notabene
>> Aufgepasst!!! (S. 10-11)
- besondere Termine – Hintergrundinformationen
- Es stand die Mutter schnmerzerfüllt • Hannelore Bracht
>> Reihe: Profile (S. 11-15)
- Polentransport • Piotr Olszowka
- Be young, be Roma • Michael Kleineidam
- New Generation „Radical Jewish Culture“
Angelika Buchelt im Gespräch mit Arnold Dreyblatt
>> Lesetipp (S. 15)
- Überlandleitung...Bulgarien • Irina Lazarova (u.a.)
>> Nachtrag (S. 16-19)
- Ein ganz normales Genie • Michael Kleineidam
- Theatertreffen 2011. Fantastisches Theater
- Sein oder Nichtsein
- Frühstück mit Früh-Stücken • Iwona Uberman
>> Besondere Orte – einzigartige Geschichten (S. 19- 24)
- Die hässlichen Seiten der Schatzsuche • Michael Kleineidam
- Reval – Tallinn: 19./20. Jahrhundert • Karsten Brüggemann
>>Kurz notiert (S. 25)
- wichtige Hinweise - Termine - Ausschreibungen und einiges mehr
>> Unsere Partner:
Osteuropa Zentrum Berlin Verlag (S. 15)
Newsletter des Deutschen Kulturforums östliches Europa (S. 24)
IMPRESSUM
M O E - Kultur- Newsletter
ein Projekt der
JOE-Plattform Berlin e.V.
www.joe-plattform.de
REDAKTION
Ewa Strózczynska-Wille
(Gesamtredaktion)
Angelika Buchelt
Michael Kleineidam
Agnieszka Mikolajewicz
Iwona Uberman
Natalie Wasserman
Mario Schneider (auch Layout)
Weitere Informationen:
www.moe-kultur.de
(auch Veranstaltungsadressen)
redaktion@moe-kultur.de
Tel: 030-8524897
MOE
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater
bis 10.06.
• CZ A
Tschechischen
Republik
Jiri Anderle: Radierungen 1964–1984
Die Ausstellung zeigt frühe Arbeiten des Graphikers, Malers und
Buchillustrators Jiri Anderle (geb. 1936), die Werke stammen aus den
Sammlungen von Mary Slaton Randhawa und Hartmut Rampoldt.
Wilhelmstraße 44
bis 14.06
• PL A
Polnisches Institut
Berlin
Ausstellung
Ultramöbel - Karsten Konrad & Jan Mioduszewski
Karsten Konrad schafft Skulpturen, Wandreliefs und Rauminstallationen aus
Sperrmüll oder auf Berliner Flohmärkten gefundenen Elementen. Das
Ergebnis sind räumliche Kaleidoskope, verrückte Objekte , Collagen aus
Fundstücken, die den Raum sprengen. Verweise zu minimalart, architekturgeprägtes Denken sind dabei unübersehbar.
Jan Mioduszewski beschäftigt die Illusion, die Kunst des trompe l´oeil, die
Meta-Malerei. Mit viel Witz und Ironie schafft er eine illusionistische
Mischung aus gemalten und echten Elementen, wobei kaum zu unterscheiden ist, welche dreidimensional und welche gemalt sind. Beide Künstler
verbindet ihre Liebe zum Sperrmüll, ihre besessene Sammlertätigkeit und
das Spiel mit der Konstruktion und Dekonstruktion.
Burgstr. 27
bis 22.06.
• BG A
GALERIE 100
Konrad-Wolf-Str. 99
MARIO LISCHEWSKY
Malerei
bis 25.06.
• PL A
Galerie ZaK
ROMAN OPALKA: OKTOGON
Roman Opalka ist einer der radikalsten und berühmtesten konzeptuellen
Künstler der Gegenwart. In seinem Lebensprojekt, Opalka 1965/1–∞ malt
er seit 1965 fortlaufende Zahlenreihen mit weißer Farbe auf immer gleich
großen Leinwänden (195 x 135 cm). Aktuell hat der Künstler in seinen
Bildern die Zahl 5 590 000 erreicht. Anlässlich Opalkas achtzigstem
Geburtstag werden acht fotografische Selbstporträts präsentiert. Es ist die
erste Ausstellung in Berlin seit siebzehn Jahren.
Lindenstr. 35
bis 30.06.
• CZ A
Bildungszentrum der
Stasi-UnterlagenBehörde, Zimmerstraße
90/91
Prag durch das Objektiv der Geheimpolizei
Die Ausstellung zeigt Fotos, die bei der verdeckten Beobachtung von
Regimegegnern durch die tschechoslowakische Staatssicherheit StB in den
1970er und 1980er Jahren entstanden.
bis 01.07.
• CZ A
Tschechisches
Zentrum Berlin
Jiri Balcar: Graphiken 1965–1968
Der Maler und Graphiker Jiri Balcar (1929– 1968) war Ende der 1950er
Jahre ein Weg- bereiter der neuen Welle der tschechischen Abstraktion.
Die Ausstellung zeigt graphische Arbeiten zwischen Pop-Art und Neuer
Figuration aus der Privatsammlung von Mary Slaton Randhawa.
Friedrichstraße 206
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
bis 01.07.
• CZ A
Institut für Slawistik
der HumboldtUniversität zu Berlin,
Boeckh-Haus
Karel Hynek Macha
Die Ausstellung des Museums der tschechischen Literatur in Prag stellt
Werk und Leben des Dichters Karel Hynek Macha (1810–1836) vor, des
Begründers der modernen tschechischen Dichtung und wichtigsten
Vertreters der tschechischen Romantik.
Weitere Informationen: www.slawistik.hu-berlin.de
Dorotheenstraße 65
bis 31.08.
• PL A
Polnisches Institut
Berlin
Ausstellung
Alicja Kwade – 52°31´17.23, 13°62.65
52°31´17.23, 13°62.65 sind die Ortskoordinaten des Polnischen Instituts
Berlin. Zur Ausstellungseröffnung sind am Himmel von diesem Standort
aus die Sternbilder Andromeda, Herkules und Eidechse zu sehen. Alicja
Kwade (*1979, Katowice) bespielt mit ihrer Sternenhimmel-Installation die
gesamte Schaufensterfront des Instituts. Nachts sieht der Betrachter von
außen die Sterne in der Galerie.
Ausstellungseröffnung: 30.06.2011, 21:00 Uhr
Burgstr. 27
06.06. 19:00 Uhr
• HU L
Collegium
Hungaricum
Der Direktor liest Hamvas. Eine Montagsreihe
Der Direktor des .CHB liest montags von 19 bis 20 Uhr (Achtung: pünktlicher Beginn) Texte von Béla Hamvas (1897-1968) in deutscher Übersetzung. Dies ist Teil der Projektreihe des .CHB Vorbereitung auf Béla
Hamvas, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Großmeister des ungarischen
Essays des 20. Jahrhunderts dem deutschen Publikum näher zu bringen.
Dorotheenstr. 12
07.06. 19:30 Uhr
• HU A
Collegium
Hungaricum
Moholy-Nagy Galerie
Vernissage: Manifest: KassÁk! Eine intermediale Annäherung
Mit Lajos Kassák (1887–1967) ist in Ungarn ein neuartiger Künstlertyp in
Erscheinung getreten. Er war ein souveräner und unbeirrbarer Künstler,
Organisator und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens – kurz: ein
Networker. Sein Lebenswerk ist durch seine Offenheit gegenüber progressiven künstlerischen Tendenzen und durch sein gesellschaftliches
Engagement gekennzeichnet.
Die interaktive Präsentation geht auch der Frage nach, wie diese international anerkannte Figur des Modernismus in unterschiedlichen politischen
Systemen Stellung bezogen hat.
Ausstellungsdauer: bis 25.9.
Dorotheenstr. 12
08.06. 19:00 Uhr
• PL V
Haus der
BrandenburgischPreußischen
Geschichte gGmbH
Nicht nur Danzig alleine. Städtebilder aus einem Land zwischen
Deutschland und Polen
Vortrag von Dr. Peter Oliver Loew, Darmstadt im Rahmen der
Ausstellung: Westpreußen um 1900 – Hermann Ventzke (1847–1936)
unterwegs mit der Plattenkamera
Schloßstr. 12
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
09.06. 17:30 Uhr
• RO F
FSK Kino am
Oranienplatz,
Filmvorführung und Masterclass
Film, unser geheimes Rezept: „Polizeilich, Adjektiv“ von Corneliu
Porumboiu gefolgt von einer Masterclass
“Film, unser geheimes Rezept” ist eine Serie von Masterclasses mit weltbekannten Filmregisseuren, die jeweils nach ihrem gezeigten Film mit dem
Publikum über ihre Motive und Inspirationen diskutieren.
Der bekannte rumänische Regisseur Corneliu Porumboiu präsentiert innerhalb dieser Reihe seinen weltweit gekrönten Film „Polizeilich, Adjektiv”.
Der Regisseur lädt nach dem Film zu einer Masterclass ein und beantwortet
die Fragen des Publikums. Das Gespräch wird vom deutschen Journalisten
Bernd Buder moderiert.
Segitzdamm 2
11.06. 20:50 Uhr
• RO M
Amphitheater im
Monbijoupark
Lieder von Maria TANASE und Gipsy-Musik
Konzert: Sanda Weigl und der Balanescu-Quartett
Sanda Weigl, in Bukarest geboren, siedelte 1961 mit ihrer Familie aus politischen Gründen nach Ost-Berlin über. Mit Beatband Team 4 gelang sie mit
dem Lied Der Abend ist gekommen in einer der DDR-Hitparaden auf den
ersten Platz.
1992 siedelte die Künstlerin schließlich nach New York über. Neben ihrer
2002 erschienenen CD Gypsy Killer erzielten insbesondere ihre Auftritte bei
der RuhrTriennale in den Jahren 2005 und 2007 öffentliche
Aufmerksamkeit.
Der 1987 gegründete Balanescu-Quartett zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Musikbands. Der Quartett spielte an Standorten wie
„London’s South Bank Centre“ oder „New York’s Knitting Factory“ und trat
als Vorgruppe bei einem Konzert der Pet Shop Boys in der Londoner
Wembley Arena auf.
11.06. 21.00 Uhr
• PL F
Zeughauskino, DHM
Im Rahmen von: The Celluloid CurtainSpotkanie ze szpiegiem /
Begegnung mit einem SpionPL 1964; R: Jan Batory; 105 min,
OmeU; D: Ignacy Machowski, Beata Tyszkiewicz, Stanislaw
Mikulski. Zu Beginn das Meer, ein U-Boot, verdächtiges Treiben im
Halbdunkel – ein mysteriöser Mann fliegt mit einem Ballon in Polen ein.
Nach seiner Landung tötet er eiskalt den ersten Zeugen seiner Ankunft.
Doch längst wurde sein Eindringen von den polnischen Sicherheitsorganen
bemerkt: Die Jagd beginnt...
Weiterer Termin: 17.06.2011 21:00 Uhr
Unter den Linden 2
16.06. 18.00 Uhr
• PL L/DIS
Ort der Information
Denkmal für die
ermordeten Juden
Europas,
„Was wusste die Welt damals vom Holocaust im besetzten Polen?“
Lesung & Gespräch
Es werden zuerst ausgewählter Passagen aus dem soeben in deutscher
Übersetzung erschienenen Autobiographie Jan Karski »Mein Bericht an die
Welt« gelesen. Danach diskutieren deutsche und polnische Historiker und
Journalisten über die Rolle Jan Karskis im polnischen Widerstand und seine
vergebliche Mission, die Welt über die Verbrechen der Nazis aufzuklären
und aufzurütteln.
Cora-Berliner-Straße 1
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
17.06. 20.00 Uhr
• MOE/INT L
Maxim Gorki Theater
Im Rahmen des poesiefestival berlin 2011
Weltklang – Nacht der Poesie
Das poesiefestival berlin beginnt mit einem internationalen Konzert aus
Stimmen, Sprachen und Versen. Zu Weltklang – Nacht der Poesie treten
die Meister der Dichtkunst auf und entfachen ein Feuerwerk zeitgenössischer Lyrik: von der klassischen Lesung über Rap und Lautpoesie bis hin
zum Songwriting.
Mit Marcel Beyer (Deutschland), Iva Bittová (Tschechien), Yves Bonnefoy
(Frankreich), Tsead Bruinja und dem Musiker Jaap van Keulen
(Niederlande), Billy Collins (USA), El Général (Tunesien), Kim Hyesoon
(Südkorea), Silvio Rodríguez (Kuba) und Kathrin Schmidt (Deutschland)
Moderation: Knut Elstermann (Journalist, Berlin)
17.06. 20.00 Uhr
• MOE P
Haus der Kulturen der
Welt
Im Rahmen von: IN TRANSIT 11 Spectator
Performing Arts Festival
I-ON Performance – Work in Progress
Ivo Dimchev (Brüssel) in Zusammenarbeit mit Franz West (Wien)
I-ON ist die performative Erkundung der Skulpturen von Franz West. Die
tragbaren, zumeist in Gaze und Gips eingewickelten Alltagsgegensta?nde
werden erst dann zu fertigen Kunstobjekten, wenn jemand etwas mit ihnen
macht. Und genau das tut Ivo Dimchev. Er wird zum Beobachter der
Skulpturen und offenbart in einem wild wuchernden Stilmix aus Tanz,
Musik und Gesang, wie er sein performatives Selbst den Werken von Franz
West anpasst.
09.06. 20:00 Uhr
• HU D
Collegium
Hungaricum
netz. macht. kultur: Ein Multimedialer Clubabend im Rahmen des 6.
Kulturpolitischen Bundeskongresses
In Zeiten der Digitalisierung steht eine neue Kulturpolitik auf der
Tagesordnung. Wir leben seit gut zwei Jahrzehnten in einer digitalen
Gesellschaft, deren immer schnellerer Rhythmus nach einer Neudefinition
zentraler Codes der modernen Zivilgesellschaft – wie Freiheit, Kultur,
Eigentum, Muße, Privatheit und Öffentlichkeit – verlangt. Es geht um neue
Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und die Frage, ob traditionelle
Formen von Partizipation und Präsentation verschwinden.
Die Tagung ist gebührenpflichtig, Anmeldung: www.netz-macht-kultur.de
18.06. Ab 11.00 Uhr
• PL M
Breidscheidplatz
Charlottenburg
Open-Air-Konzert
Deutsch-Polnische Begegnungen
Konzert mit: Justyna Steczkowska, Kapela ze Wsi Warszawa, Maria
Helmin, Thomas Godoj, Patrycja Kazadi, Patrycia Ziolkowska, Polkaholix,
Celina Muza, Jola Wolters,
Folklore-Tanzensemble: “Perelka” aus Duisburg und „Polonia” aus
Hannover, Jugend-Künstlergruppe des Ensembles „Polonia” aus München.
Anlässlich des 20. Jahrestages der Unterzeichnung des Deutsch-Polnischen
Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit.
MOE
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
18.06. 16.30 Uhr
• MOE P
Haus der Kulturen der
Welt
Im Rahmen von: IN TRANSIT 11 Spectator Performing Arts
Festival
E.I.O. Performance Deutschland-Premiere Von und mit: Dragana
Bulut/Eduard Gabia/Maria Baroncea (Berlin/Belgrad/Bukarest)
Bei E.I.O. folgt alles dem Prinzip der Entscheidungsfreiheit: Jeder kann
selbst bestimmen, was er zahlt und dann sogar, ob er Publikum oder
Performer werden möchte. Als Letzterem stehen einem alle Mittel und
Wege zur künstlerischen Verwirklichung frei: Auf der Bühne liegen Stoffe,
Plastik, Drähte, Bretter, Leitern, Tische mit Werkzeug und Materialien... wer
zum besten Performer gekürt wird, darf die Einnahmen des Abends mit
nach Hause nehmen.
19.06. 18. 30 Uhr
• MOE/INT L
Akademie der Künste,
Pariser Platz, Black
Box
Im Rahmen des poesiefestival berlin 2011 e.poesie
Poesiegespräch: e.poesie Mit Ondrej Adámek (Komponist, Tschechien),
Mark Barden (Komponist, USA), Rozalie Hirs (Komponistin und Autorin,
Niederlande), Sjón (Autor, Island) Moderation: Lydia Rilling
(Musikwissenschaftlerin, Berlin)Lydia Rilling diskutiert mit beteiligten
Komponisten und Poeten über ihre spannende, außergewöhnliche
Zusammenarbeit zur e.poesie und stellt Werke der sich anschließenden
Konzertperformance vor.
