Festansprache von Claudio Hintermann, CEO ABACUS Research

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Festansprache von Claudio Hintermann, CEO ABACUS Research
Festansprache zum 25-jährigen ABACUS-Firmenjubiläum
Von Claudio Hintermann, CEO ABACUS Research AG
27. August 2010
Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie absurd mir diese ganze Situation vorkommt, hier vor so
vielen Zuhörern und Zuhörerinnen zu stehen und einen Festvortrag zu halten. Ich meine, es
sind 25 Jahre seit unserer Firmengründung vergangen, und ich stehe jetzt hier auf der Bühne, obwohl ich eigentlich keine Ahnung habe, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Ich
kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich solches jemals als Lebensziel erreichen wollte.
Man nutzt ja solche Anlässe jeweils gerne, um irgendwie irgendeine Bilanz zu ziehen und
das Vergangene Revue passieren zu lassen. Man fragt sich, was man eigentlich früher einmal wollte und wie viel man davon eigentlich erreicht hat.
Well, wenn ich mich an meine Kollegiumszeiten zurück erinnere und an jene an der Uni,
muss ich mir wirklich die Frage stellen, was ich eigentlich erreichen wollte. Die Wahrheit ist,
ich wollte gar nichts erreichen. Ich wollte einfach nicht erwachsen werden. Zumal die Zukunft
so gefährlich schien, dass man da hätte arbeiten müssen.
Im Kollegium hatte ich nur einen Traum. Ich wollte eigentlich nur Trompete spielen. Wieso
war mir klar, denn ich liebte Jazz und Armstrong, Ferguson und Gillespie, Miles Davis und
viele weitere.
Zu meinem grossen Glück schenkte mir mein Vater 1977 eine Trompete und ich fing an zu
spielen. Aber bereits 1980 an der Uni hörte ich damit plötzlich wieder auf. Es ist schliesslich
ein sehr lautes Instrument, das man nicht in unserer Studentenwohnung spielen konnte. Ich
verfolgte bald andere Interessen und ich wusste, wenn ich mit dem Spiel zu diesem Moment
aufhöre, dann wird es für immer sein. Denn für die Trompete muss man die Lippen immer
trainieren, ansonsten tönt es sehr schnell sehr schlecht.
Vor rund einem Monat fiel mir meine Trompete wieder in die Hände, da ich und meine Familie derzeit am Umziehen sind. Sie befand sich in einem ziemlich miserablen Zustand. Nach
30 Jahren ist es schwierig herauszufinden, ob sie überhaupt noch gut tönt, besonders dann,
wenn man sowieso nicht mehr spielen kann.
Thomas (Köberl) wollte unbedingt, dass ich heute Abend mit unserer AbaBand zusammen
spiele. Wieso er ausgerechnet dies wollte, kann ich mir wirklich nicht recht vorstellen. Er ist
einer der wenigen, die mich jemals spielen hörten, und so gut war mein Spiel damals auch
wieder nicht. Aber Thomas wollte es nicht glauben, dass es wirklich furchtbar tönt und so
beweise ich es ihm jetzt!
Ich habe mir über eBay eine Ersatztrompete besorgt.
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<Claudio spielt Trompete>
Sie sind Zeuge: Die Trompete tönt ja wie eine neue
ABACUS-Programmversion: Es steckt sehr viel Einsatz
dahinter, aber ist fast nicht zu gebrauchen!
< Claudio spielt Trompete>
Es ist fast wie bei einem neuen Release. Da heisst es
jeweils abwiegelnd, die Hardware sei schuld. Na dann
probieren wir es einmal mit einer neuen Hardware
respektive einem neuen Mundstück.
< Claudio spielt Trompete>
Die Musik stammt von Chuck Mangione. Ein Musiker
aus meiner Zeit, als die Musik selbst und nicht die
Musiker sexy waren. Das Stück heisst "Feels so good".
