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DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit „Meine Kleine darf ich nicht adoptieren“ Herausforderungen gleichgeschlechtlicher Paare: Vom Kinderwunsch zum Wunschkind Verfasserin Manuela Maurer, BA MA angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag.a phil) Wien, Juli 2012 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 307 Studienrichtung lt. Studienblatt: Kultur- und Sozialanthropologie in in Betreuerin: Univ. Prof. Dr. Sabine Strasser The Universal Declaration of Human Rights: Article 1: All human beings are born free and equal in dignity and rights. They are endowed with reason and conscience and should act towards one another in a spirit of brotherhood. Article 16 (1): Men and women of full age, without any limitation due to race, nationality or religion, have the right to marry and to found a family. They are entitled to equal rights as to marriage, during marriage and at its dissolution.1 1 United Nations: http://www.un.org/en/documents/udhr/index.shtml Danksagung Ich möchte mich bei all jenen recht herzlich bedanken, die mich beim Erstellen dieser Diplomarbeit unterstützt und diese Arbeit dadurch erst möglich gemacht haben. Allen voran möchte ich mich bei meinen Interview- und Gesprächspartnerinnen vom Verein „FAmOs“ bedanken. Diese Arbeit lebt von den Geschichten und intimen Erlebnissen, die sie bereit waren, mit mir zu teilen. Ein ganz besonderer und inniger Dank geht auch an meine Familie, die mich stets auf emotionaler und finanzieller Ebene bei jedem einzelnen meiner Lebenswege und Entscheidungen unterstützt haben. Dankeschön! Sehr wichtig für das erfolgreiche Abschließen dieser Arbeit waren auch der regelmäßige Austausch und die hilfreichen Gespräche mit lieben Freund_innen. Danke fürs Zuhören und Aufmuntern zwischen drin immer wieder mal. Schließlich möchte ich mich auch ganz herzlich bei meiner Betreuerin Dr. in Sabine Strasser für die kompetente Betreuung und die wertvollen Anregungen bedanken. Zuletzt geht noch ein großes Dankeschön an Birgit. Ich danke dir für deine Unterstützung, deine Geduld und dass du stets ein offenes Ohr für mich hattest. Danke, dass du meine Sorgen mit mir geteilt hast und mich immer wieder aufgebaut und motiviert hast. INHALTSVERZEICHNIS I. EINLEITUNG 11 II. THEORETISCHE UND THEMATISCHE VERORTUNG DER ARBEIT 1. Regenbogenfamilien 15 15 1.1. Regenbogenfamilie – Etymologische Erklärungen 15 1.2. Gleichgeschlechtliche Elternschaft 16 2. Klärung der Begrifflichkeiten 21 2.1. Elternschaft 21 2.2. Adoption 24 2.3. Pflegeelternschaft 27 2.4. Medizinisch unterstützte Fortpflanzung 29 2.5. Heim- oder Selbstinsemination 31 2.6. Leihmutterschaft 32 2.7. „Citizenship“ und der Staat 33 3. „Citizenship“, „Intimate Citizenship“ und Heteronormativität 34 3.1. „Intimate Citizenship“ 37 3.2. Heteronormativität und „Queer Theory“ 41 3.3. Fazit und Bedeutung für meine Arbeit 45 4. Das Institut der Ehe 46 4.1. Situation in Österreich 47 4.2. Forderung nach Öffnung der Ehe 48 4.3. Fazit und Bedeutung für meine Arbeit 49 5. Zusammenfassung theoretischer Rahmen 49 III. RECHTLICHER RAHMEN 50 1. Gesetzliche Regelungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen weltweit 50 1.1. Die Entstehung der Eingetragenen Partnerschaft in Europa 51 1.2. Kurzer Überblick Homosexualität weltweit 52 2. Situation in Österreich 54 2.1. Allgemeine Informationen zur Eingetragenen Partnerschaft 56 2.2. Entstehungsgeschichte der Eingetragenen Partnerschaft 56 3. Fazit und Bedeutung für meine Arbeit 60 IV. VOM KINDERWUNSCH ZUM WUNSCHKIND 62 1. Methodische Herangehensweise und Verlauf der Feldforschung 63 1.1. Feldforschung 65 1.1.1. Regenbogenparade in Wien 65 1.1.2. Zugang zum Feld – Kontaktaufnahme 67 1.2. Datenerhebung und Datenauswertung 69 1.2.1. Problemzentrierte Interviews 69 1.2.2. Expert_innen Interview 71 1.2.3. Datenauswertung 72 1.3. Forschungsfeld: Verein „FAmOs – Familien Andersrum Österreich“ 73 2. Vorstellung der Interviewpartnerinnen 78 2.1. Monika und Theresa 79 2.2. Andrea und Stefanie 82 2.3. Gudrun und Milla 88 2.4. Jennifer und Sabine 93 2.5. Viktoria und Michaela 97 3. Vergleich der Ergebnisse der Paarinterviews 110 3.1. Kinderwunsch oder die Frage Und willst du mal ...? 110 3.2. Planung: Allgemein ist es natürlich eine genaue Planung. 111 3.3. Umsetzung: Wir wollten nicht ins Ausland fahren. 113 3.4. Im Spital: Es war ganz klar, dass sie den Kleinen als Erste bekommt.113 3.5. Reaktionen der Familie: Die waren voll begeistert. 114 3.6. Reaktionen vom Umfeld: Das tägliche „Outen-Müssen“ ist anstrengend. 114 3.6.1. Geburtsvorbereitungskurs Im 115 3.6.2. Am Arbeitsplatz 115 3.6.3. Im Kindergarten 116 3.7. Familiensituation: Es gibt keine Vorbilder, man muss sich selber finden. 3.8. Österreichische Rechtslage: Ich bin nichts! Also keine Rechte. 116 117 3.8.1.Eingetragene Partnerschaft 118 3.8.2. Wunsch der Stiefkindadoption 119 3.8.3. Öffnung der Ehe 120 3.8.4. Gemeinsame Obsorge 120 3.8.5. Rechtliche Situation des Spenders 121 4. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse 121 5. Klage gegen Verbot der künstlichen Befruchtung 125 V. RESÜMEE UND AUSBLICK 126 VI. QUELLENVERZEICHNIS 131 Literaturliste 131 Internetquellen 139 Interviews 145 Fieldnotes 145 Abkürzungsverzeichnis 146 Abbildungsverzeichnis 147 ANHANG 148 Abstract 148 Lebenslauf 149 10 I. EINLEITUNG „Die rechtlichen Rahmenbedingungen für gleichgeschlechtliche Elternschaft haben sich in Europa grundlegend gewandelt.“ (Dethloff 2011: 41) Die Existenz gleichgeschlechtlicher Paare mit Kinderwunsch oder mit Kindern wird bis jetzt in Österreich von staatlicher Seite größtenteils geleugnet, Regenbogenfamilien werden ignoriert. In dieser vorliegenden Arbeit sollen nun die Probleme, Schwierigkeiten sowie Erfahrungen von Regenbogenfamilien anhand der Schilderungen von fünf Frauenpaaren mit Kindern in den Mittelpunkt gestellt werden. Bereits zu Beginn meines Kultur- und Sozialanthropologie Studiums wurde mein Interesse für Genderthematiken geweckt. Ich begann mich mit Theorien über Geschlechterverhältnisse und feministischen Theorien zu beschäftigen. Im weiteren Verlauf meines Studiums beschäftigte ich mich dann gezielter mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften im historischen wie auch weltweiten Kontext. gleichgeschlechtlicher Mein Hauptinteresse Beziehungen und der lag auf Entstehung gesetzlichen und Regelungen Verbreitung von Regenbogenfamilien. Aus diesem Grunde verfolgte ich auch die Diskussionen rund um die Einführung eines Partnerschaftsgesetzes in Österreich mit großer Spannung. Der erste Entwurf ließ bereits darauf schließen, dass die Eingetragene Partnerschaft im Vergleich zu heterosexuellen Paaren, gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch oder mit Kindern weitaus weniger Rechte zuerkennen würde, als dies in anderen Ländern der Fall ist. Das Rechtskomitee „LAMBDA“2 oder „Die Grünen Andersrum“3 setzten sich deshalb für eine Verbesserung der Gesetzesvorlage ein, und organisierten am 13.11.2009 eine Demonstration4, bei der ich gemeinsam mit Freund_innen5 ebenfalls teilnahm. Diese Entwicklungen brachten 2 Rechtskomitee LAMBDA: http://www.rklambda.at/Alles/index.htm 3 Die Grünen Andersrum Wien: http://wien.gruene.at/andersrum 4 Demonstration: Erstklassige Rechte – letztklassiges Gesetz: http://www.erstklassigerechte.at/news/archives/1783#more-1783 5 In dieser Arbeit wird die geschlechtsneutrale Schreibweise _innen gewählt, um die vielfältigen Geschlechtsidentitäten, die über den konstruierten Dualismus von Mann und Frau hinausgehen mit einschließen zu können. Diese Schreibstrategie eröffnet Raum für multiple Geschlechtszuschreibungen jenseits dichotomer Essenzialismen. Der Unterstrich soll all jenen Menschen Raum verschaffen und mitberücksichtigen, welche sich zwischen beziehungsweise außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit verorten. Gleichzeitig soll er ein Stolpern im Lesefluss provozieren (vgl. Groß/Winkler 2007). 11 mich auf die Idee mich genauer mit der Eingetragenen Partnerschaft und Regenbogenfamilien in Österreich zu beschäftigen. Momentan tut sich einiges in Sachen Regenbogenfamilien in Österreich, allerdings gibt es nach wie vor kaum statistische Daten zu dieser Thematik. Deshalb können auch aller höchstens vage Schätzungen über die Anzahl gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern gemacht werden. Marina Rupp veröffentlichte im Jahre 2009 die erste wissenschaftliche Studie über Regenbogenfamilien in Deutschland.6 Aber auch hier gibt es keine offiziellen Zahlen, die tatsächliche Anzahl von Regenbogenfamilien dürfte weitaus höher liegen, da es schwierig ist alle gleichgeschlechtlichen Paare mit Kindern zu erreichen. Ungefähr die Hälfte der Regenbogenkinder wird mittlerweile in eine gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren, etwas weniger stammen aus früheren heterosexuellen Beziehungen. Adoptivwie auch Pflegekinder kommen in „Zwei-Mütter-Regenbogenfamilien“ nur sehr selten vor (vgl. Rupp 2009, 2011). Bis vor kurzem wurde von Seiten des Staates versucht die Existenz von Regenbogenfamilien in Österreich zu leugnen, auch im Eingetragenen PartnerschaftsGesetz werden sie ignoriert. Seit Juni 2011 gibt es nun den Verein „FAmOs – Familien Andersrum Österreich“7 Dieser Verein, von und für Regenbogenfamilien, setzt sich für die Sichtbarmachung der Probleme und Schwierigkeiten von Regenbogenfamilien ein, er wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher vorgestellt werden. Gesetzliche Regelungen erschweren gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich also die Gründung einer Familie und gemeinsame Umsetzung ihres Kinderwunsches. Das Eingetragene Partnerschaftsgesetz konfrontiert sie sogar mit einem absoluten Adoptionsverbot und auch der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung bleibt ihnen verwehrt. Nichtsdestotrotz finden gleichgeschlechtliche Paare durchaus Wege auch in Österreich Eltern zu werden. Frauenpaaren stehen bei der Umsetzung eines gemeinsamen Kinderwunsches allein schon aufgrund der Tatsache, dass Frauen selbst Kinder gebären können, mehr Möglichkeiten als Männerpaaren zur Verfügung. Sie benötigen für eine Schwangerschaft theoretisch nur Spendersamen. Viele Frauenpaare nutzen diese Möglichkeit auch wirklich aus, um eine Familie mit eigenen Kindern gründen zu können; eine der beiden Frauen ist schlussendlich dann ja tatsächlich die biologische Mutter des Kindes. 6 Diese Studie wird aus Ermangelung österreichischer Daten herangezogen, um zumindest einen ungefähren Überblick erlangen zu können. vgl auch: http://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/family/LSVD_Essentiels-BMJ-Studie.pdf 7 „FAmOs“: www.regenbogenfamilien.at 12 Männerpaare können sich in Österreich fast nur durch gemeinsame Pflegeelternschaft den Kinderwunsch erfüllen. Diese Möglichkeit wird allerdings auch erst in letzter Zeit vermehrt in Anspruch genommen. Zum Zeitpunkt der Durchführung meiner Feldforschung waren vor allem Frauenpaare sehr aktiv damit beschäftigt, Wege zu finden, um gesetzliche Regelungen und Verbote für gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch in Österreich umgehen zu können. Aus diesem Grunde stehen Frauenpaare, die es trotz aller Widrigkeiten geschafft haben schwanger zu werden und eine Familie zu gründen, im Mittelpunkt dieser Arbeit. Meine Forschungsfrage lautet schließlich: • „Welche Möglichkeiten stehen Frauenpaaren in Österreich bei der Umsetzung des Wunsches nach eigenen Kindern zur Verfügung um gemeinsam eine Familie zu gründen?“ Durch teilnehmende Beobachtungen und Interviews mit Frauenpaaren mit Kindern sollen Probleme und Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Kinderwunsches, sowie Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen als Regenbogenfamilie gegenüber anderen traditionelleren Familienkonstellationen gezeigt werden. Dadurch soll auch geklärt werden, ob die Eingetragene Partnerschaft in Österreich heteronormative Grundvorstellungen, also Heterosexualität als Gesellschaftsnorm, reproduziert oder sogar mitproduziert. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier größere Kapitel. Nach der Einleitung mit einer kurzen Einführung ins Thema und der Vorstellung der zentralen Fragestellung, folgt die Darstellung der theoretischen und thematischen Verortung dieser Arbeit. Zuerst werden wichtige Begrifflichkeiten, beginnend mit Definitionen des Wortes Regenbogenfamilien über künstliche Befruchtung, Selbstinsemination, Adoptionsformen bis hin zu „Queer Families“ und „Zwei-Mütter-Familien“, geklärt. Das Konzept von „Intimate Citizenship“ samt Heteronormativität dient als theoretischer Rahmen. Der Begriff „Intimate Citizenship“ geht auf Ken Plummer (1995, 2003) zurück und thematisiert „Citizenship“ als Brückenschlag zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre. Heteronormativität bezeichnet die heterosexuelle Vormachtstellung in der Gesellschaft, es wird von zwei sich eindeutig voneinander unterscheidbaren Geschlechtern ausgegangen, die nur sexuelle Beziehungen zum jeweils anderen Geschlecht unterhalten; dies wird als Norm dargestellt. Sexualität, Familie und Kinder beruhen nicht ausschließlich auf privaten oder persönlichen Entscheidungen, vielmehr sind sie untrennbar mit der öffentlichen 13 Sphäre verbunden. Aus diesem Grund spielt die Thematisierung von „Intimate Citizenship“ eine wichtige Rolle für die vorliegende Arbeit. Auch eine Auseinandersetzung mit dem Institut der Ehe ist für diese Arbeit unerlässlich. Die Ehe ist weitaus mehr als eine reine Beziehung zwischen zwei Menschen, einige Rechte sind an die Bedingung der Ehe geknüpft. Dadurch dass gleichgeschlechtliche Paare in Österreich nach wie vor nicht heiraten dürfen, haben sie auch keinen Zugang zu diesen Rechten. Der rechtliche Rahmen dieser Arbeit beginnt mit einem kurzen Überblick über gesetzliche Regelungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen weltweit. Im Anschluss wird näher auf die Situation in Österreich eingegangen und es erfolgt eine ausführliche Charakterisierung der Eingetragenen Partnerschaft. Im empirischen Bereich erfolgt zuerst die Vorstellung der methodischen Herangehensweise. Der neugegründete Verein „FAmOs – Familien Andersrum Österreich“ erwies sich als wichtige Informationsquelle und nahm eine Vermittlerrolle bei der Suche nach Interviewpartner_innen ein. Für diese Forschung wurden im Zeitraum von August bis Oktober 2011 teilnehmende Beobachtungen und Interviews mit fünf Frauenpaaren mit Kind, so wie ein Expert_inneninterview mit Barbara Schlachter-Delgado, Obfrau des Vereins „FAmOs“, durchgeführt. Nach der Darstellung der verwendeten Methoden werden das Forschungsfeld und meine Interviewpartnerinnen näher vorgestellt, bevor im Anschluss die Ergebnisse der empirischen Forschung präsentiert werden. Durch Erzählungen und Schilderungen meiner Interviewpartnerinnen wird es möglich einen kleinen Einblick in Familienleben und Alltag von Regenbogenfamilien zu erlangen. Die Darstellung der Ergebnisse reicht vom Kinderwunsch über Planungsphase, Umsetzung und Geburt bis hin zu Erfahrungen als nunmehrige Regenbogenfamilie. Zusätzlich wurde noch ein Einzelinterview mit einer verpartnerten Frau mit Kinderwunsch durchgeführt. Sie klagt nun gemeinsam mit ihrer Partnerin den österreichischen Staat auf Aufhebung des Verbots des Zugangs zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung. Die Vorstellung des Paares und seiner Klage bildet den Abschluss dieses Kapitels. Der abschließende Schlussteil liefert noch einmal eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit, sowie einen Ausblick auf weiterführende Forschungsmöglichkeiten. Dabei erfolgt noch einmal eine explizite Zusammenführung von Theorie und Empirie. 14 Ziel dieser Arbeit ist es auf bestehende Ungleichbehandlungen gleichgeschlechtlicher Paare mit Kinderwunsch und/oder Kindern aufmerksam zu machen. Die Eingetragene Partnerschaft in Österreich beinhaltet zahlreiche Diskriminierungen für gleichgeschlechtliche Paare. Eingetragene Partner_innen verfügen nach wie vor nicht über die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtliche Paare. Durch die theoretische Bearbeitung von „Intimate Citizenship“ und Heteronormativität soll auf die Beziehung zwischen öffentlicher und privater Sphäre hingewiesen werden. Die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Ehe, Regenbogenfamilie, Leihmutterschaft, biologische und soziale Mutter soll die Grundlage für die empirische Bearbeitung dieser Thematik liefern. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten Regenbogenfamilien in Österreich sichtbarer zu machen. Es werden intime Einblicke in Alltagsprobleme und -schwierigkeiten mit denen Regenbogenfamilien auf ihrem Weg zur Anerkennung als Familie und gleichwertige Elternteile konfrontiert sind gezeigt. II. THEORETISCHE UND THEMATISCHE VERORTUNG DER ARBEIT In diesem Abschnitt sollen zuerst wichtige Begrifflichkeiten definiert werden. „Citizenship“, „Intimate Citizenship“ und Heteronormativität bilden den theoretischen Rahmen dieser Arbeit. Dieses thematisiert die Überschneidungen zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre. Unsere privaten Entscheidungen werden von der Öffentlichkeit stark beeinflusst. Auch das Institut der Ehe ist nicht unbedingt als romantische Beziehung zwischen zwei Menschen zu sehen. Verheiratete Menschen gewinnen durch die Ehe neue Rechte. Diese theoretischen Erläuterungen sollen auch den Rahmen für die empirischen Ergebnisse dieser Arbeit liefern. 1. Regenbogenfamilien 1.1. Regenbogenfamilie – Etymologische Erklärungen Der Duden versteht unter Regenbogenfamilie „eine Familie mit gleichgeschlechtlichem Elternpaar.“8 Dieses Wort erschien im Jahre 2009 erstmals in der 25. Auflage des 8 Online Duden: http://www.duden.de/rechtschreibung/Regenbogenfamilie 15 Rechtschreibduden, den Begriff selbst gibt es allerdings schon viel länger. Der Terminus Regenbogenfamilie bezieht sich auf die Regenbogenflagge, die als wichtiges Symbol der „LGBTQ -Community“9 gilt. Die ursprüngliche Bedeutung von Regenbogenfamilien geht auf die Hippiebewegung der 1960er Jahre zurück. Hier wurden alle Menschen symbolisch als Brüder und Schwestern betrachtet, es kam zu „Massenadoptionen“, sogenannte Regenbogenfamilien entstanden. Der Begriff Regenbogenfamilie wurde bereits in den 1950er Jahren verwendet. Josephine Baker, US-amerikanisch-französische Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin, war frühe Unterstützerin der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Sie protestierte auf ihre eigene Art und Weise gegen Rassismus, indem sie zwölf Waisenkinder unterschiedlicher Nationalitäten und Hautfarben adoptierte. Diese Familie bezeichnete sie als „rainbow family“ oder „rainbow tribe“.10 Auch heute wird unter Regenbogenfamilie zum Teil noch immer eine Familie aus Menschen unterschiedlicher Nationalitäten verstanden.11 In dieser Arbeit soll allerdings nur auf die aktuellere Bedeutung von Regenbogenfamilien, eine Familie bestehend aus mindestens einem lesbischen, schwulen, bisexuellen oder transgender Elternteil mit mindestens einem Kind, eingegangen werden. 1.2. Gleichgeschlechtliche Elternschaft „The law permitting gay partnerships has revolutionized the family.“ (Rydström 2008 193) Gleichgeschlechtliche Elternschaft stellt zwar nach wie vor nur einen geringen Anteil aller Elternschaften dar, allerdings passierten in den letzten Jahrzehnten doch große Veränderungen. Einerseits kam es in vielen Ländern zu Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen gleichgeschlechtlicher Paare. Andererseits gibt es mittlerweile auch durch den Fortschritt medizinischer Reproduktionstechniken mehr Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam ein Kind zu bekommen. Regenbogenfamilien weisen pluralisierte Lebensformen auf, was sich meist aus den Lebenswegen der jeweiligen Partner_innen begründet (vgl. Carrapacchio 2008, Thiem 2011). Waren es früher vor allem noch Kinder die aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen stammten, entscheiden sich nun mehr und mehr gleichgeschlechtliche Paare 9 LGBTQ ist eine Abkürzung und steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Trans und Queer, sie wird in internationalen politischen Diskursen verwendet. vgl. unter anderem: The world´s largest encyclopedia of gay, lesbian, bisexual, transgender, and queer culture: http://www.glbtq.com/ 10 Regenbogenfamilie: http://de.wikipedia.org/wiki/Regenbogenfamilie 11 Medical Dictionary: de.dict.md/definition/Regenbogenfamilie 16 ihren Kinderwunsch in der aktuellen Beziehung umzusetzen. Gleichgeschlechtlich orientierte Menschen haben heute ein früheres „Coming Out“ und gehen davor oft keine heterosexuellen Beziehungen mehr ein (vgl. u.a. Rupp 2009, Funcke 2010). In weiterer Folge möchte ich nun kurz genauer auf den Wandel von Familien allgemein eingehen, in erster Linie soll der Begriff Regenbogenfamilie näher gebracht werden. In den 1950er und 1960er Jahren kam es durch die Studenten- und Frauenbewegung zu einer Entlarvung der Familie als Ideologie und Gefängnis, als Ort alltäglicher Gewalt und Unterdrückung. Nichtsdestotrotz stehen Ehe und Familie nach wie vor unter besonderem Schutz des Staates. Heute gibt es allerdings eine größere Vielfalt von Lebens-, Liebes- und anderen Beziehungsformen (Funcke/Thorn 2010:1f ). Der Begriff der Familie wurde in den letzten Jahren immer mehr geweitet und ist nicht mehr an eine bestimmte Paarkonstellation geknüpft. Auch Alleinerziehende, Stiefkindfamilien, nichteheliche Kinder und gleichgeschlechtliche Paare sollten in den Genuss des Schutzes der Familie kommen (Wapler 2010: 123f). Dies heißt allerdings noch lange nicht, dass heteronormative Grundvorstellungen geschwächt wurden. „The shared assumption is that the appropriate family is founded on the heterosexual couple – a reproductive, biological pairing that is designated as divinely ordained in religion, crucial in social policy, and a normative imperative in ideology.“ (Albertson Fineman 2009: 46) Die traditionelle Vorstellung von Familie geht von einem heterosexuellen Elternpaar und einem oder mehreren leiblichen Kindern aus (Dürnberger/Rupp/Bergold 2009: 11). „Die traditionelle heterosexuelle Kleinfamilie mit Mutter und Vater als zwei komplementäre Aufgaben übernehmende Elternteile gilt noch immer als selbstverständliches und zumeist unhinterfragtes Ideal für das Zusammenleben mit Kindern in unserer Gesellschaft.“ (Kruppa 2009: 154) Die Thematisierung von Regenbogenfamilien ist ein ziemlich junges Phänomen. In Regenbogenfamilien gibt es mindestens einen lesbischen, schwulen, bisexuellen oder transgender Elternteil. Mittlerweile wird etwa die Hälfte aller Kinder in Regenbogenfamilien bereits in eine bestehende gleichgeschlechtliche Beziehung hinein geboren, den anderen Großteil stellen Kinder dar, die aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen mitgenommen wurden. Bei der Umsetzung eines Kinderwunsches sind Frauenpaare stark bevorzugt, da ihnen naturgegeben mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Frauen können 17 mithilfe eines anonymen oder bekannten Samenspenders eine Schwangerschaft erzielen (vgl. Dethloff 2010, 2011). Für Männer ist es viel schwieriger12, ohne die Präsenz eines weiblichen Elternteils, eine Familie zu formen, denn Pflegeelternschaft und Adoption stehen ihnen auch nur zum Teil offen (vgl. Rupp/Dürnberger 2010:71, Rupp/Dürnberger 2009: 86). Heterosexuellen Paaren, die auf natürlichem Weg gemeinsam keine Kinder zeugen können, stehen die Möglichkeiten der Adoption und der medizinisch unterstützten Reproduktion offen. Es gibt eine rechtliche Differenzierung zwischen verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren, in den meisten Staaten ist der Zugang zu Reproduktionstechnologien nur für heterosexuelle Paare geöffnet (Wapler 2010: 116ff). Schwule und lesbische Paare brauchen für die Umsetzung des Kinderwunsches stets einen Dritten, entweder einen Samenspender, eine Ersatzmutter oder leibliche Eltern (Mitchell/Green 2010: 399). „Anders als für heterosexuelle Paare, für die alternative Reproduktionstechnologien einen letzten Ausweg darstellen, öffnet die Reproduktionsmedizin lesbischen und schwulen Paaren überhaupt erst die Tür zur Elternschaft.“ (Mitchell/Green 2010: 399) Wie bereits erwähnt wurde, sind alternative Reproduktionstechnologien leider viel zu oft nur für heterosexuelle Paare zugänglich. In Österreich kam es mit der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft auch zu einer Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes. Somit wurde klargestellt, dass Eingetragene Partner_innen unter keinen Umständen Zugang zu Neuen Reproduktionstechnologien haben. §2 Abschnitt 1 des Fortpflanzungsmedizingesetzes lautet nun: „(1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig“ (Gröger/Haller 2010: 102). Frauenpaare nutzen allerdings vermehrt die Möglichkeit sich privat einen Samenspender zu suchen. Einige lesbische Paare suchen auch gezielt nach einem schwulen Mann oder einem schwulen Paar für die Familiengründung, diese wird dann „Queer Family“ genannt. Eine „Queer Family“ entsteht durch den Zusammenschluss eines lesbischen Paares mit einem schwulen Paar oder schwulem Mann, um gemeinsam ein Kind oder mehrere Kinder groß zu ziehen (vgl. Rupp/Dürnberger 2009, Rupp 2011). Der Vorteil dieser Familienform ist, dass das Kind über seine biologischen Wurzeln Bescheid weiß. Das Kind verfügt über mehr als nur zwei Elternteile, es gibt regelmäßigen Kontakt zu beiden leiblichen Eltern. „Queer Families“ sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Familienform vor dem Gesetz nicht existiert (vgl. Dürnberger/Rupp/Bergold 2009: 19). Es müssen spezielle Abkommen getroffen 12 „FAmOs“: www.regenbogenfamilien.at 18 werden, welche Rolle der leibliche Vater im Leben des Kindes einnehmen soll und ob er auch offiziell in der Geburtsurkunde als Vater eingetragen werden soll oder lieber nicht. Gleichgeschlechtliche Familienformen brechen mit der Vorherrschaft der heterosexuellen Kernfamilie (Lenke 2009: 104). „Über Erfahrungen, wie die Erziehungsbeteiligung in „Queer Families“ tatsächlich aussieht und wie diese Erziehungspartnerschaften funktionieren, können die Expert(inn)en zu diesem Zeitpunkt noch nicht berichten, was unter anderem daran liegen könnte, dass diese Familienform nicht stark verbreitet ist.“(Bergold/Rosenbusch/Rupp 2009: 183) Gleichgeschlechtliche Paare müssen sich in vielen Fällen mehr Gedanken als heterosexuelle Paare bei der Realisierung eines Kinderwunsches machen. Der Weg zur Familiengründung ist mit vielen Entscheidungen und einem hohen Planungsaufwand verbunden. Es muss geklärt werden welche Frau die biologische Mutter des Kindes werden soll und welche Rolle der leibliche Vater im Leben des Kindes übernehmen soll (Rupp 2010: 64, Dürnberger/Rupp/Bergold 2009: 19). Über die Verbreitung von Regenbogenfamilien gibt es keine offiziellen Statistiken. Es wird vermutet, dass in den USA etwa ⅓ aller lesbischen Paare und ¼ aller schwulen Paare zumindest ein Kind hat. Eine deutsche Studie aus dem Jahre 2009 geht davon aus, dass es in Deutschland etwa 19.000 Regenbogenkinder gibt.13 Die tatsächliche Anzahl von Regenbogenkindern dürfte aber wohl um einiges höher liegen, da viele Leute bei Umfragen Fragen über ihre sexuelle Orientierung nur sehr ungern beantworten. Es wird vermutet, dass von den etwa 20 Millionen Kindern in Deutschland ungefähr 0,5 Prozent in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen. In Marina Rupps Studie wurden nur Paare in registrierten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften untersucht, Alleinerziehende oder nicht registrierte Paare wurden nicht erfasst (vgl Rupp/Dürnberger 2009, 2010). Bernd Eggen gibt auch zu bedenken, dass jüngere Menschen und Personen mit höherem Bildungsabschluss eher geneigt sind sich zu outen, so kommt es zwangsläufig zu einer Unterrepräsentation von Älteren und Leuten mit niedrigerem Bildungsabschluss (Eggen/Rupp 2011: 24). Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern verfügen laut dieser Studie tendenziell über einen höheren Ausbildungsgrad als verschiedengeschlechtliche Paare; mehr als die Hälfte besitzt Hochschulreife oder Abitur. Dies kann mitunter allerdings auch daran liegen, dass jüngere Personen und Personen mit einem höheren Bildungsgrad eher dazu gewillt sind Auskünfte 13 Andere Quellen sprechen von ungefähr 30.000 Regenbogenkindern: http://www.igelkinder.at/regenbogenfamilien_-_gleichgeschlechtliche_familie.html 19 über ihre sexuelle Orientierung zu geben. Die Studie beschäftigte sich unter anderem auch mit möglichen Auswirkungen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Sie kam zum Schluss, dass die Entwicklung von Regenbogenkindern keine großen Differenzen zu Kindern heterosexueller Paare aufweisen, des Weiteren sind die Kinder nicht häufiger gleichgeschlechtlich orientiert. Regenbogenfamilien sind eher klein, in 65 Prozent der Familien gibt es nur ein Kind. Der Frauenanteil an der Studie lag bei 93 Prozent (Rupp/Dürnberger 2009:11ff). „Regenbogenfamilien sind demnach in aller Regel Mutterfamilien, was darauf zurückzuführen ist, dass zum einen Kinder nach einer Trennung der Eltern zumeist bei ihren Müttern leben und zum anderen Frauen durch die Möglichkeit der donogenen Insemination eher die Chance haben eine eigene Regenbogenfamilie zu gründen.“ (Rupp/Dürnberger 2009: 56) Frauenpaare haben den Vorteil, dass sie sich ihren Kinderwunsch durch eine Samenspende erfüllen können (vgl. Green 2006). Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass mehr als 90 Prozent der Regenbogenfamilien aus zwei Frauen plus Kind oder Kindern bestehen. Diese Familienkonstellation wird „Zwei-Mütter-Familien“ genannt (vgl. Rupp/Dürnberger 2009, Rupp 2011). Frauenpaare setzen ihren Kinderwunsch zumeist mit einer Insemination im Inland um, in den meisten Fällen suchen sich die Frauen privat einen Samenspender (Rupp/Dürnberger 2009: 89). Etwa zwei Drittel der Befragten gaben an bei der Realisierung ihres Kinderwunsches mit Problemen konfrontiert gewesen zu sein, sie fordern eine rechtliche Verbesserung ihrer Lebenssituation (Rupp/Dürnberger 2009: 176). Regenbogenfamilien stellen eine seltene Familienkonstellation dar, da ungefähr 90 Prozent davon „Zwei-Mütter Familien“ sind, gibt es kaum Erfahrungen mit Männerpaaren mit Kindern. „Erfahrungen mit Männerpaaren, die Kinder haben, sind eher selten und es handelt sich dabei um Fälle von Einzeladoptionen ausländischer Kinder. Die geringen Erfahrungen mit Männerpaaren sind dadurch begründet, dass erstens jüngere Männerpaare keine Kinder aus vorherigen heterosexuellen Beziehungen haben, sich zweitens Auslandsadoptionen grundsätzlich schwierig gestalten und drittens Ersatzmutterschaften sehr teuer seien – außerdem ist in Deutschland die Vermittlung von Ersatzmüttern [= Leihmütter] unzulässig.“ (Bergold/Rosenbusch/Rupp 2009: 180) Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern kämpfen oft vergebens darum als Familie identifiziert und anerkannt zu werden, auch wenn sie sich nicht wirklich von anderen Familienformen unterscheiden. Die Unterschiede ergeben sich erst „durch die noch geringe Akzeptanz und Integration von Regenbogenfamilien in unserer Gesellschaft“ (Bergold/Rosenbusch/Rupp 2009: 188). Kinder, die in gleichgeschlechtliche Beziehungen hineingeboren oder adoptiert werden sind absolute Wunschkinder, aus diesem Grunde werden 20 Regenbogenfamilien auch manchmal als „families of choice“ (Plummer 2003: 43) bezeichnet. Die positive Eltern-Kind-Beziehung kann auf den erschwerten Weg zur Familiengründung zurückgeführt werden, die Paare mussten sich bereits vor Geburt des Kindes besonders stark engagieren (Bergold/Rosenbusch/Rupp 2009: 191). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Regenbogenfamilien eine minorisierte Gruppe im Vergleich zu anderen Familienkonstellationen darstellen, allerdings ist die Zahl der Regenbogenfamilien stark im Steigen begriffen. Es gibt immer mehr gleichgeschlechtlich orientierte Menschen, die sich ihren Kinderwunsch in einer bestehenden gleichgeschlechtlichen Beziehung erfüllen. Kinder die durch eine Insemination, sei es nun in einer Samenbank oder zuhause, gezeugt wurden, stellen mittlerweile die Hälfte aller Regenbogenkinder dar. Gleichgeschlechtliche Paare sehen sich bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert. Anders als bei heterosexuellen Paaren bedarf eine Familiengründung hier immer auch einer längeren Planungsphase, es müssen Entscheidungen getroffen werden, mit denen verschiedengeschlechtliche Paare nie in Berührung kommen.14 2. Klärung der Begrifflichkeiten Hier sollen nun wichtige Begriffe dieser Arbeit thematisiert werden. Es geht darum zu klären, wer als Eltern eines Kindes betrachtet wird. Zusätzlich werden auch verschiedene Wege, die zur Elternschaft führen können, kurz dargestellt. Diese Begrifflichkeiten werden bei der Darstellung der Ergebnisse der empirischen Forschung noch eine wichtige Rolle spielen. 2.1. Elternschaft „Elternschaft“ bezeichnet die Rolle von Vätern und Müttern, im biologischen, sozialen und rechtlichen Sinn, die Eltern ihres Kindes oder ihrer Kinder zu sein. Der Duden definiert es als „Gesamtheit von Eltern, die (über ihre Kinder) ein gemeinsames Interesse verbindet“.15 Die „biologische Elternschaft“ wird durch die Zeugung und die Geburt eines Kindes eingenommen. Bei einer natürlichen Zeugung gibt es eine biologische Mutter und einen biologischen Vater. Bei der künstlichen Befruchtung mit Hilfe eines Spendersamens sind 14 Weiterführende Informationen über Regenbogenkinder: http://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/Lebensformen/01-Artikel_VPP-Sonderheft__Jansen_und_Steffens-_2006.pdf (18.1.2012) oder Carapacchio 2008, Thiem 2011 15 Online Duden: http://www.duden.de/rechtschreibung/Elternschaft 21 eigentlich die biologische Mutter und der Samenspender die biologischen Eltern des Kindes.16 Laut österreichischem Recht gibt es eine klare Definition wer als „biologische Mutter“ eines Kindes angesehen wird: „Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.“ (ABGB:§ 137b, vgl. Ferrari 2010, Holzhammer 2001: 52). Der männliche Elternteil eines Kindes wird „Vater“ genannt, in den meisten Fällen ist er der biologische Erzeuger des Kindes. Für die Bestimmung des Vaters gibt es in Österreich verschiedene Möglichkeiten. „Vater des Kindes ist der Mann, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist oder der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Würden nach Abs. 1 Z 1 mehrere Männer als Vater in Betracht kommen, so ist derjenige von ihnen Vater, der mit der Mutter zuletzt die Ehe geschlossen hat.“ (ABGB § 138. (1), vgl. Ferrari 2010:36 , Holzhammer 2001:52) Bei einem verheirateten Paar wird automatisch der Ehemann der Mutter als Vater des Kindes geführt, auch wenn dies nicht der Realität entspricht und er nicht der leibliche Vater ist; dies wird als „Vaterschafts- oder Ehelichkeitsvermutung“ bezeichnet (vgl. Wapler 2010: 119). „Diese Ehelichkeitsvermutung gilt auch für Kinder, die durch medizinisch unterstützte Zeugung geboren werden, und zwar auch dann, wenn der Samen nicht vom Ehemann der Mutter stammt. Hat dieser seine Zustimmung zur Fremdbesamung in einem Gerichtsprotokoll oder Notariatsakt erteilt, so kann er die Ehelichkeit des Kinds nicht bestreiten (§ 156a ABGB). In Österreich dürfen bei medizinisch unterstützter Zeugung fremde Samen nur bei Zeugungsunfähigkeit des Ehemanns und dessen formgebundener Zustimmung verwendet werden (§ 8 FmedG).“ (Holzhammer 2001:52) In einigen Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Paare heiraten können, gibt es eine bereits eine Ausweitung der Vaterschafts- oder Ehelichkeitsvermutung, die „Elternschaftsvermutung“. Durch die „Elternschaftsvermutung“ gilt die Ehefrau der Mutter eines ungeborenen Kindes zum Beispiel in Norwegen bereits mit der Geburt des Kindes auch automatisch als zweite Mutter. Sie verfügt über die gleichen Rechte und Pflichten wie die biologische Mutter (vgl. Dethloff 2011: 170ff). „Nimmt eine Frau mit Zustimmung ihrer Partnerin eine künstliche Befruchtung vor um gemeinsam mit ihr eine Familie zu gründen, so besteht das Bedürfnis, die soziale Elternschaft der anderen Partnerin auch rechtlich anzuerkennen. Die neuere Entwicklung geht daher dahin, die Partnerin nicht auf die Möglichkeit der Stiefkindadoption zu verweisen, sondern in diesen Fällen die gleichgeschlechtliche Elternschaft bereits abstammungsrechtlich anzuerkennen. Dadurch ist die Eltern-KindBeziehung bereits mit der Geburt des Kindes abgesichert.“ (Dethloff 2011: 46) 16 Biologische Elternschaft: http://de.wikipedia.org/wiki/Biologische_Elternschaft 22 „Das Kind erhält somit unmittelbar mit der Geburt zwei Mütter.“ (Dethloff 2011: 46), in einer eheähnlichen Gemeinschaft gibt es das Recht die Elternschaft schriftlich anzuerkennen (Dethloff 2010: 175ff). In Spanien wurde mit der Öffnung der Ehe gleichzeitig das Fortpflanzungsmedizingesetz mitreformiert. Nun kann auch hier bei einem verheirateten Frauenpaar bereits vor der Geburt des Kinds, die zweite Frau volle Mutterrechte erlangen und gilt auch offiziell als zweite Mutter (Dethloff 2010: 170ff). In Spanien, Teilen der USA und Israel ist auch die umstrittene „ROPA“ (Reception of Oocytes from Partner) Methode (vgl. Marina 2010) erlaubt. Hier „spendet“ eine Frau ein Ei, dieses wird dann befruchtet und im Anschluss der Partnerin eingepflanzt. Folglich gibt es dann eine „Egg Mommy“ und eine „Womb Mommy“. Hier haben beide Frauen eine biologische Verbindung zum Kind und werden auch automatisch als gemeinsame Mütter des Kindes betrachtet (vgl. Pelka 2009; Ehrensaft 2008). In Schweden steht das Recht auf gemeinsame Elternschaft verpartnerten wie nicht verpartnerten Frauenpaaren zur Verfügung. Auch in Großbritannien gibt es die Elternschaftsvermutung der Partnerin der Mutter schon zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung. In Schweden kann ein Frauenpaar ebenfalls bereits vor der Geburt durch eine schriftlich bezeugte Erklärung beider Frauen die gemeinsame Elternschaft anerkennen (Dethloff 2011: 46). Durch die Elternschaftsvermutung muss nicht erst der oft langwierige Prozess einer Stiefkindadoption oder der Umweg über die gemeinsame Obsorge bestritten werden, um als gleichwertige Elternteile anerkannt zu werden. Neben der „biologischen Elternschaft“, gibt es auch noch die „soziale Elternschaft“. Diese bezeichnet die Übernahme von langfristiger Verantwortung und Sorge für das Kind, eine soziale Bindung wird eingegangen. Ein nicht leiblicher Elternteil übernimmt die Elternrolle für ein Kind (vgl. Wapler 2010:120). Bei gleichgeschlechtlichen Paaren findet immer eine Unterscheidung zwischen leiblichem und sozialem Elternteil statt. Der soziale Elternteil wird oft auch Co-Mutter oder Co-Vater genannt. Soziale Elternschaft wird nicht als gleichwertig wie leibliche Elternschaft betrachtet (vgl. Rupp 2009, Rupp 2011). Soziale Mütter und Väter übernehmen Pflege, Nahrung und Zuwendung des Kindes. Es ist eine Form der Eltern-KindBeziehung, die nicht dem historisch gewachsenen Familienideal entspricht. In Österreich wird kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen sozialem Elternteil und Kind anerkannt, die sozialen Eltern haben kaum Rechte ihren Kindern gegenüber. 23 Die „rechtliche Elternschaft“ bezeichnet die juristische Verantwortung für ein Kind zu haben. Mütter und Väter werden werden als rechtliche Eltern betrachtet, wenn sie von der Gesetzgebung des jeweiligen Staates anerkannt werden. Die meisten Staaten erkennen nur zwei Elternteile als rechtliche Eltern eines Kindes an. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren sind diese zwei die leibliche Mutter und der leibliche Vater, wenn die Vaterschaft anerkannt wurde und er auch im Geburtenbuch als Vater geführt wird. Durch eine Stiefkindadoption, also der Adoption des leiblichen Kindes der Partnerin oder des Partners, würden beide Frauen oder Männer rechtliche Eltern des Kindes werden (vgl. Rupp 2009, 2011). 2.2. Adoption Auch eine „Adoption“ stellt eine Möglichkeit dar, Eltern zu werden. Se ist die rechtliche Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ohne Rücksicht auf die biologische Abstammung. Die leibliche Mutter kann zwischen verschiedenen Formen der Adoption wählen und auch die Adoptivbewerber_innen können entscheiden in welcher Form sie ein Kind adoptieren möchten. Zumeist wird zwischen Inkognito, offener und halboffener Adoption unterschieden.17 Bei der „Inkognitoadoption“, erfahren die leiblichen Eltern einige demographische Daten über die Adoptiveltern, allerdings keine Adresse oder Namen. Sie können sich beim Magistrat über das Wohl und die Entwicklung des Kindes informieren. Bei einer „offenen Adoption“ wissen die leiblichen Eltern wo sich ihr Kind befindet und sie können Kontakt mit den Adoptiveltern und dem Kind aufnehmen. Eine „halb offenen Adoption“ gibt den leiblichen Eltern die Möglichkeit mithilfe des Magistrats Kontakt zu den Adoptiveltern aufzunehmen um sich auf neutralem Gebiet treffen zu können. In Österreich hat die freigebende Mutter das Recht ihre Einwilligung zur Adoption bis zur gerichtlichen Bewilligung, durch die der Adoptionsvertrag wirksam wird, zurückzunehmen. Auch die Adoptiveltern können innerhalb dieser meist sechsmonatigen Frist von der Adoption zurücktreten. Die Rechte und Pflichten der leiblichen Eltern werden auf die Adoptiveltern übertragen. Bei Inlandsadoptionen müssen sich die Adoptivbewerber_innen meist auf eine mehrjährige Wartezeit einstellen. