Schilddrüsenerkrankungen in der SS
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Schilddrüsenerkrankungen in der SS
Erstelldatum: 21.10.2013 1931 Geburtshilfe Nr. 1931122/3 Seite 1 von 6 Schilddrüsenerkrankungen in der SS Verfasser: Bergen Michiko Genehmigt am: 02.08.2016 Anlaufstelle: FKL Genehmigt durch: Monya Todesco Telefon: 5920 Gültig ab: 02.08.2016 E-Mail: michiko.bergen@ksa.ch Gültig bis: 01.08.2019 Ersetzt Versionen: 1931122/2 vom 21.03.2014 Vom Internet ins Intranet am 22.12.2015 1. Ziel • Richtlinie zum TSH-Screening im 1. Trimenon • Erkennen physiologischer und pathologischer Veränderungen der Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft sowie deren Auswirkungen auf den Schwangerschaftsausgang und die kognitive Entwicklung des Kindes • Interdisziplinäre Betreuung von Schwangeren mit manifester Hypo-/Hyperthyreose zusammen mit den EndokrinologInnen • Fetale Überwachung in AK-positiven Schwangerschaften bzw. unter thyreostatischer Therapie Screening-Schema bzw. weiteres Vorgehen Bei allen Schwangeren TSH im 1. Trimenon bestimmen TSH < 0.1 mU/l Hyperthyreote Stoffwechsellage Rücksprache mit Endokrinologie und ggf. Konsil TSH > 0.1 < 2.5 mU/l keine weiteren Massnahmen fT4 normal subklinische (latente) Hypothyreose Bestimmung anti-TPO-AK Anti-TPO-AK negativ Kontrolle TSH, fT4 nach 4Wochen TSH 2.5 – 10.0 mU/l fT4 nachbestellen (innerhalb von 4 Tagen möglich) TSH > 10.0 mU/l Beginn Therapie 50 µg Thyroxin und Endokrinologie fT4 unter der Norm manifeste Hypothyreose Beginn Therapie 50 µg Thyroxin und Endokrinologie Anti-TPO-AK positiv KBeginn Therapie gemäss Endokrinologie TSH 4-wöchentlich bestimmen und Dosisanpassung TSH und fT4 6 Wochen post partum messen Seite 1 von 6/1931122-3_Geburtshilfe_Schilddruesenerkrankungen.doc/kes Erstelldatum: 21.10.2013 1931 Geburtshilfe Nr. 1931122/3 Seite 2 von 6 Schilddrüsenerkrankungen in der SS 2. Regulation der Schilddrüsenfunktion 3. Physiologische Veränderungen der Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft Durch die vermehrte Östrogenproduktion wird die Produktion des thyroxinbindenden Globulins (TBG) stimuliert. Es steigt in der ersten Schwangerschaftshälfte bis auf das 2 - 3fache an. Das hCG hat eine Stimulationswirkung auf den TSH-Rezeptor in der Schilddrüse. Im ersten Trimenon steigt die Konzentration des hCG, weshalb über negatives feedback der TSH-Spiegel im 1.Trimenon abfällt. Parallel zu den sinkenden hCGWerten im 2.Trimenon steigen die TSH-Werte wieder. - TSH im 1. Trimenon 0,1 - 2,5 mU/L - TSH im 2. Trimenon 0,2 - 3,0 mU/L - TSH im 3. Trimenon 0,3 - 3,0 mU/L Es besteht ein vergrösserter Jodverteilungsraum durch die physiologische Hämodilution und den zusätzlichen Verteilungsraum der fetoplazentaren Einheit, sowie erhöhte renale Jodverluste (durch gesteigerte glomeruläre Filtration) und ein erhöhter Umsatz von T3 und T4 durch die Plazentaaktivität. Durch den gesteigerten Umsatz steigt der Jodbedarf in der Schwangerschaft. Zur Prophylaxe der Jodmangelstruma wird von der WHO eine Zufuhr von 250 µg Jod pro Tag empfohlen. Dies gilt auch für Patientinnen mit Hashimotothyreoditis. In der Schweiz haben alle Frauen eine ausreichende Jodversorgung in der Schwangerschaft. Ausnahme: Frauen mit Hyperthyreose erhalten kein Jod in der Schwangerschaft. Jod-Präparate - Femibion, Burgerstein: 150 µg - Andreavit, Gynefam 200 µg - Bonal VITAL 230 µg Jod - Kein Jod in Elevitpronatal, Femibion ohne Jod Quelle: http://www.megru.uzh.ch/j3/media/endo/steuerung_schilddr_rev2010.gif Stillzeit Jodid-Substitution in der Ernährung nicht ausreichend, daher 150 µg Jodid/d zusätzlich (i.d.R. im Rahmen der Nutrition-Präparate). 