19.06. 20.00 Uhr
• MOE/INT L/M
Akademie der Künste,
Im Rahmen des poesiefestival berlin 2011 e.poesie
Räume aus Klang: e.poesie
Für e.poesie beziehen fünf Komponisten gemeinsam mit internationalen
Dichtern Positionen im Grenzbereich zwischen deklamiertem Text,
Instrumentalmusik und Klang- bzw. Lautperformance. Die offene, divergente Architektur des Gebäudes am Brandenburger Tor wird dabei bewusst mit
einbezogen.
Mit dabei sind die Komponisten Ondrej Adámek (Tschechien), Mark Barden
(USA), Eliav Brand (Israel), Dmitri Kourliandski (Russland), die Dichterin
und Komponistin Rozalie Hirs (Niederlande) sowie die Dichter Stanislav
Lvovsky (Russland), Zakaria Mohammed (Palästina), Sjón (Island) und
Michael Stauffer (Schweiz).
20.06. 20.00 Uhr
• PL L/DIS
Hackesche Höfe Kino,
filmPOLSKA reloaded
Jutro bedzie lepiej / Morgen wird alles besser
PL/JPN 2010; R/B: Dorota Kedzierzawska; 118 min; OmdU; K:
Arthur Reinhart; D: Oleg Ryba, Jewgienij Ryba, Akhmed Sardalov
Drei obdachlose Jungen beschließen wegzulaufen. Sie überqueren die
„grüne Grenze“ nach Polen und hoffen auf ein besseres Morgen. Der Film
wurde mit dem diesjährigen Friedensfilmpreis und dem „Grand Prix
Deutsches Hilfswerk“ während der Berlinale ausgezeichnet.
Rosenthaler Straße 40/41
MOE
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
20.06. 20.00 Uhr
• EUR F
Literarisches
Colloquium Berlin,
Im Rahmen des Milosz-Jahres
Im Schneckenhaus der Biographien. Czeslaw Milosz zum 100.
Geburtstag
Podiumsdiskussion und Lesung mit der deutschen Milosz-Übersetzerin
Doreen Daume, dem polnischen Lyriker, Essayist, Kritiker Tadeusz
Dabrowski und dem Schweizer Literaturwissenschaftler Ulrich Schmid
Moderation: Manfred Sapper von der Zeitschrift OSTEUROPA
Weitere Informationen: www.weltlesebuehne.de, www.lcb.de
Am Sandwerder 5
21.06. 18:00 Uhr
• PL A
Collegium
Hungaricum
FilmEuropean Stories: Iskas Reise
Die Filmreihe European Stories des .CHB und der Schwarzkopf-Stiftung
zeigt prämierte Filme junger Filmemacher über aktuelle gesellschaftliche
und politische Themen in Europa.
„Iskas Reise“ des ungarischen Regisseurs Csaba Bollók begleitet ein
Mädchen in einer Phase ihres Lebens zwischen Altmetall und Alkohol, in der
sie beim Kampf um das Überleben endgültig den Boden unter den Füßen
zu verlieren droht. Die Titelrolle verkörpert Mária Varga, deren Leben viele
Parallelen zu Iskas Schicksal zeigt.
Anmeldung erbeten: Fax: 030/280 95 150
E-Mail: anmeldung@schwarzkopf-stiftung.de kinoPOLSKA im Arsenal
Dorotheenstr. 12
22.06. 19.30 Uhr
• PL F
Kino Arsenal,
Potsdamer Str. 2
Bez konca / Ohne Ende
PL 1985; R: Krzysztof Kieslowski; 109 min; OmdU; B: Krzysztof
Kieslowski / Krzysztof Piesiewicz, K: Jacek Petrycki; M: Zbigniew Preisner;
D: Grazyna Szapolowska, Jerzy Radziwilowicz, Aleksander Bardini, Maria
Pakulnis u.a..
Ohne Ende ist eine Mischung aus politischem und metaphysischem Kino.
Kieslowski skizziert in seinem Werk Polen in der Zeit des Kriegsrechts zwischen 1981 und 1983 und in der Zeit der politischen Prozesse...
Gast des Abends: Grazyna Szapolowska
Weitere Informationen: www.arsenal-berlin.de
23.06. 19.30 Uhr
• PL F
Kino Arsenal,
kinoPOLSKA im Arsenal
Pan Tadeusz / Herr Tadeusz
PL 1999; R: Andrzej Wajda; 145 min; OmeU; B: Andrzej Wajda, Jan
Nowina-Zarzycki, Piotr Werezniak; K: Pawel Edelman; M: Wojciech Kilar;
Szenenbild: Allan Starski; D: Boguslaw Linda, Michal Zebrowski, Grazyna
Szapolowska, Alicja Bachleda-Curus, Daniel Olbrychski, Marek Kondrat,
Krzysztof Kolberger, Andrzej Seweryn, Roman Polanski u.a.
„Pan Tadeusz“, Polens romantisches Nationalepos, erzählt die Geschichte
des Streits zweier Adelsgeschlechter und ihrer Versöhnung angesichts des
gemeinsamen Feindes. Wie auch bei anderen Literaturverfilmungen ist es
Andrzej Wajda meisterhaft gelungen, die Vorlage und den Geist der Epoche
filmisch umzusetzen
Weitere Informationen: www.arsenal-berlin.de
Potsdamer Str. 2
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SEITE 8
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MOE- KULTUR. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
28.06.18:00 Uhr
• PL A
Filmmuseum Potsdam
Zum 70. Geburtstag von Krzysztof Kieslowski:
Die zwei Leben der Veronika
R: Krzysztof Kieslowski, PL/F/D 1991
Veronika und Véronique sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Beide sind
Linkshänderinnen, verfügen über eine außergewöhnliche Stimme und leiden unter verborgener Herzschwäche. Nur ein einziges Mal – Veronika
wächst in Krakau auf, Véronique in Paris – begegnen sie sich, ohne sich zu
erkennen. Als Veronika während eines großen Konzerts stirbt, empfindet
Véronique diesen Verlust und gibt ihre Karriere als Sängerin auf, um künftig Musik zu unterrichten. Der Marionettenspieler Alexandre, in den sich
Véronique verliebt, scheint ihre „doppelte Geschichte“ zu erahnen.
Krzysztof Kieslowski inszeniert das Motiv des Doppelgängers voller Poesie.
Die ergreifende Filmmusik stammt von Zbigniew Preisner, der neben
Kieslowski mit Regisseuren wie Louis Malle, Agnieszka Holland und Thomas
Vinterberg zusammenarbeitete.
Weitere Termine: 29. und 30. Juni
Breite Str. 1a/ Marstall
30.06. 21.00 Uhr
• PL F
Polnisches Institut
Berlin
Ausstellungseröffnung
Alicja Kwade – 52°31´17.23, 13°62.65
52°31´17.23, 13°62.65 sind die Ortskoordinaten des Polnischen Instituts
Berlin. Zur Ausstellungseröffnung sind am Himmel von diesem Standort
aus die Sternbilder Andromeda, Herkules und Eidechse zu sehen. Alicja
Kwade (*1979, Katowice) bespielt mit ihrer Sternenhimmel-Installation die
gesamte Schaufensterfront des Instituts. Nachts sieht der Betrachter von
außen die Sterne in der Galerie.
Ausstellungsdauer: 01.07.-31.08.2011
Burgstr. 27
MOE
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SEITE 9
MOE- KULTUR. DE
JUNI 2011
NOTABENE
>> Aufgepasst!!!
Bis zum 31.8. Ausstellung
Ungarische Gegenwartskunst aus Berlin
Gabor A. Nagy, Adam Bote, Konstantin Déry, Deenesh
Ghyczy
Spüren den Zeitgeist einer modernen Metropole nach...
Ort: Ungarische Botschaft, Unter den Linden 76,
10117 Berlin
7.6., 17. Uhr Diskussion
“Quo vadis Ungarn? Eine junge Demokratie auf dem
Prüfstand”ffffffffffffffffffffffffffffffffffffffffff
Seit Ende 2010 / Anfang 2011 ist das Interesse an den politischen Entwicklungen in Ungarn durch das umstrittene
Mediengesetz und die neue Verfassung beträchtlich gewachsen. - Wie konnte aus diesem Land, das einst der bewunderte Schrittmacher der Reformen in der kommunistischen
Welt war, ein Nährboden für rechtsradikale Parteien werden?
Welche Konsequenzen soll die Europäische Union ziehen? –
Ein Gespräch mit Attila Mesterházy (Vorsitzender der
MSZP-Fraktion im ungarischen Parlament) - Prof. Paul
Lendvai (Autor und Journalist) - Michael Roth (MdB,
Europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion) – Moderatorin:
Cathrin Kahlweit (Süddeutsche Zeitung)hhhhhhhhhhh
Ort: Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin www.fes.d
15.6. - 18.6.
IN TRANSIT 11
Spectator
Performing Arts Festival
untersucht die Politik des Sprechens und die Politik der
Blicke. Wie soll man sprechen? Wer darf wem was sagen?
Welcher Blick macht wen zu was? Über diese Diskurse entsteht Definitionsmacht in der Öffentlichkeit. Zugleich zeigt
sich, wie fragil Identitäten und Zuschreibungen sind und wie
lustvoll das Spiel mit ihnen sein kann.
Performances
von
Branch
Nebula
(Sydney),
Bulut/Gabia/Baroncea (Berlin/Belgrad/ Bukarest), Ivo
Dimchev (Brüssel), Ruud Gielens (Brüssel), Geumhyung
Jeong (Seoul), Eisa Jocson (Manila), Daniel Kok (Berlin),
Angélica Liddell (Madrid), Yann Marussich (Genf), Song-Ming
Ang (Singapur), Dave St. Pierre (Montreal), Dick Wong
(Hongkong), Ming Wong (Singapur/Berlin), Ann Liv Young
(New York)
Informationen/ Programm: www.hkw.de
RADIO-TIPP
5.6., 11.05 Inforadio (rbb)
20 Jahre deutsch-polnische Beziehungen
Vor 20 Jahren, am 17. Juni 1991, unterzeichneten
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und Ministerpräsident Jan
Bielecki den deutsch-polnischen Vertrag über gute
Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit.
Das Forum im Inforadio und die Europäische Akademie
Berlin fragen nach den politischen Rahmenbedingungen und
den konkreten Beispielen im Alltag: Wo gelingt die
Zusammenarbeit, was hindert sie? - Und welche Rollen können beide Länder, können aber vor allem die Menschen der
Grenzregionen in Europa und der Welt spielen?
Es diskutieren: Prof. Dr. Gesine Schwa n (Präsidentin
Humboldt-Viadrina School of Governance gGmbH) - Dr. KaiOlaf Lang (wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung
Wissenschaft und Politik) - Dr. Weronika Priesmeyer-Tkocz
(Studienleiterin der Europäischen Akademie Berlin) Elzbieta Nowakowska-Kühl (Leiterin des Klubs “Storrady” in
Szczecin, 2.Vorsitzende des JOE-Plattform Berlin e.V.)
Moderation:Harald Asel (Inforadio /rbb)
www.inforadio.de
Über ihre Zeit hinaus – Europäische Biografien
In seinem Jahresschwerpunkt 2011 präsentiert das
Kulturforum Biografien von deutschsprachigen Persönlichkeiten aus dem östlichen Europa,die grenzüberschreitend
und über ihre Zeit hinaus gewirkt haben.
www.kulturforum.info
bis 31. 6. Ausstellung
Westpreußen um 1900. Hermann Ventzke (1847–
1936) unterwegs mit der Plattenkamera
Ort: Schloss Caputh
Rahmenveranstaltungen:
Die Region an der unteren Weichsel, in Deutschland als
Westpreußen, in Polen als Pomorze Gdanskie bezeichnet,
war über Jahrhunderte hinweg ein Brennpunkt der deutschpolnischen Beziehungen. 1466 gelangte der westliche Teil
des Deutschordensstaates als „Preußen königlichen Anteils“
unter die Hoheit des polnischen Königs. Mit der Ersten
Teilung Polens 1772 fiel Westpreußen an Preußen, 1920 entschied der Versailler Vertrag über die Zugehörigkeit des so
genannten „Korridors“ zu Polen. 1939 wurde die Region Teil
des „Reichsgaus Danzig-Westpreußen“, seit 1945 gehört sie
zur (Volks-) Republik Polen.
Ungeachtet aller politischen Veränderungen lebten am
Unterlauf der Weichsel Deutsche, Polen und Kaschuben,
Katholiken, Protestanten, Mennoniten und Juden nebenund miteinander.
Im
Mittelpunkt
der
deutschen
und
polnischen
Geschichtsschreibung, aber auch der Überlieferung der
MOE
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MOE- KULTUR. DE
NOTABENE
deutschen Vertriebenen und der polnischen Neuansiedler
stand lange der deutsch-polnische Konflikt um diese Region:
War Westpreußen deutsch oder Pomorze Gdanskie polnisch?
Der Vortrag bietet eine Annäherung an eine vergangene
Kulturlandschaft – nicht in nostalgischer Rückschau, sondern als Beitrag zum gemeinsamen Erbe im zusammenwachsenden Europa.
- 8. 6., 19 Uhr Vortrag
Nicht nur Danzig alleine. Städtebilder aus einem Land
zwischen Deutschland und Polen Vortrag: Dr. Peter Oliver Loew
- 29.6., 19 Uhr
Kloster und Burg. Die Architektur des Deutschen
Ordens in Preußen und Livland –
Vortrag: Prof. Dr. Christofer Herrmann
Informationen: www.kulturforum.info
>> PROFILE
Menschen Orte Projekte
POLENTRANSPORT
Piotr Olszówka
Im Chor der Philosophen - das Bild stammt vom Peter Bieri
- selbst, wenn sich einzelne Ansichten, Erklärungsmodelle,
Versatzstücke widersprechen, können sie trotzdem wie eine
Art „Musik der Sphären“ aufgenommen werden. Jeder trägt
so seinen eigenen Chor bei sich, der sich verändert und für
jeden anders zusammengestellt ist. Solange keine
Ausschließlichkeit, kein Anspruch auf das einzig Wahre und
unantastbare erhoben wird, ist es möglich, produktiv und
bereichernd, mehrere Stimmen im Chor der Kulturen zu
hören. Alsbald es sich jedoch um eine exklusive Wahrheit
handelt, die auch gar nicht verändert werden kann, endet
jeder Dialog, vielmehr ist dann der Dialog entweder eine
Unterwerfung oder eine Provokation.
Die Kultur ist ihrem Wesen nach pluralistisch: jeder versteht
sie anders, weil in seinem Chor andere Stimmen zu hören
sind, oder in anderer Proportion, als bei einem anderen,
selbst bei einem aus der gleichen Sippe, dem gleichen Dorf,
der gleichen Familie. Eine Kohorte hat einen gemeinsamen
Ton, der sich von dem einer anderen Kohorte unterscheidet,
eine lokale Gemeinschaft einen anderen Ton, als eine andere.
jeder ist ein Künstler
Jerzy Grotowski und Joseph Beuys wurden beide von
vielen für Scharlatane gehalten. Ihre Utopien betrachteten
die Zeitgenossen meist entweder mit weitgehender Skepsis
oder mit einem glaubensähnlichen Enthusiasmus. Grotowski
entwickelte seine Theaterarbeit einerseits indem er alles
Theatralische im Theater reduzierte: das Bühnenbild, die
Musik, die Kostüme, die Requisite. Sein armes Theater war
eines des Schauspielers und des Zuschauers, Empfängers.
Andererseits war sein Theater eines der absoluten
Perfektion, der Biomechanik nach der Lehre Meyerholds, des
Schauspielers als eines totalen Resonanzkörpers. Nachdem
sein Laboratorium den Gipfel des Theatralischen erreicht
hatte, brach Grotowski gänzlich mit dem Theater als solchem und eröffnete eine Phase der anthropologischen
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Recherche, die dem Schamanismus und der direkten
Erfahrung des Zwischenmenschlichen nachgegangen ist.
Der Weg von Joseph Beuys führte auch diesen Künstler zur
ähnlichen Ufern, seine Festestellung: „jeder ist ein Künstler“
war den Feststellungen des Grotowski gleich, obzwar auf
eine andere Weise begründet und anders praktiziert.
Beuys ging im Jahre 1981 nach Polen, konkret nach Lódz
zum Muzeum Sztuki, wo er sein „Polentransport“ hin brachte. Das Konvolut seiner künstlerischen und – vor allem –
postkünstlerischen We r ke hatte eine unüberschätzbare
Bedeutung. In Polen dauerte damals die 16-monatige
Periode der Solidarnosc, die totalitäre Ordnung war aus den
Fugen geraten, es spielte sich in der Praxis das ab, was
Beuys im Jahre 1972 in Italien proklamierte: „La
Revoluzione siamo noi“. Heute brauchen wir solche PolenTransporte, die auf der Essenz des Menschlichen, auf dem
Prinzip Widerstand – Freiheit - Solidarität basieren, in viele
Richtungen. Ein solcher Polen-Transport ist vorerst gescheitert, der der Aufklärung nach Peking. Doch Polen-Transporte
nach Tunesien, Ägypten, Libyen sind notwendig und sollen
folgen. Es geht nicht nur um Brot und Geld. Wichtiger ist
unsere Solidarität, mit den Unterdrückten, mit denjenigen,
die Widerstand für die Freiheit leisten.