Obwohl das Stück sehr bekannt ist, wissen die meisten
Leute nicht, dass es einen wunderschönen Text hat. Ich
möchte diesen Text meiner Frau Elizabeth widmen:
And then one day you just appear
You said "hello" "Let's make love along the way"
Your name is music to my heart
I'll always really love you
Feels so good when I'm with you
I can't believe you love me too
With you it feels like it should feel
With you it feels so good
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Als Thomas mir sagte, dass ich etwas heute Abend
vorspielen soll, da wusste ich, dass er eigentlich etwas
Unmögliches von mir verlangt. Aber dann habe ich an
ABACUS gedacht und mir gesagt, dass nichts
unmöglich sei.
Ihr glaubt jetzt vielleicht, dass ich übertreibe. Na ja, lassen Sie uns gemeinsam kurz zurückblicken.
Wir gehen zurück ins Jahr 1974. Es ist eine ziemlich lange Zeit her, da wartete ich zusammen mit anderen Schülern und Pater Leodegard vor dem Eingang des Kollegium Sarnen.
Wir alle waren dort wegen der Aufnahmeprüfung. Aber wir konnten nicht anfangen, denn wir
mussten noch auf jemanden warten. Ihr fragt euch sicher, auf wen denn? Einige von euch
dürften es bereits erahnt haben, auf den Herrn Eliano Ramelli. Eine Eigenschaft bei Eliano,
die sich bis heute nicht verändert hat.
Um es kurz zu machen, Eliano und ich waren nicht gerade die Musterschüler unserer Klasse. Im Gegenteil, wir waren nach dem ersten Trimester die Schlusslichter der Klasse: Er hatte sieben Noten unter einer Vier, ich "nur" deren fünf. Wir wurstelten uns buchstäblich von
Semester zu Semester und überlebten die drei Kollegijahre. Danach mussten wird ins Kollegium Schwyz wechseln, um das Maturajahr zu absolvieren.
Durch die Matura kommen? In diesem Alter macht man ja nicht gerade die gescheitesten
Sachen. Eliano, ich und ein paar andere "Loser" aus der Klasse hatten nichts Gescheiteres
im Sinn, als dazu ein spezielles Spiel zu erfinden. Wir nannten es "Maturanden-Misère". Um
was ging es dabei? Man wettete, dass man die niedrigste Durchschnittsnote von allen erreichen würde, ohne durchzufallen. Verloren hätte derjenige mit der höchsten Durchschnittsnote. Wie gesagt, ein sehr intelligentes Spiel! Vorsorglich erwähnten wir unseren Eltern gegenüber logischerweise nichts, weil man in diesem Alter erstaunlicherweise meistens sowieso
kaum von ihnen verstanden wird... Am Schluss stand der Verlierer fest: Er hiess Pfammatter
und hatte mit einem erstaunlichen Durchschnitt von 4,3 die Wette verloren. Ein paar andere
schafften sogar eine 4,2. Eliano verpasste ganz knapp den Sieg mit 4,1. Sieger wurde natürlich ich mit dem sauberen Schnitt von 4,0.
Danach gingen wir – ich als Sieger dieser Wette zusammen mit Eliano – an die Hochschule
St. Gallen. Nicht, weil wir wirklich etwas Gescheites studieren wollten, sondern ganz einfach
deshalb, weil wir nicht arbeiten wollten.
Dementsprechend studierten wir oder eben eher nicht. Ich las endlos viele Bücher, aber
kaum eines zur Wirtschaft. Die Uni kannte ich bestens von der Kantine. Die Vorlesungen waren so langweilig wie die meisten Professoren, die uns irgendetwas erzählten. Man versuchte demzufolge, Vorlesungen möglichst zu vermeiden. Das war nicht immer ganz einfach, weil
man ja Testate brauchte. Das waren Unterschriften, die man einmal pro Semester von den
Professoren bekommen musste, um zu belegen, dass man seine Vorlesungen besucht hatte.