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen in Österreich keine Kinder adoptieren, Einzeladoptionen sind aber gestattet. Kinderlose Ehepaare werden bei der Auswahl jedoch bevorzugt behandelt. Das Mindestalter der Wahlmutter ist 28, der Wahlvater 17 Rechtliche Auskunft: Adoption: https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/72/Seite.720002.html Adoptionsformen: https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/72/Seite.720002.html#inkognito 24 muss mindestens 30 Jahre alt sein, zusätzlich muss der Altersunterschied mindestens 18 Jahre betragen. Das Höchstalter von Adoptivbewerber_innen ist gesetzlich nicht festgelegt. Bei der Adoption sollte stets das Kindeswohl im Vordergrund stehen.18 Neben der Inlandsadoption gibt es auch noch die Möglichkeit der „Auslandsadoption“, also ein Kind aus dem Ausland zu adoptieren. Österreich ratifizierte 1999 die Haager Konvention, dadurch soll die Sicherstellung des Kindeswohls und die Wahrung der Grundrechte bei internationalen Adoptionen gewahrt werden, Kinderhandel soll verhindert werden. Auslandsadoptionen können sehr kostenintensiv sein und bis zu 20.000 Euro kosten. Bei internationalen Adoptionen müssen zudem immer die rechtlichen Voraussetzungen im Herkunftsland mitberücksichtigt werden, es muss geklärt werden, ob die Adoption in Österreich rechtsgültig ist. In manchen Ländern ist es notwendig, dass sich die Adoptivwerber_innen eine Zeit lang im Herkunftsland des Kindes aufhalten, bevor die Adoption abgeschlossen werden kann.19 Es gibt nur wenige Länder, die gleichgeschlechtlichen Paaren erlauben ein Kind ihres Landes zu adoptieren, eines davon ist die USA. Die Voraussetzung für eine Auslandsadoption ist in Österreich an die Erlaubnis zur Pflegeelternschaft geknüpft, aus diesem Grund können sich gleichgeschlechtliche Paare auch nur bedingt um eine Auslandsadoption bemühen.20 Andere Länder sind hierbei schon viel weiter als Österreich. 20 Jahre nach Einführung der ersten Eingetragenen Partnerschaft in Dänemark 1989 gibt es mittlerweile in einigen Staaten die Möglichkeit einer gemeinsamen Adoption für gleichgeschlechtliche Paare. In den Niederlanden (2001), Schweden (2002), Großbritannien und Wales (2005), Spanien (2005), Island, Belgien, Südafrika (2006), Israel (2008), Schottland, Dänemark, Norwegen, Finnland, Uruguay (2009), Brasilien, Argentinien, Mexiko-Stadt und Andorra (2010), wie auch in einigen Territorien in Australien, Kanada und den USA können gleichgeschlechtliche Paare bereits gemeinsam ein Kind adoptieren (Mesquita 2010:53, Dethloff 2010: 175f). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die theoretische Möglichkeit einer gemeinsamen Adoption dennoch an verschiedenen Gründen scheitern kann. So wurde gleichgeschlechtlichen Paaren in Schweden bereits 2002 das volle Adoptionsrecht zuerkannt. 18 Inlandsadoptionen: https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/72/Seite.720004.html 19 Pflegefamilie: http://www.pflegefamilie.at/index.php?option=com_content&view=article&id=28&Itemid=30 20 "FAmOs": www.regenbogenfamilien.at, nähere Informationen auch unter: www.adoptionsberatung.at, in Wien: MA11 und Verein Eltern für Kinder in Österreich 25 Dennoch gibt es bis jetzt keine internationalen und keine nationalen Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare. Inlandsadoptionen kommen in Schweden generell sehr selten vor und für internationale Adoptionen bedarf es verschiedener Abkommen mit anderen Ländern. Ein Großteil skandinavischer Adoptivkinder hat chinesische Wurzeln, doch China vergibt keine Kinder an gleichgeschlechtliche Paare egal ob sie verpartnert oder verheiratet sind. Auch andere Länder, die Adoptivkinder nach Schweden vermitteln, verweigern gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption. Diese Schilderung zeigt, dass das Adoptionsrecht weit über nationale Gesetzgebungen hinaus betrachtet werden muss, denn solange andere Länder gleichgeschlechtlichen Paaren keine Adoption gewähren, bringt auch das volle Adoptionsrecht wenig bis nichts.21 Die häufigste Art der Adoption ist aber die „Stiefkindadoption“, hier werden die leiblichen Kinder der Partnerin oder des Partners adoptiert. Der oder die Annehmende ist hier mit dem einen leiblichen Elternteil verheiratet oder verpartnert. Der andere leibliche Elternteil muss seine Einwilligung zur Adoption erteilen, er tritt damit seine Elternrechte ab. Dies ist notwendig, damit das Kind ein gemeinsames Kind der Eheleute oder Lebensspartner_innen werden kann, da die meisten Staaten nur zwei gesetzliche Elternteile anerkennen. Für gleichgeschlechtliche Paare ist die Stiefkindadoption sehr erstrebenswert, denn dadurch bekämen beide Elternteile die gleichen Rechte und Pflichten dem Kind gegenüber. In Deutschland, Frankreich, Slowenien und Neuseeland verfügen gleichgeschlechtliche Paare über diese Möglichkeit, sie können also das leibliche Kind des Partners oder der Partnerin adoptieren. Einige Staaten führten zuerst die Stiefkindadoption ein, bevor es zu einer generellen Reform des Adoptionsrechts kam.22 (Mesquita 2010: 53, Dethloff 2010: 175f). In Deutschland ist die Stiefkindadoption seit 2005 für gleichgeschlechtliche Paare in einer Eingetragenen Partnerschaft möglich. Die Stiefkindadoption ist jedoch frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes möglich, selbst wenn das Kind als Wunschkind in eine lesbische Beziehung hineingeboren wurde. Eine Stiefkindadoption ist nicht nur kostenintensiv, sondern auch aufwendig und langwierig. Der Antrag darf erst frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes gestellt werden. Im Anschluss erfolgt eine Eignungsprüfung durch das Jugendamt. Die Adoptionspflegezeit gilt auch dann wenn Kinder in der aktuellen gleichgeschlechtlichen Beziehung geboren wurden. Im Gegenzug dazu gibt es 21 die Presse: http://diepresse.com/home/panorama/welt/684346/Schweden_Keine-Babys-fuer-schwule-Paare? from=suche.intern.portal, Badische Zeitung: http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/panorama/keinebabys-fuer-schwule-paare-in-schweden, 22 Regenbogenfamilie: http://de.wikipedia.org/wiki/Regenbogenfamilie 26 etwa bei verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften, die durch heterologe Insemination schwanger wurden, keine Adoptionspflegezeit. Der Vater kann die Vaterschaft schon vor der Geburt anerkennen (Dethloff 2010: 166ff). In von zwei Müttern geführten Familien gibt es meist keinen aktiven Vater, sondern nur einen Samenspender. Dieser müsste bei einer Adoption nicht auf aktive Vaterrechte verzichten, sondern es könnte den beiden Frauen gleich das gemeinsame Sorgerecht zugesprochen werden. Der Samenspender müsste nicht Angst haben eines Tages doch Unterhaltszahlungen oder Alimente zahlen zu müssen. Er würde somit jegliche Verantwortung für das Kind und auch alle Rechte, dem Frauenpaar übertragen (vgl. Rupp 2009). In Österreich ist gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit der Adoption des gemeinsamen Kindes nicht gestattet, sie ist in der Eingetragenen Partnerschaft sogar ausdrücklich verboten. 2.3. Pflegeelternschaft Die Pflegeelternschaft bietet neben der Adoption die Möglichkeit ein Kind für bestimmte oder unbestimmte Zeit in Pflege zu nehmen. Der Großteil der Kinder stammt aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Es wird zwischen einer kurzen Krisenpflege in sozialen Notfällen und einer Langzeitpflege unterschieden. Bei Pflegekindern behalten die leiblichen Eltern weitgehend ihre Rechte und treten nur die Pflege und Erziehung der Kinder an das Jugendamt ab, dieses beauftragt dann Pflegeeltern. Die Bewerber_innen brauchen eine Pflegebewilligung und ihre Eignung wird überprüft.23 Im Idealfall sind die Pflegeeltern zwischen 25 und 40 Jahre alt, für Säuglinge werden Pflegeeltern unter 45 Jahren gesucht. Ein Überschuss an Kindern die Pflegeeltern brauchten, bewegte Wien 2006 zu einer Werbekampagne mit dem Slogan „Wir bringen das zusammen“, die besonders an gleichgeschlechtliche Paare gerichtet war.24 Auch davor gab es bereits vereinzelt gleichgeschlechtliche Pflegeeltern, doch seit 2006 versuchen nun immer mehr gleichgeschlechtliche Paare in Wien gemeinsam ein Pflegekind aufzunehmen. In letzter Zeit nutzten auch vermehrt Männerpaare die Möglichkeit der gemeinsamen Pflegeelternschaft um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen (vgl. Fröhlich 2008). 23 Pflegeelternschaft: https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/72/Seite.720008.html 24 Rainbow: http://www.rainbow.at/article/1193898862 27 Abbildung 1: Kampagne für gleichgeschlechtliche Paare als Pflegeeltern in Wien Der Verein „Eltern für Kinder Österreich“ übernimmt die Vermittlung von schwulen und lesbischen Pflegeeltern in Wien.25 Wien und Oberösterreich sind bis jetzt die einzigen Bundesländer die offiziell schwule und lesbische Pflegeeltern suchen. In den restlichen Bundesländern ist die Situation nicht ganz so klar.26 In Niederösterreich ist es gleichgeschlechtlichen Paaren etwa nicht gestattet gemeinsam ein Pflegekind aufzunehmen. Hier wurde ein lesbisches Paar schon von vornherein als Pflegeeltern ausgeschlossen. Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie beide nicht gemeinsam die biologischen Eltern eines Kindes sein könnten. Der einzige Grund ihres vorzeitigen Ausschlusses war ihre sexuelle Orientierung. Da in Österreich auch Einzelpersonen Pflegekinder aufnehmen dürfen, kann dies nur als Diskriminierung gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren gesehen werden. Die beiden Frauen versuchen nun mithilfe des Rechtskomitees „LAMBDA“ gegen diese Abweisung zu klagen.27 Die Pflegeelternschaft ist in Österreich nicht einheitlich geklärt, sondern wird von den Bundesländern selbst bestimmt. Hätten die beiden Frauen ihren Antrag in Wien gestellt, wären sie nicht von vornherein abgewiesen worden, sondern hätten vermutlich nach Absolvierung des Pflegeelternkurses ein Kind in Pflege nehmen können. Es ist unklar, warum es gleichgeschlechtlichen Paaren in einigen Bundesländern gestattet ist als Pflegeeltern zu fungieren, während hingegen dessen in anderen Bundesländern ihr Antrag auf Pflegeelternschaft schon vor Prüfung ihrer Eignung als Pflegeeltern abgewiesen wird. 25 Eltern für Kinder Österreichs: http://www.efk.at/text/pflegeeltern/p-auswahl.html 26 „FAmOs“: www.regenbogenfamilien.at 27 Kein Pflegekind für Lesben in Niederösterreich: http://diestandard.at/1313025123015/Weg-zum-VfGH-KeinPflegekind-fuer-Lesben-in-Niederoesterreich?seite=4#forumstart 28 2.4. Medizinisch unterstützte Fortpflanzung Neben Adoption oder Pflegeelternschaft gibt es auch die Möglichkeit durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung eine Schwangerschaft ohne Geschlechtsverkehr herbeizuführen. Dies wird in Österreich durch das Fortpflanzungsmedizingesetz geregelt. „§2. (1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig.“28 Somit wird sicher gestellt, dass gleichgeschlechtlichen verpartnerten oder unverpartnerten Paaren der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung unmöglich gemacht wird. Bei einer Samenspende durch einen Dritten innerhalb einer Ehe muss der Ehemann zustimmen und gilt dann automatisch als Vater des Kindes, auch wenn er nicht der biologische Erzeuger ist. Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten darf nur in einer zugelassenen Krankenanstalt durchgeführt werden. Der Samen darf nur für drei Ehen oder drei eheähnliche Lebensgemeinschaften verwendet werden. Wer medizinisch unterstützte Fortpflanzung ohne einen Arzt durchführt begeht, ebenso wie der Mann der seinen Samen dafür zur Verfügung stellt, eine Verwaltungsübertretung. Dies kann mit einer Geldstrafe von bis zu 36.000 Euro oder einer bis zu vierzehntägigen Haftstrafe geahndet werden. 29Frauenpaare, die sich privat einen Samenspender suchen um eine künstliche Befruchtung zuhause durchzuführen, begehen also eine Straftat, und auch der Samenspender begibt sich in Gefahr. Die Möglichkeit der Nutzung von medizinisch unterstützten Fortpflanzungsmethoden ist in vielen Staaten an eine hypothetische Fortpflanzungsmöglichkeit der beteiligten Personen geknüpft. „Sie wird daran festgemacht, dass ein Mann und eine Frau hypothetisch gemeinsam Kinder bekommen könnten, wenn einer von ihnen nicht unfruchtbar wäre (=“Krankheit“), während es für gleichgeschlechtliche Paare auch eine solche hypothetische Möglichkeit nicht gibt („natürliches Fortpflanzungshindernis“). (Wapler 2010:143, Hervorhebungen im Original) Zwei Frauen oder zwei Männer können gemeinsam ebenso wenig Kinder bekommen wie ein heterosexuelles Paar, bei dem mindestens einer von beiden unfruchtbar ist. Heterosexuellen Paaren steht jedoch der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung offen, gleichgeschlechtlichen Paaren wird dies hingegen verweigert, da bei ihnen in den meisten 28 Bundeskanzleramt – Rechtsinformationssystem: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe? Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10003046 29 Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe? Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10003046 29 Fällen nicht Unfruchtbarkeit der Grund für den Wunsch einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung ist. Eine heterosexuelle Frau, deren Partner unfruchtbar ist, könnte theoretisch mit einem anderen Mann auf natürliche Weise versuchen ein Kind zu zeugen. Dies muss sie natürlich nicht machen, da sie sich durch den Samen eines Dritten befruchten lassen kann und ihr Partner automatisch als Vater des Kindes gewertet wird. Frauenpaaren wird diese Möglichkeit verweigert, da sie durch Geschlechtsverkehr mit einem Mann natürlich schwanger werden könnten. „Die Fremdsamenspende ist das einfachste, preiswerteste und älteste reproduktionsmedizinische Verfahren von allen.“ (Spiewak 2002: 190). Reproduktionstechnologien ermöglichen Fortpflanzung ohne Sex, so können auch Menschen Kinder bekommen, die auf natürlichem Weg keine Eltern werden könnten. Mittlerweile gibt es viele unterschiedliche Arten von Reproduktionstechnologien. Die künstliche Insemination ist relativ einfach und kann auch selbst zuhause durchgeführt werden. „Die Insemination ist das artifizielle Einbringen von Samen in den weiblichen Genitaltrakt“ (Hauser Schäublin et. al. 2001: 43). Es wird zwischen zwei Arten der Insemination unterschieden, der heterologen oder donogenen Insemination und der homologen Insemination. Bei einer heterologen Insemination wird Spendersamen verwendet, da der Partner entweder steril oder Träger einer schweren genetischen Krankheit ist oder nicht vorhanden ist, wie etwa im Fall von alleinstehenden Frauen oder Frauenpaaren mit Kinderwunsch. Das mit Fremdsamen gezeugte Kind gilt in Österreich als legitimes Kind des Ehemannes oder Partners der Mutter (Holzhammer 2001: 52). Eine homologe Insemination wird angewandt, wenn der Partner subfertil ist und unter Spermastörungen leidet. Hier wird die künstliche Befruchtung mit dem Samen des Partners der Frau durchgeführt (Hauser Schäublin et. al. 2001: 43). In Österreich haben nur heterosexuelle, verheiratete wie unverheiratete, Paare Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung. Es gibt allerdings die Möglichkeit eine ausländische Samenbank für die Umsetzung des Kinderwunsches in Anspruch zu nehmen. In Dänemark, Großbritannien, Finnland, Spanien, Belgien oder den USA stehen die Samenbanken allen Frauen offen, auch alleinstehenden oder lesbischen Frauen. Auch in Deutschland gibt es Samenbanken und Ärzte, die lesbischen Paaren bei der Realisierung des Kinderwunsches behilflich sind. In Österreich überprüft der Verfassungsgerichtshof im Moment ob ein Verbot medizinisch unterstützter Fortpflanzung verfassungswidrig ist.30 Eine der meist genutzten Samenbanken von lesbischen Frauen ist die Storkklinik in Dänemark. Diese wird, wie auch 30 „FAmOs“: www.regenbogenfamilien.at 30 einige andere Kliniken in Dänemark, von Hebammen geführt, da diese sich im Gegensatz zu Ärzten dadurch nicht strafbar machen.31 In den meisten Samenbanken können die Frauen zwischen einem YES und NO Spender entscheiden.32 Bei einer NO Spende ist der Spender anonym und es gibt keinerlei Kenntnis über die Identität des Spenders. Das durch diese Spende gezeugte Kind, hat keine Möglichkeit Informationen über den Spender zu erlangen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einem YES Spender um einen offenen Spender. Das bedeutet, dass das Kind nach seinem 18. Geburtstag Informationen über die Identität des Spender erhält und somit mit ihm Kontakt aufnehmen kann. Schweden nimmt beim Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung die Vorreiterstelle in Sachen Rechte für gleichgeschlechtliche Paare ein. Bereits 2005 stand die künstliche Befruchtung für verpartnerte und nichtverpartnerte lesbische Paare offen. Mittlerweile ist medizinisch unterstützte Fortpflanzung für lesbische Paare auch in Australien, Belgien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Island, Israel, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Spanien und Südafrika sowie in vielen US-Bundesstaaten möglich (Mesquita 2010: 54, Dethloff 2010: 173ff). 2.5. Heim- oder Selbstinsemination Wie schon oben erwähnt wurde, handelt es sich bei der künstlichen Insemination um einen relativ einfachen Vorgang, der auch ohne Probleme zuhause durchgeführt werden kann. Viele lesbische Frauen wählen diese Variante um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Hier suchen die Frauen zumeist einen privaten Samenspender, entweder jemanden aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis oder sie begeben sich auf die Suche nach einem Samenspender im Internet.33 Es gibt gezielte Anleitungen wie eine Selbstinsemination am erfolgreichsten durchzuführen und was dabei genau zu beachten sei.34 Die Insemination sollte zum bestmöglichen Zeitpunkt stattfinden, dafür ist es notwendig den Eisprung im Voraus zu bestimmen. Für die Heiminsemination ist „frischer“ Samen empfehlenswert, hier ist die Erfolgsquote höher als bei Verwendung eingefrorenen Spermas. Durch die Kontraktionen eines Orgasmus wird die 31 Storkklinik: http://www.storkklinik.dk/de/ ,http://www.storkklinik.dk/de/inspiration/, http://www.storkklinik.dk/de/preise/ Weitere große europäische Samenbanken: http://www.nordiccryobank.com/ , http://www.cryosinternational.com/home.aspx , http://www.europeanspermbank.com/ 32 Storkklinik – Spender:http://www.storkklinik.dk/de/spender/ 33 Samenspendersuche im Internet zum Beispiel unter: http://www.samenspender4you.com/ 34 Anleitungen zur Selbstinsemination: http://www.queer-baby.info/wie-funktioniertheiminsemination/durchfuehrung-heiminsemiation.php 31 Chance einer Schwangerschaft zusätzlich erhöht. In Österreich ist diese Art der Insemination verboten. Frauen, die dennoch eine Selbstinsemination durchführen, begehen eine Straftat. Allerdings ist nicht ganz klar, wie dies überhaupt nachgewiesen werden könnte.35 Die Bechermethode wird allerdings auch hierzulande immer beliebter, da sie höhere Erfolgsquoten als bei einer künstlichen Befruchtung in einer Klinik vorweisen kann.36 Prinzipiell wird bei der Selbstinsemination zwischen zwei Varianten unterschieden. Bei der Kappeninsemination37 wird entweder eine spezielle Inseminationstasse oder eine günstigere Menstruationstasse verwendet. Die Tasse wird mit dem Samen befüllt und vor dem Gebärmutterhals Abbildung 2: platziert, so gelingt das Sperma direkt dorthin wo es auch hin soll und Menstruationstasse der Rückweg wird versperrt. Die zweite Variante stellt die Bechermethode mit Spritze38 dar. Auch hier findet die künstliche Befruchtung ohne ärztliche Unterstützung meist zuhause statt. Es werden nur ein Becher, gefüllt mit frischem Sperma, und eine Spritze ohne Nadel benötigt. Anschließend wird das Sperma mittels Spritze in die Vagina eingeführt. Bei den Spritzen handelt es sich um Spezialspritzen mit Restmengenentleerung, die Dicke der Spritzen ist vergleichbar mit dem Durchmesser des kleinen Fingers. Nach dem Einführen des Spermas sollte die Frau etwa dreißig Minuten auf dem Rücken liegen bleiben damit das Sperma in der Nähe des Muttermundes bleibt. 2.6. Leihmutterschaft „In Österreich dürfen bei der medizinisch unterstützten Zeugung nur eigene Eizellen verwendet werden (Verbot der Leihmutterschaft, § 3/3 FmedG).“ (Holzhammer 2001: 52). Das heißt, Leihmutterschaft ist nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz verboten. Bei einer Leihmutterschaft wird eine Leihmutter benötigt, „die für den Zeitraum der Schwangerschaft ihre Gebärmutter „verleiht“ um an der Stelle einer anderen Frau ein Kind zur Welt zu bringen“.39 Das von einer ausländischen Leihmutter ausgetragene Kind erwirbt nicht automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft. In Österreich wird stets die Frau, die das Kind zur Welt bringt als Mutter betrachtet und nicht die bestellende Frau. Die Möglichkeit 35 36 37 38 39 Partnerschaftsgesetz: http://www.partnerschaftsgesetz.at/rechtliches/kinder/kuenstliche-befruchtung Bechermethode: http:www.netdoktor.at/nachrichten/?id=121849 Kappeninsemination: http://www.queer-baby.info/shop/yuuki-cup-inseminationskappe.php Spritzeninsemination: http://www.selbstinsemination.de/insemination/spritzeninsemination.html Leihmutterschaft: http://de.wikipedia.org/wiki/Leihmutterschaft 32 der Leihmutterschaft würde es vor allem auch schwulen Paaren sehr erleichtern ihren gemeinsamen Kinderwunsch zu realisieren. Leihmutterschaft ist allerdings nur in Australien, Belgien, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbritannien, Indien, Israel, Japan, Niederlande, Russland, Spanien, Ukraine und den USA erlaubt (Mesquita 2010 54). 2.7. „Citizenship“ und Staat Jeder Staat verfügt über Gesetze, die regeln, wer was machen darf, wer nicht und welche Familienmodelle unterstützt werden sollen. Der Staat bestimmt wer Kinder adoptieren kann oder Pflegekinder aufnehmen darf. Auch der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung ist gesetzlich geregelt. Der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von Adoption oder Neuen Reproduktionstechnologien stellt eine Beschneidung der „Citizenship Rechte“ dar. Auf Grund dieser strengen Beschränkungen im eigenen Land entwickelte sich in den letzten Jahren ein richtiger Reproduktionstourismus heraus. Kinderlose Paare oder auch Einzelpersonen begeben sich für die Umsetzung ihres Kinderwunsches über die Grenzen des eigenen Landes hinweg. Sie nutzen Fertilitätskliniken im Ausland um ihren Wunsch von einem Kind wahr werden zu lassen. Eva Maria Knoll bezeichnet dieses Phänomen als „Klinik-Hopping“.40 Neben der Gesetzesumgehung ist sicherlich auch die Kostenfrage und das Preisgefälle ein wichtiger Entscheidungsgrund für die Inanspruchnahme medizinisch unterstützter Fortpflanzung im Ausland (Knoll 2008:79). So belaufen sich etwa die Kosten für eine indische Leihmutter auf ungefähr 2500 $, in den USA muss für eine Leihmutterschaft mit Kosten von bis zu 100.000 $ gerechnet werden.41 Reproduktionstourismus bringt neue Möglichkeiten und Perspektiven für betroffene Personen mit sich. Dadurch ist es natürlich auch zu einem Geschäft geworden, im Internet lassen sich Pauschalurlaubsreisen in Fertilitätskliniken finden (Knoll 2008). Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Österreich erschweren gleichgeschlechtlichen Paaren bereits eine Familiengründung und selbst wenn dieses Unterfangen doch gelingt, werden sie nicht als gleichwertige Familie angesehen. Kinder, die in eine bestehende gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren werden, haben kein 40 Ethnologie Sozialanthropologie in den Medien : http://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2006/trend_klinik_hopping_ethnologin_untersuc Universität Wien- Forschungsnewsletter Februar/März 2006: Globetrotterinnen der Fortpflanzungsmedizin: http://forschungsnewsletter.univie.ac.at/index.php? id=9403&tx_ttnews[tt_news]=2978&tx_ttnews[backPid]=9365&cHash=53a26a39ff 41 TourismWatch – Informationsdienst Dritte Welt Tourismus: http://www.tourism-watch.de/content/ %E2%80%9Erent-womb%E2%80%9C-fortpflanzungstourismus-als-outsourcing-gesch%C3%A4ft 33 Verwandtschaftsverhältnis zu ihren sozialen Elternteilen. Die soziale Mutter oder der soziale Vater hat von Seiten des Staats, des Rechts kaum Rechte gegenüber seinem Kind. Gleichgeschlechtliche Paare verfügen nicht über die gleichen „Citizenship-Rechte“ wie verschiedengeschlechtliche Paare, vor allem in Sachen Familienplanung, Familiengründung, Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung oder Elternrechten, sehen sie sich tagtäglich mit Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen konfrontiert. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ist es wichtig zu wissen, wer als Mutter eines Kindes angesehen wird, wie die gesetzlichen Regelungen zu Adoption oder zum Zugang medizinisch unterstützter Fortpflanzung aussehen. Dadurch wird schon ersichtlich wie schwierig es gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch und Kindern in Österreich gemacht wird als gleichwertige Familie wie heterosexuelle Paare mit Kindern zu gelten. Scheinbar private Entscheidungen, wie etwa die Realisierung eines Kinderwunsches sind stark an rechtliche Bestimmungen gebunden. Es findet ein ständiges Wechselspiel zwischen der öffentlichen und er privaten Sphäre statt. 3. „Citizenship“, „Intimate Citizenship“ und Heteronormativität „Citizenship-Ansätze“ beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen staatlicher Gemeinschaft und ihren Bürger_innen, sie basieren auf dem Verhältnis zwischen Individuum und Staat. Der Fokus liegt also auf den Interaktionen zwischen öffentlich und privat. „Citizenship” wird im Deutschen meist mit Staatsbürgerschaft übersetzt, doch meiner Meinung nach ist dies zu wenig, da Staatsbürgerschaft auf den Nationalstaat beschränkt ist (Mackert/Müller 2000:12) und eher die passive Mitgliedschaft in einem Staat bezeichnet. „Citizenship” verweist stärke auf Bürgerrechte und die aktive Rolle der Bürger_innen (Mackert 2006:11). Aus diesem Grunde werde ich in dieser Arbeit in weiterer Folge nur den Begriff „Citizenship” verwenden. Der Begriff„Citizenship“, hat seinen Ursprung in der Ideologie der griechischen Polis und der Herausbildung der ersten Demokratien (Yuval-Davis 2001: 116). Ausgehend von anfänglichen Definitionen eines Staatsbürgers, entwickelten sich in den darauf folgenden Jahrhunderten unterschiedliche „Citizenship-Diskurse“ (Mackert/Müller 2000: 13f). Die verschiedenen Stränge innerhalb von „Citizenship“ werden entweder dem Liberalismus oder dem Republikanismus zugeordnet. Liberale Ansätze von „Citizenship“ beschäftigen sich 34 hauptsächlich mit den Rechten und Freiheiten, die mit „Citizenship“ verbunden sind. Ein wichtiger Vertreter des Liberalismus ist John Stuart Mill, ihm gegenüber steht etwa Jean Jacques Rousseau mit seinen republikanischen Vorstellungen von „Citizenship“. Im Republikanismus wird die Bedeutung der politischen Partizipation aller Bürger_innen in den Mittelpunkt der Debatten gerückt (vgl. Mackert/Müller 2000, Plummer 2003). Eine Vielzahl der aktuellen gegenwärtigen Theorien geht auf T.H. Marshall, der dem Liberalismus zuzuordnen ist, zurück. Er verstand unter „Citizenship“ einen „status bestowed on those who are full members of a community. All who possess the status are equal with respect to the rights and duties with which the status is endowed.“(Marshall 1964:92). All diejenigen, die die Staatsbürgerschaft inne haben, werden als volle Mitglieder der Gesellschaft betrachtet und verfügen über die gleichen Rechte. Marshall veröffentlichte 1950 sein Werk „Citizenship and Social Class”, dieses ist auch heute noch von zentraler Bedeutung innerhalb von „Citizenship-Diskursen“. Er beschäftigte sich mit kapitalistischer Ökonomie, Ungleichheit, politischer Demokratie und Gleichheit (vgl. Marshall 1950 in Marshall/Bottomore 1992, Marshall 1964). Marshall unterteilte die „Citizenship-Rechte” in drei Bereiche: zivile, politische und soziale Rechte. Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit oder das Recht auf Privateigentum fallen in den Bereich der zivilen Rechte. Unter politischen Rechten wird die Partizipationsmöglichkeit der Staatsbürger_innen verstanden, sich aktiv in der Politik zu engagieren. Das Recht auf Fürsorge, Sozialwesen, Wohlfahrt oder das Recht auf soziale Sicherheit gehören zu den sozialen „Citizenship Rechten” (vgl. Marshall 1950 in: Mackert/Müller 2000, Lister 1997; Plummer 2003, Cossman 2007). „Citizenship is about the right to have rights.“ (Bellamy 2008:15). Historisch gesehen war die politische Partizipation, insbesondere das Recht zu wählen, das wesentlichste Element von „Citizenship“. Marshalls traditionelle Dreiteilung wird auch heute noch von vielen Theoretiker_innen als Ausgangspunkt ihrer Thematisierungen von „Citizenship“ herangezogen. Allerdings werden Marshalls Auseinandersetzungen auch kritisch betrachtet, er konzentrierte sich nur auf die Darstellung der Rechte von Staatsbürgern, vernachlässigte dabei aber eine Beschreibung der Pflichten. Zudem wurden Frauen nicht mitberücksichtigt, Feminist_innen kritisieren Marshalls androzentristische Weltanschauung (Hobson/Lewis/Siim 2002: 25). Der typische Staatsbürger bei Marshall war ein weißer Mann der Mittelschicht (vgl. Cossman 2007, Lister 1997, Lister/Williams 2007, Plummer 2003). Historisch gesehen ging „Citizenship“ immer einher mit politischer Partizipation, insbesondere dem Recht zu wählen. 35 „Citizenship” ist ein stark umkämpftes, nicht leicht zu definierendes und komplexes Konzept. Es gibt keine allgemeingültige und einheitliche Definition. Es muss immer in einem zeitlichen und geographischen Rahmen gedacht und stets kontextabhängig interpretiert werden (vgl. Lister/Williams 2007, Cossman 2007). „Citizenship” bezeichnet also ein ständiges Zusammenspiel zwischen Institutionen, Diskursen und gelebter Realität, sie kann von Land zu Land und von Person zu Person stark variieren (Lister/Williams 2007:1). Aktuelle Vorstellungen von „Citizenship“ gehen oft von vier Bedeutungen von „Citizenship“ aus. Erstens beinhaltet „Citizenship“, das Recht auf politische Teilhabe, etwa das Recht zu wählen. Zweitens wird „Citizenship“ auch als ein „purely legal status“ bezeichnet, Staatsbürger_innen sind Menschen, die einer speziellen souverän politischen Gruppe angehören. Drittens kann der Begriff „Citizenship“ auch erweitert werden, sodass es möglich ist, von sich selbst als „citizen of my neighborhood” oder „citizen of my university“ zu sprechen. Zusätzlich wird viertens eine Unterteilung in „good” und „bad citizens” vorgenommen (Bellamy 2008). Menschen, die sich assimilieren werden als gute Staatsbürger_innen betrachtet, all diejenigen die sich nicht an gewisse Normvorstellungen anpassen wollen, sind schlechte Staatsbürger_innen (Smith 2002: 105f). „Citizenship is thereby understood as both as status, carrying a set of rights including social and reproductive rights, and a practice, involving political participation broadly defined so as to include the kind of informal politics in which this is fired by a notion of „human agency”. “ (Lister 1997: 192). „Citizenship“ beinhaltet stets Rechte, Zugehörigkeit und politische Partizipation, die für alle Mitglieder eines Staates oder einer überstaatlichen Einheit (z.B. EU) gleich sein sollten (vgl. Bellamy 2008). Dass dies nicht so ist wird etwa von feministischer Seite stark thematisiert (vgl. Lister 1997). Zugehörigkeit zu einer „Citizenship Community“ wird nicht nur durch Rechte und Pflichten geregelt, sondern es werden auch soziale und politische Beziehungen sowie Praktiken und Identitäten benötigt (Lister 2007: 1). Rechte werden meist als fundamental und wichtigstes Element von „Citizenship“ gesehen, sie sind der Schlüssel zu „Citizenship“. Allerdings sind „Citizenship-Rechte“ nicht mit den allgemeinen Menschenrechten zu vergleichen. „Citizenship-Rechte“ gelten nicht für alle Menschen, sondern immer nur für bestimmte Gruppen von Menschen (Voet 1998: 60). Frauen wurden sehr lange von bestimmten „Citizenship-Rechten“ ausgeschlossen. Ruth Lister bezeichnet „Citizenship“ deshalb auch als „deeply gendered“ (Lister 1997: 1). Frauen haben durch ihre 36 Rolle als Mütter, eine spezielle Aufgabe innerhalb von “Citizenship”. Sie sind verantwortlich für das Aufziehen der nächsten Generation von Staatsbürger_innen, dennoch wurden ihnen lange Zeit die gleichen Rechte wie Männern vorenthalten (Lister /Williams 2007: 5). Innerhalb feministischer „Citizenship-Diskurse” gibt es zwei unterschiedliche Richtungen. Die eine Richtung geht hin in eine „gender-neutral citizenship”, die zweite würde eine „gender-differentiated citizenship” bevorzugen. Bei einer „gender-neutral citizenship” wäre die Kategorie „Gender” irrelevant und alle würden über die gleichen Rechte und Pflichten verfügen (Hobson/Lewis/Siim 2002: 36). „Citizenship” ist im Endeffekt jedoch nie „genderneutral” und es gibt Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen werden nach wie vor oft dem Privatem zugeschrieben, während hingegen dessen Männer den öffentlichen Raum für sich beanspruchen. Ich möchte mich nun in weiterer Folge genau auf diese Überschneidungen zwischen öffentlich und privat konzentrieren. Hierfür beschäftige ich mich mit Ken Plummers Konzept der „Intimate Citizenship” als Möglichkeit eines Brückenschlages zwischen privater und öffentlicher Sphäre. 3.1. „Intimate Citizenship“ Ken Plummer plädierte bereits 1995 dafür „Intimate Citizenship“ in das klassische Konzept der Dreiteilung von „Citizenship“ aufzunehmen (vgl. Lister 1997, Plummer 1995, 2003). „Intimate Citizenship“ baut auf Konzepten wie „Sexual“ und „Feminist Citizenship“ auf. Es soll als ein „sensitizing concept“ betrachtet werden, welches offen und mehrdeutig ist (Plummer 2003: 13). „Sexual Citizenship“ geht auf David Trevor Evans zurück und wurde 1993 zum ersten Mal erwähnt. Es thematisiert die Verbindung von Sexualität und „Citizenship“. Sexualität wurde lange unabhängig von „Citizenship“ gedacht und nur der privaten Sphäre zugeschrieben. Sexualität und „Citizenship“ wurden als sich ausschließende Bereiche betrachtet (vgl. Evans 1993, Lister 2002). Bell und Binnie betonen die Wichtigkeit der Berücksichtigung von Sexualität in „Citizenship-Diskursen“: „We consider all citizenship to be sexual citizenship, as citizenship is inseparable from identity, and sexuality is central to identity.“ (Bell/Binnie 2000:10). „Sexual Citizenship“ versucht zwei Bereiche miteinander zu vereinen, die davor als 37 unvereinbar miteinander betrachtet wurden. Es geht darum die öffentliche und die private Sphäre miteinander zu verbinden. Es geht aber vor allem auch darum nicht heterosexuellen Menschen soziale Rechte von „Citizenship“ zu ermöglichen, etwa das Recht auf Ehe, Adoptionsrecht oder die gemeinsame Obsorge von Kindern (Isin 1999: 85, Hobson/Lewis/Siim 2002: 41). Historische „Citizenship-Konzepte” beruhen auf der Idee der heterosexuellen Vormachtstellung, Heterosexualität wurde stets als Norm gesehen (vgl. Evans 1993:9f). Denise Richardson (2000, 2002) greift diesen Gedanken auf und betont diese Vorherrschaft, ihrer Meinung nach müsste man vielmehr von einer „Heterosexual Citizenship“ sprechen (vgl. auch Cossman 2007). Sie kritisiert am „Sexual Citizenship-Konzept“, dass Frauen und Lesben nur marginal behandelt wurden und eine größere Differenzierung notwendig wäre (vgl. Richardson 2000, 2002). „Citizenship” muss immer als ein „gendered and sexualized concept“ betrachtet werden (Lister 2002: 192). Denise Richardson, Ruth Lister oder Ken Plummer betonen die ständige Privilegierung von Heterosexualität innerhalb von „Citizenship“. Dies wird vor allem in der Verweigerung von bestimmten Rechten für nicht heterosexuelle Menschen ersichtlich (vgl. u.a. Hines 2009). „Citizenship“ und der Nationalstaat sind von Heterosexualität geprägt. Homosexualität wurde lange Zeit als Bedrohung für den Staat gesehen (Lister 2002: 196). Ruth Lister (1997) beschäftigt sich mit dem Ausschluss von Frauen von bestimmten Rechten auf Grund ihres „Genders“. Sie plädiert für eine genderinkludierende Theorie und Praxis von „Citizenship“ (Lister 1997). Feministische Ansätze von „Citizenship“ kritisieren klassische Modelle „by demonstrating just how gendered the process of citizenship usually is and how frequently women have been, and for the most part still are, second-class citizens.” (Plummer 2003: 60). „Citizenship” ist also bei weitem nicht als neutrales Konzept zu verstehen. „Although the patterns of exclusion from full citizenship of heterosexual women and of lesbians and gays may vary, their exclusion shares common roots: their association with the body and sexuality.” (Lister 2002: 192). Ken Plummer greift nun diese Gedanken und einige Ideen aus den Konzepten von „Sexual“ und „Feminist Citizenship“ auf und entwickelt diese in seiner „Intimate Citizenship“ weiter. Er verwendet die Begriffe „Intimate“ und „Citizenship“ in einem größerem Rahmen als es für gewöhnlich üblich ist (Plummer 2003: 142). Auch Plummer versucht mittels „Intimate 38 Citizenship“ eine Verbindungsbrücke zwischen der öffentlichen und privaten Sphäre zu schaffen. „Intimate Citizenship“ wird oft als Oxymoron betrachtet, aber “The concept of intimate citizenship also raises the issue of links between the private and public spheres. Citizenship emerges in the public sphere(s); intimacy, in the private. If ,intimate citizenship` seems an oxymoron, it also suggests a potential bridge between the personal and the political.” (Plummer 2003: 15) „Sexual Citizenship“ legte den Fokus auf die Interaktion zwischen Sexualität und „Citizenship“. Der Begriff „Intimate Citizenship“ ist weitschichtiger angelegt. „Intimate Citizenship“ bezieht mehr Aspekte des Privatlebens in die „Citizenship“ Diskussionen mit ein. Es geht um das Recht zu wählen, was wir mit unserm Leben, mit unserem Körper, unserer Identität, unseren Gefühlen oder Beziehungen machen möchten (vgl. Plummer 2003). “I use the notion of intimate citizenship to hint at worlds in the making, worlds in which a public language of “intimate troubles” is emerging around issues of intimacy in the private life of individuals. In a late modern world, where we are so often confronted by escalating difficulties and a growing array of choices, the concept of intimate citizenship can help to suggest ways of doing the personal and intimate life.” (Plummer 2003: 13f) Plummer definiert zehn Zonen von Intimität: „self, relationships, gender, sexuality, the family, the body, emotional life, the senses, identity and spirituality” (Plummer 2003: 14). Es geht darum Wahlmöglichkeiten für diese Zonen von Intimität zu haben. „Intimate Citizenship“ wird durch das Familienleben, Hochzeiten, Freundschaften oder Kindererziehung auch nach außen hin sichtbar. All diese Bereiche sind nicht nur Teil der privaten Sphäre, sie sind auch immer stark in der Öffentlichkeit verwurzelt. Plummer schaut sich mit dem Konzept von Intimate Citizenship an, wie wir unsere Beziehungen, Emotionen, Körper oder Sexualitäten leben (Plummer 2003 13). Auch Elzbieta Oleksy beschäftigt sich mit „Intimate Citizenship”, sie orientiert sich hier stark an Plummers Definition von „Intimate Citizenship” als “a range of emerging concerns over the right to choose what people do with their lives, their bodies, identities, feelings, relationships, representations” (Oleksy 2009:3). „Intimate Citizenship” behandelt unsere privaten Entscheidungen und Praktiken, die stets mit öffentlichen Institutionen und Politiken verbunden sind. Dies spiegelt sich in öffentlichen Diskursen über Familienpolitik oder Sexualität wider (Oleksy 2009:4). Persönliche, scheinbar private, Entscheidungen finden an der Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Sphäre statt. „Citizenship” sollte stets im Kontext individueller gelebter Erfahrungen betrachtet werden, es gut um “doing” „Citizenship” (Oleksy 2009: 4f), um „Citizenship” als “lived experience” (Lister 2007). 