Der polnische Philosoph, Józef Tischner, spricht, wenn er
von der Ethik der Solidarität schreibt, von der Wiedergeburt
des Menschen nach dem Totalitarismus, nach dem Tode des
Menschen und des Gottes in Auschwitz und Kolyma. Eine
Wiedergeburt erlebte auch Joseph Beuys als er, auf der Krim
als Pilot abgeschossen, von den Tataren im Fett und Filz
gewickelt mit schammanischen Ritualen ins Diesseits zurück
geholt worden ist. Das Schamanische in der Kunst der 2.
Hälfte des 20. Jahrhunderts, speziell bei Beuys und bei
Grotowski, bezieht sich auf das Menschliche in uns, auf das,
was sich nicht weiter reduzieren lässt, auf das Wesentliche.
Das „arme Theater“ Grotowskis, die Aktionen Beuys, seine
geheimnisvollen Objekte, für die man eigentlich nur
Fremdscham empfindet, begründen die Entblößung unserer
Wehrlosigkeit, unserer hoffnungslosen Lächerlichkeit, das
Vordringen in die intimsten Regionen unserer Persönlichkeit.
wir alle sind die Revolution
Dem „Po l e n t ransport“ von 1981 stehen viele ähnliche
Bewegungen moralisch-ästhetischer Art gegenüber. Noch
eher ich nach Deutschland kam, traf ich viele Deutsche. Ich
dachte mir in den 60er-70er Jahren, Deutschland ist ein
Land mit vier großen Metropolen: Oberhausen, Donaueschingen, Bayreuth und der Hauptstadt Kassel, wo der
Schamane Beuys 7000 Eichen gepflanzt hat. Oft werde ich
gefragt, was ich hier mache? - Eine mögliche Antwort ist:
mein Leben in Deutschland ist ein Gegenbesuch zum Beuys
„Polentransport“. Seine Haltung hat uns in Polen damals
imponiert, sie hat uns geholfen und gezeigt, dass wir alle
tatsächlich die Revolution sind. Es hat sich dann gezeigt,
dass auch die Deutschen die Revolution sind, es sind auch
die Tunesier, Ägypter, Libyer. So lange jeder von uns der
Künstler ist, wie Beuys das verstand, jeder eine
Schwingung, eine Revolution, eine Wende – können wir alle
miteinander kommunizieren, uns austauschen, uns im
metaphysischen Sinne begegnen.
1959 entstand in Opole (Oppeln) das Theater der 13 Ränge,
später Teatr Laboratorium, das nach Breslau umzog. In den
Jahrzehnten der intensiven Arbeit an den Techniken des
Schauspielers ging Grotowski in eine ähnliche Richtung wie
Beuys. Durch die Reduzierung und den Wegfall des
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NOTABENE
Unnötigen und die Perfektionierung des Wesentlichen an der
zwischenmenschlichen Kommunikation ist er an einen Punkt
gekommen, wo das Theater nicht mehr möglich war und die
Kunst nunmehr zu einem Vehikel wurde. In seinen
Vorlesungen an der College de France 1997/98 stellte er die
„organische Linie im Theater und im Ritual“ vor. Diese organische Linie war Joseph Beuys eigen. Auch sein „Polentransport“ war eine Aktion, die ohne narrativen Inhalt, ohne
wesentliche Artefakte, vielmehr als ein den posttheatralischen Aktionen Grotowskis analogischer Akt der
Annäherung verstanden werden muss.
Unweit von Breslau, wo Jerzy Grotowski in den 60er bis 80er
Jahren sein Teatr Laboratorium leitete, in Kreisau, traf sich
in den 40er Jahren ein Kreis der Frauen und Männer, die von
einem Europa sprachen, das nach der Nazidiktatur entstehen sollte, Helmut James von Moltke und einige andere aus
diesem Kreis bezahlten diese Pläne mit ihrem Leben. In den
80er Jahren bildete sich eine neue Kreisau-Initiative, eine
gegen den anderen Totalitarismus gerichtete. Einer der
wichtigsten Initiatoren war hier der Anfang dieses Monats
verstorbene Ludwig Mehlhorn, ein seit 1969 als Mitglied
der Aktion Sühnezeichen nach Polen reisender DDR-Bürger,
einer der mutigsten Oppositionellen in diesem Staat. Ludwig
lernte nicht nur die polnische Sprache und die polnische
Kochkunst, sondern hat auch mit polnischen Augen gesehen, was Widerstand, Freiheit und Solidarität bedeuten und
wie wichtig sie sind. Vor allem seinem Engagement ist zu
verdanken, dass Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki, der
erste demokratisch gewählte Regierungschef in der sowjetischen Einflusszone sich in Kreisau getroffen haben, wo später eine lebendige Begegnungsstätte entstand.
Joseph Beuys, Jerzy Grotowski und Ludwig Mehlhorn zeigen
mögliche Wege der „gelebten kulturellen Pluralität“ und
„interkulturellen Kompetenz“ – das allerwichtigste ist es,
eigene Kultur bis zur Reduktion auf das Wesentliche zu
hinterfragen, einen universellen Kern in ihr zu finden. Der
zweite Schritt bedeutet, den anderen gegenüber sich zu
stellen – als eine Gabe – wie im „Polentransport“, der
eigentlich ein Transport der Ladung „Joseph Beuys“ selbst
war, nicht von Artefakten oder Performances dieses
Jahrhundertkünstlers. Grotowski plädierte dafür, sich zu
opfern, sein Weg, von ihm „via negativa“ genannt, sollte zu
einer Grenzerfahrung führen, zu einem „Gesamtakt“ der
Entblößung, zum Sich-mit-teilen. Ludwig Mehlhorn, verwandelt sich nach den Anfängen des Sühnezeichens in einen
Doppelbotschafter zweier Kulturen. Er teilt sich mit indem er
sich aufteilt: in den Polenbotschafter in Deutschland und
den Deutschlandbotschafter in Polen.
Weder Beuys noch Grotowski verstanden sich selbst als
nationale Künstler, als primär ein Deutscher oder ein Pole,
Ludwig Mehlhorn, der zwar kein Künstler war, nahm oft die
Position des Mittlers, weil er genauso gut die Motive und
Hintergründe der Deutschen und der Polen verstand, in der
Phase nach 1989 arbeitete er auf der europäischen Ebene,
organisierte Treffen mit Ukrainern, Weißrussen, Russen, mit
allen, die Widerstand, Freiheit und Solidarität noch brauchen, bei welchen der „Polentransport“ noch nicht angekommen ist.
Eine conditio sine qua non der kulturellen Pluralität ist demnach ein kulturelles Selbstbewusstsein. Darauf aufbauend
das Bedürfnis, sich mitzuteilen, eigenes Wesen als Gabe für
andere zu begreifen. Dies kann nur dann gelingen, wenn
auch der Andere von mir als interessant, weil anders und
zugleich weil dem Wesen nach ähnlich, im Kern identisch ist
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– wir sind gleich und doch verschieden, das ist die
Grundlage und das Ergebnis des lebenslangen Handelns und
Denkens von Joseph Beuys, Jerzy Grotowski und Ludwig
Mehlhorn.
Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Piotr Olszówka
stellte diesen Beitrag am 25. Mai 2011 in Genshagen vor.
Be young, be Roma
Berlins Sinti und Roma gehen in die Offensive
Michael Kleineidam
Es ist erklärtes Ziel von Amaro Foro, dem Berliner Landesverband der bundesweiten Jugendselbstorganisation, dem
negativen Image der Sinti und Roma, Europas größter und
gleichzeitig am stärksten diskriminierter Minderheit, positive Bilder entgegen zu setzen. Mit dem 3. „Herdelezi
Roma Kulturfestival“, lud er die BewohnerInnen ganz
Berlins am 7. Mai zu einem großen, öffentlichen Straßenfest
nach Berlin-Neukölln ein, um sich gegenseitig kennen zu
lernen und zusammen den “Herdelezi” (St. Georgs Tag) zu
feiern, der vor allem in Südosteuropa von muslimischen,
sowie christlich-orthodoxen Roma als einer der wichtigsten
Festtage angesehen wird.
Es war ein traumhaft schöner Mai-Tag und der Ort, das untere Ende der Boddinstraße nahe dem Rathaus Neukölln, war
klug gewählt. Dort befinden sich das „Rroma Aether Klub
Theater“ sowie das dazu gehörige Café. Beide wurden 2006
von serbischen „Cigans“, den Brüdern Slavi?a und Neboj?a
Markovic, gegründet und sind bereits nach kurzer Zeit eine
bekannte Adresse. Im gleichen Straßenabschnitt gibt es
eine arabische Shisha Bar, einen türkischen Kulturverein,
einen Afro-Shop, einen Thai-Imbiss, eine Pizzeria und eine
deutsche Kneipe, in der Briefmarken getauscht werden –
ganz Neukölln in der Nussschale eines Straßenabschnittes.
Entsprechend bunt gemischt waren die BesucherInnen des
Festes, darunter sehr viele Kinder und Jugendliche aus der
Umgebung. Ihnen gehörten am Nachmittag die Straße und
die große Bühne, auf der sie unter Anleitung von Roma -und
nicht-Roma JugendleiterInnen aus neun Ländern kleine,
sorgsam einstudierte Stücke darboten. Es war zu sehen, mit
welchem Selbstbewusstsein sie die Bühne betraten und mit
welchem Stolz sie sie wieder verließen. Am Abend bot auf
gleicher Bühne u.a. „Fanfara Kalashnikov“, eine Berliner
Band mit überwiegend rumänischen Wurzeln, energiegeladenen Balkan-Pop. Hungrige und Durstige wurden an nichtkommerziellen Ständen versorgt, Wissbegierige erhielten
Informationen über die Menschenrechtslage von jungen
Sinti und Roma in ganz Europa am Stand von „ternYpe Internationales Roma Jugendnetzwerk“, das mit dem Slogan
„Be young, be Roma“ warb.
Schon knapp zwei Wochen zuvor, nicht weit vom Ort des
Straßenfestes entfernt, erhielt Berlin im Aufbau Haus am
Moritzplatz mit der Galerie Kai Dikhas (deutsch: “Ort des
Sehens”) den ersten Ausstellungsort in Westeuropa für
zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma.
Aktuell sind Werke der katalanischen Malerin Lita Cabellut
zu sehen, bis Jahresende 2011 soll es zwei weitere
Einzelausstellungen,
im
Winter
2011
eine
Gruppenausstellung geben. Auch Moritz Pankok, der künstlerische Leiter der Galerie, unterstreicht, dass er ein anderes Bild von der diskriminierten Minderheit zeigen wolle, als
das, was man üblicherweise im Kopf habe. Besonders in der
bildenden Kunst bestehe - im Gegensatz zur Musik – noch
ein erheblicher Nachholbedarf.
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NOTABENE
Roma-Musik gab es zum gleichen Zeitpunkt allerdings auch
im Aufbau Haus, das noch immer eine Baustelle ist und erst
am 17. Juni offiziell eröffnet wird. Bereits am 6. Mai präsentierte das Theater Aufbau Kreuzberg (TAK) mit dem
dreitägigen „NILAJ- Kulturfrühling der Sinti und Roma“ sein
erstes Bühnenprogramm, das mit Gipsy.cz aus Tschechien,
der legendären „Queen of the Gypsies“ Esma Red?epova
aus Mazedonien und der Supergruppe Mahala Raï Banda
aus Rumänien international bekannte Vertreter osteuropäischer Roma-Musik aufbot. Von 2011 an soll NILAJ ein fester Termin im Jahresprogramm des Aufbau Hauses werden.
MOE-TIPP
Lita Cabellut, Ausstellung, der Galerie Kai Dikhas bis
zum 19. Juni 2011
In diesem Zusammenhang Neukölln stellt Lehrer für Roma-Kinder ein
Schulen in Neukölln haben elf Lehrer eingestellt, um eine
Vielzahl neuer Schüler aus Südosteuropa unterrichten zu
können. Das Bezirksamt reagiert damit auf den großen
Zulauf besonders von Roma-Familien. 540 südosteuropäische Schüler wurden gezählt, drei Viertel von Ihnen sprechen kein Deutsch.
dpa-meldung, 20.4.2011
MOE im GESPRÄCH
New Generation “RADICAL JEWISH CULTURE” –
Einblicke in die Musikszene New Yorks seit 1990
Angelika Buchelt
Im Jüdischen Museum Berlin stellte Cilly Kugelmann,
Stellvertreterin des Direktors und Programmdirektorin seit September 2002, die Sonderausstellung “Radical
Jewish Culture” vor.
Sie konstatierte, dass es zuvor noch nie eine
Musikausstellung im Jüdischen Museum gab und dass dieser Themenbereich sich besonders schwierig in der
Umsetzung gestaltete. Die Ausstellung startete in Paris Musée d ´art et d´histoire du Judïsme -. Mathias Dreyfuss
war der Ku rator. Anfangs war der Blick auf diese
Ausstellung sehr skeptisch, weil man es ja bei
Ausstellungen eigentlich mit der visuellen Kultur zu tun hat
und nicht mit der akustischen. Cilly Kugelmann sprach von
den spannenden Interviews, die sich während der
Auseinandersetzung mit der Ausstellung eröffneten, und
dass diese letztendlich den Ausschlag für die
Projektumsetzung in Deutschland ergaben.
Was verbirgt sich unter dem Stichwort - Radical Jewish
Culture -?
In erster Linie geht es um die Musik. Alles, was sich darin
versammelt, hat ausgerechnet in Deutschland eine Art
Wendepunkt erfahren und zwar auf einem Musikfestival “Art
Projekt `92” in München.
John Zorn, New Yorker Komponist und Saxophonist und
einer der sieben künstlerischen Leiter, betitelte seinen
Programmteil als “Festival for New Jewish Culture”. Er versammelte Musiker unter diesem Dach, die sich eigentlich
nie als jüdische Musiker verstanden haben. Cilly Kugelmann
MOE
JUNI 2011
sprach davon, dass der jüdische Fokus auch ein bisschen
kompliziert ist, weil es nicht darum geht, dass die Musik von
Juden geschrieben und gespielt wird. Das macht sie noch
nicht zur jüdischen Musik. Es ist eine Ausstellung, die auf
jeden Fall gut in ein jüdisches Museum passt, weil wir weder
genau wissen, was jüdische Kunst und Musik ist und diese
Frage bleibt offen für John Zorn und für jedes jüdische
Museum.
Zu dem Musikfestival in München lud John Zorn jüdische
Musiker unterschiedlicher Genres wie alternativer Rock,
NoWave, Jazz und Punk ein. Klezmer spielten nur wenige.
Ihr Ausgangspunkt war, verborgene Tradition subversiven
Judentums entdeckt zu haben, die sie in der Musik umsetzten wollten und Klezmer als künstlerisches Ausdrucksmittel
nicht mit einbezogen. Frau Kugelmann gab bei ihrer
Vorstellung des Projekts zu bedenken, dass das
Musikfestival zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion in der DDR statt fand. Gerade zu diesem
Zeitpunkt gab es viele rassistische, antisemitische Aktionen.
Asylheime wurden angezündet und es war eine brisante
politische Atmosphäre vielerorts anzutreffen. Keiner wusste
genau, wie man das interpretieren sollte, damit umgehen
sollte und in welche Richtung sich alles entwickeln würde.
Mit den Folgeerscheinungen haben wir es heute immer noch
zu tun. In dieser Zeit des Umbruchs fand das “Art Projekt “
in München statt. John Zorn dirigierte dort zum ersten Mal
seine Komposition “Kristallnacht”. Es ist seine persönliche
Auseinandersetzung vor, während und nach der Shoa. Ein
Ausschnitt seines Werkes ist im Rahmen der Ausstellung im
Jüdischen Museum zu sehen und zu hören.
Es war eine bewegte Zeit, 1992. John Zorn hat Musiker
zusammengestellt, die sich nicht ausschließlich als jüdische
Musiker verstanden. Einige fanden erst bei der gemeinsamen Arbeit heraus, dass sie Juden sind. Man hat sich aber
auch nicht unter dieser Prämisse getroffen. Es ging nicht
darum, jüdisch tradierte Musikkultur fortzusetzen, sondern
es ist eine Musikrevolution gewesen, die sich nicht auf die
jüdische Kultur bezieht, sondern beim Pop, beim Rock, beim
Punk, bei der zeitgenössischen Musik und der 12-Ton Musik
zu finden ist.