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Ich erinnere mich an eine Begebenheit mit Professor Pedrazzini beim Verteilen seiner Semestertestate, die ich Ihnen hiermit nicht vorenthalten möchte. Der von uns ausgedachte
Trick beim Einholen der Unterschrift bestand darin, dass wir uns in der langen Schlange der
Studenten, die ein Testat wollten, einreihen würden und er uns das Testatheft problemlos
unterschreiben würde, da er ob der vielen Studenten gar keine Zeit gehabt hätte, alle anzuschauen. So gedacht und so getan. Ausser, dass Professor Pedrazzini gerade in dem Moment den Kopf hob, als ich ihm mein Testatheft unter die Nase hielt. Er schaute mich eine
Weile an und sagte mit nachdenklicher Miene: "Sie habe ich aber auch noch nie gesehen."
Daraufhin wusste ich nichts Gescheiteres zu antworten als: "Ich Sie auch noch nie." Professor Pedrazzini war sichtlich über die Antwort erstaunt, schüttelte den Kopf, lächelte kurz und
gab mir sein Testat.
In diesem Stil überlebten wir die Uni und die Uni uns. Wir hatten zwar bereits ein halbes Jahr
vor dem Abschlussdiplom je ein halbes Dutzend Arbeitsangebote bekommen. Etwas, das
uns sehr in grosses Staunen versetzte, ganz nach dem Motto: "Was, da will uns jemand einstellen, sind die denn ganz von Sinnen?" Es war uns daher schnell klar, dass wir eigentlich
kaum für jemanden arbeiten wollten, der uns anstellen würde.
Wir waren inzwischen mit dem Uni-Studium fertig und hatten plötzlich die berühmten drei
Probleme, die später auch einmal Otto, den deutschen Komiker, plagen würden: Kein Geld,
kein Job und keine Ahnung, wie's weitergehen soll. Was tun?
Ich hatte sowieso keine Pläne. Eliano wollte einfach mit ein paar Freunden irgendwas Cooles
anfangen und die Zeit irgendwie überleben. Schon während des Studiums fingen wir an,
Squash-Schläger zu verkaufen. Oder besser gesagt, wir versuchten sie zu verkaufen. Kurz
und gut, wir haben es nicht geschafft, auch nur einen einzigen Squash-Schläger zu verkaufen. Es leuchtete uns plötzlich ein, dass es einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis
gibt. Wir hatten zwar an der Uni gelernt, wie man eine Staubsaugerfabrik in Guatemala plant,
aber nicht, wie man in der Schweiz einen einfachen Schläger an den Mann bringt.
Ja, versteht ihr jetzt, wenn ich sage, so etwas wie ABACUS sei absurd? Insbesondere wenn
Leute wie Eliano und ich die Gründung einer Softwarefirma planen. Zunächst war auch der
Verlierer unseres Maturawettbewerbs, dieser Typ mit der ausserordentlichen Durchschnittsnote von 4,3, dabei. Es hilft ungemein, wenn man die besten Kräfte für ein Projekt wie dieses
vereint! Er hatte es ja immerhin mit uns bis zur Uni St. Gallen geschafft. Aber nachdem er ein
paar Monate zugeschaut hatte, wie wir Chaoten etwas "bastelten", gab er entnervt auf und
beschied uns klipp und klar: "Das kann nicht funktionieren". Er verabschiedete sich von uns,
um etwas Gescheiteres zu machen: nämlich in einer Grossbank zu arbeiten. Und da sitzt er
heute noch.
Eliano und ich wurstelten weiter. Ich hatte ja schliesslich die Idee von Eliano, eine Software
zu schreiben, cool gefunden. Damit war garantiert, dass wir in unserer Studentenwohnung
wie als Studis weiterleben konnten. Und so machten wir uns an die Arbeit. Eliano, völlig
glücklich wegen seiner genialen Idee, ging als Erstes einen Monat mit seiner Freundin in die
Ferien. Cooler Plan, Eliano! Ich fing währenddem alleine an, eine Finanzbuchhaltung zu programmieren. Eines unserer drei Probleme war somit gelöst: wir hatten jetzt wenigstens Arbeit, wenn auch immer noch kein Geld.