4. Transiente Gestationshyperthyreose Definition und Klinik Die transiente Gestationshyperthyreose ist ein Syndrom der Frühschwangerschaft, definiert als übermässige Übelkeit und Erbrechen, Dehydratation, Ketonurie und Gewichtsverlust von > 5 % zwischen der 6. und 9. SSW. Das Ausmass der Hyperemesis korreliert mit der Höhe des hCG-Spiegels. Pathophysiologie Die vermehrte hCG-Produktion aktiviert die Schilddrüse, wodurch es zu höheren fT4Spiegeln und erniedrigten TSH-Spiegeln kommt. Diagnostik/Therapie Bestimmung von TSH (s. Schema zur Hyperemesis bezüglich Blutentnahme). In der Regel sind keine Schilddrüsen-AK nachweisbar. Keine thyreostatische Therapie. 5. Hyperthyreose Die Hyperthyreose ist seltener in der Schwangerschaft als die Hypothyreose. Der häufigste Grund für die Hyperthyreose in der Schwangerschaft ist der M. Basedow. Auch eine Molenschwangerschaft kann Grund für eine Hyperthyreose sein. Seite 2 von 6/1931122-3_Geburtshilfe_Schilddruesenerkrankungen.doc/kes Erstelldatum: 21.10.2013 1931 Geburtshilfe Nr. 1931122/3 Seite 3 von 6 Schilddrüsenerkrankungen in der SS Schwangere Patientinnen mit einer Hyperthyreose müssen interdisziplinär mit den Endokrinologen betreut werden. Anlässlich der monatlichen Schwangerschaftskontrollen sind zu bestimmen: Puls, Gewicht, fT3 und fT4, fetale Herzfrequenz, fetales Wachstum. Schwangerschaftsrisiken Die Hyperthyreose ist vermehrt vergesellschaftet mit Aborten, IUFT, Präeklampsie,Frühgeburtlichkeit, geringerem Geburtsgewicht und fetaler Herzinsuffizienz. Schilddrüsen-AK, wie sie bei beim M. Basedow vorliegen(TRAK = stimulierende TSH-Rezeptor-AK, plazentagängige IgG), können beim Feten eine Hyperthyreose, Wachstumsrestriktion und prämature Ossifikation verursachen. Sowohl die Hyperthyreose selbst als auch die thyreostatische Therapie werden für eine erhöhte Teratogenität verantwortlich gemacht. Thyreostatika sind stark plazentagängig und beeinflussen die fetale Schilddrüsenfunktion (Hypothyreose des Feten). Propylthiouracil (PTU) ist wasserlöslicher als andere schwefelhaltige Thyreostatika und geht deshalb weniger in den fetalen Kreislauf über. Aus diesem Grund ist PTU Mittel der Wahl, sofern der Fet nicht mitbehandelt werden soll. 6. Fetale Diagnostik Bei einem M. Basedow der Schwangeren können stimulierende Schilddrüsen-AK (TRAK) die Plazenta passieren und beim Feten eine Hyperthyreose verursachen. Dies kann mit einer fetalen Struma, Tachykardie, IUWR und selten mit einem Hydrops assoziiert sein, wobei die Tachykardie ein Spätsymptom ist. Das früheste sonographische Zeichen einer fetalen Schilddrüsendysfunktion ist die fetale Struma. Eine frühe Diagnose derselben stützt sich auf die Messung der fetalen Schilddrüse und den Vergleich mit Referenzwerten. Es wurden gestationsaltersabhängige und -unabhängige Normogramme der fetalen [1] Schilddrüse erstellt . Auch die Therapie einer Hyperthyreose mit Thyreostatika kann durch Überdosierung eine fetale Struma verursachen. Transversalschnitt durch fetale Schilddrüse mit [1] 31 SSW .T Trachea; C Karotiden 7. Hypothyreose 7.1. Manifeste Hypothyreose TSH > 2,5 mU/L und fT4 unter der Norm oder TSH > 10 mU/L unabhängig von der fT4-Konzentration Die Inzidenz einer