39 Genau diese sich stets verändernden Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem stehen im Zentrum von „Intimate Citizenship”. Diese Veränderungen haben natürlich auch Auswirkungen auf unser intimes Leben. Prinzipiell sollten alle Mitglieder einer Gesellschaft über die gleichen Rechte verfügen. „Citizenship“ basiert jedoch auf Inklusion und Exklusion und diese Ausschlüsse finden nicht nur außerhalb einer Gesellschaft statt. Differenzierungen zwischen „uns“ und „denen“ können auch innerhalb einer Gesellschaft stattfinden. Nicht alle Menschen verfügen über die gleichen Rechte und Pflichten. „To be a citizen implies „the other” who ist not a citizen.” (Plummer 2003: 52, Hervorhebung im Original). Alle „Citizenship-Konzepte“ basieren stets auf der Vorstellung verschiedener Gruppen, die sich voneinander unterscheiden. Natürlich gibt es aber auch innerhalb dieser zugeschriebenen Gruppen verschiedene Erfahrungen. Menschen können auf Grund ihres Alters, ihrer Klasse, Religion, „Gender“ oder wegen der sexuellen Orientierung von bestimmten Rechten ausgeschlossen sein (vgl. Cossman 2007: 177ff, Plummer 2003:50ff). Ken Plummer beschäftigt sich in seinem Konzept von „Intimate Citizenship“ mit diesen auf Inklusion und Exklusion beruhenden hierarchischen Strukturen innerhalb einer Gesellschaft. Unsere privaten Entscheidungen hängen immer auch mit öffentlichen Diskursen zusammen. Intime und private Bereiche werden von der Öffentlichkeit strukturiert. Gleichgeschlechtlich orientierte Menschen werden nun durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen in ihren Wahlmöglichkeiten eingeschränkt. „We surely must be allowed to choose whom (and if) to marry: the idea of arranged marriages or forced marriages is anathema to most ,Western` minds.” (Plummer 2003: 24). Da gleichgeschlechtlichen Paaren dies größtenteils bis jetzt verboten ist, zeigt dass sie ihn ihren „Citizenship-Rechten” stark eingeschränkt sind. Durch den Fortschritt reproduktiver Technologien kam es auch zu Veränderungen von Elternschaft, es wurden neue Elternrollen geschaffen. So gibt es nun etwa „gestational mothers, genetic parents, parents as child raisers.” (Plummer 2003: 39). Wenn drei oder vier Elternteile vorhanden sind kann es zu Verwirrungen bei den Bezeichnungen kommen. Gerade gleichgeschlechtliche Paare sehen durch reproduktive Technologien die Möglichkeit sich ihren Kinderwunsch gemeinsam erfüllen zu können. Allerdings wird ihnen oft der Zugang dazu verwehrt. Adoption oder der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung basieren noch meist auf heteronormativen Vorstellungen und sind somit oft nur für heterosexuelle Paare zugänglich. Allerdings gibt es über Adoption wie auch den Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung momentan in Österreich heftige Diskussionen und der 40 Verfassungsgerichtshof ist mit einigen Klagen zur Aufhebung dieser Verbote konfrontiert.42 Die Entscheidungen werden voraussichtlich im Herbst 2012 zu erwarten sein.43 Auch der Ausschluss aus der Ehe stellt eine Ungleichbehandlung für gleichgeschlechtliche Paare dar. Das Leben von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen wird durch öffentliche Diskurse und Verbote beschränkt. Sie werden in ihren Wahlmöglichkeiten eingeschränkt. Nachfolgend soll nun „Queer Theory“ und Heteronormativität, die Vorherrschaft von Heterosexualität als zentrales Machtverhältnis innerhalb einer Gesellschaft, kurz beschrieben werden. 3.2. „Queer Theory“ und Heteronormativität „Queer Theory“ bezeichnet eine in den 1990er Jahren in den USA entstandene Forschungsrichtung.Es gibt keine einheitliche Definition von „queer“. Unter „queer“ werden alle Menschen verstanden, die sich nicht der heteronormativen Gesellschaftsnorm anpassen wollen oder können. Der Begriff „Queer Theory“ wurde zum ersten Mal 1990 von Teresa de Laurentis verwendet, die dies als Titel für eine von ihr abgehaltene Konferenz an der University of California, in Santa Cruz. Sie brachte, das von Aktivisten verwendete Wort „queer“ mit dem akademischen „theory“ zusammen. Dieses Ereignis stellt den Beginn der „Queer Theory“ als akademisches Feld dar (vgl. Halperin 2003: 339ff, Engel 2002:10). „Gegenstand der Queer Theory ist die Analyse und Destabilisierung gesellschaftlicher Normen von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit. Sie untersucht, wie Sexualität reguliert wird und wie Sexualität andere gesellschaftliche Bereiche – etwa staatliche Politik und kulturelle Formen – beeinflusst und strukturiert. Zentrales Anliegen ist, Sexualität ihrer vermeintlichen Natürlichkeit zu berauben und sie als ganz und gar von Machtverhältnissen durchsetztes, kulturelles Produkt sichtbar zu machen.“ (Jagose 2001: 11) Der Begriff „queer“ bedeutet eigentlich nichts anderes als „sonderbar, verrückt oder fragwürdig“, er wurde anfangs als Beleidigung für Lesben oder Schwule verwendet (vgl. u.a. Jagose 2001, Woltersdorff 2003). „Da in den USA die heterosexuelle Kleinfamilie als Keimzelle der Nation gilt, die deren Reproduktion und Reinheit sichert, gab sich eine aktivistische Neugründung 1990 den Namen „Queer Nation“ als bewusste, aber nicht unproblematische Provokation dieses Nationenbegriffs.“ (Woltersdorff 2003:915) 42 Rechtskomitee Lambda: http://www.rklambda.at/News/index.htm, http://www.rklambda.at/iusamandi/ia-212.pdf 43 Die Standard. Ethikkommission für künstliche Befruchtung bei Lesben: http://diestandard.at/1334531075292/Stellungnahme-Ethik-Kommission-fuer-kuenstliche-Befruchtung-beiLesben 41 Der Slogan der „Queer Nation“ war: „We´re here. We´re queer. Get used to it.“ (vgl. Butler 1990, Woltersdorff 2003, Ludwig 2011). Politische Aktivist_innen eigneten sich die Bezeichnung „queer“ an, dadurch wurde die diffamierende Bedeutung des Begriffs mit neuen Bedeutungsinhalten konfrontiert. Der Begriff „queer“ bekam also durch die „Queer Nation“ eine positive Bedeutung und wird seitdem als Selbstbezeichnung verwendet. Die Macht des Begriffes zu verletzen wurde angegriffen (Woltersdorff 2003: 919f.). Foucaults dreibändiges Werk „The History of Sexuality“ hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der „Queer Theory“, er wird als Säulenheiliger der „Queer Theory“ bezeichnet.44 Foucault übte in „The History of Sexuality“ große Kritik an herrschenden Vorstellungen über sexuelle Identität. Sexualität und Homosexualität beruhen nicht auf natürlichen Gegebenheiten, sondern sind durch soziale und historische Gegebenheiten entstanden; Sexualität ist etwas sozial Konstruiertes. Sexualität ist keine persönliche Eigenschaft, vielmehr ist sie eine gesellschaftliche Größe, die durch Macht hervorgebracht wird und nicht einfach unterdrückt wird. Dieses Machtverhältnis ist für „Queer Theory“ von zentraler Bedeutung; denn Macht ist überall und alle sind in Macht eingebunden Die Benennung lesbischer und schwuler Identitäten bedeutet der Macht die Stirn zu zeigen (Woltersdorff 2003: 918ff, Foucault 1983). Foucault versteht unter Macht keine Institutionen oder Strukturen, sondern „Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt.“ (Foucault 1983: 114). „Die Macht ist nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert; die Macht ist etwas, was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel ungleicher und beweglicher Beziehungen vollzieht.“ (Foucault 1983: 115). Macht schreibt dem Sex eine bestimmte Ordnung vor. Die moderne Gesellschaft versuchte die Sexualität auf verheiratete, heterosexuelle Paare einzuschränken (Foucault 1983: 61). Allerdings gibt es laut Foucault überall da, wo es Macht gibt auch das Potential zum Widerstand (Foucault 1983: 116). Judith Butler knüpfte an Foucaults Ideen über Sexualität an. Im Jahre 1990 veröffentlichte sie das Buch „Gender Trouble“, ohne dem „Queer Theory“ wohl heute undenkbar wäre. Es wird als eine Art „Bibel“ der „Queer Theory“ betrachtet. Butler spricht von drei Dimensionen, 44 Siehe unter anderem David M. Halperins Buch „Saint Foucault – Towards a Gay Hagiography“ über Foucaults Bedeutung für „Queer Theory“. 42 dem anatomischen Geschlechtskörper, „sex“, der sozialen Geschlechtsrolle, „gender“ und dem erotischen Begehren, „desire“ Durch die heterosexuelle Matrix, wird .„dieses Dreigestirn normativ ein[ge]richtet sowie ihre Deckungsgleichheit erzwingt. Sie teilt die Menschen in zwei und nur zwei, deutlich voneinander zu unterscheidende Geschlechter.“ (Woltersdorff 2003: 917). Geschlecht wird als Norm, als gesellschaftliches Ideal dargestellt. Alle versuchen dem nachzueifern, entweder als Mann oder als Frau. Diese Normvorstellungen werden fortwährend reproduziert, auch wenn es zu einer Entkopplung von Sexualität und Fortpflanzung kommt (vgl. Butler 1990, Woltersdorff 2003). Gundula Ludwig bezeichnet Bulter´s „heterosexual matrix“ als äußerst wichtig innerhalb der „Queer Theory“ (Ludwig 2011: 43ff). „Butler introduces the heterosexual matrix in order to reject the assumption that gender and gendered subjects are the effects of a pregiven sex.“ (Ludwig 2011: 45). Ausgehend von der heterosexuellen Matrix ist es möglich den Blick auf Widersprüche in der Gesellschaft zu lenken. „Queer Theory“ versucht die Natürlichkeit von Identitäten aufzubrechen (vgl. Gressgård 2011:25). „Queer“ ist eine Kritik an traditioneller Identitätspolitik, es ist sowohl Identität als auch Nicht-Identität. Butler wie auch de Laurentis meinen, dass Geschlecht immer nur eine Imitation sei und nur versucht einer Norm so gut es geht nachzueifern. Bei „Queer Theory“ geht es nun um die Anerkennung von Differenz und Heterogenität (Engel/Schuster 2007: 77). Ein wichtiges Ziel von„Queer Theory“ ist es Heteronormativität, die Vorherrschaft von Heterosexualität, zu dekonstruieren. Es geht darum die “hierarchische Dichotomie in Frage zu stellen” (Holzleithner 2010: 309). Der Begriff Heteronormativität selbst ist noch relativ jung, er wurde 1993 von Michael Warner zum ersten Mal wissenschaftlich erwähnt. Das Ziel war es Sexualität als Grundkategorie der Gesellschaft aufzuzeigen (Wagenknecht 2007: 18). Allerdings beschäftigten sich durchaus auch schon davor zahlreiche Theoretiker_innen mit dieser Thematik, eine von ihnen war Adrienne Rich. Sie beschäftigte sich bereits 1980 mit Vorstellungen über Zwangsheterosexualität. Heterosexualität sei bei Weitem nicht die einzige Form der Sexualität, sie müsse aber als politische Institution mit Machtcharakter verstanden werden (vgl. Rich 1980, zit. in Wagenknecht 2007). Heteronormativität ist als gesellschaftlicher Zwang in den Staat und seine Institutionen (Schule, Militär, Ehe) eingelagert (Woltersdorff 2003: 922). 43 “Heteronormativity is the analytical term used to explain how heterosexuality and the rigid binary distinction of sex become naturalized and embodies in ways that make them nearly inconstable.” (Engel 2011: 63) Heteronormativität stellt ein wirksames soziales Konzept dar, welches die soziale Wirklichkeit auf zwei Ebenen strukturiert. Menschen werden in zwei sich körperlich und sozial eindeutig zu unterscheidende Geschlechter unterteilt. Zusätzlich wird Heterosexualität als umfassendes gesellschaftliches Ordnungssystem betrachtet, das Zusammenleben der Menschen wird dadurch strukturiert. Das Prinzip der Heteronormativität lässt sich allerdings nicht nur in Bereichen der Sexualität, sondern auch in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, der Institution der Familie, in herrschenden Geschlechterverhältnissen und Geschlechterbeziehungen wiederfinden (vgl. Bartel 2008). Heteronormativität beschreibt „Heterosexualität als ein zentrales Machtverhältnis, das alle wesentlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bereiche, ja die Subjekte selbst durchzieht“ (Hartmann/Klesse 2007:9). Es herrscht die hegemoniale Annahme heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit; heterosexuelles Begehren wird als natürlich und normal angesehen. Diese Naturalisierung der Heterosexualität, spiegelt sich auch in der Vorstellung der heterosexuellen Paarbildung und Reproduktion als Ursprung und Grundlage aller sozialen Beziehungen wider (vgl. Hartmann/ Klesse 2007:9, Richardson 2000). Christian Klesse meint, dass „Heteronormativität als machtanalytisches Konzept und als politisierter Bewegungs- und Wissenschaftsdiskurs“ (Klesse 2007: 35) verstanden werden sollte . Heteronormativität setzt das Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechterrolle und sexueller Orientierung gleich, die Basiseinheiten sind stets Männer und Frauen, die sich in ihrer Sexualität aufeinander beziehen. Heterosexualität wird folglich als Norm präsentiert und alle Abweichungen davon müssen erklärt werden. Hierdurch entsteht eine hierarchische Gesellschaft, Maria do Mar Castro Varela bezeichnet dies als „heterosexual culture´s privilege.“ (Castro Varela 2011: 14). Geschlecht und Sexualität sind wichtige Kategorien gesellschaftlicher Normalisierung Geschlechterverhältnisse und definieren nicht Hierarchisierung. nur die sozialen und Heteronormative gesellschaftlichen Bedingungen, sondern auch die Bedingungen der Repräsentation. (Engel 2002: 9ff). Auch die Aufteilung in private und öffentliche Sphäre ist auf die heterosexuelle Norm zurückführbar (Engel/Schuster heterosexualisiert, 2007: 77). Der vorherrschende Heteronormativität leitet Wissensproduktion (Hartmann/Klesse 2007: 9ff). 44 Geschlechterdiskurs politisches Handeln und ist eindeutig reguliert die „Heterosexualität kann mit Hilfe des Begriffs der heterosexuellen Matrix als ein Herrschaftssystem dargestellt werden, das Körper und ihr Verhältnis zueinander normiert und diese aufgezwungene Ordnung als natürlichen Grundzustand legitimiert.“ (Woltersdorff 2003: 918). Heterosexualität wird als non plus Ultra betrachtet, sie bedarf keiner Definition oder Erklärung., es wird als Grundbedingung und Urform aller sozialen Beziehungen gedacht (Woltersdorff 2003: 922). 3.3. Fazit und Bedeutung für meine Arbeit „Citizenship“ ist untrennbar mit Rechten verbunden. Plummer thematisiert in seinem Konzept von „Intimate Citizenship“ das Recht zu wählen, wie wir unser Leben leben wollen. Es geht darum wie scheinbar private Entscheidungen mit in öffentlichen Diskursen verknüpft sind und vice versa. Familienplanung, Kindererziehung oder das Institut der Ehe werden sehr stark von der Öffentlichkeit beeinflusst. Gleichgeschlechtliche Paare werden etwa durch den Ausschluss aus der Ehe von bestimmten Rechten ausgeschlossen, ihnen werden Entscheidungsmöglichkeiten einfach aberkannt. Sie werden in ihren Rechten auf Familienleben und Fortpflanzung beschnitten. Durch verschiedene gesetzliche Regelungen wird die heterosexuelle Natur von „Citizenship“ schnell ersichtlich. Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern sind besonders von heteronormativ geprägten gesetzlichen Regelungen betroffen. Die Rechtslage in Österreich basiert auf heteronormativen Wertvorstellungen, heterosexuelle Paare werden in vielen Bereichen bevorzugt behandelt. Vor allem wenn es um Familie und Reproduktion geht, ist Heterosexualität nach wie vor das Maß aller Dinge. Ken Plummer nutzt die Macht des „Storytelling and listening“ um Ungleichbehandlungen aufzuspüren. „People use their own stories and those of others to „construct themselves.“ (Plummer 2003: 146). Diese Narrationen sind immer sozial konstruiert und sozialgeschichtlich spezifisch. Auch in meiner Feldforschung ging es darum, dass die Interviewten Geschichten über intime Aspekte ihres Lebens berichteten; angefangen von ihrem Kinderwunsch, über Probleme bei der Planung bis hin zur Umsetzung, sowie über diskriminierende Erfahrungen als Regenbogenfamilien. 45 4. Das Institut der Ehe „Mit Erreichung des heiratsfähigen Alters haben Männer und Frauen gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“45 Dieser Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention („EMRK“) wird bis jetzt fast ausschließlich heterosexuell interpretiert. Allerdings stellt er kein generelles Verbot dar, welches den Eheausschluss gleichgeschlechtlicher Paare in den verschiedenen Ländern rechtfertigen würde. Es wird nur geklärt mit welchem Alter Frauen und Männer heiraten dürfen, ob sie die Ehe aber nun mit einem Menschen gleichen oder verschiedenen Geschlechts eingehen ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht genau definiert (Rössl 2010: 125ff). „Die Ehe stellt nicht nur eine verrechtlichte Intimbeziehung dar, sondern auch einen ,Status´, an den bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind, die nicht unbedingt die Regelung der ehelichen Beziehung selbst betreffen, sondern anderweitig Vorteile mit sich bringen.“ (Rössl 2010: 137) „Verheiratet- oder Unverheiratet-Sein“ sind rechtlich anerkannte Kategorisierungen von Menschen, sie sind vergleichbar mit jenen von Alter oder Geschlecht. Bei der Ehe geht es nicht nur um eine Zweierbeziehung, sondern vielmehr um die mit der Ehe verbundenen Privilegien. Die Ehe muss als politische Institution angesehen werden. Die rechtlichen Ehevoraussetzungen und Ehewirkungen ermöglichen einen guten Überblick über Machtbeziehungen innerhalb der Gesellschaft (Rössl 2010:125). Auch Brenda Cossman vertritt die Auffassung, dass das Recht auf Ehe weit mehr als nur irgendein Recht ist, es ist eines der zentralsten Praktiken innerhalb von „Citizenship“ und von wichtiger Bedeutung (vgl. Cossman 2007:70). Gleichgeschlechtlichen Paaren wird vielerorts der Zugang zur Ehe verwehrt, das heißt sie können nicht von den Vorteilen des verheirateten Status profitieren und Heteronormativität wird nicht reduziert. Nikolaus Benke (2010) meint zu diesem Ausschluss folgendes: „Der Ausschluss von der Ehe ist vor allem deshalb nicht zu bagatellisieren, weil die ausgeschlossenen Personen eine Geringschätzung erleben, die durchaus damit verglichen werden kann, dass man Menschen das Wahlrecht verweigert. Die Ehe hat als Institution große Bedeutung, dass die Regeln, wer sie eingehen darf, die Vollwertigkeit der Individuen mit definieren. Vereinfacht ausgedrückt: Personen, die nicht heiraten dürfen, werden nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen“. (Benke 2010: 227f) 45 Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 12: http://www.emrk.at/emrk.html 46 Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind mit verschiedengeschlechtlichen Beziehungen nicht auf derselben Stufe angesiedelt. Gleichgeschlechtlich liebende Menschen sehen sich mit zahlreichen Ungleichbehandlungen konfrontiert. Eine rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen bringt meist auch mehr Rechte für diese Paare mit sich, allerdings muss es deswegen noch lange nicht zu einer wirklichen Gleichstellung kommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte („EGMR“) erkennt einen Wandel der Institution der Ehe seitdem es die Europäische Menschenrechtskonvention gibt. Der „EGMR“ anerkennt gleichgeschlechtliche Ehe auf jeden Fall, wenn es sich um eine Geschlechtsumwandlung eines Partners oder einer Partnerin innerhalb einer aufrechten Ehe handelt. Hier bleibt die Ehe auch nach den operativen Eingriffen aufrecht, sodass nun zwei Männer oder zwei Frauen miteinander verheiratet sind. Unfruchtbarkeit oder Impotenz, sowie andere Gründe die eine Fortpflanzung unmöglich machen, werden nicht als Eheverweigerungsgrund betrachtet (RKL 2007 8ff).46 4.1. Situation in Österreich Die Ehe wird auch heute noch vielerorts als Basis der Familie betrachtet und die Familie wiederum stellt einen wichtigen Leistungsbringer für Gesellschaft und Kirche dar (KniepsPort le Roi 2009: 84f). Ehe und Familie stehen aus diesen Gründen auch unter dem besonderen Schutz des Staates (Wapler 2010: 115). In Österreich wird das Eherecht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) wie folgt definiert: „Das Eheverhältnis beruht auf einem Ehevertrag. Darin verpflichten sich zwei Personen verschiedenen Geschlechts, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen und zu erziehen, und sich gegenseitigen Beistand zu leisten (§ 44 ABGB).“ (Holzhammer 2001: 1) Dies zeigt, dass laut dem österreichischen Recht eine Ehe auf Geschlechtsverschiedenheit basieren muss, sprich also nur zwischen Mann und Frau erlaubt ist. Durch die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft wurde befürchtet, dass die Vorrangstellung der Ehe geschwächt werden könnte. Aus diesem Grund wurde auch versucht die Ehe durch zahlreiche Ungleichbehandlungen von gleichgeschlechtlichen Paaren, zu schützen. Die Sicherung der Generationenfolge, also Nachwuchs zu zeugen stellt einen wesentlichen Zweck der Ehe dar, Kinder sind wichtig für „das Fortbestehen der staatlichen Gemeinschaft“ (Mesquita 2010: 73). 46 Siehe zum Beispiel den Fall Goodwin vs UK, nähere Informationen unter RKL 2007: 10f. 47 Die Ehe bildet nun diesen privilegierten Rahmen in dem Fortpflanzung stattfinden soll. Gleichgeschlechtliche Paare können gemeinsam keine leiblichen Kinder bekommen, dies wird nur allzu gern als Begründung für den Ausschluss aus der Ehe herangezogen (Mesquita 2010: 72ff). Statt einer möglichst großen Angleichung an die Ehe wurde in Österreich mit der Eingetragenen Partnerschaft ein eigenes Sondergesetz geschaffen, sodass es nach wie vor zu keiner Gleichstellung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren kommt. 4.2. Forderung nach Öffnung der Ehe Die Forderung der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist noch relativ jung und begann erst Anfang der 1990er. Bis dahin gab es feministische Kritik an der Ehe als „bürgerliche patriarchale Institution, die zur Aufrechterhaltung und Absicherung rigider hierarchischer Geschlechternormen und geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung beiträgt“ (Mesquita 2010: 127). In den frühen 1980ern wurde in den USA für eine Einführung von „domestic partnerships“ für gleichgeschlechtliche Paare als Alternative zur Ehe gekämpft. Einige Jahre später stand schließlich die Schaffung der „Homo-Ehe“ im Zentrum der Lesbenund Schwulenbewegung. Nun werden die gleichen Rechte wie Ehepaare eingefordert (vgl. Mesquita 2010:127ff). „Die Geschlechterdifferenz und gemeinsame Reproduktionsfähigkeit verlieren als Kriterien der Maßstabsbildung zwar an Bedeutung. Die Zweierbeziehung wird jedoch ebenso wenig hinterfragt, wie die Höherbewertung „intimer“ geschlechtlicher Beziehungen. Die Ehe bleibt mit dem Einschluss gleichgeschlechtlicher Paare das erstrebenswerte, zu Recht gegenüber anderen Lebens- und Beziehungsformen privilegierte – weil für die Gesellschaft wertvolle – normative Ideal, das ideale Modell also, in dessen Rahmen sexuelle Beziehungen, Verantwortung und die Erziehung von Kindern am besten organisiert sind und sein sollen.“(Mesquita 2010: 162) Aus „queer–feministischer“ Sicht stellt die Öffnung der Ehe nicht den Endpunkt politischer Auseinandersetzungen um Gleichheit für Lesben und Schwule dar. Es ist notwendig nach Alternativen zum bestehenden Recht zu suchen und diese einzufordern. Durch eine Schaffung von rechtlichen Strukturen, die Hierarchisierungen und Ausschlüsse vermeiden sollen, würde die Vielfalt der unterschiedlichen Beziehungs- und Familienformen besser akzeptiert werden (Mesquita 2010: 163ff). “Marriages are quintessential heteronormative practices, not merely because they have until now been the exclusive privilege of heterosexual couples but also because as a heteronormative institution par excellence, marriage functions as a crucial instrument of hegemony.” (Castro Varela 2011: 98) 48 Das generelle Ziel sollte es also eher sein, das Eherecht zu transformieren und gewisse Privilegien, die mit der Ehe einher gehen, auch anderen zu gestatten. Es geht darum mehr Raum für gleichgeschlechtliche Beziehungen zu schaffen, sie sollen von den gleichen Rechten wie heterosexuelle Paare profitieren können. Die Schaffung „neuer Subjektpositionen“ abseits von hetero- und homosexuell, oder Mann und Frau, ist hierfür ein Muss (Holzleithner 2010: 312). Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare verfestigt aus „queerer“ Sichtweise die Heteronorm noch zusätzlich. Nichtsdestotrotz geht die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare doch mit einem gewissen Rechtezuwachs einher. Es findet zumindest eine staatliche Anerkennung der Beziehung statt. Im Jahre 2012 gibt es die gleichgeschlechtliche Ehe nur in einigen wenigen Staaten der Erde. Diese Länder sind: Niederlande (2001), Belgien (2003), Spanien, Kanada (2005), Südafrika (2006), Norwegen, Schweden (2009), Portugal, Island und Argentinien (2010) sowie in mehreren USBundesstaaten und in Mexiko-Stadt. 4.3. Fazit und Bedeutung für meine Arbeit Die Ehe ist nicht nur als Verbindung zweier Menschen zu sehen, viel mehr ist sie eine politische Institution durch die bestimmte Rechte erworben werden. Menschen werden durch den Status verheiratet oder unverheiratet jeweils anderen Kategorien zugeteilt. Das Recht auf Ehe ist die zentralste Praktik innerhalb von „Citizenship“, sie ist von großer Bedeutung. Bei der Forderung gleichgeschlechtlicher Paare nach Öffnung der Ehe, geht es genau um den Gewinn dieser Rechte. Ehepaare haben die gemeinsame Obsorge über Kinder und auch die Absicherung der Kinder ist geregelt. Es geht also nicht um das Institut der Ehe selbst, sondern um die Erlangung der damit verbundenen Privilegien. Gleichgeschlechtliche Paare werden durch den Ausschluss aus der Ehe diskriminiert. Das Hauptziel sollte es sein, eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare mit verschiedengeschlechtlichen Paaren unabhängig von Ehe zu schaffen. 5. Zusammenfassung theoretischer Rahmen Dieser Abschnitt beschäftigte sich mit Begriffsklärungen zentraler Konzepte und rechtlicher Begriffe dieser Arbeit. Des Weiteren wurde auf die Bedeutung von „Intimate Citizenship“ für diese Arbeit aufmerksam gemacht. „Intimate Citizenship“ thematisiert das Recht zu wählen jedes Bürgers und jeder Bürgerin. Durch den Ausschluss der Ehe oder der Verweigerung des Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung kommt es zu einer Beschneidung der 49 „Citizenship-Rechte“ gleichgeschlechtlicher Paare. Heterosexualität wird nach wie vor nur all zu oft als Maß aller Dinge betrachtet. Die heterosexuelle Vorherrschaft, Heteronormativität, lässt sich in staatlichen Institutionen wie der Ehe stark wiederfinden. Bei der Ehe handelt es sich um weit mehr als eine reine Anerkennung einer Zweierbeziehung, vielmehr geht es um einen Statusgewinn mit Zugang zu bestimmten Rechten und Privilegien. In meiner empirischen Forschung ging es stets um die Überschneidungen zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Ein Schwerpunkt wird auf Familienplanung, Ehe und ein diskriminierungsfreies Leben gelegt. Gleichgeschlechtliche Paare werden in ihren Wahlmöglichkeiten durch rechtliche Regelungen stark eingeschränkt. Nachfolgend soll nun die rechtliche Stellung gleichgeschlechtlicher Paare in Österreich näher gebracht werden. III. RECHTLICHER RAHMEN Hier wird zuerst ein kleiner Überblick über gesetzliche Regelungen zu Homosexualität weltweit gegeben, bevor im Anschluss speziell auf die Situation in Österreich und die Eingetragene Partnerschaft eingegangen wird. Die historische Entwicklung bis hin zur Entstehung der Eingetragenen Partnerschaft soll geschildert werden. Die Eingetragene Partnerschaft bildet den rechtlichen Rahmen für das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare in Österreich und somit auch den rechtlichen Rahmen dieser Arbeit. 1. Gesetzliche Regelungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen weltweit Um die rechtliche Lage für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich besser einschätzen zu können, möchte ich in diesem Abschnitt einen kleinen weltweiten Überblick über die Stellung und Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen bringen. Hierfür werde ich zuerst über die Entwicklung und Ausbreitung der Eingetragenen Partnerschaft berichten. Im Anschluss soll gezeigt werden in welchen Ländern mittlerweile die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet ist, oder wie es mit Adoptionsmöglichkeiten, Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung, Leihmutterschaft und Pflegeelternschaft aussieht. 50 1.1. Die Entstehung der Eingetragenen Partnerschaft in Europa Bei der Darstellung der Entstehungsgeschichte der Eingetragenen Partnerschaften berufe ich mich in erster Linie auf Jens Rydströms Artikel „Legalizing Love in a Cold Climate“ (2008). Die Eingetragene Partnerschaft wird oft auch als „Scandinavian Invention“ (Rydström 2008: 199; vgl. Wintermute 1997) bezeichnet, da sich ausgehend von Skandinavien diese gesetzlichen Regelungen auf andere Staaten ausbreiteten. Dänemark gilt als Ursprungsland registrierter Partnerschaften, es verfügte bereits im Jahre 1989 über eine Eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare. Diese Entwicklung löste einen Dominoeffekt in anderen nordischen Staaten aus. 1993 folgte Norwegen dem Beispiel Dänemarks, 1995 Schweden, 1996 Island und Grönland. Finnland bildete eine Ausnahme innerhalb der skandinavischen Staaten, denn hier wurde die Eingetragene Partnerschaft erst 2002 eingeführt. Es dauerte einige Jahre bis auch andere europäische Länder eine rechtliche Rahmenbedingung für gleichgeschlechtliche Paare schufen, die ersten waren Holland (1998), Frankreich (1999) und Deutschland (2001) (Rydström 2008: 198ff). Es ist nicht verwunderlich, dass registrierte Partnerschaften in Skandinavien ihren Ursprung haben. Schon vor Einführung der Eingetragenen Partnerschaft gab es Forderungen die Vormachtstellung der heterosexuellen Kernfamilie als Basisstruktur des Wohlfahrtsstaates abzuschaffen (Rydström 2008: 202ff). „Welfare in Scandinavia is individually based, the institutions of marriage and partnership are no longer necessary, either to raise children or to get social benefit.” (ebd. 209). Allerdings wurde dennoch in den meisten Ländern gezielt darauf geachtet, dass es auch weiterhin klare Unterschiede zwischen einer traditionellen Ehe und einer registrierten Partnerschaft gibt. „On the one hand same-sex couples are described as “ordinary” people, but on the other, the exceptions of the new law and the symbols of the ceremony clearly state that these laws provide an exceptional status for people who are exceptions.” (Rydström 2008: 206) Auch innerhalb der schwul-lesbischen „Community“ gibt es unterschiedliche Haltungen zur Eingetragenen Partnerschaft und gleichgeschlechtlichen Ehe. Aus „queer-feministischer“ Perspektive stellt eine Öffnung der Ehe auch eine Art Bedrohung für „Queers“ dar: „Gay marriage is the most significant component of a general assimilation of gays and lesbians, which threatens to suffocate queer subculture.” (Rydström 2008: 214). 51 Dennoch ist es natürlich schwierig gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Wunsch auf Anerkennung ihrer Partnerschaft abzusprechen. Mit dem „lesbian” oder „gayby baby-boom“ (Mamo 2007, Mezey 2008) seit den 1990ern und der vermehrten Entstehung von Regenbogenfamilien sind selbstverständlich auch neue Forderungen aufgetreten. Die feministische Kritik an der Ehe als patriarchale Institution hat in den letzten Jahren etwas abgenommen und die Forderung der Öffnung der Ehe trat vermehrt in den Vordergrund (Rydström 2008: 210f, Holzleithner 2010). 1.2. Kurzer Überblick: Homosexualität weltweit In den letzten Jahren kam es zu vielen Veränderungen und zu einem Wandel der Ehe in einigen Staaten. Mittlerweile ist in zehn Staaten die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde. In folgenden Staaten gibt es die gleichgeschlechtliche Ehe: Niederlande (2001), Belgien (2003), Spanien (2005), Kanada (2005), Südafrika (2006), Norwegen (2009), Schweden (2009), Vereinigte Staaten: Massachusetts (2004), Connecticut (2008), Kalifornien (Mai-November 2008, ab 2012 wieder), Iowa (2009), Vermont (2009), New Hampshire (2010), District of Columbia (2010), New York (2011), Mexiko: Mexiko Stadt (2010), Portugal (2010), Island (2010), Argentinien (2010), Washington (2012), Maryland (2012). Allerdings ist Ehe nicht gleich Ehe, in einigen der eben angeführten Länder gibt es dennoch nach wie vor Ungleichbehandlungen zwischen verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren. In Schweden ist es Frauen- und Männerpaaren seit November 2009 möglich auch eine kirchliche Trauung innerhalb der evangelisch-lutherischen Schwedischen Kirche in Anspruch zu nehmen. Hier gibt es auch ansonsten Unterschiede zur „Hetero-Ehe“.47 In Südafrika sieht die Sache hingegen dessen ganz anders aus. Die Ehe ist zwar auch hier seit 2006 geöffnet, aber dennoch stehen Diskriminierungen und Verfolgungen gleichgeschlechtlicher Paare an der Tagesordnung. Vergewaltigungen stehen auf der Tagesordnung und sich gesellschaftlich akzeptiert. Eine besondere Form der Vergewaltigung stellt die „korrigierende Vergewaltigung“ dar. Hierbei handelt es sich um Gewaltverbrechen an lesbischen Frauen, die durch Vergewaltigungen heterosexuell gemacht werden sollen. Bei den Vergewaltigungen geht es um eine Demonstration männlicher Machtansprüche. Die Täter 47 Gleichgeschlechtliche Ehe in Schweden: http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgeschlechtliche_Ehe, http://www. N24.de/news/newsitem 5539420.html 52 lassen sich in allen Gesellschaftsschichten finden und müssen größtenteils mit keinen Bestrafungen für ihre Tat rechnen.48 Die nachfolgende Darstellung liefert einen graphischen Überblick über die gesetzlichen Regelungen gleichgeschlechtlicher Beziehungen weltweit: Abbildung 3: Gesetzliche Regelungen zu Homosexualität weltweit English (en) Laws regarding same-sex sexuality No information Homosexuality legal Homosexuality illegal Same-sex marriage Other type of partnership (or unregistered cohabitation) Foreign same-sex marriages No recognition of same-sex couples Minimal penalty Large penalty Life in prison Death penalty Fast alle europäischen Staaten gewähren gleichgeschlechtlichen Paaren entweder die Ehe oder zumindest eine Eingetragene Partnerschaft. Allerdings beschränken sich gleichgeschlechtliche Ehen nicht mehr nur auf Europa und den Norden; auch Südafrika und Argentinien öffneten die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Nichtsdestotrotz darf nicht vergessen werden, dass gleichgeschlechtliche Handlungen in zahlreichen Ländern der Welt nach wie vor mit lebenslangen Haftstrafen oder sogar der Todesstrafe geahndet werden. Zu diesen Ländern gehören : Barbados, Guayana, Iran, Irak, Jemen, Mauretanien, Myanmar, Nigeria, Pakistan, 48 „Korrigierende Vergewaltigungen“ in Südafrika: http://www.freitag.de/community/blogs/kallewirsch/korrigierende-vergewaltigung-frauenverachtung-insuedafrika, http://www.avaaz.org/de/stop_corrective_rape_6/, http://www.welt.de/politik/article3955294/Jeder-vierte-Mann-in-Suedafrika-ist-Vergewaltiger.html 53 Saudi Arabien Sierra Leone, Somalia Sudan, Vereinigte Arabische Emirate.49 Die meisten Staaten verweigern gleichgeschlechtlichen Paaren nach wie vor eine rechtliche Anerkennung der Beziehung und auch in Ländern mit gleichgeschlechtlicher Ehe oder Eingetragener Partnerschaft gibt es zahlreiche Ungleichbehandlungen zwischen gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren. 2. Situation in Österreich In Österreich schaffen es gleichgeschlechtliche Paare erst jetzt im 21. Jahrhundert schön langsam präsenter in der Öffentlichkeit zu werden. Dies ist auch nicht sonderlich verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass sich Österreich durchaus über 20 Jahre Zeit ließ um Dänemarks Beispiel zu folgen. Österreich gehört also im europäischen Vergleich eher zu den Nachzüglern in Sachen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Doch dies war nicht immer so, 1787 war Österreich das erste Land weltweit, welches die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Beziehungen abschaffte. Allerdings gab es dennoch auch weiterhin brutalste Strafen für h Handlungen. Selbst Mitte des 19. Jahrhunderts kam es noch zu langen Kerkerstrafen für gleichgeschlechtliche Beziehungen (vgl. Graupner 2001). Bis ins Jahr 1971 galt in Österreich das Totalverbot der Homosexualität, erst dann wurde Homosexualität straffrei gemacht. Nichtsdestotrotz gab es auch weiterhin rechtliche Unterschiede zwischen homosexuellen und heterosexuellen Beziehungen (Graupner 2001). Ein großer Diskriminierungspunkt war Paragraph § 209, der das gesonderte Mindestalter für männliche Homosexuelle regelte, dieser trat erst 2002 außer Kraft, da er vom Verfassungsgerichtshof als gleichheitswidrig angesehen wurde. Am 1.1.2010 schaffte es Österreich endlich dem Beispiel zahlreicher anderer Länder zu folgen und ein Gesetz für gleichgeschlechtliche Paare zu bilden. Seitdem haben gleichgeschlechtliche Paare in Österreich die Möglichkeit ihre Partnerschaft zu registrieren. Hier verbinden sich zwei Personen des gleichen Geschlechts zu einer auf Dauer angelegten Partnerschaft mit gegenseitigen Rechten und Pflichten. Die Eingetragene Partnerschaft („EP“) ist, wie die Ehe, vor allem ein Vertrag, allerdings gibt es doch gravierende Unterschiede zwischen „EP“ und Ehe50 (vgl. Gröger/Haller 2010). Der Ausgangspunkt für die Einführung 49 Homosexualität weltweit: http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetze_zur_Homosexualit%C3%A4t 50 Die eingetragene Partnerschaft: http://www.partnerschaftsgesetz.at/ 54 der Eingetragenen Partnerschaft in Österreich war die Tatsache, dass es bis zu diesem Zeitpunkt keinen rechtlichen Rahmen für das Zusammenleben gleichgeschlechtlich orientierter Menschen gab. Dies widersprach der Europäischen Menschenrechtskonvention („EMRK“). Österreich wurde nun von Seiten des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte („EGMR“) dazu aufgefordert, „den Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Zivilehe (Art.12 „EMRK“) beziehungsweise das Fehlen eines vergleichbaren Rechtsinstituts (Art.8, 14 „EMRK“) zu rechtfertigen“ („RKL“ 2007: 11). Für den 14. Jänner 2010 wäre eine öffentliche Verhandlung des „EGMR“ bezüglich des Fehlens einer Partnerschaftsregelung für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich geplant gewesen. Die Eingetragene Partnerschaft ist also keine eigene Entscheidung Österreichs, sondern Österreich musste sich dem Druck des „EGMR“ beugen und ein Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare schaffen. Durch die Androhung von Sanktionen wurde der Entscheidungsprozess verkürzt und die Eingetragene Partnerschaft wurde schneller als erwartet in die Realität umgesetzt (vgl. „RKL“ 2007). Die „EP“ bildet die rechtliche Grundlage für das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Paare in Österreich. Da sich Österreich gegen eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare mit verschiedengeschlechtlichen Paaren entschied, und keine Generalklausel mit Vermerk auf die Ehe eingeführt wurde, kam es zu zahlreichen Veränderungen in verschiedenen Rechtsbereichen.51 Die Parlamentarische Versammlung des Europarates sieht gleichgeschlechtlich orientierte Menschen als Opfer jahrhundertealter Vorurteile. Neue Mitglieder im Europarat und der Europäischen Union verpflichten sich dazu, diskriminierende Bestimmungen auf Grund sexueller Orientierung aufzuheben. Sexuelle Selbstbestimmung ist ein zentrales Schutzgut der Europäischen Menschenrechtskonvention, Diskriminierungen auf Grund von sexueller Orientierung widersprechen diesem und dürfen nicht akzeptiert werden („RKL“ 2007). Diese Diskriminierungen müssen als genauso schwerwiegend wie Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts oder der Religion betrachtet werden. Diskriminierende Ungleichbehandlungen wegen der sexuellen Orientierung bedürfen besonders schwerwiegender Gründe. Ein Totalverbot von gleichgeschlechtliche menschenrechtswidrig Homosexualität und oder unterschiedliche verschiedengeschlechtliche betrachtet, sie Altersgrenzen Beziehungen widersprechen der werden für als Europäischen Menschenrechtskonvention, welche am 3.9.1958 in Österreich in Kraft trat 52 („RKL“ 2007). 51 Ministerialentwurf, Materialien und Stellungnahmen: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2009/PK1029/, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_00485/fnameorig_172332.html 52 Europäische Menschenrechtskonvention: http://www.emrk.at/ 55 2.1. Allgemeine Informationen zur Eingetragenen Partnerschaft „Die Eingetragene Partnerschaft gilt als eine verbindliche, auf Dauer ausgerichtete und staatlich anerkannte Partnerschaft, und geht mit zahlreichen Rechten und Pflichten einher.