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Wenn es etwas gab, das Eliano und mich auszeichnete, dann war es das, dass wir realistisch genug waren einzusehen, dass wir echte Chaoten waren und natürlich immer noch
sind. So suchten wir bald mögliche Mitstreiter, die bei unserem "Luftschloss" mitmachen
würden, unsere Defizite kompensieren sollten und keinen Lohn verlangen würden. Auf dem
Weg nach Los Angeles machte ich einen Zwischenstopp in Paris. Dort besuchte ich Thomas,
der mit uns abgeschlossen hatte. Thomas war in Paris, aber er arbeitete dort nicht wirklich,
sondern war in Paris, um seine "Französinnen"-Kenntnisse, ach, was sage ich da, seine
Französischkenntnisse auf mehreren Gebieten zu vertiefen. Ich überzeugte ihn, bei unserem
kleinen "Venture" mitzumachen, genau wissend, dass wir ihn dringend für unser Projekt
brauchten.
Das Jahr 1985 wurde dann aus zwei Gründen das wichtigste Jahr für unsere kleine Chaotengruppe: Erstens, "Otto der Film" kam in die Kinos, und zweitens gründeten wir die ABACUS. Was für ein Zufall!
Mit der Hilfe des Treuhänders Georg Winkler, der ABACUS mit dem nötigen Aktienkapital
versorgte, konnten wir kurzfristig das Problem des fehlenden Geldes bereinigen.
Somit hatten wir bereits zwei Knacknüsse gelöst: Wir hatten einen Job, ein bisschen Geld,
aber immer noch keine Ahnung vom Rest. Was für ein Trio! Leute, die nicht wirklich ehrgeizig sind, die nicht wirklich einen Plan haben, die nicht wirklich erwachsen werden wollen, und
das darf man nicht vergessen, keine Informatik studiert und eigentlich kein Geld hatten. Wie
soll so etwas funktionieren?
Nach sehr kurzer Zeit ging die Hälfte des Aktienkapitals vor die Hunde, und das obwohl wir
uns Hungerlöhne auszahlten, die Miete nicht immer bezahlen konnten und uns von Fischstäbchen - damals 2,80 Franken für zehn Stück - und ähnlichem ernährten. Wir hatten nicht
mal mehr genug Geld, um einen Laserdrucker zu kaufen, um das Fibu-Handbuch auszudrucken.
So bastelten wir immer weiter. Ohne Drucker, ohne eigene Computer und ohne (grosse) Ahnung…
Die Finanzbuchhaltungssoftware, die wir entwickelten, war auch mehrplatzfähig. Allerdings
waren wir damals gar nicht in der Lage, sie auszutesten, da wir uns kein lokales Netzwerk
mit mehreren Rechnern leisten konnten. Unser Kunde, die ABC Treuhand, verfügte jedoch
über eine solche Installation, so dass ich darum dauernd dort war und verzweifelt versuchte,
unsere Programme zum Laufen zu bringen. Dort lief mir Daniel Senn über den Weg. Er war
offensichtlich im Treuhandbereich unterfordert und gleichzeitig stolz auf seine PascalProgrammierkenntnisse. Er hatte an der Uni St. Gallen Jura studiert, was ihn für uns auf Anhieb dafür qualifizierte, eine Lohnsoftware zu entwickeln. Ich konnte ihn jedenfalls überreden,
sein Talent bei uns zu investieren. Da waren wir schon zu viert.
Und so ging es schrittweise weiter. Immer mehr Leute stiessen dazu. Unsere Firma wurde
ständig grösser und grösser, bis schliesslich ein neues Gebäude her musste; so kamen wir
zu unserem AbaHome.
AbaHome bedeutete für uns einen wichtigen Meilenstein, weil es unsere Vorstellung optimal
widerspiegelt, unsere Mitarbeiter primär als Menschen und Freunde zu betrachten und nicht
als ein Teilchen eines Produktionsprozesses. Darum wurden Fitnessräume, Musikzimmer,
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Restaurants, Bars, Tischtennis und Töggelikasten eingerichtet. Der Mensch lebt ja nicht von
der Arbeit allein. Da kommt mir in den Sinn, dass dabei trotzdem einige Dinge "über die Klinge springen" mussten, einerseits mein Billiardraum, der ohne mein Wissen in eine Wäscherei
verwandelt wurde, was ich gar nicht lustig fand und übrigens immer noch nicht lustig finde.