Das “Radical” an der Musik ist, dass es keine Musik zum
Mitsingen, Mitsummen oder Mittanzen ist. Man nimmt zwar
Elemente der Musiktradition an, aber eigentlich nur, um die
Musiktradition zu dekonstruieren.
Die Interpreten bedienen sich unterschiedlicher Elemente
für ihre Ausdrucksweise. Es gibt Musik, die wir nicht als solche bezeichnen können, sondern als Geräusche wahrnehmen. Manchmal ist es auch nur ein provokantes Hörerlebnis.
Das Dargebotene ist jedenfalls ein spannendes Kapitel amerikanischer, jüdischer Kultur.
Ausgangspunkt
war
München
1992.
Weitere
Veranstaltungen folgten in New York und in verschiedenen
europäischen Städten in Mittel- und Osteuropa, und immer
mehr Künstler schlossen sich an. John Zorn war dabei die
treibende Kraft. Eng verbunden mit den führenden Musikern
dieser Szene waren Marc Ribot, Anthony Coleman und Frank
London aus der Downtown-Szene in den Clubs des südlichen
Manhattans. In den 60er Jahren entstanden dort neue
Formen jenseits von kommerzieller und akademischer
Musik. Es gibt zwar einen Bezug zur jüdischen Tradition,
jedoch wird dieser immer wieder selbst in Frage gestellt.
Das soziale und politische Engagement wird
in den
Mittelpunkt gerückt. Auch die Protagonisten dieser
Bewegung sind älter geworden und somit haben sich auch
ihre Ausdrucksformen verändert. Wo die Reise nach zwanzig
Jahren sich hinbewegen wird, was an ihre Stelle tritt, bleibt
im Ungewissen. Es gibt einen Ausblick am Ende der
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NOTABENE
Ausstellung.
Angelika Buchelt im Gespräch mit Arnold Dreyblatt
Arnold Dreyblatt wurde 1953 in New York geboren. Er studierte Komposition, Vergleichende Musikwissenschaften und
Medienwissenschaft. Sein künstlerisches Repertoire ist weitgefächert.
Seit 1984 lebt er in Berlin. Seine performative MultimediaOper “Who´s Who in Central & East Europe 1933”
wurde 1991 uraufgeführt und von John Zorn koproduziert.
Das Ensemble “Orchestra Of Excited Strings” wurde von
Dreyblatt gegründet und führte sein sein Werk auf. Auch
Shelley Hirsch, eine Spoken Word-Künstlerin der “Radical
Jewish Culture” Szene, gehörte ab 1991 mit dazu. Seine
Installation “Unausgesprochen” befindet sich in der
Dauerausstellung des Jüdischen Museums. Seit 2009 ist er
Professor
für
Medienkunst
an
der
Muthesius
Kunsthochschule in Kiel.
2007 wurde er zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin
gewählt.
New York ist ihre Heimat, und Sie haben sich mit diesem
Musikgenre schon seit längerer Zeit beschäftigt.
Ich komme aus New York, vertrete aber diese Bewegung
nicht, obwohl ich zwei CD - Produktionen von Tzadik erstellt
habe. Die erste Reihe entstand Mitte der 90er Jahre. Es
waren die ersten fünf bis zehn CDs, die er herausgebracht
hat. Die zweite Reihe, vom letzten Jahr, das ist meine Musik.
Ich kenne John seit vielen Jahren, ich kenne viele Musiker,
die darin involviert sind. Meine eigene Musik ist nicht improvisiert, die Wurzeln sind im Symbolismus zu finden. Es ist
eine eigene Art von Musik.
Vielleicht bin ich hier, in dieser Stadt, die einzige lebende
Person, die mit dieser Art von Musik überhaupt etwas zu tun
hat. Wahrscheinlich wurde ich aus diesem Grund mit dazu
gebeten. Ich bin auch bildender Künstler und habe eine permanente Ausstellung am Ende des Museums.
In New York hatten Sie keinen Kontakt zu dieser
Musikrichtung?
Ja, weil ich schon weg war, nicht mehr in New York lebte. Ich
hatte Kontakt zu den Anfängen der Klezmerbewegung. Für
die erste Platte von Andy Statman habe ich die Label Note
geschrieben. Es gibt eine kleine CD von G. Tillmann aus
Wien, aus den frühen 90er Jahren. Es gibt ein paar
Verbindungen, aber die Musiker aus dieser Szene habe ich
erst kennen gelernt, als ich schon in Deutschland war. Mit
Shelley Hirsch habe ich viel zusammen gearbeitet. Sie war
bei einigen Theaterproduktionen von mir mit dabei.
1984 kamen Sie nach Deutschland. Die Mauer stand noch.
Wie haben Sie die jüdische Kultur, das jüdische Leben in
Berlin erlebt?
Das ist eine lange Geschichte. Natürlich, ich fand eine sehr
traurige Gemeinde vor, als ich aus New York kam. Es waren
ungefähr dreitausend bis viertausend Leute involviert, alle
traumatisiert. Viele kamen aus DP- Lagern (DisplacedPersons DPs; im besetzten Nachkriegsdeutschland), die hier
geblieben sind. Für mich war es ein trauriges Erlebnis. Aber
über die vielen Jahre habe ich versucht, in unterschiedlicher
Art und Weise, Kontakt zur Gemeinde aufzubauen und bin
Mitglied geworden. Ich versuche meinem Sohn etwas über
das Judentum zu vermitteln.
In Interviews habe ich immer wieder gesagt, diese
Ausstellung hier in Deutschland, im Jüdischen Museum, ist
für die Deutschen meistens mit einem religiösen
Hintergrund verbunden. Der Zusammenhang für NichtJuden besteht darin, dass man denkt, es hat etwas mit einer
MOE
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religiösen Gemeinschaft und dem Holocaust zu tun. Wenn
man in Deutschland über die normale Sozialisation
der Juden spricht, sind drei Elemente ausschlaggebend: die Religion, die israelische Politik und die
Shoa - die Vergangenheit. Das betrifft aber nicht die
jüdische Kultur. Es gibt keine jüdische Kultur mehr in
Deutschland. Viele bekannte jüdische Intelektuelle in
Kulturkreisen, die bis zum Krieg hier tätig waren,
waren aber nicht religiös. Dann stellt sich die Frage,
was ist religiös?
In New York ist eine junge Generation aufgewachsen,
die sich ähnliche Fragen stellt: Was könnte Religion
für mich heute bedeuten?
Bezeichnend ist aber auch, Kultur ist nicht nur Musik. Aber
mit einem Fragezeichen versehen. Die Frage wurde nie
beantwortet, worin besteht der Zusammenhang? Die
Musikrichtung hat ihre Wurzel, glaube ich, in einer improvisierten Art. Es wurde nie beantwortet, was es eigentlich ist.
Es gibt einige geistige und musikalische Elemente. Aber
genau kann man es nicht definieren.
Bemerkten Sie eine Veränderung nach der Maueröffnung, in
Hinblick auf die jüdische Gemeinde?
Wie viel es mit der Maueröffnung zu tun hat, das weiß ich
nicht. Die Gemeinde ist größer geworden. Es gibt mehr
Pluralität, in diese Richtung ist mehr möglich geworden.
Zum Beispiel entstanden die Klezmer-Cafés. Deutsche spielen Klezmer. Da stellt sich für mich die Frage, was ist das?
Ich möchte es nicht kritisieren, aber es ist auch zu hinterfragen, was spielt sich psychologisch bei den jungen
Menschen ab?
Als die “Kristallnacht” von John Zorn in München uraufgeführt wurde, nahm Sie die breite Öffentlichkeit kaum wahr.
Nur in speziellen Musikkreisen. Der Zusammenhang mit
Deutschland ist offensichtlich. Es ist wa h r, was Cilly
Kugelmann gesagt hatte. Viele wussten nicht, dass die
anderen Juden sind. So war es auch bei Lou Reed. Aber
dann stellt sich die Frage von selbst, was das heute für
jeden Einzelnen zu bedeuten hat.
Was möchten Sie heute der jungen Generation vermitteln?
Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich beschäftige
mich nicht nur mit der Musik. Ich bin auch bildender
Künstler und Professor für bildende Kunst und in verschiedenen Bereichen tätig. Ein Schwerpunkt sind Installationen,
die ich zur Gedenkkultur erstellt habe.
Konnten Sie sich die Ausstellung im Jüdischen Museum
schon in Ruhe anschauen, und gefällt sie Ihnen?
Ich habe sie gesehen und sie gefällt mir. Sie zu zeigen, finde
ich für Deutschland wichtig.
Ich danke Ihnen für das Gespräch
MOE-TIPP
- “Radical Jewish Culture. Musikszene New York seit
1990”,
Sonderausstellung, bis zum 24. Juli 2011 im
Jüdischen Museum Berlin.
Begleitet wird
di Ausstellung von Video- und
Audiostationen.
- Im Himmel, unter der Erde. Der Jüdische Friedhof
Weißensee
Regie: Britta Wauer
Der Dokumentarfilm ist so etwas wie ein Denkmal für ein
Denkmal: 1880 wurde der Friedhof Berlin-Weißensee angelegt. Es ist der mit 115.000 Grabstellen größte jüdische
Friedhof Europas, seit den 1970ern steht er unter
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NOTABENE
Denkmalschutz, in einigen Jahren soll er außerdem von der
UNESCO zum Welterbe ernannt werden. Die rund 86
Fußballfelder umfassende Ruhestätte wird immer noch
genutzt. Vorsichtig nähert Wauer sich dem erhabenen Ort
samt all den großen Geistern und vergessenen Namen, die
dort wie in einem Geschichtsbuch versammelt sind...
Kino Krokodil: 10., 12., 13.06., 17.30 und 14.06., 18.30
www.kino-krokodil.de
>> Lesetipp
Osteuropa Zentrum Berlin Verlag
www.oezb-verlag.de
Überlandleitung ... Bulgarien
Irina Lazarova
kein einziges „zwischen“. Alle sind hier – die Protagonisten,
die Autorin, die Sprache, das Publikum.
Simone Kornappel, die Gesprächspartnerin Sofronieva am
Abend, steuert die nächsten Themen – Preise, Projekte,
Netzwerke, Ideen. Mitte der 90er initiiert Sofronieva das
Netzwerk Verbotene Worte, das sich mit belasteten, politisch missbrauchten oder unübersetzbaren Worte wie
Heimat, Seele oder Trost auseinandersetzt, aktuell im digitalen Zeitalter sind es Projekte wie Web Streaming Poetry.
Und immer wieder stellt sich die Frage nach der SPRACHE.
- Wie wählt man die Sprache für ein Gedicht – Bulgarisch,
Deutsch oder Englisch? „Die Sprache kommt wie sie gerade
will. Die Sprache ist nicht das Werkzeug, sondern die
Denkweise.“ – erklärte die Lyrikerin wie ihre Gedichte entstehen.
Sofronieva hat auf Deutsch zu schreiben begonnen, um
Deutschland zu verstehen. Obwohl sie das Essentielle des
Landes (oder zumindest des Berlins) langst begriffen hat,
schreibt sie weiter in dieser Sprache und ihr erster Roman
ist bereits abgeschlossen.
Das Gespräch ist zu Ende, die leeren Gläser liegen an dem
Tresen, am Bahnhof hört man die Sprachen Berlins.
Lese-Tipps:
> Tzveta Sofronieva: Diese Stadt kann auch weiß
sein, Erzählband, Verlag Hans Schiler, Berlin/Tübingen,
2010
> Tzveta Sofronieva: VIA DUKTE, Lyrikband, ICHverlag
Häfner + Häfner, Nürnberg, 2010
http://www.tzveta-sofronieva.
Das Licht der kleinen Kerze verwandelt mein Glass in ein
leuchtendes Kaleidoskop. Wände und Fenster sind kahl,
paar Bilder machen die noch kahler. Die Flecken auf der
Decke – eine Karte der Zeit. In der Mitte des Salons sitzen
an einem runden Tisch zwei Frauen, zwei Lyrikerin – die eine
liest, die andere fragt. Das Publikum hört mit und mischt
sich im Gespräch. Es geht um Sprachen, Länder, Männer
und Frauen, Texte und Literaturpreisen.
Obwohl sich Tzweta Sofronieva nicht gerne in der
„Migration“-Schublade der Literaturkritiker sieht, ist sie die
erste Schriftstellerin im Programm der Lesereihe „Überlandleitung“ in der Kreuzberger Literaturhaus Lettrétage. In
Bulgarien wird sie als „zu Deutsch“ wahrgenommen, in
Deutschland für „bulgarisch“.
Der Gastgeber von Lettrétage, Tom Bresemann, eröffnet
die Reihe mit der Frage: „Was bedeutet zwischen Sprachen
zu leben und zu schreiben?“
Eine Antwort gibt Sofronieva mit der Erzählung
„Paramount, Westbulgarien“. Eine Geschichte, die nicht
nur Ländergrenzen überschreitet sondern auch zeitliche. Es
geht um Kriege auf dem Balkan, aber auch um heutige EU
Entscheidungen. Die ernste Materie ist mit einer Prise
zwischensprachliche Ironie gewürzt: „Auf Bulgarisch nennte
man diese Soldaten Pechotinzi, solche, die zu Fuß gehen,
doch Pechotinzi kann man auch die, die am meisten Pech
haben verstehen.“
Ein zentrales Thema der Erzählung sind die Unbenennungen
und daran schließt sich die Diskussion danach. Es ist wenig
bekannt in Deutschland wie Ende der 80er die Namen der
Türken in Bulgarien geändert wurden und dadurch
Menschen von ihrem Zuhause vertrieben wurden.
„Das Geräusch“ ist der zweite am Abend vorgelesene Text.
Eine Erzählung, die Sofronieva in der literarische Schublade
„Berliner Autorin“ bringt. Die Geschichte spielt „nahe am
See und den Wäldern im Süden der Stadt“ und man findet
MOE
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Polen-Analysen Nr. 90
Die polnische EU-Ratspräsidentschaft
- Analyse
Die polnische Ratspräsidentschaft in der Europäischen
OUnion: Herausforderungen, Erwartungen, Pläne und
MMöglichkeiten
Agnieszka Lada, Warschau
- Dokumentation
Die EU-Ratspräsidentschaft Polens in Zahlen und
TTerminen
- Umfrage
Einstellungen der polnischen Bevölkerung zur EUMMitgliedschaft
Die Polen-Analysen erscheinen am 1. und 3. Dienstag im
Monat als E-Mail-Dienst. Sie werden gemeinsam vom
Deutschen Polen-Institut Darmstadt, von der Bremer
Forschungsstelle Osteuropa und der Deutschen
Gesellschaft für Osteuropakunde herausgegeben.
www.deutsches-polen-institut.de
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NOTABENE
>> Nachtrag
Ein ganz normales Genie
Der Pianist Rafal Blechacz im Konzerthaus Berlin
Michael Kleineidam
Lange mussten die polnischen Musikenthusiasten warten,
bis 2005 mit Rafal Blechacz wieder ein Gewinner des
Internationalen Chopin-Wettbewerbs aus Polen kam. 30
Jahren zuvor gewann Krystian Zimerman diesen seit 1927
ausgetragenen, bedeutendsten Klavierwettbewerb der Welt,
der ab 1955 in einem 5-Jahre-Rhythmus stattfindet. Mit
Halina Czerny-Stefanska (1949) und Adam Harasiewicz
(1955) stammten ohnehin erst zwei weitere 1. Preisträger
aus Chopins Geburtsland.
Als Blechacz gewann, vergab das Preisgericht, um die
Ausnahmestellung des Siegers zu betonen, keinen 2. Preis,
auch drei Sonderpreise gingen an den damals zwanzigjährigen Pianisten. Schließlich erhielt er auch noch den von
Krystian Zimerman gegründeten Preis für die „Beste
Aufführung einer Sonate“. Dieser Triumph öffnete ihm einerseits die Türen derrenommiertesten Konzertsäle der Welt,
andererseits dürfte durch ihn der Erfolgsdruck ernorm
gewachsen sein, was schon so manches Talent frühzeitig
zerstörte. Blechacz ging mit dem Erfolg sehr besonnen um.
