Das RestauRant DeR
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Das RestauRant DeR
Das Restaurant der Zukunft Big Brother lässt grüssen: ein als Kantine getarntes Hightech-Labor in den Niederlanden untersucht, warum man wann und wo wie viel isst. Das Ziel: gesunde ernährung, ohne dass es einem bewusst wird. text: Robert Kropf 38 schaufenster S o stellt man sich das Restaurant der Zukunft nicht vor: eine Kantine auf einem Universitätsgelände im mausgrauen, niederländischen Wageningen. Viel Eichenholz, große Glasfenster, ein weiterer trendiger (also nichtssagender) Speisesaal für Forscher und Studenten. Durchschnitt as Durchschnitt can be – wie im richtigen Leben. Foto: Gramercy PArk Hotel Big Brother im Speisesaal. Dabei sollte man – wieder wie im richtigen Leben – dem ersten Eindruck nicht allzu sehr trauen. Die Kantine ist ein Hochleistungslabor, versteckt hinter der Fassade einer Universitätskantine. 35 Videokameras schielen aus den Wänden, mit 360-GradRotation und 600-fachem Zoom. Sie nehmen alles auf – jeden Schritt und Tritt, jeden Schluck und Bissen. Eine im Boden versteckte Waage misst das Gewicht, während man an der Kasse steht. Sensoren in den Stühlen tasten den Body-Mass-Index und die Herzfrequenz ab. In Kürze starten die Wissenschaftler ein computergesteuertes Face-Reading-Programm – und sie legen Löffel auf den Tisch, die über Sensoren die Essgeschwindigkeit messen. Im Kontrollraum ein paar Türen weiter: 22 Wissenschaftler beobachten das alles. Wenn das Essen nicht schmeckt, dann sehen sie das. Und verstehen, warum, noch bevor man selber drüber nachdenkt. Hinter dem Restaurant der Zukunft steht René Koster. Der Forscher leitet das Projekt, das drei Millionen Euro kostet und im Jänner 2008 startete. Das Ziel: herauszufinden, warum man wann und wo was und wie viel isst. „Aus Studien wissen wir, dass Menschen rund 200 Entscheidungen täglich treffen, die mit Essen in Zusammenhang stehen. Aber nur etwa 50 davon werden bewusst getroffen.“ Also kann man nicht einfach fragen, sondern muss sich „versteckt“ annähern. Im Restaurant der Zukunft gehe es darum herauszufinden, was Menschen bei der Nahrungsaufnahme beeinflusst: Farben, Geräusche, Gerüche, Verpackungen, die Möbel oder das Personal – vor allem, in welchem Zusammenhang, über einen sehr langen Zeitraum beobachtet. Ein Kaffee sieht rot. Die ersten Ergebnisse liegen auf dem Tisch. Details wie Farben bestimmen die Geschmackssensibilität der Probanden enorm. Auf Nicht-Wissenschaftler-Deutsch: Kaffee in der roten Tasse: starker Kaffee. Derselbe Kaffee in der weißen Tasse: schwächerer Kaffee. Andere, schon ausgewertete Beispiele im Kantinenlabor, wo Lichtfarben, Düfte, Teller- und Tischgrößen, Musik und Stoffbezüge konsequent nach genauem Plan gewechselt werden: Bei rotem Licht isst man langsamer als bei blauem – dafür aber in Summe mehr. Süßer Duft in der Luft lässt den Appetit auf Desserts steigen. Frauen essen weniger, wenn Männer am Tisch sitzen. Wein in schwarzen Gläsern führt dazu, dass weniger getrunken wird. Ganz neu ist die Sache nicht: „Die Nahrungsmittelindustrie und die Supermärkte manipulieren uns schon lange“, sagt Koster. Das Wissen darüber sei allerdings Rotes Restaurant. Ist ein Restaurant in Rot gehalten oder mit rotem Licht eingefärbt, isst der Gast langsamer, dafür aber mehr. Im Bild: das „Wakiya“ im Gramercy Park Hotel in New York. Ursula Neuwirth Goldschmiedemeisterin A 1150 Wien, Hütteldorfer Straße 68 T + 43 1 7862937 office@neuwirth.co.at www.neuwirth.co.at Montag – Freitag 8 – 18 Uhr Samstag 8.30 – 12 Uhr oder nach Vereinbarung 2. 1. 1. Greifbar Frisches. Regionales Biofood boomt. Ideengeber: der Daylesford Organic Store in London. 2. Ambiente zählt. Der Raum bestimmt, wie wir essen. Im Bild: Restaurant Noma in Kopenhagen. 3. Schauküche. Offene Küchen und Cheftables sind Konzepte der Zukunft. Im Bild: „Spice3. market“ im New York. 4. Reden und essen. Lange Tische sollen Kommunikation fördern. Funktioniert in den USA, nicht so gut in Österreich. Bild: magazin, Salzburg. 