Aber auch eine geplante Sauna scheiterte am heftigen Widerstand zweier Ehefrauen von
ABACUS-Partnern. Ich habe zwar nie richtig verstanden, woran das Problem lag. Es war da
von "Sodom und Gomorra" die Rede, was wir als Männer natürlich kaum nachvollziehen
können. Wir versuchten zwar mit Anstand, die Idee zu verteidigen, aber wenn man sich gegenüber Frauen anfängt zu verteidigen, hat man sowieso verloren. Schliesslich gaben wir
nach. Es ist ja klar, dass die Wahrheit eines Mannes nie eine Chance hat gegen die Fantasie
einer Frau...
ABACUS wuchs immer weiter oder anders gesagt, wir befanden uns immer "auf der Reise":
Wir fingen an in der DOS-Welt, wurden dort Marktführer. Dann kamen die lokalen Netzwerke. Auch mit ihnen wurden wir wieder Marktführer. Dann kam Windows, wieder Marktführer.
Und jetzt stehen das Internet und Cloud-Computing an, wo wir wieder Marktführer werden
wollen. Wir haben mit einer Fibu angefangen und bieten heute 18 verschiedene Produkte an,
die sich unabhängig voneinander installieren lassen.
In all dieser Zeit hat es nie wirklich einen Moment der Ruhe gegeben. Ständig herrschte und
herrscht bei uns Abbruchstimmung. Wir sagen unseren Mitarbeitern dauernd, dass wir immer
weiter müssen. Wir wussten nicht immer wohin, aber wir wussten, dass, wo wir uns gerade
befanden, bald nichts mehr zu holen war. Oder würde heute noch jemand ein DOSProgramm kaufen wollen? So sind wir immer wieder aufs Neue aufgebrochen und haben
Neuland betreten.
Wie funktioniert die ABACUS? Das habe ich mich mehr als einmal gefragt.
Zuständig für etwas ist bei der ABACUS sowieso niemand. Alles ist eine Hohlschuld.
Willst du was? Dann such es dir selber. Serviert wird bei uns nur Eines: das Essen. Den
Rest muss man sich selber zusammensuchen. Und das ist nicht immer einfach. Kommt
man im falschen Moment, dann heisst es schnell: "Raus! Verpiss dich! Chum später!
Chum nümme! Hüt gits kei Sprächschtund! Gsesch die Wand? Lauf dri!" Man muss sich
also selber behelfen.
Und Verbote? Verbote gibt es bei uns fast keine ausser:
• Du sollst nicht über das Essen fluchen!
• Du sollst nicht begehren deines Nachbarn Hardware!
• Du sollst Averna nicht nur für dich behalten!
• Du sollst nichts Privates auf Lisbeths Drucker ausdrucken und falls doch, dann bewegst
du dich auf äusserst gefährlichen Pfaden!
Wie kann so etwas wie ABACUS überhaupt funktionieren, so ohne wirkliche Führung und
ohne viele Auflagen?
Ich habe mir das sehr lange überlegt und ich bin zu einem einfachen Schluss gekommen:
"Kai Ahnig!"
Nein wirklich, das müssen andere einmal analysieren. Solche, die an der Uni wirklich etwas studiert haben. Allerdings gibt es schon ein paar Faktoren, die vielleicht ansatzweise
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eine Erklärung bieten könnten:
Wir haben zum Beispiel einen Finanzchef, es handelt sich um meinen Schul- und Studienfreund Eliano. Wie ihr euch bestimmt vorstellen könnt, entsprechen seine Aussagen
nicht immer ganz den konventionellen Ansichten. Kürzlich hat er wieder mit einer herrlichen Aussage geglänzt. Sie lautete "Das Problem mit dem Budget ist, dass wir kein Budget haben". Aber lieber einen Querdenker als Finanzchef als einen Quartalsdenker. Eliano weiss, dass er langfristig denken muss, da sich unsere Umwelt ständig verändert. Bei
seinen Entscheidungen steht immer die ABACUS zuvorderst und erst dann kommen die
Aktionäre. In einem börsenkotierten Unternehmen würde er als Finanzchef kein einziges
Quartal überleben. Ich glaube, er ist der beste Finanzchef, den die ABACUS haben kann,
und ich bin stolz darauf, dass wir Freunde sind.