“53 Paragraph 1 des Gesetzes besagt, dass die „EP“ die Begründung, die Wirkungen und die Auflösung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften regelt (Gröger/Haller 2010:25, §1). Der 2. Abschnitt des Eingetragenen Partnerschafts-Gesetzes („EPG“) erklärt schon, dass es sich hier um eine auf Dauer ausgelegte Lebensgemeinschaft von zwei Personen des gleichen Geschlechts handelt (Gröger/Haller 2010:27, §2). Verschiedengeschlechtlichen Paaren ist es verboten eine Eingetragene Partnerschaft zu begründen (Gröger/Haller 2010: 30, §5/1). Gleichgeschlechtliche Paare dürfen also eine Eingetragene Partnerschaft schließen, sind aber von der Ehe ausgeschlossen. Verschiedengeschlechtlichen Paaren steht es offen zu heiraten, sie dürfen aber keine Eingetragene Partnerschaft eingehen. Diese Regelungen widersprechen dem Gleichheitsgrundsatz. Es wurden bewusst zahlreiche Unterschiede zwischen „EP“ und Ehe geschaffen, damit es zu keinen Verwechslungen kommen könne. Es ist nicht vorgesehen, dass gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft auf dem Standesamt eingehen, sie sollen dies bei der Bezirksverwaltungsbehörde machen. Das Paar muss nur persönlich anwesend sein und ein Protokoll unterschreiben, Trauzeugen sind nicht vorgesehen. Zudem besteht auch kein Anspruch auf eine feierliche Gestaltung der Eintragung und Begründung der Eingetragenen Partnerschaft (Gröger/Haller 2010). Auch das traditionelle Ja-Wort, der Kuss und der Ringtausch sind bei der Registrierung der Partnerschaft nicht vorgesehen. Die Unterschrift der beiden Partner_innen reicht um die Eingetragene Partnerschaft zu besiegeln. Allerdings verfügen die Behörden über einen gewissen Spielraum wie eine Schließung der Partnerschaft von statten gehen kann.54 2.2. Entstehungsgeschichte der Eingetragenen Partnerschaft Bis es zur Einführung der „EP“ in Österreich kam, dauerte es viele Zeit; mehrere Legislaturperioden mussten vergehen. Unter den einzelnen Parteien gab es sehr unterschiedliche Meinungen zur Erschaffung eines eigenen Sonderinstituts gleichgeschlechtliche Paare. 53 Partnerschaftsgesetz: http://www.partnerschaftsgesetz.at/ 54 Partnerschaftsgesetz - Eintragung: http://www.partnerschaftsgesetz.at/rechtliches/eintragung/eintragung2 56 für Die Grünen wollten für gleichgeschlechtliche Paare deutlich mehr als ihnen die „EP“ jetzt zugesteht. Sie forderten bereits 2005 die Öffnung der Ehe beziehungsweise die Einführung eines Zivilpakts („ZIP“; angelehnt an Frankreichs „PACS“,55) für gleich- wie auch verschiedengeschlechtliche Paare. Sie brachten schließlich zwei Initiativanträge ein, einen zur Einführung des „ZIP“ und einen zur Öffnung der Ehe (Benke 2010: 237ff). In den darauf folgenden Jahren versuchten auch andere Parteien immer wieder die Etablierung eines Rechtsinstituts für gleichgeschlechtliche Paare (Benke 2010: 234f). Diese Initiativanträge sahen vor, dass die Eingetragene Partnerschaft mit Ausnahme der Paaradoption den Rechtswirkungen einer Ehe gleichkommen solle (Gröger/Haller 2010:1). Durch den Regierungswechsel 2007 kam es allerdings zu keiner Realisierung dieser Pläne. Erst 2008 legte die damalige Justizministerin Maria Berger („SPÖ“) einen Gesetzesentwurf namens „Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG“ vor.56 Dieser Entwurf wurde zwar von unterschiedlichen Vereinen und Gruppierungen kritisch begutachtet, schaffte es aber ebenfalls nicht als Gesetz implementiert zu werden. Im September 2008 kam es zu Neuwahlen in Österreich und die Debatten um die Einführung eines Partnerschaftsgesetzes für gleichgeschlechtliche Paare wurden schließlich erst in den folgenden Legislaturperioden wieder aufgenommen (Gröger/Haller 2010:2). Dennoch diente dieser Gesetzesentwurf in weiterer Folge als Grundlage für das Eingetragene Partnerschafts- Gesetz. Der Gesetzesentwurf wurde von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner („ÖVP“, als parteiunabhängige Bundesministerin für Justiz in der „SPÖ-ÖVP“ Koalitionsregierung angelobt) weiter bearbeitet und schließlich im November 2009 dem Nationalrat als „Eingetragenes Partnerschafts-Gesetz“ („EPG“) vorgelegt. Die Debatten rund um die Einführung dieses Gesetzes verliefen auf sehr emotionaler Ebene.57 Es erfolgte keine weitere Begutachtung, am 10.12.2009 wurde das Gesetz mit einer einfachen Mehrheit im Nationalrat beschlossen und erlangte mit 1.1.2010 seine Wirksamkeit (Benke 2010:234f, Gröger/Haller 2010:3). „Grüne“ und „SPÖ“ hätten gleichgeschlechtlichen Paaren gerne durchaus mehr zugestanden. Hingegen dessen waren „BZÖ“ und „FPÖ“ strikt gegen 55 PACS, 2009 in Frankreich eingeführt, steht für „pacte civil de solidarité“: Vertrag zwischen zwei Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts, der die Organisation des gemeinsamen Lebens regelt. de.wikipedia.org/wiki/Ziviler_Solidaritätspakt 56 Ministerialentwurf, Materialien und Stellungnahmen: http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIII/ME/ME_00189/pmh.shtml 57 Aufzeichnungen der Parlamentssitzungen von Dezember 2009: Parlamentskorrespondenz 3.12.2009: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2009/PK1080/ Parlamentskorrespondenz 10.12.2011: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2009/PK1097/ 57 die Einführung der „EP“, da diese eine Bedrohung für die heterosexuelle Familie darstelle. Die „ÖVP“ stellte bestimmte Bedingungen und die jetzige Form der Eingetragenen Partnerschaft entspricht nun größtenteils den Vorstellungen der „ÖVP“. Für sie war es wichtig, dass es unter gar keinen Umständen zu einer allzu großen Annäherung an die Ehe kommen würde. Ehe und Familie müssten ihrer Meinung nach besonders geschützt werden.58 Österreich nahm sich bei der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft die Schweiz und deren Partnerschaftsgesetz zum Vorbild. Allerdings verfügen gleichgeschlechtliche Paaren in der Schweiz über mehr Rechte als österreichische (vgl. Gröger/Haller 2010, Benke 2010). Das „EPG“ in der nun vorliegenden Form kann als Institution in klarer Distanz zur Ehe verstanden werden. Es wurden gezielt Ungleichbehandlungen im Vergleich zum Eherecht gemacht, sodass es unter keinen Umständen zu einer allzu großen Annäherung des „EPG“ an die Ehe kommen könne (Benke 2010: 239f). Auch innerhalb der lesbi-schwulen „Community“ gibt es unterschiedliche Positionierungen zum „EPG“. Das Rechtskomitee „LAMBDA“ setzt sich gezielt ein um gegen die bestehenden Ungleichbehandlungen vorzugehen und um gleichgeschlechtlichen Paaren zu mehr Rechten zu verhelfe. Hingegen dessen begrüßte die „HOSI Wien“ sehr freundlich das neue Gesetz und freute sich über eine gesetzliche Rahmenbedingung für gleichgeschlechtliche Paare nun auch in Österreich.59 Die gravierendsten Ungleichbehandlungen im „EPG“ sind das absolute Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare und das Verbot auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Gröger/Haller 2010: 35). Gleichgeschlechtlichen Paaren haben in Österreich keinen Zugang zu Fortpflanzungsmedizin und neuen Reproduktionstechnologien. Das Fortpflanzungsmedizingesetz („FmedG“) wurde durch die Erschaffung des „EPG“ so weit verändert, dass es für gleichgeschlechtliche Paare wirklich nicht mehr zutrifft, „die eheliche Lebensgemeinschaft“ wurde durch „verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft“ ersetzt (Gröger/Haller 2010: 102 § 2/1 „FmedG“). Selbst unverheiratete verschiedengeschlechtliche Paare verfügen also teilweise über mehr Rechte als verpartnerte gleichgeschlechtliche Paare. Es macht den Anschein als sollten gleichgeschlechtliche Paare unter allen Umständen von Familienplanung und Kindererziehung ausgeschlossen werden. Es wurde allerdings vergessen, dass Paare die Kinder wollen, dennoch, wenn auch unter erschwerten Voraussetzungen, einen Weg finden werden ihren Kinderwunsch in die Realität umzusetzen. 58 Parlamentskorrespondenz 18.12.2009: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2009/PK1131/ 59 Rechtskomitee LAMBDA: http://www.rklambda.at/News/index.htm HOSI Wien: http://www.hosiwien.at/ 58 Durch das „EPG“ wurde die Tatsache geleugnet, dass es bereits existierende Regenbogenfamilien in Österreich gibt. Gegen einige dieser diskriminierenden Ungleichbehandlungen sind mehrere Klagen beim Verfassungsgerichtshof anhängig. So war es etwa gleichgeschlechtlichen Paaren nach der Verpartnerung zwar gestattet einen gemeinsamen Doppelnamen zu führen, allerdings durften sie keinen Bindestrich zwischen dem Doppelnamen führen. Dieses Verbot wurde im November 2011 vom Verfassungsgerichtshof als nicht rechtsgültig anerkannt und aufgehoben.60 Im ersten Jahr, 2010, nahmen laut Statistik Austria 705 gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit einer Verpartnerung in Anspruch. Die Prognosen für das erste Jahr beliefen sich auf rund 2000 Verpartnerungen. Etwa zwei Drittel der verpartnerten Paare sind Männerpaare. Der deutlich größere Männeranteil ist sicherlich auf Diskriminierungen innerhalb der „EP“ zurück zu führen, von den familienfeindlichen Paragrafen sind Frauen naturgemäß stärker betroffen als Männer.61. 2011 gab es einen 50 prozentigen Rückgang bei den Verpartnerungen, es gingen nur noch 433 Paare eine Eingetragene Partnerschaft ein.62 Die Hälfte aller Verpartnerungen Österreichs wurde bisher in Wien geschlossen. Wien bietet gleichgeschlechtlichen Paaren ein umfangreiches Verpartnerungspaket an, hier stehen ihnen auch mehr Orte, Räumlichkeiten und Möglichkeiten zur Verfügung. Sie dürfen sich, an allen Orten an denen Eheschließungen gestattet sind, verpartnern lassen.63 Österreich liegt mit den Verpartnungsschließungen im europäischen Mittelfeld. Die rot-grüne Regierung in Wien fordert nun mit einem Resolutionsantrag eine Gleichstellung von Regenbogenfamilien. Der Forderungskatalog umfasst medizinisch unterstützte Fortpflanzung auch für alleinstehende Frauen und Lesben in Eingetragener Partnerschaft, gemeinsame Adoptionsmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare und die generelle Öffnung der Ehe. Auch in anderen Ländern kam es im zweiten Jahr nach der Einführung eines Partnerschaftsgesetzes für gleichgeschlechtliche Paare zu einem Rückgang. Dies liegt sicherlich auch daran, dass sich im ersten Jahr viele Paare verpartnern, die schon lange sehnlichst auf diese Möglichkeit gewartet 60 Rechtskomitee Lambda: http://www.rklambda.at/dokumente/news_2011/News-de_PA-111112-BindestrichDiskriminierung.pdf, http://www.rklambda.at/iusamandi/ia-4-11.pdf Partnerschaftsgesetz: http://www.partnerschaftsgesetz.at/news/2011/11/26/doppelname-mit-bindestrich/ 61 think outside the box: Eingetragene Partnerschaft: 40% weniger Verpartnerungen in Steiermark 2011: http:// www.thinkoutsideyourbox.net/?p=20591 62 Partnerschaftsgesetz: http://www.partnerschaftsgesetz.at/news/2011/09/27/anzahl-der-eps-im-1-halbjahr2011/ 63 der Standard: - Traumhochzeiten boomen: Rückgang bei Hochzeiten und Verpartnerungen: http://derstandard.at/1325485619675/Traumhochzeiten-boomen-Rueckgang-bei-Hochzeiten-undVerpartnerungen-in-Wien 59 haben.64Allerdings entscheiden sich auch sicherlich genügend Paare auf Grund der zahlreichen Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen gegen eine Verpartnerung.65 Das „EPG“ bringt gleichgeschlechtlichen Paaren nicht die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtlichen Paaren, heteronormative Grundvorstellungen werden nicht abgebaut. Es findet nach wie vor eine Zweiteilung und Hierarchisierung statt. Die Ehe steht weiterhin nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen, für gleichgeschlechtliche Paare gibt es nur die Möglichkeit der Eingetragenen Partnerschaft, die ihnen deutlich weniger Rechte als verheirateten Paaren zugesteht. 3. Fazit und Bedeutung für meine Arbeit In Österreich ist gleichgeschlechtlichen Paaren keine gemeinsame Adoption gestattet, auch die Stiefkindadoption ist verboten. Gleichgeschlechtliche Paare können versuchen durch eine Einzeladoption ein Kind zu bekommen. Der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung steht nur verschiedengeschlechtlichen Paaren, unabhängig davon ob sie verheiratet oder unverheiratet sind, offen. Auch eine Leihmutterschaft ist nicht erlaubt (Verbot der Leihmutterschaft, § 3/3 „FMedG“, vgl. Holzhammer 2001: 52). In Wien, Oberösterreich und seit kurzem auch in Tirol gibt es gleichgeschlechtliche Pflegeelternpaare, allerdings werden kinderlose verheiratete Paare nach wie vor bei der Vergabe von Pflegekindern bevorzugt behandelt.66 Dieser kurze weltweite Überblick der rechtlichen Situation gleichgeschlechtlicher Beziehungen, zeigt dass Homosexualität nach wie vor in vielen Ländern der Welt strafbar ist. Im Vergleich zu diesen Ländern erscheint die rechtliche Lage für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich sehr gut zu sein. Allerdings gibt es eben doch schon Länder, die gleichgeschlechtlichen Paaren weit mehr zugestehen als dies in Österreich der Fall ist. Vor allem in Europa gibt es mittlerweile kaum Staaten die nicht die Ehe oder zumindest eine Eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare haben. Österreich war bei der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft spät dran, schließlich gab es die erste Eingetragene Partnerschaft bereits im Jahre 1989 in Dänemark. Erst 21 Jahre später wurde in Österreich ebenfalls eine rechtliche Rahmenbedingung für das Zusammenleben 64 think outside the box: 240 Eingetragene Partnerschaften 2011 in Wien geschlossen: http://www.thinkoutsideyourbox.net/?p=20607 65 think outside the box: 36 Eingetragene Partnerschaften in Kärnten seit 1.1.2010 geschlossen: http://www.thinkoutsideyourbox.net/?p=20575 66 Pflegeelternschaft: https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/72/Seite.720008.html 60 gleichgeschlechtlicher Paare geschaffen. Das Eingetragene Partnerschafts-Gesetz in Österreich zählt nicht zu den besten Partnerschaftsgesetzen der Welt. Gleichgeschlechtliche Paare werden auch weiterhin diskriminiert und ungleich behandelt. Länder wie Norwegen, Spanien oder Schweden gewähren gleichgeschlechtlichen Paaren mittlerweile in fast allen Situationen die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtlichen Paaren. So gibt es etwa eine Elternschaftsvermutung, die gleichgeschlechtlichen Paaren bereits vor bzw. mit der Geburt des Kindes gleiche Rechte zusteht ohne dass eine unter Umständen langwierige Stiefkindadoption dafür notwendig ist. Österreich nimmt in Sachen Rechte für gleichgeschlechtliche Paare keine der vorderen Positionen ein. In einigen Ländern erfolgte mittlerweile die Öffnung der Ehe und es kam zu einer großen Angleichung zwischen gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren. In Österreich sehen sich gleichgeschlechtliche Paare nach wie vor mit Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen konfrontiert. Es wurde gezielt darauf geachtet, dass es unter keinen Umständen zu einer allzu großen Annäherung an die Ehe kommen könnte. Bei der Umsetzung der Eingetragenen Partnerschaft wurden vor allem die Bedürfnisse gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern beziehungsweise mit Kinderwunsch ignoriert. Hier versperrte sich die österreichische Politik der Realität, da es durchaus bereits bestehende Regenbogenfamilien gibt und gleichgeschlechtliche Paare trotz der rechtlich schwierigen Situation Möglichkeiten finden eine Familie mit Kindern zu gründen. Gleichgeschlechtlichen Paaren bleibt bei der Realisierung ihres Kinderwunsches oftmals nichts anderes übrig als dies auf illegalem Wege zu versuchen. Dies bedeutet, dass ein Großteil der lesbischen Paare privat einen Samenspender sucht um eine Selbstinsemination durchführen zu können. Es bleibt abzuwarten wann Österreich dem Beispiel anderer Länder folgen wird und gleichgeschlechtlichen Paaren mehr Rechte zusteht. Sollte diese Entwicklung allerdings ebenso lange dauern, wie die der Eingetragenen Partnerschaft, können wir uns noch auf eine lange Wartezeit einstellen. Die vorangegangenen Kapitel dienten zur theoretischen, thematischen und rechtlichen Verortung der vorliegenden Arbeit. Es gibt so gut wie keine Forschungen oder statistischen Daten über Regenbogenfamilien in Österreich. Diese Arbeit will hier ansetzen und dazu beitragen diese Thematik mehr in die Öffentlichkeit zu rücken.In dieser Arbeit geht es um das Zusammenwirken der öffentlichen und der privaten Sphäre, öffentliche Entscheidungen, wie etwa der Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren aus der Ehe oder die Verweigerung 61 der Anerkennung einer Regenbogenfamilie als tatsächliche Familie, haben weitreichende Folgen und einen großen Einfluss auf das Privatleben der Betroffenen. Ihr Recht zu wählen wird beschnitten und sie sind mit vielen Ungleichbehandlungen konfrontiert. IV. VOM KINDERWUNSCH ZUM WUNSCHKIND Im empirischen Teil sollen nun zuerst die methodische Herangehensweise und die Feldforschung dargestellt werden. Danach werden meine Interviewpartnerinnen genauer vorgestellt und im Anschluss werden die empirischen Ergebnisse der gleichgeschlechtlichen Paare von der Umsetzung des Kinderwunsches bis hin zur Akzeptanz als Regenbogenfamilie gezeigt. 1. Methodische Herangehensweise und Verlauf der Feldforschung Bevor näher auf die gewählten Methoden dieser Arbeit eingegangen wird, soll die anfängliche Forschungsfrage nochmals ins Gedächtnis gerufen werden. Die zentrale Forschungsfrage lautet: • „Welche Möglichkeiten stehen Frauenpaaren in Österreich bei der Umsetzung des Wunsches nach eigenen Kindern zur Verfügung um gemeinsam eine Familie zu gründen?“ Weiterführende Fragen beschäftigten sich mit den Schwierigkeiten von Frauenpaaren bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches und enthüllen Probleme und Diskriminierungen mit denen sich gleichgeschlechtliche Paare und (werdende) Regenbogenfamilien konfrontiert sehen. Um diese Fragestellung beantworten zu können, war es notwendig zuerst eine ausführliche Literatur- und Internetrecherche über Rechte gleichgeschlechtlich orientierter Menschen, Eingetragene Partnerschaften, Ehe, Familie, wie auch Regenbogenfamilien im Besonderen, zu machen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtlichen Regulierungen der Eingetragenen Partnerschaft war wichtig, um über die rechtlichen Möglichkeiten von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch und Kindern Bescheid zu wissen. Für die Bearbeitung der Forschungsfrage bedurfte es nun einer Feldforschung mit Methodentriangulation; Teilnehmender Beobachtung sowie der Durchführung von Interviews mit betroffenen Personen. Meine Feldforschung wurde bei Mitgliedern und Freund_innen des 62 Vereins „FAmOs – Familien Andersrum Österreich“ durchgeführt. Am Anfang der Forschung stand die Kontaktaufnahme mit der Obfrau des Vereins Barbara Schlachter-Delgado. Sie stellte sich auch für ein Expert_inneninterview zur Verfügung und half bei der Vermittlung gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern. Fünf Frauenpaare erlaubten mir schließlich teilnehmende Beobachtungen und Interviews mit und bei ihnen durchzuführen. 1.1. Feldforschung Eine empirische, qualitative Forschung verlangt von Forschenden stets ein intensives Einlassen auf das zu beforschende Feld. Bei meiner Feldforschung handelte es sich um eine „anthropology at home“, sie wurde also größtenteils in der Stadt durchgeführt in der ich zum Zeitpunkt der Forschung meinen Lebensmittelpunkt hatte. Bei einer „anthropology at home“ teilen die Forschenden oft Nationalität, Bildungsgrad, Weiß-Sein und Geschlecht mit den zu Befragenden. Die zeitlichen und räumlichen Dimensionen einer anthropologischen Stadtforschung verschieben sich im Vergleich zu einer klassischen Feldforschung. Es ist sehr wichtig mit dem Datenmaterial verantwortungsvoll umzugehen und sich der Vermittler_innenrolle bewusst zu sein. Die Fragen der Positionalität und Verantwortung sind von zentraler Bedeutung (vgl. Abu-Lughod 1991). Die offene Fragestellung am Beginn meiner Arbeit ermöglichte es mir, mich methodologisch an der „Grounded Theory“ („GT“) zu orientieren (vgl. Flick 2009). Diese beinhaltet keine starren Regeln, sondern lediglich Leitlinien, die als Orientierungshilfen verstanden werden sollen. Es handelt sich hierbei um einen sozialwissenschaftlichen Ansatz zur systematischen Auswertung qualitativer Daten zur Theoriegenerierung. „GT“ besteht aus einem wechselseitigen Verhältnis zwischen Empirie und Theorie. Bei „GT“ geht es nicht vordergründig um eine Verifikation von Hypothesen, vielmehr geht es darum die soziale Welt so zu beschreiben wie sie ist (vgl. Strauss 1995, Strübing 2004). Die aus der Feldforschung gewonnenen Informationen ergänzen den bisherigen Wissensstand und können zu einer Überarbeitung der Forschungsfrage führen. Es findet ein kontinuierlicher Dialog und ein permanentes Vergleichen zwischen theoretischen Vorannahmen und den neugewonnenen Daten statt (vgl. Alheit 1999). „GT“ kann als „triadischer und zirkulärer Prozess“ (Hildenbrand 2009: 33) verstanden werden, da sie aus drei großen Teilbereichen besteht. Diese drei Teile die Datenerhebung, das Kodieren und das theoretische Memos formulieren, verlaufen in einer Spirale und stoppen erst 63 wenn es zu einer theoretischen Sättigung kommt (vgl. Hildenbrand 2009, Glaser/Strauss 1998). Bei einer „anthropology at home“ besteht sehr häufig ein biografisches Näheverhältnis zwischen den Forschenden und ihrem Forschungsgegenstand. Diese persönliche Betroffenheit und Involviertheit sollte nicht unthematisiert bleiben. Forschende gehen nicht als Neutrum ins Feld, sie agieren immer mit den zu befragenden Subjekten. Von der Positionierung und Art der Rolle die Forschende einnehmen, ist es abhängig zu welchen Informationen die Befragenden kommen. Durch die Beziehung zwischen Forschenden und Beforschten besteht die Gefahr, dass sich das Feld ändert oder durch die Anwesenheit der Forschenden gar erst bestimmte Interaktionen auftreten. Es ist wichtig dennoch eine bestimmte Distanz aufrecht zu erhalten um den kritischen, reflektierenden Blick auf die Forschungsthematik aufrecht zu erhalten (Lamnek 1995: 265ff). Am Beginn jeder Feldforschung steht stets Neugier und die Bereitschaft sich auf ein Abenteuer einzulassen, denn echte Feldforschung ist spannend und ein Abenteuer in sich. Die Sozialforscher_innen begeben sich neugierig unter Menschen, um deren Welt zu erkunden (Girtler 2001: 11ff). Eine „anthropology at home” bringt zahlreiche Vorteile mit sich, es ergeben sich aber natürlich auch neue Herausforderungen. Es müssen keine langen Reisen unternommen werden und meist ist auch die linguistische Kompetenz bereits gegeben, zudem verfügen die Forschenden über Insiderkenntnisse kultureller Problematiken. Allerdings dürfen Forschende bei einer Forschung in der eigenen Gesellschaft nicht dem Trugschluss unterliegen, vorgefasste Meinungen über die Beobachteten zu übernehmen. Auch in einer vermeintlich einheitlichen Gesellschaft gibt es viele Dinge die die Menschen voneinander trennen. Die Vertrautheit vieler Dinge verleitet dazu Vieles nicht zu hinterfragen oder zu analysieren.67 Es ist notwendig „den fremden Blick“ auf die eigene Kultur anzuwenden (Honer 2009: 196). Auch in der eigenen Gesellschaft gibt es viel Neues zu lernen, es ist notwendig sich mit dem Vokabular der zu befragenden Gruppe auseinander zu setzen, „learning new words in mother tongue“ (Okely 1996: 23). Natürlich ist es notwendig bereits zu Beginn der Forschung über ein bestimmtes Grundwissen zu verfügen. Zusätzlich bringt es auch Vorteile und schafft Nähe, wenn der Forschende auch seine eigene Lebenswelt für die Beobachteten öffnet (Girtler 2001: 67 Vor- und Nachteile einer "Anthropology at Home": http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-70.html 64 73). In meinem konkreten Fall erwies es sich positiv, selbst lesbisch zu sein, da ich das Gefühl hatte, dass meine Interviewpartnerinnen dadurch offener und bereitwilliger über ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen berichteten. Eine eventuelle anfängliche Skepsis verflog schnell. Um die Thematik meiner Diplomarbeit behandeln zu können war es notwendig gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern und/oder mit Kinderwunsch zu befragen. Da ich keine Verwandten, Bekannten oder, Freund_innen hatte, die in diesen Personenkreis fielen, weder Personen kannte, die Kontakte vermitteln konnten, blieb mir nichts anderes übrig als mich auf die Suche im Internet zu begeben. Ich versuchte mein Glück bei diversen Webseiten für Lesben und Schwule und fand schließlich eine Auflistung von Adressen für Lesben mit Kinderwunsch oder Kindern.68 Vor allem die Angebote der Rosa Lila Villa stießen bei mir auf großes Interesse. In der Villa gab es, die zu diesem Zeitpunkt, einzige Austauschmöglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch. Leider gab es keine positiven Rückmeldungen auf meine Anfrage, dort eine Forschung durchzuführen. Glücklicherweise fand am Samstag, 18.6.2011 die alljährliche Regenbogenparade in Wien statt, von der ich mir neue Impulse und Ideen für meine Diplomarbeit erhoffte und diese schließlich auch bekam. 1.1.1. Regenbogenparade in Wien Die Regenbogenparade wurde am 19.Juni 199669 in Wien zum ersten Mal durchgeführt und gilt seitdem als wichtigstes Event in der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transgenderbewegung in Österreich. Sie soll ein Zeichen für Solidarität, Toleranz und Gleichbehandlung sein, in erster Linie geht es aber darum für Akzeptanz und gleiche Rechte zu demonstrieren.70 Die Parade findet zur Erinnerung an „das erste Aufbegehren von Lesben und Schwulen gegen polizeiliche Willkür im Juni 1969 in der New Yorker Christopher Street statt. Paraden und ähnliche Veranstaltungen gibt es mittlerweile in den verschiedensten Länder, viele davon werden auch „CSD“ (Christopher Street Day) genannt.71 Die Parade 2011 stand unter dem Motto „Show your face“ und war der Höhepunkt der „Vienna Pride Week 2011“, welche vom 14.-19.6. stattfand.72 Dieses Jahr wurde nicht wie in 68 Frauensache – Institut für frauenspezifische Psychotherapie, Supervision, Coaching und Weiterbildung http:// www.frauensache.at/lesben.html 69 Vienna Pride: http://www.viennapride.at/regenbogenparade 70 think outside the box – emancipate yourself from mental slavery: Regenbogenparade 2011: So bunt strahlte der Regenbogen: http://www.thinkoutsideyourbox.net/?p=17004 71 HOSI Wien: http://www.hosiwien.at/regenbogenparade/ 72 Vienna Pride: http://www.viennapride.at/ 65 den Jahren davor, vom Stadtpark und entgegen der Fahrtrichtung marschiert, sondern die Parade bekam eine neue Route von der Börse zum Rathausplatz und dies in Fahrtrichtung. Die Regenbogenparade 2011 wies verstärkt auf die gesellschaftliche und politische Bedeutung dieser Parade hin, nichts desto trotz kam das Feiern dennoch nicht zu kurz. Ungefähr 120.000 Menschen feierten eine bunte Party. Anlässlich des 100. Jubiläums des Frauentags wurde die Parade von der „Lesbians Pride“ angeführt um die Sichtbarkeit lesbischer und bisexueller Frauen zu verbessern, denn nur all zu oft findet eine Reduktion der homosexuellen „Community“ auf Schwule statt. Die Regenbogenparade wurde wie auch in den Vorjahren von den „Dykes on Bikes“ angeführt, im Anschluss folgten die „Queer Business Women“. Zusätzlich gab es auch noch einen eigenen Frauen/Lesben- Truck, der an dritter Stelle des Paradezugs durch Wien führte. Durch dieses Zeichen sollte die Diversität und Vielfalt innerhalb der „Community“ ein wenig dargestellt werden.73 Abbildung 4: Regenbogenparade 2011, Wagen der Antidiskriminierungsstelle mit Regenbogenfamilien, © „FAmOs“ Einer der teilnehmenden Wagen stammte von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen („WASt“)74, das Motto 73 thinkoutsideyourbox: http://www.thinkoutsideyourbox.net/?p=17004 Vienna Pride: http://www.viennapride.at/regenbogenparade 74 Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen: http://www.wien.gv.at/queerwien/wa.html 66 des Wagens lautete „Regenbogenfamilien“. Der Truck war mit vielen Spielsachen und Plüschtieren dekoriert und wurde dem Verein „FAmOs – Familien Andersrum Österreich“ zur Verfügung gestellt. Die Kleinsten wurden auf den Truck zu den Spielsachen gesetzt, es gab ein großes Banner und extra dafür angefertigte rote „FAmOs“ T-Shirts. Flyer und Zuckerschnuller wurden erfolgreich an die Menschen verteilt.75 Am Ende jeder Parade werden immer die schönsten Beiträge auf ihre Aussagekraft, Originalität und Gestaltung hin bewertet. Der Regenbogenfamilien-Truck der Wiener Antidiskriminierungsstelle gewann hier sogar den ersten Platz in der Wertung der Kategorie 2 (Motorräder, PKW und Klein-LKW).76 1.1.2. Zugang zum Feld – Kontaktaufnahme Am darauf folgenden Tag sah ich mir eine Video-Zusammenfassung der Regenbogenparade im Internet an.77 Auch „FAmOs“ wurde mit seinem Wagen und den Bannern gefilmt. Ich begann sogleich mit einer Internetrecherche und schaute mir die Homepage des Vereins an. Der Verein präsentierte sich bei der Regenbogenparade zum ersten Mal der Öffentlichkeit.78 Aus diesem Grunde war auch die Homepage erst im Entstehen und noch nicht ganz fertig. Allerdings bot sie doch schon einiges an Informationen und Kontaktdaten. Durch die Linksammlung wird auch auf die aktuelle rechtliche Situation in Österreich aufmerksam gemacht. Ich schrieb eine Mail an die Vereinsobfrau, in der ich über meine Diplomarbeit berichtete und um Mithilfe für dieselbige bat. Zu meiner Überraschung und Zufriedenheit erhielt ich schon wenig später ein Antwortschreiben von „FAmOs“. Barbara SchlachterDelgado, Vereinsobfrau von „FAmOs“, zeigte großes Interesse an meiner Arbeit, sie sagte spontan ihre Unterstützung und Hilfe zu. Zusätzlich bot sie an, sich selbst für ein Interview zur Verfügung zu stellen, sowie bei der Vermittlung von InterviewpartnerInnen behilflich zu sein. Es folgte ein reger Mailaustausch, SMS, Telefonate, bis es dann zum ersten Treffen kam, bei dem sie mir alles über die Entstehung, die Ziele und Organisation des Vereins berichtete. Als Teil einer eigenen Regenbogenfamilie liegen ihr die Anliegen des Vereins natürlich selbst sehr am Herzen und betreffen sie auch persönlich. 75 „FAmOs“: http://www.regenbogenfamilien.at/Parade.html 76 HOSI Wien: http://www.hosiwien.at/regenbogenparade/ 77 Youtube Video- Regenbogenparade Wien 2011: http://www.youtube.com/watch? v=uPrYSfCg6_E&feature=share 78 Youtube- Regenbogenparade Wien 2011: http://www.youtube.com/watch?v=uPrYSfCg6_E&feature=share 67 „FAmOs“ ist mittlerweile auch auf Facebook79 anzutreffen und informiert über Aktuelles des Vereins wie auch über interessante Zeitungsartikel oder TV-Beiträge zum Thema Regenbogenfamilien. Zum Aufbau und den Zielen des Vereins werde ich in weiterer Folge noch genaueres berichten. Durch Barbara Schlachter-Delgado wurde meine Bitte um Interviewpartner_innen für meine Diplomarbeit an die verschiedensten Paare weitergeleitet. Es meldeten sich schließlich einige Paare von selbst bei mir, die mir ihre Hilfe anboten, von anderen bekam ich Kontaktdaten vermittelt, diese kontaktierte ich dann persönlich. Ein Paar lehnte es ab mir bei meiner Diplomarbeit weiter zu helfen, da sie schon für eine andere Abschlussarbeit Rede und Antwort gestanden hatten. Ein anderes Paar meldete sich und erklärte sich bereit mir ein Interview zu geben. Doch als es dann um einen genauen Termin für ein persönliches Treffen ging, gab es plötzlich überhaupt keine Rückmeldungen mehr. Mein anfängliches Ziel war es ein größeres Spektrum an verschiedenen Familienkonstellationen in dieser Arbeit zu untersuchen. Ich wollte mir Familien mit Adoptivoder Pflegekindern ansehen, Männer- und Frauenpaare mit Kindern. Zusätzlich wäre es natürlich auch interessant gewesen Paare zu interviewen, die Kinder aus einer vorangegangenen heterosexuellen Beziehung in die bestehende gleichgeschlechtliche Beziehung mitgebracht hatten. Allerdings stellte ich schnell fest, dass die Mehrheit der Regenbogenkinder mittlerweile in eine gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren werden, und auch „FAmOs“ beschäftigt sich vor allem mit dieser neueren Form von Regenbogenfamilien. Gleichgeschlechtliche Paare mit Adoptivkindern und Pflegekindern sind in Österreich selten anzutreffen, da die rechtlichen Barrieren dafür sehr groß sind. Aus diesem Grund darf es nun auch nicht verwundern, dass die in meiner Arbeit vorkommenden Familien, aus Frauenpaaren mit je einem Kind bestehen. Regenbogenfamilien bestehen zum Großteil aus Frauenpaaren mit Kindern. Bei meinen untersuchten Paaren gab es allerdings auch zwei Paare, die sich bewusst einen schwulen Mann als Samenspender aussuchten, der nun auch als aktiver Vater in die Kindererziehung mit einbezogen ist, sie bilden eine „Queer Family“. Schlussendlich schaffte ich es, zusätzlich zum Expert_inneninterview mit der Obfrau von „FAmOs“ noch fünf Frauenpaare zu interviewen, mit einem schwulen Papa zu reden und ein Einzelinterview zu absolvieren. 79 „FAmOs“ bei Facebook: https://www.facebook.com/pages/FAmOs-Familien-Andersrum-%C3%96sterreich/ 204974442873912 68 1.2. Datenerhebung und Datenauswertung Alle Interviews und teilnehmenden Beobachtungen fanden im Zeitraum zwischen August bis Oktober 2011 statt. Es wurden fünf problemzentrierte Interviews mit Frauenpaaren mit Kind durchgeführt. Zusätzlich wurde eine Frau in Partnerschaft befragt, die nun gegen das Verbot der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für Frauenpaare in Österreich klagt. Des weiteren stand Barbara Schlachter-Delgado als Obfrau des Vereins „FAmOs“ für ein Expert_innen Interview zur Verfügung. 1.2.1. Problemzentrierte Interviews Für meine Interviews wählte ich halbstandardisierte problemzentrierte Interviews. Hier stehen die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Reflexionen der Befragten zu einem ganz bestimmten Problem oder Thema im Mittelpunkt. Problemzentrierte Interviews basieren auf einem Gesprächsleitfaden, der aus Fragen und Erzählanreizen besteht, sie kombinieren induktives und deduktives Vorgehen. Die Forschenden verfügen über ein theoretisches wissenschaftliches Vorverständnis, durch die Äußerungen der Befragten kann es allerdings ständig zu Modifikationen der Konzepte kommen. Ein Erzählbeispiel oder eine offengehaltene Frage zu Beginn soll die Interviewpartner_innen zum Reden einladen und die narrative Phase des Interviews einleiten. Für die Interviewer_innen ist es notwendig die Erzählsequenzen nachvollziehen können. Diese Interviewform charakterisiert sich durch drei Kriterien: Problemzentrierung, Gegenstandsorientierung und Prozessorientierung.80 Ich orientierte mich bei meinen Interviews an einem Leitfaden mit vorbereiteten Themengebieten, angefangen vom gemeinsamen Kinderwunsch, bis hin zur Umsetzung und zur aktuellen Familiensituation. Eine offen formulierte Einstiegsfrage sollte die Befragten zum zwanglosen Erzählen bewegen und ihnen Raum für ihre Beschreibungen und Schilderungen lassen. In der Erzählphase konzentrierte ich mich auf aufmerksames Zuhören und auf Aufmerksamkeit bezeugende Äußerungen (hm, hm) oder Gesten (Kopfnicken). Bei Unklarheiten oder Widersprüchen stellte ich Verständnisfragen, da es für meine Forschung von zentraler Bedeutung war, die Erzählsequenzen und Darstellungen der Befragten nachvollziehen und verstehen zu können.81 80 Das problemzentrierte Interview: http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2009/PK1131/ 81 Witzel, Andreas: Das problemzentrierte Interview: http://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs/article/viewArticle/1132/2519 69 Die Interviews fanden bei den Paaren zuhause statt, so konnte ich auch einen kleinen Einblick in Alltagssituationen und das Familienleben gewinnen. Drei der Paare waren in Wien sesshaft, die anderen beiden im benachbarten Niederösterreich. Die Familien bestanden aus je zwei Müttern und einem Kind, bei zwei Paaren gab es noch einen schwulen Papa. Alle Interviewpartnerinnen waren zwischen Anfang Dreißig und Mitte Vierzig. Die Kinder waren allesamt unter fünf Jahren. Die Atmosphäre der Interviews war sehr angenehm und entspannt, meine Interviewpartnerinnen nahmen sich stets genug Zeit für mich und die Beantwortung meiner Fragen. Die Länge der Interviews variierte zwischen 50 und 110 Minuten, allerdings wurde auch davor und danach noch über die ganze Thematik gesprochen. Ich wurde zu Kaffee und Kuchen oder zum Abendessen eingeladen, konnte beim Fläschchen geben des Babys zu sehen, beim Einkauf helfen, wurde zum Abholen des Kindes beim Vater mitgenommen, mir wurden Fotos, Videos und sonstige Sachen der Kinder gezeigt. Als kleines Dankeschön für die Einladung in ihr Heim bedankte ich mich mit Schokopralinen sowie mit einer Kleinigkeit für die Kinder. Beim ersten Interview zeigte sich schon, dass einige Themenbereiche meines Interviewleitfadens von den Befragten als nicht so wichtig erachtet wurden, so kam es zu einer Modifizierung der Interviewfragen. Das erste Paar forderte ich in der Einstiegsfrage noch gezielt dazu auf etwas über erlebte Diskriminierungen zu erzählen. Da sich aber schnell herausstellte, dass die Befragten auf diese konkrete Frage, nicht besonders eingehen wollten und erst bei genauerem Nachfragen doch etliche Beispiele von Ungleichbehandlungen aufgezählt wurden, wählte ich bei den nächsten Interviews einen offeneren Einstieg. Ich erwähnte nur dass sie im Interview über positive wie auch negative Erfahrungen und Erlebnisse als Regenbogenfamilie berichten sollten. Durch diese freiere Gestaltung des Themenbereichs Diskriminierung, erzählten die Paare von sich aus schließlich mehr über Situationen und Erlebnisse in denen sie ungleich behandelt wurden. Vor den Interviews war ich der Meinung gewesen, dass der Großteil der Frauenpaare für die Umsetzung des Kinderwunsches eine ausländische Samenbank zur Unterstützung herangezogen hätte. Überraschenderweise war dies aber nur bei einem Paar der Fall. Alle anderen führten die künstliche Befruchtung sehr erfolgreich in Eigenregie zuhause durch. Diese Aussagen veranlassten mich in weiterer Folge zu einer gezielten Recherche über die Entstehung von Regenbogenfamilien. 70 Aktuelle Studien (vgl. Rupp 2009, 2011) belegen, dass es in den letzten Jahren zu Veränderungen bei Regenbogenfamilien kam. Marina Rupp kam in ihren Forschungen (Rupp 2009, 2011) zu dem Ergebnis, dass mittlerweile der Großteil der Regenbogenkinder nicht mehr aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen stammt, sondern die Kinder werden in bestehende gleichgeschlechtliche Partnerschaft hineingeboren. Diese Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie ich, die meisten Kinder werden durch künstliche Befruchtung geboren, zumeist wenden die Frauenpaare eine Selbstinsemination an. Die problemzentrierten Interviews funktionierten größtenteils sehr gut und die Interviewten berichteten sehr freimütig und ausführlich über ihre Erfahrungen und Erlebnisse. Dies mag zum Teil wohl auch daran liegen, dass ich meinen Interviewpartnerinnen anbot, die Interviews zu anonymisieren und keine persönlichen Daten von ihnen preiszugeben. Meine Interviewpartnerinnen waren stets damit einverstanden, dass die Interview aufgezeichnet wurden. Aus diesem Grunde verwendete ich ein digitales Aufnahmegerät und machte mir während der Interviews nur Notizen für Zwischen- und Nachfragen. Durch die Verwendung eines Aufnahmegeräts kam es auch zu keiner Behinderung bei der Gesprächsführung oder der Gesprächssituation. Die Interviewsituationen selbst empfand ich als sehr angenehm und meine Interviewpartnerinnen waren gleichwertige Gesprächspartner_innen und „Expertinnen ihrer Lebenswelt“, (Froschauer/Lueger 2003:36), in diesem Fall Expert_innen im Sachen Alltagsleben von Regenbogenfamilien. 1.2.2. Expert_inneninterview Bei Expert_inneninterviews handelt es sich meist um leitfadengestützte, offene Interviews. Im Vorfeld findet eine Vorstrukturierung zentraler Fragestellungen und Themen statt um gegenüber den Expert_innen als kompetente/r Gesprächspartner_in auftreten zu können. Der Leitfaden wird flexibel eingesetzt und es gibt keine genaue Abfolge der Fragen. Interviewer_innen müssen stets offen für neue Themen und Inhalte sein.82Ich absolvierte ein Expert_inneninterview mit Barbara Schlachter-Delgado, der Obfrau des Vereins „FAmOs“. Sie wurde hierbei von mir als Repräsentantin einer Gruppe, in diesem Fall Regenbogenfamilien, behandelt. 82 Das Expert_inneninterview: http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-44.html 71 1.2.3. Datenauswertung Nach der Durchführung der Interviews transkribierte ich die Interviews mithilfe der Transkriptionssoftware „f4“83. Dialektformulierungen und grammatikalische Fehler wurden weitestgehendst geglättet. Das gilt insbesondere für die Wiedergabe von Zitaten, da so eine bessere Les- und allgemeine Nachvollziehbarkeit gegeben ist. Alle Interviews wurden vollständig transkribiert und anonymisiert. Hierfür orientierte ich mich an einem einfachen Notationssystem, indem ich auch Pausen, Lachen oder Seufzen aufzeichnete. Die Auswertung der Daten erfolgte mithilfe des Textanalyseprogramms „ATLAS.ti“ und Thematischen Kodierens. Das Programm ist hilfreich bei der qualitativen Datenanalyse, etwa der Organisation von Daten, Indexieren und Kodieren von Datensegmenten, Wiederauffindung dieser Segmente oder der Darstellung der Forschungsergebnisse (vgl. Hadolt 2009). Zusätzlich zu „ATLAS.ti“ druckte ich die Interviewtranskriptionen auch aus, da es sich für mich als hilfreich erwies, die Transkripte auch direkt vor mir liegen zu haben. Ich begann nun also damit alle Daten bei „ATLAS.ti“ einzufügen, mittels dieses Programms soll das Kodieren oder Kommentieren des Materials erleichtert werden. Unter Kodieren wird „ganz allgemein die Zuordnung von Kategorien zu relevanten Textpassagen bzw. die Klassifikation des Textmaterials“ (Kuckartz 2010: 57) verstanden. Es ist ratsam die Daten nicht nur aus dem Material heraus zu genieren, sondern das Kontextwissen der Forschenden stets mit einzubeziehen (Titscher et al. 1998:97). Beim Kodieren hielt ich mich an Susanne Frieses Rat „relativ beherzt an das Kodieren heranzugehen und nicht über jedes dritte Wort fünfzehn Minuten nachzudenken.