Zunächst schloss er 2007 sein Studium an der Feliks
N o w o w i e j s k i-Musikakademie Byd g o s zcz
ab. Es folgten
Tourneen durch Europa und erste, inzwischen vielfach ausgezeichnete CD-Aufnahmen. Nebenbei begann er ein
Philosophiestudium an der Universität Poznan. Immer wenn
er im Flugzeug sitze, erzählt er, oder im Hotel sei, habe er
seine Bücher dabei. Und noch immer spielt er in der Kirche
seines Heimatortes Naklo nad Notecia in Nordpolen in der
Messe am Sonntag die Orgel.
Das Berliner Publikum war im April diesen Jahres mit entsprechend hohen Erwartungen in den Kammermusiksaal des
Ko n zerthauses gekommen, um Blechacz in einem
Solokonzert mit Werken von Bach, Mozart, Debussy, Chopin
und Szymanowski zu erleben.
Nicht schüchtern, aber zurückhaltend betrat er das Podium,
keine Spur von Glamour eines Sterns am Pianistenhimmel.
Nach kurzen Momenten der Konzentration und gedanklicher
Antizipation begann er mit dem „Italienisches Konzert“ FDur von J.S. Bach und nahm sogleich die ZuhörerInnen mit
auf eine musikalische Erlebnisreise, von der er sie erst mit
den letzten Takten entließ.
Blechacz ist ein begnadeter Erzähler am Klavier, er lässt es
singen und wo angebracht auch tanzen. Es wurde viel
gesungen und oft getanzt an diesem Abend, auch schon bei
J.S. Bach. In Mozarts später Klaviersonate B-Dur KV 570
fügte Blechacz mit enormer musikalischer Intelligenz die
Fülle unterschiedlichster, oft erstaunlich „bühnennaher“,
Einfälle zu einem Ganzen voll lebendiger Frische zusammen.
Dann
Debussys
„Estampes
(Kupferstiche)“,
drei
Charakterstücke mit den die Schauplätze bestimmenden
Werktiteln „Pagode“, „La Soirée dans Grenade“ und „Jardin
sous la Pluie“. In diesen impressionistischen Stücken kann
Blechacz die technische Brillanz und den ganzen
Farbenreichtum seines Spiels entfalten. Man ahnt, warum
Manuel de Falla über „La Soirée dans Grenade“ urteilte:
„Was uns hier geboten wird ist Andalusien: die Wirklichkeit
ohne Authentizität, möchte man sagen, weil kein einziger
Takt Folklore entliehen wurde. Und dennoch atmet das
ganze Stück bis in die kleinsten Einzelheiten Spanien“. Ähnliches ließe sich auch über den Regen im Bois de Bologne
sagen.
Den
MOE
zweiten
Teil
JUNI 2011
dieses
mediterran
inspirierten
Konzertabends widmete Blechacz Kompositionen seiner polnischen Landsleute Chopin und Szymanowski. Schon mit
dem kraftvollen Auftakt der Barcarolle Fis-Dur machte er
deutlich, dass er Chopins Musik weit entfernt von jeder sentimentalen Süße versteht. Wie Blechacz, ein Zauberer der
Klangnuancen, dieses Gondellied als Liebesgeschichte auf
einem venezianischen Kanal im Rhythmus der Ruderschläge
gestaltete, war einfach herzbewegend schön. Von den drei
Mazurken op. 50 rückte er die ersten beiden eher in die
Nähe eines einfachen polnischen Volksfestes, als dass er sie
im feinen Ambiente eines Konzertsaales ansiedelte.
Mit Karol Szymanowski präsentierte Blechacz einen nicht oft
gespielten, großen polnischen Komponisten aus der 1.
Hälfte des letzten Jahrhunderts, Nachfolger des Klassikers
Chopin und Wegbereiter der „Modernen“ wie Baird,
Lutoslawski und Penderecki. Mit “Präludium und Fuge in CisMoll“ gewann Szymanowski 1909 einen Preis in einem
Wettbewerb, bei dem u.a. Ferrucio Busoni Preisrichter war.
Noch als Student schrieb er die Variationen b-moll op. 3,
zwölf eng an konventionellen Formprinzipien orientierte
Stücke mit je eigenem Charakter und voller überraschender
Klangspiele, die er seinem Freund, dem später weltberühmten Pianisten Artur Rubinstein widmete. Mit der letzten
Variation – allegro con fuoco – zeigte Blechacz, dass er lustvoll virtuos sein kann, auch wenn er es nicht immer und
überall beweisen muss. Das Publikum sollte schließlich wissen, wann es endlich in Applaus ausbrechen durfte. Mag
sein, in vielen Jahren wird einmal eine der heutigen, jungen,
begeisterten Zuhörerinnen ihren Kindern vorschwärmen:
damals habe ich den großen Blechacz am Gendarmenmarkt
gehört…
Theatertreffen 2011
Fantastisches Theater
Stück einer polnischen Autorin beim Stückemarkt des
Berliner Theatertreffens 2011
Wenn ein junger deutscher Autor gefragt nach dem Thema
seines Schaffens mit „Ich bin auf Deutschland und deutsche
Angelegenheiten fixiert“ antworten würde, brächte ihm das
sicherlich weder Sympathie noch Popularität ein. Jedes Land
hat jedoch seine eigenen Sitten und was hier nicht geht,
geht vielleicht gut bei den Nachbarn, kulturelle Muster hängen oft mit der Geschichte zusammen. Malgorzata SikorskaMiszczuk wurde in Polen schon vor einigen Jahren als eine
sehr interessante Autorin entdeckt, sie wird geschätzt, gilt
aber auch als umstritten. Sikorska hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf und vielseitige Schreiberfahrungen. Die in
den 60er Jahren geborene Warschauerin studierte
Politikwissenschaften und Journalismus in der Hauptstadt
und hat bald entschieden, in die Kunst zu wechseln. Sie
lernte Drehbuchschreiben an der renommiertesten polnischen Hochschule für Film, Fernsehen und Theater in Lodz
(die mit Namen wie Andrzej Wajda, Jerzy Skolimowski und
Roman
Polanski
verbunden
ist).
Erfolgreich
als
Drehbuchautorin für Spielfime und Fernsehserien, begnügte
sich Sikorska-Miszczuk nicht damit, auf diesem Feld zu bleiben, sondern erweiterte ihr Schaffen um Hörspiele und
Erzählungen, auch Werbetexte.
Vom Theater hielt sie sich sehr lange fern, obwohl sie schon
immer eine große Faszination für diese Kunstgattung verspürte. Das Leben der Autorin scheint jedoch dadurch
bestimmt zu werden, nie angekommen zu sein, sondern
stets
nach
neuen
Erfahrungen
und
weiteren
Herausforderungen zu suchen. Preise – es waren nicht wenige – sind für sie Bestätigung aber kein Grund bei „ihrem
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NOTABENE
Leisten“ zu bleiben. Sie sind eher ein Signal, dass es an der
Zeit ist, nach Neuem zu suchen. Mit 40 fängt Sikorska ein
Studium von Gender Studies an und stößt gleichzeitig auf
ein Projekt des Theaters Teatr Rozmaitosci. Die Leiter des
Hauses sind der Meinung, dass dramatisches Schreiben
handwerklich gelernt werden kann, entgegen der bis dahin
im Land verbreiteten Auffassung, dass man als Dramatiker
geboren wird und „natürliches Talent“ sowie „Wunder des
Schaffens“ alles sind, worauf man sich verlassen muss.
Sikorska-Miszczuk meldet sich zur Werkstatt an und ihr
erstes Drama „Psychoterapia dla psów i kobiet“
(„Psychotherapie für Hunde und Frauen“) wird einer von
zwei Texten, die am Ende des Studiums im Teatr
Rozmaitosci eine öffentliche Lesung erfahren.
2006 gewinnt Sikorska mit dem Drama „Smierc CzlowiekaWiewiórki“ („Der Tod des Eichhörnchenmenschen“ übersetzt
von A. Volk) einen Wettbewerb und erlebt nicht nur die erste
polnische Premiere ihres Stückes, sondern auch Lesungen in
Schweden und den USA. Die Inszenierung von Marcin Liber
wird auf drei Festivals in Deutschland präsentiert: 2007 bei
„Cut and Paste“ im HAU in Berlin, bei Transfusion auf
Kampnagel in Hamburg und ein Jahr später bei der
Theaterbiennale „Neue Stücke aus Europa“ in Wiesbaden.
„Der Tod des Eichhörnchenmenschen“ handelt von der RAF.
Als eine skurrile Farce wird das Leben von Ulrike Meinhof
vermischt mit Fantasie-Erfindungen erzählt, wobei die
Fragen, wie werden Menschen von Macht geprägt und wie
schlägt sich Politik im Privatleben nieder, über die
Geschichte der Journalistin hinausgehen.
Es ist einer der wenigen Texte der Autorin, der keine polnische Thematik behandelt. Sonst ist Sikorska-Miszczuks’
Thema hauptsächlich ihr Land Polen, genauer gesagt die
polnisch-polnischen Angelegenheiten, darunter insbesondere die, die am meisten traumatisch besetzt sind. Die Autorin
setzt sich mit schmerzhaften aktuellen Problemen auseinander und sie tut es nicht selten auf eine Weise, die man in
Polen „den Stock in einen Ameisenhaufen stecken“ nennt.
Sie stellt nationale Stereotypen bloß und kritisiert scharf
den polnischen Nationalismus, was in Polen - manch deutscher Leser mag staunen - nicht populär ist.
In ihrer Weltbetrachtung (Selbstbetrachtung inbegriffen)
steht Siko rs k a- M i s zczuk in der Tradition von Witkacy,
Gombrowicz und Mrozek (der erste von ihnen wartet immer
noch darauf, in Deutschland entdeckt zu werden). Alle drei
kennzeichnete eine sehr kritische, sogar auslachend-verhöhnende und nicht realistische Sicht auf die Welt.
„Realismus ist langweilig, die Avantgarde ist nicht tot“ –
Sikorska-Miszczuk drückt einfacher als ihre Vorgänger dieselben Gedanken aus. Diese Einfachheit passt zu ihrer Zeit.
Die Autorin plädiert für das Theater des Absurden, für „pure
>> nonsense“ und das Surreale. Das Stück „Szajba“ („Rad ab“,
übersetzt von A. Volk) ist eine verrückte, absurde und
schwarze Komödie, die in Polen auch als das „komödische
Nationaltheater“ bezeichnet wurde. Das Drama wurde als
„erste polnische ’political fiction & comedy’“ gefeiert, übrigens sehr oft verbunden mit der Zusatzbemerkung: „die
dazu von einer Frau geschrieben wurde“ – auch das dürfte
dem deutschen Leser eher etwas ungewohnt vorkommen.
Das Innovative bei Sikorska-Miszczuk liegt einerseits im
Erschaffen einer neuen Form in der polnischen Dramatik,
andererseits im Wiederbeleben und Weiterentwickeln der
polnischen Tradition des Absurden. Ein anderes, interessantes Element ihres Schaffens ist die fiktionale und absurde
Darstellung von Themen zeitgenössischer Geschichte. Im
Fall von „Burmistrz“ („Der Bürgermeister“ übersetzt von B.
Voelkel) ist es sogar ein Thema, das in Polen bisher – falls
überhaupt angesprochen – fast ausschließlich in dokumen-
MOE
JUNI 2011
tarisch-historischer Form angefasst wurde. Das Dra m a <<
(ähnlich wie bei der Meinhof-Geschichte) ist vor allem ein
Geschöpf der Phantasie, obwohl der Auslöser, der zum
Entstehen des Textes führte, eine von der Dramatikerin
gelesene, auf Fakten basierende Zeitungsreportage war. Es
war ein Artikel der in Polen bekannten Tageszeitung Gazeta
Wyborcza, in dem berichtet wurde, was mit dem
Bürgermeister von Jedwabne passierte, nachdem er erste
offizielle Feierlichkeiten zum Jahrestag des Mordes an den
Juden im Ort durchführte. Er wurde von den Einwohnern
abgewählt und emigrierte in die USA. Um kurz zu erinnern,
Jedwabne ist der Ort, wo 1941 unter deutscher Besatzung
nicht die SS ein Massaker an jüdischen Bewohnern verübte,
sondern die polnischen Mitbewohner. Trotz des historischen
Hintergrundes ist „Der Bürgermeister“ eine bizarre FantasieErfindung, die nicht der Realität, sondern der Welt der Kunst
entsprungen ist.
Wer nun erwartet, dass Sikorska-Miszczuk zu einer Leitfigur
oder Richtungsvorgeberin in der polnischen Literaturwelt
werden könnte, wird schnell enttäuscht sein. Auch hier steht
die Autorin in der Tradition von Künstlern, die nicht als
Vorzeige-Figuren taugen. Man kann sie nicht in eine vornehme Schublade stecken, nicht mal in eine Schublade, die
nur für eine Richtung oder Position gilt. Ihre Texte strotzen
vor Widersprüchen, viele Aussagen sind politisch und
menschlich inkorrekt, man findet Äußerungen, die peinlich
sind und nicht in einen gesellschaftlichen Salon gehören,
manches bringt die Zuhörer in Verlegenheit. Aber gerade
Sprachschöpfungen und Wortspiele sind Sikorskas Stärke.
Sie schöpft aus den Volkssprachen (in einem Land, wo noch
vor kurzem Dialekte als unfein galten) und aus der
Fäkalsprache (was zwar seit den Erfolgen von D o r o t a
Maslowska nicht mehr ganz verpönt, aber bei der „hohen“
Literatur immer noch nicht gut angesehen ist). Musikalität
der Texte ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Das Stück „Der Bürgermeister“ hat sich als einer von acht
aus insgesamt 356 Texten, die zum Stückemarkt des
Berliner Theatertreffens 2011 eingereicht worden waren,
durchgesetzt. Das diesjährige Motto des Wettbewerbs lautete „Erkenne dich selbst, verrate den anderen“. Man könnte
sagen, dass das Drama von Sikorska-Miszczuk mit seinem
Thema zu diesem Leitmotiv wie „ Arsch auf Nachttopf“
passt. Es ist anzunehmen, dass eine so formulierte
Einschätzung der Autorin gefallen würde. Sie könnte ihrer
Feder entstammen.
Sein oder Nichtsein
Ein deutsch-polnisches Projekt am Maxim-GorkiTheater Berlin
Iwona Uberman
Man schreibt das Jahr 2011. Es gibt ein vereinigtes Europa
und Deutschland und Polen sind seine Mitglieder. Zwischen
den beiden Ländern gibt es seit Langem keinen Krieg mehr.
Stattdessen spielt man gemeinsam Theater. Herrliche
Zeiten. Natürlich erinnert man sich noch an die
Vergangenheit, die Zeiten des Krieges sind auf beiden
Seiten noch nicht ganz vergessen. Deshalb spielt man auch
darüber Theater, über die Zeit als man gegeneinander
kämpfte. Um jedoch nicht zu erlauben, dass nur das
Tragische über alles bestimmt, steuert man geschickt an,
Gleichgewicht einzubringen und die Seite des Komischen
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bewusst zu betonen. Man entscheidet also, über den Krieg
eine Komödie zu spielen. Inzwischen gibt es ja mehrere
davon, darunter einige wirklich sehr gute wie zum Beispiel
einen der Klassike r, der zu der gegebenen Situation
besonders gut passt: „Sein oder Nichtsein“ von Ernst
Lubitsch. Bis dahin ist an dieser guten Idee wirklich nichts
auszusetzen.
Aber nicht nur gute, sogar geniale Ideen gelingen bei ihrer
Umsetzung nicht immer. So ist auch bei dem gemeinsamen
Projekt des Berliner Maxim-Gorki-Theaters und des
Krakauer Teatr Stary, dessen Ergebnis eine deutsch-polnische Doppelinszenierung von Nick Whitbys Komödie „Sein
oder Nichtsein“ in der Regie von Milan Peschel ist, leider
nicht alles lobenswert, vor allen, wenn man ins Detail geht.
Aber auch in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten inzwischen verändert: Man darf streng und ehrlich zueinander
sein, ohne gleich der Ressentiments verdächtigt zu werden.
Man darf Kritik üben, statt nur diplomatisch höflich zu bleiben, ohne befürchten zu müssen, dass man gleich wieder
zum Krieg anstochert, statt Versöhnung und dauerhafte
Freundschaft zu festigen. Auch gemeinsame Projekte dürfen
auf den Prüfstand. Diese langsam fortschreitende
Normalisierung der Verhältnisse ist gut und gesund und
bezeugt wachsende Nähe zueinander. Man mag vielleicht
manchmal die Vorteile der Schonzeit vermissen, es bleibt
einem jedoch nichts anderes übrig: man wächst selbst mit
der Zeit.