Wir haben auch einen Marketingchef, meinen Studienfreund Thomas, der eigentlich gar
nichts verkaufen will. Auf unserer Reise mit der ABACUS, auf der man nie weiss, welches
Produkt man verkaufen darf, was nicht vorhanden, noch nicht vorhanden ist, schon vorhanden ist aber noch nicht funktioniert, oder nur fast funktioniert oder schon wieder veraltet ist, hat er wahrlich eine unglaublich komplizierte Aufgabe. Thomas betreibt seine Aufgabe mit einem Höchstmass an Glaubwürdigkeit und Gradlinigkeit. Eigenschaften, die
vielen Managern heutzutage abgehen. Er hat vor ein paar Wochen folgendes E-Mail verschickt: "Entweder man betrachtet unsere Händler als Partner und Freunde oder man hat
Feinde. Ich für meinen Teil bin fürs Erstere. Das andere macht mir keine Freude." Ich
glaube, er ist der beste Marketingchef, den wir haben können, und ich bin stolz, dass wir
Freunde sind.
Wir haben beispielsweise einen Applikationsentwicklungsleiter, meinen Programmierkumpel Daniel Senn, der auch unter dem Namen "Panzer Senn" bekannt ist. Wenn jemand so gerne Luftschlösser baut wie ich, kann es keinen Besseren geben wie ihn, um
sie zu verankern. Ich glaube, er ist der beste Entwicklungsleiter für die ABACUS, den wir
haben können, und ich bin stolz darauf, dass wir Freunde sind.
Aber diese Faktoren allein genügen sicher nicht, um den nachhaltigen Erfolg der ABACUS zu erklären.
Liegt es an unserer Fähigkeit, Talente anzuziehen? Oder daran, die einzelnen Positionen
ideal zu besetzen von der Geschäftsleitung mit Martin und Ursula bis hin zu den Projektverantwortlichen, Produktverantwortlichen, den Supportchefs und Programmierern?
Liegt es an unserem hervorragenden Verkaufskanal, auf Schweizerdeutsch Händeler, die
es unter teilweise widrigsten Umständen immer wieder schaffen, unsere Software erfolgreich zu verkaufen? Meine Bewunderung über die Leistungen unserer Händler hat von
Jahr zu Jahr zugenommen.
Oder liegt es ganz einfach daran, dass wir etwas haben, was die Konkurrenz nicht hat,
wie beispielsweise die AbaBand?
Oder liegt es ganz einfach an der Summe von allem? Also nicht nur an einem Einzelnen,
sondern wirklich an allen? Liegt es an:
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Aji, Alexander, Alfred, Amanda, Andrea, Andreas, Angela, Attila, Audrey, Beat, Benjamin,
Bettina, Bojan, Bruno, Caterina, Christian, Christof, Claire, Claude, Claudia, Claudio, Damian, Daniel, David, Dejan, Diana, Dominic, Eliano, Elisabeth, Emanuel, Ernst , Etienne, Evelyn, Evi, Fabian, Frédérick, Franziska, Fredy, Gabriel, Guido, Hansjörg, Hanspeter, Hervo,
Hubert, Igor, Ines, Iris, Jürg, Jan, Jennifer, Jens, Joël, Joachim, Jonas, Karin, Karl, Karolin,
Kevin, Laila, Laurent, Leila, Luca, Manfred, Manuela, Marc, Marcel, Marco, Marilena, Mario,
Markus, Marlies, Marlon, Martin, Martina, Melanie, Michael, Mischa, Monika, Nicolas, Paola,
Pascal, Patricia, Patrick, Philipp, Rafael, Rainer, Ramona, Remo, René, Reto, Richard, Rico,
Robert, Roger, Roland, Ronny, Sabine, Samuel, Sandra, Sandro, Sara, Sascha, Semih, Silvia, Simone, Stefan, Tanja, Thomas, Tobias, Urs, Ursula, Uwe, Walter und Yvonne?