“ (Friese 2002: 16). So kamen die ersten Codes relativ schnell durch offenes Kodieren zustande, ohne starre Regeln. Es galt zuerst die Daten „aufzubrechen“ um sie dann in weiterer Folge weiter zu differenzieren, modifizieren, zu erweitern oder überprüfen. Es ist sinnvoll hier offen für neue Kategoriebildungen zu sein (vgl. Alheit 1999, Friese 2002). Ich entschied mich weiters für Thematisches Kodieren nach Uwe Flick.84 Thematisches Kodieren orientiert sich an einer vertiefenden Analyse von Einzelfällen, bei denen zuerst offen und später erst selektiv kodiert wird. Im Unterschied zur klassischen „Grounded Theory“ erfolgt hier im ersten Schritt eine fallbezogene Analyse, bevor im zweiten Schritt fallübergreifende Gruppenvergleiche durchgeführt werden (Flick 2009: 271ff). 83 Mehr Informationen sowie die Möglichkeit zum Download auf: http://www.audiotranskription.de/f4.html 84 Thematisches Kodieren: http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-123.html 72 Meine Forschungsergebnisse sind auf Grund des eingeschränkten Beobachtungszeitraums, August bis Oktober 2011, als Momentaufnahmen zu verstehen. Im nun nachfolgenden Abschnitt soll das Forschungsfeld, der Verein „FAmOs“ näher vorgestellt werden. 1.3. Forschungsfeld: Verein „FAmOs – Familien Andersrum Österreich“ Abbildung 5: Logo von „FAmOs“ „FAmOs“ ist ein Verein von und für Regenbogenfamilien in Österreich. „FAmOs“ hat sich zum Ziel gesetzt einerseits den Austausch zwischen Regenbogenfamilien untereinander zu fördern, sowie sich mit anderen gleichgesinnten europäischen und internationalen Organisationen zu vernetzen. Andererseits geht es auch darum präsenter und sichtbarer in der Öffentlichkeit zu werden und auf die besonderen Probleme und Schwierigkeiten von Regenbogenfamilien aufmerksam zu machen. Das große Hauptziel stellt die Erlangung der gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtliche Paare mit Kindern dar, eine rechtliche Gleichstellung und die Anerkennung als Familie. In Österreich leben mehr und mehr Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die in diese bestehende gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren wurden. Gleichgeschlechtliche Paare erfüllen sich ihren Kinderwunsch und den Wunsch nach Familienleben. Dennoch werden Regenbogenfamilien, nach wie vor in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und es gibt keine rechtliche Gleichstellung. Der Slogan von „FAmOs“ lautet: „Familie ist da, wo Kinder sind – und zwar in den unterschiedlichsten Lebensformen.“85 Meine Interviewpartnerinnen sind allesamt in irgendeiner Art und Weise im Verein „FAmOs“ tätig, einige aktiv als Kassierin oder Schriftführerin andere eher als einfache Mitglieder, alle nahmen aber bei der Regenbogenparade mit den Kindern teil. Barbara Schlachter-Delgado, Obfrau des Vereins, stellte sich am 9.8.201186 für ein Interview zur Verfügung. Der Verein verdankt seine Entstehung regelmäßigen Diskussionen mit einem befreundeten Frauenpaar, die ebenfalls ein Kind haben. Gemeinsam wurde darüber sinniert, 85 „FAmOs“: www.regenbogenfamilien.at 86 Interview mit Barbara Schlachter-Delgado 2011: Persönliches Interview am 9.8.2011. Wien 73 dass es bis dato eindeutig zu wenig Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten für Regenbogenfamilien untereinander gab. Es gab zwar seit einiger Zeit Regenbogenfamilientreffen, aber dies war allen zu wenig, da hier vor allem nur mit den Kindern gespielt wurde und Gespräche unter Erwachsenen nur selten möglich waren und zustande kamen. Die Vernetzung untereinander sollte gefördert werden, der Verein als Anlaufstelle für Regenbogenfamilien dienen. Eltern von Regenbogenkindern sollten mit Gleichgesinnten über ihre Erfahrungen reden können, aber gleich einen Verein zu gründen, war eigentlich nicht beabsichtigt (Schlachter-Delgado 2011). (...) dann haben wir weiter philosophiert und sind dann irgendwie drauf gekommen, dass es ja auch noch keinen Verein gibt in Österreich, der jetzt quasi die Belange von Regenbogenfamilien vertritt. In vielen anderen europäischen Ländern gibt es das bereits. Wenn wir uns da nicht auf die Beine stellen, wer soll sich sonst für uns stark machen, wenn wir nicht da selber auch was Organisieren und was machen? (Schlachter-Delgado 2011) Im Februar 2011 wurde eine Arbeitsgruppe gestartet, die sich seit dem auch regelmäßig traf. Bei der Regenbogenparade konnten sie zum ersten Mal öffentlich Aufmerksamkeit erregen und für ihren Verein Werbung machen. Rechtzeitig für diesen Termin wurden die Homepage gestartet und Flyer gedruckt. In den Tagen nach der Parade trudelten bereits die ersten Anfragen per Mail ein, Leute die gerne einen Newsletter bekommen würden oder einfach nur so über Neuigkeiten oder Treffen auf dem Laufenden gehalten werden wollten. Regenbogenfamilien sahen sich bis dahin in der Öffentlichkeit nahezu überhaupt nicht widergespiegelt. Die Gründung eines Vereins für Regenbogenfamilien erschien daher als logische Schlussfolgerung, um an der Situation etwas zu ändern und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Barbara Schlachter-Delgado rezitierte diesen Entschluss folgendermaßen: „Und jetzt haben wir gesagt, packen wir uns zusammen und machen den Verein und gemeinsam können wir vielleicht ein bisschen was weiter bringen“ (Schlachter-Delgado 2011). Bis dato besteht der Verein aus sechs Leuten die im Vorstand tätig sind, plus deren Partnerinnen. Die Vorstandsmitglieder betreiben den Verein bis jetzt nur auf ehrenamtlicher Basis, das heißt alle Frauen sind berufstätig und haben auch kleine Kinder zuhause. Im Moment wird auch noch alles für den Verein aus der eigenen Tasche finanziert, nur für die Flyer konnte bereits ein Sponsor aufgetrieben werden. Die Fixkosten für die Homepage sollen aber schon bald durch Mitgliedsbeiträge beglichen werden.87 Aktuell sind nur Frauen aktiv bei 87 Seit 2012 gibt es die Möglichkeit als ordentliches oder förderndes Mitglied den Verein zu unterstützen. http://regenbogenfamilien.at/ordentliches%20Mitglied.pdf 74 „FAmOs“ vertreten; da es einfach auch mehr lesbische Frauen mit Kindern als schwule Väter gibt. Männer sind allerdings jederzeit herzlich willkommen im Verein. Barbara Schlachter-Delgado hofft, dass sich noch viele Leute melden, der Verein soll Regenbogenfamilien auffangen und vernetzen; „weil wir zusammen einfach stärker sind.“ (Schlachter- Delgado 2011). Ein Ziel von „FAmOs“ ist es, Broschüren anzufertigen und in Kindergärten, Volksschulen oder Elternkindzentren aufzulegen, um für mehr Aufklärung von Regenbogenfamilien zu sorgen. Diese Broschüren sollen durch finanzielle Mittel, Sponsoring, Förderungen oder Mitgliedsbeiträge ermöglicht werden. Durch Öffentlichkeitsarbeit soll die Gesellschaft auf Regenbogenfamilien aufmerksam gemacht werden und helfen etwaige Berührungsängste abzubauen. Der Großteil der Menschen kommt im Alltag nicht wirklich mit Regenbogenfamilien in Berührung, lesbische Mütter werden „als totale Exoten“ betrachtet (Schlachter-Delgado: 2011). Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit soll ein größeres Publikum erreicht werden, vor allem soll aber auf die schwierige rechtliche Situation und diskriminierende Ungleichbehandlungen von Regenbogenfamilien aufmerksam gemacht werden. Regenbogenfamilien sind bis jetzt eine zu wenig bekannte Familienform, sie sind nicht präsent in der Öffentlichkeit. „FAmOs“ will an dieser Problematik etwas ändern und Regenbogenfamilien ins Blickfeld rücken. Wir kommen einfach nur sehr wenig in Medien und ja in der Öffentlichkeit vor. Teils weil sich die Leute nicht trauen und teils weil niemand was dafür macht, ja. Da wollen wir halt schauen, dass wir da ein bisschen ansetzen können, um so in der Gesellschaft auch ein bisschen Berührungsangst abzubauen. Dass die sehen wir sind ganz normale Familien, die die gleichen Probleme haben wie sie. (Schlachter-Delgado 2011) Barbara Schlachter-Delgado und ihre Partnerin Elisabeth Kättl stellen sich aus diesem Grunde auch immer wieder für Zeitungs- und Fernsehbeiträge zur Verfügung. Unter anderem hatten sie auch ein Gespräch mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek über Regenbogenfamilien, welches in der Zeitschrift Woman88 abgedruckt wurde. Im Gegenzug für dieses gemeinsame Interview wurde dem Verein „FAmOs“ versprochen, dass sich Gabriele Heinisch-Hosek einmal für einen Diskussionsabend innerhalb des Vereins zur Verfügung stellen wird. Zusätzlich ergeben sich dadurch natürlich auch hilfreiche Kontakte bei eventuellen Anfragen wegen Förderungen für Broschüren. 88 Woman – Österreichs größtes Frauen- und Lifestylemagazin. 2011 Printausgabe Nr. 19, 16.9.2011: Mutter, Mutter, Kind, S 74-76 75 Die persönlichen Wünsche Barbara Schlachter Delgados sind nicht von denen des Vereins zu trennen. Der Verein kam vor allem aus eigener Betroffenheit zustande, da sie als Regenbogenfamilie tagtäglich mit Ungleichbehandlungen konfrontiert werden. Die Stiefkindadoption wäre das erklärte Ziel, durch sie würde einiges erleichtert werden. Mittels der Stiefkindadoption oder zumindest der gemeinsamen Obsorge für das Kind, würde der zweite Elternteil über die gleichen Rechte wie der biologische Elternteil verfügen. Die Stiefkindadoption ist in einigen Ländern bereits erlaubt. Länder wie Norwegen, Schweden oder Spanien gehen mit der Elternschaftsvermutung sogar noch einen Schritt weiter. Hier wird der zweite Elternteil sogar schon vor Geburt des gemeinsamen Kindes als rechtlicher Elternteil anerkannt. Ich wünsch mir irgendwie, dass es [unser Kind] im Verlauf seiner Kindheit und Jugend nicht all zu schwer hat, aus dem Grund weil [es] zwei Mamas hat, ja. Um das zu erreichen braucht es natürlich schon viel Aufklärung in der Gesellschaft, dass es einfach in der Gesellschaft akzeptiert wird, dass es eben nicht mehr so etwas Komisches ist, ja, sondern was ganz Normales irgendwie. Also das wär mein Wunsch auch, dass es unsere Kinder mal nicht so schwer haben. (Schlachter-Delgado 2011) „FAmOs“ setzt sich für mehr Rechte und Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern ein. Durch die Vernetzung untereinander soll auch die Realisierung eines Kinderwunsches erleichtert werden. Der größte Wunsch ist, dass es ihren Regenbogenkindern in Zukunft nicht all zu schwer gemacht werden wird, sondern sie einfach akzeptiert werden. In der Zwischenzeit89 konnte „FAmOs“ bereits einige Erfolge verbuchen, sie wurden unter anderem in mehreren Zeitungsartikeln oder Fernsehbeiträgen erwähnt. Am 17.11.2011 gab es dann schließlich auch die erste international besetzte Fachkonferenz über Regenbogenfamilien in Österreich, bei der auch „FAmOs“ als Verein vertreten war. Die Konferenz wurde von Stadträtin Sandra Frauenberger in Auftrag gegeben.90 Diese Konferenz wurde von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen („WASt“) veranstaltet. Familie bedeutet längst nicht mehr Vater-Mutter-Kind, sondern es gibt eine Vielfalt an verschiedenen Familienkonstellationen und Regenbogenfamilien sind eine Variante davon. Aber auch die Zusammensetzung von Regenbogenfamilien kann sehr stark variieren. Sandra Frauenberger kritisierte, dass in der Eingetragenen Partnerschaft die Lebensrealität von Regenbogenfamilien und der Kinderwunsch von Lesben und Schwulen völlig ignoriert wurde. Der Wiener Landtag fordert den Zugang zu medizinisch unterstützter 89 Stand Juli 2012 90 Fachkonferenz Regenbogenfamilien: http://www.wien.gv.at/rk/msg/2011/11/10017.html, http://www.wien.gv.at/queerwien/pdf/regenbogenfamilien.pdf 76 Fortpflanzung für alleinstehende Frauen und Frauenpaare, die gemeinsame Adoption und Stiefkindadoption, sowie die eine Reformierung der Ehe und die Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare derselbigen. Regenbogenfamilien sind gelebte Realität, allerdings ist unsere Gesellschaft, laut Wolfgang Wilhelm von der „WASt“, heteronormativ geprägt, sodass gleichgeschlechtliche Paaren mit Kindern nach wie vor mit Vorurteilen konfrontiert werden und auf Ablehnung stoßen können. Ziel der Konferenz war es Regenbogenfamilien aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Es wurden aktuelle Studienergebnisse über Kinder in Regenbogenfamilien gebracht und darüber diskutiert welche rechtlichen Regelungen es gibt und welche es bräuchte. Die Gründung des Vereins „FAmOs“ im Juni 2011 war ein erster Schritt „Regenbogenfamilien“ in Österreich zu mehr Präsenz zu verhelfen. Mittlerweile gelang es dem Verein, sich gut mit anderen europäischen Staaten zu vernetzen. „FAmOs“ ist Mitglied des europäischen Dachverbands der „Network of European LGBT Families Association“ (kurz: „NELFA“)91. „NELFA“ wurde 2009 gegründet „to bring together the associations of lesbian, gay, bisexual and transgender parents and their children from European nations under one European organization to represent „LGBT“ / Rainbow Families.“92 Durch eine bessere Vernetzung und ständigen Austausch miteinander kann gezielter für eine Gleichstellung von Regenbogenfamilien gekämpft werden. Die, aus 22 Organisationen aus 14 europäischen Ländern bestehende, „NELFA“ repräsentiert somit tausende Regenbogenfamilien in Europa. Am 12. März 2012 wurde „NELFA“ als internationale Nonprofit-Organisation in Belgien gegründet, dadurch wird „NELFA“ nun auch von offizieller Seite als Vernetzungsmöglichkeit europäischer Regenbogenfamilien betrachtet und wird in Brüssel künftig Lobbying für die gerechte Sache betreiben. „FAmOs“, als einziger österreichischer Verein von und für Regenbogenfamilien, ist aktiver Teil dieser Gemeinschaft.93Regenbogenfamilien schaffen es also durch verbesserte Zusammenarbeit mit anderen Staaten auch in Österreich vermehrt in der Öffentlichkeit auffindbar zu sein. Durch „FAmOs“ gibt es jetzt ein offizielles Sprachrohr. Dennoch ist noch ein langer Weg zu bestreiten bis von einer Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen die Rede sein kann. 91 NELFA – Network of European LGBT Families Associations: http://www.nelfa.org/ 92 Members NELFA: http://www.nelfa.org/index.php?option=com_content&view=article&id=49&Itemid=60 93 NELFA – Europäische Regenbogenfamilien vernetzen sich: http://www.thinkoutsideyourbox.net/?p=23004, http://diestandard.at/1332323420782/Regenbogenfamilien-Das-Recht-auf-zwei-Elternteile 77 2. Vorstellung der Interviewpartnerinnen Bei den von mir interviewten Personen handelt es sich ausschließlich um Frauen. Der Großteil der Regenbogenfamilien besteht aus zwei Frauen mit Kind oder Kindern. Aus diesem Grunde spiegelt die Zusammensetzung meiner Interviewpartnerinnen die Realität gut wider. Männerpaare mit Kindern sind äußerst selten anzutreffen, sie haben es naturgemäß noch schwieriger als zwei Frauen, gemeinsam ein Kind zu bekommen. Fünf Frauenpaare mit jeweils einem Kind stellten sich für Interviews und teilnehmende Beobachtungen zur Verfügung. Die Namen der Interviewpartnerinnen wurden geändert und auch die beruflichen und teilweise sozialen Daten wurden aus Datenschutzgründen modifiziert. Diese Veränderungen berühren aber in keiner Weise die wesentlichen Interviewaussagen. Hier soll zuerst einmal ein grober Überblick über die Paare gegeben werden, bevor im Anschluss eine genauere Vorstellung meiner Interviewpartnerinnen erfolgen wird. Die Paare lassen sich zwei unterschiedlichen Familienkonstellationen innerhalb von Regenbogenfamilien zuordnen: in „Zwei-Mütter-Familien“ und in „Queer Families“ „ZweiMütter-Familien“ bilden die gängigste Form von Regenbogenfamilien. Diese Familien bestehen aus zwei Frauen mit Kind oder Kindern ohne aktive Beteiligung eines Mannes, der die Vaterrolle einnimmt. Eine „Queer Family“ hingegen besteht aus einem Frauenpaar, welches gemeinsam mit einem schwulen Mann oder einem Männerpaar, die Kindererziehung übernimmt. Hier wird bewusst ein schwuler Samenspender gesucht, der auch nach der Geburt des Kindes eine aktive Vaterrolle einnehmen soll. Zwei-Mütter Familien Mein erstes Interviewpaar waren Monika und Theresa, sie sind beide 33 Jahre alt und haben eine 2 ½ Jahre alte Tochter namens Clara. Monika ist die biologische Mutter, Theresa die soziale.94 Sie suchten privat einen Samenspender und zeugten das Kind mit der Bechermethode. Paar Nummer zwei waren Andrea (b) und Stefanie (s), 40 und 35 Jahre alt. Ihr dreijähriger Sohn Finn wurde ebenfalls durch einen privaten Samenspender mit der Bechermethode gezeugt. 94 In weiterer Folge werden bei der Vorstellung der anderen Paare die Abkürzungen (b) für biologische Mutter und (s) für soziale Mutter verwendet. 78 Gudrun (b) und Milla (s), 38 und 43, haben einen vierjährigen Sohn namens Aki. Sie sind das einzige Interviewpaar, die eine anonyme Samenspende in einer finnischen Samenbank für die Umsetzung ihres Kinderwunsches in Anspruch nahmen. „Queer Families“ Jennifer ist 32 (b) und Sabine 37 (s). Ihre Tochter Carolina ist 2 Monate alt und wurde mit der Bechermethode gezeugt. Sie suchten privat nach einem Samenspender, der auch nach der Geburt eine aktive Vaterrolle einnehmen wollte. Ihre Wahl fiel auf einen schwulen Mann, der nun auch im Geburtenbuch als Vater vermerkt ist. Viktoria (b) und Michaela (s), 37 und 32 Jahre alt haben einen einjährigen Sohn namens Philip. Auch ihr Kind wurde mit der Bechermethode gezeugt. Sie wählten einen schwulen Bekannten als Samenspender, der nun auch eine aktive Rolle bei der Kindererziehung einnimmt. Er ist allerdings im Vergleich zum vorherigen Paar im Geburtenbuch nicht als Vater vermerkt. Nach dieser kurzen überblicksartigen Darstellung meiner Interviewpartnerinnen, wird nun in weiterer Folge noch genauer auf die Paare eingegangen. 2.1 Monika und Theresa95 Theresa und Monika sind seit acht Jahren ein Paar. Monika arbeitet im öffentlichen Dienst, Theresa ist im Managementbereich einer großen Telefongesellschaft tätig. Sie arbeiten und leben in Wien. Der Wunsch nach einem Kind war bei Monika schon seit Langem präsent: Monika: Für mich war das eigentlich immer klar. Hab auch lange daran gearbeitet, dass das für sie auch klar ist, aber dafür bleibt es wahrscheinlich nur bei einem. (lacht laut auf). Ja, aber besser als keins. Monika leistete einige Jahre Überzeugungsarbeit, bis sie schließlich Theresa auch von der Idee eines gemeinsamen Kindes begeistern konnte. Theresa: Also wir haben drei Jahre drüber nachgedacht, weil ich zuerst nicht wollte. Und dann mit 29 hab ich gsagt, „ok jetzt ist es soweit, jetzt könn ma.“ Also es war schon ein sehr langer Prozess, wo man sich überlegt hat, wie ist das mit dem Geld möglich, mit der Freizeit, und so weiter. 95 Interview mit Monika und Theresa 2011: Persönliches Interview am 5.8.2011. Tochter Clara 2 ½ Jahre alt. Wien 79 Für die Umsetzung ihres Kinderwunsches suchten sie einen Samenspender der keine aktive Vaterrolle übernehmen sollte und wollte. Hierfür posteten sie ihre Anfrage auf einigen Internetseiten und bekamen zahlreiche Antworten. Kriterien für die Auswahl waren das Aussehen des Spenders und die Nähe zu ihrem Wohnort. Da es nicht viele Spender gab, die in Wien wohnten, hatten sie keine so große Auswahl, fanden aber schließlich doch einen passenden. Theresa: Monika hat sich halt wirklich der Gefahr ausgesetzt, dass irgendein Kerl zu uns in die Wohnung kommt, den du kaum kennst, der dir sein Sperma überreicht und ja er hat zwar ein Attest, aber in Wahrheit wissen wir eh wie es mit dem ist, ja. Auch wenn er das erst vor drei Wochen gemacht hat, was ist dann? Also dieser Gefahr setzt du dich natürlich aus ja und wenn du das Kind haben willst, dann machst du das. Theresa und Monika mussten ihrem Spender vertrauen, dass er die Wahrheit über seinen gesundheitlichen Zustand erzählt hatte. Sie fragten den Spender auch nach seinen Gründen für eine Samenspende. Er meinte da er selber Kinder habe, wisse er wie wichtig das sein könne und er wolle seinen Beitrag für die Verwirklichung von Kinderwünschen leisten. Monika: Ob er jetzt irgendwelche Allmachtsphantasien hat, keine Ahnung. Also das will ich auch nicht wissen, für mich passts und das ist ein gesunder Kerl, er hat gute Gene und das passt. Bei der Umsetzung des Kinderwunsches bedurfte es einer genauen Planung und Recherche. Einige Fragen mussten im Voraus geklärt weden. Monika: Wie will man das? Wie möchte man zu dem Kind kommen? Das ist halt komisch, da kommt ein fremder Mann und dann geht er wieder. Es ist halt was anderes als wenn sich ein heterosexuelles Paar für ein Kind entscheidet, weil da weiß man ja wie es zu dem kommt. Die künstliche Befruchtung wurde mittels Bechermethode zuhause in Eigenregie durchgeführt. Nun haben sie die zweieinhalbjährige Clara, die vor kurzem mit dem Kindergarten begonnen hat. Monika und Theresa stellten sich bereits bei der Kindergarteneinschreibung als Frauenpaar mit Kind vor und warteten die Reaktionen der Pädagoginnen ab. Im Alltag wurden sie bis jetzt nicht mit offenen Diskriminierungen konfrontiert, da sie schon sehr gezielt darauf achten wo sie sich outen und wo nicht. Im Spital wurde Theresa meist als Monikas Schwester angesehen. Sie versuchten die Sache zwar aufzuklären, aber richtig verstanden wurden sie trotzdem nicht. Nach der Geburt ging Monate in Karenz, wie es bei alleinerziehenden Müttern auch funktioniert. Theresa konnte nicht in Karenz gehen. 80 Theresa: Nein, das geht nicht. Du kannst es dir nur teilen mit ... wenn du ... als Vater, dann kannst du diese drei Monate oder so dranhängen. So als Frau kannst du´s nicht machen. Die Familien der beiden Frauen reagierten sehr offen und positiv auf die Mitteilung Großeltern zu werden. Es wurde nur am Anfang nachgefragt, wie es denn zu der Schwangerschaft gekommen sei. Auch in der Arbeit hatte Theresa bis jetzt keine Probleme als Teil einer Regenbogenfamilie. Sie könnte sich auch ohne Probleme Pflegeurlaub nehmen, da ihr Chef sehr tolerant ist. Monika war an ihrem letzten Arbeitsplatz nicht geoutet, da sie Angst vor Diskriminierungen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung hatte. Nach der Karenz suchte sie einen neuen Job und outete sich hier schon beim Vorstellungsgespräch. Clara wächst bei ihren beiden Müttern auf, Kontakt zum Spender gibt es im Moment nicht. Monika und Theresa verfügen über Emailadressen, mit denen sie mit dem Spender Kontakt aufnehmen können. Sie möchten, dass ihre Tochter später einmal bei Bedarf die Möglichkeit hat ihren biologischen Vater kennen zu lernen. Im Moment gibt es allerdings keinen Kontakt zwischen ihnen. Sie wollen, dass sich Clara später einmal selbst aussuchen kann, wem sie wie etwas über ihre Herkunft erzählt. Jetzt erzählt sie allen einfach frei raus, dass sie zwei Mütter hat. Monika: Weil für sie gibts nichts anderes, für sie ist das die Welt. Das sind die Eltern und aus. Sie akzeptiert ja auch, dass die anderen Mama und Papa haben. . Vom Gesetz her wird Monika allerdings als Alleinerziehende betrachtet, Theresa hat kaum Rechte ihrer Tochter gegenüber. Sollte Clara einmal auf der Intensivstation landen, dürfte Theresa sie rein rechtlich nicht besuchen, da sie nicht mit ihr verwandt ist. Die beiden Frauen denken jetzt darüber nach eine notarielle Verfügung für solche Fälle zu beantragen, allerdings ist dies damit auch nicht hundertprozentig sicher. Theresa: Für den Staat wäre es besser, wenn wir heiraten dürften So ist klar sie müssen mehr zahlen weil sie alleinerziehend ist. Also uns kommts was das Geld betrifft. Aber ich würde gern drauf verzichten, wenns gehen würde. Wenn Monika irgendwas passiert, könnte das bedeuten, dass Clara zu jemand anderen kommt, obwohl sie bei mir schon jahrelang lebt. Die Eingetragene Partnerschaft in Österreich stellt für die beiden keine Option dar, da Theresa dadurch auch nicht mehr Rechte für ihr gemeinsames Kind bekommen würde. Theresa: So wie es jetzt aussieht brauch ich das nicht. Weil wenn ich die Obsorge erkämpfen würde, wäre ja das sogar hinderlich, weil da ja tatsächlich drinnen steht, dass es nicht möglich ist. Also wenn da drin steht, ich kann meine Kleine dann adoptieren, heirate ich soweit. Also das ist für mich der größte, wichtigste Punkt. 81 In Wien gibt es für gleichgeschlechtliche Paare im Moment nur die Möglichkeit gemeinsam ein Pflegekind aufzunehmen. Adoption, Stiefkindadoption und die Nutzung medizinisch unterstützter Fortpflanzungsmethoden sind verboten. Theresa meinte hierzu „Da dürfen wir, aber auch nur die schwierigen Fälle. Aber meine Kleine darf ich nicht adoptieren.“ Sie würden sich vom Staat eine Gleichstellung mit der Ehe, das Adoptionsrecht aber auch die Öffnung der Samendatenbank wünschen. Theresa: Weil so ist es natürlich sehr sehr schwierig. Entweder du gehst ins Ausland oder machst es illegal. (räuspert sich) Sich als Frau Gefahren aussetzen, was Aids usw. angeht. Aber es (grinst) bleibt dir einfach gar nix anderes übrig. Und es ist natürlich auch die Gefahr und das passiert jetzt, dass ein Mann für mehrere Paare Samen spendet und unterschiedliche Kinder hat. Und wenn du Pech hast, kennst du die nicht und das ist natürlich auch nicht super. Für die Umsetzung ihres Kinderwunsches mussten sie gewisse Risiken eingehen, da es in Österreich bis jetzt keine sicheren Möglichkeiten für Frauenpaare, die ein Kind bekommen wollen, gibt. Damit sich etwas an der Situation für Regenbogenfamilien ändert und verbessert, müssten diese für Monika präsenter in den Medien werden, „sodass es irgendwann in Normalität übergeht.“ Einige Veränderungen sind für sie jedoch bereits jetzt zu erkennen. So entscheiden sich ihrer Meinung nach immer mehr gleichgeschlechtliche Paare, vor allem Frauenpaare, in einer bestehenden gleichgeschlechtlichen Beziehung ein Kind zu bekommen. Theresa: Ich finde es hat sich stark vermehrt in letzter Zeit. Vielleicht fällt es mir nur besonders auf, aber rund herum überlegen sich die lesbischen Frauen Kinder zu kriegen und kriegens auch. Also ein richtiger Boom sogar, ja. Also ich glaub, dass die Frauen mittlerweile vielleicht mutiger geworden sind. 2.2. Andrea und Stefanie96 Andrea ist Finns biologische Mutter, ihre Partnerin Stefanie ist Finns zweite Mutter. Sie sind seit knapp vier Jahren ein Paar. Andrea arbeitet als Journalistin und Stefanie ist als Bauingenieurin tätig. Der Kinderwunsch spielte gleich zu Beginn der Beziehung eine große Rolle, denn Andrea hörte ihre biologische Uhr bereits ticken. Beide Frauen waren sich sicher, einmal ein Kind haben zu wollen. 96 Interview mit Andrea und Stefanie 2011: Persönliches Interview am 9.8.2011. Sohn Finn 3 Jahre alt. Wien 82 Andrea: Ja, das war für mich schon immer klar. Also als Mädchen war für mich immer klar, ich hab mal eine Familie. Nach meinem Coming-Out, hab ich das Thema erst mal eine Zeit lang ad acta gelegt. Wer weiß vielleicht gibt sich das wieder mit den Frauen? (grinst) Irgendwann kam schon die Zeit, wo ich ein bisschen resigniert hab, und gesagt hab, ok, dann ist das für mich vielleicht doch abgehackt, dann muss ich was anderes finden im Leben. Für Andrea war es ein langer Prozess bis sie akzeptieren konnte, dass sie auch mit einer Frau zusammen ein Kind haben kann und sie sich als Lesbe nicht zwangsläufig von ihrem Kinderwunsch verabschieden muss. Schwangerschaft, Kinder und Familie beruhen nach wie vor auf heteronormativen Vorstellungen. Heterosexualität als Norm ist allgegenwärtig und lässt sich in Institutionen, aber auch in den Subjekten selbst wieder finden lässt. Auch für Andrea war es lange undenkbar, ohne einen Mann mit einer Frau gemeinsam ein Kind zu bekommen und aufzuziehen. Andrea: Für mich war ein Kind bekommen eigentlich eine romantische Angelegenheit. Nicht weil ich jetzt unbedingt Mama sein möchte, sondern weil ich mich mit dem Menschen, den ich liebe, gern vereinen möchte um Leben zu schaffen. Ich musste mich erst von der Idee lösen, dass das nur mit einem Mann geht. Es kann auch was Schönes und Romantisches sein, ein gemeinsames Projekt, wenn man gemeinsam mit der Frau die man liebt ein Kind bekommt. Erst mit Stefanie an ihrer Seite wurde der Kinderwunsch wieder sehr präsent und zentral. Für Andrea war klar, dass sie eine Schwangerschaft sehr gerne am eigenen Leib erfahren möchte. Auch Stefanie wollte immer schon Kinder haben, allerdings sah ihre Vorstellung davon etwas anders aus. Stefanie: Ich war mir immer sicher, dass ich mal Kinder in meinem Leben haben werde, dass ich Kinder haben will. Ich hatte nie den Wunsch eins auszutragen. Ich hab mir das eigentlich immer so vorgestellt: Ich lern irgendwann mal eine Frau kennen, die ist wahrscheinlich geschieden und bringt drei Kinder mit, drei verzogene kleine Bengel. Bei Andrea und Stefanie bedurfte es keiner langer Phase des Überlegens oder Überzeugens, sondern für beide Frauen war schnell klar, dass sie es gemeinsam wagen wollten, ein Kind zu zeugen und groß zu ziehen. Andrea fragte ihre Partnerin schon zu Beginn der Beziehung, was sie denn von einem gemeinsamen Kind halten würde. Stefanie war sofort sehr angetan und somit war die Sache so gut wie entschieden. Zuerst versuchten sie einen Samenspender aus dem privaten Umfeld zu finden, sie dachten sogar darüber nach einen von Stefanies Brüdern als Samenspender für ihr gemeinsames Kind zu verwenden. Andrea: Kurz einmal haben wir an einen ihrer Brüder gedacht. Ob der vielleicht? ... Mit dem hatte sie sogar mal so ein Abkommen getroffen, dass er mal einspringen würde, als Samenspender, wenn sie mal ein Kind mit ihrer Freundin haben möchte. 83 Stefanies Bruder hätte sich schließlich tatsächlich als Samenspender zur Verfügung gestellt, doch schlussendlich entschieden sie sich dann doch gegen diese Variante. Stefanie: Aber dann war das mir plötzlich zu heiß eigentlich, ich hab mir dann vorgestellt so Weihnachtsabend mein Bruder und die Andrea sitzen so zufällig nebeneinander und schauen den Kleinen an und ich sitz irgendwie daneben mit meinem Bier oder Rotwein und denk mir , na super (beide grinsen) und irgendwie, das war mir dann irgendwie überhaupt nicht recht. Die Idee erwies sich bei genauerer Betrachtung doch nicht als so gut wie sie anfangs gedacht hätten. Es wäre unklar gewesen, welche Rolle der Bruder schließlich wirklich übernehmen sollte, er wäre Onkel, aber zugleich auch der biologische Erzeuger des Kindes gewesen. Andrea: Anfangs fand ich die Idee total romantisch und super, ja. Ich mein, das ist dann noch dazu das Blut von ihr, dass sich dann irgendwie mischt. Und die schauen sich sogar noch ähnlich die beiden. Aber wenn man sich das genau durchdenkt und sich ein bisschen hinein versetzt in die Situation ist es komisch. Sie wollten kein eventuelles Konfliktpotential in die Familie hineinbringen. Aus diesem Grund entschieden sie sich schließlich doch für einen Samenspender der nichts mit ihnen zu tun hatte. Sie suchten via Internetforen nach einem Samenspender, der keinen Wunsch hegte eine aktive Vaterrolle nach der Geburt einzunehmen, der aber bereit wäre, dem zukünftigen Kind bei Bedarf für Auskunft und Informationen zur Verfügung zu stehen. Andrea und Stefanie fanden schnell einen potentiellen Samenspender bei dem sie ein gutes Bauchgefühl hatten. Andrea: Man muss natürlich ein bisschen Grundvertrauen haben, in das Gute im Menschen. Weil natürlich wäre es ein Leichtes gewesen, wenn er ein Verrückter wäre, der da den Wunsch hat, alle Menschen anzustecken mit HIV oder sonst irgendwas. Er hat uns zwar ein Gesundheitszeugnis gezeigt, aber so was kann man leicht frisieren. Aber wir haben ein gutes Gefühl bei ihm gehabt, es gewagt und es ist gut gegangen. Sie wendeten die Bechermethode an, um eine Schwangerschaft zu erzielen. Es dauerte dann auch nicht lange bis Andrea tatsächlich schwanger war. Im Dezember kamen sie zusammen, im Februar beschlossen sie ein Kind zu bekommen und im Mai war Andrea bereits schwanger. Sie bestimmten den genauen Zeitpunkt des Eisprungs, riefen ihren Spender an und der brachte ihnen frisches Sperma für die Selbstinsemination in die Wohnung. Andrea: Es hat dann sehr schnell geklappt, der erste Versuch und ich war schwanger. Natürlich habe ich zu dem Zeitpunkt meinen Zyklus genau gekannt. Ich war vorher schon bei der Frauenärztin, die mir gesagt hat, dass alles in Ordnung ist,dass vom Körper her nichts dagegen spricht, schwanger zu werden. Und das hat dann wirklich gleich geklappt. 84 Andreas und Stefanies Eltern waren anfangs etwas irritiert, dann aber schnell überwältigt und glücklich doch noch ein Enkelkind zu bekommen. Andrea: Zuerst mussten sie natürlich etwas verdauen, als sie erfahren haben wie wir es gemacht haben. Also dieser fremde Mann, den wir da quasi als Zeuger gefunden haben. Die mussten das erst verarbeiten, dass das auch so geht. Ich mein, die wussten nicht dass es die Bechermethode überhaupt gibt, dass es so möglich ist schwanger zu werden. Mittlerweile sind sie glückliche Großeltern und fragen nicht mehr nach dem biologischen Erzeuger. Andrea: Ich glaub, es ist auch für unsere Eltern mehr als normal geworden, dass das unser Kind ist, dass wir das sind, dass wir die Familie sind. Dass irgendwie vergessen wird, dass es da irgendwie auch noch einen Erzeuger geben muss. Das ist einfach vergessen worden. Doch nicht überall wurden sie gleich gut als werdende Regenbogenfamilie aufgenommen. Im Geburtsvorbereitungskurs wurde von der Vortragenen immer nur von Vater und Mutter gesprochen. Stefanie fühlte sich in ihrer Rolle als zweite Mutter nicht ausreichend wahrgenommen. Stefanie: Dann ist da so ein Physiotherapeut gekommen und den hab ich dann auch drauf aufmerksam gemacht. Ab dem Zeitpunkt, wo ich ihn gebeten habe, er soll das Wort Vater durch Partner ersetzen, hat er das gemacht. Das war überhaupt kein Problem. Und die anderen, glaub ich, haben das auch alle ganz witzig gefunden. Im Spital hingegen funktionierte alles tadellos. Andrea hatte zuvor schon gezielt eine lesbische Frauenärztin gesucht, die sie bis zur Geburt hin unterstützte und sogar im OP mit dabei war. Andrea: Im Krankenhaus war das null Problem. Es war dann leider ein Notkaiserschnitt, aber es war dann ganz klar, dass Steffi bei mir ist im OP und auch ganz klar, dass sie den Kleinen als Erste bekommt. Stefanies Chef gab ihr die zwei Tage nach der Geburt frei. Diese gesetzliche Regelung gilt eigentlich nur für Heteropaare, es lag also im Ermessen ihres Chefs ihr trotzdem frei zu geben. Andrea ging dann ganz normal ein Jahr in Karenz, bevor sie wieder Teilzeit zu arbeiten begann. Für Stefanie gab es keine Möglichkeit im Anschluss auch in Karenz zu gehen. Das einzige was ihr zusteht, ist Pflegeurlaub zu nehmen. Dies können jedoch alle machen, die auf der gleichen Adresse gemeldet sind. 85 Ihr Sohn Finn geht mittlerweile in den Kindergarten und die Leiterin weiß, dass Finn zwei Mütter hat. Die meisten Eltern wissen es bis jetzt aber noch nicht. Andrea plant mit den Pädagog_innen zu sprechen, damit diese auch auf das Thema kindgerecht eingehen können. Andrea: Ich hoff, dass es so bleibt. Ich wünsch vor allem dem Finn, dass dort wo wir dann nicht mehr dabei sind, im Kindergarten oder in der Schule, wo er auf sich allein gestellt ist,, dass er da auch keine schlimmen Erfahrungen macht dann. Als Lesbe oder Frauenpaar mit Kind ist man ständig mit fragenden Blicken konfrontiert, sei es am Spielplatz, beim Einkaufen oder sonst wo. Andrea: Also du musst dich einfach immer wieder outen und sagen und einfach du musst ... für dich, also für mich muss es normal werden. So normal, dass ich es schaff ohne darüber nachzudenken. Ja, und wenn ich es dann nicht schaff, ärger ich mich total darüber, weil ich weiß ich müsste. Und es ist schon anstrengend was das betrifft, das ständige Outen. Dieses „Outing“ ist stets mit vielen Erklärungen verbunden und jegliche vorherigen Gesprächsthemen erscheinen uninteressant. Es dreht sich alles nur noch um die eine Frage. Stefanie: Und es ist ja immer die gleiche Frage (flüsternd) ,Und ähm ich mein ... darf ich das fragen, wie habt ihr denn das gemacht? Zum Beispiel ... Irgendwie so einmal, darf ich das eh? - Geht das eh nicht zu weit? und dann die Frage ,wie habt ihr das denn gemacht? Bis jetzt wussten sie aber noch keine wirklich negativen Erfahrungen als Regenbogenfamilie machen. Stefanie musste bereits einige Male mit dem Kleinen ins Krankenhaus fahren und dort gab es nie ein Problem. Allerdings standen noch keine lebenswichtigen Entscheidungen an und Finn war noch nie auf der Intensivstation. In diesem Fall könnte Stefanie der Zugang zu ihrem Kind verweigert werden. Sie bräuchte eine notariell beglaubigte Vollmacht um ihren Sohn auf der Intensivstation besuchen zu können. Finn nennt Andrea Mama und Stefanie wird von ihm beim Vornamen gerufen. Für Außenstehende ist es somit leichter zu erkennen, dass Stefanie nicht die biologische Mutter des kleinen Finn ist. Dennoch sehen beide als gleichwertige Mütter. Die beiden Frauen haben zumindest etwas Kontakt mit ihrem Samenspender, auch wenn es keine regelmäßigen Treffen und Austausch gibt. Zum Geburtstag oder zu Weihnachten werden Glückwünsche und Fotos per Mail verschickt. Der Spender steht auch immer wieder zu gesundheitlichen Fragen und seinen Allergien Rede und Antwort. In den nächsten Monaten ist ein persönliches Treffen mit ihm geplant, um nochmals genaue Vereinbarungen über eine mögliche Kontaktaufnahme des Kindes mit seinem Erzeuger zu treffen. Das Gespräch soll allerdings nur unter den 86 Erwachsenen stattfinden; Finn wird nicht anwesend sein. Es geht darum gemeinsam zu überlegen, wann eine Kontaktaufnahme oder ein Treffen zwischen Spender und Kind am sinnvollsten wäre. Finn soll später die Möglichkeit haben seinen Samenspender kennen zu lernen und Fragen zu stellen. Bis es aber soweit ist, ist es notwendig notarielle Vereinbarungen zu treffen, da Finn seinen Erzeuger jederzeit auf Alimente verklagen und diese auch rückwirkend einforden könnte. Durch eine Stiefkindadoption müsste der Samenspender keine Angst davor haben, seinen Sohn einmal kennenzulernen. Bei einer Stiefkindadoption würde er seine offiziellen Vaterrechte, aber auch die Pflichten abtreten. Wie und wann ein möglicher Kontakt zwischen Samenspender und Finn einmal stattfinden kann ist bis jetzt noch nicht unklar. Stefanie: Was die beiden dann auch immer aus dem Kontakt machen, wird sich zeigen, ob sie das dann intensivieren wollen oder ob es reicht, dass sie sich einmal gesehen haben und geredet haben und das können wir dann eh nicht beeinflussen. Die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft in Österreich ist für Andrea und Stefanie sinnlos, da die Kinderfrage darin nicht geregelt ist. Vielmehr steht darin sogar geschrieben, dass es keine Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare auf gemeinsame Kinder gibt. Andrea: Ja es steht nämlich explizit drinnen, dass der Partnerin, der nicht leiblichen Mutter, es verboten ist, das Kind der Partnerin zu adoptieren. Das heißt, wenn wir uns nicht eintragen lassen, ist das einfach Graubereich, wenn wir uns eintragen lassen, ist es verboten. Also ist es eigentlich ein Rückschritt. Insofern ist es für Paare mit Kind absolut abzuraten sich eintragen zu lassen, solange das so drinnen steht. Vom Gesetz her wird Andrea als Alleinerzieherin angesehen, obwohl Finn zwei Mütter hat. Zwischen Stefanie und Finn gibt es kein rechtliches Verwandtschaftsverhältnis. Von Seiten des Staates werden sie nicht als Familie betrachtet, in einigen anderen Bereichen funktioniert dies jedoch bereits sehr wohl. Andrea: Ich mein, es ist eh nur das Rechtliche. Weil alles andere, sogar die ÖBB gibt uns eine Family-Card, Versicherungen sehen uns als Familie an, da alles die Wirtschaft usw., hat uns ja schon realisiert und erkennt uns an. Und wirklich überhaupt kein Thema, es ist ja wirklich nur das Gesetz, die Politik, die sich ändern muss. Aus diesem Grund versuchen sie nun die gemeinsame Obsorge einzufordern. Diese kommt einer Stiefkindadoption gleich und Stefanie hätte dann die gleichen Elternrechte wie Andrea. Ihr Hauptwunsch wäre jedoch, dass sich Österreich an Ländern wie Norwegen oder Spanien ein Beispiel nehmen würde und die Elternschaftsvermutung einführen würde. Hierdurch erhält die zweite Mutter bereits mit der Geburt des Kindes sämtliche Elternrechte ohne den 87 Umweg einer oft langwierigen Stiefkindadoption gehen zu müssen. Stefanie: Und vor allem ist es ja gar nicht einzusehen warum wir da was dafür zahlen müssen, dass wir gemeinsam für den Finn sorgen können. Ich mein da fallen ja Kosten an. Natürlich zahlt mans eh gern, aber grundsätzlich ist es nicht ok, dass man dafür zahlen muss, dass man für unser gemeinsames Kind, gemeinsam Obsorge kriegt. Andrea hätte gerne noch ein weiteres Kind, allerdings fühlt sie sich, unter anderem auch auf Grund ihres Alters, gesundheitlich nicht mehr im Stande ein zweites Kind zu bekommen. Andrea: Ich glaub, es wär zu belastend. Dadurch dass ich jetzt auch nicht mit 45 erst noch ein Kind bekommen möchte, müsst das jetzt sein, demnächst. Ich müsst jetzt dann bald wieder schwanger werden, damit es nicht zu spät wird, ja. Und jetzt mag ich einfach nicht schwanger werden. Wär mir zuviel. Deshalb... und sie will nicht.