Jedoch zurück zum Stück. Der Plot dürfte den meisten
Zuschauern aus dem Film von Ernst Lubitsch bekannt sein:
Während des 2. Weltkrieges werden Schauspieler eines polnischen Theaters in Warschau zu Widerstandskämpfern und
beteiligen sich erfolgreich an der Bekämpfung von NaziDeutschland, indem sie in spektakulären Aktionen imstande
sind, den Führer zu imitieren, für Verwirrung zu sorgen und
den Feind zu überlisten.
Dieser Vorlage folgt die Theaterfassung streckenweise,
wobei sie sich mal von der ursprünglichen Geschichte sehr
entfernt, mal plötzlich detailgetreu an nicht immer wirklich
wichtigen Stellen in ihr festhält, so dass dem Ganzen nicht
selten eine gewisse Unentschiedenheit und Unschlüssigkeit
anzusehen ist. Dazu kommt, dass sich in die Story sachliche
Veränderungen einschleichen, die unnötig bis ärgerlich sind.
Dass man dank ihnen mal einen Lacher hervorruft, macht
die Sache nicht besser. Manche von Lubitsch übernommene
Witze werden größer und gröber gemacht, hintereinander
wiederholt und in einen anderen Kontext gestellt: zur
Sicherheit lacht man über sie selbst sehr laut auf der Bühne.
Auch die offene Rollenzusammenlegung (Re g i s s e u rSchauspieler und Garderobiere sind eine Person) verändern
die Beziehungen zwischen den Personen und schwächen die
allgemeine Rahmensituation. Dazu kommt, dass man – wie
man im Stück erfährt – die in ganz Polen berühmteste
Theaterdiva Maria Tura und ihren ebenfalls als genialen
Darsteller geltenden Mann Josef Tura als tollpatschige und
bornierte Trottel erlebt. Dasselbe lässt sich über den jungen
Verehrer der Diva Stanislaw Sobinski sagen, der laut
Beschreibung einer der Elite-Offiziere einer polnischen
Flieger-Sondereinheit ist.
Es ist schwer zu sagen, ob die Gegengewichte zur platten
Situationskomik in den Szenen schon im Text fehlen oder
erst durch Weglassen bei der Inszenierung auf der Strecke
bleiben. Das Einbauen einer langen Hamlet-Monolog-Szene
sollte vielleicht als Versuch dienen, gegen diese falschen
Proportionen zu wirken, misslingt jedoch gänzlich. Schon im
Text vorhandene Schwächen werden zusätzlich durch die
Darstellungsart der Figuren verstärkt. Das nur auf
H e r vorheben der Lächerlichkeiten statt des beiläufigen
Zeigens menschlicher Macken und Schwächen, auf Plattheit
statt Doppelbödigkeit und auf bauernhafte Dummheit statt
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Widersprüchlichkeit bei unterdurchschnittlichen Charakteren
hinauslaufende Spielen verliert sich in seiner Einseitigkeit
und nimmt den teilweise bravourös ausgespielten komischen Einzelszenen viel von ihrer Kraft. Nur Wilhelm Eilers
als Spion-Professor Silewski gelingt es kurz vor seiner szenischen Hinrichtung, in eine andere Haltung zu wechseln,
wodurch die Szene für einen Moment die wirkliche
Spannung und Gefährlichkeit der Situation einfängt.
Es ist schade, dass der Regisseur nicht darauf achtete, dass
eine wirklich gute Komödie immer von Doppelbödigkeit,
vom Wechsel vom Komischen und Tieftragischen lebt. Raum
dafür gäbe das Stück genug, sowohl durch die
Ausgangssituation
als
auch
bei
der
möglichen
Facettengestaltung der meisten Figuren. Wenn man dazu
noch den Eifersuchtsplot nicht so gewaltig exponieren, einige
Witzwiederholungen
streichen
und
lange
Slapsticknummer straffen würde, wäre dies dem Abend nur
zugute gekommen.
Aber es gibt auch schöne Lösungen an diesem Abend:
gelungenes Vollziehen des Ortswechsels vom Warschauer
Theater zu dem Fliegerlager in England und dann zurück
zum Fallschirmspringer in der privaten Wohnung der Turas
in Warschau. Auch das Spiel mit den Sprachen ist interessant, was im Fall der Kombination Deutsch-Polnisch viel
schwieriger als beim von vielen verstandenem DeutschEnglisch oder Deutsch-Französisch ist.
Das Ende des Stückes kommt abrupt und wirkt wie ein
plötzliches Hineingeraten in eine Sackgasse, aus der man
nicht mehr hinaus kann. Die Theatertruppe sitzt auf der
Bühne und fragt sich zweisprachig, wie es weiter gehen soll.
Sie findet keine Antwort. Im Publikum hat man den
Eindruck, dass man in die Situation zufällig geraten ist und
weiß wirklich einfach nicht mehr weiter. Die Luft ist raus,
vielleicht auch die Lust, aus der Misere herauszukommen.
So bleibt man zusammen mit dem Bühnenpersonal irgendwo auf der Strecke, sitzend nach einem halb gelungenen
und halb verlorenen Abend. Man hat auch keine große Lust,
Bilanz zu ziehen und kann sich selbst nur trösten, dass ja
nicht immer alles beim ersten Mal gelingen kann und dass
man nicht selten erst durch Übung Meister wird. Und dennoch, wenn man die Lage an ihrem Ausgangspunkt misst:
„am Anfang führten Deutschland und Polen Krieg miteinander“, darf man mit dem heutigen Zustand ganz zufrieden
sein. Also „Sein“ nicht „Nichtsein“ ist hier erwünscht. Oder
wäre es passender zu sagen: „Spiel es noch einmal Sam“?
Frühstück mit Früh-Stücken
Iwona Uberman
Am liebsten würde man den Tipp für sich behalten. Aus
Eigennutz. Um in Zukunft den Erhalt einer Karte für sich
selbst nicht zu gefährden, da dieses schon jetzt nur dann
möglich ist, wenn man sich beeilt. Die Kapazität des Saals
ist nämlich nicht besonders groß. Etwa 120 Leute finden
darin Platz. Die Sitzplätze sind auch jetzt schon immer
belegt, obwohl die Veranstaltung zurzeit noch eher als ein
Geheimtipp gilt.
Die Rede ist von „Früh-Stücken“, einer etwa zweimonatlich
im Saal des Deutschen Theaters stattfindenden
Informationsveranstaltung, die über die nächsten Premieren
auf den drei Bühnen des Hauses und manchmal auch an
anderen Orten in Berlin Auskunft gibt. Bei diesen Treffen
sonntags um 11Uhr ist es tatsächlich möglich, im DT zu
frühstücken, jedoch ist es nicht die leibliche, sondern die
geistige Speisekarte, wegen der man so gern kommt.
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NOTABENE
>> Die ursprüngliche Idee war, ein Meeting ins Leben zu rufen,
bei dem Freunde des Theaters Einblicke in die Tätigkeit des
Hauses bekommen und wo sie einiges mehr erfahren als
das, was im öffentlichen PR-Material zu finden ist oder mehr
als die Endergebnisse der Arbeiten selbst, die schon fertigen
Inszenierungen auf der Bühne, zu sehen bekommen. So
bestehen diese Treffen aus kurzen inhaltlichen Einführungen
in die gerade inszenierten Stücke, aus „Kostproben“ von
ihnen in Form von Lesungen oder Darstellungen einiger
Szenen, aus Gesprächen mit Autoren (wann trifft man sie
schon?) und Regisseuren (wann sieht man sie halbprivat so
nahe), die sich gern dafür gewinnen lassen, sich über das
konkrete Stück hinaus, über eigenes Leben, politische
Meinung, Erfahrungen mit dem Theaterbetrieb und anderes
zu äußern. Sehr schön an den konkreten Vorstellungen des
Kommenden ist, dass man sich jedes Mal genau überlegt
hat, wie man das sich nähernde Ereignis angeht. Bei
bekannten
Stücken
wird
man
nicht
mit
ihren
Zusammenfassungen konfrontiert, sondern man bekommt
zusätzliche Aspekte der Theaterarbeit geboten - ein
Gespräch mit dem Regisseur wie im Falle der „Weber“, wo
Michael Thalheimer u.a. seine über mehrere Stücke hinweg
andauernde Auseinandersetzung mit Hauptmann reflektierte. Bei noch wenig bekannten Dramen wie z.B. Nis-Memme
Stockmann’s „Kein Schiff wird kommen“ wird das Gespräch
zuerst auf das Thema des Stückes geleitet. Über die
Projekte des Jungen DT wird durch Präsentation vo n
Fragmenten berichtet, so dass man mit etwas Wissen „aus
erster Hand“ entscheiden kann, ob man nicht doch
Interesse für den Abend entwickelt. Überhaupt den
Schwerpunkt auf die Inszenierungen zu legen, die man
durch bloßes Studieren des Monatsprogramms leicht übersehen könnte, wenn einem beispielsweise weder der Autor
noch der Titel etwas sagt, ist ein gut überlegtes Vorgehen
bei diesen Treffen.
Es ist längst nicht mehr nur eine Veranstaltung für den
engen Freundeskreis des DT, sondern inzwischen hat es sich
bei dem an Theater interessierten Publikum Berlins,
Kulturschaffenden und Fachkollegen, Familienmitgliedern
und Mitbegleitern der Teilnehmer von Junges DT-Projekten
und vereinzelten Journalisten herumgesprochen, dass diese
wunderbar öffentliche aber nicht offizielle Veranstaltung zu
den neuen und wieder sehr gelungenen Ideen des DT
gehört. Natürlich bringen Treffen dieser Art für ihre Macher
auch Gefahren mit sich, etwa wenn man eine Inszenierung
eines gerade für das DT neu geschriebenen Theaterstückes
sehr interessant findet, man sich gleich auf sie freut und den
Termin im Kalender notiert, um dann festzustellen, dass sie
doch nicht stattfinden wird. Solche Überraschungen und
plötzliche Veränderungen der ursprünglichen Pläne werden
natürlich stark wahrgenommen, aber soviel Flexibilität müssen beide Seiten zeigen und auch mal die Tatsache akzeptieren, dass ja im Theater nicht immer alles wie geplant
läuft. Eine solche Offenlegung seines Handelns darf sich das
DT sicherlich leisten.
Zu den großen Entdeckungen des letzten Frühstücks im
April gehörte für einen Teil der Anwesenden mit Sicherheit
„ÜberLeben“ von Judith Herzberg. Lyrik bewanderte Leser
werden den Namen der Autorin gekannt haben, aber als
Dramatikerin ist sie in Deutschland eine wirkliche
Entdeckung, was sich bereits gleich nach Lesung einiger
Szenen des Stückes sagen lässt.
Warum sie auf den deutschen Bühnen bisher so wenig
bekannt ist, konnte die zum Gespräch eingeladene
Verlegerin Dr. Maria Müller-Sommer auch nicht erklären.
Man konnte jedoch von ihr nicht nur über die Schriftstellerin
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und Person Judith Herzberg viel Interessantes erfahren,
sondern auch inspirierende Gedanken zum Thema: jüdische
Figuren also jüdisches Schreiben? (Herzberg selbst versteht
sich keinesfalls als jüdische Autorin) hören und danach zu
einem anderen, durch Frau Sommer für Deutschland entdeckten, in Ungarn geborenen Schriftsteller George Tabori
und seinem ersten Inszenieren von „Kannibalen“ in Berlin,
das der Verlegerin zu verdanken war, gelangen. Von dort
aus war es nur ein kleiner Schritt zu der ebenfalls von
Sommer vertretenen Christa Wolf und zu den eigenen
Erinnerungen des in Berlin geborenen 12-jährigen
Mädchens Maria Janicki, das an den Auftritten zu den
Olympischen Spielen 1936 teilnahm sowie ihrer Betrachtung
der entlegenen Zeiten aus der heutigen Perspektive einer
erfahrenen Frau. Dass das Gespräch mit der Verlegerin so
höchst spannend war, liegt natürlich an ihrer Persönlichkeit
und an dem interessanten Leben der großen Dame des
Verlagswesens. Aber die Idee sie einzuladen und es auch
richtig zu organisieren, ist dem DT selbst zu verdanken.
Es ist nicht nur das Erkennen, dass auch in einer Großstadt
(oder gerade wegen der städtischen Größe und Anonymität)
durchaus ein Bedürfnis nach publikumsnahem Theater
besteht, sondern auch diese Idee bei mehreren
Veranstaltungen so gelungen und im Detail so sorgfältig
überlegt durchzuführen, ist ein großer Gewinn für Berlins
Kulturinteressierte.
Neues Theater des heutigen Tages auf eine neue Art zu
machen, kann unterschiedliche Formen haben. DT hilft auf
einfallsreiche Weise, sie zu entdecken. Die „Früh-Stücke“
sind ohne Zweifel ein sehr gelungenes Beispiel.
<<
Besonder Orte – einzigartige Geschichten
Die hässlichen Seiten der Schatzsuche
Michael Kleineidam
Die Orte der Inszenierungen liegen nur wenige Hundert
Meter voneinander entfernt: das Pergamonmuseum auf der
Berliner Museumsinsel und das Deutsche Theater in der
Reinhardtstraße. Beide Male handeln die Geschichten von
der Suche nach wertvollen Schätzen und von den Männern,
die
sie
betreiben.
Allerdings
könnten
die
Herangehensweisen an diese Thematik unterschiedlicher
kaum sein.
Das Pergamonmuseum präsentiert seit Ende Januar die sensationelle Ausstellung „Die geretteten Götter aus dem Palast
vom Tell Halaf“. Sie entführt die BesucherInnen mit Hilfe
von 3000 Jahre alten, prachtvollen Monumentalskulpturen
von Göttern und Göttinnen, Grabfiguren, Tierplastiken,
Fabelwesen und Reliefplatten mit Darstellungen aus der
Mythologie und des realen Lebens in die Zeit des
1.Jahrtausends vor Christus im heutigen Nordosten Syriens.
Dort hatte der der gelernte Jurist und deutsche Diplomat
Max von Oppenheim 1899 einen Hügel mit den Überresten
eines aramäischen Fürstenpalastes entdeckt. Zehn Jahre
später quittierte er den Dienst als Legationsrat am
Kaiserlichen Generalkonsulat in Kairo und legte von 1911 bis
1913 und 1929 auf eigene Kosten spektakuläre Paläste und
Gräber frei. Völlig zu Recht stehen diese frühgeschichtlichen
Funde mit ihrem unvergleichlichen Charme einschließlich
einer Leihgabe aus dem Nationalmuseum Aleppo im
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NOTABENE
Mittelpunkt der Ausstellung.
Der zweite Schwerpunkt der Ausstellung befasst sich mit
dem, was ihre sensationelle Seite ausmacht. Nach der
Aufteilung der Funde 1927 besaß Oppenheim eine einzigartige Sammlung, die er dem Pergamonmuseum andiente.
Dieses lehnte aus Geldmangel ab, worauf Oppenheim am
15. Juli 1930 in einer leer stehenden Fabrikhalle in BerlinCharlottenburg das private Tell Halaf-Museum eröffnete. In
der Bombennacht am 23. November 1943 wurde das
Museum völlig zerstört, alle Ausstellungsstücke aus
Kalkstein und die großartige Palastrekonstruktion aus Gips
verbrannten, die Skulpturen aus Basalt zerbarsten durch
das Löschwasser in tausende Stücke. Offiziell hieß es 1954
„Das Tell-Halaf-Museum ist als Ganzes zugrunde gegangen.“
Allerdings wurden die Trümmer sichergestellt und nach dem
Krieg in den Heizungskellern der Museumsinsel aufbewahrt.
Erst Anfang der neunziger Jahre wurden die Kisten wieder
entdeckt. Vor neun Jahren nun begann eine Gruppe von
Archäologen und Restauratoren unter Leitung von Nadja
Cholidis und Lutz Martin das scheinbar Unmögliche
Realität werden zu lassen: etwa 27.000 Basaltbruchstücke
wurden begutachtet, identifiziert, zusammengesetzt, verklebt und teilweise ergänzt. Die Zerstörung und
Wiederherstellung der Götterstandbilder und Tierreliefs
wird in der Ausstellung eindrucksvoll dokumentiert.
Ein dritter Teil der Ausstellung ist Max von Oppenheim
gewidmet. Und hier geschieht etwas schwer Begreifbares.
Gezeigt wird der patriotische Diplomat Oppenheim, der
Privatgelehrte und kenntnisreiche Orientalist, der besessene
Ausgräber und stolze Besitzer einer großartigen frühgeschichtlichen Sammlung. Dies alles ist nicht falsch, doch
weit davon entfernt, die Wahrheit über die widersprüchliche
Persönlichkeit des 1860, als Sohn eines zum Katholizismus
konvertierten jüdischen Bankiers geborenen Baron Max von
Oppenheim zu sein.