manifesten Hypothyreose in der Schwangerschaft liegt bei 0,3 - 0,5 %. Es besteht ein erhöhtes Risiko für: - Präeklampsie und SIH - Vorzeitige Plazentalösung - Frühgeburt, sehr frühe Frühgeburt (> 32 SSW) Seite 3 von 6/1931122-3_Geburtshilfe_Schilddruesenerkrankungen.doc/kes Erstelldatum: 21.10.2013 1931 Geburtshilfe Nr. 1931122/3 Seite 4 von 6 Schilddrüsenerkrankungen in der SS - Postpartale Blutung - Eingeschränkte neuropsychologische Entwicklung des Kindes 7.2. Latente Hypothyreose TSH2,5 - 10 mU/L und normale fT4-Werte Die Inzidenz der latenten Hypothyreose in der Schwangerschaft liegt bei 2 – 3 %. Die Folgen einer latenten Hypothyreose in der Schwangerschaft sind weniger gut belegt. Auch die Effekte einer subklinischen Hypothyreose auf die neurokognitive Entwicklung des Kindes sind noch nicht ausreichend gut belegt. Vorläufige Daten aus der „ControlledAntenatalThyroid Screening Trial“ zeigen eine signifikant höhere Rate an Kindern mit einem IQ-score < 85, wenn ihre Mütter keine Therapie bei latenter Hypothyreose während der [2] Schwangerschaft erhalten hatten . Insbesondere Schwangere mit latenter Hypothyreose und positiven Anti-TPO-AK haben eine erhöhte Abort[3] und Frühgeburtenrate und profitieren signifikant von einer Substitution . 8. Postpartum Thyreoditis Bei der Postpartum Thyreoditis handelt es sich um eine autoimmune Schilddrüsenfunktionsstörung mit antithyroidalen Antikörpern (anti-TPO-AK), die im ersten Jahr nach der Geburt bei zuvor euthyreoten Frauen auftritt. Die Prävalenz beträgt 8 % und steigt auf 25 % im Zusammenhang mit einem Diabetes mellitus Typ 1. Oft kommt es in den ersten 6 Monaten zu einer selbstlimitierenden hyperthyreoten Phase, welche von einer Hypothyreose und Euthyreose gefolgt wird. In 10 - 20 % kommt es jedoch zu einer persistierenden Hypothyreose. Die Diagnosestellung erfolgt über die Klinik und Bestimmung von TSH und fT4. Routinemässige Schilddrüsenfunktionstests sind nicht erforderlich, es sei denn es liegt ein Diabetes mellitus Typ 1, eine Eigenanamnese bezüglich PPT oder positive anti-TPO-AK vor. Die meisten Frauen benötigen weder während der hyperthyreoten noch während der hypothyreoten Phase eine Therapie. [4] Bei den o.g. Patientinnen sollen 3 und 6 Monate postpartum TSH und fT4 bestimmt werden . 9. Universelles Screening versus Schilddrüsenfunktionstest auf Indikation Die Indikation für Schilddrüsenfunktionstests liegt vor bei - [4] : Eigenanamnese bezüglich Schilddrüsenerkrankung Patientinnen mit einer Struma Familienanamnese bezüglich Schilddrüsenerkrankung Typ 1 Diabetes oder anderen Autoimmunerkrankungen Anamnese bezüglich Abort oder Frühgeburt Anamnese bezüglich Bestrahlung im Kopf-/Halsbereich BMI > 40 Alter > 30 Jahren In Jodmangelgebieten Das Screening von asymptomatischen Frauen wird kontrovers diskutiert. PRO Screening [5] Bei Untersuchungen auf Indikation werden 30 – 50 % der latenten und manifesten Hypothyreosen verpasst , [6] die wiederum mit einem gehäuften Auftreten von Schwangerschaftskomplikationen assoziiert sind . Zudem ist die Indikationenliste (s.o.) für eine Schilddrüsenabklärung lang, so dass die Gefahr besteht, dass Hochrisikopatientinnen nicht identifiziert werden. Die Schweiz gilt ohnehin als ein Jodmangelgebiet. Ein [7] universelles Screening ist kosteneffektiv . CONTRA Screening Auswirkungen einer subklinischen Hypothyreose auf die neurokognitive Entwicklung des Kindes und somit der Benefit einer allfälligen Substitution sind nicht ausreichend gut belegt. Seite 4 von 6/1931122-3_Geburtshilfe_Schilddruesenerkrankungen.doc/kes Erstelldatum: 21.10.2013 1931 Geburtshilfe Nr. 1931122/3 Seite 5 von 6 Schilddrüsenerkrankungen in der SS Die Fachgesellschaft gibt z.Zt. keine Empfehlung ab. Aus oben angeführten Gründen wird an unserer Klinik ein universelles Screening durchgeführt, d. h. bei allen Schwangeren wird im 1. Trimenon das TSH bestimmt und nach dem aufgeführten Flussdiagramm fortgefahren. 