(lacht) Sie sind sehr zufrieden mit der jetzigen Situation zu dritt und achten auch so darauf, dass der Kleine ohne Geschwisterchen genug Kontakt mit gleichaltrigen Kindern hat. Regenbogenfamilien sind laut Andrea in den letzten Jahren immer präsenter geworden und immer mehr Kinder werden in bestehende gleichgeschlechtliche Partnerschaften hineingeboren. Andrea: Ich glaub, das wird jetzt sogar noch mehr werden. Wahrscheinlich auch weil die Frauen immer selbstsicherer sind und einfach zum Kinderwunsch stehen und das auch durchziehen. Weil sie vielleicht nicht mehr so kämpfen müssen für Akzeptanz in der Gesellschaft als lesbische Frauen Allerdings würde es natürlich sehr viel helfen, dass Recht auf seiner Seite zu haben. Somit könnten Regenbogenfamilien noch selbstbewusster an die Öffentlichkeit treten. Andrea: Falls irgendwo jemand mal blöd was sagen sollte, könnte man sagen: „Hallo. Und wo lebst du? - Regenbogenfamilien sind sogar gesetzlich anerkannt!" Es gibt eben nochmal ein bisschen Selbstvertrauen mit und das ist schon etwas was wir sicher gebrauchen können, weil wir es nicht so einfach haben wie heterosexuelle Familien. 2.3. Gudrun und Milla97 Gudrun, 38 und Milla, 43 sind seit 1995 ein Paar. Milla arbeitet im Projektmanagement und Gudrun ist als Buchhalterin tätig. Anfangs hatten sie zwei Katzen, ein Kinderwunsch stellte sich erst nach etwa zwölf Jahren ein. Erst als Gudrun älter wurde, kam in ihr der Wunsch auf noch selbst Mutter werden zu wollen. 97 Interview mit Andrea und Stefanie 2011: Persönliches Interview am 9.8.2011. Sohn Finn 3 Jahre alt. Wien 88 Gudrun: Ich war 33 und hab mir gedacht, wenn dann bald und dann hat es halt gepasst und dann haben wir Glück gehabt, dass wir dann auch gleich schwanger geworden sind mit dem ersten Versuch. Aber es ist natürlich eine sehr starke Diskriminierung, dass das [künstliche Befruchtung für Frauenpaare] da in Österreich nicht geht. Aufgrund Millas finnischer Abstammung, entschieden sie sich für eine künstliche Befruchtung in einer Samenbank in Finnland. Finnische Samenbanken stehen allen Frauen mit Kinderwunsch offen, auch ausländischen. Milla: Wir haben so zwei, drei Jahre vorher schon daran gedacht und ich hab dann Kontakt aufgenommen als ich in Finnland war. Es war ein angenehmer Besuch, freundlich und unkompliziert. Und es war eindeutig klar für sie dort, dass auch ein Pärchen so wie wir, einen legitimen Kinderwunsch haben kann. Sie mussten gesundheitliche Untersuchungen machen und ein psychologisches Gutachten mitbringen. Die beiden nutzen die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Reproduktionstourismus und planten den gemeinsamen Urlaub extra so, dass sie am Tag des Eisprungs zur Samenbank fahren konnten. Eine künstliche Befruchtung kostet in Finnland zwischen 600 und 1500 Euro. Zum Glück wurde Gudrun gleich beim ersten Versuch schwanger, sonst hätte das Ganze richtig teuer werden können. Gudrun und Milla bilden hier eine Ausnahme, sie entschieden sich bewusst gegen eine Selbstinsemination und somit einen bekannten Spender. Sie wählten als einziges der von mir interviewten Paare die Variante einer ausländischen Samenbank. Der Spender konnte bestimmen an wen sein Sperma gehen sollte. Er konnte zwischen alleinstehenden Frauen, sowie zwischen einem lesbischen oder einem heterosexuellen Paar wählen. In der Samenbank angelangt, konnten Gudrun und Milla dann nicht aus mehreren Spendern wählen, sondern es gab nur einen, der für sie in Frage kam. Den nahmen sie auch und Gudrun wurde gleich nach dem ersten Versuch schwanger. In Finnland gab es zu der Zeit nur die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung durch einen anonymen Spender, ihr Kind hat somit keine Chance jemals etwas über seinen Erzeuger heraus zu finden. Dies war aber von Gudrun und Milla von Anfang an auch so beabsichtigt. Gudrun meinte hierzu: „Weil ich glaub zwei sind genug in einer Beziehung, was braucht man da einen Dritten?“ Gudrun: Außerdem wollten wir das auf legalem Weg machen. Für uns wär es nicht in Frage gekommen, einfach irgendeinen Mann zu suchen. Also entweder man macht man es "unter der Hand" oder du suchst dir irgendjemand aus. Das sind beides nicht Varianten gewesen, die für uns in Frage gekommen wären. Gudrun informierte zuvor ihre Ärztin darüber, dass sie gerne durch künstliche Befruchtung in einer Samenbank schwanger werden möchte. Die Ärztin stand dem Paar dann während dieses 89 ganzes Prozesses bis hin zur Geburt stets hilfreich zur Seite. Gudruns und Millas Eltern waren begeistert und sehr glücklich darüber Großeltern zu werden. Millas Mutter sieht in Aki ihren hundertprozentigen Enkelsohn, obwohl Gudrun, das Kind zur Welt brachte. Der Kleine wird nun von seinen Großeltern ziemlich verwöhnt. Milla wird von Gudruns Eltern nicht anders als deren Schwiegersöhne behandelt. Sie werden als gemeinsame Familie mit Kind betrachtet. Gudrun: Also ich glaub das Schwierige an lesbischen Beziehungen ist das Outing, Kinder sind nie ein Problem. Kinder machen immer Freude. Wenn du einmal das Outing durch hast und die einmal dein Leben akzeptiert haben, sind Kinder wahrscheinlich dann eher so ein bisschen wieder eine Erleichterung, so ein bisschen normal. Im Krankenhaus gab es keine Probleme und Milla durfte selbstverständlich mit in den Kreißsaal kommen um die ganzen 17 Stunden live dabei zu sein. Milla: Ja, ich bin auch mitgegangen zu Ultraschalluntersuchungen und solchen Dingen. Das ist für mich sehr wichtig gewesen. Und man freut sich auf die Dinge, die man zuerst nicht spürt, selber von außerhalb, aber dann irgendwann spürt man sie auch konkret mit den kleinen Tritten und Boxen und so weiter. Die ersten Schwierigkeiten und Benachteiligungen erlebten sie nach der Geburt als es um finanzielle Angelegenheiten und um Karenz ging. Gudrun ging nach der Geburt als biologische Mutter ganz normal in Karenz. Milla: Und dann hat Milla angesucht um Kinderbetreuungsgeld und das war dann ein bisschen eine mühsame Geschichte. Weil zuerst haben sie zurück geschrieben, sie muss die Vaterschaft nachweisen. Natürlich konnte Milla keine Vaterschaft nachweisen, so wurde ihr Antrag auch abgelehnt. Sie bekam von ihrem Chef die zwei Tage Urlaub nach der Geburt des Kindes, konnte allerdings im Anschluss nicht auch in Karenz gehen. Schließlich kamen sie zu dem Schluss, dass Milla die Obsorge über Aki braucht um mehr Rechte zu haben. Gudrun: Lästig war natürlich das mit den Krankenkassen und mit dem Ministerium. Ich mein, da sitzen wirklich Leute, die halten dir den Stinkefinger ins Gesicht. Also die hat dann schon gesagt, Na, wo kämen wir denn da hin. Und die Omas können auch nicht in Karenz gehen. Nach über einem Jahr schafften sie es auf gerichtlichem Weg schließlich tatsächlich die gemeinsame Obsorge zu erstreiten. Milla bekam sogar rückwirkend das Karenzgeld. Da der Rechtsstreit allerdings zu lange dauerte, konnte sie nicht mehr in Karenz gehen und daheim beim Kind bleiben. Gudrun versuchte dann den Alleinverdienerabsatzbetrag geltend zu machen, der wurde ihr aber gestrichen, da sie ja in einer Beziehung lebt, „Also der österreichische Gesetzgeber diskriminiert wo er kann.“ Sie sind bis jetzt das einzige 90 gleichgeschlechtliche Paar in Österreich, dem es gelungen ist die gemeinsame Obsorge für ihr Kind zu erlangen. Andere Paare versuchen nun diesem Beispiel zu folgen, bis jetzt allerdings erfolglos.98 Da es in Österreich keine gesetzliche Richtlinie gibt, wie in solchen Fällen zu entscheiden ist, ist es eine Richter_innenentscheidung, die aber im Anschluss nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Gudrun und Milla könnten nur durch das Jugendamt die gemeinsame Obsorge nochmal verlieren, dies ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Im Alltag sahen sie sich bis jetzt noch nicht mit offenen Diskriminierungen konfrontiert. Gudrun: Im täglichen Umgang sind die Leute eh nett und zuvorkommend. Und ich mein, man sucht sich ja, schon Leute aus, mit denen man kann. Wir haben von unserem kleinen Mikrokosmos noch nie was Negatives erlebt.Also Diskriminierung ganz stark durch den Gesetzgeber und eigentlich im normalen Leben nicht. Mit städtischen Kindergärten konnten die beiden Frauen nicht viel anfangen, sie suchten sich einen elternverwalteten Kinderverein. Aki gefällt es bis jetzt sehr gut in der Kindergruppe, er fühlte sich vom ersten Schnupperbesuch an pudelwohl dort. Gudrun fragte ihren Sohn wie er die Situation im Kindergarten erleben würde: „Du, sagen die Kinder was, weil du zwei Mamas hast? Nein? Ist ihnen das wurscht?“ Anfangs wurde schon nachgefragt, aber eher von den Eltern und weniger von den Kindern selbst. Deshalb nahmen Gudrun und Milla anfangs stets ein bestimmtes Buch mit in den Kindergarten.99 In dem Buch wird kindgerecht erklärt, wie zwei Frauen zu einem Kind durch Insemination kommen können. Dieses Buch wurde im Kindergarten dann oft gelesen und auch die Eltern konnten es sich ansehen. Ich konnte mir dann gemeinsam mit Gudrun und Aki ebenfalls dieses Buch ansehen. Es beschreibt den Prozess der künstlichen Befruchtung auf kindgerechte Art und Weise und Aki weiß genau über seine Entstehungsgeschichte Bescheid. Er weiß, wie eine künstliche Befruchtung in einer Samenbank funktioniert. Seine beiden Mütter klärten ihn schon früh auf und machten nie einen Hehl daraus, wie Aki gezeugt wurde. Immer wenn neue Kinder und Eltern dazukommen, wird dieses Buch wieder mitgenommen um neugierige Fragen klären zu können. Für die Kinder selbst war es bis jetzt kein großes Thema, dass Aki zwei Mütter und keinen Vater hat. Bisher gab es laut Gudrun und Milla keine negativen Erfahrungen im Kindergarten, da Aki ein „dominanter Kerl“ sei, der sich schon durchzusetzen wisse. Bei Milla und Gudrun gibt es eine Mama und eine Äiti, Äiti ist ein finnischer Ausdruck für Mama. Milla spricht Finnisch mit dem Kleinen, sodass dieser zweisprachig aufwächst. Sie 98 Siehe zum Beispiel: http://kurier.at/nachrichten/wien/4484431-ogh-urteil-zwei-mamas-nur-einsorgerecht.php 99 Thorn, Petra 2011: „Die Geschichte unserer Familie – Ein Bilderbuch für lesbische Familien mit Wunschkindern durch Samenspende“ 91 hätten gerne noch ein zweites Kind, allerdings ist dies natürlich auch eine Frage des Geldes. Heterosexuelle Paare bekommen staatliche Zuschüsse für künstliche Befruchtungen, sie müssten dafür wieder extra ins Ausland reisen. Gudrun: Und jetzt merken wir natürlich schon, ich kann nicht immer nach Finnland fahren. Und ich mein, da haben wir Glück gehabt und es hat gleich funktioniert, wenn es nicht gleich funktioniert ... das geht einfach nicht, viel zu teuer. Aus diesem Grund absolvieren sie im Moment einen Pflegeelternkurs. Nach dem Kurs entscheiden sie, ob sie ein Pflegekind aufnehmen oder es doch nochmal mit einem eigenen Kind versuchen wollen. Bei einem Pflegekind wären beide sofort obsorgeberechtigt, dieses müsste auf jeden Fall jünger als Aki sein. Einige ihrer Bekannten nahmen diese Möglichkeit bereits in Anspruch. Aki ist das einzige Kind meiner interviewten Paare, das nie die Möglichkeit haben wird, seinen Erzeuger kennenzulernen, da es sich um eine anonyme Samenspende in einer Samenbank handelte. Für Gudrun und Milla stellt die Eingetragene Partnerschaft keine Option dar, da Regenbogenfamilien und Familiengründung von gleichgeschlechtlichen Paaren in diesem Gesetz völlig ignoriert wurden. Milla: Ja, es ist halt stark diskriminierend. Es kriminalisiert Frauen. Für Frauen die jetzt da nicht einen Mann parat haben, gibt es keine sichere, risikofreie Art einen Kinderwunsch umzusetzen. Und das ist sehr sehr schlimm. Es lässt dir keine andere Wahl als in die Illegalität zu gehen. In einer Eingetragenen Partnerschaft hätten sie nicht einmal den Antrag auf gemeinsame Obsorge stellen dürfen, da dies Eingetragenen Partner_innen gesetzlich verboten ist. Gleichgeschlechtliche Paare ohne Eingetragene Partnerschaft haben zumindest die Möglichkeit einen Antrag auf gemeinsame Obsorge zu stellen. Gudrun und Milla würden die Öffnung der Ehe stark begrüßen oder zumindest eine gleichwertige Alternative und eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare auf allen Ebenen. Da sie aber wissen, dass es wohl noch einige Zeit dauern wird bis dies in Österreich der Fall sein wird, werden sie sich selbst weiterhin für Gleichberechtigung engagieren und für mehr Rechte kämpfen. Gudrun: Da werden wir noch weiter bekämpfen. Wir werden das sicher weiter betreiben. Jetzt sind wir einmal froh, dass wir die Obsorge bekommen haben und nächstes Jahr gehts dann um die Adoption. 92 2.4. Jennifer und Sabine100 Jennifer und Sabine sind seit über sieben Jahren ein Paar. Sie ließen sich genug Zeit um über die Pro und Kontras eines gemeinsamen Kindes nachzudenken. Sabine arbeitet bei einem privaten Sicherheitsdienst und Jennifer ist Pädagogin, derzeit in Karenz. Für Jennifer war der Wunsch nach einem Kind schon am Anfang der Beziehung sehr präsent, Sabine wusste anfangs nicht so recht wie sie mit dieser Thematik umgehen sollte. Jennifer: Ich glaub ich hab sie schon in der ersten Woche gefragt "Und willst du mal ...?" Da hat sie sich noch ganz positiv dazu geäußert. Das hat sich dann ein bisschen gewandelt, später dann wars mehr so, Naja ich weiß nicht, und eher nein. Eine negative Entscheidung Sabines hätte allerdings wohl früher oder später zur Trennung der beiden geführt. Sabine konnte sich aber schließlich doch vorstellen mit Jennifer gemeinsam ein Kind zu bekommen, und auch die Rollenverteilung war dann rasch geklärt. Sabine: Also mein Kinderwunsch selber Kinder zu kriegen, ist eben nicht so stark und war auch seiner Zeit nicht so stark ausgeprägt und ich mag dann eher so die Co-Mutter oder Paparolle übernehmen. Also ich wär nur eingesprungen, wenns aus medizinischen Gründen bei Jennifer nicht funktioniert hätte. Nachdem einmal die Entscheidung für ein gemeinsames Kind getroffen wurde, trafen sie sich mit anderen gleichgeschlechtlichen Paaren und Regenbogenfamilien um über ihre Optionen bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches zu sprechen. Sie wollten einen Samenspender suchen, der auch nach der Geburt des Kindes aktiv am Leben des Kindes teilnehmen sollte und wollte. Sie wollten einen Papa für ihr Kind haben, allerdings „nur“ einen Besuchspapa. Anfangs überlegten Jennifer und Sabine ob in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis eventuell ein passender Samenspender zu finden wäre. Schlussendlich entschieden sie sich aber doch für eine Suche im Internet. Jennifer und Sabine trafen verschiedene Männer, bevor sie sich für „ihren“ Samenspender entschieden. Sabine: Da war auch einer dabei der schon für mehrere Frauenpaare seine Gene gesponsert hat. Der sehr frei gesagt hat, er findet die rechtliche Situation ungerecht, und er würde gerne helfen. Wir wissen aber von mehreren Paaren, dass das der gleiche Papa ist. In den Internetforen trifft man immer wieder ein paar, wo man das Gefühl hat „ich schleuder mal meine Gene durch die Gegend“. Der war uns dann zu suspekt. Für Jennifer und Sabine war Sympathie das ausschlaggebende Kriterium bei der Entscheidung für ihren Samenspender. Jennifer wollte den Mann näher kennen lernen, „weil ich einfach 100 Interview mit Jennifer und Sabine 2011: Persönliches Interview am 23.8.2011. Tochter Carolina 2 Monate alt, Niederösterreich 93 wissen möchte, wie mein Gegenüber ist, also wen man sich da quasi als Dritten mit ins Boot holt.“ Sie trafen einige Männer, von denen der Großteil heterosexuell war und einer schon für mehrere Lesbenpaare als Samenspender fungiert hatte. Sie vertrauten bei der Auswahl auf ihr Bauchgefühl. Die Wahl fiel schließlich auf einen schwulen Mann, Mitte 40, der einen sympathischen ersten Eindruck machte und zudem auch noch gut aussah. Sabine: Man kann ja sehen, wie ein Mensch sich kleidet, wie er sich pflegt, wie seine Wohnung beinander ist, und was er so erzählt, dadurch schon so Charaktereigenschaften oder so seine Werte schon ein bisschen abschätzen und deswegen haben wir auch gesagt, bevor wir uns entscheiden ja oder nein, wollen wir auch seine Wohnung gesehen haben. Bei ihm hatten beide ein gutes Gefühl, sie trafen sich mehrmals und redeten über ihre Vorstellungen und gegenseitigen Erwartungen. Die wichtigsten Punkte dieser Diskussionen wurden schriftlich festgehalten. Sie sind zwar nicht rechtsgültig, haben aber dennoch mehr als nur einen symbolischen Charakter. Nach dem zweiten Versuch stellte sich eine Schwangerschaft ein. Jennifers Frauenarzt war von Anfang an eingeweiht und unterstützte die beiden so gut es ging. Eigentlich wollten sie eine Hausgeburt machen, doch dann kam alles anders. Bei Jennifer kam es vorzeitig zu Blutungen und zum Blasensprung, somit mussten sie in ein Krankenhaus mit Frühgeburtenstation. Die Kleine erblickte schließlich zwei Monate zu früh das Licht der Welt und musste mehrere Wochen zur Überwachung im Krankenhaus bleiben. Aus diesem Grund konnten sie auch nicht wie geplant bei der Regenbogenparade mitmarschieren. Im Krankenhaus gab es keine Probleme als Frauenpaar mit Kind. Sie wurden auch bei der Visite nie schief angeschaut, Sabine wurde von einer Krankenschwester sogar immer als Gattin angesprochen. Auch, dass sie in den „OP“ mitkam, war überhaupt kein Thema. Auch bei der Nachuntersuchung im AKH war der Kinderarzt nur anfangs etwas irritiert. Jennifer: Bei der Untersuchung im AKH zur Nachkontrolle für Frühchen, da hat doch der Arzt gefragt, Wer ist denn die Mama? und ich hab gesagt, Äh ich bin die Mama, aber eigentlich sind wir beide die Mamas ... und er hat gesagt, Hahaha das geht nicht Sabine: Mit so einem Grinser ja, aber total nett. Jennifer: Also eher auch so aus medizinischer Sicht halt. Sabine: Also da haben wir gesagt, Doch, doch das geht schon. Sabine bekam nach der Geburt ihrer Tochter zwei Tage Urlaub von ihrem Arbeitgeber, in Karenz gehen kann sie allerdings nicht. Sie könnten nun aber versuchen Karenzgeld zu beantragen, dieses würden sie vermutlich auch bekommen, allerdings muss der Arbeitgeber Sabine dann trotzdem keine Karenz geben. 94 Jennifers und Sabines Tochter Carolina bekommt mittlerweile ein bis zweimal in der Woche Besuch von ihrem Papa. Da die Kleine erst wenige Monate alt ist, muss sich erst zeigen wie sich das Ganze weiter entwickeln wird. Carolinas Papa Peter freut sich stets wenn er seine Tochter sehen kann. Er wollte immer Kinder haben und er ist mit der derzeitigen Situation voll und ganz zufrieden. Jennifer: Er hatte jetzt nicht so den Drang, ein Kind bei sich aufwachsen zu lassen, aber er hätte halt schon gerne eines und wär auch gern beteiligt so in dem Ausmaß, wie wir uns es uns vorstellen, als Besuchspapa, ohne negative Konnotationen. Wir gewinnen dadurch natürlich auch Freiheiten für die Beziehung wieder. Jennifer und Sabine entschieden sich dafür Peter auch namentlich als Vater in die Geburtsurkunde eintragen zu lassen. Sie trafen Vereinbarungen, dass das Kind im Todesfall Jennifers, selbstverständlich bei Sabine bleiben sollte. Falls beide Frauen sterben sollten, würde Peter das Kind gerne bei sich aufnehmen. Sollte dies aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein, würde das Kind zu Sabines Schwester kommen. Sabine: Also wir sind sehr sehr froh, dass wir ihn haben und er freut sich total, wenn wir ihm sagen ,Du, komm doch wieder. Bei den Erstgesprächen haben wir auch noch gesagt, Aber Weihnachten und Ostern so Familienfeste bist schon einmal bei uns, wenn´s passt. Und da hat er irrsinnig gestrahlt. Also wir haben auch andere getroffen, die am liebsten gleich eine große Wohngemeinschaft bilden wollten. Das ist nicht so unseres. Sie wollen jetzt einmal schauen und abwarten, wie das Familienleben mit einem Kind so funktioniert. Sie können sich aber sehr gut vorstellen, dass sie mit Peter zusammen auch noch ein zweites Kind bekommen möchten, auch wenn die rechtliche Situation in Österreich für Regenbogenfamilien absolut nicht einladend ist. Peters Mutter, die nicht weiß, dass er schwul ist, hatte anfangs so ihre Probleme damit, dass ihr Sohn ein Kind mit zwei Lesben hat. Nun sieht sie sich aber schon als Großmutter, zeigt Kinderfotos herum und möchte die Kleine baldigst auch persönlich kennenlernen. Sabine: Klar sie wächst bei uns auf, aber ich denke es ist einfach leichter für sie zu wissen wer der Papa ist und wir haben auch regelmäßige Treffen vereinbart. Carolina hat eine Mama und eine Mami, sowie einen Papa der auch als solcher benannt wird. Bis jetzt erlebten sie keine negativen Erfahrungen in der Öffentlichkeit. Allerdings passen sie durchaus auf wie sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren und entscheiden sich in einigen Situationen vielleicht lieber dazu sich nicht zu küssen. Beide sind an ihren Arbeitsplätzen geoutet. 95 Jennifer und Sabine sind eines der wenigen verpartnerten Paare mit Kind in Österreich. Sie gingen die Lebenspartnerschaft vor einigen Jahren in Deutschland ein und seit 1.1.2010 gilt diese nun auch als Eingetragene Partnerschaft in Österreich. Eigentlich wollten sie damit ein Zeichen setzen, gemeinsam eine Familie zu sein, aber dies ging nach hinten los. Die österreichische Eingetragene Partnerschaft bietet ihnen nun weitaus weniger Rechte als die deutsche Lebenspartnerschaft. Jennifer: Wir haben jetzt weniger Rechte oder weniger Möglichkeiten als diejenigen die nicht verpartnert sind. Weil es gibt ja jetzt schon einen Fall, wo Frauen gemeinsam das Sorgerecht für ihr Kind bekommen haben, und das ist so ziemlich ausgeschlossen, dass man das als verpartnertes Paar bekommt. Und das ist natürlich echt total absurd. Jennifer und Sabine wollten durch die Verpartnerung in Deutschland als Familie sichtbar werden, doch das österreichische Recht sieht dies anders. Sie haben weniger Rechte als unverpartnerte Paare. Theoretisch könnten sie immer noch nach Deutschland ziehen, dort wäre wahrscheinlich auch die Stiefkindadoption möglich. Da aber beide ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, kommt ein Umzug im Moment absolut nicht in Frage. In Österreich kann Sabine ihre Tochter nicht adoptieren und hat kaum Rechte ihr gegenüber, sie werden nicht als Familie betrachtet. Die Eingetragene Partnerschaft hat für sie keine Vorteile mit sich gebracht. Vielmehr sehen sie sich mit einem Adoptionsverbot konfrontiert. Sabine und Jennifer können auch nicht versuchen die gemeinsame Obsorge zu erstreiten, dies Eingetragenen Partner_innen verboten ist. Jennifer Ich mein, in einigen Punkten hat es sicher was gebracht, aber jetzt alles was Regenbogenfamilien anbelangt, hats überhaupt nichts gebracht. Die hats mehr oder weniger geleugnet, oder versucht zu verhindern. Aber, ja, familientechnisch war das ein Schuss nach hinten. Komplett. Die Eingetragene Partnerschaft ist ihrer Meinung nach ein familienfeindliches Gesetz, es versucht die Existenz von bestehenden und werdenden Regenbogenfamilien zu leugnen. Die zweite Mutter wird familienrechtlich höchstens als Pflegemutter, aber nicht als Stiefmutter oder zweite Mutter gesehen. In Sabines und Jennifers Fall hätte der leibliche Vater, da dieser im Geburtenbuch eingetragen ist, jetzt schon mehr Rechte als Sabine. Sabine: Was mir sauer aufstößt ist, wir sind eine Familie und da gehören alle Rechte und im Endeffekt auch alle Pflichten dazu. Ich hätt eigentlich gern das, was die anderen haben. Warum sollte man einen Unterschied machen zwischen uns und einem Heteropaar? Und wenn man halt wie manche sagt, dass eine Ehe dazu da ist Kinder zu zeugen, dann frag ich mich, was mit denen ist die unfruchtbar sind. Dürfen die dann keine Ehe schließen oder wie? 96 Österreich orientierte sich bei der Einführung der „EP“ nicht an Ländern in denen bereits die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet ist. Sie stellten die „EP“ bewusst nicht auf die gleiche Stufe mit der Ehe. Jennifer und Sabine trafen Vereinbarungen, wo das Kind im Falle von Jennifers Tod oder dem Tod beider aufwachsen solle. Theoretisch wäre es möglich, dass Sabine nach Jennifers Tod, das Kind verlieren könnte und das Kind zum Beispiel dem leiblichen Vater zugesprochen wird, obwohl es jahrelang bei Sabine aufgewachsen ist. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber möglich, dass dies tatsächlich passieren könnte. Der Großteil der Menschen weiß über diese gewissen Feinheiten des Gesetzes nicht Bescheid, da es sie auch nicht betrifft. Viele sind ganz überrascht, dass zum Beispiel Sabine ihre Kleine nicht adoptieren kann. Die Eingetragene Partnerschaft wurde schließlich ja auch als gleichwertig, als Alternative für gleichgeschlechtliche Paare zur Ehe, propagiert. Um alleine Entscheidungen, die das Kind betreffen, fällen zu dürfen, bräuchte Sabine eine Vollmacht, eine Entscheidungsbefugnis von Jennifer, aber auch dann ist nicht alles gesichert. Jennifer: Dann haben sie sich gewundert, dass so wenige Paare die Eingetragene Partnerschaft eingehen, also als es gekommen ist. Sabine: San eh nur so wenige, is eh net so a Bedarf. Jennifer: Komisch, vielleicht liegts ja am Gesetz? (lacht) Sie hoffen, dass der österreichische Staat mit vielen Klagen eingedeckt wird, sodass er gezwungen ist die Existenz von Regenbogenfamilien zu akzeptieren und deren Lebenssituation zu verbessern. Hierfür wäre eine Reformation der Ehe oder zumindest eine Angleichung der Rechter gleichgeschlechtlicher Paare mit denen verschiedengeschlechtlicher Paare notwendig. Sabine: Ich denk, dass natürlich jetzt das Gesetz auch ein bisschen unüberlegt auch war, es wird ein Gesetz eingeführt, dann wird mal geschaut wie ist das praktikabel und dann wirds wieder adaptiert. Österreichische Lösung. Noch haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich in absehbarer Zeit in Österreich einiges ändern wird. Wenn nicht sind sie auch gewillt auf gerichtlichem Wege alles zu versuchen um Sabine zu mehr Rechten ihrem Kind gegenüber zu verhelfen. 2.5. Viktoria und Michaela101 Mein nächstes gleichgeschlechtliches Elternpaar waren Viktoria und Michaela. Viktoria,37 arbeitet als Lehrerin, Michaela ist 32 Jahre alt und ist Unternehmensberaterin. Sie sind seit 101 Interview mit Viktoria und Michaela 2011: Persönliches Interview am 3.10.2011. Sohn Philip 1 Jahr alt. Niederösterreich 97 acht Jahren ein Paar und hatten vor einigen Jahren ein eigenes Trauungsritual. Die beiden führten über fünf Jahre lang eine kinderlose Beziehung und genossen diese Zeit sehr. Ähnlich wie bei den vorangegangenen Paaren wurde auch hier der Kinderwunsch erst mit dem Älterwerden immer intensiver. Viktoria: Aber dann irgendwann wars so die biologische Uhr bei mir, also so, entweder jetzt noch oder dann gar nicht mehr. Und dann ist es ein großes Thema geworden für mich, jetzt hab ich noch eine Chance und dann keine Chance mehr, ob ich möcht oder nicht. Und ich würds ganz gern einmal probieren. Da Viktoria zu dieser Zeit berufsmäßig gut positioniert war und eine Auszeit im Bereich des Möglichen erschien, begannen die beiden mit einer generellen Recherche über Möglichkeiten lesbischer Paare eine Schwangerschaft zu erzielen. Michaela: Da haben wir begonnen da drüber zu reden und zu recherchieren, überhaupt was gibt es, welche Möglichkeiten würden in Betracht kommen, wenn überhaupt. Und Listen zu schreiben, was spricht dafür, was spricht dagegen. Es war das erste Mal, dass ich mich wirklich damit auseinander gesetzt habe. Weil für mich war klar von Anfang an, dass ich lesbisch bin und so war das Thema, auch kein Thema mehr. Weil ... wie? Michaela hatte sich schon fast damit abgefunden, dass sie als Lesbe einmal keine Kinder haben würde. Zu groß war bei ihr die Vorstellung, dass Kinder und Elternschaft nur zwischen Mann und Frau passieren könnte, nur in heterosexuellen Beziehungen möglich sei. Die beiden überlegten sehr gründlich über die Pro und Kontras eines gemeinsamen Kindes. Sie holten sich für ihre Entscheidung zum Kinderwunsch zusätzliche Unterstützung durch eine Therapeutin, und kamen dadurch zu dem Entschluss es zumindest einmal zu versuchen. Michaela: Und da haben wir mal eine ganz feine Stunde gehabt mit ihr, also ich weiß noch wo wir unsere Listen mal angeschaut haben und die Seite die für ein Kind spricht war voll mit Emotionen, auch mit vielen Fragezeichen und Unsicherheiten natürlich, aber so emotional. Und diese Liste was spricht denn dagegen, war voll mit sachlichen Argumenten wie: Finanzen, Karriere, Zeit. Bei der Realisierung ihres Kinderwunsches verfolgten sie eine sehr pragmatische Herangehensweise. Sie hielten sich stets die Option offen, dass Michaela ebenfalls als biologische Mutter fungieren könnte, falls Viktoria Probleme hätte schwanger zu werden. Da Michaela einige Jahre jünger ist, hätten somit noch ein paar Jahre mehr Zeit gehabt. Michaela: Wir haben uns da jetzt nicht drauf versteift. Wir haben immer gewusst, wenn es nicht funktionieren sollte, dann ist es für uns auch ok. Dann werden wir das Leben halt anders planen. Dann werden wir halt reisen und werden halt irgendwie ... Viktoria: ...das Geld anders verprassen. Michaela: Alles investieren. Oder mehr Karriere machen, mehr dort investieren. 98 Adoption oder Pflegeelternschaft schlossen die beiden sehr schnell aus, sie wollten gerne ein eigenes Kind bekommen. Sie suchten einen Samenspenden, der Interesse auch an einer aktiven Vaterrolle hatte. Michaela: Wenn man irgendwo einen präsenten Vater findet, wär das schon fein. Also einfach für das Kind. Nicht im Sinne von , das muss sein. und nur mit Vater und Mutter kann ein Kind eine positive Entwicklung haben, sondern es ist eine Bereicherung. Viktoria und Michaela wollten keinen Samenspender aus dem engeren Freundeskreis oder der Familie, allerdings begutachteten sie einige Arbeitskollegen. Sie gaben, wie die meisten befragten Frauen zu, dass die Optik bei der Samenspendersuche kein zu unterschätzender Faktor war. Zusätzlich spielte auch der Gesundheitszustand des potentiellen Samenspenders sowie eventuelle Erbkrankheiten eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung. Michaela: Also Kemal ist quasi mein Nachfolger in der Arbeit gewesen. Und mit dem hab ich mich auch immer gut verstanden. Du hast ihn ja dann auch mal kennen gelernt? Viktoria: Ich hab ihn einmal beim Regenbogenball gesehen. Er ist mir damals schon aufgefallen, weil ich gesagt hab, das ist ein sehr hübscher Kerl, wirklich und auch sehr sympathisch. Michaela entschied sich schließlich, Kemal einfach einmal zu fragen, ob er denn überhaupt generell einen Kinderwunsch hegen würde. Michaela: Und dann hab ich ihn gefragt ob er einen Kinderwunsch hat und echt scheinbar genau im richtigen Moment auch gefragt. Weil er ist aus meiner Sicht aufgesprungen und hat gesagt, Ja, warum? Somit war klar, dass er als potentieller Samenspender Interesse zeigen könnte. Es ging nun im nächsten Schritt darum einander näher kennen zu lernen und zu schauen, ob denn ähnliche Vorstellungen vorhanden waren. Kemal befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer langjährigen Partnerschaft, er musste also zuerst seinen Partner Martin in diese Überlegungen miteinbeziehen. Martin wollte zwar keine väterliche Verantwortung übernehmen, allerdings wollte er gerne eine Onkelfunktion für das Kind einnehmen. Dies passte für alle Beteiligten sehr gut. Michaela: Und dann haben wir uns noch so drei, vier Mal getroffen um noch so Grundsatzdinge auch zu besprechen. Also für uns war klar, der Zwerg wird bei uns wohnen, wir haben die Hauptverantwortung, wir wollen auch kein Geld von ihm. Das heißt aber auch, er ist nicht eingetragen. Solche Dinge abzuklären und das ist quasi der Wochenendpapa. Bei den Treffen wurden grundsätzliche Dinge besprochen, Geld, Verantwortung und auch Religion spielten eine große Rolle. Es war notwendig diese Dinge im Voraus zu klären, damit es später zu keinen Problemen oder Schwierigkeiten kommen konnte. 99 Michaela: Kemal ist ursprünglich aus Ägypten und hat einen muslimischen Hintergrund. Ich bin aus der Kirche ausgetreten und Viktoria ist auch nur noch offiziell katholisch, weil der Papa die Kirchensteuer zahlt. Viktoria: Uns war ganz wichtig Religion außen vor zu lassen. Wir wollten keine Taufe machen, wir werden ihn nicht römisch-katholisch erziehen, aber wir wollen auch nicht dass Kemal irgendwas von seiner Religion reinbringt, wir wollen das sehr neutral lassen. Kemal war mit diesen Vereinbarungen einverstanden, er wollte aber bei Ausbildung oder Weiterbildung des Kindes mitbestimmen dürfen. In weiterer Folge musste Kemal nun einige Gesundheitstests machen. Mit Mitte 40 und als starker Raucher war seine Ärztin nicht sofort davon überzeugt, dass alles gleich reibungsfrei funktionieren würde. Die Ergebnisse sprachen dann aber für ihn. Viktoria und Michaela entschieden sich als einziges Paar für einen Bekannten als Samenspender und aktiven Vater ihres zukünftigen Kindes. Nachdem sie nun ihren Samenspender hatten, trafen sie sich mit anderen gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch um sich auszutauschen und mehr über mögliche Varianten der Selbstinsemination zu erfahren. Kemal wurde in diese Diskussionen stets inkludiert und war meistens auch bei den Treffen dabei. Viktorias und Michaelas Frauenärztin wurde auch schon von Anfang an eingeweiht. Michaela: Unsere Frauenärztin war auch involviert. Die hat natürlich offiziell nichts sagen und tun können wegen der rechtlichen Situation. Aber dann off-record hat sie schon gesagt "Naja ich hab mir jetzt überlegt, wie Sie das noch besser machen könnten und so". Eine feine Unterstützung auch von ihr. Viktorias und Michaelas Eltern waren anfangs etwas irritiert als sie von der Entscheidung der beiden hörten, ein gemeinsames Kind zu bekommen, sie hatten nicht mehr damit gerechnet Großeltern zu werden. Die Familien reagiert en sehr positiv und unterstützten die Frauen in ihrer Entscheidung. Viktoria und Michaela berichteten eine Anekdote wie Michaelas Großtanten Viktorias Schwangerschaft auffassten. Die Großtanten sind über achtzig und wissen, dass die beiden ein Paar sind. Michaela: Und dann haben meine Eltern freudestrahlend erzählt, dass Viktoria schwanger ist und die beiden merken schon, irgendwie gibt´s einen komischen Gesichtsausdruck bei den Tanten. Beim nächsten Treffen sagt die eine Mah, sie sind jetzt aber schon bös auf die Viktoria.`Und meine Eltern ,Hmm? Warum? Naja, da geht die Viktoria fremd und die Michi nimmt sie trotzdem. Wie die Leute sich dann einfach ihr Konstrukt zusammenbauen. Ich mein für über Achtzigjährige ist das eh ok. Michaelas Eltern konnten dann das Ganze aufklären. Allerdings gibt es immer wieder ein großes Fragezeichen, wenn bekannt wird, dass zwei Frauen gemeinsam ein Kind haben. Das Nächstliegendste ist es eben nach wie vor, durch Sex mit einem Mann schwanger zu werden; 100 Die wenigsten Menschen machen sich Gedanken darüber, dass eine Schwangerschaft auch ohne Geschlechtsverkehr mit einem Mann möglich ist. Hier wäre eine bessere Aufklärung über künstliche Befruchtung oder Selbstinsemination mittels Bechermethode sicherlich hilfreich. Die Frage wie ein Frauenpaar denn zum Kind gekommen sei, steht ständig im Raum. Hier werden heteronormative Grundvorstellungen von Familie und Kinder bekommen stark ersichtlich. Zwei Frauen mit Kind müssen ständig erklären, wie das Kind zustande gekommen ist. Bei heterosexuellen Paaren wird dies nicht nachgefragt, obwohl es auch hier viele Möglichkeiten gibt zu einem Kind zu kommen. Viktoria und Michaela berichteten dann wie ihre Selbstinsemination von statten ging und beschrieben das ganze als eine „doch ziemlich schräge Situation so zu dritt“. Es müssen alle Beteiligten , also Viktoria und Michaela wie auch Kemal als Samenspender, zur Zeit des Eisprungs der werdenden Mutter Zeit haben. Es ist eine genaue Planung notwendig, da eine Schwangerschaft ja immer nur an den wenigen fruchtbaren Tagen einer Frau erfolgen kann. Wenn der Samenspender zu diesem Zeitpunkt gerade verhindert ist, muss das Ganze um einen Monat verschoben werden. Viktoria: Wir sind einmal beim Griechen gesessen und waren doch ziemlich frustriert, weil wir uns schon darauf eingestellt hatten, es zu versuchen. Und dann haben wir schon kurzzeitig überlegt, wenn das jetzt so weiter geht, vielleicht gibts doch eine andere Variante, vielleicht doch eine Samenbank? Im darauf folgenden Monat war der Terminplan nicht weniger eng gestrafft, doch es war alles geplant und einem ersten Versuch sollte nichts im Wege stehen. Michaela: (zeigt so schätzend, Pi mal Daumen) Das geht sich am Wochenende aus. Viktoria: Du hast zwar Ausbildung Michi, aber in der Mittagspause geht das schon. Schließlich wurde wirklich die Mittagspause dafür genutzt schnell heim zu fahren und den ersten Versuch der Selbstinsemination durch zu führen. Es ging vor allem auch darum diese ungewohnte intime Situation zu dritt102 einmal kennenzulernen. Michaela: Weil das ist ja schon eine sehr intime Situation,das ist ganz schräg. Aber gleichzeitig auch irrsinnig intim. Es ist wichtig, da auch gut die Balance miteinander zu finden. Da hab ich eben das Gefühl gehabt, das hat bei uns ganz gut gepasst. Sie hatten genau eine Stunde Zeit für dieses Unterfangen, bevor Michaela und Kemal wieder fahren mussten. Um die Situation etwas zu entschärfen, öffneten sie zu Beginn eine Flasche 102 Zu dritt deshalb weil der Samenspender ins Haus kam,. kurz alleine gelassen wurde, bevor er dann den beiden Frauen sein frisches Sperma übergab. Am Projekt Kind sind hier drei Personen beteiligt, dennoch ist es ein gemeinsames Projekt des Frauenpaares. 101 Prosecco und stießen an. Dadurch beruhigten sich alle etwas und sie konnten beginnen. Viktoria: Und dann haben wir uns zurück gezogen, Kemal ist vorne geblieben. Michaela: Im anderen Zimmer. Und dann hab ich die Spritze übergeben bekommen, der Kemal ist in der Zeit einkaufen gegangen. Und wir haben uns dann einfach zurückgezogen mit dieser Spritzenmethode. Viktoria: Ja, völlig unkompliziert, ohne irgendeine Verlängerung, ohne irgendwas. Michaela: Nein, vollkommen egal, wir probieren das einfach. Und habens am Samstag also zweimal probiert. Danach warteten sie einfach einmal ab, dachten aber nicht, dass es gleich beim ersten Mal funktionieren würde schwanger zu werden. Michaela: Und dann haben wir einen Schwangerschaftstest gemacht und sind dann eh beide aus dem Klo rausgerannt. Und sind dann reingegangen und ich war der Meinung, der ist kaputt, weil da steht drauf: schwanger. Und dann haben wir eh gleich noch einen zweiten probiert und der war dann wieder schwanger. Zur großen Freude und Überraschung aller war der erste Versuch schon erfolgreich und Viktoria war schwanger. Sie beschlossen gleich alle Verwandten einzuweihen und ihnen die frohe Botschaft mitzuteilen. Viktoria: Wir waren nicht so, dass wir gesagt haben, wir können warten, weil es gibt ja so Menschen, die können drei Monate warten. Also wir haben gleich gesagt, das können wir nicht machen. Weil wenn irgendwas sein sollte, werden wir eh so fertig sein, dass es nicht zu übersehen ist- Wir haben dann gleich um sieben Uhr alle durchtelefoniert, deine Eltern, meine Eltern, meine Kusine und natürlich den Kemal, ja. Die Schwangerschaft verlief dann unkompliziert und sie tauschten sich in dieser Zeit mit anderen gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch und schon bestehenden Regenbogenfamilien aus. Kemal wurde in diese Gespräche immer miteingebunden. Kemal war auch bei einigen Untersuchungen mit dabei und da kam es dann schon hin und wieder zu Streitpunkten. Michaela: Das ist so, davor redet man noch sehr sachlich, aber dann wenns emotional wird, war plötzlich das Thema der Beschneidung am Tisch. Viktoria: Also für uns war halt klar, das kommt gar nicht in Frage, ich lass das doch nicht bei einem Kleinkind machen. Das ist kulturell für uns nicht nachvollziehbar. Michaela: Und dann einfach auch, dann hätte es eine Kultur gegeben die ganz sichtbar ist und wir haben ja gesagt, das bleibt draußen. Die beiden Frauen riefen jedoch die getroffenen Vereinbarungen wieder in die Erinnerung zurück, Religion sollte außen vor bleiben. Viktoria und Michaela konnten sich schließlich durchsetzen. Die nächste Entscheidung musste zum Namensthema getroffen werden. Für Kemal war es sehr wichtig irgendwo namentlich erwähnt zu werden Schlussendlich durfte 102 quasi jeder einen Namen bestimmen. Viktoria gab den Nachnamen weiter, Michaela durfte den Vornamen bestimmen und Kemals Name wurde als Zweitname gewählt. Im Geburtsvorbereitungskurs waren Viktoria und Michaela das einzige Frauenpaar und ihre Referentin hielt an der Anrede von „Mama und Papa“ eisern fest. Viktoria: Dann wir immer so (Zähne knirschend) Könnten wir das irgendwie runterbrechen auf PartnerIn oder so irgendwie?. Weil ich schon denk, dass das irgendwie diskriminierend ist. Eh klar ihre Realität ist die, ich glaub die macht schon seit 20 Jahren diese Kurse und ich glaube wir waren die ersten. Aber wenn wir schon da sind, dann bittschön ein bisschen Rücksichtnahme, zumindest sprachlich gesehen. Viktorias und Michaelas Kind kam schließlich einige Wochen zu früh auf die Welt. Sie hatten sich eben dazu entschlossen, dass es wegen Viktorias enger Hüften, ein Kaiserschnitt werden sollte. Drei Tage nach dieser Entscheidung wurde Michaela jedoch mitten in der Nacht von ihrer Partnerin geweckt. Michaela: Um halb vier werd ich von Viktoria gerüttelt, Irgendwas ist passiert. Ich weiß jetzt nicht, ob ich einen Blasensprung hab oder mich angepinkelt hab. Ich komplett damisch sag, Wart wir lesen, das einmal nach, was mach ich beim Blasensprung? und das Einzige, was ich nur noch hör in meinem linken Ohr Hol die Rettung! Sie fuhren also mit der Rettung ins Spital und dort meinte die Ärztin, dass ein Kaiserschnitt nicht notwendig wäre, aber der „OP“ bereit stünde, falls es unerwartete Komplikationen geben sollte. Die Geburt verlief dann problemlos und es gab keine Probleme als Frauenpaar im Krankenhaus. Viktoria und Michaela wurden nur kurz von der zuständigen Hebamme gefragt, wie die Schwangerschaft denn zustande gekommen sei. Im selben Moment entschuldigte sie sich aber auch schon wieder für diese Frage: „Ah, nein, das ist zu intim, das frag ich jetzt nicht. Tut mir Leid .