5. Es werde Licht. Farben beeinflussen Essmenge und -geschwindigkeit. Bild: „Cocoon“, Frankfurt. 5. 4. Restauranttrends Das Ziel: Gesund essen, ohne dass es einem bewusst wird. Das Forschungsziel ist klar: „Diäten funktionieren nicht mehr. Und Ernährungsexperten wissen, dass es zu wenig ist, dem Menschen zu sagen, sie müssen gesünder essen.“ Koster interessiert viel mehr, ob auf eckige Teller mehr geladen wird als auf runde. Was passiert, wenn man frische Blumen auf den Tisch stellt oder ein kleines rotes, grünes oder blaues Licht auf die Speisen scheinen lässt. Die kleinste Kleinigkeit zählt. Führt ein fruchtiger Duft in der Luft dazu, unterbewusst zu mehr Früchten als zu den fetten Pommes zu greifen? Das Team 40 schaufenster hat einen durchaus gesundheitsmoralischen Ansatz: „Die Ergebnisse sollen dazu dienen, dicke Menschen dünner zu machen, Kinder sollen Geschmack an Äpfeln finden, Lkw-Fahrer Salat essen.“ Die Ergebnisse sollen helfen, die Menschen zu gesünderem Essen anzuleiten, ohne dass es ihnen bewusst wird. Gedankenkontrolle zu besserem Essen. Manipulation in purer Form. Das Forscherteam ist sich der Gefahren bewusst. Koster: „Wenn man die Ergebnisse falsch einsetzt, werden wir in Zukunft drei statt nur einen BigMac essen.“ Die Küche zu Hause verwaist. Die Forschungsergebnisse sind vor allem für Restaurants, Cateringfirmen, Schulen, Krankenhäuser und auch Tankstellenshops höchst interessant: Die Konsumation von Essen außerhalb der eigenen vier Wände (OOH – out of home consumption) wächst rapide. „Derzeit mit sechs Prozent pro Jahr“, so Koster. In England liegt die OOH-Rate bei 44 Prozent, in den USA gar bei 51 Prozent. Deshalb werden Kosters Ergebnisse verfolgt wie ein Geldtransporter auf der Flucht. Etwa: „Sieht der Gast, wie sein Essen zubereitet wird, empfindet er es als gesünder, er oder sie hat das Gefühl, etwas Gutes für sich getan zu haben.“ Ergo also eine große Chance für Front- und Showcookingbereich. Kosters süffisanter Nachsatz: „Dabei ist es völlig egal, was auf den Teller kommt!“ Der Manipulation wird freien Lauf gelassen, und das probieren die Forscher in Wageningen gerade aus. Big Brother is watching you – das hat noch nie was Gutes verheißen. u Geschwindigkeit gewinnt. Die Handy-Web-Generation will nicht mehr warten. Kabellose Zahlungssysteme am Tisch, Menü per SMS, OnlineEinkauf im Supermarkt boomen. Die Nischen entdecken. Coffee Bars sind das Vorbild: Nischen boomen. Chocolaterien wachsen weltweit, Ceviche-Bars spezialisieren sich auf rohen Fisch, Steakhouses in New York nennen sich neuerdings neufranzösisch „Charcuterie Bars“. Die neue Bar. Alkohol im Cocktail – das ist für James Bond. GastroBartenders schauen auf die Gesundheit und servieren Biofruchtsäfte, Gemüsepürees und Vitamindrinks. Nährwerte. Selbst McDonald’s macht es schon vor: Auf der Verpackung oder in der Speisekarte sind alle Nährwerte der Speisen genau aufgeschlüsselt. Gastronomie für Kinder. In England und den USA ein Hit, vor allem auf dem Kochbuch- und Kochschulensektor. Quelle: Baum & Whiteman, einer der größten Restaurantentwickler der USA. www.baumwhiteman.com Weitere Bilder finden Sie auf schaufenster.diepresse.com Fotos: Kropf 1, beigestellt noch oberflächlich. Er ist überzeugt, dass die Interaktion zwischen dem Produkt, dem Menschen und der Situation, in der es sich befindet, so gut wie nicht untersucht ist. Das Restaurant der Zukunft will die Konsumenten neu segmentieren: weg von bisher benutzten Typologien und Einstellungen, hin zu Situation und Verhalten von Konsumenten. Neu ist auch die Größe und Dauer des Experiments: Rund zehn Jahre soll es dauern, 250 Studenten und Wissenschaftler fungieren als Testesser. Koster rechnet damit, dass pro Minute ein Gigabyte an Information generiert wird. „Noch nehmen die Probanden wahr, dass sie unter Beobachtung stehen. Das wird aber rasch vorbei sein“, so Koster. Ganz gewöhnlich in dem Land, in dem „Big Brother“ erfunden wurde.