Schon nicht mehr im diplomatischen Dienst entwickelte der
Spezialist für den Orient zu Beginn des 1. Weltkrieges für
das Auswärtige Amt ein Propagandakonzept, wie in den
muslimischen englischen und französischen Kolonien sowie
in muslimischen Teilen Russlands die Bevölkerung gegen die
Kolonialherren aufgebracht werden könnte. Er forderte, „zu
jedem Mittel zu greifen, das zu einer Revolutionierung der
feindlichen Länder führen kann.“ Der religiöse Begriff „
Dschihad - der heilige Krieg“ wurde politisiert, so hieß auch
eine Zeitung, die an muslimische Kriegsgefangene verteilt
wurde. Zur Durchsetzung der deutschen imperialistischen
Ziele initiierte Oppenheim 1914 die für den deutschen
Generalstab
und
das
Auswärtige
Amt
als
Propagandainstrument und Nachrichtendienst tätige, halbstaatliche “Nachrichtenstelle für den Orient” mit zahlreichen
Büros. In der Ausstellung wird vermerkt, dass er deren
Leiter und Mitarbeiter war, über ihren Charakter wird kein
Wort verloren. Auch Oppenheims „Offenheit“ der arabischen
Kultur gegenüber zeigte Besonderheiten. In Kairo residierte
er fürstlich mit Dienern und Zeitfrauen, nach eigener
Angabe mit einer 15 Jahre alten “Araberin mit abessinischem Einschlag”.
Beim Besuch der Ausstellung drängt sich bald die Frage auf,
wie es dem nach NS-Verständnis als „Halbjude“ geltenden
Oppenheim möglich war, sein Museum zu erhalten. Man versucht zu deuten: „Wer Jude ist, bestimme ich“, soll Göring
gesagt haben.
Die Ku n s t h i s t o r i kerin Elke Linda Buchholz schreibt im
Berliner „Tagesspiegel“: „Vermutlich schützten ihn mächtige
Freunde im Auswärtigen Amt. Manche munkelten, Hitler
habe ihn zum ’Ehrenarier’ ernannt“. Der Journalist und
Autor Arno Widmann wird in der „Berliner Zeitung“ genauer.
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Dort heißt es: „Max von Oppenheim wurde schon am 1. April
1933 zum Ehrenarier ernannt. Am 29. Januar 1937 erhielt
er für seine Verdienste bei der Ausrufung eines AntiEntente-Dschihads während des Ersten Weltkriegs ’Im
Namen des Führers und Reichskanzlers’ das ’Ehrenkreuz für
Frontkämpfer’“. Und weiter: „Am 25. Juli 1940 ließ Max von
Oppenheim Hitler ein Memorandum zur Palästina-Frage vorlegen. Er empfahl Hitler den Judenfeind al-Husseini, GroßMufti von Jerusalem, als Führer eines ’judenreinen
Palästina’“. All dies findet in der Ausstellung keine
Erwähnung. Vieles im Leben des Max von Oppenheim mag
noch rätselhaft sein. Aber dies nicht einmal zu thematisieren, ist in mehrfacher Hinsicht Verrat: an den Besuchern,
an der Wahrheit und, worauf Widman hinwies, auch an
Oppenheim selbst, der so simpel gestrickt, wie er hier
beschönigend dargestellt wird, nicht war. Inzwischen sollte
es auch bei staatlichen Museen angekommen sein, dass die
Wahrheit den BesucherInnen zumutbar sein muss.
Orts- und Zeitwechsel. Im Deutschen Schauspielhaus Berlin
inszenierte Stephan Kimmig “Öl”, das neueste Stück des
Schweizer Autors Lukas Bärfuss. Die Suche ist diesmal aufs
Öl gerichtet, aber das ist nebensächlich, es könnten auch
Kupfer, Uran oder seltene Erden sein.
Der Geologe Herbert Kahmer und sein Ingenieur Edgar
betreiben diese manische, von anderen als hoffnungslos
eingestufte Jagd nach dem „schwarzen Gold“ in Beryok, eine
fremde, imaginäre Dritte-Welt-Gegend, in der Krieg ist,
Nomaden und Rentiere leben. Amerikaner, Engländer und
Franzosen sind über das Land hinweggezogen, haben es
ausgeplündert und bereits wieder verlassen. Herbert und
Edgar sind die spät Gekommenen. „Bäume. Steppe.
Mücken. Kein Öl.“ Mit dabei ist Kahmers Frau Eva, die seit
drei Jahren in einem bunkerartigen Verschlag mit abgerissenen Tapeten (Bühne: Katja Haß) haust, nicht richtig weiß,
was sie, die europäische Akademikerin hier eigentlich soll,
und vergeblich auf einen Erfolg der Glücksritter wartet. Dies
geht nicht ohne Alkohol. Es ist ein “Scheißland. Mit
Scheißmenschen. Einer Scheißkultur”, darüber sind sich die
Europäer einig. Aber es locken geldwerte Reichtümer, zu
denen im Vergleich die Funde von Tell Halaf pekuniärer
Kleinkram sind.
Das unfreiwillige Gastland erhält Bühnenpräsenz durch die
einheimische Haushaltshilfe Gomua. Bruchbude hin oder
her, eine Dienerin muss sein, ist sie doch einziger Kontakt in
der Fremde, und sei es nur um Befehle zu empfangen und
Demütigungen hinzunehmen. Eva zwingt Gomua zu
Deutschlernübungen, fragt die hundert häufigsten Wörter
der deutschen Sprache ab, was zu einem dadaeske n
Wortduell führt. Denn die Dienerin spricht die ihr fremde
Sprache perfekt, steht zu ihr jedoch hörbar auf Distanz.
Immer wieder taucht in dem Stück eine geheimnisvolle, viel
deutbare Frauenfigur auf. Ganz zu Beginn zitiert sie in
schwarzem Anzug und weißem Hemd ausführlich den chinesischen Militärstrategen Sun Tzu: “Es gibt kein Mitleid”. Um
Krieg in all seinen Facetten geht es also in dem Stück. Das
P r i vate ist hier nur besonders krasser Ausdruck des
Politischen. Später ist die Frau Terroristin, Racheengel,
Albtraumerscheinung, Ratgeberin von Eva, gar ihr besseres
Ich, oder überhaupt nur eine Folge des Alkoholgenusses?
Die grandiosen Leistungen der Schauspielerinnen Nina Hoss
(Eva), Margit Bendokat (Gomua) und Susanne Wolff (Frau)
waren an diesem Theaterabend die wahren Schätze, die es
zu entdecken galt. Die Männer Felix Goesers (Herbert) und
Ingo Hülsmann (Edgar) hatten es nicht einfach, gegen dieses Trio zu bestehen, bewiesen aber gerade wegen der
Undankbarkeit ihrer Rollen großes Format.
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NOTABENE
Bärfuss und Kimmig zeigten im Deutschen Theater, was
geschieht, wenn ungehemmte Gier nach Reichtum und
Wohlstand Denken und Handeln beherrscht. Die von den
Akteuren ausgehende Gewalt richtet sich schließlich gegen
sie selbst, zerfrisst und zerstört sie. Außerordentlich unterhaltsam wird dies gezeigt, aber es ist ja nicht untersagt,
beim oder nach dem Lachen auch zu denken. So dürfte
kaum jemanden entgangen sein, dass die Figuren da oben
auf der Bühne im Auftrag und zum Nutzen der
Wohlstandsgesellschaft agieren, die unten im Saal sitzt und
zuschaut. Genauso wenig sollte das Publikum der Tell HalafAustellung ausblenden, wer die Schätze nach Berlin brachte, die wir heute so bewundern.
>
MOE-TIPP
„Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell
Halaf“, Ausstellung Pergamonmuseum Berlin, bis zum 14.
August 2011
TALINN – Kulturhauptstadt Europas 2011
www.tallinn2011.ee
Reval – Tallinn: 19./20. Jahrhundert
Karsten Brüggemann
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand das Schicksal Revals unter keinem guten Stern. Nicht zuletzt dank der
staatlichen Handelspolitik, die vor allem St. Petersburg und
Riga bevorzugte, wurde Reval mehr und mehr zu einem
Zentrum des Klein- und Binnenhandels für lokale
Bedürfnisse. Der größte Arbeitgeber Re vals blieb die
Admiralität, in deren Werkstätten die zarische Flotte instand
gehalten wurde; mit dem Aufkommen der Dampfschiffe verlor sie jedoch zusehends an Bedeutung, da Russland seine
modernen Kriegsschiffe in Kronstadt konzentrierte.
In Reval wurde es ruhig. Johann Georg Kohl betonte in seinem Reisebericht zu Beginn der 1840er Jahre dass die
Revalenser das »dolce far niente eben so gut wie die
Italiener zu würdigen« wüssten. »Indem unser Dreigespann
die kaufende und verkaufende Menge des besetzten Marktes
durchbrach, glaubten wir, da Alles stand und uns anschaute, den ganzen Handel von Rewal auf einige Minuten unterbrochen zu haben. Doch bald gewahrten wir unseren
Irrthum; denn drei Viertel jener Menge bestanden aus
Müßigen aller Klassen, während das letzte Viertel sich eben
nicht in seinen Geschäften beeilen zu müssen glaubte. (…)
Die uns begegnenden, sparsam beladenen Fuhrwagen
bewegen sich eben so langsam fort wie der Handel der
Stadt«.
Zu dieser Zeit aber war die Stadt dank der von Kohl festgestellten »wohltuenden Rewalschen Ruhe« bereits für eine
ganz neue Klientel attraktiv geworden. Seit den späten
1820er Jahren kamen russische Touristen vor allem aus der
Hauptstadt an die Ostsee, um hier ihre Sommerfrische zu
genießen, da Auslandsreisen unter dem Zaren Nikolaj I.
erschwert worden waren. Ein russischer Reiseschriftsteller
riet seinen Landsleuten, »nach Reval zu fahren und sich an
diesem alten ritterlichen und hanseatischen Nestchen zu
erfreuen, das wie ein Wunder während der grausamen nördlichen Kriege erhalten geblieben ist. Sie genießen dort nicht
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nur den Anblick lebendigen Altertums, sondern auch die frische, staunenswerte natürliche Landschaft, atmen frische
Meeresluft, stärken Ihre Nerven in den Meereswellen, und
vor allem erholen Sie sich von all den Dingen, Sorgen und
Mühen des Alltags. (…) Nachdem Sie einen Sommer in Reval
verbracht haben, werden sie mir auf ewig dankbar sein«. In
den frühen 1830er Jahren besuchte auch der Zar mit seiner
Familie die Stadt mehrfach zur Erholung und Reval blieb bis
zum Ende der 1830er Jahre bei den Petersburgern en
vogue, die die Stadt zu einem »lärmenden Eckchen
Petersburgs« verwandelt hätten.
Der russische Literaturhistoriker Aleksander P. Miljukov
bekannte, dass man ihn vor der Enge und dem Gestank der
Altstadt gewarnt hatte. Er hingegen begeisterte sich am
Anblick Revals von See, den er, wie auch zahlreiche deutsche Reisende der Zeit, geradezu neapolitanisch fand. Die
Stadt stecke voller Leben, »aus jedem Haus erschallen die
Töne alter deutscher Walzer«. Er empfand die Stadt wie eine
deutsche Küche mit einer tüchtigen Hausfrau, die alles
ungeachtet der Enge gemütlich und sauber einzurichten
wisse. Miljukov schwärmte von der angenehmen Mischung
von »Bier und geröstetem Kaffee«, deren Duft durch die
Straßen der alten Hansestadt zog. Vielleicht hatte Miljukov
einfach das Glück einer frischen Brise, welche die
Ausdünstungen der Altstadt während seiner Anwesenheit in
alle Winde zerstreute.
Aber Miljukov ahnte die bevorstehenden Veränderungen im
Antlitz der Stadt. Nach einem Spaziergang über den nahezu
menschenleeren Domberg – der Adel pflegte den Sommer ja
auf seinen Landgütern zu verbringen – erklärte er ihn zum
»verlassenen Nest des verstorbenen Rittertums«, das in seinen eigenen Denkmälern vor sich hin vegetiere. Auch wenn
dieser Teil seiner Prognose etwas voreilig war, hatte er in
einem anderen Punkt Recht: Bald schon, so prophezeite er
weitsichtig, werde es auf den alten Wällen einladende
Parkanlagen geben. Städtebauliche Änderungen ließen in
der Tat nicht lange auf sich warten. Die Stadt begann, über
die Wallanlagen hinaus zu wachsen. Der Krimkrieg Mitte der
1850er Jahre hatte gezeigt, dass die Jahrhunderte alten
Festungsanlagen um die Altstadt herum keinen militärischen
Sinn mehr machten. Unter dem neuen Zaren Alexander II.
wurde die Stadt 1870 schließlich – über Umwege – an das
reichsweite Eisenbahnnetz angebunden, was einen wahren
Wirtschaftsboom auslöste. Reval wurde wieder zum saisonalen Einfuhrhafen der russischen Hauptstadt, wenn der St.
Petersburger Hafen zugefroren war, und zum Ausfuhrhafen
für russisches Getreide.
Gerade in Anbetracht der sozialen Segregation der städtischen Einwohnerschaft Revals, deren (deutsche) Elite in der
von Mauern umgebenen Altstadt lebte, war die Schleifung
der Wälle auch von symbolischer Bedeutung. Die Stadt reagierte auf die Anforderungen der Zeit, in der Zirkulation und
Kommunikation innerhalb der eigenen Grenzen genauso
zum notwendigen Attribut des Wachstums wurden wie
gewisse Mindeststandards an Lebensqualität. Vor allem aber
wurde sie zu einem Bevölkerungsmagnet, nicht zuletzt aufgrund der Reformen des neuen Zaren. Seitdem die estländische Bauerverordnung aus dem Jahre 1856, die neue russische Passordnung von 1863 und die Landgemeindeordnung
aus demselben Jahr den Bauern mehr Bewegungsfreiheit
verschafft und die Einführung der Gewerbeordnung von
1866 das Handwerk freigegeben hatten, bot sich die Stadt
als Auffangbecken für den demographischen Zuwachs des
Gouvernements an. Lebten 1871 knapp 30.000 Menschen in
Reval, waren es 1913 über 115.000. In Bezug auf die schie-
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re Größe und das Tempo des Wachstums blieb Reval zwar
hinter Riga zurück, doch konnte die Vervierfachung der
Einwohnerzahl in gerade einmal vierzig Jahren nicht ohne
Einfluss auf die äußere Gestaltung Revals bleiben.
Nun überspann das Zentrum die Wälle und in den Jahren bis
zum Ersten Weltkrieg erhielt es die Gestalt, die wir im
Grunde bis heute kennen. Die alten Stadttore wurden zum
Teil abgerissen und neue Straßen banden die Altstadt an das
städtische Netz. Unterhalb des Dombergs entstanden weitläufige Grünanlagen. Der ehemalige Festungsring wurde
nach und nach mit einer Schule, der Johannis- und der
Karlskirche sowie mit Verwaltungs- und Geschäftsgebäuden
bebaut, und auch der Markt, der zuvor in der viel zu engen
Altstadt abgehalten wurde, wanderte nun vor die Tore der
Stadt. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erhielt Reval auch sein
bis heute symbolträchtiges Kulturzentrum: das EstoniaTheater.
Zu diesem Zeitpunkt war die Stadtverwaltung bereits seit
einem knappen Jahrzehnt in den Händen einer estnisch-russischen Koalition. Aus dem alten Reval war das estnische
Tallinn geworden. Seit den 1860er Jahren hatten sie den
größten Anteil an der Bevölkerung. Anhand der Tabelle ist
ersichtlich, dass die Zahl der Deutschen seit 1871 nahezu
stabil blieb, weshalb ihr Anteil an der Stadtbevölkerung vor
dem Ersten Weltkrieg auf 10% sank. Wie stark der Zustrom
der Esten war, lässt sich auch daran erkennen, dass sich
zwar die Zahl der Russen seit 1871 mehr als vervierfacht
hatte, ihr Anteil jedoch bei 11% stagnierte.
Einwohner Revals nach ihrer ethnischen Zuordnung 1820–
1913 ohne Militärpersonal (Prozent)
1820
1871
1881
1897
1913
Esten
4.486 (34,8)
15.097 (51,8)
26.324 (57,4)
40.406 (68,7)
83.133 (71,6)
Deutsche
5.540 (42,9)
10.020 (34,4)
12.737 (27,8)
10.297 (17,5)
12.424 (10,7)
Russen
Gesamt
2.304 (17,9) 12.902
3.300 (11,3) 29.162
5.111 (11,1) 45.880
6.008 (10,2) 58.810
13.275 (11,4) 116.132
Für den Sieg über die Deutschen bei den Stadtratswahlen
von 1904 war das mittlerweile deutliche demographische
Übergewicht der Esten jedoch nicht von Belang.