“ Sie machten durchaus positive Erfahrungen als Frauenpaar im Krankenhaus, merkten aber doch, dass sie Gesprächsthema Nummer Eins waren und die Krankenhäuser wohl noch nicht so viele Erfahrungen mit Frauenpaaren sammeln konnten. Frauenpaare, die auch offen dazu stehen, dürften auf Geburtsstationen nach wie vor Ausnahmeerscheinungen sein. Viktoria und Michaela besorgten sich ein Familienzimmer, dies führte natürlich zu Getuschel im ganzen Krankenhaus und vor allem auf der Station. Den Gang zum Standesbeamten schilderte Michaela wie folgt: „Ich bin zum Standesbeamten gegangen mit der Geburtsurkunde und dann hat mir der Standesbeamte gesagt ,Ah sie sind das, ich habs schon gehört.“ Bei der ersten Visite nach der Geburt standen die beiden Frauen und nicht das neugeborene Baby im Mittelpunkt des Interesses. 103 Viktoria: Die sind vor der Tür gestanden und die Kinderkrankenschwester hat sie halt immer vorbereitet ,Das ist der Philip Müller, Frühgeburt 34. Woche.` Und dann irgendwie so (flüsternd) ,Und da sind z w e i Mütter!` Und dann sinds echt so reingekommen, so (macht komisch grinsende Grimasse). Da hab ich mir dann echt gedacht, ok?!? Michaela bekam von ihrem Arbeitgeber die zwei Tage nach der Geburt des Kindes freigestellt, da dieser auch sehr offen und tolerant. Für sie ist die angenehme Atmosphäre am Arbeitsplatz sehr wichtig, wenn dies nicht so wäre, würde sie versuchen woanders einen Job zu bekommen. Viktoria outete sich bis jetzt nicht in der Firma. Vor der Schwangerschaft hatte sie nie ein Problem damit, sie erzählte immer Geschichten von ihrem Partner, ohne Namen und erwähnte zum Beispiel Sachen von Michaelas Ausbildung. Da unsere Sprache sowieso sehr männlich geprägt ist, konnte sie das auch ruhig machen, ohne dass jemand Verdacht geschöpft hätte. Aber jetzt mit Kind wird die Situation immer prekärer. Viktoria: Aber jetzt mit dem Philip ist es schon ein großes Thema und mir ist auch bewusst, dass das ansteht, weil irgendwann einmal wird der Philip reden und dann werd ich ihn auch irgendwann einmal in die Firma mitnehmen. Kemal oder Michi werden ihn abholen, und es wird längerfristig so nicht gehen. Das offizielle „Outing“ in der Firma wird für Viktoria demnächst anstehen und sie wird Michaela als zweite Mutter ihres Sohnes vorstellen müssen. In ihrer Arbeit versucht sie schon jetzt vielfältige Rollenbilder von Frauen und Männern zu vermitteln und Aufklärungsarbeit zu leisten. Durch ihr „Outing“ könnte sie selbst noch etwas mehr dazu beitragen. Viktoria und Michaela sehen aber auch oft Vorteile in einer lesbischen Beziehung im Vergleich zu verschiedengeschlechtlichen Paaren mit Kind. So war es für Michaela zum Beispiel immer selbstverständlich genauso in der Nacht aufzustehen und nach dem Kleinen zu schauen, auch wenn sie am nächsten Tag in der Früh aufstehen musste. Sie konnte sich auch in der Schwangerschaft einfach besser in gewisse Situationen hineinversetzen, etwa wenn Viktoria meinte, ihr Bauch zwicke und es sei ähnlich wie Regelschmerzen. Die Sachen wurden grundsätzlich gerechter aufgeteilt als dies oft in heterosexuellen Beziehungen der Fall ist. Michaela: Weil wir es ja auch so planen. Lesbische Paare müssen es planen, also das geht ja nicht schwupps und es passiert, oder die eine will und der andere nicht und dann tun wirs halt, sondern das muss man wirklich gemeinsam planen. Dieses gemeinsame Miteinander wollen wir? wenn ja, wie? Wie stellen wir es uns vor? Und ich denk mir da kommt auch automatisch diese Teilung, wer geht in Karenz, all diese Geschichten, denk ich, muss man vorher einfach viel mehr abklären. 104 Philip besucht seit kurzem eine Kindergruppe, Viktoria und Michaela treten dort stets klar als Philips Eltern auf. Sie sahen sich zuvor auch einen anderen Kindergarten an, dort hatten sie von Anfang an kein gutes Gefühl und die Leiterin wollte oder konnte nicht verstehen, dass Philip zwei Mütter hatte. Die spätere Volksschule können sie sich nicht mehr wirklich aussuchen, aber sie wollten auf jeden Fall, einen guten Kindergarten für Philip finden, in dem sich alle Beteiligten sehr wohl fühlen können. Fragen tauchen natürlich immer auf, bei der Beantwortung sind sie sich dann immer im Zwiespalt. Michaela: Einerseits denk ich mir, So eine intime Frage, ich mein ich frag euch ja auch nicht wie ihr geschnackselt habt. Andererseits versteh ichs auch, ein bisschen Aufklärungsarbeit kann nie schaden. Aber die Frage kommt wirklich fast automatisch. Im Kindergarten gibt es zwar immer fragende Blicke der anderen Eltern, aber es kam noch zu keiner unguten Situation. Den Kindern ist es bis jetzt ziemlich egal, dass Philip zwei Mütter hat. Michaela: Wir erzählen soviel, wie es passt. Wir sagen auch immer, es gibt den Papa dazu. Ja und meistens sagen wir dazu, wir haben nicht miteinander geschlafen, also so damit das auch nochmal klar ist. Viktoria: Das hab ich noch nie gesagt.(verwundert) Michaela: Ich sag das schon immer so. Viktoria: Also das find ich jetzt wieder total intim. Michaela: Wenn die schon so schauen, dann sollen sie es auch gescheit wissen, nicht? Viktoria: Naja, ich sag dann immer durch die Spritzentechnik oder Bechermethode Michaela: Ja, da kennt sich ja kein Mensch aus.(lacht) Viktoria: Ja, aber entschuldige, ...(lacht) Allerdings existieren auch in diesem Kindergarten noch gewisse stereotype Vorstellungen und Rollenklischees. Michaela und Viktoria kamen unlängst in den Kindergarten um den Kleinen abzuholen, als ihnen eine aufgebrachte Pädagogin bereits entgegen kam. Michaela: Und wir kommen raus und dann steht der Philip in einer supercoolen rosa Gatschhose da und wir beide so ,Ja, das steht ihm so gut!` Und sie ,Ok?!?` (lachen) Also wir freuen uns einfach immer wenn er einen rosa Schnuller hat oder so Prinzessinnentaschentücher, ja. Michaela und Viktoria versuchen immer wieder erneut gegen gewisse Rollenklischees vorzugehen. Sie finden es interessant mit den Rollen, die ihnen zugewiesen werden, bewusst zu spielen. Man begegnet stereotypen Vorstellungen von Geschlechterrollen schließlich ständig, sogar beim ganz normalen Einkaufen für den Kindergarten. Viktoria besuchte mit Philip ein Schuhgeschäft um Patschen zu kaufen, sie schauten sich die unterschiedlichsten Varianten an. Ihr Blick fiel schließlich auf Prinzessinnenpatschen. Die Verkäuferin sah dies und kam zu ihnen, und erkundige sich nach ihren Wünschen. 105 Viktoria: Verkäuferin: ,Naja die sind eigentlich schon für Mädchen, aber ...?` Ich: ,Ja was, aber die werden sie ja in seiner Größe auch haben oder wie, was?` Dann hat sie mich so verdutzt angesehen. Dann hab ich so zum Philip ,Oder Philip nehmen wir die mit dem Stern?`- ,Ok, dann nehmen wir die mit dem Stern, die passen besser zur Jeans.` ,Ha, jetzt habens einen Schmäh gemacht, gell jetzt habens mich veräppelt.` Die Verkäuferin konnte nicht verstehen, warum ein Junge Prinzessinnenpatschen tragen sollte. Mit solchen Situationen sehen sich Viktoria und Michaela tagtäglich konfrontiert, deshalb versuchen die beiden die Menschen etwas zu provozieren und mit gewissen Vorstellungen zu spielen. Viktoria: Wir können Menschen ja auch immer so ein bisschen vor den Kopf stoßen in dem man sagt,Wer ist die Mama? Beide. Also, viele drehen sich da um, sind ein bisschen irritiert und gehen, manche fragen dann auch nett nach. Manche überhören das taktisch, die gehen nicht auf das ein, ja. Also ja, es lässt auch ein bisschen ein Spiel zu. Das koste ich oft aus. Es müsse ja schließlich auch seine guten Seiten haben nicht dem Stereotyp einer traditionellen Familie zu entsprechen, denn schlechte Seiten und rechtliche Diskriminierungen erleben sie sowieso täglich. Viktoria und Michaela hatten anfängliche Probleme die Rollen so zu dritt zu finden, da schließlich alle drei dabei waren Eltern zu werden. Viktoria war sich ihrer besonderen Rolle immer klar, sie spürte ihren Bauch wachsen und auch das spätere Stillen und in Karenz Sein wiesen ihr eine bestimmte Rolle zu. Für Michaela war es weitaus schwieriger, es herrschte sogar eine gewisse Konkurrenz zwischen Kemal und ihr. Bei ihr tauchten durch dieses NichtBiologische verinnerlichte Vorurteile wieder auf, mit denen sie zu kämpfen hatte. Viktoria: Man redet dann halt auch, was hat er denn von wem, und was hat er von mir, was hat er vom Kemal, und dann ist die Michi natürlich immer ein Stück außen vor, automatisch. Michaela: Und deshalb hab ich mir jetzt angewöhnt, die Nase hat er von mir! Also das brauch ich einfach. Weil von euch hat er die wirklich nicht, weil die schaut ganz anders aus. Das mein ich eben mit dieser Rolle so nicht-gesehen zu werden. Wenn Michaela mit dem Kleinen allein unterwegs ist, sehen die Leute allerdings immer wieder körperliche Ähnlichkeiten zwischen den beiden. Hierin sieht man wie selektiv die Wahrnehmung sein kann. Philip hat einen Papa, der auch so benannt ist, aber nicht als Vater in der Geburtsurkunde erwähnt wird, das wollten Viktoria und Michaela nicht. Philips Papa spielt jetzt schon eine sehr zentrale Rolle im Leben des Kleinen. 106 Viktoria: Also wenn wir jetzt sagen, Du, morgen gehst du zum Papa, ja. Der holt dich wieder bei der U-Bahn ab. Dada Papa, dann geht er schon da rüber zur Wand und zeigt schon Papa. Also das hat schon auch eine Wichtigkeit für ihn, der Part, ja. Sie sind keine typische Patchworkfamilie, sondern es ist ein Modell für das es noch keine wirklichen Vorbilder gibt, jede und jeder musste seine Rolle selbst erst finden. Niemand kann die Rolle des Anderen oder der Anderen genau nachvollziehen. Kemal sieht den Kleinen jedes zweite Wochenende. Dieser übernachtet dann auch bei Kemal auch seinem Partner. Es wird immer genau ausgemacht, wann es bei allen Beteiligten passt. Dennoch ist Kemal doch auch abhängig von den beiden, wann es geht und wann nicht. Kemal ist selbst ein wenig im Zwiespalt, einerseits möchte er Philip manchmal gerne auch öfters sehen, andererseits ist er auch nicht bereit sein ganzes Leben zu ändern und gewisse Freiheiten aufzugeben. Zudem gibt es auch andere Vereinbarungen. Es war von vornherein ausgemacht, dass er Philip nicht jeden Tag sehen wird. Dadurch besitzt er aber auch den Luxus seinen Alltag wie bisher weiterleben zu können. Kemal spricht mit seinem Sohn Arabisch und wenn der Kleine einmal älter ist sind auch Besuche bei Kemals Verwandten in Ägypten geplant. Kemal könnte rein theoretisch mittels Vaterschaftstest mehr Rechte einfordern, auch wenn es andere Vereinbarungen gibt. Kemal wiederum muss den beiden Frauen vertrauen, dass er nicht eines Tages auf Unterhalt verklagt wird. Alle Beteiligten müssen Vertrauen haben, dass die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Bis jetzt funktioniert alles sehr gut. u Viktoria und Michaela genießen die freien Wochenenden sehr. Sie können gemeinsam in die Therme gehen oder sich einfach mal wieder ausschlafen. Diese gewonnene Freizeit ist natürlich auch positiv für die Partnerschaft. Viktoria: Wir genießen das sehr, so sehr wir den Philip abgöttisch lieben, aber das ist einfach sehr angenehm. Das ist eine irre Zeit dann immer, wenn man sagt, man hat ein Wochenende für sich, wo man sich als Partnerinnen wieder näher kommt, weil sonst läuft der Alltag nur mit Organisieren und Philip in Kindergarten bringen, abholen ab. Sie machen es nach außen hin aber stets klar, dass Kemal nicht Viktorias Partner ist. Beide Frauen sind in ihrer Freizeit, im Familien- und Freundeskreis sehr offen und alle kennen sie als Paar. Michaela: So viele Probleme sie bei mir gehabt haben, so klar ist es, dass der Philip jetzt einfach in einer Regenbogenfamilie lebt. Mein Bruder hat jetzt auch einen Sohn bekommen und der ist nicht mehr oder nicht weniger, sondern die beiden sind einfach ihre Enkel. Und meine Mutter rennt mit einem kleinen Album herum seit der Philip auf der Welt ist und zeigt überall die Fotos her. 107 Anfangs gab es Überlegungen ob Philip nicht noch ein Geschwisterchen bekommen sollte, diese wurden aber schnell wieder verworfen. Viktoria möchte nicht noch einmal schwanger werden und für Michaela ist eine Schwangerschaft derzeit auch absolut kein Thema. Sie freuen sich, wenn sie wieder ganze Nächte durchschlafen können und auch finanziell ist es angenehmer mit nur einem Kind. Sie sind finanziell gut gestellt, merken es aber natürlich schon auch, dass Frauen weniger verdienen und ein zweites Kind wäre auch mit zusätzlichen Kosten verbunden. Michaela: Ja und die eigene Autonomie, also das kommt dann schon bei allem Kinderwunsch. Und ich denk mir, das ist der Vorteil für uns gewesen, dass wir uns auf den nicht versteift haben und er ist zum Glück wahr geworden und ich will das überhaupt nicht missen. Ich merk aber, ich liebe meinen Beruf, ich liebe meinen Job. Ich liebe es, dass wir Zeit miteinander haben, ich liebe den Philip. Und wenn ich mir denk, da kommt jetzt noch eins daher, das geht dann nicht. Weil der Tag hat nur 24 Stunden. Viktoria und Michaela genießen ihr Leben in einer „Queer-Family“. Die Präsenz eines aktiven Vaters gibt ihnen gewisse Vorteile und Freiheiten. Natürlich muss vieles im Voraus geklärt werden, Vereinbarungen müssen getroffen werden. Der Kleine hat jetzt zwei lesbische Mütter und einen schwulen Vater. Viktoria und Michaela hoffen, dass sie ihn gut auf mögliche Diskriminierungen in der Schule und in seinem späteren Leben vorbereiten können, damit er stark genug ist mit diesen Situationen umzugehen. Für sie ist es deshalb auch wichtig sich mit anderen Regenbogenfamilien zu vernetzen. Finn soll sehen, dass es normal ist in einer Regenbogenfamilie aufzuwachsen. Er soll später einmal die Gelegenheit haben sich mit anderen Regenbogenkindern austauschen zu können. Viktoria: Das was er wahrnimmt ist so normal jetzt, das ist total schön zu beobachten. Für ihn ist Mama, Mami, wenn ers rausderstammelt und wir uns da schon freuen, totale Realität, da gibts auch gar nix anderes. Bis jetzt ist es für ihn ganz normal einen schwulen Papa und zwei lesbische Mamas zu haben, das ist seine Realität. Michaela und Viktoria versuchen ihrem Sohn viele Schutzräume ermöglichen Ressourcen mitzugeben, sodass er in dieser heterosexuellen Welt gut bestehen kann. Michaela: Also wir sind nicht blauäugig und sagen, es ist eh alles happy-peppy. Viktoria: Irgendwann wird er einmal da draußen stehen und sagen, er hat einen schwulen Papa und zwei lesbische Mamas. Und das wird dann irgendwann einmal eine Herausforderung, die wir ihm dann auch nicht mehr nehmen können. Wir hoffen, dass wir ihn bis dahin schon so gestärkt haben, dass er in dieser Situation dann einfach gut damit umgehen kann und damit kein Thema hat. 108 Die Eingetragene Partnerschaft stellt für sie im Moment in der aktuellen Form keine Option dar, da es dadurch auch keine bessere Absicherung für das gemeinsame Kind und mehr Recht für Michaela geben würde. Auch das Zwangsouting ist ein Grund sich gegen die „EP“ zu entscheiden. Offiziell ist Viktoria Alleinerzieherin, der Vater gilt als unbekannt. Sie bekam nach der Geburt einen Brief vom Jugendamt, indem sie gebeten wurde, wenn der Vater bekannt sei, solle sie dies wegen dem Geld doch bitte angeben. Viktorias Arbeitgeber weiß bis jetzt nicht, dass sie mit einer Frau zusammen ein Kind hat, da sie Angst vor Diskriminierungen am Arbeitsplatz hat. Viktoria: Wir sind noch lange nicht so weit, dass es keine Diskriminierung gibt. Und das läuft natürlich auch sehr unterschwellig oft ab, das man nicht unterschätzen darf auch, was, wie geht es weiter, ja. Was auch immer, ist nicht vom Tisch zu wischen noch, ja. Wenn die „EP“ allerdings Vorteile für die rechtliche Gleichstellung Michaelas als zweite Mutter mit sich bringen würde, würden sie dieses Risiko dennoch eingehen. Eine Verpartnerung soll eigentlich ohne jegliche Symbolik ablaufen. Unter anderem darf nicht der Trauungssaal verwendet werden. Die Standesbeamt_innen müssen in einer anderen Funktion die Schließung der „EP“ durchführen. Michaela: Das ist diese Symbolik, die die österreichische Politik nicht zulässt und das find ich skandalös, weil es menschenunwürdig und auch menschenrechtsverletzend ist. Weil ich bin Bürgerin dieses Landes und darf den Trauungssaal nicht betreten mit der Frau die liebe. Das Symbolische einer Hochzeit ist sicherlich sehr wichtig und stellt eine große Diskriminierung dar. Allerdings geht es noch vielmehr um die Erlangung von Rechten. So ist die „EP“ sogar kontraproduktiv wenn es um die gemeinsame Obsorge geht. Viktoria: Es geht ja natürlich auch um die Rechte, symbolisch können wir alle so heiraten wie wir es gemacht haben, hat ja gereicht. Aber ich möcht dann schon auch die Rechte kriegen, ja. Dementsprechend glaub ich, ist dieser Drang, dieses HeiratenKönnen ganz stark mit diesen Rechten in Verbindung zu bringen. Gleichgeschlechtliche Paare müssen alle Notarkosten aus eigener Tasche zahlen. Hier kommen schnell einmal mehrere hundert Euro zusammen und dennoch sind diese Vereinbarungen nicht hundertprozentig rechtsgültig. Es erscheint bizarr, dass überhaupt kostenpflichtige Anträge gestellt werden müssen; um die gemeinsame Obsorge für das gemeinsame Kind erlangen zu können. Auch Michaela und Viktoria wollen die gemeinsame Obsorge. Michaela sah sich bisher schon bei einigen Angelegenheiten nicht berechtigt etwas zu entscheiden oder auszufüllen. 109 Michaela: Da bin ich halt einfach auch zu korrekt. Im Kindergarten gings darum ein Stammdatenblatt auszufüllen und unten zu unterschreiben, Unterschrift der Erziehungsberechtigten. Und dann sitzt man halt da und denkt, ich würd jetzt unterschreiben, nur gilt die Unterschrift nichts. Ich habs dann mit nach Hause gebracht. In diesen Situationen wird klar ersichtlich, dass Michaelas Familie nicht als Familie anerkannt wird und sie als Co-Mutter keine wirklichen Rechte gegenüber dem Kind hat. Michaela: Also ich bin ja niemand jetzt offiziell zum Philip. Wenn Viktoria sterben würde, würden zuerst ihre Eltern gefragt werden. Aber Viktoria hat ein Testament aufgesetzt wo drinnen steht, sie möchte, dass der Philip sollte ihr was passieren, bei mir aufwächst. Das Gericht muss sich natürlich nicht daran halten, aber es hat natürlich eine Gewichtung. Wenn sie die gemeinsame Obsorge erlangen würden, wäre das alles automatisch geklärt und geregelt, Michaela würde auch rechtlich als zweiter Elternteil anerkannt werden. In alltäglichen Situationen sahen sie sich noch nicht mit großen Ungleichbehandlungen oder Diskriminierungen konfrontiert. Die Ungleichbehandlungen erfolgen auf gesetzlicher Ebene. Viktoria und Michaela sind mit der aktuellen Situation für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich absolut nicht zufrieden. Mit der Öffnung der Ehe, würde die Stiefkindadoption obsolet werden, denn dann wäre es ganz normal, dass die die Co-Mutter oder der Co-Vater die gleichen Rechte wie der leibliche Elternteil hätte. Das große Ziel und die Hoffnung ist es, dass Regenbogenfamilien in absehbarer Zukunft als Familie mit allen Rechten und Pflichten anerkannt werden. 3. Vergleich der Ergebnisse der Paarinterviews Die empirischen Ergebnisse zeigten den Weg von fünf Frauenpaaren vom Kinderwunsch zum Wunschkind. Hier sollen nun noch einmal Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Paare kurz dargestellt werden 3.1. Kinderwunsch oder die Frage Und willst du mal …? Am Anfang jeder Familienplanung steht zuerst einmal ein Kinderwunsch, dies ist bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht anders als bei verschiedengeschlechtlichen Paaren. Der Wunsch nach einem Kind war bei meinen Interviewpaaren unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Spannbreite reichte von „schon immer gewollt ein Kind zu bekommen“ über „die biologische Uhr ticken gehört“ bis hin zu „von der Partnerin überzeugt geworden“. 110 Andrea und Stefanie stellten eine Ausnahme bei meinen Interviewpartnerinnen dar. Sie waren das einzige Paar, bei denen bereits zu Beziehungsanfang bei beiden ein großer Kinderwunsch vorhanden war, der auch innerhalb weniger Monate realisiert wurde. Michaela und Andrea hatten sich schon fast damit abgefunden, dass sie als Lesben einmal keine Kinder haben würden. Zu groß war auch bei ihr die Vorstellung, dass Kinder und Elternschaft nur zwischen Mann und Frau passieren könnte, nur in heterosexuellen Beziehungen möglich sei. Stefanie, Monika oder Jennifer hingegen hielten stets an ihrem Wunsch von gemeinsamen Kindern mit einer Frau fest. Nachdem sich die Paare entschlossen hatten, dass sie ihren Kinderwunsch gerne realisieren würden, begann die Planungsphase. Gleichgeschlechtliche Paare sehen sich hier im Vergleich zu verschiedengeschlechtlichen Paaren mit vielerlei Fragen, Hindernissen und Problemen konfrontiert. 3.2. Planung: Allgemein ist es natürlich eine genaue Planung. Der anfängliche Kinderwunsch verhielt sich bei den interviewten Frauenpaaren noch sehr ähnlich wie bei verschiedengeschlechtlichen Paaren. Auch generelle Überlegungen wie „Was spricht dafür?“ oder „Was spricht dagegen?“, können noch mit Hetero-Paaren verglichen werden. Die nächsten Schritte weisen allerdings bereits große Unterschiede zu heterosexuellen Paaren auf. Gleichgeschlechtliche Paare müssen entscheiden, wie sie ihren Kinderwunsch in die Realität umsetzen können. Im Gegensatz zu verschiedengeschlechtlichen Paaren brauchen gleichgeschlechtliche Paare hierbei stets die Hilfe von Dritten. Es gilt zu überlegen, ob eventuell eine Auslandsadoption in Frage käme. Auslandsadoptionen sind jedoch meist schwierig und vor allem kostenintensiv. Zusätzlich ist meistens nur eine Einzeladoption möglich, es ist also nicht möglich als Paar gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Adoption wie auch Stiefkindadoption sind in Österreich für gleichgeschlechtliche Paare verboten. In Österreich haben gleichgeschlechtliche Paare in einigen Bundesländern die Möglichkeit ein Pflegekind aufzunehmen. Diese Variante wird allerdings häufiger von Männerpaaren als von Frauenpaaren gewählt. Frauenpaare schließen diese Option größtenteils schnell aus, sie bevorzugen eine Schwangerschaft durch Spendersamen. Meine Interviewpartnerinnen entschieden sich ebenfalls dazu ein eigenes Kind bekommen zu wollen. In weiterer Folge musste darüber nachgedacht werden, welche Frau das Kind zur Welt bringen sollte, dies war bei allen Paaren schnell geklärt.. Anschließend ging es darum, sich Gedanken über einen Samenspender zu machen und wie und wo die künstliche Befruchtung stattfinden soll. Für Frauenpaare in Österreich gibt es nur 111 die Möglichkeiten eine ausländische Samenbank in Anspruch zu nehmen oder die Insemination illegal in Eigenregie zu versuchen. Selbstinseminationen sind in Österreich unter Strafandrohung verboten. Frauenpaare haben in Österreich nicht die Möglichkeit ihren Kinderwunsch gemeinsam sicher und risikofrei umzusetzen. Sie müssen sich selbst einen Samenspender suchen. Diese Suche erfolgt zumeist im Internet und seltener im Freundes- , Bekannten- oder Familienkreis. Samenbanken im Ausland werden von österreichischen Frauenpaaren eher selten in Anspruch genommen. Nur eines meiner Interviewpaare nahm den Dienst einer ausländischen Samenbank für die Umsetzung des Kinderwunsches in Anspruch, Gudrun und Milla reisten dafür extra nach Finnland. Sie wählten einen anonymen finnischen Samenspender. Für die anderen Paare war klar, dass sie für eine Schwangerschaft nicht extra ins Ausland fahren wollten. Sie führten zu Hause eine Selbstinsemination durch. Andrea und Stefanie, Jennifer und Sabine und auch Viktoria und Michaela suchten zuerst in ihrer näheren Umgebung nach einem geeigneten Samenspender. Schlussendlich entschieden sich aber nur Viktoria und Michaela für einen schwulen Bekannten als Samenspender. Die anderen Paare wählten wie auch Monika und Theresa einen unbekannten Samenspender aus dem Internet. Alle Paare setzten sich dadurch eventuellen gesundheitlichen Gefahren aus und gingen das Risiko ein, dass ein größtenteils unbekannter Mann zu ihnen in die Wohnung kam um ihnen sein Sperma zu überreichen. Auch für den Samenspender ist die Situation nicht ganz ungefährlich. Er könnte trotz anderweitiger Versprechen und Vereinbarungen später auf Unterhalt und Alimente verklagt werden. Jennifer und Sabine sowie Viktoria und Michaela suchten einen Samenspender, der auch nach der Geburt am Leben des Kindes aktiv teilnehmen wollte. Sie wollten einen Papa für ihr Kind haben, allerdings einen Besuchspapa. Das Kind soll bei ihnen aufwachsen, aber regelmäßigen Kontakt zum Papa haben können. Jennifer und Sabine entschieden sich für einen ihnen bis dahin unbekannten schwulen Mann als Samenspender. Viktoria und Michaela wählten ebenfalls einen schwulen Mann, allerdings kannten sie ihn schon vorher persönlich. Beide Paare entschieden sich für einen aktiven Papa, da sie darin eine Bereicherung für das Kind, aber auch Vorteile für ihre Paarbeziehung sahen. Durch die freie Wochenenden gewinnen sie mehr Zeit für ihre Beziehung. Für die drei anderen Frauenpaare war klar, dass sie einen Samenspender wollten, der sich nicht aktiv an der Kindererziehung beteiligten wollte. 112 Monika und Theresa sowie Andrea und Stefanie suchten einen privaten Samenspender, der keine Vaterrolle einnehmen wollte. Allerdings musste er sich verpflichten für eventuelle spätere Fragen des Kindes zur Verfügung zu stehen. Da dies bei privaten Samenspenden nicht geregelt ist, mussten die Beteiligten selbst Regelungen finden und Vereinbarungen treffen; diese sind jedoch nicht rechtsgültig. Das Kind soll einmal in der Lage sein, seinen biologischen Wurzeln nach zu gehen, die Suche nach den Wurzeln soll nicht zum Lebensinhalt werden. Die Bereitschaft des Spenders zur eventuellen Kontaktaufnahme durch das Kind war ausschlaggebend für die Entscheidung. Allerdings ist sowohl bei Monika und Theresa als auch bei Andrea und Stefanie unklar wann und wie ein zukünftiges Kennenlernen einmal aussehen könnte. 3.3. Umsetzung: Wir wollten nicht ins Ausland fahren. Die Insemination in Eigenregie ist die meist gewählte Variante von Frauenpaaren um schwanger zu werden. Samenbanken sind meist zeit- und kostenintensiver als eine Selbstinsemination im Inland. Eine Selbstinsemination birgt aber immer auch gewisse Risiken. So gibt es keine absolute Sicherheit über den gesundheitlichen Zustand des Spenders oder die Qualität seines Spermas. Zudem ist dies in Österreich nicht legal und die Beteiligten bewegen sich im illegalen Raum. Im schlimmsten Fall könnte diese Handlung mit einer Geldoder Haftstrafe geahndet werden. Trotzdem kommt diese Variante bei Frauenpaaren in Österreich sehr häufig vor. Die Selbstinsemination mittels Bechermethode ist sehr erfolgreich. Die Erfolgschancen sind höher als bei einer künstlichen Befruchtung in einer Samenbank. Meine Interviewpartnerinnen (mit Ausnahme von Gudrun und Milla, die in einer Samenbank waren), berichteten dass es nicht einfach war einem zumeist unbekannten Mann zu vertrauen, dass er keine ansteckenden Krankheiten hat, sondern ihnen nur zu einem Kind verhelfen will. Die Samenspender verlangten keine finanzielle Entschädigung. Die Selbstinseminationen verliefen unkompliziert und waren sehr effektiv. Bei all meinen Interviewpaaren stellte sich eine erfolgreiche Schwangerschaft bereits nach den ersten Versuchen ein. Die Schwangerschaft verliefen ohne größere Komplikationen oder Schwierigkeiten, zwei Kinder kamen allerdings zu früh auf die Welt und es gab zwei Notkaiserschnitte. 3.4. Im Spital: Es war ganz klar, dass sie den Kleinen als Erste bekommt. Im Spital selbst gab es kaum negative Erfahrungen. Theresa und Monika waren das einzige Paar, dass über kleinere Probleme im Krankenhaus berichtete. Theresa wurde stets als 113 Monikas Schwester gesehen. Auch nachdem sie erwähnten, dass sie ein Paar wären, wurde es nicht verstanden. Die anderen Paare berichteten durchwegs über positive Erfahrungen im Krankenhaus. Sie hatten sich davor schon gezielt eine Frauenärztin oder Hebamme zur Unterstützung ausgesucht, die dann auch bei der Geburt dabei war, sodass sie sich wohl fühlen konnten. Die Frauen wurden größtenteils sehr freundlich aufgenommen. Allerdings gab es durchaus Getuschel auf den Stationen. Zwei Frauen mit Kind sind nach wie vor Ausnahmen im Krankenhaus. Wahrscheinlich gibt es aber auch viele Paare, denen es ähnlich wie Monika und Theresa geht, sie werden einfach nicht als Paar gesehen, das gerade gemeinsam ein Kind bekommt. 3.5. Reaktionen der Familie: Die waren voll begeistert. Einige Eltern waren anfangs etwas überrascht, dass sie doch noch ein Enkelkind bekommen sollten. Alle reagierten aber sehr positiv und freuten sich mit dem Paar. Gedanken darüber wie es zu dieser Schwangerschaft gekommen sei, machten sie sich aber durchaus und wussten anfangs mit Begriffen wie Selbstinsemination oder Bechermethode nichts anzufangen. Sie stellten Überlegungen an, warum ein Mann einem Frauenpaar privat Samen spenden sollte und was seine Beweggründe wären. Mittlerweile sind aber alle mit der Situation zufrieden und freuen sich darüber Großeltern zu sein. 3.6. Reaktionen vom Umfeld: Das tägliche „Outen-Müssen“ ist anstrengend. Meine Interviewpartnerinnen berichteten kaum über negative Erfahrungen als Regenbogenfamilie durch ihr soziales Umfeld. Allerdings achten die meisten schon gezielt darauf, wo sie sich outen und wo nicht, um mögliche unangenehme Situationen umgehen zu können. Wenn die Paare schließlich doch als Frauenpaar mit Kind identifiziert werden, sehen sie sich immer mit der Frage, wie sie denn zum Kind gekommen seien, konfrontiert. Als Lesbe mit Kind ist man stets gezwungen sich zu outen, es ist ein anstrengender Prozess und es bedeutet stets Intimes über sich selbst preis geben zu müssen. Vor allem in neuen Spielgruppen kommen Mütter oft miteinander ins Gespräch. Die anderen Mütter erzählen Geschichten von Mann und Papa. Wenn Frauenpaare dann auch etwas Persönliches zum Gespräch beitragen möchten, sind sie schon dabei sich zu outen. Ohne Kind war es noch einfacher gewisse Dinge vielleicht nicht zu erwähnen. Jetzt als Mutter geht das nicht mehr, vor allem nicht bei Anwesenheit des Kindes. Natürlich ist es in gewisser Weise verständlich, dass neugierig nachgefragt wird. Viele Menschen wurden bis dahin mit dieser Thematik noch 114 nie konfrontiert. Allerdings ist es immer auch anstrengend, sich wieder und wieder aufs Neue diesen Fragen und neugierigen Blicken stellen zu müssen. Spätestens in der Schule wird wohl noch einiges auf die Regenbogenkinder zukommen und es wird wahrscheinlich die ersten richtigen negativen Erfahrungen geben. Es ist schwer voraussagbar wie die Kinder oder Lehrer_innen einmal reagieren werden. Die Kinder werden sich wohl gegen Vorurteile gegenüber Regenbogenfamilien zu behaupten lernen müssen. Bis jetzt reagierten die Leute eher neugierig und interessiert, und es gab kaum grobe abfällige Bemerkungen. Das österreichische Volk ist laut Andrea und Stefanie vielleicht doch toleranter, als es die Rechtslage vermuten lassen würde. Allerdings können viele nach wie vor mit der Enthüllung, dass die Kinder zwei Mütter haben, wenig anfangen. Manche sind zwar interessiert die genaue Geschichte zu erfahren, trauen sich aber nicht zu fragen, andere haben da weniger Hemmungen und fragen gezielt nach. Es kommt schließlich immer auf die genaue Situation an, wieviel die Paare dann schlussendlich wirklich von sich preis geben. 3.6.1. Im Geburtsvorbereitungskurs: ...und dann immer so, Mama und Papa ... Fast alle werdenden Eltern besuchen vor der Geburt einen Geburtsvorbereitungskurs, auch meine Paare absolvierten so einen Kurs. Allerdings waren die Vortragenden nicht darauf vorbereitet, wie sie mit einem Frauenpaar am besten umgehen sollten. Sie wurden anfangs als beste Freundinnen oder als Schwestern wahrgenommen, stellten aber schnell klar, dass dies nicht der Fall sei. Die Vortragenden blieben allerdings konsequent bei ihrem „Die Väter nach vorne, bitte.“ Vor allem für die sozialen Mütter ist dies oft mühsam, da sie kaum beachtet werden. In Geburtsvorbereitungskursen gibt es kaum Frauenpaare, die auch als solche erkennbar sind. Die Vorstellung, dass „Mama und Papa“ nicht auf alle Paare im Kurs zutreffen könnten, schien den Vortragenden überhaupt nicht erst zu kommen. Viel zu sehr waren sie geprägt von der heteronormativen Vorstellung, dass ein heranwachsendes Kind immer einen Vater und eine Mutter bräuchte. Sie waren auch nicht in der Lage ein neutraleres Wort zu verwenden, sondern hielten an ihrer Realität fest. Nur ein einziger Physiotherapeut passte sich rasch den neuen Gegebenheiten an und verwendete den Begriff „Partner.“ 3.6.2. Am Arbeitsplatz: Also bei mir ist es gar kein Problem. Die Reaktionen der Arbeitgeber_innen und Mitarbeiter_innen auf die Schwangerschaft variierten von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz waren aber größtenteils positiv. Bei fast allen 115 Paaren waren beide Frauen schon vor der Geburt des Kindes im Berufsleben geoutet. Allerdings gibt es auch Frauen, die sich aus Angst vor Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen bei der Arbeit, bis jetzt nicht outeten. Der Großteil der Vorgesetzten zeigte sich verständnisvoll und kooperativ. Die sozialen Mütter bekamen auch zwei Tage Urlaub nach der Geburt des Kindes, dies hätte ihr Chef nicht machen müssen. Bei allen Paaren ging die biologische Mutter nach der Geburt des Kindes im Durchschnitt ein Jahr in Karenz. Für die sozialen Mütter gab es diese Möglichkeit nicht. Eine geteilte Karenz ist nur für Mutter und Vater vorgesehen. Die soziale Mutter hat keinen Anspruch darauf in Karenz zu gehen. Die biologische Mütter werden stets als Alleinerzieherin betrachtet. Mittlerweile sind bis auf Jennifer alle Frauen wieder berufstätig. Die biologischen Mütter arbeiten meist nicht Vollzeit und weniger Stunden als ihre Partnerinnen. 3.6.3. Im Kindergarten: Also die Kindergartenpädagogin ist da sehr sehr klar. Drei der fünf Kinder gehen mittlerweile in den Kindergarten oder in eine Kindergruppe, eines wird demnächst anfangen. Der Kindergarten ist meist der erste Ort an dem die Kinder alleine auf sich gestellt sind und damit konfrontiert werden, dass ihre Familien von vielen als anders betrachtet werden. Aus diesem Grund legten alle Paare einen großen Wert auf die Auswahl des richtigen Kindergartens für ihr Kind. Sie stellten sich als Frauenpaar mit Kind vor und warteten die Reaktionen ab. Den Kindergarten können sie sich noch relativ frei aussuchen, bei der Schule funktioniert dies dann leider nicht mehr so gut. Die Frauenpaare wurden schon öfters nach der Entstehungsgeschichte ihres Kindes gefragt, die meisten Personen reagierten positiv darauf. Gudrun und Milla haben stets ein Buch mit, dass die Kinder und auch deren Eltern über künstliche Befruchtung bei einem Frauenpaar aufklärt. 3.7. Familiensituation: Es gibt keine Vorbilder, man muss sich selber finden. Die von mir untersuchten Familien sind entweder „Zwei-Mütter-Familien“ oder „Queer Families“. Jede Familienkonstellation muss mit unterschiedlichen Problemen zurecht kommen. Monika und Theresa, Andrea und Stefanie sowie Gudrun und Milla erziehen ihr Kind ohne aktive Beteiligung eines Vaters. Die ersten beiden Paare suchten allerdings bewusst Samenspender, die später bereit wären, dem Kind vielleicht Rede und Antwort zu stehen. Momentan gibt es keinen regelmäßigen Kontakt zwischen den Samenspendern und den Frauenpaaren. Bei Monika und Theresa gibt es eine Mama und eine Mami. Andrea und Stefanie entschieden sich für eine andere Variante, Andrea ist die Mama und Stefanie wird 116 vom Kind beim Vornamen gerufen. Bei Milla und Gudrun gibt es eine Mama und eine Äiti, Äiti ist ein finnischer Ausdruck für Mama. Ihr Sohn Aki wird nie etwas über seinen Erzeuger erfahren können, da es sich um eine anonyme Samenspende in einer Samenbank handelte. Allerdings schafften es seine Mütter bis jetzt als einziges gleichgeschlechtliches Paar in Österreich die gemeinsame Obsorge für ihr Kind zu erlangen, sodass er jetzt auch offiziell zwei Mütter hat. Bei Jennifer und Sabine sowie Viktoria und Michaela gibt es aktiven Vater, der am Leben des Kindes aktiv teilnimmt. Die Kinder haben je zwei lesbische Mütter, eine Mama und eine Mami, und einen schwulen Papa. Es gibt regelmäßige Treffen zwischen Vater und Kind. Jennifer und Sabine ließen ihren Samenspender auch als Vater im Geburtenbuch eintragen, Viktoria und Michaela entschieden sich dagegen. Die Familienplanung ist bei den meisten Paaren mit einem Kind abgeschlossen. Theresa hätte zwar gerne ein zweites Kind, aber Monika musste schon davon überzeugt werden zumindest ein gemeinsames Kind zu haben. Auch Andrea hätte gerne ein weiteres Kind, allerdings fühlt sie sich, unter anderem auch auf Grund ihres Alters, gesundheitlich nicht mehr im Stande ein zweites Kind zu bekommen. Sie sind sehr zufrieden mit der jetzigen Situation zu dritt und achten auch so darauf, dass die Kinder ohne Geschwisterchen genug Kontakt mit gleichaltrigen Kindern hat. Gudrun und Milla absolvieren im Moment einen Pflegeelternkurs und überlegen ein Pflegekind bei sich aufzunehmen. Jennifer und Sabine spielen mit dem Gedanken noch ein zweites Kind mit demselben Spender zu bekommen. Da ihre Tochter allerdings erst einige Monate alt ist, wollen sie erst einmal schauen wie sich die Familiensituation weiter entwickelt, bevor sie eine Entscheidung treffen. 3.8. Österreichische Rechtslage: Ich bin nichts! Also keine Rechte. Alle Paare berichteten, dass die Diskriminierungen vor allem durch den Gesetzgeber erfolgten und dass sie im normalen Leben bis jetzt nicht wirklich mit Diskriminierungen konfrontiert wurden. Sie werden von offizieller Seite nur bedingt als Familie betrachtet, nur die biologischen Eltern des Kindes werden auch tatsächlich als Eltern angesehen. Die soziale Elternteile verfügen nur über sehr begrenzte Rechte. Es wird keine familiäre Beziehung zwischen der Co-Mutter und dem Kind gesehen, da die beiden rein rechtlich nicht miteinander verwandt sind. Dies gilt auch wenn das Kind in der aktuellen Beziehung gemeinsam geplant und gezeugt wurde. 117 Da es von rechtlicher Seite keine Möglichkeiten gibt, dass beide Frauen als gemeinsame Mütter des Kindes betrachtet werden, müssen sich die Frauen teilweise selbst kreative Lösungen einfallen lassen um zumindest irgendetwas erreichen zu können. Es gibt die Möglichkeit notarielle Vereinbarungen zu treffen, sodass etwa in Notfällen die soziale Mutter ihr Kind zumindest auf der Intensivstation besuchen dürfte. Allerdings sind all diese Vereinbarungen und Absicherungen nicht hundertprozentig rechtsgültig. Für die interviewten Frauen ist es dennoch wichtig, gewisse Regelungen zu treffen und sei es auch nur für sich selbst. Viktoria und Michaela hatten sogar eine eigene Trauung, sie haben, wie sie es selbst nennen, 2007 geheiratet. Es war ein Ritual, nicht von irgendeiner Kirche aus, sondern einfach ein Fest, eine Hochzeit mit lieben Freund_innen und Familienangehörigen, im Sinne eines symbolischen Aktes. Sie werden von staatlicher Seite her nicht als Frau und Frau betrachtet, von ihren Freund_innen und ihren Familien allerdings sehr wohl. Die österreichische Rechtslage bringt gleichgeschlechtlichen Paaren auch mit Einführung der Eingetragenen Partnerschaft nach wie vor keine vollständige Gleichstellung und Gleichbehandlung. 