Ziemlich sicher schon!
Wir stehen am Anfang des 21. Jahrhunderts und wir erleben eine Ausnahmesituation von
historischer Dimension. Die zwei politischen Systeme, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, sind kläglich gescheitert: Der Kommunismus, weil er davon ausging, dass alle Menschen gleich sind. Er hat sie somit "entmenschlicht". Der Kapitalismus hat versagt, weil er
die Gier, das Geld und das Kapital über den Menschen gestellt hat. Der Mensch wird dadurch zum Söldner, der nur soviel Geld wert ist, wie er sich im Moment erkämpfen kann.
Einmal erschöpft, wird er entsorgt. Es entspricht einer gewissen Ironie und ist bezeichnend,
dass die öffentliche Hand – was übrigens heisst: wir alle – das Bankensystem hat retten
müssen, dieselben Banken, die ihren Managern auf der gnadenlosen Jagd nach kurzfristigen Profiten astronomische Löhne und Boni ausbezahlt haben. Es ist unter anderem dieses kurzfristige "Söldnerdenken", das unser System fast zum Einstürzen gebracht hat.
Ist die Gefahr jetzt vorüber? Keinesfalls. Die skrupellose Kasinomentalität ist weiterhin vorherrschend. Wie kann es denn sein, dass eine Bank Millionen einkassiert, um einem Land
zu helfen, seine Schulden zu verstecken, um mit Insiderwissen auf dessen miserable Lage
und den daraus resultierenden Niedergang Wetten abzuschliessen und dadurch astronomische Gewinne einzustreichen? Wenn man schon alle reinlegt, Kunden und Investoren,
wieso nicht auch gleich die eigenen Aktionäre, indem man sich selber absurde Boni ausbezahlt? Richtig pervers wird es, wenn sogar eine solche Bank von sich behauptet, "Gottes
Werk zu verrichten".
Komisch, ich dachte, Gottes Werk sei der Mensch und nicht das Geld. Aber es freut mich,
dass es Banker gibt, welche die Schöpfungsgeschichte neu schreiben wollen. Geld genug
haben sie ja. Es würde mich nicht verwundern, wenn sie nicht schon versucht hätten, auch
den da oben "zu schmieren". Skrupel haben sie ja offensichtlich keine.
In dieser chaotischen Welt braucht es neue Modelle und es braucht Firmen wie ABACUS.
Firmen, die es erreichen, langfristig in einer sich dauernd ändernden Welt erfolgreich und
gleichzeitig stabil zu bleiben. Was sage ich da? Nicht nur erfolgreich, sondern dauernd die
Marktführerschaft für sich beanspruchen zu dürfen. Es braucht Firmen, die beweisen, dass
es erstaunlicherweise auch sehr gut funktionieren kann, wenn man den Menschen in den
Mittelpunkt seiner Bestrebungen stellt und nicht das Geld und nicht die Gewinnmaximierung, wie man an der Uni lehrt.
Wie sieht denn das Leitbild vieler Unternehmen heutzutage aus? Welches sind die Vision
und Mission dahinter? Seien wir ehrlich, ausser dem Motivationsblabla, das man meist als
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Mitarbeiter auf den Weg bekommt, ist und bleibt bei den meisten Unternehmen die kurzfristige und langfristige Gewinnmaximierung das wirklich einzige Ziel. Besonders bei börsenkotierten Unternehmen scheint die einzige Raison d’être darin zu bestehen, irgendwelche
Kennzahlen irgendwelcher Analysten zu erreichen. Damit können Leute, denen Pferdewetten zu langweilig sind, spielen und spekulieren…
Aber was sind denn die Vision und die Mission von ABACUS? Sie sind mir erst eingefallen,
als mich Daniel darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir gar keine formuliert hätten. Geld
scheint es sicher nicht zu sein, weil kaum jemand von uns den Gewinn, den Umsatz oder
sonstige Kennzahlen zu kennen scheint. Solange Eliano uns mitteilt, dass es noch genug
Benzin im Tank gäbe, fahren wir weiter. Den Rest interessiert uns Partner fast bis überhaupt nicht.