Entscheidend war die Akkumulation von Wohlstand in estnischen Händen, die sich in den Wählerlisten spiegelte.
Signifikant war dieser ökonomische Wandel beim
Grundbesitz. Noch 1871 befanden sich nur gut 18% der
Grundstücke in estnischer Hand (vom Wert her nur 2,6%).
Bei den estnischen Immobilienbesitzern handelte es sich zumeist um Städter der ersten Generation, die in den
Vorstädten lebten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber
waren bereits 64% der Grundstücke in estnischem Besitz,
wobei bereits 39 Grundstücke in der Altstadt Esten gehörten.
In einem halben Jahrhundert hatten sich das Gesicht Revals
und die in ihm herrschende Atmosphäre gewandelt. Die drei
Nationalitäten hatten sich seit Mitte der 1880er Jahre in ihre
exklusiven sozialen Sphären zurückgezogen, was Grenzgänger nicht ausschloss, aber doch nicht als Regel zuließ. Es
gab am Beginn des 20. Jahrhunderts drei estnische und je
zwei russische und deutsche Tageszeitungen, die ihr jeweils
eigenes Publikum bedienten und einen eigenen Kommunikationsraum kreierten. Zugleich gab es mehr als 100
Vereine, doch fixierten gerade sie die nationalen Grenzen
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mehr als dass sie diese auflösten.
Es ließe sich viel erzählen über die kulturelle estnische
Nationalbewegung, die aber ihr Zentrum in der Universitätsstadt Dorpat/Tartu hatte, welche im Gouverne-ment Livland
lag. Demgegenüber entwickelte sich in Tallinn der wirtschaftliche und politische Zweig der Emanzipation auf nationaler Grundlage, der dann kurz vor dem Ausbruch der
ersten russischen Revolution 1905 die Macht in der estländischen Hauptstadt übernahm. Es ließe sich viel erzählen
über die Utopien der ethnischen Milieus und sozialen
Gruppen vor 1914, aber auch über das von dem finnischen
Architekten Eliel Saarinen ausgearbeitete Projekt für GroßTallinn, das bei vollständiger Realisierung auf 650.000
Einwohner ausgelegt war. Der Weltkrieg machte all diese
Pläne zunichte. Auf die russische Oktoberrevolution 1917
und die Besatzung durch die deutschen Truppen im Jahr
darauf folgte die Machtübernahme der Esten im ganzen
Land. Es ließe sich viel erzählen über die Entwicklung
Tallinns in den Jahren der estnischen Unabhängigkeit; mein
Kollege Andreas Füllberth hat dem Ausbau der Stadt zur
Hauptstadt ein Buch gewidmet, weshalb ich sie hier aus
Zeitgründen überspringe.
1934 hatte Tallinn knapp 138.000 Einwohnern, von denen
85,6 % Esten waren (117.918), 5,7% Russen (7.888) und
nur noch 4,8% Deutsche (6.575). Durch die Eingemeinung
des Vororts Nõmme 1940 stieg die Gesamteinwohnerzahl
auf knapp 160.000 Einwohner bei gleichbleibender ethnischer Verteilung.
Der Hitler-Stalin-Pakt und die darauf folgende sowjetische
Okkupation und Annektion zogen eine Terrorwelle nach sich,
durch die die estnische Elite reduziert wurde. Die Deportation von Juni 1941 traf gut 2.300 Personen aus Tallinn, darunter auch Russen und Juden. Da zugleich die Deutschbalten vor der drohenden sowjetischen Gefahr „heim ins Reich“
geholt worden waren, verlor die Stadt binnen kurzem ihre
ethnischen Minderheiten. Der Holocaust unter der deutschen Besatzung von 1941 bis 1944 kostete den Juden das
Leben, die sich nicht rechtzeitig durch Flucht in die
Sowjetunion gerettet hatten. Die Forschung geht von ca.
660 Tallinner Juden aus, die bis Ende 1941 ermordet wurden.
Ein sowjetischer Luftangriff in der Nacht vom 9. auf den 10.
März 1944 verursachte erhebliche Schäden im Stadtzentrum. Nach später ergänzten Angaben der Polizei sind 750
bis 800 Menschen ums Leben gekommen, ca. 20.000
Personen wurden obdachlos. Völlig zerstört wurden über
1.400 Wohnhäuser; über 5.000 Gebäude waren beschädigt.
Die Sowjetisierung ab 1944 brachte neuen Terror, der 1949
in den Märzdeportationen kulminierte, die 20.000 Menschen
aus Estland betraf. Da das Hauptziel dieser Aktion die
Unterbindung der Partisanenaktivität wa r, wurden aus
Tallinn damals aber „nur“ gut 2000 Personen deportiert. Die
Filtrierung der Bevölkerung nach Kritierien wie sozialer
Herkunft, Tätigkeit unter deutscher Besatzung etc. ließ eine
Atmosphäre der Angst entstehen, die die Sowjets zur
Durchsetzung ihrer Herrschaft nutzten. Tallinn selbst erlebte einen allmählichen Wiederaufbau, wobei die zur
Verfügung stehenden Mitteln zunächst für Prestigeprojekte
wie der Rekonstruktion des Estonia-Theaters eingesetzt
wurden, das die sowjetische Luftwaffe, wie sich wohl auch
linientreue Esten gut erinnerten, gerade zerstört hatte.
Aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums, ausgelöst
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durch Kaderimport aus den inneren Republiken der Sowjetunion und durch die forcierte Industrialisierung, musste die
Prioriät sich auf den Wohnungsbau verlagern, der seit Ende
der 1950er Jahre im großen Stil zu riesigen Neubaugebieten
führte. Zugleich ging mit diesem Bevölkerungswachstum
eine demografische Russifizierung einher, die an der Tabelle
abgelesen werden kann.
Die 1960er Jahre brachten allmächlich Stabilität in die
Sowjetunion, die im Nachhinein gern als Stagnation gesehen wurde. Was das sowjetische Tallinn mit dem Reval der
Zarenperiode gemein hatte, war sein Image als eine Art kultureller Vorposten des Westens bzw. Europas. Deutlich abzulesen war dies daran, dass in Tallinn in kulturpolitischer
Hinsicht Dinge erlaubt waren, die im übrigen Sowjetland
strikt verboten blieben: modernistische Kunstausstellungen,
(estnischsprachige) Neuausgaben von Dostoevskij, Beckett,
Camus oder Kafka, oder die Etablierung von internationalen
Jazz-Festivals mit dem Höhepunkt 1967, als mit dem
Charles Lloyd Trio erstmals ein US-amerikanisches Ensemble auf sowjetischem Boden auftrat.
Seit 1965 gab es eine Fährverbindung mit Helsinki, und die
Zahl von (meist gut kontrollierten) Esten, die ins Ausland
reisen durften (auch wenn es nur Ungarn war) stieg von
Jahr zu Jahr. Tallinn als Ort der olympischen Segelregatten
von 1980 brachte zum einen die baltische Frage wieder in
die westlichen Medien, zum anderen dienten die enormen
Summen, die Moskau dafür ausgab, den Sozialismus in der
baltischen Provinz leuchten zu lassen, der Stadtentwicklung.
Die Altstadt wurde von polnischen Firmen renoviert, ein
Flughafen und die Stadthalle errichtet, die Straße nach
Leningrad ausgebaut, und in Pirita wurde ein modernes
Segelzentrum fertig gestellt. Zugleich aber brachte das Jahr
1980 heftige Jugendproteste gegen die in diesen Jahren
wieder zunehmende demografische Russifizierung aufgrund
der Bauprojekte und deren Bedarf an Arbeitern.
All das kam in den Jahren der „singenden Revolution“ seit
ca. 1987 zum Ausdruck, als mehr und mehr Menschen sich
an Massenaktionen beteiligten, die dann am 23. August
1989 in die berühmte Menschenkette von Tallinn über Riga
nach Vilnius mündeten. Zu einer Art „singender Revolution“
war es aber bereits 1965 gekommen, als auf dem Liederfest
erstmals wieder estnische Lieder gesungen werden konnten,
die während der stalinistischen Eiszeit noch zensiert worden
waren. Ein Vierteljahrhundert später, nachdem die Jahre der
Perestrojka unter Michail Gorba?ev halb Europa von sowjetischer Vormundschaft befreit hatten, waren schließlich auch
die baltischen Republiken trotz Terror der OMON-Truppen,
von dem Tallinn glücklicherweise verschont blieb, nicht mehr
zu halten. Seit 1991 erhielten die baltischen Republiken ihre
Unabhängigkeit und Tallinn wurde wieder Sitz einer estnischen Regierung. Heute ist die estnische Hauptstadt althanseatisch und modern, russisch-orthodox und estnischnational, aber auch ein Ostseehafen mit einer Gott sei Dank
wieder offenen Grenze.
Der Vortrag von Karsten Brüggemann (Universität Tallinn)
wurde gehalten anlässlich der Konferenz „Tradition und
Internet“. Tallin – Kulturhauptstadt Europas 2011“
(8.4.2011,
Landesvertretung
Schleswig-Holstein),
Ve ranstalter: Deutsches Kulturforum östliches Europa
www.kulturforum.info
Unser Partner:
Newsletter des Deutschen Kulturforums östliches Europa
Das Deutsche Kulturforum östliches Europa engagiert sich für eine kritische und zukunftsorientierte
Auseinandersetzung mit der Geschichte jener Gebiete im östlichen Europa, in denen früher Deutsche gelebt haben
bzw. heute noch leben. Im Dialog mit Partnern aus Mittel- und Osteuropa will das Kulturforum die Geschichte dieser
Regionen als verbindendes Erbe der Deutschen und ihrer östlichen Nachbarn entdecken und einem breiten Publikum
anschaulich vermitteln.
Der Newsletter informiert Sie über neue Beiträge auf der Website des Kulturforums, insbesondere zum Arbeitsgebiet
des Kulturforums
www.kulturforum.info:
• redaktionelle Beiträge
Berichte aus Wissenschaft und Forschung, Essays, Pressestimmen, Reportagen, Rezensionen, Veranstaltungsberichte,
Vortragsmanuskripte und anderes mehr
• Veranstaltungen
Informationen über Veranstaltungen zum Arbeitsgebiet des Kulturforums
• TV/Radio-Tipps
Informationen zu Fernseh- und Radiosendungen deutschsprachiger Sendeanstalten
• Neuerscheinungen
Neue Publikationen des Kulturforums/ Buchtipps zur Neuerscheinungen
Anmeldung zum Newsletter unter:
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NOTABENE
>> Kurz notiert
Ohne Grenzen Deutsch-polnischer Journalistenworkshop
23. – 27.6. Chojna/ Polen
Der Verein Terra Incognita lädt Jugendlichen aus
Deutschland zum deutsch - polnischen Journalistenworkshop ein. Die Teilnahme ist kostenlos
Anmeldungen/ Informationen: workshop.chojna@wp.eu
Osteuropäische Kulturen in einer multipolaren Welt.
Vortragsreihe
Nach zwei postsozialistischen Dekaden hat sich Osteuropa in
einem zuvor nicht absehbaren Ausmaß verändert. Wir
begegnen einer Eigendynamik von Wandlungsprozessen, die
die Osteuropaforschung vor neue empirische und theoretische Herausforderungen stellen.
Die Vortragsreihe will diesen Prozess einer Neudefinition
Osteuropas als Forschungsgegenstand reflektieren. Ihr
interdisziplinärer Zuschnitt soll dazu beitragen, den fachübergreifenden Dialog über ein aktuelles Profil von
Osteuropastudien zu schärfen.
Drei thematische Aspekte stehen im Vordergrund: 1) eine
Neupositionierung des osteuropäischen Raums in einer globalen Welt, die einen bis in die Aufklärung zurückreichenden
Dualismus eines aufgeklärten und ‚modernen’ Westens und
eines zurück gebliebenen Ostens Europas überwindet; 2)
die Untersuchung veränderter Identitätsmuster und
Zugehörigkeiten im postsozialistischen Osteuropa im
Zeichen von Migration, globaler Populärkultur und neuen
Medien; 3) eine Neuverortung Osteuropas im historischen
Horizont
soziokultureller
Moderne,
die
tradierte
Konzeptionen Osteuropas als Hinterhof der Zivilisierungsgeschichte revidiert und zugleich die zeitgenössischen
erinnerungspolitischen Reko n f i g u rationen historischer
Ereignisse kritisch reflektiert.
Programm/ Informationen: www.slawistik.hu-berlin.de
Hans-Gert Pöttering in Russland
Drei Wochen vor dem EU-Russland-Gipfel, der am 9. und
10. Juni in Nischni-Nowgorod stattfindet, besuchte der
Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, Russland.
An der Internationalen Universität in Moskau hielt er einen
Vortrag zu den EU-Russland-Beziehungen. Außerdem traf
er führende Politiker und Menschenrechtler zum Austausch.
Mehr dazu„Internationale Aktivitäten“/Newsletter
www.kas.de
Abschied von Berlin
Martin Kraft, der Direktor des Tschechischen Zentrums
Berlin wird nach fast vier ereignisvollen Jahren am 1. Juni
Berlin verlassen. In seiner Amtszeit wurden zahlreiche
Veranstaltungen im Bereich Kultur und Kunst, Tourismus
und Wirtschaft für etwa 296 400 Gäste durchgeführt, davon
119-mal außerhalb Berlins.
Martin Kraft wird zukünftig in dem Tschechischen Zentrum
in Wien tätig
Die Interimsleiterin Dr. Christina Frankenberg, Programmleiterin des Tschechischen Zentrums Berlin, wird bis
Jahresende das Tschechische Kulturinstitut in Berlin leiten.
Buras verliehen. Gewürdigt wird neben seinen zahlreichen
Artikeln zur deutschen Kultur in den polnischen und deutschen Medien, vor allem sein Buch „Polens Weg. Von der
Wende bis zum EU-Beitritt? (zus. mit Henning Tewes;
Stuttgart, 2005)
www.uni-leipzig.de/jablonoviana
Kommission will Zusammenarbeit mit EU-Nachbarn verstärken
Die EU-Kommission will die Nachbarstaaten der
Europäischen Union, etwa in Nordafrika und Osteuropa,
künftig noch stärker als bisher in ihrem Streben nach
D e m o k ratie, politischer Stabilität und wirtschaftlichem
Wohlstand unter- stützen. Die finanzielle Hilfe im Rahmen
der Nachbarschaftspolitik soll um 1,24 Milliarden Euro auf
rund 7 Milliarden Euro für die nächsten beiden Jahre aufgestockt werden. Dazu kommen noch Milliardenkredite durch
die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank
für Wiederaufbau und Entwicklung. Aber es gehe bei der
neuen Nachbarschaftsstrategie, über die nun EU-Staaten
und Europäisches Parlament beraten werden, um viel mehr
als nur um Geld, sagte Kommissionspräsident José Manuel
Barroso: „Es zeigt, wie ernst es uns ist, denen zu helfen, die
politische Freiheit und eine bessere Zukunft anstreben.“
aus aktuellen anlass Club der Polnischen Versager stellt fest:
der Brandanschlag auf die Kabelbrücke am Berliner Bahnhof
Ostkreuz geht auf das Konto der deutschen Atomindustrie,
so die vorläufigen Untersuchungsergebnisse. Wie der
Bundespolizeisprecher gegenüber cpv bestätigte, handelte
es sich um einen mißglückten Blacko u t-Versuch der
Atomlobby, um auf die dramatische Lage der deutschen
Atomindustrie aufmerksam zu machen.
Der Regierungssprecher erklärte derweilen, daß die deutsche Regierung sich nicht unter Druck setzen werde und ihre
Atompolitik wie bis jetzt fortsetze. „Aus Protest und als
sichtbares Zeichen gegen die feige Tat der AKW-Betreiber
hat die Kanzlerin drei zusätzliche Glühlampen mit je 100
Watt im Kanzleramt angemacht und auch tagsüber brennen
lassen“ so der Regierungssprecher weiter.
www.polnischeversager.de
Jablonowski-Preis 2011 an Piotr Buras
Die Societas Jablonoviana fördert den deutsch-polnischen
Ku l t u r- und Wissenschaftsdialog mit der Vergabe des
Jablonowski-Preises. Alle zwei
Jahre werden junge
Wissenschaftler aus Polen und Deutschland ausgezeichnet,
die den Blick auf das eigene oder das andere Land schärfen.
Der Jablonowski-Preis wird dem in Warschau geborenen
und in Berlin lebenden Politologen und Journalisten Piotr
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