3.8.1. Eingetragene Partnerschaft: Wir wollten damit ein Zeichen Richtung Familie setzen. Die Eingetragene Partnerschaft wurde in Österreich erst relativ spät eingeführt. Sie brachte gleichgeschlechtlichen Paaren nicht die erhoffte Gleichstellung. Aus diesem Grund entscheiden sich vor allem Paare mit Kinderwunsch oder mit Kindern oft bewusst gegen eine Verpartnerung. Jennifer und Sabine sind eines der wenigen verpartnerten Paare mit Kind in Österreich. Sie gingen die Lebenspartnerschaft vor einigen Jahren in Deutschland ein und seit 1.1.2010 gilt diese nun als Eingetragene Partnerschaft in Österreich. Eigentlich wollten sie damit ein Zeichen setzen, gemeinsam eine Familie zu sein, aber dies ging nach hinten los. Die österreichische Eingetragene Partnerschaft bietet ihnen nun weitaus weniger Rechte als die deutsche Lebenspartnerschaft. Sie haben teilweise sogar weniger Rechte als unverpartnerte Paare. So können sie etwa keinen Antrag auf gemeinsame Obsorge ihres Kindes stellen, da dies in der Eingetragenen Partnerschaft verboten ist. Bei unverpartnerten Paaren ist dies gesetzlich nicht geregelt und somit ein Graubereich. Die anderen Paare entschieden sich bisher bewusst gegen die Eintragung der Partnerschaft, da die Eingetragene Partnerschaft ihrer Meinung nach keine Gleichberechtigung mit sich bringt. Theresa möchte etwa kein Mensch zweiter Klasse sein. Sie bezeichnet die Eingetragene Partnerschaft als sinnlos und hinderlich, wenn es darum geht die gemeinsame Obsorge zu erstreiten. Das Verbot der Stiefkindadoption dürfte bei allen Paaren einen großen Einfluss auf 118 ihre Entscheidung gegen eine Eingetragene Partnerschaft gehabt haben. Für gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch oder mit Kindern stellt die Eingetragene Partnerschaft aus diesen Gründen keine Option dar. Erst durch Änderungen des Gesetzes in den Bereichen Fortpflanzung und Familie, würde die „EP“ als Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Die Eingetragene Partnerschaft ist ein familienfeindliches Gesetz, es versucht die Existenz von bestehenden und werdenden Regenbogenfamilien zu leugnen. Die zahlreichen Ungleichbehandlungen gleichgeschlechtlicher Paare sind sicherlich ein Grund dafür, dass sich viele Paare bewusst gegen eine Eintragung der Partnerschaft entscheiden. Die rechtliche Situation ist für Regenbogenfamilien im Moment alles andere als leicht. Der nicht leibliche Elternteil verfügt praktisch über keine Elternrechte. Die Hauptwünsche von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kinderwunsch sind die Öffnung der Ehe und die Erlangung der gleichen Rechten, beziehungsweise zumindest die Möglichkeit der Stiefkindadoption oder gemeinsamen Obsorge. 3.8.2. Wunsch der Stiefkindadoption: Sie würden sich einfach nur wahnsinnig viel ersparen. Für alle Paare ist die Stiefkindadoption von zentraler Bedeutung, schließlich würden dadurch beide Frauen als vollwertige Elternteile anerkannt werden. Die Möglichkeit der Stiefkindadoption würde aber auch für den Staat eine Erleichterung mit sich bringen. Der Staat betrachtet die biologischen Mütter als Alleinerzieherinnen und muss ihnen deshalb auch mehr zahlen. Durch die Stiefkindadoption wäre auch der Samenspender abgesichert. Er würde damit sämtliche Pflichten aber auch eventuelle offizielle Rechte an die soziale Mutter abtreten. Gudrun und Milla hoffen, dass sich in der nächsten Zeit einiges in Österreich zum Besseren ändern wird. Sie wollen versuchen, dass Milla nach der gemeinsamen Obsorge, nun den Kleinen auch adoptieren kann. Sie sind bereit das Projekt „Adoption“ durch alle Instanzen zu fechten. Die aktuelle rechtliche Situation in Österreich ignoriert die Realität von Regenbogenfamilien. Regenbogenkinder sind da; sie müssten geschützt werden, indem beide Eltern auch gesetzlich anerkannt werden. Regenbogenfamilien gab es in Österreich auch bereits vor der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft und auch die verzwickte Rechtslage wird nichts ändern können, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder bekommen. Der Staat könnte die Situation für Regenbogenfamilien leicht verbessern und erleichtern, indem er etwa die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. 119 3.8.3. Öffnung der Ehe: Wenn da drin steht, ich kann sie dann adoptieren, heirate ich sofort. Mit der Öffnung der Ehe, würde die Stiefkindadoption obsolet werden, denn dann wäre es ganz normal, dass die sozialen Eltern die gleichen Rechte wie der leibliche Elternteil hätte. Der symbolische Charakter einer Hochzeit ist sicherlich nicht zu unterschätzen, allerdings geht es bei der Forderung nach der Öffnung der Ehe doch in erster Linie um den Gewinn bestimmter Rechte. Mit der Öffnung der Ehe wäre auch die Kinderfrage für gleichgeschlechtliche Paare positiv geregelt. Der Wunsch nach Öffnung der Ehe hängt vor allem mit der damit erhofften Verbesserung für die gemeinsamen Kinder zusammen. Andrea: Ich war nie jemand der gesagt hat, ich muss unbedingt mal heiraten. Das war für mich nie wichtig. Es geht mir echt um die Sicherheit für die gemeinsamen Kinder. Ob das jetzt Ehe heißt, Partnerschaft oder Homo-Ehe, ist mir egal, ist nur ein Name. Allerdings wird die Ehe in Österreich nach wie vor als „heilig“ betrachtet und ist ein Privileg für heterosexuelle Paare. Jennifer und Sabine würden zuerst eine Reformation der Ehe und dann erst eine Angleichung vorschlagen, da die aktuelle Form der Ehe sowieso veraltet sei. Viktoria meinte, dass der Großteil der Bevölkerung wohl kein Problem mit der Öffnung der Ehe hätte, höchstens mit der Fremdkindadoption durch gleichgeschlechtliche Paare. Die Politik solle endlich anerkennen, dass gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, ebenso eine Familie sind. Das Familienleben gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern sieht nicht anders aus als das heterosexueller Paare mit Kindern. Es gibt keine Unterschiede, die Ungleichbehandlungen durch den Gesetzgeber rechtfertigen würden. 3.8.4. Obsorge: Wir sind noch immer die Einzigen, die die gemeinsame Obsorge haben. Gudrun und Milla bis jetzt in Österreich das einzige Frauenpaar mit gemeinsamer Obsorge ihres Kindes. Die gemeinsame Obsorge bietet beiden Frauen die gleichen Rechte, beide werden als Eltern angesehen. Es gibt nur wenig Unterschiede zur Stiefkindadoption, diese können aber notariell geregelt werden. Es war ein langwieriger Prozess bis sie es tatsächlich schafften, dass ihr Sohn Aki nun auch offiziell zwei Mütter als Eltern hat. Wenn sie die Eingetragene Partnerschaft gehabt hätten, wäre es nicht einmal möglich gewesen den Antrag auf gemeinsame Obsorge zu stellen. Gudrun: Wennst einmal die gemeinsame Obsorge hast, dann bist auf Schiene. Jetzt haben wir die Abrechnung gekriegt von der Gebietskrankenkassa. Da scheint er lustigerweise jetzt bei ihr auf. Obwohl wir überhaupt nichts gemacht haben. Weil ich hab geglaubt er ist bei mir mitversichert. 120 Andere Paare versuchen nun ihrem Beispiel zu folgen und ebenfalls die gemeinsame Obsorge zu erlangen, bisher leider erfolglos. Es ist allerdings möglich gemeinsam zum Beispiel eine „ÖBB Family Card“ zu erlangen, und auch Versicherungen haben kein Problem damit Regenbogenfamilien als Familienform zu akzeptieren. Ein großer Fortschritt wäre es, wenn auf der Geburtsurkunde nicht länger Mutter und Vater, sondern obsorgeberechtigte Personen stünde. Das eigentliche Ziel sollte es sein, dass die zweite Mutter bereits mit der Geburt des Kindes die Obsorgeberechtigung erlangen könnte und nicht erst der Umweg über die Stiefkindadoption gegangen werden müsste. 3.8.5. Rechtliche Situation des Spenders: Mit der Stiefkindadoption wär das alles geregelt. Private Samenspenden sind in Österreich eben so wenig erlaubt wie Selbstinsemination. Dies kann für alle Beteiligten weitreichende Konsequenzen (wie Geld- und im schlimmsten Fall auch Haftstrafen) mit sich ziehen. Aber auch die Samenspender setzen sich einer Gefahr aus. Da es keine rechtlichen Grundlagen gibt, könnten sie trotz gegenteiliger Vereinbarungen später noch immer zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden. Durch eine Stiefkindadoption wäre dies nicht mehr möglich und auch der Spender wäre abgesichert. Andrea: Dann bräuchte er keine Angst vor einem finanziellen Nachteil haben. Es ist auch einfach wichtig um Finn wirklich ermöglichen zu können, dass er seinen Vater irgendwann mal kennen lernen kann und vom Vater nicht irgendwie ein Rückzieher gemacht wird. Momentan wäre es theoretisch möglich, dass die Kinder ihre Väter später einmal verklagen könnte und diese die Alimente auch rückwirkend zahlen müssten. Sie müssten hierfür nur die Vaterschaft mittels Vaterschaftstest nachweisen können. Die Paare könnten sich dann nur verpflichten dem Spender das Geld zurück zu zahlen. Bei Viktoria und Michaela sowie bei Jennifer und Sabine schaut die Situation etwas anders aus, schließlich gibt es hier einen aktiven Papa. Dieser könnte rein theoretisch mittels Vaterschaftstest mehr Rechte einfordern, auch wenn es andere Vereinbarungen gibt. Es bedarf also immer einer gewissen Portion an Vertrauen zwischen dem Frauenpaar und dem Samenspender, dass dies nicht gemacht wird und die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. 4. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse Die Darstellung der empirischen Ergebnisse zeigte die Probleme und Schwierigkeiten mit denen gleichgeschlechtliche Paare bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches und jetzt als 121 Regenbogenfamilie konfrontiert sehen. Schon bei der Planungs- und Umsetzungsphase werden große Unterschiede zu verschiedengeschlechtlichen Paaren ersichtlich. Gleichgeschlechtliche Paare müssen eine Schwangerschaft gezielt planen, es müssen schon im voraus viele Fragen geklärt und Entscheidungen getroffen werden. Sie sind in ihren Wahlmöglichkeiten wie sie sich ihren Kinderwunsch realisieren könnten stark eingeschränkt. Die gemeinsame Adoption eines Kinds durch ein gleichgeschlechtliches Paar ist in Österreich nicht gestattet. Pflegeelternschaft wäre eine mögliche Alternative. Allerdings ist dies auch nicht in ganz Österreich erlaubt, zudem werden verheiratete kinderlose Paare bei der Vergabe von Pflegekindern deutlich bevorzugt. Durch den Ausschluss aus der Ehe, werden gleichgeschlechtliche Paare hier diskriminiert. Das Recht auf Ehe stellt die zentralste Praktik innerhalb von „Citizenship“ dar, da die Ehe auch immer mit Privilegien sowie Pflichten103 und einem Gewinn an Rechten verbunden ist. Gleichgeschlechtlichen Paaren wird in Österreich auch der Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung verwehrt. Somit bleiben den Paaren bei der Umsetzung des Kinderwunsches nur die Möglichkeit eine Samenbank oder eine Leihmutter zu Hilfe zu ziehen. Frauenpaare haben zudem die Chance eine Selbstinsemination im Inland durch zu führen, dies ist in Österreich allerdings illegal. Dennoch wählt der Großteil der Frauenpaare diese Möglichkeit um schwanger zu werden. Hierbei ist es zumeist notwendig sich privat einen Samenspender zu suchen, oftmals auch über das Internet. Hierdurch begeben sich die Frauen natürlich in eine durchaus gefährliche Situation. Wenn sie einen passenden Samenspender gefunden haben, müssen sie den Gesundheitstests glauben und ein gewisses Maß an Grundvertrauen in ihren Spender mitbringen. Auch für den Spender könnte diese Aktion rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Er könnte, auch wenn andere Vereinbarungen getroffen würden, vom Kind später zum Zahlen von Unterhalt verklagt werden, da die Frauen eigentlich nicht im Namen ihres Kindes von vornherein verzichten dürften. Durch die Öffnung der künstlichen Befruchtung für alleinstehende oder lesbische Frauen könnte der Kinderwunsch auch ohne männlichen Partner auf legalem Wege realisiert werden. Ken Plummer thematisiert in seinem „Intimate Citizenship“ Konzept zehn Zonen von Intimität. Es geht darum Wahlmöglichkeiten zu haben, was wir mit unserem Körper, unserer Sexualität oder Familie machen. Gleichgeschlechtlichen Paaren werden in Österreich nun 103 In jeder Lebensgemeinschaft haben die Partner_innen Pflichten dem oder der Anderen gegenüber. Bestimmte Rechte und Privilegien sind allerdings verheirateten heterosexuellen Paaren vorbehalten. 122 viele dieser Möglichkeiten genommen, sie sind somit in ihren „Citizenship-Rechten“ eingeschränkt. Heterosexualität wird nach wie vor als Norm gesehen, Menschen die nicht nach diesem Ideal leben, sehen sich stets gezwungen sich zu erklären. Die größten Ungleichbehandlungen sehen die interviewten Paare klar von staatlicher Seite, die österreichische Rechtslage diskriminiert bestehende und werdende Regenbogenfamilien in vielen Bereichen. So verhindert die rechtliche Situation in Österreich, dass der soziale Elternteil die gleichen Rechte gegenüber dem gemeinsamen Kind hat, wie der leibliche Elternteil. Zwischen Kind und Co-Mutter oder Co-Vater gibt es kein Verwandtschaftsverhältnis, rechtlich gesehen sind sie zueinander fremde Personen. Es ist nicht gestattet, das Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren und auch nach dem Tod des leiblichen Elternteils ist ungewiss ob das Kind beim zweiten Elternteil bleiben darf. Diese Diskriminierungen wirken sich belastend auf die Familiensituation aus. Es können zwar gemeinsame Vereinbarungen zwischen sozialer und biologischer Mutter, und dem Samenspender getroffen werden, allerdings sind diese nicht zwangsläufig rechtsgültig. Aus diesem Grunde wäre die Möglichkeit der Stiefkindadoption oder zumindest die gemeinsame Obsorge für Regenbogenfamilien in Österreich sehr erstrebens- und wünschenswert. Die Forderung nach Öffnung der Ehe, geht vor allem auf den Dazugewinn von Rechten zurück. Gleichgeschlechtliche Paare erhoffen sich dadurch, dass die Kinderfrage positiv für sie geklärt wäre und das Kind tatsächlich als ihr gemeinsames Kind gelten würde und beide über die gleichen Elternrechte verfügen würden. Die Absicherung der gemeinsamen Kinder scheint von höchster Priorität zu sein. Drei der fünf Paare entschieden sich das Kind ohne aktiven Vater gemeinsam zu erziehen. Die beiden anderen Paare wollten, dass ihr Samenspender nach der Geburt die Vaterrolle für das Kind übernehmen sollte, hierfür wählten beide einen schwulen Mann. Dadurch ergeben sich neue Familienkonstellationen, diese Kinder verfügen nun über zwei lesbische Mütter und einen schwulen Vater. Der Vater wird als Besuchspapa ohne negative Konnotationen, im Gegensatz zu geschiedenen Paaren, beschrieben. Das Kind wächst in beiden Fällen bei den Frauen auf, die Väter sehen die Kinder aber regelmäßig. Bis jetzt erlebten die untersuchten Regenbogenfamilien keine offenen Diskriminierungen. Die meisten Menschen reagieren sehr neugierig, wenn sie herausfinden, dass hier zwei Frauen gemeinsam ein Kind haben. Die Paaren sehen sich ständig mit neugierigen Fragen und 123 Blicken konfrontiert, allerdings gab es noch kaum negative Bemerkungen dazu. Bei der Wahl des Kindergartens für ihre Kinder, war es den Paaren sehr wichtig, offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen und klar als Familie aufzutreten. Nur wenn sie das Gefühl hatten, dass die Pädagog_innen gut mit dieser Situation umgehen könnten und sie keine homophoben Tendenzen spürten, entschieden sie sich ihr Kind dorthin zu geben. Bisher funktionierte dies sehr gut. Alle Paare befürchten aber dass ihre Kinder später in der Schule wohl durchaus diskriminierende Erfahrungen aufgrund ihrer Familienkonstellation machen werden. Sie versuchen nun so gut es eben geht die Kinder zu stärken und sich mit anderen Regenbogenfamilien zu treffen, sodass die Kinder merken, dass es noch andere Familien wie ihre gibt. Interessant zu beobachteten war, dass die Frauenpaare kaum über Ungleichbehandlungen in alltäglichen Situationen berichteten. Sobald es allerdings um Rechte oder staatliche Unterstützungen ging, berichteten sie über Diskriminierungen. Die prekäre Situation der Kinder und der sozialen Elternteile wurde ständig thematisiert. Die Stiefkindadoption wäre das große Ziel der Frauenpaare, dadurch wäre einiges geklärt und die Kinder wären besser abgesichert. Die Schaffung der Eingetragenen Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich brachte nicht die erhofften Erleichterungen. In einigen Bereichen werden verpartnerte Paare sogar benachteiligt. Eingetragenen Partner_innen ist es etwa absolut verboten, das Kind der Partner_in zu adoptieren, sie können nicht einmal versuchen die gemeinsame Obsorge vor Gericht einzuklagen. Mehrere unverpartnerte Paare versuchen momentan die gemeinsame Obsorge zu erlangen. Bisher gelang dies allerdings nur einem Paar, den von mir interviewten Gudrun und Milla, alle anderen Anträge wurden abgelehnt. Dies zeigt wie sehr scheinbar private Entscheidungen, wie zum Beispiel Kinder kriegen, von staatlichen Institutionen geprägt sind. Hochzeit, Familie oder Kindererziehung finden stets an der Schnittstelle zwischen privater und öffentlicher Sphäre statt. Durch den Ausschluss aus der Ehe dem Verbot der künstlichen Befruchtung oder dem absoluten Adoptionsverbot werden gleichgeschlechtliche Paare in ihren Wahlmöglichkeiten beschnitten, bestimmte „CitizenshipRechte“ werden ihnen vorenthalten. Frauenpaare werden bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches oftmals in die Illegalität gedrängt. Österreich hätte sich bei der Einführung der „EP“ durchaus auch ein Beispiel an Ländern nehmen können, die gleichgeschlechtlichen Paaren mittlerweile die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtlichen Paaren gewähren. 124 5. Klage gegen Verbot der künstlichen Befruchtung Im Jahre 2012 gibt gleichgeschlechtlichen es und nach wie vor große Ungleichbehandlung verschiedengeschlechtlichen Paaren. Die zwischen größten Diskriminierungen erfolgen von rechtlicher Seite her. Auch die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft brachte keine Gleichstellung. Bereits bestehende Regenbogenfamilien und solche die es noch werden wollen, wurden vom Gesetz komplett ignoriert. Aus diesem Grunde klagen nun einige Paare gegen den österreichischen Staat für eine Aufhebung besonders familienfeindlicher Gesetzesparagrafen. Eines dieser Paare sind Christina Maria und Daniela Bauer.104 Christina Maria Bauer und Daniela Bauer klagen mit Hilfe des Rechtsanwalts Dr. Helmut Graupner und dem „Rechtskomitee LAMBDA“ („RKL“) gegen das Verbot der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für lesbische Paare. Sie sind seit über vier Jahren ein Paar und im Sommer 2008 heirateten sie in Deutschland. Christina verwendet immer Begriffe wie Heirat oder Frau, wenn sie von der Schließung der Eingetragenen Partnerschaft oder ihrer Partnerin spricht. Sie muss allerdings immer erklären, dass sie in einer Eingetragenen Partnerschaft lebt und mit der Bezeichnung „meine Frau“ ihre Partnerin gemeint ist. Nach der Verpartnerung in Deutschland zogen sie endgültig zusammen und seit 2010 ist die Eingetragene Partnerschaft auch in Österreich gültig. In Österreich wurde Christina dadurch ihr Familienname aberkannt, sie darf diesen nun nur noch als Nachnamen führen. Daniela nahm bei der Verpartnerung Christinas Familiennamen an, da sie Deutsche ist, gilt auch das deutsche Namensrecht und sie hat weiterhin einen Familiennamen. Für Christina war immer klar, dass sie einmal Kinder möchte, sie möchte gemeinsam mit Daniela eine Familie gründen. Daniela kann aus gesundheitlichen Gründen kein Kind austragen. Aus diesem Grund war schnell geklärt, dass Christina das Kind zur Welt bringen sollte. Sie versuchen gegen die österreichische Rechtslage vorzugehen, damit es künftig für gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch weniger Hürden geben wird. Da sie es noch nicht ganz so eilig haben, ihren Kinderwunsch in die Realität umzusetzen, wollen sie erst die endgültigen Entscheidungen des obersten Gerichtshof abwarten. Erst wenn ihre Klage endgültig negativ entschieden werden sollte, denken sie über Alternativen nach. Sie hoffen 104 Interview mit Christina Maria Bauer 2011: Persönliches Interview per Internet am 2.9. und 4.9.2011. Paar mit Kinderwunsch. Wien; Auf Grund der räumlichen Distanz erfolgte die Befragung via Internet. 125 natürlich auch, dass sich die Rechtslage bis dahin generell zu ihren Gunsten verbessert, denn aktuell hätte Daniela dann keine Rechte dem Kind gegenüber. Daniela und Christina wollen gleiche Rechte und Pflichten für alle. Sie würden die Öffnung der Ehe sehr begrüßen, da sich dann auch gleiche Elternrechte davon versprechen. Allerdings käme auch eine Abschaffung oder Modernisierung der Ehe in Frage, schließlich geht um die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare in allen Belangen.Sie versuchen durch ihre Klage ihriges für eine Verbesserung der Situation in Österreich zu tun. Vor einigen Jahren wurden sie vom „RKL“ gefragt, ob sie denn nicht bereit wären sich dafür zur Verfügung zu stellen. Es wurde ein gleichgeschlechtliches Paare mit Kinderwunsch gesucht, bei dem eine Partner_in aus dem Ausland komme und die beiden in diesem Land die Eingetragene Partnerschaft eingegangen seien. Sie stehen nun mit Namen und Gesicht hinter der Sachen, geben Interviews und stehen für weitere Informationen zur Verfügung. Ihre Hoffnung ist es, dadurch die gesetzliche Situation soweit ändern zu können, dass es möglich wird, dass ein Kind spätestens durch die Geburt zwei Mütter als rechtliche Elternteile haben kann. Vorbilder sind hier Spanien, Schweden oder Norwegen. In Österreich wird es wohl noch etliche Jahre dauern bis eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher Paare auf allen Ebenen erreicht ist. Bis Christinas und Danielas Klage endgültig entschieden ist, hält Christina alle Interessierten über den Verlauf ihrer Klage auf ihrer Homepage auf dem Laufenden.105 V. RESÜMEE UND AUSBLICK Diese Arbeit beschäftigte sich mit Regenbogenfamilien in Österreich. Die anfangs vorgestellte Forschungsfrage lautete: „Welche Möglichkeiten stehen Frauenpaaren in Österreich bei der Umsetzung des Wunsches nach eigenen Kindern zur Verfügung um gemeinsam eine Familie zu gründen?“ Mit welchen Problemen und Schwierigkeiten werden sie dabei konfrontiert? Durch die Darstellung der Ergebnisse der empirischen Studie wurden die Schwierigkeiten und Probleme bei der Umsetzung des Kinderwunsches vorgestellt. Ungleichbehandlungen finden vor allem von staatlicher, rechtlicher Seite statt. Gleichgeschlechtliche Paare haben in Österreich zwar die Möglichkeit ihre Partnerschaft registrieren zu lassen, allerdings werden sie nach wie vor von der Ehe ausgeschlossen. Da die Ehe aber viel mehr als eine reine Zweierbeziehung 105 Homepage von Christina Maria Bauer: http://thepinksheep.at/ 126 darstellt, werden gleichgeschlechtliche Paare durch diesen Ausschluss diskriminiert. Das Institut der Ehe ist untrennbar mit Privilegien und einem Statusgewinn verbunden. Verheiratete Paare verfügen über bestimmte Rechte, die unverheirateten verschlossen bleiben. Bei der Forderung der Öffnung der Ehe geht es in erster Linie um den Wunsch dadurch gleiche Rechte zu erlangen. Die Absicherung gemeinsamer Kinder ist hierbei von höchster Priorität. Zwischen 15 und 20 Prozent aller verschiedengeschlechtlicher Paare sind unfreiwillig kinderlos.106 Ihnen stehen jedoch weitaus mehr Möglichkeiten als gleichgeschlechtlichen Paaren zur Verfügung um doch noch Eltern zu werden. Frauenpaaren wird in Österreich die Umsetzung des Kinderwunsches auf legalem Weg verwehrt. Sie haben keinen Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung und auch die gemeinsame Adoption eines Kindes ist nicht erlaubt. Sie können lediglich in einigen Bundesländern gemeinsam versuchen Pflegekinder aufzunehmen. Allerdings können auch diese gesetzlichen Regelungen nichts daran ändern, dass es Regenbogenfamilien gibt und dass sie immer mehr in die Öffentlichkeit drängen. Noch vor einigen Jahren stammte der Großteil der Regenbogenkinder aus vorangegangenen heterosexuellen Beziehungen. Mittlerweile werden die meisten Kinder bereits in eine bestehende gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren. Frauenpaare finden auch so Möglichkeiten sich ihren Kinderwunsch zu realisieren. So können sie etwa ins Ausland ausweichen und dort mittels einer Samenbank oder einer Leihmutter versuchen, ein Kind zu bekommen. Im Inland haben Frauenpaare die Möglichkeit eine illegale Selbstinsemination durchzuführen. Dies kann im schlimmsten Fall jedoch sogar mit einer Haft- oder Geldstrafe geahndet werden. Die meisten Frauenpaare suchen über das Internet privat nach Samenspendern. Hier gehen sie das Risiko ein, einem unbekannten Mann vertrauen zu müssen, dass er keine ansteckenden oder vererbaren Krankheiten hat und ihnen einfach nur dabei helfen will ihren Kinderwunsch umzusetzen. Da es keine gesetzlichen Regelungen für private Samenspender gibt, müssen die Beteiligten selbst Vereinbarungen treffen. Diese sind allerdings nicht rechtsgültig. Der Samenspender könnte zum Beipiel trotz gegenteiliger Arrangements seine Vaterrechte einforden. Andererseits kann auch das Kind später seinen Erzeuger auf Unterhalt verklagen und seine Vaterschaft feststellen lassen. Es bedarf also einer gehörigen Portion gegenseitigen Vertauens, dass sich alle Beteiligten auch wirklich an die getroffenen Abmachungen halten. 106 Unfreiwillig kinderlose Paare: http://www.schwangerschaft.at/de/kinderwunsch/kinderwunschbehandlung/article.kunstlichebefruchtung.html 127 Durch gesetzliche Regelungen werden gleichgeschlechtliche Paare in ihren Wahlmöglichkeiten stark beschnitten, ihnen werden bestimmte „Citizenship-Rechte“ verweigert. Das Konzept von „Intimate-Citizenship“ bildete somit zurecht den theoretischen Rahmen dieser Arbeit. In diesem Konzept geht es um Schnittstellen zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Kinder, Familie oder Eheschließungen fallen genau in diese Bereiche. Diese scheinbar intimsten Bereiche sind untrennbar mit öffentlichen Diskursen und Institutionen verbunden. Verschiedengeschlechtlichen Paaren stehen bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches, auch bei Unfruchtbarkeit des Mannes oder der Frau etliche Wahlmöglichkeiten offen. Gleichgeschlechtliche Paare haben diese Möglichkeiten nicht. Frauenpaare haben es hierbei allerdings doch noch um einiges leichter als Männerpaare zu einem Kind zu kommen. Sie können mittels Spendersamens eine Schwangerschaft erzielen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass über 90 Prozent aller Regenbogenfamilien aus zwei Müttern mit meistens einem Kind bestehen. Schwule Männer oder Paare nutzen vereinzelt die Möglichkeit mit einem lesbischen Paar gemeinsam ein Kind zu bekommen. Die österreichische Rechtslage sieht kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem sozialen Elternteil und dem Kind. Nur die biologischen Eltern werden als Eltern anerkannt. Die biologischen Mütter gelten vor dem Gesetz her als Alleinerzieherinnen, auch wenn die Partnerin im selben Haushalt lebt und genauso an der Kindererziehung beteiligt ist. Eine Stiefkindadoption, also die Adoption des Kindes der Partnerin, ist ihnen nicht gestattet. Die Erlangung der Stiefkindadoption oder zumindest die gemeinsame Obsorge sind das große Ziel gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern. Dadurch würden dann die sozialen Eltern die gleichen Elternrechte wie die biologischen Eltern haben. Die Kinder hätten dann auch offiziell vor dem Gesetz zwei Mütter. Bisher gelang es erst einem einzigen Frauenpaar in Österreich die gemeinsame Obsorge für ihr Kind vor Gericht einzuklagen. Die von mir interviewten Gudrun und Milla schafften es bisher als Einzige durch einen längeren Rechtsstreit die gemeinsame Obsorge für ihr Kind vor Gericht zu erlangen. Andere Paare versuchen nun diesem Beispiel zu folgen, bislang allerdings erfolglos. Das Eingetragene Partnerschafts-Gesetz brachte nicht die erhofften Erleichterungen für Regenbogenfamilien, vielmehr wurde ihre Existenz bei der Umsetzung des Gesetzes ignoriert. Verpartnerten Paaren ist es absolut untersagt, das Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren, selbst dann wenn dieses in der bestehenden Beziehung gemeinsam geplant wurde. Sie haben also was Kinder betrifft sogar weniger Rechte als unverpartnerte Paare. Da es keine 128 gesetzlichen Regelungen für gemeinsame Obsorge bei gleichgeschlechtlichen Paaren gibt, ist dies ein Graubereich und sie könnten zumindest einen Antrag stellen. Sobald sie allerdings in einer Eingetragenen Partnerschaft leben, können sie dies nicht mehr machen, da es dann vom Gesetz her verboten ist. Durch die Gründung des Vereins „FAmOs“, von und für Regenbogenfamilien wurde ein Schritt in Sachen sichtbarer machen von Regenbogenfamilien gemacht. Dieser Verein fungierte auch für mich als große Informationsquelle und übernahm die Vermittlerrolle bei der Suche nach Interviewpartner_innen für diese Arbeit. Die Obfrau des Vereins stellte sich für ein Expert_inneninterview zur Verfügung und die fünf von mir engagierten Frauenpaare engagieren sich ebenfalls für den Verein. Durch Austauschmöglichkeiten von Regenbogenfamilien untereinander, sowie durch gute Vernetzungen mit ausländischen Organisationen kann gemeinsam versucht werden, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und die Präsenz von Regenbogenfamilien zu fördern. Bisher gibt es keine statistischen Daten oder Studien über Regenbogenfamilien in Österreich. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass ungefähr in einem Drittel aller gleichgeschlechtlichen Beziehungen in Österreich Kinder leben und aufwachsen. Die Darstellung verschiedener Erlebnisse von Regenbogenfamilien in dieser Arbeit, zeigte dass in Alltagssituationen kaum negative Bemerkungen vorkommen, sondern vielmehr Neugierde und Interesse da sind. Durch vermehrte Öffentlichkeitsarbeit könnte zum Beispiel geklärt werden, welche Möglichkeiten gleichgeschlechtliche Paare haben, um gemeinsam ein Kind zu bekommen. Dadurch könnte das ständige neugierige Fragen nach der Erzeugung der Kinder unterbunden werden. Die interviewten Paare würden sich vor allem eine Verbesserung für gemeinsame Kinder erhoffen. Durch die Öffnung der Ehe wäre auch die Kinderfrage für gleichgeschlechtliche Paare positiv geregelt und Stiefkindadoption oder die Erlangung der gemeinsamen Obsorge wären obsolet. Der Fokus dieser Arbeit lag auf der Darstellung der Hindernisse und Probleme mit den gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern oder mit Kinderwunsch tagtäglich in Österreich konfrontiert werden. Auch durch die Schaffung der Eingetragenen Partnerschaft verfügen gleichgeschlechtliche Paare nach wie vor nicht über die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtliche heteronormative Paare. Das „EPG“ Grundvorstellungen. reproduziert Durch 129 die wie auch Änderung produziert des Fortpflanzungsmedizingesetzes wurde sicher gestellt, dass verpartnerte Paare unter keinen Umständen als eheähnliche Lebensgemeinschaft angesehen werden. Verheiratete aber auch unverheiratete verschiedenengeschlechtliche Paare verfügen in Österreich über das Privileg medizinisch unterstützte Fortpflanzungsmethoden bei der Umsetzung ihres Kinderwunsches anwenden zu dürfen. Gleichgeschlechtliche Paare haben diese Möglichkeiten nicht, zudem sie sich mit einem absoluten Adoptionsverbot konfrontiert. Momentan gibt es einige Klagen gleichgeschlechtlicher Paare gegen Diskriminierungen durch den Gesetzgeber. Aktuell gibt es heftige Diskussionen um das Verbot des Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung für lesbische Paare. Die von mir interviewte Maria Christina Bauer klagt gemeinsam mit ihrer Partnern gegen das Verbot der künstlichen Befruchtung für lesbische Paare geklagt. Die Bioethikkommission spricht sich gegen dieses Verbot aus. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek begrüßt diese Entscheidung. Mit einer endgültigen Entscheidung des Höchstgerichts ist im Laufe des Herbstes 2012 zu rechnen.107 Einige Regenbogenfamilien versuchen auch auf gerichtlichem Weg die gemeinsame Obsorge ihres Kindes zu erstreiten. Es bleibt abzuwarten wie diese Klagen entschieden werden und ob Österreich sich an Ländern wie Norwegen oder Schweden, die gleichgeschlechtlichen Paaren die gleichen Rechte wie verschiedengeschlechtlichen Paaren zugestehen, orientieren wird. Für weitere Forschungen zu dieser Thematik würde es sich anbieten zusätzliche verschiedene Regenbogenfamilienkonstellationen zu untersuchen und diese miteinander zu vergleichen, etwa schwule Eltern mit Adoptiv- oder Pflegekind, oder auch gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern aus vorangegangenen heterosexuellen Familien. Die in dieser Arbeit vorgestellten Frauenpaare stehen allerdings repräsentativ für die Mehrheit der Regenbogenfamilien. Schwulen Männern bleibt oft nur die Möglichkeit als Samenspender zu fungieren und zu hoffen, dass sie nach der Geburt auch eine aktive Vaterrolle einnehmen können. Diese Arbeit wollte Regenbogenfamilien in Österreich und deren Ungleichbehandlungen vor allem durch rechtliche Regelungen näher vorstellen und aufzeigen, dass trotz aller Unterschiede, Regenbogenfamilien einfach eine von vielen möglichen Familienkonstellationen darstellen. Ich möchte diese Arbeit mit folgendem Zitat beenden: Der Punkt ist, die sollten ihre Augen öffnen. Bei uns läuft es genauso ab wie in zigtausend Familien um 19.00 heute Abend. Also was ist jetzt der große Unterschied zwischen unserer Familie und der Familie von Akis Kumpel? 107 Bioethikkommission spricht sich gegen Verbot aus: http://diestandard.at/1334531036094/Bioethikkommission-spricht-sich-gegen-Verbot-aus 130 VI. QUELLENVERZEICHNIS Sämtliches online einsehbare Material wurde von der Verfasserin zuletzt am 31.7.2012 abgerufen. Literaturliste Albertson Fineman, Martha 2009: The Sexual Family, In: Albertson Fineman, Martha/Jackson, Jack E./ Romero, Adam P. 2009: Feminist and Queer Legal Theory – Intimate Encounters, Uncomfortable Conversations, MPG Books Group UK, S 45-64 Alheit, Peter 1999: Grounded Theory. Ein alternativer methodologischer Rahmen für qualitative Forschungsprozesse. Universität Göttingen, (online: http:// www.unihildesheim.de/media/forschung/cebu/PDFs/Paper_Alheit_Grounded_Theory.pdf ) Bartel, Rainer (Hg.) 2008: Heteronormativität und Homosexualitäten. Studienverlag, Innsbruck Bell, David/Binnie, Jon 2000: The Sexual Citizen – Queer Politics and Beyond. Blackwell Publishers Inc., Malden/USA Bellamy, Richard 2008: Citizenship. 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Tochter Clara 2 ½ Jahre alt. Wien P2: Interview mit Andrea und Stefanie 2011: Persönliches Interview am 9.8.2011. Sohn Finn 3 Jahre alt. Wien P3: Interview mit Gudrun und Milla 2011: Persönliches Interview am 1.10.2011. Sohn Aki 4 Jahre alt. Wien P4: Interview mit Jennifer und Sabine 2011: Persönliches Interview am 23.8.2011. Tochter Carolina 2 Monate alt. Niederösterreich P5: Interview mit Viktoria und Michaela 2011: Persönliches Interview am 3.10.2011. Sohn Philip 1 ½ Jahr alt. Niederösterreich Interview mit Christina Maria Bauer 2011: Persönliches Interview am 2.9. und 4.9.2011. Paar mit Kinderwunsch. Wien Expert_inneninterview mit Barbara Schlachter-Delgado 2011: Persönliches Interview am 9.8.2011. Vereinsobfrau FAmOs – Familien Andersrum Österreich. Wien Fieldnotes 145 Abkürzungsverzeichnis ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch BZÖ Bündnis Zukunft Österreich ebd ebenda EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EP Eingetragene Partnerschaft EPG Eingetragenes Partnerschaftsgesetz FAmOs Familien Andersrum Österreich FmedG Fortpflanzungsmedizingesetz FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs GT Grounded Theory HOSI Homosexuellen Initiative LPartG Lebenspartnerschaftsgesetz NELFA Network of European LGBT Families Association ÖVP Österreichische Volkspartei PACS Pacte Civil de Solidarité, Ziviler Solidaritätspakt RKL Rechtskomitee Lambda SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs vgl vergleiche ZIP Zivilpakt 146 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: S 28 Werbekampagne für gleichgeschlechtliche Paare http://www.soho.or.at/glbt/archives/date/2006/page/2 als Pflegeeltern Abbildung 2: in Wien: S 32 Menstruationstasse – Yuuki Cap Inseminationskappe: http://www.queer-baby.info/shop/yuukicup-inseminationskappe.php Abbildung 3: S 53 Gesetzliche Regelungen zu Homosexualität weltweit: http://de.wikipedia.org/w/index.php? title=Datei:World_homosexuality_laws.svg&filetimestamp=20111113132155 Abbildung 4: S 66 Regenbogenparade 2011, Wagen der Antidiskriminierungsstelle mit Regenbogenfamilien: https://www.facebook.com/photo.php? fbid=212994525405237&set=pu.204974442873912&type=1&theater Abbildung 5: S 73 Logo von „FAmOs“: http://www.regenbogenfamilien.at/ Ich habe mich bemüht sämtliche Inhaber_innen der Bildrechte ausfindig zu machen und ihre Zustimmung zur Verwendung der Bilder in dieser Arbeit eingeholt. Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzung bekannt werden, ersuche ich um Meldung bei mir. 147 ANHANG Abstract Gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch oder Kindern werden in Österreich bis jetzt von staatlicher Seite größtenteils ignoriert. In dieser Arbeit sollen nun die Probleme, Schwierigkeiten und Erfahrungen von Regenbogenfamilien in den Mittelpunkt gestellt werden. Fünf Frauenpaare schildern ihren Weg vom Kinderwunsch zum Wunschkind. In Österreich haben Frauenpaare keine Möglichkeit sicher und risikofrei den Kinderwunsch gemeinsam umzusetzen. Sie haben keinen Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung. Zusätzlich sehen sie sich mit einem absoluten Adoptionsverbot konfrontiert. Nicht nur die Fremdkindadoption, sondern auch die Adoption des Kindes der Partnerin, die sogenannte Stiefkindadoption, bleibt ihnen verwehrt. Um den Wunsch eines eigenen Kindes umzusetzen können sie eine ausländische Samenbank in Anspruch nehmen oder eine Selbstinsemination zuhause durchführen. Die Mehrzahl der Frauen entscheiden sich für die zweite Variante. Sie suchen sich privat, meist über das Internet einen passenden Spender. Seit Juni 2011 gibt es in Österreich nun „FAmOs - Familien Andersrum Österreich“, ein Verein von und für Regenbogenfamilien, der sich für die Sichtbarmachung der Probleme und Schwierigkeiten von Regenbogenfamilien einsetzt. Durch gesetzliche Regelungen werden gleichgeschlechtliche Paare in ihren Wahlmöglichkeiten stark beschnitten, ihnen werden bestimmte „Citizenship-Rechte“ verweigert. Das Konzept von „Intimate-Citizenship“ bildet aus diesem Grund den theoretischen Rahmen dieser Arbeit. In diesem Konzept geht es um Schnittstellen zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Kinder, Familie oder Eheschließungen fallen genau in diese Bereiche. Diese scheinbar intimsten Bereiche sind untrennbar mit öffentlichen Diskursen und Institutionen verbunden. Den rechtlichen Rahmen dieser Arbeit bildet die Charakterisierung der Eingetragenen Partnerschaft in Österreich. Die empirischen Ergebnisse liefern intime Einblicke in Alltagsprobleme und -schwierigkeiten mit denen Regenbogenfamilien auf ihrem Weg zur Anerkennung als Familie und gleichwertige Elternteile konfrontiert sind. Gesetzliche Änderungen könnten Regenbogenfamilien zu mehr Rechten und Akzeptanz in der Gesellschaft verhelfen. Österreich sollte sich hierbei ein Bespiel an Ländern nehmen, in denen zum Beispiel schon die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gibt. Es bleibt abzuwarten wann der österreichische Staat soweit sein wird, Regenbogenfamilien als vollwertige und vor allem gleichwertige Familien zu akzeptieren. 148 Lebenslauf Persönliche Angaben: Manuela Maurer, BA MA geb. 30.3.1984 in Wien österreichische Staatsbürgerschaft Ausbildung: 2009 - 2011 Masterstudium der Politikwissenschaften (Universität Wien) seit 2003 Diplomstudium der Kultur- und Sozialanthropologie (Universität Wien) 2007 – 2009 Bachelorstudium der Politikwissenschaft (Universität Wien) 1998 - 2002 AHS Matura Berufserfahrung: Juni 2012 Interviewtätigkeit, Straßenbefragungen für Institut Jaksch & Partner Mai 2011 Interviewtätigkeit für IDC (Organisation for International Dialogue and Conflict Management) Februar/März 2011 Promotion für Salzburger Nachrichten Jänner bis Juni 2009 Organisation des Südwind Straßenfestes 2009 2005-2009 TST Catering: Service-, Küchen- und Buffetkraft 2003 Betreuung von Jugendlichen mit Behinderungen, Integration NÖ Praktika/ehrenamtliche Tätigkeiten: September 2010 Südwind Sommerakademie 2010 September bis November 2008 Praktikum bei Südwind, Regionalstelle Wien Oktober 2007 bis Jänner 2008 Flüchtlingsbuddykurs im Integrationshaus Wien 2007 - 2008 ehrenamtliche Mitarbeit JUCA–Caritas Haus für junge Erwachsene Juli 2007 Lerneinsatz der Dreikkönigsaktion in Ghana, Cross Cultural Study Tour Stipendien und Förderungen: 2012 Förderung als Nachwuchswissenschaftlerin durch ÖH Uni Wien 2011 Förderung als Nachwuchswissenschaftlerin durch ÖH Uni Wien August 2009 bis Juni 2010 Erasmus Stipendium in Lund, Schweden 149