So banal es tönt, scheinen die Vision und die Mission von ABACUS bis heute gleich
geblieben zu sein, wie sie Eliano vor der Firmengründung formuliert hatte, so wie ich es anfangs meiner Rede erwähnt habe: "Einfach gemeinsam mit ein paar Freunden irgendetwas
Cooles unternehmen und dabei irgendwie überleben."
Es sind inzwischen ein paar Freunde hinzugekommen. Und wie steht es mit dem Überleben?
Es lässt sich mit einem Segreto und einem Al Covo eindeutig besser überleben! Schliesslich
lautet eines der Mottos von ABACUS: "Bescheiden auf hohem Niveau".
Aber damit ich mich klar genug ausdrücke: ABACUS ist weit entfernt davon, perfekt zu
sein, genauso wenig wie die Gründer. Wir sind auch nur Menschen und es "menschelet"
auch bei uns. Auch wir müssen oft Entscheidungen treffen, die nicht immer einfach sind.
Einige werden sagen, das Modell ABACUS liesse sich nicht duplizieren. Das kann sein,
aber die Vision und die Mission schon. Und unsere Mission scheint mir um einiges intelligenter zu sein als Casinochips für ein paar total verrückt gewordene Investmentbanker
darzustellen, solche die noch dazu behaupten, damit "Gottes Werk" zu vollenden.
Wir betreiben ABACUS nicht wirklich wie eine Firma, sondern eher wie eine grosse Familie. Wir schauen zueinander. Der Mensch ist uns wichtig. Die Firma ist nur eine Plattform,
um zusammen etwas zu tun, was wir alle "cool" finden.
Thomas redet nicht nur immer von der "ABACUS-Family", er meint es auch so.
Kürzlich und für uns alle völlig überraschend ist Elmar Weder gestorben, ein Partner von
der WData. Das hat nicht nur bei uns in der ABACUS tiefstes Bedauern ausgelöst, sondern
auch bei seinen Mitbewerbern, den übrigen ABACUS-Händlern. Diese Reaktion hat mir
sehr imponiert. So sollte es nämlich auch sein. Elmar war ein toller Typ, ein positiver
Mensch mit einem unglaublich ansteckenden Lachen. Er fehlt hier heute Abend. Wir werden ihn als einen guten Freund vermissen. Ich möchte mein Glas erheben und auf ihn anstossen.
Sein Tod war sinnlos, wie jeder Tod sinnlos ist. Was wir machen können ist zumindest zu
versuchen, das Leben sinnvoll zu gestalten. Und sollte es einmal irgendetwas wie ein Leitbild der ABACUS geben, dann das: "Ziel der ABACUS ist es, den Mitarbeitern ein sinnvolles Leben zu ermöglichen, in dem sie Leistungen erbringen, auf die sie selber stolz sein
können."
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Wir, meine Partner und ich, sehen uns wie der Rahmen eines Bildes. Das Bild seid ihr, unsere Mitarbeiter, Freunde und Partner, weil ihr alle zusammen ABACUS zu dem gemacht
habt, was es heute ist. Wir sind stolz auf dieses Bild, das nicht wir, sondern ihr selbst gemalt habt. Wir halten es nur als Rahmen zusammen. Ein Bild, in dem jeder von euch wichtig ist, und es zu dem macht, was es ist. Somit sollt ihr euch heute auch selber feiern, stolz
auf euch selber sein und nicht auf uns. Denn das wäre falsch. So wie es falsch ist, dass ich
da oben auf der Bühne stehe und ihr da unten seid. Ihr solltet alle auf diese Bühne kommen! Wie machen wir das? Schwierig, well. Dann machen wir doch das ganze Festzelt zur
Bühne und ich komme zu euch hinunter, wo ich auch hingehöre. Ich bin stolz auf euch.
Prost mitenand!
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