10. Therapie Bei einer vorbestehenden, therapierten Hypothyreose muss die Dosis von L-Thyroxin in der 5. - 7. SSW um [4] 30 – 50 % je nach Grunderkrankung erhöht werden . Dies sollte in Rücksprache mit den Kollegen der Endokrinologie erfolgen und der TSH-Wert alle 4 Wochen kontrolliert werden. Postpartal wird L-Thyroxin wieder auf die präkonzeptionelle Dosierung reduziert. Bei Erstdiagnose sowohl einer Hyper- als auch einer Hypothyreose muss ein endokrinologisches Konsil erfolgen, um die Therapie in die Wege zu leiten. Die Überwachung der Schwangerschaft erfolgt interdisziplinär. 11. Folgen für die Betreuung der Neugeborenen von Müttern mit positivem Ak-Nachweis (z.B. Hashimoto, Basedow) Info an Neonatologie im Rahmen der Kardexvisite auf dem Wochenbett. • • • Beim Kind zusammen mit Guthrie-Test venöse BE: TSH, fT3, fT4, Thyreoglobulin-Ak (Tg-Ak), Thyreoperoxidase-Ak (TPO-Ak), TSH-Rezeptor-Ak (TRAK)* Wenn Ak beim Kind positiv, aber ansonsten noch unauffällig (TSH normal), dann Kontrolle im Neo-Ambi nach 2 Wochen mit: TSH, fT3, fT4* Wenn Ak negativ: keine weiteren Kontrollen *Die Resultate werden jeweils mit den Endokrinologen besprochen und das weitere Procedere festgelegt. Eine BE aus Nabelschnur wird nicht gemacht, da die Resultate beim Kind bestätigt werden müssten. Literatur [1] Gietka-Czernel M., Debska M., Kretowics P., Debski R., ZgliczynskiW. Fetal thyroid in two-dimensional ultrasonography: normograms according to gestational age and biparietaldiameter.European Journal of Obstretics&Gynecology and Reproductive Biology 2012; 162: 131-138 [2] Zimmermann A., Weber M.M.Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft. J GynäkolEndokrinol 2012; 15(1):7-13 [3] Negro R., Formoso G., MangieriT.,et al. Levothyroxine treatment in euthyroid pregnant women with autoimmune thyroid disease: effects on obstetricial complications. J ClinEndocrinolMetab 2006; 91: 2587-91 [4] De Groot L., Abalovich M., Alexander E.K., Amino N., Barbour L., Cobin R.H., Eastman C.J., Lazarus J.H., Luton D., Mandel S.J., Mestman J., Rovet J., Sullivan S. Management of Thyroid Dysfunction during Pregnancy and Postpartum: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J ClinEndocrinolMetab 2012; 97(8): 2543-2565 [5] Horacek J., Spitalnikova S., Dlabalova B., Malirova E., Vizda J., Svilias I., Cepkova J., McGrath C., Maly J. Universal screening detects two-times more thyroid disorders in early pregnancy than targeted high-risk case finding. Eur J Endocrinol 2010; 163: 645-650 [6] Ross D.S. Hypothyroidism during pregnancy: Clinical manifestations, diagnosis and treatment. UpToDate 2012 [7] Dosiou C., Barnes J., Schwartz A., Negro R., Crapo L., Stagnaro-Green A. Cost-Effectiveness of Universal and Risk-Based Screening for Autoimmune Thyroid Disease in Pregnant Women. J ClinEndocrinolMetab 2012; 97(5): 1536-1546 Seite 5 von 6/1931122-3_Geburtshilfe_Schilddruesenerkrankungen.doc/kes